Vortrag 3d:
Gewalt – Vertrag – Staat; oder: (Miss)Erfolgsgewissheit – Entschlossenheit – Interesse
1.
Es geht jetzt um die Frage, wie diese Reifungsschritte, die ich beschrieben habe, sich tatsächlich in der historischen Realität abgespielt haben könnten oder sogar müssen – und da geht es auch um die Verschränkung dieser Schritte mit Reifungsschritten des Vergesellschaftungskonzepts der Normalplaner. Darüber wurde ja bisher noch garnicht gesprochen. Also wie sieht eigentlich deren Verhältnis zu den Vorschlägen, den normalplanerisch abgeleiteten Vorschlägen anderer aus? Überhaupt muss ich kurz eingehen auf das Verhältnis von Weltverhältnis und Vergesellschaftungskonzept. Ganz einfach ist das Weltverhältnis deswegen führrend, weil wenn jemand einen – wie ich das nenne – kollektiven Plan entwirft, er dem seine Ableitungsregeln für praktisches Vorgehen generell zugrundelegt, und also erstmal die andern, mit denen er spricht, als mögliche Beiträger oder Hindernisse ansieht für etwas, das er befürwortet, das geschehen soll, und das natürlich immer im Rahmen einer Routine – das muss man immer dazu sagen – Normalplaner agieren ja aus einer Routine heraus, und da ist eigentlich normalerweise immer gesellschaftlich festgelegt, was jeder zu tun hat; aber wenn diese Normalität an bestimmten Stellen Freiheiten lässt, derart dass man sich von Fall zu Fall neu verabredet, oder wenn einer dieser unerwarteten Zwischenfälle eingetreten ist, die Änderungen nahelegen oder erzwingen, da kommt es dann zu Vorschlägen, die jemand macht – für sich hat er wohl auch etwas vorgesehen (er hat eine Absicht, in seinem kollektiven Plan spielt er selber uU eine Rolle, normalerweise ist das ja so), vielleicht verlangt er auch bloss was von andern – auf jeden Fall entwirft er einen Plan, in dem er selbst und solche, die darin mitwikren sollen, eine Rolle spielen, und das ist erstmal Inhalt von Anträgen, Vorschlägen Aufforderungen an andre.
2.
Wenn nun darüber gesprochen wird, können andere, die darauf reagieren oder sich vielleicht selbst etwas überlegt haben, ihre Gegenvorschläge machen, es gibt ein Hin und Her, warum so oder anders, da können Zweckmässigkeitserwägungen eine Rolle spielen, aber eben auch im weitesten Sinn die Wünsche der Beteiligten und die Bedürfnisse, aber auch die Einschätzungen der je andern – all das wird da vielleicht wechselseitig ignoriert, vielleicht auch registriert und berücksichtigt, und spätestens nach einigen Debatten dieser Art verwandeln sich die ursprünglichen Vorschläge, unter Umständen in korrigierter Form, unter Berücksichtigung der Anträge oder Vorschläge der andern, in etwas wie Kompromisse, oder es gibt auch Passagen, wo ein Vorschlagender auf seinem ursprünglich Eigenen beharrt, und mit dem allen verwandeln sich die Vorschläge in wechselseitige Forderungen. Die andern haben Gegenforderungen, und normalerweise endet das Gespräch damit auch schon, denn normalerweise geht dann das Streiten los, man setzt sich unter Druck, droht, das will ich jetzt garnicht erst ausführen, sondern zunächst mal bloss darauf verweisen, dass die Ableitungsregeln für Vorschläge an andere natürlich nicht völlig verschieden sind von denen, die jemand in eigener Sache anwendet, sofern er nur überhaupt was weiss. Und wir haben ja inzwischen bereits festgestellt, dass Normalplaner gewissermassen schulterzuckend vor der Möglichkeit stehen, dass etwas weit ausserhalb ihrer Normalität stattfindet, wozu sie sich vielleicht erstmal garnicht stellen, das sie vielmehr ignorieren – normalerweise wird es kollektive Planung vonseiten Einzelner oder Vorstellungen dazu, was allgemein geschehen soll, überhaupt bloss im Rahmen einer schon eingerichteten Reproduktion und gesellschaftlich geteilten Normalität geben, die entweder Freiheitsräume vorsieht für Ver- und Aushandlungen, oder die überrascht worden ist, und das gilt dann wohl auch für mehrere, wenn sie überrascht werden. Im allgemeinen wirft eine funktionierende (und nicht etwa langsam zermürbende) gesellschaftliche Kooperation Streitfragen auf und fordert so zu einer Neujustierung der Pläne überhaupt nur dann heraus, wenn irgendwas Überraschendes damit und darin passiert ist, aber dann sind ja auch meistens mehrere beteiligt, und da entstehen dann auch meist schon die Konflikte, die dann zur Schlichtung herausfordern; sodass man sagen kann: Die geteilte Normalpraxis erfordert keine besondere Regelung, sie funktioniert eben, aber die Ausnahmefälle, die sinds, die in irgendeiner Weise sowohl kognitiv herausfordern im Rahmen des normalplanerischen Weltverhältnisses – es muss was neues gefunden, irgendwas ist passiert, das die Weiterführung im gewohnten Rahmen nicht erlaubt – als auch unter Umständen die Neujustierung der kooperativen Verhältnisse erzwingen.
3.
Die wechselseitigen Forderungen gehen also in Streit über, am Ende gibt es unter Umständen eine Kompromisslösung, alle sind mit ihr unzufrieden, das ist möglich – es kann unter Umständen auch mal handgreiflich werden in historischen Zeiten – vielleicht gibt es auch strikte Gewaltvermeidungsstrategien in einer historischen Gesellschaft – in jedem Fall kann man aber sagen: dieses Aufeinandertreffen von Forderungen ist durchaus gewaltträchtig, und deswegen assoziiere ich den allerersten Modus im Weltverhältnis – den allerersten Standpunkt (ein anderer Ausdruck für „Vergesellschaftungskonzept“) von Normalplanern (es ist der allernächstliegende, allernormalste überhaupt, wenn der jeweilige Normalplaner mit einer gewissen Erfolgs- oder Misserfolgsgewissheit antritt) – mit dem Wort GEWALT – dem Konzept „Gewalt“. Das steht hier also für das immer wieder in Kämpfen Abgleiten und dabei „Gewaltverhältnisse“ zu stabilisieren Versuchen in der Form: „Wir sind euch sowieso immer überlegen, seht es ein – oder umgekehrt, ihr seid uns immer überlegen, wir sehen es ein“ – eine Ausdehnung der (Miss)Erfolgsgewissheit auf Kräfteverhältnisse, die also hier gewissermassen als Spezialfälle dem Weltverhältnis susbsumiert werden. Aus diesen stabilisierten und immer wieder infragegestellten Gewaltverhältnissen gibt es eine Bewegung hinaus auf eine höhere Stufe, die ich „das Rechts- oder Vertragsverhältnis“ nenne, und von da aus geht es noch einmal höher, nämlich in den Staat, und das Verhältnis zwischen Menschen, das durch ihn hergestellt wird. Also:
Staat
^
Vertrag
^
Gewalt
Das wären also drei Standpunkte oder Reifungs-Stufen, die das Vergesellschaftungskonzept von Normalplanern durchlaufen kann, die ich jetzt genauer besprechen möchte – und die paarweise mit den Weltverhältnis-Stufen assoziiert sind, über die ich in 3c gesprochen habe:
Staat <–> Interessen (Trennung zwischen Erweitertem und Kernselbst) + Meinungen (Trennung zwischen Überzeugtheit und autoritär beglaubigten Urteilen)
^
Vertrag <–> Grade der Entschlossenheit (bzgl des Erweiterten Selbst und seinen „roten Linien“) + Grade der Überzeugtheit (bezüglich „öffentlich zugänglicher Sachen+Sachverhalte“
^
Gewalt <–> Grade der (Miss)Erfolgsgewissheit bzgl der Gesamtpraxis und ihren (nicht nach Selbst und Sach(verhalt)en getrennt betrachteten) Praxisfragmenten
Der Weg aus dem Gewaltverhältnis heraus ist der, in dem auch zwischen Verhältnis zum Erweiterten Selbst, und den Regeln des Umgangs mit Objektivität (objektiven, subjekt/person-unabhängigen Sachverhalten) unterschieden wird – das ist also der erste Reifungsschritt, der würde in einem vollendeten Vertragsverhältnis enden. Der zweite Schritt wäre dann der, wo strikt und durchgehend unterschieden wird zwischen wirklich elementaren Kernselbst-Anforderungen, und denen, denen ein Erweitertes Selbst genügen muss oder besser: will, also ein „Selbst“ (eigentlich nichts als eine „normalplanerisch denkende Einzelperson“…), dessen Kernselbst bereits investiert ist in eine Lebensform, und das sich insofern erstmal befreien müsste von den Borniertheiten, mit denen es da zu tun hat. Das wäre, aus Gründen, die noch auszuführen wären, der Schritt in eine Mediations- und im grossen Masstab Staats-begründende „Unparteilichkeit“. Dann gibt es sogar NOCH höhere Vergesellschaftungskonzepte, die aber erschlossen werden, ohne dass es – sie begleitende weitere Reifungsfortschritte im Weltverhältnis gibt. Stattdessen werden dabei die auf seinen Grundlagen unüberwindlichen Mängel sichtbar. Das alles will ich jetzt genauer betrachten.
4.
Aber vorher will ich noch eine weitere Verfeinerung der Kategorien einführen, um die es hier geht. Dazu möchte ich ausnahmsweise mal eine Grafik heranziehen, die mir sehr wichtig ist,und die Grafik habe ich diesem Vortrag beigefügt, das ist das Entscheidungsschema. Das, wovon ich bisher gesprochen habe, sollte den Lesern unmittelbar bekannt vorkommen, wenn sie auf die rechte Seite (rechts von dem nach unten zeigenden Pfeil) schauen – da sehen sie: Diejenige Stufe der Aufgabe von normalplanerischen Prinzipien, die als erste verschwindet und die somit gewissermassen als erste „reift“ – diese Stufe ist die, die hier als die der Zwecke bezeichnet wird, oder wurde; darüber steht eine Stufe, da geht es um Prioritätensetzungen – da steht jetzt „Entscheidung über die zeitliche Reihenfolge der Prioritäten unter Berücksichtigung von Randbedingungen und Nebenfolgen“ – und diese Randbedingungen und Nebenfolgen betreffen sehr stark das, was ich das Erweiterte Selbst (ES) genannt habe, also ein Kernselbst (handlungsfähiger, leistungsdisponierter, gespürter „Leib“), das schon investiert ist in bestimmte Abfolgen, in bestimmte Prioritätensetzungen, die uU geändert werden müssen – das betrifft also dieses ES sehr stark – und die Änderungen, um die es da geht, waren ja auch unter die Grübelfrage gestellt, wenn man sich erinnert: Was hab ich falsch gemacht? also: was an der Verteilung meiner Handlungsspielräume auf Prioritäten war uU falsch, welche Investitionen von Handlungsspielräumen waren ungut, soll ich das in irgendeiner Weise verändern? – aber eben immer unter einem (angenommenen/vorhersehbaren bzw tatsächlichen) Gesamtbudget. Und das verweist dann schliesslich auf die letzte Stufe, auf der für dieses Gesamtbudget Maximal-Marken angegeben werden für das, womit ich überhaupt rechne, was ich also überhaupt zu erwarten mich berechtigt finde, womit ich rechnen DARF, und womit ich rechnen MUSS als einem Risiko im schlimmsten Fall – das sind also die Negativ-Marken, Grenzmarken…Worauf muss ich mich einstellen und worauf brauch ich garnicht erst eingestellt sein – und darf ich auch garnicht, weil ich (wie ich fest überzeugt bin) so hoch nicht hinauskommen werde. Und das betrifft also hier nach meiner Einschätzung die Kategorie der Pläne – da steht ja auch schon: Entscheidung über die für lohnend befundenen Versuchshandlungs-Möglichkeiten.
((Zum Thema Versuch bei Normalplanern kann man noch sagen, ja, die können durchaus mit Versuchen umgehen, Versuchen gehört selbstverständlich zu ihren Handlungsoptionen, aber immer begrenzt durch diese Rahmenerwartungen, das heisst also, was lohnend ist zu versuchen, wird festgelegt durch die Rahmenerwartung, und wenn sich dann unerwarteterweise herausstellt, das etwas eben besser nicht versucht worden wäre, dann kann es durchaus sein, dass es zurückschlägt auf die Rahmenerwartungen, denn die waren dann schuld, ich hab dann (wie mir nachträglich auffällt) Dinge versucht, die nicht gehen, das werfe ich mir dann nachträglich vor mit Grübelfragen der beschriebenen Art, und dan ändere ich unter Umständen die Rahmenmarken. Aber ich BRAUCHE immer Rahmenmarken, die aktuell gültig sind, und es gibt dabei ja die Erwartung der Normalplaner, dass diese Marken irgendwie in Abhängigkeit von Bedingungen (anders gesagt, im Zusammenhang mit bestimmten Praxisfeldern) immer weiter konvergieren, und einen dadurch immer weniger überraschbar machen. Das ist eigentlich eine ihrer grundlegendsten Formulierungen für das, was sie überhaupt erwarten. Oder wie sie, und im bezug auf was, dazulernen: Sie sind nicht jetzt schon optimal aufgestellt, aber in der (unbestimmten) Nähe des Optimums, es ist nicht GANZ falsch, was sie erwarten (denn es hat sich ja bewährt), und durch die Erfahrung des Überraschtwerdens werden sie gewissermassen dirigiert in eine Richtung, vielleicht bedingt, und je eingeschränkt auf bestimmte Praxisbereiche, wo sie immer genauer wissen, mit was sie da zu rechnen haben und mit was nicht. Aber eben doch immer genauer in die richtige Richtung gehend. Das macht dann ihre sogenannte Lebenserfahrung aus, aus der sie dann eben eine durchaus hochdifferenzierte Regelstruktur ableiten können, bezüglich des Erwartbaren, wormit man also rechen DARF, und dessen, was nicht zu erwarten ist, womit man also zurecht nicht rechnen muss bzw womit man nicht zu rechnen braucht, weil das eben überhaupt nicht funktionieren wird (wenn es sich um Handlungen dreht) bzw was so nicht vorkommen wird (wenn um Nichthandlungen.))
5.
Jetzt schauen wir uns das mal an: Pläne Ziele Zwecke – das ist natürlich eine Hierarchie – Pläne bilden einen Rahmen für Prioritäten, also eine spezielle Art der Plan-Ausführung, Plan-Realisierung unter Berücksichtigung von Randbedingungen und Nebenfolgen, solcher, die die Ausführung begünstigen, vielleicht aber auch behindern. Dafür steht dieses mittlere Feld ZIELE, und das hat zu tun hat mit solchen (va zeitlichen) Prioritäten und Abwandlungen bei der Planausführung. Und nun muss ich ja einen Plan haben, also ich muss eine Entscheidung treffen über einander ausschliessende Versuchshandlungs-Möglichkeiten, die hintereinander geschaltet sind und möglicherweise auch reproduktiv werden, sonst ist der Plan ein Fragment im Rahmen einer Reproduktion, aber auch die Reproduktion insgesamt in einer bestimmten Umgebung ist ja geplant. Und der Plan dafür, die Gewohnheit, wird abgewandelt spätestens wenn es Überraschungen gibt – ich muss nicht immer den ganzen Plan abändern, sondern unter Umständen nur eben die Prioritäten verschieben, und das heisst: ich ändere die Reihenfolge der in den Plan eingelagerten (Zwischen-)Ziele, ich verschiebe sie, ziehe zum Beipiel eines vor – das zu tun, haben günstige oder ungünstige Randbedingungen nahegelegt; oder ich verwende mehr Ressourcen als ursprünglich vorgesehen auf die Ausführung eines solchen Zwischenziels.
Dann gibt es dann noch die Zwecke da ganz unten im Diagramm, das ist „das Nächst-zu Tuende, zu Suchende, zu Versuchende“, in dem Normalplanerischen liegt es normalerweise immer fest, oder ist weitestgehend festgelegt, aber natürlich kann auch da etwas nicht funktionieren, ohne dass man gleich befürchten muss: Da bin ich jetzt grundsätzlich gescheitert. Sondern da die Priorität des der Zweck-Handlung vorgeordneten Ziels erstmal festliegt und damit auch, wie lange man versucht, bis man aufgibt und an den Zielen oder ihrer Reihenfolge etwas ändert, wird man da, auf der Zweck-Ebene, bei unerwartetem Nichtfunktionieren von etwas herumprobieren in Gestalt der erwähnten (situations-abhängigen) Abwandlungsreihen, und versuchen, etwas vergleichbar Wirksames einzusetzen an der Stelle – das kann auch durchaus sachgerecht sein, ein Werkzeug durch ein anders ersetzen.
6.
Diese Struktur mit Plänen-Zielen-Zwecken untergliedert natürlich auch das, was man andern anträgt, und deswegen steht da unten auch „kollektiver Plan“ – in den ist nicht einfach nur für mich selber was eingetragen, eine eigene Absicht, ein eigene Versuch, sondern ein kollektiver Versuch wird entworfen, es wird andern etwas vorgeschlagen: Lasst uns dasunddas machen, du machst das und der andre macht jenes, und die dritten und vierten sollen das machen, wenns nach mir geht usw. Die Regeln, nach denen das geschieht, sind die der Ableitung von Plänen Zielen Zwecken, die der normalplanerischen Lernregel generell folgen, das heisst, eine geteilte Normalität ist erstmal schon vorausgesetzt, ohne eine solche ist ein Normalplaner ziemlich hilflos, wenn er auf „Andere“ im Sinne von „Fremde“ trifft (selbst wenn er deren Sprache spricht) – mit denen er seine Anträge an sie und Vorschläge für sie verhandeln, sie ihnen nahebringen soll. All seine Vorschläge schliessen nun mal an seine eigene Normalität an, er hat ja keine andere. Vergesellschaftung auf der ersten Stufe bedeutet, dass jemand komplett die Handlungsspielräume anderer und bestenfalls noch von ihnen ins Feld geführte Anforderungen, die sie erfüllen müssen oder deren Erfüllung sie zur Bedingung machen, SEINEM Weltverhältnis subsumiert – als würden auch diese Handlungsspielräume seinem KS angehören. Und ebenso, dass er praktisch seine Erwartungen, seine Rahmenerwartungen zugrundegelegt. Es kann höchstens sein, dass er seinen Kollektivplänen eigene Rahmen-Marken und Prioritäten zugrundelegt – als Abwandlungen bedingende kollektive Sonderfalle: Krieg, Jagd – da zieht man unter Umständen „bewährte“ Jagd- oder Kriegs-Erfahrungen heran, und nicht einfach nur die generellen Maximen der eigenen Lebensführung und -erfahrung. Zumindest, wenn ich über solche Sparten-Erfahrung verfüge. Normalerweise sind die Rahmenerwartungs- und Prioritäten-Sphären bei Normalplanern stark aufgegliedert nach solchen Lebens- und Entscheidungssituationen, also etwa kollektiv vs privat; nur ist es eben, auch wenn lebensbereich- und spartenbezogen, Jagd, Krieg, kollektiv, privat – immer die Normalität, also Rahmenwerte, Prioritäten, Knowhow des jeweils Vorschlagenden, mit der er seine Vorschläge an andre gestaltet. Und nur soweit sich da starke Überlappungen andeuten, wird es zu so etwas wie Verhandlungen, gemeinsamen Erwägungen, Einwänden usw der Angesprochenen kommen.
7.
Wie steht ein Normalplaner zu den Ideen der Anderen?
(Das ist jetzt die Ausführung zum ersten Vergesellschaftungskonzept des Normalplaners – jenem, das ich auch als „Gewaltverhältnis“ bezeichnet habe.)
Grundsätzlich ist es ihm vonseiten seines Weltverhältnisses (und deswegen ist mein Satz so wichtig: das Welt-Verhältnis ist immer das führende, das Vergesellschaftungskonzept ist nur ein Derivat davon) – anders gesagt, seiner Lernregel her, nicht möglich, sich in irgendeiner Weise anders zu verhalten zu dem Weltverhältnis der andern, da wo es ihm widerspricht, als indem er es eben seinem eigenen subsumiert: SEINE Rahmenwerte, generell oder in der je aktuell relevanten Bedingtheit (zB wenn und sofern sie sich beziehen auf „unser(e) Jagd-, oder Kriegsunternehmen“ usw) sind da meist ausschlaggebend, SEINE Erwartungen. Gleichzeitig wird er das, was die andern machen – wenn es ihm nicht in irgendeine Weise zu denken gibt, also er es sich in irgendeiner Weise aneignet – ENTWERTEN. (In selteneren Fällen gilt auch das Umgekehrte: Wenn jemand die Autorität anderen anerkennt, fängt er uU an, seine eigenen Bedenken in der gleichen Weise zu entwerten… ein spezieller, aber eben nicht ganz unwahrscheinlicher Fall von Kognitiver Dissonanz – ohnehin eine der herausragenden Erscheinungsformen normalplanerischen Denkens.)
Das erste WELT-Verhältnis, die Art und Weise, wie er seine normalplanerische Lernregel hier handhabt, läuft hinaus auf immer wieder, von Fall zu Fall, festgestellte Gewissheiten hinsichtlich Scheitern oder Erfolg (in der relativen Erfolgsgewissheit ist die Misserfolgsgewissheit eingeschlossen; es könnte auch sein, dass etwas ZU ungewiss ist, das wäre dann eine „Riskantheits-Gewissheit“). Diese je eignen Gewissheiten legt er als Rahmen auch seiner Beziehung zu den Vorschlägen der andern zugrunde, wobei in dem Diskurs, der zwischen ihnen stattfindet (sofern, solang er stattfindet), könnte es auch zu einer Änderung seiner Rahmenvorstellungen kommen – aber dann sind es eben die, die in seinen Augen gelten. Und wenn dann immer noch andere, Dritte, Vierte widersprechen (das können sogar die bisherigen Autoritäen sein, denen er an der Stelle beginnt zu misstrauen, und deren (Miss)Erfolgsgewissheit er sich eben nicht zueigen macht) – dann muss er in irgendeiner Weise eben diese Gewissheiten der andern abwerten. Und dieses Abwerten insgesamt – also die ERKLÄRUNG , warum die einfach „nicht einsehen wollen“, was er einsieht – Resultate SEINER Lebenserfahrung einfach nicht annehmen wollen, die er aber, ohne sie vermitteln zu können oder wollen, nicht für eine bloss subjektive hält – dieses Abwerten und die Art der Erklärung der Differenz insgesamt kann man nennen: PSYCHOLOGISIEREN.
8.
Psychologisieren ist etwas extrem alltägliches: das Räsonnieren darüber, was jemanden hindert, eine mir bereits hinreichend begründet erscheinende Einstellung, Einschätzung, Vorgehensweise, die ich ihm vorschlage oder die ich gar von ihm fordere, sich zueigen zu machen.
((Da ist also immer vorausgesetzt, dass nach MEINEM Urteil alles relevante gesagt ist. Noch kein Psychologisieren wäre, wenn man feststellt: die Verhandlungen sind nicht ausgiebig geführt worden, sind vorzeitig abgebrochen – die andern wissen etwas nicht, was ICH weiss (denken nicht an…, woran ICH denke.. usw). Dann ist klar, dass sie auch andere Vorschläge haben – vielleicht finde ich (und das könnte man jetzt als die mildeste Form des Psychologisierens bezeichnen) es sogar nachvollziehbar, dass sie die Verständigung abbrechen und sich von meinen Einwänden nichts erwarten, das ihre Forderungen oder Vorhaben (bzw die denen zugrundegelegten Erfolgsgewissheiten) ändern könnte. Allerdings gilt DIESE Zuschreibung wiederum nur unter der Vorausetzung, dass, wenn die andern das ausschlaggebende, das einen Unterschied machen würde, erfahren würden, sie auch anders entscheiden würden. Echtes Psychologisieren beginnt also erst, wenn jemand nicht auf Zustimmung stösst (oder das von vorneherein erwartet), nachdem alle aus seiner Warte relevanten Gründe vorgebracht wurden.))
a) Die simpelste Version dabei ist die globale Abwertung der andern: Sie sind sowieso unmündig, nicht zurechnungsfähig, dumm, schwachsinnig, verrückt, pathologische Charaktere – und alle solche schliesst man mal bis auf weiteres oder auch endgültig von jeder Verständigung aus.
Das nächste ist ein an sich behebbarer Mangel bei ihnen, den sie als solchen aber nicht wahrnehmen, sich bewusstmachen, oder nicht zugeben oder offenlegen WOLLEN (daher die abkürzende Formulierung: Sie WOLLEN nicht einsehen.). Man muss dann also nach solchen VERSTECKTEN Gründen suchen bei den andern, und das ist dann eine mehr oder weniger ausgeprägte relative Abwertung von deren Entscheidungsfindung – die unterliegt eben diesem von ihnen zuzugebenden Mangel.
Die erste, globale Abwertung wird dabei noch nicht vollzogen, vielmehr grundsätzlich erst noch aufgeschoben: Die andern gelten also als grundsätzlich ernstzunehmen, verhandlungs-und zurechnungsfähig, erwachsen, nicht krank, verrückt, berauscht, in irgendeinem emotionalen Ausnahmezustand. Sondern:
b) Sie sagen nicht alle ihre Gründe, sind nicht offen – da rate ich dann, was es sein könnte, was sie abhält mir zuzustimmen, sie mir aber nicht offen sagen wollen (warum nicht? da braucht es also noch ein Motiv…), ihre ausgesprochenen Gründe hingegen sind vorgeschützt (womöglich ist ihnen das noch nicht mal bewusst: „Rationalisieren“), deswegen leuchten sie mir auch nicht ein – ich muss dann – im Extremfall sogar ihnen selber „unbewusste“ – Motive finden und erfinden, und sie zwingen, sich dazu zu bekennen.
c) Die dritte Möglichkeit des Psychologisierens ist, dass ich unterstelle, dass sie die Berechtigtheit meiner Forderung an sie zwar einsehen, aber gewisse momentane oder dauerhafte Schwächen aufweisen, die ihnen die Erfüllung meiner Forderung, entgegen jedweder Einsicht, erschweren. Diese Schwächen müssten dann womöglich zusätzlich, aber auch getrennt vom konkreten Anlass, angegangen werden, zb dass man ablenkbar ist, dass man seinen Entschluss (dessen Begründung vielleicht vergessen wurde, weil auch nicht aufmerksam zugehört wurde) nicht durchhält, weil man „willenschwach“ ist, oder sich an Belastungen oder gewisse Praktiken noch nicht gewöhnt hat usw.
Spätestens also, wenn unterstellt wird, dass die andern eigentlich nichts mehr einzuwenden haben (zumindest nichts, das der Psychologisierende für relevant hält – und das ist schliesslich, was zählt; für ihn), nicht lügen, unaufmerksam, unernsthaft sind und auch nicht grundlegend gestört – spätestens dann ergibt sich ein weites Feld von Beeinflussung, wo die ihnen zugeschriebenen Schwächen und inneren Hindernisse der andern in einer ähnlichen Weise bearbeitet werden sollen (von aussen, oder von ihnen selbst), wie man sie auch bei sich selber bearbeiten würde: die Gewohnheiten ändern – sich disziplinieren; auf die gestellte Aufgabe konzentrieren – die Bedürfnisse und Leistungsdispositionen ändern, so dass man fähig wird, etwas, das man als wünschbar, als durchzuführende Massnahme eingesehen hat, auch tatsächlich KANN , und da nicht unterwegs schlapp macht.
9.
Jetzt hat man also eine solche normalplanerische Art von Deutung einer sozialen Situation, die ganz und gar dem eigenen Urteil subsumiert ist – als Normalplaner hat man ja kein andres. Dabei kann es sein, in solch einer Situation des Konflikts ist es sogar sehr wahrscheinlich, dass man selber von „den andern“ psychologisierend interpretiert bzw behandelt wird, wie man es auch mit ihnen macht – was man aber unter Umständen, angesichts der Kräfteverhältnisse, nicht sagen kann – man kann nicht offen sein, kann es allenfalls heimlich hintertreiben, was sie da machen oder von einem fordern, sich entfernen von der Truppe – all solche Sachen eben. – Normalerweise herrschen solche Verhältnisse zwischen Gruppen, die früher oder später tatsächlich in Kämpfe geraten, also wo die Auseinandersetzung in Gewalt übergeht – oder Zwang – und wo man auch die psychologische Deutung noch versucht einander aufzuzwingen: „Jetzt gib doch mal zu, du hast gelogen – gib doch zu, dass du nicht willst, du hast doch insgeheim was dagegen usw – also mach es gefälligst – aber du machst es ja nicht, dann werd ich dich jetzt zwingen, drohe dir was an“ usw.
Zusatz 1. Ein Äquivalent für das, was hier Psychologieren (jemand psychologisierend behandeln) genannt wird, ist: VERACHTEN (verächtlich, verachtungsvoll behandeln). Wie die letzte Bemerkung zum „Aufzwingen der psychologischen Deutung“ zeigt, ist das keineswegs bloss eine innere, und schlimmstenfalls verbal geäusserte Einstellung; vielmehr werden die andern, so wie beurteilt, auch behandelt: Als Unmündig-Unfähige, Lügner, Schwächlinge usw. Das Geringste dabei ist noch, dass die so Titulierten diese ihre Beurteilung als ihre eigne aussprechen sollen, und dem Verächter in seinem jeweiligen Urteil rechtgeben sollen. Härter ist dann schon, wenn ihnen zugemutet wird, sich in ihrem Tun und Lassen nicht mehr nach eignen Einsichten (unter normalplanerischen Vorgaben heisst das dann meist: entsprechend den eignen Normalitäts-Regeln und Erwartungen), sondern denen des Verächters, FÜR SIE MIT, entworfenen Zwecken, Zielen, Plänen zu richten, maW seine Anordnungen zu befolgen – also etwa einfach Befehle auszuführen, aber auch die unterstellten und angeblich nicht ausgesprochenen eignen Einstellungen „gestehen“ und anschliessend entsprechende Korrekturen an und über sich ergehen zu lassen, denen (womöglich mit überschiessender Eigenaktivität: „Selbstkritik“) geheuchelte Einsicht, Reue und Schuldbewusstsein, Einsicht in Strafbedürftigkeit, Geloben von Besserung, schliesslich gesteigerte Konformität (unter Aufsicht) im Sinne des Verächters zu folgen haben; schliesslich sich auch mehr oder weniger „realistisch“ ausgeführten, demonstrativ-„energisch“ wirkenden Selbst-Verbesserungs-Übungen zu unterziehen – alles im Sinne der je von aussen diagnostizierten „Schwäche“. All diese Zwangsausübung ändert natürlich an der Einstellung des Verachteten nicht das geringste, erzwungen werden so einzig äussere Gehorsamsleistungen, bis sich die Kräfteverhältnisse ändern – und die bis dahin gehegte Gegenverachtung offen gezeigt werden, es überhaupt dem und den Verächtern „gezeigt“ werden kann, in einem Kampf um RESPEKT.
Psychologisieren ist auch im Verhältnis zu sich selbst möglich – dann, wenn einer Person ihre Projekte oder Lebenseinrichtungen fragwürdig geworden sind, die betreffende Person dies aber – aus welchen Gründen immer – nicht zum Thema machen will, stattdessen an ihrer Zielsetzung scheinbar ungebrochen festhält, und ihr „Versagen“ daran grundsätzlichem Unvermögen, „unbewussten“ Motiven, oder abtrainierbaren Charakter-„Schwächen“ bei der Ausführung zuschreibt.
Zusatz 2. Ein weiteres Derivat des Psychologisierens ist der Übergang von der Selbst- wie Fremd-Zuschreibung von Schwächen, dem Zurückbleiben gegenüber einem Normal(wie könnte es anders sein!)-Standard, zur Konstruktion einer Skala der Bewunderungs- und Verachtungswürdigkeit, in der man den Grad des eigenen wie anderer Leute „Selbstwerts“ bestimmt (meist „fühlt“) – unterhalb gewisser Normal(einmal mehr!)-Anforderungen wird die eigne Unzulänglichkeit als SCHAM-Gefühl, ganz besonders subtil sogar mit Bezug auf andre als „Fremdschämen“ empfunden. Das Konstrukt „Wert“ wiederum bezieht sich nicht auf einzelne soloche Episoden gesteigerten oder geminderten Ernst-zu-nehmen-Seins, sondern soll eine übergreifende Disposition der Person sein, die sie in all ihre Lebensäusserungen hinein begleitet. Fundament sowohl der episodischen wie der prinzipiellen Wert-Zuschreibung ist das Nicht-Unterscheiden von aktuellen Kräfte-Verhältnissen, die auf kontingenten, aktuellen Potentialen der Normalpraxis (oder auch Überraschtheits-Reaktionen) der bewerteten Parteien beruhen, einerseits, und unterschiedlicher Urteilsfähigkeit, unter Normalplanern ist das gleichbedeutend mit: Fähigkeit zur „korrekten“ (nicht überraschbaren, alles kommt wie erwartet) (Miss)Erfolgsgewissheit – in Summe könnte das bezeichnet werden als die Disposition einer Person (verstanden als der Person angehörende Fähigkeit), die von ihr für sich selbst bekundeten wie andern vorschlagenen, angetragenen, aufgezwungenen (kollektive) Pläne, Ziele, Zwecke im wesentlichen zuverlässig umzusetzen wie erwartet – so, als wäre ihre (Miss)Erfolgsgewissheit das Resultat eines ausserhalb ihrer leiblichen Fühlsphäre angesiedelten Empfindung der Erfolgsträchtigkeit ihrer Vorhaben (der ernsthaften; bei denen sie also auch scheitern könnte); oder (alternativ) Resultat von Bedingungen, über die Kontrolle auszuüben gleichbedeutend wäre mit der Kontrolle über das Mass des Gelingens eigener Vorhaben wie solcher anderer Personen. Die Wert-Skala mit Blick auf diese Disposition reicht von völliger (selbst- wie fremd-zugeschriebener) Hilflosigkeit (hier gleichbedeutend mit kompletter Unmündigkeit, Urteils-Unfähigkeit) bis zu absoluter, „übermenschlicher“ Übermacht, uU das alles wieder „bedingt“ dh eingeschränkt auf bestimmte Praxisbereiche. Selbstverständlich bilden REALE Dispositionen, sowohl Motivationen, Entschlossenheiten, Affekte, Antriebe…, als auch Verfügung über objektive Mittel und Fähigkeiten (auch als Kollektiv…) den robusten Kern derartiger (Miss)Erfolgsträchtigkeit, die sich womöglich von entsprechend eingeordneten charismatischen, genialen, heiligen usw. Personen auf mit ihnen verbundene Gruppen ausdehnt. Nur orientiert sich die Bereitschaft, mit solchen Eigenschaften ernsthaft zu rechnen, und sich davon mit seinem Erwarten, negativ (jemandem nichts zutrauen) vor allem aber positiv abhängig zu machen, an „Erfahrungen“ mit faktisch erlebten Verläufen, die womöglich ais Sicht des Normalplaners seinen Ansprüchen an „Bewährtheit“ genügen. (Ein Spezialfall sind die in diesen Rahmen zurückgefallenen optimalhypothetischen Ideal-Dispositionen, deren Vorkommen ein OPP(REL)-Normalplaner an realen Exemplaren in seiner Umgebung für möglich hält, wenn nicht gar erwartet.)
Zusatz 3. Bereits hier, auf dem noch ganz ursprünglich eingenommenen ersten Standpunkt, kann man fragen, wie eigentlich je zwei Normalplaner ihre „Horizonte verschmelzen“ sollen – anstelle einander konfrontierend gegenüberzutreten und sich bestenfalls gegeneinander, in wiederum symmetrisch geteilter gegenseitiger Miss- und Verachtung, abzuschotten. Bei Lebzeiten ist da eigentlich nur ein gemeinsames Katastrophen-Ereignis denkbar, das die bisherigen Normalitäten im grossen ganzen vernichtet, und die Überlebenden zur Kooperation bei stark reduzierten Ressourcen, also auch Optionen, zwingt. Mit anderen Worten, sie ihrer durch ihre jeweilige, vormalige Normalität bestimmten Freiräume beraubt. Es ist ja überhaupt, dem bislang Gesagten zufolge, sehr viel wahrscheinlicher, dass Normalplaner, erst recht ihre Nachkommen, UMLERNEN, als dass sie in ihrem Leben, oder ihre Nachfolger, unter Anknüpfung an die (ihnen zugänglichen) Resultate der Vorgänger, DAZULERNEN (das Stichwort hierzu lautete: Ausdifferenzieren der Regelsysteme nach Bedingungen bzw Anwendungsfällen/-gebieten). Die Horizont-Verschmelzung findet also dann meist im Aufwachsen in einer der Herkunftsfamilie fremden Umgebung (auch am selben Ort) statt, in die sich Eltern nicht eingewöhnen, wohl aber die Kinder (allgemeine Schulpflicht kann das fördern), die dann vielleicht eine gewisse Syntheseleistung, hoffentlich im Sinne des „Besten beider Welten“, zustandebringen. Eine Normalität kann ja durchaus heterogene bis widersprüchliche Elemente aufweisen, und die Erben einer solchen Konfliktlandschaft können uU mehr als ihr halbes oder auch mal das ganze Erwachsenenleben damit verbringen, halbwegs Ordnung in das überkommene Chaos zu bringen. Die widersprechenden Elemente werden wohl am häufigsten zu finden sein in Gestalt von: „tatsächlich (Routine)Praktiziertem und Geplantem“, „(als gültig, umsetzbar) proklamierten Idealen und Begründungen/Erzählungen“, „enttäuschten Erwartungen, Scheitern an den Einstellungen der (veränderten) sozialen Umgebung“. Bei dem zweiten Punkt, Idealen, ist eigentlich alles gemeint, was über „Präferenzen und Prioritäten-Setzungen“ entscheidet – und das gilt immer erstmal für den Horizont des eigenen Lebens, also den Lebensentwurf; aber der kann natürlich auch durch „Höheres“ bestimmt sein. Die Arbeit der Integration von normalplanerischen Erben einer „gestörten“ Normalität besteht darin, Praxis (und Nächst-zu-Tuendes), Lebensentwurf(s-Prioritäten), das nach ihrem menschlichen Ermessen zu Erwartende, und, falls sie derartiges haben, auch ihre Normen und Begründungsweisen einander anzupassen, und die Widersprüche zwischen diesen ihren (Zeit)Horizonten abzubauen. Sonst wachsen sie eben nicht in eine Normalität hinein, und wenn ihnen kulturell nicht mehr angeboten wird, um das zu verarbeiten, als eben das, womit alle anfangen, das Inventar der Normalplanungs-Kategorien – dann ist ihre Praxis KRANK, und sie werden daran, früher oder später, zugrundegehen; womöglich nicht ohne ihre Konflikte weitergegeben zu haben, auch als Anschauung, und Lebensform, der sich die Nachwachsenden, die das mitbekommen, nach Kräften (als einem gescheiterten Normalitäts-Versuch) zu entziehen versuchen.
Zusatz 4. Grundsätzlich gehören im Aufwachsen die sämtlichen Verhältnisse zu andern, in der engeren und weiteren Umgebung, zur Ausgangsnormalität, die sich anschliessend entlang den bekannten Anlässen weiterentwickelt. Ohne besondere Bildungsanstrengungen wird da also nicht differenziert zwischen „sozialen“ Elementen dieser Normalität, und „weltbezogenen“ – geschweige, dass die Weltbezüge der andern in Gedanken ständig mitgeführt, geprüft und für korrektur-bedürftig gehalten werden. Entsprechend dem „natürlichen“ Autismus des Normalplanens können dabei Beziehungen zwischen Personen und/oder Gruppen aus unterschiedlicher Perspektive grotesk unterschiedlich aufgefasst werden – zumal eben Abgleich, Verständigung, Kritik und Gegenkritik in beiden Normalitäten nicht vorgesehen sind. Eine ganz elementare Einstellung dabei ist die FREMDHEIT der andern, das kann schon begründet durch andere soziale und/oder regionale Herkunft; diese Fremdheit ist im Leben von Normalplanern notgedrungen bereit sein (uU schmerzhaft empfundener) Fremdkörper; und wo die Einstellungen der andern unbekannt sind, ist dann auch nichts, oder nicht viel, was unter die eigenen Prioritätenregeln und Rahmenwerte subsumiert werden könnte – das Psychologisieren dürfte entsprechend grobschlächtig ausfallen (die andern die, mit denen man nicht rechnen (und sich darum auch nicht verständigen) muss, oder umgekehrt, die IMMER erfolg- und siegreichen, gegen die man nichts machen kann usw). Angesichts dieser Engführung von sozialer und weltbezogener Normalpraxis sollte es nicht verwundern, wenn auch die ersten Reifungsstufen über dieses ganz archaische Ausgangsniveau hinaus im Verbund stattfinden (was in den folgenden Abschnitten zu zeigen sein wird).
Zusatz 5. Für die korrekte Anwendung der hier entwickelten Kategorien und die nachfolgenden Reifungsschritte muss noch darauf hingeweisen werden, dass unterschiedliche Praxis- und Vergesellschaftungsfelder (-aufgaben…) meist unterschiedliche Reifegrade aufweisen. Zu einem „Standpunkt“ fortgeschritten sind solche Einzel-Entwicklungen, wenn die betreffende Differenzierung sich auf alle Praxisfelder ausgebreitet hat und zum „Prinzip“ des Denkens, Planens, Handelns geworden ist. VOR einer solch prinzipiell verfestigten Reifung auf wenigstens ein höheres Niveau haben alle stabilen Vergesellschaftungs-Zustände nur etwas vorläufiges – zumal alle Sozialverhältnisse (auf dem ersten, dem Ausgangs-Standpunkt) durch inner-weltliche Verläufe und, darauf beruhend, geänderte Wirkregeln, sich völlig neu gestalten können. Wieviel historische und als solche tradierte Erfahrung, wieviel Bildungsanstrengung des Vermittlers und Tradierenden, wieviel der Nachkommenden, ist erforderlich, um über diese archaischen und trotzdem so allgegenwärtigen Einstellungen hinauszukommen!
10.
Die Frage ist jetzt: was Gewalt ist bzw was sie eigentlich bewirken soll, in diesem normalplanerischen Praxis-Aufbau. Und da bediene ich mich gerne eines Wortwitzes, der anknüpft an die deutsche Formulierung: „Euch werd ichs zeigen!“ (lat. quos ego!) Das, was man versucht, in einem Krieg zu zeigen, der also auch tatsächlich in einem dauerhaft stabilen Verhältnis enden soll, wo die andern was ein für alle Mal anerkennen sollen – das also, was man tatsächlich in einem solchen Krieg versucht zu zeigen, ist: – dass UNSERE Erfolgs- und Misserfolgsgewissheit, UNSERE Beurteilung von Chancen und Risiken (und daraus resultierende Prioritäten) immer die richtigen sind – und daher für uns alle gelten sollten. Genau das zeigen wir euch in der Auseinandersetzung (der ja der Widerspruch gegen unsre Einschätzung vorausgeht) – wir zeigen euch, dass ihr immer Unrecht habt, wenn ihr noch gegen uns aufbegehrt, denn, wenn wir die Stärkeren sind, gibt es ja letztlich nur dann Gewalt, wenn ihr euch uns nicht fügen wollt, und wir euch (einmal mehr) zeigen, dass wir auf jeden Fall überlegen sind – sofern wir es nicht sind, können wir nichts zeigen, sondern müssen erstmal die Mittel sammeln, um was zeigen zu können – müssen also auch ein (Beurteilungs-)Material haben, an dem wir unsere Erfolgsgewissheit und unsere überlegene Erfolgsgewissheit und Misserfolgsgewissheit überhaupt vorführen können. – Haben wir da nichts – denn es ist ja normalerweise so, dass die Widersprechenden, Gegner, Leute sind, die an der eigenen Normalität, der eigenen Reproduktion, nicht mehr teilhaben, es sind also zugleich Fremde, womöglich uns fremd Gewordene… Weshalb dann ein Feld der Auseinandersetzung, ein „Kriegstheater“, wo man sich das zeigt, ein Kriegsschauplatz, erstmal gewählt werden muss, ein Feld der Auseinandersetzung, die dann auch nach Regeln abläuft (wir haben Wirkmittel (Waffen), die andern haben auch welche oder irgendwelche Abwehrmöglichkeiten, und wenn es auch nur das ist, dass sie uns immer wieder überraschen und dann flüchten und für uns unerreichbar werden). Der entscheidende End-Punkt, nachdem das Sich-Auseinandersetzen angefangen hat gewissermassen System zu bekommen – er wäre, dass das zuläuft auf einen stabilen Zustand der ACHTUNG vor uns, derart dass man uns nicht mehr einfach subsumieren (und die Differenz psychologisieren) kann, sondern, ganz im Gegenteil dass man sich seinerseits unter unsere Urteile (Begründungen, Einwände…) subsumiert (dh sie anerkennt, sich daranhält und sie übernimmt in sein eignes Begründen) – dass der oder die andern, spätestens, wenn wir ihn, sie psychologisch beurteilen, daraus Konsequenzen zieht, und sich das zu Herzen nimmt: Indem er tatsächlich sagt, ich kann das wirklich nicht, die haben recht, was die vorgeben, ist verbiundlich und ich muss mich darauf einstellen – das sind alles solche Ausdrucksformen der Unterordung unter unser Urteil, die wir erwarten – der andre, die andern ordnen sich immer wieder dieser unserer überlegenen Einsicht unter – und dieses Verhältnis herzustellen, ist also Anlass zu einer systematischen (Gewalt)Anstrengung, die münden soll in ein stabiles Verhältnis, wo sich andere subsumieren lassen – regelmässig, zuverlässig subsumieren lassen unter meine/unsere Erfolgs- und Misserfolgsurteile für uns alle.
Zusatz: Kräfteverhältnis als Voraussetzung für Gewaltkonkurrenz – Schein der Asymmetrie, ungleiche Gegner usw (auszuführen!)
11.
Also nehmen wir an, wir sind dann als Autorität anerkannt, und zwar als eine, die nicht nur immerzu drohend mit Gewehr (oder früher: mit gezogenem Schwert) da steht, als Sklaventreiber und -eigner. Sondern da soll ein Herrschafts-Verhältnis stabil funktionieren, das heisst, der Krieg soll in etwas systematisch-systemisch Asymmtrischem enden – spätestens, wenn die Verhältnisse grossräumiger werden, also grössere Menschengruppen tatsächlich ins Verhältnis zueinander getreten sind und Konflikte dieser Art aufgetreten sind, oder weitreichende Arbeitsteilungs- und Produktionszusammenhänge abgesichert, oder Übergriffe endgültig abgewehrt werden sollen – die Nomadenüberfalle sollen endlich aufhören, ein Exempel soll statuiert werden usw. Dieser systematisch-systemische Endzustand (zu unsern Gunsten) wäre also: Wir haben uns Respekt verschafft, wir haben die andern unterworfen, aber im günstigsten Fall ist da sogar mehr als Respekt, die andern unterwerfen sich diesem unserem Urtel und zwar als einem, das jederzeit gegen sie durchgesetzt werden kann – die Gewalt ist ÜBERLEGEN – ich hatte ja schon gesagt, das Urteil kann noch so gut sein, wenn es nicht auf Dauer mit dieser demonstrierbaren Erfolgsgewissheit „wir können euch immer zeigen, dass wir die besser urteilsfähigen sind“ verbunden ist, dann ist es nicht viel wert. Es sei denn, die andern bekommen mit (das gehört auch ein bisschen dazu), technisch: ich bewirke etwas, und bin mir dessen sicher – oder mache immer richtige Prognosen, meine (Miss)Erfolgsgewissheiten erweisen sich im nachhinein als richtig – dann bekomme ich natürlich auf die Weise Prestige, und das ist dann auch ein Mittel, mich durchzusetzen, es kann zwar auf Zufällen beruhen – aber die andern glauben es nun mal – das gehört also alles immer noch zu diesem „Ich habs euch gezeigt“, oder „wir zeigens euch, dass wir rechthaben (immer wieder)“. Die Überzeugungsgrundlage, dass man sich subsumieren lässt mit seinen eigenen Vorstellungen davon, was zweckmässig wäre, die ist da eigentlich immer ähnlich strukturiert, und das ist alles Normalplanerstoff, wie er originaler nicht gedacht werden könnte, weil es die Überlegenheit, diese Art der Asymmetrie ist, die sich bewährt und einen überzeugen soll, übrigens jetzt nicht bloss aufseiten der Unterlegenen: Diese andern – die haben immer recht, die gewinnen immer – sondern auch aufseiten derer die sich ihrer Sache immer sicher sind und versuchen, ein Kriegs- oder Gewaltsubstrat zu finden, an dem sie „es“ andern zeigen können. Also das ist jetzt hier eine Analyse der Logik von Gewalt- bzw stabilen Unterwerfungsverhältnissen, Versklavungs- , Untertanen- und Herrschaftsverhältnissen, die komplett aus der Logik des Normalplanens folgen.
Anmerkung. Eine bewährte Normalität ist normalerweise nicht Gegenstand von Gewalt-Auseinandersetzungen, es sei denn, es ist eine die immer weniger fortschreibbar ist wie bisher. Die Anlässe, bei denen dann eben die Herrschaft der Herrscher oder derjenigen, die da eben was festlegen für andere – bei denen die dann eben tatsächlich zum Zuge kommen – sind immer Ausnahmesituationen – sind genau diese Situationen, in denen es drauf ankommt, die Prioritäten neu zu setzen, und festzustellen, da ist aber etwas überraschenderweise DOCH lohnend, oder jetzt nicht mehr lohnend, es wird abgebrochen, oder die Rahmenwerte werden verändert. Oder es wird eben tatsächlich mal darüber entschieden, dass die ganze Mannschaft mal eine neue Sache ausprobiert, weil etwas bisher nicht funktioniert hat, und dann sagt jemand, was zu tun ist, dass es doch gelingt (als Pendant zur Ausnahmesituation). Man könnte in solchen Situationen natürlich immer warten, bis man sich auf das anstehende Unternehmen geeinigt hat – das ist natürlich auch möglich. Aber sofern solche Verhältnisse tatsächlich angestrebt werden und es Routine werden soll, dass man IMMER derjenige ist, der in einem umfassenden kollektiven Praxiszusammenhang sagt, was in Ausnahmesituationen zu geschehen hat (was jeder zu tun hat usw) – dann das ist DAS der Vergesellschaftungsmodus, den man durch das „Es-Zeigen“ als endgültig und ein für alle Mal stabilen, anstrebt: Das Anerkanntwerden als überlegene Autorität. Das Charisma der Führer und Herrscher besteht wesentlich darin, dass ihre Massgaben in nichtnormalen Situationen sich BEWÄHRT hat (fehlt es an solchen, dann eben an künstlich arrangierten Gewalt-Wettbewerben, Kriegen als Kunst-Substraten der Auseinandersetzung, an denen dieses Sich-Bewähren zuverlässig vorgeführt wird), und, ihnen da überall zu folgen, den Charakter einer Art Normalität für den Ausnahmefall, einer Normalität zweiter Ordnung, annimmt.
12.
Wie geht es von da aus weiter? – Ich hatte ja schon gesagt, das Kriegführen ist normalerweise nie ein „nebeneinander her sich einer Sachherausforderung Stellen“, wie etwa bei einem Holzfällerwettbewerb, und wer gewinnt, der hat ab dann das Sagen – Wettbewerbe von Experten und speziell Geübten sind schliesslich keine Herrschafts-Bewährungs-Situationen – wo einfach deutlich wird: Leute können etwas Sach-bezogenes deutlich besser, da könnte man sich das ja einfach abschauen – wie machen die das, warum können die was besser, und schon könnte man sich diese Wirkroutine aneignen und lernen. (Das kann sogar eine neue Kampf-Technik oder -Taktiksein!) Mit solchen Wettbewerben darf man Kriege und auf Herstellen von Herrschaftsverhältnissen zielende Gewaltaktionen also nicht verwechseln. Vielmehr wird da, wie gesagt, ein Feld bereitet, wo man „es sich wechselseitig zeigt“ – und dabei die eigne Erfolgsgewissheit, wenn nicht (magisch!) die unerklärliche Erfolgs-Herbeiführungsfähigkeit BEWÄHRT. Das hat immer etwas Künstliches – es ist eine künstliche Welt des Krieges – trotzdem ist dies immer noch eine objektive Welt, und zwar eine, in der dann auch noch ganz viele Ausnahme-Situationen entstehen (darauf wird es ja von seiten der Kriegsparteien geradezu angelegt, den Feind zu überraschen), die man dann nur noch mit Ausnahme-Massnahmen bewältigen kann – die andern haben sich was einfallen lassen, und jetzt müssen wir mal schnell eine Verteidigung improvisieren, und dergleichen. Dieses Sich-Messen anhand von Nicht-Routine- und Überraschungssituationen, mit denen man die andern konfrontiert, möglichst solche, auf die sie eben nicht gekommen sind – diese Proben des eigenen „überlegenen“ Erfindungsreichtums und Urteilsvermögens den andern Vorführen und damit Zeigen, dass man IMMER derjenige sein wird, der zurecht in solchen Überraschungs- und Ausnahme-Situationen der Gesamt-Gemeinschaft die Führung auferlegt, weil er es (dann) einfach immer besser weiss und immer besser bestimmen kann, was wie geht und was nicht – der also auch die Rahmenmarken für die (Routine wie Ausnahmesituationen übergreifenden) kollektiven Pläne setzt und die Prioritäten – dieses überlegene Sich-Bewähren in fortlaufenden Ausnahme-Fällen wird – getrennt von der Routinepraxis, aus der man heraustritt – vorgeführt auf einem eigens dafür geschaffenen „Ausnahme“-Praxis-Feld. Nichtsdestotrotz ist dieses Feld aufgebaut aus objektiven Tatbeständen und Herausforderungen. Zum Beispiel, wir machen was mit Booten, und dann kommt ihr an und habt Flösse, und die sind garnicht bemannt, sondern da habt ihr Brandsätze drauf und lasst sie auf uns zutreiben, das hätten wir vorhersehen können, haben wir aber nicht... Wir stellen uns dabei also in einer Sphäre, in der „alles möglich“ sein könnte, zugleich einer Sphäre von Nicht-Routine-Wirkmöglichkeiten (beides zusammen: einem „Raum von Möglichkeiten“) in OBJEKTIV gleicher Weise. Das Projekt einer dauerhaften Überlegenheit als Grund von Herrschaft, eines in Ausnahmesituationen bewährten Es-IMMER-Besserwissens oder sogar Besser-Machens als die andern, wird nun aber genau dadurch unterminiert, dass die beteiligten Parteien zu dem Ergebnis kommen, es gibt nichts, was man dauerhaft andern voraushaben könnte – es gibt nicht die für andre unzugänglichen, unerklärlichen Bedingtheiten einer bestimmten Art des Erfolgs. Es ist vielmehr so: Man kann machen, was man will – die andern kommen auch auf was, und sie können auf alles antworten – was WIR antizipieren können, können sie auch – so dass es also tatsächlich drauf hinausläuft, und das könnte man mit einigem Recht als die Sphäre des Explorierens unter Normalplanerischen Gesichtspunkten schlechthin bezeichnen: In der Kriegführung, diesem Ausnahme-Feld, das da eröffnet wird, stellen sich wirklich einmal alle beteiligten Normalplaner ausnahmsweise einmal dem Unbekannten der Welt – mit diesem überragenden Zweck, die dauerhafte Herrschaft über die andern oder umgekehrt deren Unterwerfung zu gewinnen durch das Bewähren von Erfolgswissen und -Bewirken (Misserfolgs-Ahnen und ihm Vorbeugen).
13.
Wenn sie das ständig aneinander ausprobieren, vielleicht mit längeren historischen Pausen dazwischen (das kann schon vorkommen; dann müssen die zugehörigen Geschichten erinnert und tradiert werden!), wenn sie also tatsächlich als, sagen wir einmal: zwei Herrschergruppen (das kann ebenfalls so vorkommen, und kam auch so vor) zu dem Ergebnis kommen, es gibt einfach nichts, was wir können, was die andern nicht dauerhaft durchschauen, vorwegnehmen, nachmachen können, also wo sie gleichziehen oder sogar prophylaktisch irgendeine Verteidigungsmassnahme finden, das entwerten, zunichtemachen können – es gibt einfach nichts, wir sind uns ebenbürtig im Umgang mit der unbekannten Welt, mit dem Sie-in-Dienst-Nehmen (für Kampfzwecke) – dann ist jetzt genau der Schritt erfolgt, das Erweiterte Selbst, also die eigene Normalität und Prioritätensetzung, die daraus resultieren, werden konfrontiert mit einer Objektivität, auf die sich zwar die andere Gruppe auch beziehen kann, von der vor allen Dingen aber wir sagen müssen: Das Objektive setzt sich durch – jenseits all unserer Festgelegtheiten auf Regeln für „bewährt“-bedingte (Miss)Erfolgs-Erwartungen – es ERKLÄRT sie. Vor allem kommt „das Objektive“ jetzt nicht mehr vor, als etwas das wir ausschliesslich unter Bezugnahme auf UNSERE Normalität reflektieren, also nur in bezug auf die andern reflektieren wir, also zumindest diese Kämpfergruppe – das sind welche, die sind uns ebenbürtig, da hats keinen Sinn, die zu unterwerfen zu versuchen, sondern die ANERKENNEN wir einfach grundsätzlich sondern als eine mit den Andern GETEILTE Sphäre – obwohl sie unsere Normalität nicht teilen. Indem wir ihre Züge vorwegnehmen, und unsere Gegen-Massnahmen vorausplanend entwerfen, verhalten wir uns GEMEINSAM zu einer Welt an objektiven Dingen, Sachverhalten, Dispositionen – aus denen wir planend etwas machen. Zwar etwas, das die Pläne der andern durchkreuzt; aber eben auch etwas, das den Gedanken der Kontrolle über die Dinge usw (hier nur als Mittel… für beliebige Zwecke) anschaulich macht. Ihn… und den, dass diese Kontrolle beidseits für Nützlicheres verwendet werden könnte, als sich maximal zu schaden und dabei bestenfalls wechselseitig zu behindern. In Richtung auf den anstehenden Übergang in einen nach-abergläubischen, nach-magischen Zustand wirken hier also drei Momente:
a) das Eintreten in einen von der sonstigen Normalität getrennten Dauer-Ausnahmezustand, die Nicht-Normalität schlechthin, in der „alles möglich“ wird;
b) ebenso das Eintreten in eine Art der Kommunikation mit dem Gegner, worin durch wechselseitiges Reagieren oder Vorwegnehmen an den Umgang der Andern mit den Dingen angeknüpft wird, und jede Besonderheit und besondere Errungenschaft der Andern teils wiederholt wird, teils neutralisiert (durch Gegenmassnahmen), teils durch noch leistungsfähigere, aber vergleichbare oder „der Herausforderung gewachsene“ Errungenschaften überboten wird. Was man sich wechselseitig zeigt, ist die gleiche Fähigkeit in allen, erst einmal grenzenlos praktisch zu lernen, bzw Praktiken zu lernen.
c) Die so (kollektiv) erworbene Souveränität und vor allem auch Rationalität und Vielseitigkeit im Umgang mit Dingen bricht nach zwei Seiten hin die archaische Tendenz zur Optimierung von Praktiken (immer nur zu gegebnen Zwecken) auf: Einmal tritt an die Stelle von simplen Abwandlungsreihen gegebner und gut eingeübter quasi-leiblicher „Normal“-Praktiken (behandelt wie Körperbewegungen) entlang von entsprechend klassifizierten Ähnlichkeitsreihen (wie: versuchen, eine ähnliche Körperbewegung zu machen, wenn die ursprüngliche Ausführung behindert ist) die souveräne freie Auswahl aus einer Vielzahl von technischen Optionen und Lösungen für ebenso souverän und frei erdachte Zwecke und Probleme. Zum andern werden Überraschungen und enttäuschte Erwartungen nicht mehr einfach wie quasi-leibliche Zustände der Normalität bzw Praxis genommen, sondern mit nachträglich festgestellten Fehlurteilen, Fehlhandhabungen, Nichtgewussthaben, Nichtgedachthaben-an usw ERKLÄRT. Nicht immer – aber eben immer häufiger, und zunehmend als Regel, nicht als Ausnahme. (Umgekehrt treten abergläubische und magische Interpretationen zurück…)
14.
Und damit ist im Mass, wie die beschriebenen Veränderungen in Personen und Gruppen eintreten, ein stabil neues Vergesellschaftungs-Konzept (oder -niveau, zwischen solchen, die dies Konzept teilen) erreicht – ähnlich stabil (aber erschütterbar), wie das ursprünglich angestrebte Herrschafts- bzw Unterwerfungsverhältnis. Es lautet: „Die andern werden für instandgehalten, so wie wir alles in gleicher Weise wissen, denken, nutzen, vorhersehen zu können, und deswegen sind sie uns dauerhaft ebenbürtig – es gibt kein prinzipielles Gefälle zwischen uns (und das ist das neue Prinzip). Wenn wir ihnen nicht zustimmen, dürfen wir ihren Standpunkt bzw sie als Person nicht einfach psychologisieren, sondern wir müssen es hinnehmen, dass sie eine Eigensphäre haben, in der ihre eigenen Urteile, Einsichten, Wunschvorstellungen jeweils gelten, und darum müssen wir uns da alle abgrenzen voreinander, können nicht umstandslos auf Handlungsspielräume und Besitz fremder „Eigentümer“ dauerhaft zugreifen, sondern müssen die Grenze beachten. Zumindest denen gegenüber, die sich auch uns gegenüber so verhalten – sofern, solang sie es tun.
Zusatz 1. Das (absurde) Gespräch, das die Kämpfenden in Gestalt der abwechselnden, aufeinander Bezug nehmenden Benutzung der zwischen ihnen stehenden und zu beliebigen Schad- und Abwehrmitteln und -praktiken umgeformten Objektivität ÜBER diese Objektivität führen – es ist, wei sehr sie sich einander dabei auch zuwenden, und wieviel Zeit auch immer sie damit zubringen, zumindest, solang es nicht zu Routine oder Ritual (ritueller Wettbewerb, Sport…) gerinnt, ein kommunikatives Handeln im Ausnahmezustand. Die Heimat auf beiden Seiten, die jeweilige Normalität, wird zwar verlassen, auch mental in den Hintergrund gerückt; aber sie existiert weiter. Das inter-subjektiv Objektive, das sich Kämpfer über viele Generationen weg erarbeiten, führt also am Ende noch lang nicht zu einer geteilten Betrachtung und kooperativen Bearbeitung der Welt, nur dazu, dem je andern und den Seinen ihre Eigensphäre zu lassen, so wie man selbst seine behält: Jene Sphäre, in der die EIGNE Erfahrung, Einsicht, Praxisregeln, Wünsche, Hoffnungen, Ängste, Erwartungen und Skeptiken gelten, mit einem Wort: die ungehemmte bornierte normalplanerische Normalität, in der dann womöglich auch noch die schönen alten Gefälle-Beziehungen des ersten Standpunkts patriarchal ausgelebt werden dürfen, gegen Kinder, Frauen, Familie, Untergebene, Untertanen – als unentbehrliche Begleiterscheinungen des Ur-Eigenen und verbliebenen Eigentums, später dann auch der Privatsphäre.
Obwohl der Krieg also auf potentiell ALLES ausgreift, erstreckt sich die dort gemachte Erfahrung und Einsicht nie auf die Lebenswelt zurück – die wird der Indienstnahme für den Krieg entzogen, und da, wo sie in nutzbare Kriegsmittel verwandelt wird, zerstört, nicht in objektive, allen verfügbare, „öffentlich-intersubjektive“ Einsicht überführt. Darum kann die Krieger-Einsicht dem Normalitätsidyll nichts anhaben; wäre es in der genannten Weise zerstört, hätte der Krieger das verloren, wofür er kämpft, und damit seinen Grund zum leben.
Zusatz 2. (noch auszuführen!) Die Gegensphäre Öffentlichkeit, Recht, Verhandlungen etc: Aussen vs familitär
15.
Die neu erarbeitete Aussen-Beziehung des prinzipiellen Einander-Anerkennens zweier solcher Eigentümer aber wäre nicht prinzipiell, wenn sie nicht (wie beschrieben) einherginge mit ihrer in blutigen Bildungsprozessen erworbenen neuen praktisch-kognitiven Grundlage. Erst dann wird sie zum „Standpunkt“ (2.OPP) – zur Vor-Einstellung gegenüber allen andern Personen (Sprachfähigen, Zurechnungsfähigen, Erwachsenen…), als solchen. Anders gesagt, es muss die Überzeugung bruchlos, durchgängig ausgebildet sein: Die sind, eben weil Personen, ebenbürtig – auch wenn sie vorübergehend zurückbleiben hinter meinen (erlernten, anhand fortgeschrittner Erfahrung und deren kollektiver Verwertung ausgebildeten) fortgeschrittenen Kompetenzen: weniger wissen, gedacht haben an…, schwächer, weniger und vereinzelter, untrainierter sind – all das lässt sich aufholen. Und darum gilt, eisern: Sie haben und sollen zugestanden bekommen eine Sphäre, wo sie ihre eigenen, unter Umständen ganz anders lautenden Urteile geltend machen, und ihre Normalität entsprechend abwandeln, einrichten, und da greifen wir nicht ein ausser… es wird verabredet, also sie haben zugestimmt, sich verpflichtet usw (umgekehrt genauso). Und diese prinzipielle Anerkennung der andern (unter Umständen: der Gruppe, des grösseren Verbands, zu dem und der sie gehören, und der sie schützt usw) als prinzipiell ebenbürtig im (kriegs-technologischen) Umgang mit und Verwertung von Objektivität setzt aber auf meiner Seite genau die Trennung, die ich als den ersten Reifungsschritt im Weltverhältnis bezeichnet hatte, voraus, nämlich: Es gibt – ausserhalb der nicht-gemeinsamen Normalität (des je Eignen!) – Bezugnahmen auf Objektivität, die wir, je unabhängig vom andern, jeder für sich ausbilden und gegen einander wenden könnten, das macht die Ebenbürtigkeit aus – und dann kann man trotzdem aufgrund verschiedner erweiterter Selbste, also Lebenseinrichtungen, Reproduktionspraktiken und -techniken, Prioritätensetzungen, Rahmenregeln für sein Leben ganz andere, eben eigene (normal)planerische Konsequenzen ziehen*) (wo ist die Fussnote???) – die dürfen bloss eben nicht übergriffig werden und für ihre Verwirklichung auf fremde Handlungspielräume zurückzugreifen versuchen. Zentrale Voraussetzung dafür, dass man zu einer solch grundsätzlichen Ebenbürtigkeits-Feststellung kommt, ist, dass man tatsächlich seine eigenen Erfolge und Misserfolge (zumindest im Kampf; oder allgemein im Aussenverhältnis) so wie die der andern nach der Seite hin erklärt, dass diese (Miss)Erfolge resultierten teils aus (verkehrten) Realitätseinschätzungen und (in)adäquaten Umgangsformen mit Realität, zu denen die andern dann eben grundsätzlich für fähig gehalten werden – andererseits aus Entschlüssen, Vorstellungen, Erwartungen, was geht und was nicht, was lohnt und was nicht, also (unter Umständen unangemessenen) Entschlossenheiten auf der eigenen Seite, die aber nicht auf das Feld der andern übergreifen dürfen. Das wäre dann tatsächlich ein Wandel hin zu einer Ausdifferenzierung der kognitiven Struktur, die dem Reifungsschritt, den ich beschrieben habe als den ersten weg vom Normalplanen, entspricht. Also das muss man geleistet haben, um stabil, ohne ständig nochmal Übergriffe zu versuchen, andere als Eigentümer einer Eigensphäre anzuerkennen, diese ihnen auch zuzugestehen, und ansonsten Wechsel von Eigentum, Wechsel von anerkannten Verfügungsberechtigungen nur noch im Einverständnis zuzulassen. Und deswegen heisst das ganze ein Rechtszustand oder ein Vertragsverhältnis – Rechtszustand deswegen, weil jetzt die Vorstellung, jemand VERGEHE sich gegen diesen Grundsatz der Ebenbürtigkeit, es begründet, dass man gegen ihn da grundsätzlich um sein RECHT kämpft. Wobei das, worum man da kämpft, im allgemeinen ein an eine bestimmte Verletzung dieser Gleichheits- oder Ebenbürtigkeits-Vorstellung geknüpfte Massnahme ist: Etwas ist strittig, normalerweise sind das dann Vertragsauslegungen, die nicht beachtet worden sind, oder man hats nicht schriftlich oder vor Zeugen festgehalten, der eine hat sich dies gemerkt und der andre jenes, und dann wird tatsächlich um ein Recht (dessen „Wiederherstellung“) gekämpft, und dieses Kämpfen um ein oder DAS Recht findet statt im Rahmen dieses neuen Verhältnisses, das an das frühere Herrschaftsverhältnis erinnert, ebenfalls ein Zustand, der gedacht wurde als ein STABILES Verhältnis besserer und schlechterer Erfolgs- und Misserfolgsgewissheiten an einem Substrat, das man extra dafür hergerichtet hatte – daraus ist jetzt ein Verhältnis von Entschlossenheiten geworden, um sein Recht, und damit die Wieder-Herstellung des rechts- und Anerkennungszustands, zu kämpfen.
16.
Die andern mögen ja tatsächlich die Vorstellung haben, dass ihre Deutung des Vertragsinhalts, der jetzt strittig ist, die einzig mögliche und gültige ist (zB. wir haben einen Eigentumsübertrag, und da war eine bestimmte Bedingung noch gedacht, von den einen, und die andren haben sich dabei was andres gedacht – „DAS ist ja jetzt was ganz andres -wenn das SO eingeschränkt gewesen wäre, hätte ich die Entscheidung so nicht getroffen, wenn ich gewusst hätte, dass… usw“) – das sind bekanntlich übliche Formen, in denen Verträge oder Vertragsausführungen nachträglich angefochten und unter sie ausdifferenzierende, stillschweigend mitgedachte Bedingungen gestellt werden, – und da gibt es jetzt das Verhältnis nur noch der Entschlossenheiten, das einen Unterschied begründet: „IHR mögt ja vielleicht genau dieselben MIttel haben wie wir und auf alles kommen können, ebenso wie wir – aber wir sind gerade viel empörter als ihr, und deswegen müsst ihr uns jetzt ein Zuegständnis machen, andernfalls…“
Eine ähnliche Kategorie ist übrigens auch schon die Bereitschaft, im Rahmen einer Vertragsabsprache eigene Leistungen zu erbringen – ich verspreche etwas, verpflichte mich zu etwas. Auch das ist eine Entschlossenheit angesichts einer in Aussicht stehenden Gegenleistung, ich will was, so sehr, dass ich dafür bereit bin soundsoviel zu geben, und diesen Entschluss muss ich dann durchhalten, und es ist dann immer so die Frage: Hält jemand seine Versprechen, seine Selbstverpflichtung zu einem früheren Zeitpunkt so durch? und auch da spielt die Entschlossenheit, das Erweiterte Selbst, eine Rolle – das begrenzt wird durch das Kern-Selbst KS, wo man sich fragen kann: Wie KANN er das überhaupt durchhalten (wollen) – ist das überhaupt sein Bedürfnis, kann er das überhaupt auf Dauer so sehr wollen, oder will er es bloss im Augenblick so stark, wird sich das aber durchhalten , wird er seine Leistung daran bemessen, die zu erbringen er versprochen hat, oder wird sie irgendwann zu gross erscheinen – also: Kann er das unter seinen (letztlich: leiblichen) Voraussetzungen (in Anbetracht seiner Gesamtbeanspruchung) durchhalten wollen?
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Hier beginnt sich also die zweite Unterscheidung abzuzeichnen, die nämlich, die ich als den zweiten Reifungsschritt beschrieben habe, dass man sich fragt: KANN jemand überhaupt, aufgrund seiner Kern-Selbst Grenzen – seiner sonstigen Beanspruchtheit auch – das leisten: Ein entschlossen zugesagtes Versprechen, auch das Versprechen, um etwas zu kämpfen, sich etwas zu holen, für eine Forderung in den Kampf zu ziehen und zu kämpfen, sich einzusetzen dafür, und dem andern mehr schaden, als dass es für den noch lohnend sein könnte? – Diese Unterscheidung, in die auch dritte und vierte sich einmischen können, zumindest gedanklich, und sich fragen können: Zwei Konfliktparteien – halten die überhaupt, was sie da einander versprechen oder androhen – diese Kategorie, von der man sagen kann, dritte und vierte wissen es unter Umständen besser oder können darüber genauso mitreden, weil es etwas Objektives hat, wiel es vom Kern-Selbst der betreffenden handelt, soweit die es bereits dauerhaft unter Beweis gestellt haben – diese Kategorie, von der man zumindest hypothetisch annehmen kann, dass sie die bestimmende ist – der Handlungsfreiheit, also auch der langfristigen solchen, Grenzen zieht – die Kategorie, die das beinhaltet im Gegensatz zu den Entschlüssen, die jemand hat, und die er stützt mit seiner Entschlossenheit (oder Empörtheit) – diese Kategorie heisst: das INTERESSE.
Das ist etwas objektives; und damit habe ich in gewissem Sinn auch schon die Vergesellschaftungsform benannt, in der diese Kategorie auftaucht, in Wirklchkeit aber hängt sie mit mit etwas ähnlich Objektivem zusammen, nämlich eben diesem Kern-Selbst, das den Entschlüssen vorausliegt, dem also, was man an Reserven mobilisiert, im Rahmen einer bereits eingerichteten Normalität, aus er man herkommt, und was man im Gegensatz dazu (vor allem, wenn man aus ihr heraustritt, in den Ausnahmezustand, an den Berührflächen mit anderen und deren „Normalitäten“) tatsächlich durchhalten kann – und was man Leuten zutrauen kann an Versprechen, die sie halten werden, weil eben entweder ihr Antrieb, da was zu erreichen, erwartbar stark genug ist, oder aber, weil man feststellen muss: Das werden sie nie tun, ihnen wird damit zuviel abverlangt (sie selbst verlangen sich zuviel ab), als dass das noch irgend lohnend erscheionen könnte: das werden sie nicht durchhalten. Sie haben ihr Versprechen gegeben, das hat vielleicht eine sehr grosse Reichweite, eine sehr lange Frist, oder sie versprechen womöglich noch für ihre Kinder, Nachfolger, Erben mit, das soll alles durchzuhalten sein, aber wer jetzt urteilt darüber, stellt fest: das halten die nicht durch, oder sie werden was anderes wollen auf Dauer – normalerweise kennt man ja diese Erwägungen aus politischen Vertragsverhältnissen – wo etwas zugesichert wird, und das daraufhin nochmal begutachtet wird gerade auch von Unterhändlern, Diplomaten, ob das durchzuhalten ist, ob die zusichernde Partei das ernstmeinen kann – und dieses Limitierende, also das Erweiterte Selbst einer Person, die jetzt wirklich in ihr momentanes Zweckgefüge, ihr momentanen Zielgefüge eingebunden ist, gemesen an dem, was überhaupt diese Person im Laufe ihres Lebens gezeigt hat – dieses Relativieren ihrer momentanen Absichten uind Entschlossenheiten an dem, was langfristig von ihr zu erwarten ist – das ist der Grund für die Kategorie und Zuschreibbarkeit von Interessen im Gegensatz zu dem, was die Betreffenden momentan an Zielen und Entschlüssen bekunden.
18.
Dieses rationale, kühle Interessen-Abschätzen, wo man selber sich zwar noch einfühlt in eine momentane Affekt-Situation, aber statt Partei zu ergreifen, immer schon darüber hinaus ist – das lässt sich jetzt natürlich ausdehnen auf ein immer umfangreicheres Gefüge von momentanen Forderungs-, dabei aber auch langfristigen Interessenträgern – bei denen man (als Regierender oder mit-denkender Staatsbürger) anfängt zu rechnen, was denn eigentlich von diesen Forderungen aneinander stabil ist, und was in Wahrheit untragbar ist, im Sinn von: „Da können sie jetzt noch so sehr zusagen, dass sie das mitmachen, aber das werden sie auf Dauer nicht durchhalten, da wird man ihnen auf Dauer weitere Zugeständnisse machen müssen“ – diese Art von Räsonnement ist typisch für politische Menschen, die es allerdings eben auch mit einer Pluralität von Interessenträgern zu tun habe3n, die momentane Entschlüsse bekunden, die also mit mehr oder weniger Entschlossenheit in mehr oder weniger stabilenVertragsverhältnissen zu andern stehen, also einer Rechts- und Eigentumsordnung (das ist dann schon eine sehr weit fortgeschrittene Form von Vergesellschaftungs-Normalität (Arbeitsteilung, regulären Begegnungen, möglichen Konflikten und Forderungen aneinander), die womöglich hoch differenziert ist. und wo die ganze Normalplanung nicht mehr selbstbezogen sein kann, und die Berührung mit andern ein Ausnahmefall, sondern wo man nicht einmal nur „im Interesse“ seiner Familie oder Stammes denkt, sondern – weil man sich selber als Mitgleid einer grossen Gemeinschaft weiss – „im Interesse“ (an Selbsterhaltung, Propserieren usw) dieser ganze Gemeinschaft – denkt, was die tun und lassen sollte – und ob deren faktische Führung richtig entscheidet oder falsch, ob da Rechte berechtigt, legitimiert sind und als solche berücksichtigt werden, oder ob jemand (womöglich man selbst, oder die eigne Gruppe) auch unter Wägung aller Umstände „zurecht“ weiter empört ist, dass das jetzt so verlaufen ist usw. All diese Verhältnisse werden jetzt nochmal überboten mithilfe von langfristigen Verlaufs-Erfahrungen zur Beantwortung der Frage, was eigentlich Menschen im allgemeinen, und diese Leute im besonderen wohl durchhalten werden von dem, was sie aktuell versprechen oder androhen. Und was uU künftig von ihnen an Versprechen und Androhungen zu erwarten ist, weil sich das notgedrungen in eine bestimmte Richtung entwickelt. Dass man das besser wissen kann ja muss als sie selbst – das gehört alles mit zur Kategorie „Interessen erkennen“ (sich nicht mitreissen lassen von Affekten, nichtmal eigenen; „unparteiisch“ bleiben und urteilen) dazu. Natürlich kann man sowas auch individuell, in einem Rechtsverhältnis, in dem man selber steht, reflektieren, und also dann klüger sein als die andern, der klügere sein der nachgibt – aber so richtig betätigen wird sich dieses reife Räsonnieren und Messen von bekundeten Absichten an Erwartbarem,…
((denn so könnte man die Unterscheidung zwischen Entschluss und Interesse auch beschreiben: was Leute voneinander fordern, wird gemessen an dem, was von ihnen dauerhaft in diesem ihrem Forderunugsverhältnis zu erwarten ist – es ist also kurz gesagt der Unterschied zwischen Forderung eines Gefordertem, und dem, was daran zuverlässig erwartbar haltbar ist))
…erst in der Staatsverwaltung, und sich erst dort bemerkbar machen; und deswegen wäre das also das Betätigungsfeld, in dem diese Kategorie: Interesse, Interessengefüge, erst so richtig zur Entfaltung kommt – in einer Eigentumsordnung von Interessenträgern (stabil Berechtigten Verpflichteten), deren Interessen in allfälligen Konfliktlagen ständig neu stabilisiert, „ausgeglichen“ werden müssen untereinander, Klassen, Kompromisse usw – das gehört alles zum STAAT dazu.
19.
Im Zusammenhang mit dem allen kann man eine letzte Überlegung anstellen, und die betrifft eine weitere Triade, eine Dreizahl von Stufen, die zu tun hat mit BEFRISTUNGEN. Erfahrungen, die Zwecke, Ziele, Pläne ändern, die ein punktuelles Entgleisen einer Zielausführung, an einer Stelle betreffen – oder die dazu herausfordern, die Prioritäten oder sogar die Rahmenwerte zu ändern – diese Erfahrungen haben sehr unterschiedliche Dauern. Das eine passiert einem irgendwie im Alltag – da liegen die dem über- und vorgeordneten Pläne und Ziele fest, und damit natürlich die Rahmenmarken und die Verteiluing von Budgets auf Ausführungsroutinen. Aber wenn es um diese Ausführungsroutinen geht, und das Hin- und Her-Schieben und Verteilen von Ressourcen-Teil-Budgets zwischen ihnen – dann braucht man schon eine längere Erfahrung – und einen längeren Plnungshorizont. Pläne sind ja oft solche, in denen man es auf etwas anlegt, das nicht sofort erreichbar ist, wo man vielleicht vieles versuchen muss, und dann – so kann man sagen – geht das weit über die Alltags- und Lebens-Horizonte hinaus, es sind womöglich Zielsetzungen berührt, die zumindest aus Sicht des Einzelplanenden sein ganzes Leben ausfüllen können – und schliesslich, soweit es Pläne betrifft, kann es sich um Zielsetzungen handeln, und natürlich auch Rahmensetzungen und Erwartungswerte, die Biografien-übergreifend formuliert sind, wo man also sagen kann: da haben Leute schon dran gearbeitet, da hat es dich noch garnicht gegeben – du bist also in eine Reihe von Generationen gestellt – das Projekt wird weitergetrieben, es wird dich persönlich überleben, es wird an dem Ziel weitergearbeitet werden, und es ist unbestimmt, wieviele, welche Leute wie lang daran weiter arbeiten werden. Für diese drei „existenziellen“ Zeithorizonte hatte ich bereits Namen vorgeschlagen, ich wiederhole: Ich nenne also die Alltagseinrichtung von Leuten in dem Zeithorizont, in dem sie sich da bewegen (quasi von Episode zu Episode), also die langfristige Alltagseinrichtung, die sie sich zulegen im Rahmen einer Normalität, ihre IDENTITÄT, das was sie im weitesten Zeithorizont, für den sie überhaupt planen können, maW was sie in ihrem Leben erreichen wollen (oder als erreichbar vorstellen), ihren LEBENSENTWURF… – der natürlich in entwickelten Gesellschaften sich abspielt …IM RAHMEN EINER… Gemeinschaft, einer Gesellschaft, also einer kollektiven …LEBENSFORM. Die Leute, mit denen ich potentiell, als meinen Zeitgenossen, überhaupt je zusammenkommen kann oder Berührung haben, sind die ungefähr Gleichaltrigen meiner „Generation“, aber auch die noch lebenden Vorgänger, und die in diesser Zeit geborenen Nachkommenden, die mich überleben – der ganze Generationsbegriff ist also die Verzeitlichung der Vorstellung, mit wem ich überhaupt noch zu tun haben werde oder hatte, sodass es präziser heissen müsste: Lebensentwurf im Rahmen der Lebensform meiner Generation – was ich in diesem Rahmen versuche selber beizutragen für mich und andre, ist mein Lebensentwurf, den ich mir vorstelle (während ich zeitgleich bestimmtes (nicht) erwarte, in diesem Zeitrahmen). Das Übergreifende schliesslich, in das diese Lebensentwürfe eingestellt sind, ist eine INDIVIDUALITÄT – so sage ich dazu, weil es gewissermassen immer noch ein Singuläres ist – an dem zwar ganz viele Leute beteiligt sind, die diese Individualität teilen können – unbestimmt viele können diesen Plan, biografien-übergreifend, teilen und ihre Lebensentwürfe darauf ausrichten. Das kann aber zur Not ein Projekt sein, dem sich jemand verpflichtet fühlt, das sonst überhaupt niemand andres teilr (noch nicht; oder niciht mehr) – auch so kann eine Individualität sein. Sie ist also wiederum etwas, das zunächst nur der Einzelperson angehört, aber im allgemeinen, „unter Normalbedingungen“, ist es natürlich etwas Gesellschaftliches, das von Gruppen vertreten wird, die sich erwarten, dass andre das fortsetzen, was sie begonnen haben, und die vielleicht auch ihrerseits fortsetzen, was andre begonnen haben vor ihnen.
Soweit für heute.