Vortrag 3c: Drei Schritte weg vom Normalplanen
Jetzt müssen wir uns der Frage zuwenden, wie eigentlich die Normalplaner ihre Lernregel in eine sachgerechtere überführen können. Was müssen sie dabei für Schritte machen?
Hinweis bei Nachbearbeitung: Die drei „Schritte“, die in diesem Vortrag als Antwort auf die Eingangsfrage skizziert werden, gehören, wie später im Vortrag gesagt wird, zu zwei verschiedenen „Entwicklungslinien“, Schritt Nummer 3 (in §3 unten) gehört dabei derjenigen dieser beiden Linie an, die unmittelbar in ein genuin RELigiöses Welt-Verhältnis führt – und genau dadurch die weniger fundamentalen Schritte 1+2 (die – auch wenn sie zu fortgeschritteneren „Standpunkten“ führen – im normalplanerischen Rahmen verbleiben) gleich mit einschliesst. Schritte 1+2 gehören also der anderen der beiden „Entwicklungslinien“ weg vom einfachen, „naiven“ Normalplanen (auf dem 1.Standpunkt) an – das ist die in den restlichen Vorträgen von Kap.3 ausgeführte, durch die normalplanerischen Vergesellschaftungs-Stufen bzw „Standpunkte“ hindurch verlaufende „Politisierungs“-Entwicklung (die bis zum Schluss das Normalplanen, genauer: die kognitive Abhängigkeit von der Kategorie „Normalität“, nicht überwindet, und, was das Weltverhältnis angeht, unabgeschlossen, in gewissem Sinn eine Sackgasse bleibt; nur dass sie wertvolles Kategorien-Bewusstsein zur weiteren, eigentlichen Entwicklung beisteuert, und insofern für letzteres auf Dauer unentbehrlich ist.). Schritt Nummer 3 hingegen schliesst eine solche Überwindung ein, und repräsentiert eine, ja sogar die eigentliche Entwicklung weg vom Normalplanen, hin zu einem RELigiösem Weltverhältnis, einer RELigiösen Praxis, Leben und Lernen. Die Besprechung dieses Übergangs bzw dieser „weltbezogenen“ Entwicklungs-Linie bzw. Übergangs in das RELigiöse Weltverhältnis beginnt dann in Vortrag 4a.
Ich bitte, das Verwirrende dieses Hinweises zu entschuldigen; die Verwirrung entspringt hier insofern der zu erklärenden Sache selbst, als eben ZWEI Entwicklungslinien aus dem naiven Normalplanen hinausführen, die am Ende in gewissem Sinn wieder ineinandermünden. Ich werde diese Erläuterung an passenden Stellen in den nachfolgenden Vorträgen fortsetzen.
1.
Der erste Schritt ist, dass sie die Bedingungen bzw Regel-Paare (zum einen das Regelpaar für Erfahrungsverläufe mit dem Körper, dem Kernselbst, zum andern das auf die objektiven Verhältnisse bezogene) nur noch getrennt erwägen bzw anwenden, in den Bereichen, für die sie gedacht sind, und davon wiederum unterscheiden Bedingungen hinsichtlich der wahrscheinlich erfolgreichen Zusammenführung aus beiden (wohingegen unterschiedslos-gleichzeitiges Anwenden der beiden Regelpaare auf Praktiken so, wie sie sich (unzerlegt in objektive Möglichkeiten bzw Zwänge, und subjektiv-leiblich „empfundenes“ Können und Bedürfnisse) im Rahmen der Normalität bewährt haben, in klassischen Aberglauben hineinführen – als Bedingungen, die Erfolgs- oder Misserfolgsdispositionen oder sogar -Gewissheiten in der Praxis begründen bzw den Umgang damit bei anwachsender Erfahrung mit ihnen regulieren). Im reifen Zustand, also dann, wenn Kernselbst- und Sachverhalts-bezogene Praxisanteile sorgfältig unterschieden werden, sind alle solche bedingten Erfolgs- und Misserfolgserwartungen ableitbar aus Erwartungen, die sich auf das leibliche Kernselbst beziehen, und Anteilen, die sich auf die objektive Lage beziehen – das ist also unterschieden.
(Dabei will ich fürs erste nicht einmal „Kernselbst“ sagen, sondern nur „Selbst“ – das Selbst, von dem zuletzt auch mal kurz die Rede war, das „Erweiterte Selbst“, das ist das Kernselbst, das aber bereits in eine bestimmte Reproduktionsumgebung gestellt ist, und deswegen tatsächlich auch nicht einfach an einem Nullpunkt steht, sondern bereits mit Vorgaben ausgestattet ist, also etwa Kräfte investiert hat, und deswegen nicht mehr für alles, das passieren kann, bereit ist, aber das muss es ja auch nicht, nach den Erwartungen des Normalplaners. Dieses Selbst nenne ich also das Erweiterte Selbst ES.)
Also der erste Schritt, den der Normalplaner machen muss, um aus seinem Regel-System, seiner defizienten Lernregel herauszukommen, ist der, dass er diese aberglauben- und magie-trächtige Bedingtheit von Erfolgs- und Misserfolgserwartungen und deren Berechtigtheit ableitet aus Bedingungen des Erhalts des ES, und aus Bedingungen für Verläufe von objektiven Sachverhalten. Wenn er das gemacht hat, hat er ja schon einen wirklich ganz entscheidenden Schritt gemacht – er unterscheidet also tatsächlich „Welt“ (und das habe ich dann zT auch „das Restunbekannte“ genannt – also das, was er sicher weiss, und das, was er nicht sicher oder sogar sicher nicht weiss, und was ihn tatsächlich immer noch überraschen könnte) von dem, was ihm unmittelbar verfügbar ist, aber eben immer in der Version, in der es schon in eine bestimmte Normalität hineingestellt ist, mit den Vorgaben, die dort gemacht wurden, als ES.
2.
Dieses ES darf er nicht mit dem KS verwechseln – da geht es jetzt schon in den zweiten Schritt – er hat ja sein Prinzip, das ihm sagt, das KS hat Bedürfnisse, die muss er kennen, und das ist gestört, wenn der normale Verlauf seiner Bedürfnisse nicht mehr Anzeige macht über die Reproduktionsbedingungen, also das, was er tun muss, um seinen Handlungsspielraum zu erhalten – denn genau das zeigen normalerweise seine Bedürfnissse an, und genau dann hat er auch einen Alltag, eine Form der Lebensführung, gefunden, er kennt seinen Körper, er weiss, was er dem zumuten kann, die Reserven usw – und dieses Selbst, so hatte ich jetzt gesagt, dieser Körper ist also immer schon beansprucht durch eine bestimmte Normalität, in der weitere Vorgaben gemacht werden – von diesen Vorgaben muss er sich befreien. Er DARF nicht, so sage ich, das ES, das Selbst mit den Vorgaben, behandeln, als wäre es das KS, man könnte sagen, er darf nicht um seine Normalität wie um sein Leben kämpfen, sondern er muss tatsächlich lernen, dass sein Umgang mit Handlungsspielräumen eigentlich Varianten zulässt, die eben nicht körperlich begründet sind – und das heisst auch, dass bestimmte Formen des lohnenden Probierens, Versuchens, nicht gestaltet werden dürfen, als wären sie gewissermassen ein Kampf auf Leben und Tod oder um das Leben und Überleben. Das, worum er normalerweise kämpft, ist ja vielmehr nur das Überleben einer bestimmten, seiner aktuellen Verteilung von Handlungsspielräumen auf Aufgaben (und damit seinen Priroritätensetzungen…), bei denen er so tut, als wäre seine Reproduktion, sein Lebensunterhalt, sein Erhalt daran geknüpft, aber das ist nicht der Fall. Er müsste also viel freier damit umgehen können, er müsste wissen, was an seinen Plänen haltbar ist, was variiert werden kann, wenn es sich als vorderhand unhaltbar erweist, und was unhaltbar ist – also was tatsächlich sich so nicht aufrechterhalten lässt, ohne dass er dabei schon umkommt, ohne dass es ihn tatsächlich die Existenz kostet. Und diese Unterscheidung spielt sich auf der 2. Entscheidungs-Ebene ab, in der er va kalkuliert, welche Anstrengungen zur Aufrechterhaltung eines Normalplans, eines Details in einem solchen, sich lohnen, und welche sich nicht mehr lohnen und aufgegeben werden müssen. Und natürlich ist der Schritt, den ich da jetzt beschreibe, eine starke Erweiterung seiner Vorstellung davon, was geht, und was nicht, was haltbar ist und was nicht. Also dass er tatsächlich auch sieht: Bestimmte Pläne, die er versucht hat mit aller Entschlossenheit zu verfechten, als ginge es um sein (physisches Über-)Leben, sein Kernselbst – die sind nicht so nötig, das könnte er eigentlich aufgeben und es freier behandeln, da muss er sich nicht so binden, wie er gebunden ist an die tatsächlichen physischen Handlungsspielräume. Er darf die Störung einer Normalität nicht behandeln, als wäre das eine körperliche Krankheit. Aber als Normalplaner verhält er sich so.
3.
Das dritte ist dann, dass er schliesslich sich auch freimachen muss von der bornierten Festlegung auf eine bestimmte Form von (Sub)Maximalzielen, die auf jeden Fall gelingen sollen, können, werden, aber keine darüber hinausführenden, und umgekehrt, auf ein (Sub)Maximum an Risiken, mit denen er rechnet konfrontiert werden zu können, aber keine darüber hinaus, das ist dann dieses „mit Schlimmerem brauche ich nicht rechnen“ (bei den mehr-als-maximalen Gelingenszielen: „mit Besserem darf ich nicht rechnen“). Ebensowenig festlegen darf er sich auf ein bestimmtes Mass an „Versäumnisrisiko“, in dem er eben seine Bemühungen zur Abwehr von Risiken ins Verhältnis setzt zur „wahrscheinlich lohnenden“ Bemühung um Chancen (die die Risiken inkaufzunehmen gebieten oder gestatten), das ist diese ganz üble Kalkulation mit dem „(Nicht-)Lohnen“ (Chancen, deretwegen man Risiken (nicht) inkaufnehmen kann), denn da kann man auf beiden Seiten was versäumen: Man kann einmal versäumen, eine Chance mit allen Kräften zu nutzen (es zumindest zu versuchen), aber man kann (deswegen) auch versäumen, für eine Gefahr vorzusorgen – da gerät man also in fürchterliche Widersprüche („Zielkonflikte“), und da kann man die Grenzen hoch- und runtersetzen, wie man will, das borniert einen, es verweist einen auf solche Widersprüche, einerseits, und andererseits macht es einen tatsächlich anfällig für Überraschungen der verschiedenen Art, einmal die, dass man nicht eingestellt war auf den Fall, dass es einem viel besser gehen könnte und man dafür etwas hätte tun können, aber in seinen Kalkulationen zu pessimistisch und risikoscheu war, zum andern, dass man nicht vorgesorgt hat gegen eine Gefahr, die dann eben doch bestand, und eintrat – man war zu optimistisch.
Diese nach beiden Seiten ständig fluktuierende Grenze müsste, damit das endet, gewissermassen starr auf ein jeweiliges Maximum gesetzt werden (der Raum des Möglichen, des schlimmen wie guten, auf die Weise ausgeschöpft werden). Aber wenn jemand als Normalplaner das macht, dann weiss er eigentlich garnicht mehr weiter, denn dieses Rauf- und Runtersetzen von Erwartungen im Bezug auf Risiken und Chancen ist gebunden an seine, also immer an EINE Normalität: die ist zugleich sein Kategoriensystem, es kann ausdifferenziert werden nach Bedingtheiten (das wären dann Bedingungen oder Regeln, die besagen, wann bzw wo man optimistisch(er) sein kann, oder pessimistisch(er) sein muss) – aber immer ist das gebunden an Bedingungen innerhalb DIESER Normalität, und wenn er die nicht mehr hat, dann hat der Normalplaner überhaupt keine Lernoption mehr. Das heisst also, das Maximieren der Erwartungen hinsichtlich der Chancen, und das zugleich Maximieren der erwarteten Risiken, dieses „mit allem jederzeit Rechnen“, das ist etwas, das die Nrmalitätsvorstellung, die ja mit Erwartungen einhergeht, letztlich sprengt.
4.
Diese dritte „oberste“ Regelklasse: Pessimismus, Optimismus zusammen mit den Bedingungen, wann je das eine oder das andre, und in welchem Mass gerechtfertigt ist – dieses Rahmensetzen für Erwartungen generell (und somit die „Schätzung“ des verfügbaren Gesamtbudgets an Handlungsspielraum) setzt auch den Rahmen für Erwartungen in den andern beiden Regelklassen. Also etwa für die mittlere, dh. für die Überlegungen, welche Handlungsspielraum-Verteilung auf Aufgaben(bereiche) die richtige und „am meisten lohnende“ ist, wo, sobald dieses Hin- und Herschieben der Handlungsspielräume misslingt, die Frage auftaucht (man erinnert sich an 3a): Was hab ich falsch gemacht, worum hätte ich mich mehr kümmern müssen? worauf hab ich zuviel von meinem Gesamtbudget (=bedingter genereller Optimismus/Pessimismus!) an Handlungsspielräumen verwendet, und worauf zu wenig? – Also für diese Frage des Lohnens und seiner Grenzen, bezogen auf einzelne Praxis-Bereiche, ist der allgemeine Rahmen des Pessimismus und Optimismus die Vorgabe. So wie dies Lohnen wiederum die Vorgabe ist für das, was man auf der Ebene der Sachbezogenheit und der tatsächlichen Problemlösung entlang von Praktiken, praktischen Regeln versucht – also wie lange man da noch weitermacht und weiter rumprobiert. Dieses Probieren, nebenbei, hat auch eine kognitive Seite, indem nämlich nicht wirklich systematisch entlang von objektiven Bedingtheiten gesucht wird, sondern es sind Praxis-Abwandlungen – das ist das Resultat der Bornierung auf die aktuelle (Normal)Praxis, die das Vorbild liefert dafür, was man überhaupt versucht, denn die Versuche laufen entlang von Ähnlichkeitsbeziehungen, von Verwandtschaftsbeziehungen der Ausgangs- und der versuchsweise abgewandelten, aber der Ausgangshandlung in irgendeiner Weise ähnlichen Probierhandlungen – also wenn ich ein Problem habe, etwas funktioniert nicht, suche ich erstmal eine verwandte Lösung – und die Kreativität der Normalplaner besteht dabei darin, sich alle möglichen Ähnlichkeitskategorien ad hoc zu denken: Sie haben ein Exemplar, das „Vorbild“ des momentan nicht mehr funktionierenden und zu ersetzenden Praxisteils, und fragen sich: In welchen Hinsichten könnte etwas mutmasslich dem gleichen Zweck dienendes dem gerade ausgefallenen Praxisteil ähnlich sein, und dann und darum gelingen? Natürlich haben sie auch noch Wissensreserven im Hintergrund, was vielleicht AUCH die Lösung bringen könnte, ABER man kann sagen, dass zu Zeiten, als zweckmässige Handlungen noch nicht so zahlreich wie jetzt zur Verfügung standen, und als soviel Wissen noch nicht (oder nicht in so systematischer Form) verfügbar war, diese Art kreatives Klassifizieren entlang von Ähnlichkeitsreihen der verschiedensten Art massiv benutzt wurde, um immer mehr, auch nachträglich verrückt erscheinende Rituale und magische Praktiken auszuprobieren. Die sind zwar nie endgültig sicher, weil es ja immer nur Versuche sind, die man macht, – aber besser, man unterlässt sie mal nicht, vor allem wenn es um etwas wichtiges geht. (Als Normalplaner hat man schliesslich immer was zu versäumen!)
5.
Die ganzen Versuchsreihen von Naturvölkern – die in magische Praktiken führen, wenn sie normalerweise mit ihren tatsächlich sachbezogenen Erwägungen, wie man etwas machen könnte und ein Problem lösen könnte, nicht weiterkommen – stammen aus dieser ganz einfachen kognitiven Regel – also dieser Ähnlichkeitsbeziehung: Wenn ich ein Problem lösen möchte, schaue ich mal, was ist denn so ähnlich, und welche Regel wäre denn ähnlich, welche Ähnlichkeitsreihen könnte ich bilden, was ist in einer möglicherweise relevanten praktischen Hinsicht, der Praktik, die mal funktioniert hat, verwandt? Für all dieses Versuchen, das natürlich unendlich reichhaltig ist und Wirk-Möglichkeiten zu eröffnen scheint, sind vorderhand erst einmal die Normalitäts-begründeten Regeln des Lohnens, also wann sich was lohnt und wann nicht mehr, ausschlaggebend – also die zweite, die „mittlere“ Ebene der „lohnenden“ Aufteilung von Handlungsspielraum-Budgets, und darüber liegend, dann nochmal die Regeln des allgemeinen Erwartungsbildens, also wie optimistisch, wie pessmistisch ich sein kann unter bestimmten Bedingungen – all diese Regeln sind massgeblich. Und das heisst auch umgekehrt, dass die gesamte konkrete Praxis unter diesen höheren Budget-Regeln und ihrer Ausdifferenzierung steht – also was lohnt und was nicht – wann ich es aufgebe, um Aufrechterhaltung der „Berechtigung“ zu einer bestimmten Normalerwartung zu kämpfen, als wäre das Erwartete Teil meines gespürt-physischen, meines „leiblichen“ Handlungsspielraums, so wie ich eben umgekehrt auch meinen (eventuell bedingt, gebiets-bezogenen) Optimismus, meinen Pessimismus neu justiere angesichts beeindruckend-schwerwiegender Erfahrungen: All das sind RAHMEN-gebende Vorgänge auch für das praktische Handeln unmittelbar mit Sachen und entlang von Sachverhalten in der Reproduktion, und natürlich hat das weitreichende Folgen, wenn ich zB mit viel mehr Gefahr rechne als nötig, einerseits, aber andererseits auch mit viel mehr möglichen positiven Entwicklungen, zu einem Zeitpunkt, wo die sich nicht realisieren lassen.
6.
Dies Rahmensetzen ist dann auch tatsächlich der wichtigste Ansatz für OPPortunisten, um sich schliesslich aus der ganzen Normalplanerei hinauszumanövrieren, vor allen Dingen, wenn das nicht alles in nur EINE Lebenserfahrung (nur einer Person, oder Personen EINER Generation) eingeht, sodass Leute immer wieder mit der gleichen Kultur starten und in ihr ernüchternde und/oder unerwartet ermutigende Erfahrungen machen, die dann aber immer wieder mit ihnen absterben, sondern wenn tatsächlich in gewissem Sinn ein tradiertes Lernen mit diesen weitreichenden Rahmensetzungen stattfindet – also wenn tatsächlich mit Pessimismus und Optimismus und den Bedingungen, woran sie geknüpft sind, Erfahrungen gemacht werden, die über Generationen-Grenzen hinaus tradiert werden. Es ist ja normalerweise nicht einfach irgendein Optimismus, sondern der ist natürlich auch begründet. Die Welt der Normalplaner – die urtümliche archaische Welt – ist voller Möglichkeiten – Klassifikations- wie Interpretationsmöglichkeiten – es hat sich etwas ereignet – und wenn man jetzt noch an Träume denkt, an mögliche Vergiftungen mit Halluzinationen ((Halluzinieren ist ohnehin eine physiologische Variante, und kommt bei bis zu 5% aller Menschen mehr oder weniger häufig vor, dazu kommen die Wachträume…)) – oder auch an Ausnahmezustände, Illusionen (es hat sich garnicht ereignet, man hat etwas nicht genau genug gehört, gesehen und darum fälschlich für etwas ganz andres gehalten, es fehl-beurteilt) – die Welt ist voller Sprachereignisse und Zeichensetzungen, Geschichten die man daraus spinnen kann – sodass man sagen kann, der Vorrat an Gründen dafür, optimistisch oder pessimistisch zu sein – an Gründen, etwas lohnend zu finden und weiter zu probieren oder es zu lassen, dieser Vorrat ist unendlich. Auf den ersten Blick.
7.
Denn wenn tatsächlich nochmal eine Lerngeschichte „höherer Ordnung“ mit diesen Praktiken des Lernens stattfindet – wenn man nochmal Erfahrungen macht, wie Erwartungen getäuscht wurden – eine Enttäuschungsgeschichte in beide Richtungen, positiv wie negativ, hinter sich bringt, und die Geschichten dazu tatsächlich reflektiert – wenn man die Lernregel der Normalplaner als Lernregel ernstnimmt – dann ergibt sich tatsächlich eine Tendenz: Die Normalplaner erwarten nämlich – wenn sie etwas erwarten – dass sie die Rahmenregeln für Pessimistisch- und Optimistisch-Sein, die Bedingungen dafür -. immer genauer bestimmen können – das ist eigentlich ihr Lernprogramm – natürlich auch feinkörniger – also im bezug auf ihre Normalität – was sich darin lohnt und was sich nicht lohnt, wollen sie genauso herausfinden – aber die tatsächliche Erfahrung geht in genau die entgegengestezte Richtung. Dh. WENN es so etwas gibt wie eine Konvergenz – eine Tendenz zumindest des Konvergierens auf einen Wert, bei Optimismus wie Pessimismus, über alle denkbaren unterschiedlichen Anwendungsgebiete weg – dann ist das in Richtung des Optimismus ein absolutes Maximum – das sind diejenigen Hypothesen, die am seltensten wenn überhaupt widerlegbar sind – die weitreichende Möglichkeiten offenlassen – also die etwas denken, was möglich wäre, im Optimalfall, daher ja auch Optimismus, ein Optimum, das möglich wäre, das man denkt, mit dem man rechnen kann, aber nicht so oft, nicht in kurzer Frist, und so, dass man davon was abhängig macht; andersrum, mit allem rechnen, also pessimistisch sein – oder in diesem Rahmen gewissermassen maximal vorsichtig-optimistisch in DEM Sinn vorgehen, dass man sagt: Ja – es kann alles vorkommen, aber es ist noch nicht bewiesen, dass man die Gefahr nicht bestehen könnte – und deswegen muss ich beständig meine Handlungsspielräume so gebrauchen, dass ich mir weitreichende, oder sogar immer und jederzeit die weitest-reichenden Reserven an Handlungsspielraum erhalte. Dieser ganz vorsichtig-optimistische Umgang mit dem Unbekannten, in das ich mich da hineintaste – die Welt im grossen ganzen ist ja unbekannt – dieser Umgang, diese beiden Grenz-Standpunkte zusammengenommen also SIND eigentlich die Konvergenzpunkte, auf die die Lern-Entwicklung zuläuft. Aber genau damit rechnen Normalplaner erst einmal ganz und gar nicht.
8.
Was sich erst einmal ändert, ist ihr Umgang mit Normalreproduktion, in der Routinen regelmässig gelingen – ihr Umgang mit eben diesen Routinen ändert sich, und zwar fundamental, wenn sie diese tendenzielle Drift im Umgang mit Erwartungen und Handlungsspielräumen absolviert haben. Das was ich gerade beschrieben habe, nämlich das maximal vorsichtige, erwartungsfreie Umgehen mit Risiken (ausser dass man diese ganz defensive Haltung hat „es ist noch nicht bewiesen dass ich nicht überlebe, es steht noch nicht fest, dass ich mich hier nicht halten kann, und deshalb mache ich weiter“) – diese maximal vorsichtige oder wie ich es manchmal nenne: minimal-suboptimale Einstellung, hat natürlich Konsequenzen, es ist ein Maximum an Reserven, das man dabei bereithält – aber das im Licht einer sehr weit reichenden (freilich nur noch hypothetischen!?) Erwartung, bei der dieselbe Logik greift, nämlich: „Es ist noch nicht ausgeschlossen, dass es nicht maximal gut ausgeht“: Ich habe ein maximales Optimum, etwas absolut Ideales, gedacht – das mir eingefallen ist, oder eingegeben wurde, oder das ich in meinem Traditionsvorrat vorfinde bzw aus dort vorfindlichen Vorstellungen konstruiert habe – etwas, das gerade darum am wenigsten bis jetzt widerlegbar war, und darum alle andern Erwartungen überdauert hat – die andern Erwartungen werden gewissermassen in der Evolutionsgeschichte der Erwartungen eliminiert – genauer gesagt: WENN sie denn tradiert werden, wenn also nicht immer wieder Leute neu mit dem Versuchen anfangen, ohne mit der Erfahrung der Vorgänger bekannt zu sein – sondern wenn stattdessen tatsächlich die gesamte Enttäuschungsgeschichte oder Enttäuschungsevolution tradiert wird, dann werden die Erwartungen der nicht-maximal-optimistische Art langsam eliminiert. (Es ist genau dieser Prozess, der in „Glaubenskrisen“ fortgesetzt wird.)
Ich meine dabei mit „optimistisch“ nicht Naherwartungen, sondern die idealen, optimalen Fernerwartungen- sie bleiben stehen – es sind die am wenigsten widerlegbaren unter denen, die stehenbleiben. Und umgekehrt, ganz „unten“ in der Stufenreihe des Möglichen (im Guten wie Schlechten) steht gewissermassen das Nichtbeachtenmüssen, dieses „Berechtigtsein-dazu, mit etwas nicht rechnen zu müssen“ – dies wird ebenfalls „evolutionär“ korrigiert – immerfort weiter nach „unten“ – ich muss mit immer mehr rechnen, man wird immer vorsichtiger (man sagt dazu dann auch „weise“) – dh man weiss um Möglichkeiten, und so rücken die beiden Grenzpunkte für Erwartungsbildung, die zunächst mal einen gewissen Abstand hatten – es schien gerechtfertigt, mit bestimmten guten Ereignissen zu rechnen und darauf bezügliche Erwartungen zu haben, und ebenso gerechtfertigt, eine bestimmte Form von Risiken in Betracht zu ziehen, andere aber nicht – diese beiden Grenzmarken für Erwartungsbildung also rücken immer weiter auseinander – bis sie gewissermassen Maximal-Zustände erreicht haben – und das ändert was.
9.
Die Bewegung, die so stattfindet, nenne ich: das Experimentell-Werden der Praxis. Die Praxis nimmt immer mehr den Charakter eines „blossen Versuchs“ an – bei dem man weiss, dass es nicht sicher ist, oder man sich dessen bewusst ist, dass der Ausgang völlig offen ist, also die Erwartungshaltung generell wird abgebaut, und stattdessen rückt in das Zentrum der Überlegungen die Frage: Unter all den vielen Versuchen, die man machen könnte – was bietet sich als erstes an? Was sollte man eher als andres versuchen? – Nun ist das Versuchen durchaus auch im Horizont der Normalplaner, und natürlich haben sie ganz besonders unter der zweiten Entscheidungsebene und -regel einen riesigen Vorrat an Optionen, mal was auszuprobieren, das sich noch lohnen könnte, aber bei ihnen ist es ja immer gebunden an das Scheitern einer Normalitätsabteilung – die Normalität als ganzes wird NIE infragegestellt, weil ihnen dadurch ihre Lernregel aus der Hand geschlagen würde. Also versuchen auch Nomalplaner etwas, aber immer unter der Vorgabe dass sie wissen wie lang sich das lohnt und ab wann nicht mehr. Und im Mass, wie die genannten Grenzmarken auseinanderrücken, wird der Versuchscharakter auf immer mehr Abteilungen der Normalpraxis ausgedehnt – ich hatte ja gesagt, die Grenzmarken machen Vorgaben bezüglich dessen, was noch als lohnend angesehen wird, das Gesamtbudget wird dadurch festgelegt, anders gesagt, der Gesamt-Handlungsspielraum, das Erweiterte Selbst – also dieses Kernselbst, das in eine Normalität gestellt, quasi wie ein physischer Körper, der eigne Leib, behandelt wird mit neuen Bedürfnissen und Anforderungen. Und so als wäre es der eigentliche Körper, wird es dann auch verteidigt. In Wirklichkeit aber hat es sehr viel mehr Optionen als die, die es so verbissen aufrechterhält, als wäre es die eigne, leibliche Existenz. – Das ist eine Bornierung; denn das Erweiterte Selbst (oder seine Grenzen) wird bestimmt durch die wichtigen Grenzmarken: Womit kann ich im besten Fall rechnen und womit im schlimmsten Fall? – und danach wird eben dieses Erweiterte Selbst sehr stark in seinem Umgang mit Handlungsspielräumen bestimmt. Und das kann dann noch aufgezweigt sein nach Bedingungen. (Bedingungen der Art, als handelte es sich um Vermeidung von Krankheit, Siechtum, Tod…)
10.
Wenn jetzt also diese Grenzmarken (und die mit ihnen sich verbindenden Optimal- und „Pessimal“-Vorstellungen) immer weiter auseinanderrücken, ich darum immer mehr mit „allem erdenklichen“ rechnen muss, gleichzeitig aber für immer mehr Fälle, immer mehr Verläufe optimistisch bleiben kann, weil nicht ausgeschlossen ist, dass es doch noch so kommt: „ich hab mein Sach auf nichts gestellt“ – und es sein könnte, und offengelassen wird, dass es doch noch gut ausgeht – dann hab ich eigentlich nichts mehr zu versäumen, die gesamte Praxis nimmt Versuchschakter an, man könnte es auch so ausdrücken, der Versuchscharakter, der zunächst nur gehaftet hat an bestimmten Fällen des Reparierens einer Normalpraxis, weitet sich zu einer Weise des in der Welt-Seins. Und in der ist die vorhandene reproduktive Praxis, die natürlich weitergehen muss, nur ein kleines Inselchen im Meer der Möglichkeiten, die alle funktionieren könnten – es ist nicht so, dass man umgeben ist nur von höllischen Abstürzen und heimtückischen Übergriffen einer bösen Welt, sondern es gibt auch Möglichkeiten, das ist genauso drin, die Festlegung auf Pessimismus pur wäre genauso verkehrt. Gleichzeitig kann man sagen: Ich teste durch dieses mich am Leben Erhalten auf maximal vorsichtige Art implizit die Reihe der „darüberliegenden“ Hypothesen “ der Stufenreihe abnehmender Optimalität mit, die von diesem Minimum bis zum absoluten Optimum hinaufreicht. Ich könnte diese meine (Versuchs)Praxis zunächst einmal vorsichtig besser, sicherer machen… ich könnte nach Bedingungen ihrer Absicherung suchen, und somit mich in diesem Sinn vorsichtig in die Welt hinein vortasten, im Rahmen dieser experimentellen Grunddisposition, in der ich aber noch an etwas gebunden bin, nämlich an diese Vorstellung, oder mindestens VorstellBARkeit des Optimums – dh ich bin tatsächlich weiterhin festgelegt darauf, dass es nicht auszuschliessen ist, dass ein bestdenkbares tatsächlich eintritt. Und diese Form von Experimentalität, in der die Vorsicht noch gebunden ist an eine bestimmte Form von Optimalität, oder Idealität, wie man auch sagen könnte – die nenne ich religiös. Und es ist die Erklärung dafür, warum genuin RELigiöse Menschen, die nur noch solche Ideal-Hypothesen, Optimalhypothesen (allerdings auch alle suboptimalen, darunter-liegenden) in ihrer „experimentellen“, maximal vorsichtigen Lebensform testen, damit auch ihre Erwartungshaltungen völlig neutralisiert haben – warum sie sich nichts mehr erwarten, sondern erwartungsfrei eine solche Hypothesenreihe testen in ihrem experimentellen (Versuchs)Handeln. Diese genuin Religiösen haben dann auch jede Form von Aberglauben überwunden. Und das ständige Erwarten, das „Legitimiertsein etwas zu erwarten“, ist bei ihnen beendet. Das eben macht Experimentalität aus – die experimentelle Form in der Welt zu sein und sich in der Welt zu fühlen – ständig mit allem rechnen zu müssen (bei genuin RELigiösen wird das zum Beispiel so ausgedrückt: „Wir sind in Gottes Hand – es kann jederzeit alles passieren“ – Fatalismus hat man das genannt bei den Muslimen – aber es ist eine allgemein RELigiöse Einstellung, und man kann umgekehrt noch sagen, die Predigten der RELigiösen Menschen gegenüber den Normalplanern drehen sich in einem fort um genau diesen Punkt – also das Normalplanerische an den Andern, die das lassen sollen. Dass sie da den Graben nicht überwinden – dass ihre Predigten ins Leere gehen bei den Normalplanern, zeigt, dass die RELigiösen Menschen den Weg selbst an sich nicht überblicken und gangbar machen können für die andern, den sie selbst oder ihre Vorgänger zurückgelegt haben. Denn wahrscheinlich liegt hinter ihnen eine lange, ihnen selbst garnicht im einzelnen bekannte Reihe von Desillusionierungen, die in Richtung dieses Auseinanderweichens der Grenzmarken gezeigt haben.
11.
Aus dem, was ich bis jetzt entwickelt habe, folgt etwas, nämlich dass es eigentlich zwei Entwicklungsreihen gibt. Die eine Entwicklungsreihe aus dem OPPortunismus, dem Normalplanen heraus, ist die zunächst beschriebene, also dass man auf diese Bedingtheit der Erfolgsgewissheit oder Misserfolgsgewissheit verzichtet, auf den Aberglauben, wenn man so will, und strikt nur noch Bedingungen für Erfolge und Misserfolge ableitet aus den dahinterstehenden Verwendungsweisen von Handlungsspielräumen im Rahmen der Selbst-bezogenen Diätregeln und Bedingungen für objektives Funktionieren von Sachverhalten, Dispositionen usw – also dass man das tatsächlich immer als so zusammengesetzt ableitet, und sich dann Erfolge und Misserfolge „rational“ erklärt, indem man die aufspaltet in das, was tatsächlich körperlich bedingt ist, bzw. was man da selber als Handelnder eingebracht hat, ud was objektiv war und an Materialeigenschaften, Sachverhalten usw da draussen gebunden war, und was somit auf seine eigne Weise bedingt ist. Und nicht stattdessen abwechselnd auf die tatsächlich erlebten Erfolgs- und Misserfolgsverläufe Erklärweisen anwendet, die entweder aus dem Umgang mit dem Kernselbst oder Selbst einerseits, oder objektiven Sachverhalten andererseits stammen (so zu verfahren ist schliesslich die Quelle von Aberglauben), und die dabei auf dem Prüfstand stehenden, anders als erwartet sich darstellenden Praxisfragmente für etwas nicht weiter auflösbares zu halten – das ist vielmehr eine normalplanerische Borniertheit, die durch zunehmende Rationalität des Erklärens aufgehoben wird. Eine Bornierung auf etablierte Praktiken, die eben dann auch auf Erfolgs- und Misserfolgsträchtigkeit hin geprüft werden sollen, statt dass sie getrennt werden, und man Erfahrungen darin sieht mit Handlungsspielräumen, Reproduktionsanforderungen, Leistungsgrenzen usw einerseits, und objektiven Materialeigenschaften, Welteigenschaften, Weltverläufen andererseits.
12.
Damit endet dann, nebenbei, auch dies eigenartige Reihen-Bilden aufgrund von „Ähnlichkeiten mit dem gescheiterten Praxisfragment in einer möglicherweise bedeutsamen Hinsicht“, das dann auch in magische Praktiken führt, wo man Probleme löst dadurch, dass man eine etablierte (aber als solche infragegestellte) Praxis nach entsprechend zu klassifizierenden Ähnlichkeiten in einer Hinsicht, die vielleicht auch „so eine“ Wirkung haben könnten, abwandelt. Man hat es dann also nur noch mit Objekt-bezogenen Abwandlungen und Praktiken, und mit Abwandlungen des Umgangs mit eigenen Handlungsspielräumen und Leistungsgrenzen zu tun, und das sieht dann schon mal erheblich rationaler aus – wenn ein Entwicklungsschritt dieser Art sich immer weiter ausbreitet auf immer mehr Teile der Praxis, dann sind das schon erheblich rationalere Leute. Und der nächste Schritt war dann noch rationaler, also dass man tatsächlich einsieht: Ich bin nicht festgelegt mit meinen Handlungsspielräumen auf eine bestimmte Form der Reproduktion, sondern ich kann mein Selbst, meinen Körper mit seinen Anforderungen in ganz andere Umstände versetzen, und bin also nicht angewiesen darauf, ihn so, wie er in der ursprünglichen Normalität war, verzweifelt zu verteidigen, und dazu entschlossen zu sein, auch was die Möglichkeiten von Reserven angeht. Es kann natürlich sein, dass ich in der Hinsicht borniert bleibe, auch auf der zweiten Stufe noch; trotz der bereits erreichten Rationalität der Trenung von Objektivem und Subjektivem, kann ich immer noch davon ausgehen, dass bestimmte Vorhaben gelingen „wie immer“, oder wie gewohnt, weil ich so entschlossen bin – oder so überzeugt von bestimmten Sachverhalten, auf die ich mich dabei verlasse; und dann scheint es sich zu lohnen, dass ich um darauf beruhende Ziele kämpfe und mich durchsetze – in Wirklichkeit würde es (wie ich, oder andre, uU sehr viel später, merken), genauso gut anders, oder sogar besser gehen, wenn ich das lassen würde. Also die „getrennten“ Abwandlungsmöglichkeiten haben noch nicht hinreichend Konsequenzen für meine Gesamtpraxis – ich bin immer noch festgelegt auf eine bestimmtr Existenzweise, eine bestimmte Art des Selbstseins (Erweitertes Selbst) – auch auf bestimmte Möglichkeiten und Zwänge, die darin enthalten sind (Möglichkeiten und Zwänge des leiblichen Könnens und Brauchens; Möglichkeiten und Zwänge des Sach(verhalts)-Aus/Benutzens und -Beachtens) – und das borniert mich unter Umständen weiterhin so, dass ich meine, etwas müsse unbedingt gelingen, ich bin festgelegt auf Pläne, bei denen ich einfach nicht glauben kann, dass das misslingt, und ich verhalte mich entsprechend.
Und schliesslich also nun das Konvergieren der Grenzmarken auf bestimmte Werte: Pessimismus/Optimismus, vermeintlich je gerechtfertigt unter bestimmten Bedingungen, wird immer wieder neu justiert, aber das immer entlang einer Ausgangs-Normalität (und sei sie durch Dazulernen noch so ausgeweitet), das ist dann gewissermassen das Endstadium – darüber kommt man als Normalplaner kognitiv nicht mehr ohne weiteres hinaus. ((Die Sache wäre hingegen erledigt im Mass, wie Leute diese Grenzmarken von vorneherein in experimenteller Weise, also maximal, gesetzt haben – dann, wenn sie bereits den Schritt in die Experimentalität der RELigiosität gemacht haben (wenn auch immer noch gebunden an eine Optimal-Vorstellung (auf die sie angewiesen sind als Grund dafür, weiterhin maximal optimistisch zu bleiben – wenn auch mit Fernperspektive) – dann sind sie natürlich über all diese Querelen hinaus. Und trotzdem, muss man sagen, beinhaltet auch der beschriebene Aufstieg eine gewisse Fortschritts- und Entwicklungslinie, obwohl er sich entfaltet an den Bestandteilen einer zunächst ganz primitiv-archaisch normalplanerischen Umgangsweise mit der ererbten Normalität (die, in der man aufgewachsen, in die man hineingewachsen ist – und die sich dabei „bewährt“ hat) – bis sie aufweicht in Richtung höherer, in dem Fall: politischer Rationalität.))
13.
Das ist also nun eine Entwicklungslinie, die Leute zugleich im Durchgang durch Reifungsstufen ihrer politischen Verhältnisse, Verhältnisse zu andern, absolvieren. Diese Entwicklungslinie ist, so behaupte ich, auch für das Weltverhältnis derer, die sie absolvieren, relevant – dort werden die genannten Lernfortschritte 1 und 2 sogar hauptsächlich absolviert, dh die weltbezogenen Lernfortschritte (so behaupte ich) sind lange Zeit garnicht zu trennen von ihrer Einbettung in das politische Lernen der Normalplaner (ihr Lernen, wie sie sich zum Lernen der Andern verhalten können oder sollen) – dort machen sie schliesslich auch Erfahrungen im bezug auf das Eigene, denn natürlich geht das, was die Andern an Plänen hatten, und wie sie damit vorankommen oder scheitern, auch in meine Erwartungshaltungen (für mich, sie, uns) ein, ich bin beeidruckbar durch das, was andre erfahren haben – das ist nicht zuletzt der Grund, warum sich schliesslich auch eine Tradition, eine Lerngeschichte bilden kann im Umgang mit den Grenzmarken.
Aber was dazu zu sagen ist, ist so umfangreich, dass ich das gleich zum nächsten Punkt mache, also die Frage: Wie wird diese (weltbezogene) Lerngeschichte eigentlich eingebettet in eine Entwicklungsgeschichte der Vergesellschaftungskonzepte, die sich daraus (den gereiften Stellungen zur Welt) ergeben? Darüber werde ich also als nächstes sprechen.
Die folgende These kann hier noch nicht wirklich verständlich sein, ich möchte sie dennoch vorstellen, denn die nächsten Abschnitte bereiten sie bzw ihre Begründung vot:
Der Fortschritt in eine RELigiöse Kultur hinein, wo die Experimentalität nicht mehr die Errungenschaft im weltbezogenen Denken einer Einzelperson ist, sondern sich „gesellschaftlich“ zumindest als „Wert“ etabliert hat (auch wenn die Gesellschaft als ganzes dem Wert kaum gerecht wird) – dieser Fortschritt wurde, so glaube ich, historisch genau zu dem Zeitpunkt gemacht, als beide Entwicklungslinien in hinreichend vielen Einzelpersonen zusammengetroffen sind, nämlich einmal jene, die „rein“ weltbezogen, aus dem Normalplanen heraus- und zur RELigiösen Experimentalität führte; und die andre, in die Vergesellschaftungsentwicklung eingebettete, in der zunehmend Mängel des Normalplanens sich zeigen (und zT sogar behoben werden). Also zu dem Zeitpunkt, so sage ich, in dem diese beiden Entwicklungen zusammentrafen – in Einzelpersonen – Im Mass, wie sie es taten – konnte das RELigiössein kultureller (Bildungs)Standard werden, und sich als Errungenschaft behaupten. Anders gesagt: Die Wanderung durch die normalplanerischen Vergesellschaftungskonzepte gelangt an den Punkt, wo normalplanerische Vergesellschaftung (mitsamt den je eingebetteten, bereits weniger mangelhaften (als zu Beginn) Versionen normalplanerischen Verhaltens zu Welt und Lernen) an der Art des Weltverhältnisses und Art des Lernens der Normalplaner scheitert. Und genau diese Erkenntnis stösst dann in den Köpfen der RELigiösen Pioniere auf ihr eigenes fortgeschrittenes neues Weltverhältnis mit den maximal weit auseinandergerückten Erwartungs-Marken (des Bestdenkbaren ebenso wie des Schlimmst-Denkbaren, als jederzeit möglich; die eigentlich auf ein Nichts-mehr-Erwarten hinauslaufen: experimentelles (Versuchs)Handeln unter einer (Optimal)Hypothese) – womit dann auch die von ihnen beobachtete Ausweglosigkeit der normalplanerischen Vergesellschaftung behoben wird. Genau das ist also der Punkt, so behaupte ich, an dem RELigiosität zum neuen kulturellen Standard wird, und was das wiederum heisst, Kultur, kultureller Standard, darüber wäre dann nochmal extra zu sprechen, es hat aber mit Vergesellschaftung zu tun. Darauf also möchte ich jetzt in den verbleibenden Teilen von 3 kommen.