Teil II



Vortrag 5g

Im letzten Vortrag hat ein entscheidendes Element für den Übergang in die MODerne Mentalität noch gefehlt – dieses Element muss ich jetzt besprechen. Und ich mache das, indem ich nochmal kurz rekapituliere, wie wir eigentlich an diesen Punkt des Übergangs in die MODerne gekommen sind, in der ersten Zeile – das ist ganz wichtig, und das habe ich immer wieder betont: Dass diese Selbstreflexion im Durchgang durch die Vergesellschaftungskonzepte nichts endgültig beiträgt zu diesen Übergängen, sondern den jeweiligen Übergang bloss begrifflich ausleuchtet. Deswegen also jetzt die Wichtigkeit, dass man in der ersten Zeile bleibt. (Wie man in die zweite kommt, ist in der MODerne auch nicht ganz einfach zu erklären, aber ich bleibe jetzt erstmal in der ersten Zeile.)

1.
Wir hatten am Beginn festgestellt, dass es drei Abteilungen im normalplanerischen Denken gibt, hierarchisch geordnet:
Die Überraschbarkeit im bezug auf die praktischen Regeln überhaupt – das war die Frage: was war anders, wenn man überrascht war, oder etwas nicht gelingt, und man es abwandeln muss; dann: Die Abwandlung der Budgets, das war die zweite Ebene; die dritte war die der Rahmenwerte. Diese Ebene der Rahmenwerte wird ja dann im Übergang auch zum RELigiösen Denken starr eingestellt: Auf ein Optimum einerseits, das aber soweit ins Optimale hinausgeschoben ist, dass niemals auszuschliessen ist, dass es erreicht werden kann, und zum andern dieses maximal Vorsichtige, Minimal-Suboptimale, das zugleich die Regel der Bestimmung der Art des zulässigen Plans ist. Also erst unterhalb dieses Rahmenwertes, oder dieser beiden Rahmenwerte, die jeder praktischen Planung entzogen sind – entfaltet sich überhaupt das RELigiöse Planen. Der Plan dort ist ein Strategie-Entwurf in einer gegebnen Umgebung, er macht natürlich Gebrauch von einem Wissen, aber das wird dann immer gleich vergessen, weil bei der Einrichtung in diesem Rahmen, in dieser Umgebung, alles weitere Wissens-Verwerten aufhört: Wenn man nur überhaupt halbwegs zuverlässig sich reproduziert, kann man das verbessern, die Budgets entsprechend austarieren, also die Prioritäten immer besser setzen, und schliesslich auch die Detailausführung, das Nächst-zu-Tuende, -zu-Wissende, -zu-Versuchende, -zu-Suchende usw – also diese drei Planstufen im Entscheidungsdiagramm da auf der rechten Seite sind im RELigiösen Denken voll ausgeprägt und besetzt, aber ohne ein besonderes Bewusstsein davon zu entwickeln; denn sie sind eben auch nicht so beweglich, es sind vielmehr starre Einrichtungsstufen, über die man garnicht allzuviel nachdenkt, und sie werden thematisch erst, wenn sie je einmal arbeitsteilig auseinandergezogen werden.
(Etwas Vergleichbares ist in der Normalplanerspalte ja auch der Fall, nämlich, dass die bereits in der ersten Stufe gegebnen drei Ebenen der Normalitätsabwandlung (praktisches Regelsystem, Budgetregeln, bedingte Rahmenwerte des Erwartens) schon in der ersten Zeile vorhanden sind, aber dann im weiteren Verlauf arbeitsteilig-hierarchisch auseinandergezogen werden, im Normalplaner-Denken sind es am Ende dann drei, bis zum Staat (wo die kollektiven Rahmenwerte für Interessenverwaltung der Gesamtbevölkerung verwaltet werden), im RELigiösen Denken sind es bloss noch zwei Stufen, da kann man es marktmässig auseinanderziehen, jeder an seinem Ort setzt Prioritäten, und daraus soll sich dann ein Plan ergeben. Darüber werden wir auch nochmal nachdenken, wenn wir uns fragen, wie wird das eigentlich abgewandelt, wenn ein MODerner Inhalt in diese Denkweise gerät.)
Aber jetzt sind wir erstmal noch bei der traditionalen, RELigiös schön ausgearbeiteten, über viele Generationen weg optimierten Lebensform selbst, und die wird von Leuten bewohnt, die natürlich – wie alle Menschen – die kognitiven Bedürfnisse geltend machen – das machen übrigens Normalplaner auch, das ist klar, aber dort geht das, diese Bedürftigkeit, eher ein in die Auslösung der Erwartungs-Affekte, also da kann es zB sein, dass Langeweile entsteht, weil viel zu lang (verglichen mit dem Erwartungswert) nichts „Aufregendes“ passiert, da kann sich dann schon ein enttäuschter Erwartungs-Affekt anschliessen -, und so ist es hier erst recht, dh es ist ja in dieser RELigiösen Lebensform vieles sehr stark festgeschrieben – schön, das entspricht voll und ganz dem ersten kognitiven Bedürfnis der abwechslungsreichen Routine, und mit Sicherheit kommen auch Problemlösungen vor (sowohl solche, die man sich selber wählt, als auch solche, die einem widerfahren und aufgenötigt werden durch Randumstände, die vorübergehend anders sind als die bekannten, dann man muss was anpassen usw), also diese beiden Stufen sind mit Sicherheit in einer RELigiösen Lebensform lebbar, und wenn dann irgendwann doch Neugier aufkommt, oder „weltanschaulich-existenzielle“ Verständnis- und Rätselfragen doch Langeweile aufkommt oder auch Angst, es kann beides sein… dann kann man sich erstmal dem eigentlichen Glaubensinhalt zuwenden. Der Glaubensinhalt und die Arbeit daran, vor allem da, wo man so halb und halb wieder zurücksinkt in das Normalplanerische – wenn es nicht abgearbeitet ist, wenn man, was ich als Postreformations-Schritt bezeichnet habe, noch nicht zurückgelegt hat – bildet eine Sphäre, in der sich die ganzen RELigiösen Mythen, die RELigiösen Denk-Puzzles an theologischen Kniffligkeiten entfalten, und daran kann man eine zeitlang auch die beiden anderen kognitiven Bedürfnisstufen durchaus befriedigen.

2.
Mit EINER Differenz allerdings, EINER Einschränkung im Vergleich zu dem wirklich freien Betätigen dieser Bedürfnisse, und die ist: Die Fülle des Stoffs, die ganzen Geschichten, mit denen man sich da beschäftigt – die müssen immer darauf hinauslaufen, dass die Welt, so wie sie ist, Sinn macht. Und umgekehrt wird das gesamte Denken, das Verstehenwollen darauf hin getrimmt, dass es dieser Anforderung genügt, und die beiden Abteilungen müssen sich also in diesem Sinn aufeinander zu bewegen, und diese Restriktion engt natürlich das freie Betätigen von Neugier und Verstehenwollen extrem ein. Das wird von den Leuten, die das virtuos ausüben, irgendwann auch bemerkt, die ganzen Vorgänge beschleunigen sich natürlich noch im Lauf von Ausbildungen, dann ist man als junger Mönch, oder als junger Scholastiker, was weiss ich, schon perfekt damit versorgt worden – die Einfälle, die früher mal originell waren, die sind da ineinander gearbeitet, und perfekt organisiert werden sie einem vermittelt, und genau das ist dann irgendwann auch mal reizlos. Man hat es in Perfektion kennengelernt, ist ausgebildet in Theologie usw und das ist langweilig, und nicht mehr interessant, es ist vor allen Dingen auch zusammengeschrumpft natürlich, sobald diese Arbeit am RELigiösen Inhalt, dieses Wegarbeiten der widerlegbaren Erwartungen an Sinn und Welterklärung, endlich zugunsten der ganz abstrakten Formel absolviert ist, zb „die Welt hat irgendeinen Zweck, der sich in ihr und durch sie verwirklicht“, „sie ist ein zyklisch schwingender Mechanismus aus chancen- und risiko-reichen Konstellationen“, usw man kann das beispielsweise an der europäischen hermetischen also Renaissance-Philosophie festmachen, es ist die denkbar perfekteste Ausformung dieser RELigiösen Abstraktionen, dass sie stufenweise hintereinander angeordnet sind, das sollten die absteigenden Stufen an Würde und Wertsein über das astronomisch/logische Schalenmodell sein – da ist Gott ganz aussen, und dann strahlt er gewissermassen durch die Sphären hindurch, und die bilden zugleich Filter, sodass diese Götttlichkeit unten auf der Erde stark gefiltert ankommt – nur noch als irgendwie geartete Realisation der REligiösen Abstraktion der untersten Stufe: „Alles was geschieht, trägt eine Signatur“, paracelsisch, es trägt eine Gebrauchsanweisung in sich, man muss sie nur je noch zu entschlüsseln wissen. Und dieser Renaissance-Schritt also ist jetzt zurückgelegt, man kann sich das immer noch so vorstellen als ein Sphärenmodelll oder eine Serie von Halbkreisen, da sitzt unten das gläubige und glaubende Subjekt und engt seinen Spielraum für die idealistischen Optimalhypothesen und Konstrukte über das was Menschen können – jetzt dann, was Menschen möglich ist, nicht mehr in und durch die Welt – immer weiter ein – und der Vorgang des Schalwerdens dieser Abstraktionen bzw des SichNicht Bewährens – der Vorgang ist immer wieder der gleiche: dass das alles in Gläubigkeit zurückfälllt – dann gibt es diese Enttäuschung der Erwartungen (die Glaubenskrise), und dann geht man zurück zur Abstraktion, die eben sicher ist… aber eben auch langweilig und dürr, und dann ist eben von der nichts mehr zu erwarten hinsichtlich der Neugier-Befriedigung, und dann versucht man es eine Stufe drunter. Und wenn dieser Raum des Überschwangs, des Enthusiasmus, des humanistischen Idealismus, wenn auch der tatsächlich mit allen Mitteln der Kunst ausgeschöpft ist, wortwörtlich, denn das ist die Art und Weise diesen Raum auszuschöpfen, dann bleibt also gewissermassen nur noch die Seitwärtsentwicklung, dh also innerweltlich, praktisch, technisch orientiert, ergeben sich Neugier-Themen. Aber jetzt passiert ein weiterer Schritt: Die Restriktion ist jetzt weg – die Restriktion, die Fülle und Verstehen zusammengezwungen hatte unter der enrtscheidenden Vorgabe, dass die Welterklärung zugleich eine sein muss aus der Sinnhaftigkeit der Welt. Stattdessen sind die Erklärungen jetzt freigegeben – sie, und ebenso das Material, das zur Erklärung dienen könnte. Ebenso für das sinnvoll, sinn-erfüllend Erlebbare.

3.
Das heisst also, jetzt passiert das letztlich, dass man etwa neugierig in Richtung innerweltlicher Stoffe sich aus seiner traditionalen Standes-Stellung herausbewegt, und hintendran ein Verstehen schaltet, das schliesslich resultiert in der Entfaltung des Begriffssystems. Also man macht interessante Erfahrungen, die zu Hypothesenbildung auffordern, und man prüft jetzt das, was man erlebt, im Rahmen von allgemeinen Überlegungen; aber jetzt sehr strikt ontologisch auf der Ebene, auf der man unterwegs ist, also die Körper, die Materien, usw, und da zieht man nun die praktischen Sinnkriterien langsam heran, die man sich natürlich bewusst machen muss, etwa als beginnender Chemiker, da ist man wohl „Atomist“, das sind alles Sachen, an denen sich Generationen abarbeiten, oder man ist Physiker, und dann ergibt sich, dass jenseits der Sphäre der Technik diese Doppelgrenze aufgemacht wird in, einmal: die technisch verwertbaren Hypothesen, und das Begreifen von experimentellen Resultaten und Naturbeobachtungen. Nach der anderen Seite findet dasselbe statt, man geht wieder raus aus seiner Standes-Stellung und macht interessante Erfahrungen mit Erlebnissen, die aber empfindungsmässig getönt sind, das ist ja der Unterschied, warum wir überhaupt zwei Pole, also hier den Wissenschaftspol, und dort den Ästhetikpol haben – diese Erlebnisse, die interessant sind, die meinen Alltag transzendieren, fordern ebenfalls auf dazu, ästhetische Regeln aufzustellen, Genres zu finden für Erlebnisse die man dann auch in irgendeiner Weise anderen zugänglich macht, indem man sie abbildet, im wörtlichen Sinn, oder literarisch beschreibt, oder etwa in Reiseberichten.. Zugleich gibt es natürlich ein reiches Inventar an Begriffen, mit denen diese ganzen Erlebnisse geordnet werden. Und da das alles nicht mehr unter irgendeinem Vorbehalt steht, ist sowohl die Fülle, die da erschlossen wird, in beide Richtungen, unbegrenzt, als auch das Begriffssystem, und richtet sich gewissermassen nur noch nach den jeweiligen Stoffen und den praktischen Kategorien, mit denen wir sowas überhaupt als sinnvoll ansehen können (weil wir Sinn daraus machen können) und den Unterschied zu völlig Sinnlosem markieren können.

4.
Was ist da jetzt passiert? Die Unterstellung war schon im letzten Vortrag, dass diejenigen, die das machen, natürlich einen festen Platz haben, in ihrem Leben, zu dem und auf den sie immer wieder zurückkommen können, also dieses festgefügte traditionale Fuindament ist da, sie haben einen Alltag, der sie einbettet in die traditionale Lebenform, die inzwischen natürlich arbeitsteilig entfaltet ist, das war ja eine der Bedingungen – sie sind jetzt nicht unbedingt in der Landwirtschaft tätig, sondern in irgendeinem Gewerbe oder Stellung, das oder die ihnen freie Zeit erlaubt, oder sie vielleicht sogar, als technische Disziplin (zB Architektur, Pharmazie, Metallurgie usw), in die Nähe einer bestimmten Neugier-Richtung platziert. Und sobald somit sich das Bedürfnis regt, wieder abwechslungsreiche Routine zu haben oder Probleme zu lösen mit vorgegebenen Regeln, kann ich in dies Gewerbe oder Stellung oder eine vergleichbar neue zurückkehren. Ich habe aber vielleicht die Chance – und das beginnt jetzt zu changieren und schillern in Richtung Durchbindung –  die Lebensgestaltung, die Alltagseinrichtung anzureichern mit den neu gefundenen Elementen – also ich komme jetzt tatsächlich zurück mit meiner Ausbeute an technisch verwertbaren Kenntnissen oder interessanten Erlebnissen, und baue sie in den ursprünglichen Alltag, Lebensführung, Lebeneinrichtung, Lebensform und -entwurf ein. So entsteht natürlich genau das, was den erste Schritt in die MODerne erzeugt, nämlich die Wertsphären. Also die Wertsphären werden durch die Arbeit vieler solcher Leute mit Stoff angereichert und heben sich dadurch gegeneinander, und gegen die bisherige traditionale Lebensform ab. Also das findet in DER Form statt, die ich früher immer „das Auseinanderbrechen der Glaubenswelt in zwei Teile“ genannt habe, die Sinndefinition rutscht nach der einen Seite, die Welterklärung nach der andern, und dann wird aus dem einen die Ästhetik und aus dem andern die Wissenschaft. Nur – ganz so einfach ist es nicht. Man muss schon sagen, wie sich das GENAU vollzieht – und das hab ich eben zumindest mal angedeutet; es geschieht dadurch, dass die RELigiöse Glaubens-Restriktion „Welterklärung muss sinnhaft sein, oder aus der Sinnhaftigkeit erwachsen“ – dass diese Klammer wegfällt, und dadurch die beiden Stoffgebiete auseinanderfallen. Das ist ein Prozess, der ja in der REL-Vergesellschaftungs-Stufen-Reihe, der 2.Spalte, von unten nach oben aufsteigend nachgezeichnet wird, in der RELigiösen oder der Aufklärungs-Philsophie, wo dieses Subjekt-Objekt-Auseinanderfallen extrem dramatisiert und thematisiert wird. Aber unten in der ersten Zeile, wo wir uns gerade bewegen, da findet nur einfach die Arbeit am Stoff statt – wir sind jetzt also im europäischen 18. Jh., vielleicht auch schon im 17., und da ist eine Menge Stoff angehäuft, und da kündigt sich jetzt der nächste Schritt an, indem diese Bewegung des Zurücknehmens oder Zurückgehens in den Alltag, bei gleichzeitiger Anreicherung dieses Alltags mit den ausserhalb erschlossenen Stoffen, an Fahrt aufnimmt. Das heisst, der reiche Alltag, die reiche bürgerliche Lebensgestaltung, wird zum Inhalt dieser Art von Arbeit, wird selbst zu Gewerbe, Beruf, und Stellung – man pendelt nicht mehr zwischen einem ständisch festgelegten Beruf, Gewerbe usw und den Exkursionen ins Interessante hin und her, sondern es ist soviel Stoff verfügbar gemacht (hier dann auch schon die Idee des Konsumierens, man muss es sich nicht selber erschlossen haben, kann es aber technisch verwenden und man kann es auch in seine Alltagsführung als Generation einbauen, Kunst-Rezeption – jeden Abend ins Theater gehen usw, oder ins Museum oder Reisen machen… also dies bürgerliche Leben wird reichhaltiger, natürlich kann man sagen: Das, was dann Durchbindung heisst, das würde voraussetzen, dass man aller Anbindung an etwas Stehend-Ständisch-Ständiges ledig ist, und die historische Bewegung eine solche Fahrt aufgenommen, eine solche Dynamik bekommen hat, dass sich die ständischen Berufe zunehmend auflösen und in eine Bewegung übergehen – ein ständiges Aufnehmen von neuem Stoff, und dadurch dynamisiert, dann eben auch Technik und Produktion, und das treibt sie in je eigene Entwicklungsrichtungen, gemäss je ihnen zugeordneten Wertvorstellungen, auseinander (nachdem sie zuvor, wie die beiden Glaubensanteile Sinn und Weltverstehen, bis dahin ständisch-traditional-restriktiv zusammengefügt waren).
Das ist jetzt soviel Geschichtstheorie und soviel Betrachtung des Zusammenwirken von Leuten gleicher Mentalität wie nötig, um eine Mentalitätentwicklung darzustellen, denn wir sind hier in der Mentalitätentehorie, wir besprechen NICHT die äussere Geschichte, wir besprechen nicht, was Leute verschiedener oder auch gleicher Mentalität zusammen anfangen, ausser, um zu begreifen, was überhaupt an materiellen Voraussetzungen erzeugt worden sein muss, damit bestimmte Mentalitäten möglich werden. Und so weit versuche ich ja auch wenigstens im Umriss herauszuarbeiten, wie sie aus anderen Mentalitäten entstehen können – das müssen wir, weil wir sonst überhaupt nicht sagen können, warum es die nächste Stufe überhaupt gibt.
Und jetzt beginnt also dieses Fundament, diese Bedürfnis-befriedigende Ruhe, in die man zurückkehren kann – die traditionale Lebensform – sich dramatisch aufzulösen. Das heisst, wir haben zwar jetzt die Wertsphären, die sich gegeneinander abheben (zunächst heben sich eigentlich bloss die Wissenschaft und die Ästhetik ab), aber jetzt heben sich auch die beiden andern Wertsphären ab, im Mass wie sich diese traditionale Lebensführung auflöst und dynamisiert wird.

5.
Und was heisst das jetzt? Also jetzt hat das Individuum tatsächlich, IN seinem Leben, durch die Wertsphären zu reisen und Stoffe, die dort bereits aufgehäuft sind, seinem jeweiligen Bedürfnis gemäss zu bearbeiten, und es kann ja auch noch, wenn es Probleme lösen will oder Routinen ausbilden, zurückgehen in die Produktion, und wenn es Glück hat, kann es eben genau das mit EINER Erkenntnis, mit EINEM Stoff machen, den es sich selbst erschlossen hat, den es technisch anwendbar gemacht, produktiv verwertbar gemacht und verwertet hat, und das nochmal bezogen hat auf Bedürfnisse, die darüber hinausliegen oder dabei entstehen. Das wäre also diese faustische Laufbewegung zwischen Polen, zwischen dem Wissenspol und dem Empfindenspol – immer über das Technische und das Produktive, das dazwischengeschaltet ist, vermittelt. Nur: Das ist jetzt weg. Es ist jetzt die Mitte weg. Das ist der Bruchspalt, und der ist jetzt tatsächlich geöffnet; zunächst noch minimal, denn er bleibt die Grenze zwischen den ständig anwachsenden technischen Möglichkeiten, dem Inventar der Produktions-Optionen einerseits, und der tatsächlichen Produktion, in die man eine Fortschritts-Errungenschaft einbauen muss, wenn sie reproduzierbar werden soll – also diese beiden bilden schon weiter das Zentrum, sie sind nur inzwischen deutlich getrennt. Also jetzt hat das MODerne, das sich MODernisierende Individuum – wir sind jetzt vielleicht im frühen 19. Jh. – die Möglichkeit, durchzubinden, und dabei die Planungsstufen, Plan – Priorität – Nächst-zu-Suchendes (usw) anzuschliessen an die höheren Stufen, die kognitiven Stufen des Planens, also die Begriffsbildung die Hypothesen, die Strategieentwürfe, das Konvertieren von Strategieentwürfen in Planung findet also jetzt in der Mitte, da wo früher mal das Ständische war, die schöne traditionale Lebensform, also an dem Mittelstrich statt, und da gibt es jetzt kein Halten mehr – es gibt überhaupt nichts mehr, was dieses Hin und Her Gehen aufhalten würde. Das heisst aber auch, es ist nur überhaupt in einem absoluten Glücksfall noch vereinbar mit einer Bedürfnis-gerechten Durchbindung – das wäre ja eine, die tatsächlich die 4 Stufen durchläuft, dann einen ursprünglichen Alltag mit den gefundenen Resultaten anreichert, und die Bewegung wieder durchläuft – also diese 4 Stufen der Bedürfnis-Befriedigung: die abwechslungsreiche Routine, die Problemelösefähigkeit, die darüber hinausgehenden interessanten Erfahrungen, die meinen Horizont erweitern, aber eben auch an bestehende Erfahrung Anschluss finden, vielleicht mich überraschen, mich in diesen Hinsichten weiterbringen, und schliesslich mein Verständnis erweitern, und dieses erweiterte Verständnis soll ja an das ursprüngliche Verständnis anschliessbar sein, so wie die neue Erfahrung an die ursprüngliche, nur soll es eben nicht borniert sein, sondern auch sachgerecht-weltbezogen, das genau ist ja der Kompromiss zwischen sachgerechter Lebensform und bedürfnisgerechter Lebenseinrichtung, oder die Mitte, die einzuhalten wäre, und genau diese Anschlussfähigkeit wird natürlich immer mehr infragegestellt, dh es zeichnet für das sich MODernisierende Individuum – aber nur in seinem Leben, ganz privat, – ein Konflikt ab zwischen dem persönlichen Entfalten, und dem zweckmässigen, dem Bedarfs-Bezogenen. Denn das hatte ich ja schon im letzten Vortrag herausgearbeitet, dieses Hin und Her Laufen zwischen Bedürfnissen und Fähigkeiten, zwischen ästhetischen oder Empfindungs-bezogenem Erfahrungen-Machen mit neuen Lebensformen, Produktionen, und andererseits den Gegenständen, die da wichtig werden, die dann erforscht werden und anschliessend in das Produktionsrepertoire aufgenommen, was neue Bedürftigkeiten auch kompensatorischer Art erzeugt – dieses Hin- und Her-Laufen ist nicht mehr bedürfnisgerecht, und im selben Schritt ist es auch nicht mehr Fähigkeiten-gerecht, dh die Fähigkeit der Einzelperson, das gesellschaftlich verfügbare Wissen zu erarbeiten, ist grotesk überfordert – bebildert immer in diesem Gedanken: Leibniz war der letzte Universalgelehrte, der das Wissen seiner Zeit überschauen konnte, das konnte er natürlich nicht, aber dass das als Idee überhaupt existiert, zeigt, dass man es weit hinter sich gelassen hat. Und natürlich wirft das die Frage auf: wie soll jetzt der Zusammenhang denn stattfinden, wie soll denn das Wissen noch integrierbar sein, und als ganzes in die gesellschaftlich geplante Kooperation eingehen?

6.
Aber das fragt sich ja nur noch das genuin MODerne Individuum, denn das Hin- und Herlaufen ist längst aufgegriffen worden, dieses Bedarfs-statt Bedürfnis-Orientierte, das Fähigkeiten und Bedürfnisse nur noch über-individuell bearbeitet, es ist längst aufgegriffen worden von denjenigen, für die die Wissensverarbeitung erstmal kein Problem war. Und das sind natürlich in der zweiten Stufe des idealistischen Denkens und Sich-Vergesellschaftens solche, die solche Probleme mit dem Markt lösen wollen, jeder an seiner Stelle setzt die Prioritäten, errät sie, und aus solchen Rate-Vorgängen, den Privatarbeiten, die unabhängig voneinander betrieben werden, ergibt sich dann schon durch die Weisheit der Vermittlung ein gesellschaftlicher Plan. Und unterhalb dieser Stufe – wir sind ja noch immer in der 1.Zeile oder wollten uns zunächst auf sie beschränken – unterhalb dieser 2. REL(MOD)Stufe, in der 1. REL(MOD), da sitzen nun die Leute, die aus der Möglichkeit der Durchbindung oder der Notwendigkeit, die sich inzwischen ergeben hat, eine Möglichkeit, eine Option FÜR SICH machen. Also sie können durchaus ihre Position in den Wertsphären verändern, aber sie müssen es nicht, sie können darauf stehenbleiben, und das muss nicht ganz und gar NICHT bedürfnisgerecht sein, sie können einander ihre Resultate virtuos zureichen und sie austauschen – jetzt kommt die Idee mit dem Konsum, du musst es nicht selber erschlossen haben, du kannst es ja auch angereicht bekommen haben von den Autoren, den Urhebern, den Wissenschaftlern, den Technikern, den Produzenten, von denen vor allem, weil die etwas vervielfältigen, die Güter, die Waren, und schliesslich von den Visionären, den Künstlern, die mit ihrer Sensibilität für die andern mitempfinden und interessante Erlebnisse kreieren, die ebenfalls konsumierbar gemacht werden.
Man kann diese idealistisch-MODerne Einstellung zum Durchbinden und zum Hin- und Her-Rennen auch als einen Rest-Idealismus bezeichnen, es ist ja eine idealistische Vorstellung von Vergesellschaftung, wo man sich um den Zusammenhang erstmal nicht kümmern muss. Man kümmert sich erstmals dann, wenn man sich sorgt um die Prioritätensetzungen – das machen sie auf der 2.Stufe, da wird das angeeignet, und darüber reden wir nächstes Mal, denn da geht es darum, dass sie Sorge haben müssen, ob angesichts des zunehmenden Expertentums ihr Zusammenhang überhaupt noch gewährleistet ist. Aber darum kümmern sich die Hallodris in der 1.Stufe der idealistischen MODerne nicht, und erklären sich einfach für jederzeit vergesellschaftet, das ist ein bisschen das, was man bei Anarchisten findet, man ist doch schon vergesellschaftet durch die Stoff-Lieferungen, die funktionierende Arbeitsteilung selbst… Also da muss man sich nicht sorgen, wir sind vielmehr dieser Auffassung zufolge bereits fest eingerichtet, arbeitsteilig, jeder hat seinen Job in dem Ganzen, und dann stellen sie sich vor, dass in irgendeiner Weise diese ganze nachfolgende Dynamik (durch Zunahme des Wissens) auch noch funktioniert, meistens haben sie die Dynamik nicht so auf dem Schirm, sondern da ist in irgendeiner Weise jedesmal, nachdem was Neues hereinkommt – und es kommt ja dauernd was Neues herein! – schon wieder die Arbeitsteilung festgeronnen – ABER JETZT! jetzt ist es perfekt ah ja noch nicht, jetzt ists aber perfekt… Egal: Jeder an seinem Ort trägt etwas dazu bei, und alle beliefern sich mit den Konsumgütern (im weiteren und weitesten Sinn), die unabhängig von der Art ihres Zustandekommens und des Wissens darum und dahinter verwertet und genutzt werden können.
((Das nenne ich das TECHNISCHE Paradigma des Umgangs mit Wissen – dh du nutzt ein Wissensresultat, ein Könnensresultat ohne das Wissen und Können selber an dir ausbilden zu müssen; und das ist eine Prüfung deswegen, weil die Überprüfung der Qualität jederzeit möglich ist durch die zuverlässige Nutzbarkeit.))

7. (zur Überarbeitung Transkript §7 Ausdruck S.10 aufschlagen!)
Also dieses Auseinanderfallen von Nutzbarkeit und Erzeugungsprozess, die ist nicht nur konstitutiv für die Möglichkeit überhaupt, hier Arbeitsteilungen einzurichten, die für genuin MODerne im Grunde genommen schon skandalös sind, weil sie dabei den zugrundeliegenden Wissensproduktions- und Entscheidungsprozess nicht mehr kontrollieren. Aber solange dieses technische Paradigma der Wissensverwertbarkeit, der Nutzbarkeit von Wissen und Können ohne es selber auszubilden, tatsächlich funktioniert – solange kann man sich darüber erstmal hinwegsetzen. In dem ganzen Gebräu, in dem ganzen Wissens-Brodeln, Wissens-Erzeugen sind natürlich versteckt bereits die späteren Problemthemen mit enthalten: Wenn wir aufsteigen in der MODerne, und uns weiter entwickeln, wird das sichtbar dadurch, dass die zunächst hervorstechenden Dimensionen der Bedürfnisbefriedigung langsam problematisch werden, und deswegen gegenüber den noch intakt erscheinenden zurücktreten. Diese sukzessive sich erledigenden und erst hervor- und dann zurücktretenden Stufen der Bedürfnisbefriedigung, will ich nur anmerken, liefern dann auch erst einmal die aufsteigende Stufen-Gliederung der MODernen Vergesellschaftung – da steht also am Anfang dieses individuelle Kognitive-Bedürfnis-Befriedigen, das an sein Ende gelangt ist, sobald klar ist, dass es kein Praxis-Zentrum mehr gibt, kein Routine-Zentrum mehr, das angereichert wird, sondern dieser Ausgangsbereich – der vorMODerne Alltag – ist aufgelöst, und es gibt nur noch das bedarfsgerechte Hin- und Her-Rennen, da ist also die nächste Stufe bereits voll ausgebildet, in der 2.Zeile der MODerne, da geht es dann schon nur noch um Bedarf, und wo und wie man da seine kognitiven Bedürfnisse unterbringt, ist schwer abzusehen (obwohl es da noch geschieht – ich sag später noch wie) – und in der 3.Zeile ist das mit dem Bedarf erledigt, warum? Ich sage das jetzt mal schon vorneweg, weil genau das, was sich die Technik-Nutzer einreden konnten, nämlich, dass sie durch die Nutzung der Konsumgüter die ihnen angeliefert werden, das Können und Wissen ersparen können, ab hier nicht mehr stimmt. Darum, weil in der Mitte ihrer Wertsphären sich auf einmal ein riesiger Spalt auftut – der ursprünglich schmal erscheinende Bruchspalt weitet sich zu einer Dunkel- und Trübheitszone, im Mass wie die MODern arbeitsteiligen Experten sich vorarbeiten in die Systembereiche der Wirklichkeit (Geophysik, Biologie, technische Systeme…), die ihnen zugleich im Rahmen ihrer Bedarfsorientierung auf die Füsse fallen als das ignorierte Verwurzeltsein in der Rest-Biosphäre. Und das ergibt also die 3.Stufe – da wird das auf einmal Thema: Man ist nicht gesund, man schädigt die Umwelt.. sie ist voller Umweltgifte… gleichzeitig will man sich technisch in diesen Bereich vorarbeiten (um ihn zu kontrollieren). Also von beiden Seiten her wird versucht in ihn einzudringen, einmal von seiten der Produktion, die versucht, den Alltag wissenschaftlich aufgeklärt zu medikalisieren, zum andern aber wird versucht, die Technik immer utopischer werden zu lassen, immer systemischer, immer lebensähnlicher, so wie man eben von der andern Seite her zugleich versucht, die Biosphäre immer mehr technisch, technik-artig zu kontrollieren – von beiden Seiten her also zugleich dringt man in diese Dunkelzone des Systemischen ein. Aber das dort zu erwerbende Wissen, das sich dort zur praktischen Verwertung anbietet, hat die Gestalt von Prognosen (von Warnungen, Risikoprognosen, aber dann auch von Chancen der Abwehr dieser Gefahren) – und Prognosen kann man nicht einfach „benutzen“, ohne sich ansatzweise von ihrer Begründung ein Bild gemacht zu haben.

8.
Angesichts all dessen, angesichts auch der Tatsache, dass die Geschichte so lang geht, wird die Selbstoptimierung, das Sich-Wappnen gegen die Gefahren, die aus dem nichtbeherrschten Dunkel-Gebiet stammen, immer wichtiger, und das ist natürlich dann die 4. (und nicht mehr realisierte, bloss noch theoretisch, „ideell“ bearbeitete) Stufe. Das wollte ich nur mal vorwegnehmen, das sind gewissermassen die Bedürfnisgruppen, die sukzessive sich herausheben (weil sie in der Praxis vordringlich sind und auch ihre Befriedigung möglich erscheint), aber dann eine nach der andern erledigt werden (dh es zeigt sich, bei einer nach der andern, dass die Befriedigung unmöglich ist) – und das, nachdem sie aber zunächst am Anfang (auf der ersten Stufe) alle vier zusammen vorgekommen sind (kognitives Bedürfnis, Bedarf, Gesundheit, Selbstoptimierung – auf der 2.Stufe ist kog.Bedürfnis weg, Bedarf herausgehoben; , auf der 3. auch das weg, es geht nur noch um Gesundheit und Selbstoptimierung; , auf der 4. bleibt nur die Selbstoptimierung.).
((Dieser Vorgang sollte uns natürlich bekannt sein, es wird eine ursprüngliche Vielfalt an Möglichkeiten (der Legitimation in der ersten= OPP-Spalte bzw von Sozial-Ideal-Hypothesen in der REL-Spalte; bei den Normalplanern ist das zugleich eine Vielzahl an Vergesellschaftungshoffnungen bzw -erwartungen, also ein Glaube an die WIRKSAMKEIT der jeweiligen Legitimation), Stufe für Stufe allmählich ausgedünnt – dadurch, dass immer mehr von diesen Legitimationsweisen bzw darauf beruhenden Erwartungen in OPP) bzw Sozialidealhypothesen (in REL) je nach oben hin bis zur 5.Zeile/Stufe entfallen, und das kann dann schon krisenhaft sein: In der 1.Spalte entsteht die Krise auf der 4.Stufe, in der REL=2.Spalte auf der 3.,wo klar ist: wenn du Pläne aus Hypothesen ableitest, kannst du die Logik der optimalhypothetischen Kollektivierung nicht mehr anwenden.))
Hier in MOD ist also bereits auf der 2.Stufe völlig klar: Bedürfnis-orientiert ist deine Bedarfsorientierung nicht mehr, deine menschlichen Fähigkeiten sind, was das Können und das Wissen angeht, auch die kollektive Organisation, aus dem Stand heraus überfordert, das müsste eigentlich alles ganz anders organisiert sein, stattdessen soll ihr arbeitsteiliger Einsatz idealistisch von einem best-denkbaren Mechanismus reguliert, und die sinnvolle Verteilung der Resultate dieser Fähigkeiten an alle soll ihm überlassen werden, der zwischen den Menschen vermittelt, entweder anarchistisch libertär, wir sind doch schon längst – und das ist die erste Illusionsstufe – MODern-REligiöses Denken, noch ohne den Druck der Erwartungen, wenn es dann endgültig gläubig wird und in die erste Spalte zurückfällt, ins Normalplanerische, da kommen dann auch noch die berechnendden Erwartungen hinzu – aber hier, dass wir die kollektive Möglichkeit haben, unseren Zusammenhang zu organisieren, auch wenn wir ihn nicht organisieren, in der optimalhypothetisch-idealistischen Unterstellung: der organisiert sich von selbst – also das ist natürlich schon eine hochfrivole und fahrlässige Umgangsweise mit Zusammenhängen, die eigentlich IN das Subjekt fallen müssten, und die Vielheit die Pluralität der Subjekte ignoriert. Und diese Pluralität, nebenbei, entspricht ja der Marxschen Kommunismus-Formel, also der Einzelne muss fortschreiten und als Einzelner, als Subjekt, als Einzelperson sich die Summe aller gesellschaftlichen Fortschritte aneignen können, und siebearbeiten können, und diese Bearbeitung muss in allen Einzelnen stattfinden können, die an dieser Vergesellschaftung teilhaben. Das ist die Kommunismus-Formel. An der verzweifeln ja genuin MODerne Individuen, – notgedrungen; hingegen die RELigiös MODernen gehen darüber hinweg, deswegen haben die auch eine andere Kommunismus-Formel, nebenbei, schon gar wenn sie noch gläubig sind, die haben ja die mit den Bedürfnissen und den Fähigkeiten, und dem Schlaraffenland, wo die Springquellen des Reichtums so reich fliessen, dass man sich über den Widerspruch zwischen beidem und dem Bedarfsorientierten, hinwegsetzen kann.

9.
Die libertäre Frivolität des Umgangs mit dem Durchbinden, das nicht mehr im Einzelkopf stattfindet, sondern nur noch im Kollektiv, das eben implizit verbunden ist mit, unbestimmt wie, aber man darf damit rechnen, Einander-Anreichen der Errungenschaften der einzelnen Wertsphären – diese Kollektivierung der Vorgänge im Einzelkopf fällt erwartungsgemäss nochmal zurück ins Normalplanerische, und dann sind natürlich alle Schranken weg – dann können Leute sich alles mögliche einbilden sowohl über ihren Zusammenhang als auch über das, was ihnen möglich ist – das ist ja der autoritär auftrumpfende Standpunkt der (Miss)Erfolgsgewissheit – und was dann passiert, kann man sich dann ja ausmalen, und das ist natürlich dann MODerne at its best – da sieht man dann ihre ganzen unschönen Seiten sich entfalten, und natürlich das ganze Chaos, das damit verbunden ist – die wilden Unternehmensgründungen, die Genies, die Erfinder, die Tüftler, die verrückten Wissenschaftler, die Besessenen einer Idee, überhaupt diese ganzen Besessenheiten, diese Überschätzung – da kommt natürlich auch mal wieder der ganze renaissancehafte Idealismus mit rein – der ist ja nicht erledigt damit, dass der einmal kulturell weggearbeitet wurde, sondern jetzt kehrt er wieder, weil er ja nicht sicher reproduzierbar für die Nachkommen erledigt wurde, sondern er steht als regressive Option, als Sich-Gehen-Lassen, als Entdifferenzierung kulturell erarbeiteter Fortschritte, weiter zur Verfügung. Und natürlich tobt er sich dann auch entsprechend aus.
Also man kann sich fragen… es ist ja jetzt ein bisschen viel Stoff schon angesprochen worden – ob das alles in einen Vortrag gequetscht werden soll – ich versuche jetzt mal ein bisschen den weiteren Weg zu skizzieren – es soll ja auf der andern Seite auch nicht die MODernitäts-Besprechung überhand nehmen, es ist ja ein Tableau, das weiterreicht, das hier entfaltet werden soll… es soll ja auch noch um die NACHMODerne gehen – und deswegen kann ich mich jetzt auch mit der MODerne nicht so ausführlich beschäftigen, wie sies eigentlich verdienen würde (zumal ich ja auch noch behaupte dass es das erste Mal geschieht, dass das jemand macht – insofern hätte sie an sich deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient – einiges steht aber auch in den Texten auf meiner Seite…).
Ich will also nur noch kurz skizzieren was sich in der 2.Zeile abspielt. Dazu müssen wir uns anschauen, was eigentlich bis jetzt passiert ist in der MODernitäts-Entwicklung, also es ist natürlich klar, die kognitiven Bedürfnisse müssen vernachlässigt werden, wenn man Bedarfs-orientiert lebt, und sich einfügt in eine Bedarfs-orientierte Kollektiv-Struktur, die sich auch schon aus der Ständegesellschaft heraus entwickelt hat – als Boheme, als Wissenschaft, usw… auf jeden Fall, die frühen MODernen Vergesellschaftungsformen sind zunächst mal noch nicht besonders hoch organisiert, sondern bestehen im wesentlichen eben in dieser Erwartung, Hoffnung, Optimalhypothese, dass man das, was einem fehlt, einfach von andern Könnern und Wissenden angeliefert bekommt. Und man das also so auch in sein Leben einbauen kann – vor allem wo es um kompensatorische Bedürfnisse geht – wo es um die Ermöglichung einer Bedürfnis-fernen (Bedürfnis-ignorierenden, unterdrückenden) Lebensweise geht. Was bedeutet das? Also was bedeutet eigentlich, dass die kognitiven Bedürfnisse unbefriedigt bleiben? Nun ja… es heisst eben vor allen Dingen zweierlei: Einmal bin ich aus der Mitte ausgelenkt, aus der schönen Mitte, wo die beiden Anforderungen austariert befriedigt werden, nach einer Seite hin – das ist die Leistungsseite hin, beschleunige ich, und brauche Zwischenbelohnungen, das ergibt dieses Sucht-Phänomen, oder ich bin perfektionistisch, ich MUSS perfektionistisch sein, und werde zwanghaft, pedantisch, oder ich werde Fülle-orientiert, ich brauche ständig neue Nahrung für meine ausufernde Neugier – und bin darauf orientiert – also das ist dann auch eine langfristige Einrichtung – schliesslich muss ich zurechtkommen mit dem Durcheinander an Aspekten, die einfach nicht mehr in ein ganzes einzuordnen sind – und gleichzeitig hat die Spezialisierung Folgen, die mir aufgezwungen wird durch die Bedarfs-Orientierung – zunächst renne ich ja noch hin und her, das ist aber nur eine kurze Phase, und dann stehe ich still; ich kann zwar noch in eine andre Wertsphäre überwechseln und mich einarbeiten… aber der Stoff ufert so schnell aus, das kann schon in ein, zwei Generationen passieren, dass sich das Hin- und Herlaufen erübrigt, und ich nur noch da wo ich stehe (wir sind jetzt schon im 1.Feld der RELMOD-Spalte), festgehalten bin, und das andre (das Weitergehen oder gar das Hin und Her) nur noch als Option habe, dass ich da auch noch tätig werden KÖNNTE und vielleicht dahin ausgreife.

10.
Das Schicksal, das ich auf der Bedürfnisebene erleide durch meine zunehmende Bedarfsorientierung, ist dann, zusätzlich zu den Leistungs- und Beschleunigungseffekten: Vereinseitigung. Die weckt dann die Affekte auf der andern Seite, also je nachdem, wo ich mich hinbewegt habe auf der Leistungsseite, schlagen meine Vereinseitigungen zu Buche als Langeweile, Gelangtweiltsein, in meiner Freizeit etwa, als Angst, als Kontrollverlust, als Deprimiertheit und Weltverlust, Welt- und Erfahrungsverlust, oder als Ungeduld, Verständnislosigkeit. Und alle diese 8 Auslenkungen treten normalerweise verknüpft auf mit andern ihresgleichen, dh wahrscheinlich bin ich in einem der Felder der kognitiven Bedürfnis-Hierarchie besonders unterwegs und leiste da, und unterliege da den Maximal- und am Limit sich bewegenden Affekten Sucht, Zwang, Manie, Verrücktheit – wenn man so will – affektive (Ausnahme)Zustände sollte man wohl lieber sagen, oder auch „pathologische“; und auf der Seite ist damit kombiniert eine herausragende Bedeutung wenigstens eines oder zweier Defizienz-Felder (Langeweile Angst Deprimiertheit Ungeduld/Ärger) aufgrund der Vereinseitigtheit, in die ich mich damit begeben habe, obwohl ich dann eben nicht mehr imstand bin, das andere schön mittig auch nur einigermassen zu halten; denn ich sinke halt auf das nicht mehr erträgliche Niveau herab (laufe zumindest Gefahr herabzusinken), wo meine Kräfte einfach nicht mehr ausreichen, um das betreffende kognitive Bedürfnis zu befriedigen, und dann muss mir nachgeholfen werden – in allen 8 Fällen muss den Betroffenen natürlich durch die gesellschaftliche Produktion nachgeholfen werden, es entsteht ein Bedarf, kompensatorische Bedürfnisse dieser Art zu befriedigen. Und natürlich entsteht damit ein weiterer riesiger Produktionsbereich, der gehört auf jeden Fall zur Bedarfs-Befriedigung hinzu, die produktiven Fähigkeiten dazu müssen entwickelt werden, die Gesellschaft als ganzes muss in allen 4 Wertsphären vermehrt ranklotzen, damit sie diese Anforderung erfüllt (was die kompensatorischen Bedarfe weiter erhöht – Teufelskreis). So ergeben sich natürlich ständig auch Chancen, aber tatsächlich ist eine Masse Kompetenzen und Wissens-Bewältigung erforderlich, die nicht mehr irgend die geringsten Chancen bieten sich organisieren zu lassen. Und dann überlässt man es eben einem Mechanismus. Dass man überhaupt dieses sich abzeichnende Steckenbleiben von Personen bewältigen zu können – in Stoffmassen, die immer zäher werden und immer weniger zu durchschauen und durchzuarbeiten, diese Spezialisierung, dieses Erstarren des immer weiter sich anhäufenden Stoffs, der irgendwie extern, ausserhalb der Personen organisiert-archiviert und verfügbar gehalten werden muss, in Bibliotheken, Enzyklopädien, Lexika, Lehrbüchern usw – das ist ja die erste Form, in der das alles organisiert und abgespeichert wird  – begründet sich eben durch die erste Form, darauf zu reagieren oder es zu tolerieren, und das ist eben dieses Prioritätensetzen der experimentell-vergesellschafteten Einzelnen, die allerdings entscheiden müssen, wo sie es tun, also eine Berufswahl, eine Fachwahl treffen müssen. Dort werden sie dann EXPERTEN, und dies Experten- oder Spezialistentum verlangt natürlich nach einer durchgehenden Verbindung zwischen diesen Experten, und die Sorge, die sich ergibt, wenn man das mit der Frivolität der ersten Zeile betrachtet, also der ersten Stufe des RELMOD Denkens: Ach irgendwie wird das alles schon von irgendjemandem anders bearbeitet – die darf es natürlich so nicht mehr geben – sondern es muss dafür gesorgt sein, dass die sich ausweitenden Stoffe, die das Resultat ursprünglich des Hin- und Her-Rennens war einer Person oder mehrere Personen zwischen den Polen – dass diese sich ständig aufhäufenden Stoffe am Laufen gehalten werden, während die Personen feststehen, durch die sie hindurchwandern. Also es sind jetzt nicht mehr die Personen, die zu den Stoffen laufen, oder sie aufgreifen und mit ihnen in die nächste Wertsphäre und die übernächste eintreten – sondern der Stoff läuft durch die Personen durch, oder zwischen Personen und Expertengruppen läuft er, und wird weitergereicht. Und diese Figur, die sollte man dann vielleicht mal genauer darauf hin betrachten, was da eigentlich verlorengegangen ist, wenn man zwar nicht mehr Bedürfnis-gerecht aber Bedarfsgerecht produziert, und die kognitiven Bedürfnisse eigentlich überhaupt nicht mehr anders vorkommen als nur noch in ihren kompensatorischen Verzerrungen. Also das heisst nichts andres als: Wir müssen uns anschauen, wie die zweite Zeile MODerne bzw die in REL(MOD), in Idealismus und Gläubigkeit zurückgesunkene MODerne ausschaut, und vielleicht ergibt sich daraus auch, wie dann die 3. und die 4. Stufe daraus entsteht. Ich denke, dass das das Thema der nächsten Vortrags-Serie sein muss.



es steht aus:

Kapitel 6 Die Formen der Aneignung des MOdernen Weltverhältnisses in vorMODernen Rahmen

Kapitel 7 Das NachMODerne Weltverhältnis

Anhang: Skizze zur Geschichtstheorie. Skizze zum Rationalen Materialismus (Personbegriff, Sprache, Handlungstheorie…)

07.04.2024