Vortrag 5e
Obwohl 2 Monate vergangen sind seit dem letzten Vortrag, beginne ich diesen neuen mit einigen Bedenken, weil zwar eine Fülle von Ideen mir inzwischen geholfen hat, das Entstehen und das Problem der MODerne besser zu verstehen, aber eine Zusammenführung dieser Ideen ist noch sehr prekär für mich. Und auch hier gibt es also die Befürchtung, dass der Vortrag oder der Inhalt nicht standhält, und uU wiederholt werden muss – also ich weiss gerade noch nicht, wie gut das heute wird.
1.
Die Rätselfrage im Zusammenhang mit der MODernen Mentalität ist ja, wie es dazu kommt, dass eine festgefügte traditionale Lebensführung in einer solchen Weise entgleisen kann – stabil entgleisen kann, und nicht mehr zurückfindet zu dieser schönen Regularität und Wohl-Eingerichtetheit, die die Kehrseite hat einer gewissen Borniertheit, denn wir haben ja schon gesaehen – ich hatte das ja schon behauptet, dass der Ausgang aus dem RELigiösen Selbstgefühl auch einer Befreiung gleichkommt. Da werde ich wahrscheinlich gleich noch mehr dazu sagen müssen.
Also was wird zusammengefügt – das hatte ich immer beschrieben als ein: jederzeit variierbares, in andere Umstände gelangen-könnendes Kernselbst, mit einer Fülle von Prognostiken und Techniken, in einer Umgebung, die hoffentlich soweit bekannt ist, dass man sich in ihr reproduzieren kann, aber auch die Grundlagen dieser Reproduktion verbessern kann. Das alles zurückgenommen auf eine minimal-suboptimale Erwartung, dass noch nicht alles verloren ist, dass noch nicht bewiesen ist, dass man sich NICHT reproduzieren kann, dass man es also versucht und dabei nichts versäumen kann: Was das viel wichtigere ist, denn das ist gewissermassen die anti-OPPortunistische Pointe schlechthin. Und in dieser Rolle ist die traditionale Lebensform zugleich die maximal zurückgenommene – die Schwundform einer OPPortunistisch ihr vorausgehenden Lebensform, und das Produkt zahlloser Desillusionierungen, sie ist ja nicht bloss Lebensform, sondern sie ist auch Glaube, und am Zustandekommen dieses Glaubens haben zahllose Generationen sich abgearbeitet, die ihn in Richtung einer zunehmenden Abstraktion vorangetrieben haben. Es heisst also, dass die eigentlich RELigiöse Lebensform, selbst wenn sie einmal zuverlässig sich durch Pioniere etabliert hat, erst einmal in die Breite wachsen muss, die zugehörige Bildung muss eine gewisse Minimalmenge an Leuten erfassen, daran arbeiten sich durchaus mehrere Jahrhunderte und zwei oder drei Epochen ab. Das ist jetzt aber Geschichtstheorie, und die will ich hier erstmal noch beiseite lassen, eine erste Idee, die daran sich anschliesst, ist aber, dass auch die MODerne auf diese Weise erarbeitet wird – also nicht als ein Bildungsdurchbruch einzelner Individuen, die sich da vorarbeiten unter Verlust aller Erwartungen und – wie sollen sie denn auch sonst die Entscheider-Kategorie sich erarbeiten – ein Entscheiden in solcher Grössenordnung, dass es ganz von selbst die Entscheider-Kategorien erschliessen hilft oder erschliessen lässt – dieser Vorgang, so sage ich, ist ebenfalls nicht von Einzelpersonen zu absolvieren, sondern auch an dem arbeiten erstmal sich Generationen ab, die dafür Vorleistungen erbringen, aber jetzt nicht in Gestalt dieses sich begrifflich-theoretisch die Ebenen des Entscheidens Erarbeitens in der Philosophie und der Theorie, das ist ja ein eigener historischer Strang, der im Aufsteigen durch die 4 bzw am Ende auch 5 Stufen in der REL Spalte sich abspielt – sondern es soll ja alles erstmal ohne solche theoretische Vergewisserung möglich sein. Das ist eine Behauptung – das war auch eine Behauptung im bezug auf die traditionale Lebnsform- auch die muss ohne die theoretische Aufklärung möglich sein – obwohl die letztere natürlich anschliessend massiv den Weg bahnt und es auch ermöglicht, dass so etwas relativ schnell zurückgelegt werden kann, oder könnte – als Bildungsweg, wenn man sich eben begrifflich diesen Weg auch schon ausgeleuchtet hat. Und also jetzt ohne solche Beleuchtung die Frage: Wie wird denn eigentlich die MODerne, die spezifisch MODerne Welt-Einstellung erschlossen bei einer Einzelperson – denn, einer solchen Person muss diese Einstellung ja erstmal angehört haben, bevor sie sich wieder in die Gesellschaft hinein ausbreiten kann – das ist ein ganz wichtiger Punkt – denn die erste Zeile ist eigentlich praktisch noch vor aller wirklichen Vergesellschaftung da, und speziell die MODerne Lebenseinrichtung – es sind ja alles Lebenseinrichtungs-Formen, noch nicht mal Lebensentwürfe im Rahmen einer wirklich erwartbar gesellschaftlich installierten Lebensform ist schon da – also die Lebenseinrichtung gehört ja einer Einzelperson an – und die Möglichkeit einer solchen Einzelperson muss erstmal gesellschaftlich durch die Vorstufen hindurch erzeugt werden.
2.
Und da ist nun die Frage: Was sind denn die Voraussetzungen dafür, und in welchen Formen findet diese Erzeugung statt?
Wir können uns nicht vorstellen, dass man aus einer traditionalen Lebensform – das sind Menschen auf dem Land, von einer irischen Familienkirche bis hin zu den Amish oder solchen Leuten – dass die einfach so aufschliessen zur MODerne – da ist natürlich unendlich viel dazwischen gestellt an historischen Vorgängen, und die wollen wir bzw ich jetzt mal auf den Begriff bringen in ihrer abstraktest-möglichen Version. Durch die Benennung will ich aber immerhin andeuten, mit welchen historischen Ereignissen und Verläufen, im Westen zumindest, diese Voraussetzungen verknüpft sein könnten.
Die erste Voraussetzung ist, dass tatsächlich der Glaubenskampf, der Kampf der Glaubenskrisen soweit abgeschlossen ist, dass sich zumindest in einer Subkultur, in einer Gruppe, einer Schicht, einer Klasse, eine relativ abstrakte Form von Glauben etabliert hat, die also auch Räume freimacht – wo also nicht sofort eine Beschäftigung mit exotischen Weltverhältnissen auch gleich Glaubenskrisen eröffnet, sondern wo einfach der Glaubensinhalt so weit entfernt ist und sich soweit entfernt hat von allen möglichen Erfahrungen – es ist ja seine Schwäche und zugleich seine Stärke, dass er so unangreifbar ist durch Glaubenskrisen – also wo der, sage ich, sich soweit entfernt hat, dass da ein grosser Raum sich öffnet für eine innerweltliche Erfahrungsverarbeitung – die nichtsdestotrotz ein Optimal-hypothetisch-gläubiges Idealisierungspotential aufweist – es muss ja nicht gleich das Verhältnis zur ganzen Welt sein, das optimalhypothetisch übersteigert wird, sondern innerweltliche Möglichkeiten können gesehen werden, in denen ebenfalls (wie im Weltverhältnis allgemein) Subjekten, nur jetzt innerweltlich wirkenden, auch Gruppen – Geschichten – Entwicklungen (Individualitäten) – Lebensentwürfen ja bis hin zur Lebenseinrichtung allerhand zugetraut wird, was optimal wäre, wenn es zuträfe, und man unterstellt es bis auf weiteres – oder, nachdem es nun schon kulturell unterstellt wird in Gestalt von zur Gewohnheit gewordenen Idealisierungen und Idealen von Personen und dem, was ihnen widerfahren kann und was sie können – da kann es natürlich auch Inhalt von Erwartungen werden. So – dieser ganze Raum soll also nun bestehen bleiben, wenn das rahmende Weltverhältnis sich in Richtung Abstraktheit bewegt hat in einem solchen Ausmass, dass es gegen Glaubenskrisen zunehmend immun wird – damit ist natürlich diese ganze begriffliche Entwicklung, Reifung, durch die 5 REL-Stufen hindurch (die Entdeckung der 5 Entscheider-Stufen) noch garnicht absolviert, die steht da noch aus, aber solch ein Schritt ist nun möglich, und diese Voraussetzung für den Beginn einer MODernisierungs-Entwicklung, einer Entwicklung in Richtung der kulturellen Etablierung MODerner Mentalitäten will ich mal grob andeutend die REFORMATIONS-Voraussetzung, oder die reformatorische nennen, aber bitte ausschliesslich verstanden im Sinne dieser Definition, also dass hier Glaubensinhalte soweit abstrahiert sind, dass sie von Glaubenskrisen zunehmend sich emanzipieren und von solchen nicht mehr erreicht werden.
3.
Die zweite Voraussetzung betrifft nun diesen eröffneten Freiraum – von fantastischen Möglichkeiten für Menschen, zu sein, zu können – die erwartet werden, verbunden werden mit Erlebnissen, die man noch nicht hat, die man sich ausdenkt, die man sich aber auch versucht zu erschliessen, also deswegen Entdecken, Reisen, auch geistiger Art, das Erschliessen von historischen Quellen, von vergangenen Grossartigkeiten, gehört dazu – und in dem muss man erstmal geschwelgt haben, bis zum Erreichen einer gewissen Ernüchterung; weswegen ich das ganze auch die RENAISSANCE-Voraussetzung nenne – also das ist gewissermassen das Wegarbeiten der übersteigerten Erwartungen an das, was Personen können und möglicherweise erreichen können und konnten, und die Ernüchterung die dazu gehört, führt eben tatsächlich in Richtung einer Konzentration auf Näherliegendes, garnicht so sehr noch mit den persönlichen übersteigerten Qualitäten Befasstes, Qualitäten von Genies, Sondertalenten, die unerreicht sind, und die quasi im Wortsinn ausgemalt werden, als Gegenstände, ikonografisch gesprochen, der grossen Malerei des Westens – das sind ja oft utopische Gehalte, und da könnte man sagen, es sind auch Vorwegnahmen technischer Utopien, da denkt man jetzt natürlich auch an Leonardo, von dem mittlerweile bekannt ist, dass er kein so grossartiger Ingenieur war, aber ein grossartiger Zeichner – der etwas anschaulich gemacht hat, etwas grossartiges hin-gedacht, hin-gezeichnet hat, ausgemalt hat, das so noch nicht dawar. Und das zu sein und zu erreichen man sich vielleicht zutrauen konnte, aber das Ausmalen musste erstmal genügen (es war seinerseits technisch ja oft schon sehr ausgefeilt), und die Ernüchterung besteht nach der andern Seite hin nicht nur darin, dass man den Versuch eines unmittelbaren Zugriffs auf die Grossartigkeit unterlässt, und sich da nicht mehr viel erwartet, sondern dass man umgekehrt sich natürlich auch etwas zutraut, nachdem man die Welt durchaus auch kennengelernt hatte und in ihr bestehen konnte, in der unbekannten Welt neue Techniken kennengelernt hat, und das wäre jetzt also das Resultat nach dem Ausschöpfen dieses fantastischen Raums an Möglichkeiten durch Kunst, Reisen, Erwartungen an das Exotische, Abgelegene, Wunderbare, auch in der Geschichte: Nachdem das alles abgearbeitet ist, bleibt ein Bestand an ernüchterten Einstellungen zur Welt, die immer noch relativ optimalhypothetisch sind, aber doch eben schon nur noch experimentell reduziert – und deswegen nenne ich diese Voraussetzung, nämlich dass diese Ernüchterung nach einem solchen Vorlauf eingetreten ist, die Renaissance-Voraussetzung – im Zusammenhang mit der reformatorischen – also wieder im Sinne der Definition, die ich da versucht habe.
4.
Das dritte ist, dass die MODernisierung gebunden ist nicht an eine Existenz, die eigentlich die klassische traditionale ist, nämlich einer auf dem Land, wo man tatsächlich erst einmal wirklich – wenn auch in immer neuen Formen vllt – seinen Lebensunterhalt in einer gegebnen Umgebung bestreiten msus – nämlich ganz unmittelbar durch Landwirtschaft – die kann dann noch so innovativ sein (das war sie ja auch im eurpäischen Hochmittelalter, wieviel mehr im chinesischen). Stattdessen muss es sich um Personenkreise handeln, die von solcher Arbeit freigestellt sind, und die auf der andern Seite mit einer vergleichbaren Einstellung, also zurückgenommen ihrem Alltagsgeschäft nachgehen, aber eben einem nicht unmittelbar agrarischen, einem anderen Gewerbe – die da also in einer arbeitsteiligen Umgebung nicht-landwirtschaftlicher Art existieren, und das will ich mal die URBANITÄTS-Voraussetzung der MODernisierung nennen, und natürlich hat man da auch schon eine ganze epochale Infrastruktur zugrundeliegen und vorausgesetzt, das muss ja alles erstmal in einem Raum, in dem es vielleicht so noch nicht existiert hat, aufgebaut werden, und das ist ja dann das europäische Mittelalter, vielleicht auch ein chinesisches, dort im Süden, wo man also erst einmal Räume erschliessen und Zivilisationszentren und sie versorgende agrarische Umgebungen anlegen musste. Das dauert ja seine Zeit.
Wenn jetzt also diese drei Voraussetzungen erfüllt sind, dann nehmen wir mal als vierte Voraussetzung noch das relativ plötzliche Bekanntwerden mit fremden, gänzlich andern Lebensformen, Bildungsinhalten, Lebensstilen, Techniken, und natürlich auch Wissen insgesamt – das Wissen explodiert – all das explodiert, kann man sagen, durch die Entdeckungsreisen der Europäer, die ja zugleich auch Raubzüge waren – das muss man immer gleich dazusagen -, und genozidale Mordaktionen, das ist der Preis, der da von den Entdeckten entrichtet wurde als unfreiwilliger Beitrag zum europäischen Vorsprung. Also das ist eine vierte Entstehungsbedingung für die MODerne, die sie natürlich von vorneherein bereits belastet, das ist in vielen Hinsichten natürlich auch mit RELigion verbunden, auch da sind Metzeleien ohne Ende mit im Spiel gewesen, und haben gewissermassen Geburtshilfe geleistet zum Entstehen bestimmter Einstellungen.
Also das ist die vierte Bedingung, als Resultat der Entdeckungsreisen, die zu solchen WISSENSEXPLOSIONEN, Explosionen der verfügbaren Inhalte führt.
5.
Und jetzt schauen wir uns an – das ist jetzt eine völlig abstrakte Betrachtung -, was machen Leute, die ihre Gewerbe betreiben in einer traditionalen, einer gut eingeführten (vgl. Kategorie „longue duree“!) Handwerks-Tradition – und in diesem Rahmen revolutionäre Neuerungen für ihr eigenes Gewerbe oder auch daneben (wenn man jetzt etwa an den Druck mit den beweglichen Lettern denkt) sich ein ganz neues Gewerbe mit gänzlich neuen Produkten oder Herstellungsweisen denken können – und das traditionale Waren- und Produktgefüge also nun ausweiten – sie sind ja noch immer, wenn auch jetzt beschränkt auf DIESE (innovative) spezielle Tätigkeit in der Mitte (zusammengesetzt aus IHREM Handwerker-Lebensstil und den zugehörigen Techniken) traditionale Produzenten (Mitte heisst: da wo der Bruchspalt, das Auseinanderreissen von Technik und Lebens- und Arbeitsstil, entstehen soll, und wo man sich sonst eben traditional überwiegend agrarisch reproduziert). Die produzieren da also jetzt eine Ware, vormodern, ein Handwerk als Handwerker, Spezialisten, für was auch immer, und da wird also jetzt tatsächlich eine Verbesserung angeregt einerseits nach der einen Seite hin: ein Bedürfnis wird befriedigt, und das ist jetzt wichtig, es ist nicht so sehr ein veränderter Lebensstil, das läuft unter der Hand natürlich auch mit, sondern es ist vor allen Dingen eine Bedürfnis-Befriedigung, die unmittelbar mit einem Gut, einem Produkt verbunden ist. Also man kann jetzt etwas besser machen als zuvor, oder kann es erstmals überhaupt, und damit zugleich wird also tatsächlich ein Bedürfnis, zusammen mit dem Produkt, durch das es befriedigt wird, erschlossen – das sind Formulierungen, die man so speziell bei Marxisten findet: die gesellschaftliche Entdeckung von Bedürfnissen – gesellschaftlich heisst da immer, die einen entdecken das für sich und versorgen dann die andern mit – und dann kommen die auf was, weil es ihnen (von den ursprünglichen Entdeckern und Herstellern, als Ware) angeboten wird. Da ist natürlich das erste, was einem einfällt, sowas wie die Einführung von Kolonialwaren – das sind ja noch immer agrarische und Natur-Produkte, zB Baumwolle; aber auch Genussmittel, wie Tabak, Kaffee, Tee, sowas in der Art – und dann entstehen da kleine Kulturen drum herum, das Kaffeehaus und solche Sachen, das gabs ja auch fürs Rauchen; und da wird also jetzt mit dem Produkt das Bedürfnis nach ihm völlig neu erzeugt – vorher war das ja nicht bewusst oder vermisst, dass man zb auch rauchen könnte. In dieser Art ist jetzt ganz abstrakt die Bedürfnisseite, so sehr sie auch ausgestaltet wird, und so sehr die explodiert, verfasst, dh die neuen Bedürfnisbefriedigungen sind vor allem und überwiegend solche, die sich an Sachen knüpfen, die dieser Befriedigung dienen. Und das heisst, nebenbei, natürlich auch, dass das arbeitsteilig produziert und kommerziell verwertet werden kann als Ware, das heisst aber auch, dass diese Befriedigung explosionsartig in eine Gruppe hineingetragen werden kann, die jetzt alle, sofern das Gut verfügbar ist, es nutzen können und damit auch dieses Bedürfnis ausbilden können. Das kann man jetzt ausdehnen auf mehr geistige Produkte – Literatur, Schauspiel, Tänze, Kunst also im weitesten Sinn; das war ja bereits anfangs das Stichwort, unter dem diese Ausweitung lief, Ästhetik – die jetzt also nicht mehr unmittelbar RELigiösen Charakter hat, aber auch nicht mehr nur diesen fantastisch ausmalenden, sondern jetzt viel stärker tatsächlich auf reale Genüsse abzielt – auch durchaus kompensatorische bereits; erst in dem Zusammenhang spielt ja die Kategorie Ästhetik allererst eine Rolle. Jedenfalls die utopischen Gehalte treten zurück, oder sie werden zurückgeschnitten auf die Verhältnisse der Einzelpersonen oder Gruppen, und der idealistische Gehalt tritt zurück zugunsten von bestimmten nach-empfindbaren Verläufen, nach deren Erleben, wenn auch noch so indirekt, im Einzelleben ein Bedarf besteht.
6.
Und nach der andern Seite hin spielt sich ab, das Probieren, das Ausloten neuer technischer Möglichkeiten, Abwandlungen von Techniken, die da vielleicht neu hereingekommen sind, und denen man die eigenen Gegebenheiten anpassen muss, oder man hat von ganz ferne (aus China, Indien) eine Anregung (Porzellan, Seide) bekommen, oder es ist einfach soweit gediehen, dass die Variation bestimmter Techniken naheliegt, und man einfach so weit ist, ich denke da speziell an Metallurgie und Chemie, dass da einfach soviel Kenntnisse zusammengekommen sind, auch zufälliger Art, dass man tatsächlich anfangen kann zu probieren, auszuloten, dadurch auch natürlich das Wissen weiter vermehrt, ein Wissen, das schliesslich auch Fragen aufwirft und zu weitergehenden Experimenten, Systematisierungen usw einlädt. Das ist jetzt ein anderer Strang, der natürlich in Richtung der klassischen beginnenden Naturwissenschaft sich auswächst – das wächst tatsächlich gewissermassen heraus aus den Kuriositäten- und Naturgeschichts- Kabinetten von Fürsten, die da erstmal gesammelt haben, was kurios, abseitig ist, und trotzdem tatsächlich in seiner Summe Zusammenhänge erkennen und Fragen nach solchen aufkommen lässt. So startet ja etwa Galilei als Angestellter eines neugierigen und wissenschafts-süchtigen Fürsten (Grossherzog der Toskana). Der Antrieb wächst jetzt auch herüber aus diesem Renaissance-haften Überschwang, wo man (als Alchemist, Goldmacher) alles mögliche an Wundern gleich um die nächste Ecke erwartet, die sich dann aber nicht einstellen(stattdessen etwas, das man garnicht gesucht hat…), und es wird zurückgenommen auf bescheidenere, nichtsdestotrotz weiterhin relativ optimistische Erwartungen, die also durchaus gläubiger Art sind, was man könnte, was da gelingen könnte – das ist dann schon eine Erfinder-Tugend, diese Besessenheit mit der Hoffnung auf eine bestimmte Methode, Herstellungsweise, die etwas erleichtern und beschleunigen oder auch erstmals leistbar machen könnte, und die man finden könnte, wenn man nur etwas dafür, ein Verfahren, Gerät usw erfinden könnte – und man kann nun also sagen: Die beiden unabhängigen Quellen dieser gesamten Ewrartungshaltung lassen sich benennen als Neugier einerseits, das ist also hier auch noch auf der ästhetischen Seite, ich möchte etwas Interssantes erleben, das also auch erst einmal zweckfrei ist, und vielleicht irgendwann verwertbar; und nach der andern Seite hin Sorge – also es gibt da ein Problem zu lösen, vielleicht ein technisches, vielleicht aber auch schon ein Gesundheitsproblem im weitesten Sinn, eine Gefahr, ein Risiko, das abgestellt werden soll – und auch das kann natürlich zu einer Art Forschungen Anlass geben. Es sind also diese beiden wesentlichen Antriebsquellen, von denen man sagen kann, dass sie jetzt – ohne den renaissance-haften Überschwang, ohne die Überschätzung von Möglichkeiten, stattdessen verbunden mit rein experimentellen, nicht auf unmittelbaren Ertrag ausgerichteten Forschungen und Versuchen – verbleiben als dauerhafte Antriebe für Expansion – von Leuten, um das nochmal zu erinnern, die jetzt nicht unbedingt mit ihrer Reproduktion zugleich schon ihre Existenz sichern müssen, also wo nicht Landwirtschaft gelingen muss, weil man sonst verhungert oder auch Leute, die von einem abhängig sind, verhungern – wo man darum auch zunächst, als Dorfgemeinde, eher konservativ ist, was die Anbaumethoden angeht – da hat sich was bewährt, es ist gelungen und hat funktioniert, ist insofern sogar relativ perfekt. Stattdessen werden also diese städtischen Gewerbetreibenden zb aktiv, oder Menschen mit Sponsoren, oder solche, die genug freie Zeit und Vermögen für Versuche haben. In die Landwirtschaft hingegen dringen ausser da, wo tatsächlich sehr früh bereits Sorge-Motive und Not-Motive zur Innovation angeregt haben – solche innovative Anstrengungen erst relativ spät ein, verglichen mit den andern Kulturdimensionen, den eher städtisch-handwerklich-technischen. Es gibt dazu chinesische Pendants in der Nach-Ming-, der Qing-Ära, wo hauptsächlich städtische Intellektuelle sich den „Realwissenschaften“ zuwenden, das hatte ein Pendant bereits schon in der Song-Ära; und das ist, kann man sagen, eine Vorstufe, also da geht es auf einmal um Bergwerke, Mineralien, Metallurgie, oder Botanik, Heilpflanzen usw – Leute, die sich bis dahin nur mit Texten beschäftigt hatten, wenden sich dem auf einmal zu.
7.
Und die Vielzahl der Gewerke eröffnet natürlich eine ebensolche Vielzahl an Forschungszweigen, die wiederum, vielleicht, irgendwann, sei es Neugier- sei es Sorge-getrieben, auch Systematisierungsversuche nahelegen, und Übersichten verlangen, in all der Stoff-Fülle, die man nicht mehr überblickt; das gilt natürlich auch für die Mathematik, mit der man mancherlei Probleme lösen kann, für die es da vorher so handwerkliche, über den Daumen gepeilte Anäherungen gab. Die reichen dann nicht mehr, wenn man angewiesen ist auf sehr genaue Ergebnisse, Vorwegnahmen. Und das gilt dann natürlich auch für die Astronomie – das ist zunächst etwas sehr praxisfernes (abgesehen vom Navigieren auf hoher See; da ist es dann aber schon bedeutsam…) – das zugleich und zunächst immer renaissancehaft überfrachtet war mit Erwartungen an Weltbeherrschung, Weltkontrolle, wenigstens hinsichtlich Prognose-Fähigkeiten (Astrologie), die sich daran geknüpft haben, aber natürlich ist nichtsdestotrotz auch mit solchen Erwartungen Wissen erarbeitet worden, das nach einer Systematisierung verlangte – und da kann man nun sagen, natürlich anknüpfend an antike Vorarbeiten gibt es da eine Fragestellung in Richtung systematischer abstrakter Technik, Technologien, und das ist ja schon im Grunde genommen die Physik – also etwas, das allen Techniken und Verfahrensformen mit Sachen und Materien gemeinsam sein kann – die Materien wiederum selber, die Substanzen, die kann man ja auch erforschen, und das sind dann die Vorstufen oder erste Entdeckungen in der Chemie, wo die Systematisierung und die begriffliche Durcharbeitung nur ein bisschen später einsetzt (zT etwa gebunden an fortgeschrittene Techniken, zB hoch-empfindliche Wäge-Technik als Voraussetzung für Lavoisiers Nachweis der Sauerstoffbindung). Aber halten wir fest: Die beiden Motive Neugier und Sorge, wenn man jetzt also auch aus einer solch gläubigen Erwartungshaltung, einem Enthusiasmus sich herausgearbeitet hat – diese Motive bleiben erhalten, auch wenn diese Forschung einen mehr asketischen, also typisch zweckfrei, „grundlagen-orientierten“ und zurückgenommen-experimentellen Charakter animmt. Ob das jetzt notwendig mit einer Desillusionierung zu tun hat, soll anderswo erörtert werden – es hat in jedem Fall mindestens zu tun mit diesem Reformatorischen.. und da braucht man sich also nicht zu wundern, wenn die frühen Naturwissenschaftler im Westen sich unter solchen reformatorisch fortgeschrittenen Gruppen wie den Puritanern in der Royal Society finden – da mögen jetzt noch gewisse Vorstellungen von „improvement“ eine Rolle spielen, von Selbstverbesserung und -vervollkommunung als Voraussetzung der göttlichen Welt-Vervollkommnung – aber da arbeitet sich ja schliesslich auch was entgegen in den Glaubensvorstellungen und in der Lebensführung.
8.
Jetzt müssen wir fragen: Auf was laufen diese Forschungen, diese Entdeckungen zu?
Es ist da ein Begriff in den Vor-Überlegungen ins Spiel gebracht worden, der hiess: Durchbinden. Also das Verbinden von Bedürfnissen mit Erkentnnisen, das Hin und Hergehen von solchen Befriedigungserfahrungen hin zu Sach-Kenntnissen, die dazugehören, und von da wieder zurück, und das wurde jetzt mal so ausgestaltet, dass da jemand im Idealfall -entsprechend dem Ideal der MODerne – nacheinander kreativer Ästhet, produktiver Produzent, erfinderischer Techniker, hartnäckiger Entdecker oder sorgfältiger Wissenschaftler ist, und sich dann wieder in der umgekehrten Richtung zurückbewegt, und genau dabei und dadurch für sich selbst die Entscheider-Kategorie und die selbstverständliche Betätigung der 5 Planungsstufen ausbildet – das war ja die Pointe dabei – aber ganz ohne die theoretische Reflexion, die sich durch die 5 REL-Stufen hindurch aufsteigend hindurcharbeitet, als eigener Strang, nämlich im Zusammenhang mit RELigiösen Vergesellschaftungsvorstellungen und -idealen. Und wie bringen wir das jetzt zusammen – wie bringen wir das zusammen mit dem Gedanken, der ganz anfänglich schon geäussert wurde, dass diese genuin MODerne Stellung zur Welt zunächst mal die einer Einzelperson sein muss? Durchbindung ist die asymptotisch zu erreichende Kategorie, die also tatsächlich einmal, in Einzelpersonen, erreicht sein muss, und traditionsbildend werden muss, bevor sie dann wieder in den gläubigen und RELigiösen Vorformen angeeignet werden kann. Wir müssen also fragen, was ist das, das den endgültigen, nicht mehr rückgängig zu machenden Durchbruch zur MODerne darstellt, so wie davor die abstrakte Glaubensgewissheit, die immun macht gegen Glaubenskrisen, einen Durchbruch darstellt, der dann auch zugleich die maximal zurückgenommene und nicht mehr anfechtbare RELigiöse traditionale Lebensform ermöglicht unnd kulturell etabliert. Also, was ist das MODerne Pendant dazu, und was sind die Vorstufen, mit was arbeitet man sich dort hin – anders gefragt, was ist das MODernisierungs-Pendant der Glaubenskrise? Und die Antwort darauf ist, dass es gewissermassen Fragmente sind, die diese VorMODernen Entdecker und expansiven Erweiterer ihres Gewerbes in Richtung auf eine durchgängige (und dann erst wäre es genuin MODern) Betätigung ihrer Entscheider-Fähigkeiten ausbilden; also sie bilden ein Fragment aus – es ist nicht unbedingt das Ganze – aber sie man könnte sagen: sie überbrücken auf jeden Fall in ihrer experimentellen Tätigkeit von den 5 massgeblichen Grenzen, die diese 4 Felder abgrenzen, mindestens zwei oder drei – nicht unbedingt alle – aber: durch diese sich ausdehnenden Fragmente, und die Stränge, diese Überbrückungsstränge, und das Vor- und Zurückgehen – werden natürlich Wege gangbar, und es wird eine Fülle von Anschauungen erzeugt, was alles geht. Mit dieser Figur sind wir jetzt wahrscheinlich etwa im europäischen 18.Jh angelangt – also da hat sich, wenn ich das jetzt so behaupte – da hat sich eine Menge solcher expansiver, aber nicht alle Felder abdeckender Überschreitungen von Sphärengrenzen angehäuft. Und man kann es jetzt so beschreiben (ich hatte das ja etwa so auch schon gemacht): ein Techniker (Erfinder, Tüftler..) sucht nach Varianten, nach Bedingungen, Voraussetzungen für eine Problemlösung, und wird darüber zum Wissenschaftler – das kann ihn jetzt so fesseln, dass er dort bleibt, er kann aber auch zur Technik zurückgehen, und er kann von da aus natürlich die nächste Grenze überschreiten und zum Produzenten werden, das waren solche Karrieren, frühmoderne an der Grenze zur MODerne oder MODernisierungs-Karrieren, in denen natürlich zugleich der Stoff der Wert-Sphären, die Wissenschaft Technik Reproduktion/das Produzieren überhaupt, und die Sphäre der Ästhetik und der Entdeckung von Befriedigungsmöglichkeiten, Lebensmöglichkeiten – der Stoff dieser ganzen Sphären massiv angereichert wurde, und die Idee, sich entlang einer solchen vorgebahnten, wenn auch aus verschiedenen solchen Fragmenten zusammengesetzten Lebensbahn zu nähern, die alle Sphären-Grenzen, hin und zurück, überschreitet – diese Idee liegt immer näher. Also dass man ausgehend von irgendwo sich betätigt jenseits der Sphäre, in der man gestartet ist, und womöglich auch noch eine weitere Sphärengrenze überschreitend, wieder zurückgeht; und über dieses Vor- und Zurückgehen kann man sagen: Es ist irgendwann egal, ob es nur gedacht ist, ob es erlebt wird, ob es geplant wird, ob es tatsächlich sich ereignet in irgendwelchen Biografien von Universalgelehrten, die in allen Fächern tätig waren, oder alles mögliche gemacht haben – solche Figuren von Leibniz bis Goethe gibts ja tatsächlich in Massen – in dieser Phase, dieser Aufklärungszeit – also ob man das jetzt fiktiv macht und sich das jetzt bloss vorstellt; oder ob man tatsächlich eine solche Biografie real absolviert und also tatsächlich Sphärengrenzen – also nicht nur Fächergrenzen sondern eben auch Sphärengrenzen souverän überschreitet, und da überall Leistungen erbringt, die womöglich sogar einen Sinn-Zusammenhang haben untereinander – das ist alles gleich gut; es läuft drauf hinaus, dass da eine Vorstellung entsteht, eine Wertvorstellung, die schliesslich tatsächlich zur herrschenden wird, nämlich dass man hier Lebensmöglichkeiten hat, und an der Erzeugung solcher Lebensmöglichkeiten arbeitet, die durchgehend sind, also die tatsächlich Sphären stoff- und sinnliefernd verbinden.
9.
Also die Hypothese lautet: Diese Entscheider-Kategorie wird deswegen praktisch erschlossen, weil gedanklich oder real tatsächlich dieses zweiseitige Ansetzen an Erfahrungen mit sich und mit Sachen dazu nötigt, bzw dazu herausfordert, in dem man die nächste Sphärengrenze überschreitet, auch die nächste Plankategorie zu betätigen – das hatte ich ja bezeichnet als den empirischen Fakten zugewandt mit Begriffen, und komme dann mit einer Hypothese, etwa „das und das könnte ein für alle interessantes Befriedigungserleben sein“, in der Produktionssphäre an und sehe mich um, ob es das Ding dort schon gibt, oder die Art, wie man vielleicht nun tatsächlich ein Ding dieser Art herstellen könnte, hier wichtig wieder die Sache, die die Befriedigung erzeugt – diese Vorstellung weist vielleicht Lücken auf, ich muss nach technischen Porblemlösingen suchen – ich hab eine Strategie, einen Strategieentwurf, der in einer – jetzt kann man den Begriff der Umgebung verallgemeinern, das ist jetzt keine räumliche, keine geografische Umgebung mehr, ein Siedlungsort, an dem ich reproduktiv tätig werde – sondern es ist eine Produktionsumgebung – eine Produktionsarchitektur, in der bestimmte Problemlösungen fehlen, da bin ich jetzt schon beim Prioritätensetzen, vielleicht auch angesichts dessen, was sonst noch zu suchen wäre, was von Belang ist, also ist meine Problemlösung von Belang oder gibt es da Wichtigeres, das entscheiden ja womöglich wieder andere, aber es ist doch einfach so, dass dieser Schritt mit der Prioritätensetzung („Welche Problemlösungen wollen wir als nächste angehen?“), naheliegt, und von da ausgehend jetzt auch die zeitliche Reihenfolge eingeplant wird bei der Frage, was könnte welche Nebeneffekte haben, und was ist deswegen tatsächlich als nächstes zu erforschen? Und umgekehrt: Ich kann umgekehrt kommen von einem interessanten Sachverhalt, der kann auch eine Gefahr betreffen – in diesem Sinn interessant – ich entdecke – etwa eine mögliche Krankheitsursache – und ich habe als eine Hypothese, ich komme mit der an eine Bewältigungsmöglichkeit, die sich daraus ergibt, wie man die Gefahr vermeiden kann, ich komme also jetzt mit einem Strategieentwurf in eine Produktionsumgebung, wo mir klar wird, es ist jetzt noch nicht machbar oder es IST machbar, und wenn es machbar ist, dann kann es sein, dass wenn man das tut, man bestimmten Anforderungen seitens der Patienten etwa genügen muss, da kommt jetzt wieder eine Bedürfniskomponente rein. Und jetzt haben wir also tatsächlich, nur getrieben, zur Not nur getrieben von Neugier (die hilft bestimmte Befriedigungserlebnisse zu erschliessen), und/oder Sorge, -Einstellungen, die sich entzünden an bestimmten Problemstellungen, an bestimmten Gefahrfeststellungen, aber auch eben den Aussichten, den wirklich ganz neutral-nüchternen Aussichten auf eine technische Option, die man sich erschliessen könnte – NUR getrieben also von diesen beiden Motiven, ohne alle Erwartungen, das sind also die zwei Motive, die übrig bleiben, und wenn man noch so experimentell eingestellt ist – haben wir also nun eine Art Schleifenbewegung, die von der einen Seite der Wert-Sphären-Grenze zur offenen Erfahrungswelt – der Welt der Erfahrungen mit sich, der ästhetischen Erfahrung, hinüberführt durch die Produktion, durch die Technik, durch die Wissenschaftssphäre hindurch zu der andern Seite der Erfahrung, die man machen kann mit Sachen und Sachverhalten, Regularitäten, die nicht von irgendeiner Empfindungsart sind, und wieder zurück. Und deses Hin und Her, gleich, ob das jetzt fiktiv ist oder tatsächlich in einem Leben absolviert, wird als Möglichkeit des Durchbindens, des Verbindens dieser Sphären, zu einem kulturellen Leitbild. Das ist also nun die zentrale Behauptung: Genau das ist oder wäre der Durchbruch zur kulturellen MODerne – wo sie sehr wohl auch schon wieder mit überfrachteten Erwartungen sich verbinden kann, aber nicht mehr als Fragment, sondern als geradezu die Obsession, mit diesem Verbinden zu arbeiten, also dem hin und her Gehen zwischen den Erfahrungen der Art der „Erfahrungen mit sich“, mit Empfindungen und empfindbaren Inhalten, hinüber zu den Erfahrungen mit Sachen – befriedigenden oder auch günstigen/nutzbaren Sachen, oder aber bedrohlichen Sachverhalten, deren Gesetzmässigkeit zu erforschen ist, und von da wieder zurück von den Sachen zu den sich bei ihrer produktiven Behandlung ergebenden Empfindungen.
10.
So. Jetzt scheint das also in irgendeiner Weise etwas durchgehendes – es ist auf jeden Fall die Schleife, ein Kreislauf hin und her, der sich durch die sich anhäufenden Wissensmassen hindurch schlängelt, wenn man so will, und die Frage bleibt nun, haben wir da nun etwas Vereinheitlichendes, haben wir da eine Durchgängigkeit, oder bleibt der vordergründig bestehende Eindruck tatsächlich bestehen, dass nämlich diese Bewegung eigentlich immer zwei Seiten hat, die nicht zusammenzubringen sind, und von zwei Seiten her startet, die einfach nicht integrierbar sind. Dieser Verdacht liesse sich nun dadurch erhärten, dass man sagt: Ja – wenn ich von der ästhetischen Seite her komme, dann habe ich es zwar mit mir zu tun, aber eben zugleich mit der bedürfnis-befriedigenden Sache; und wenn ich da an die Produktionsgrenze komme, habe ich zwar vielleicht eine Vorstellung davon, wie man die Sache produzieren und vervielfältigen könnte, aber uU muss ich die Sache weiter untersuchen, um sie in dieser Weise verfügbar zu machen. Und schon überschreite ich die Grenze – also genau die Grenze, die vormals in der traditionalen Lebensführrung der Bruchspalt, der in Wirklichkeit überbrückte, war, und gehe auf die andere Seite, ich gehe jetzt auf die Seite der Techniken, Prognostiken, Regularitäten, ihrer systematischen Erforschung in Gestalt von Wissenschaft, und habe mich jetzt also auf die Seite der Sachen begeben und der Sachverhalte und der regulären Sachzusammenhänge, die sich damit ergeben, und hab von mir und den Empfindungen jetzt erstmal abgesehen, denn es geht ja erstmal nur noch um die befriedigende Sache, und von da ausgehend wende ich mich zurück, und stehe jetzt also mit der verfügbar gemachten befriedigenden Sache irgendwann mal an der Front der Produktion, überschreite die Grenze dorthin, und fange an, sie zu produzieren und reproduzieren, und das erzeugt sekundär nun alle möglichen weiteren Bedürfnisse – denn die Produktion ist im allgemeinen in irgendeiner Weise vereinseitigend, und verlangt nach kompensatorischen Befriedigungen, sodass man also sagen kann, ab jetzt gilt es, kompensatorische Bedürfnisse zu entdecken, und sie ihrerseits zu befriedigen.
11.
Man kann also jetzt immer sagen: Dieses Zurückkommen der befriedigenden Sache, wenn man wieder aufsteigt zum Produzieren – also man macht sie technisch handhabbar, verlässlich reproduzierbar, und dann wird ihre Produktion tatsächlich eingefügt in eine existierende arbeitsteilige Reproduktion – dieses tatsächliche Verfügbarmachen der befriedigenden Sache erzeugt einen BEDARF – also das Bedürfnis ist eines, aber dass man das Bedürfnis tatsächlich anerkennt als eines, für das die knappen Ressourcen zum Teil eingesetzt werden sollen, und sagt, ja das soll auch tatsächlich befriedigt werden, regelmässig womöglich, das erzeugt einen Bedarf, der sekundär als „Bedürfnis“ in Erscheinung (und als solches neben andre, „genuine“ Bedürfnisse) tritt in der Gestalt, dass man sagt: Ja – das brauche ich tatsächlich auch. Das heisst, ich habe nicht nur die Idee, Anschauung, Möglichkeit einer Bedürfnisbefriedigung oder Bedarfserfüllung, sondern dass es das gibt, ist bereits eingebaut in die Lebenseinrichtung zahlloser Leute, so könnte man sagen; und das darf nicht verloren gehen – also es ist jetzt tatsächlich auch eine Notwendigkeit, dass dieses Bedürfnis befriedigt wird, und das verwandelt eben tatsächlich dieses Bedürfnis in einen Bedarf, und erst recht zum Ausgangspunkt für Bedarf werden natürlich diejenigen Sachverhalte, die uns bedrohen, da könnte man sagen, der Bedarf besteht danach, sie abwehren zu können, und das Bedürfnis nimmt die Form einer Angst, zumindest einer Sorge an, das ist jetzt also auch ein Bedürfnis, dies nicht fürchten zu müssen – auch das ist ein Bedarf, eine Bedarfssorte – die taucht allerdings auf von der andern Seite, dh da ist nicht ein ursprüngliches Bedürfnis und Befriedigungserlebnis am Anfang, sondern eher das Gegenteil, dh es ist das Erlebnis eines Mangels, eines Schadens, Erkennens einer sicheren oder wahrscheinlichen Schadursache (dh eines Risikos), vor der und dem man sich hüten muss. Und auch das, Erwerb und Erhalt der Abwehrfähigkeit gegen solche Schäden kann man als Bedarf bezeichnen, der sekundär dann auch in der Gesamtbedürfnisstruktur abgebildet wird, dh es könnte sein, dass man sagt, das muss erst mal abgedeckt sein, die verschiedenen Bedarfsformen müssen abgedeckt sein, bevor man zu andern, weniger wichtigen und zweitrangigen Bedürfnissen gelangt – die haben Freizeitcharakter – das andre ist wichtiger. Und zugleich entsteht aus jedweder Form von produktiver Behandlung auch genuiner Bedürfnisse (und des Bedarfs nach zuverlässig-dauerhafter Fähigkeit zu ihrer Befriedigung) eine Form von sekundären Bedürfnissen, die mit der Art der Produktion, der Tätigkeit überhaupt verbunden ist und aus ihr entsteht, also aus den Frustrationen, aus den Einseitigkeiten usw – und das sind die kompensatorischen Bedürfnisse. In einer konkreten Lebens-Situation bilden die auch einen Bedarf – also es bedarf auch einer Befriedigung der kompensatorischen Bedürfnisse – und das Ganze bildet eine Prioritätenliste – eine Summe von bewerteten Befriedigungsmöglichkeiten, die sich assoziieren mit einer Lebensführung – einer auch vorübergehenden Lebensführung – das kann die Existenz in einer dieser Wertsphären sein – am häufigsten (weil es so viele Techniker und Wissenschaftler ja garnicht gibt) sind es ja meist Produzenten, Unternehmer oder Planende und Arbeitende selber, die etwas machen; also die Bedürfnisse der sich in dieser Wertsphäre Aufhaltenden sind die häufigsten (aber nicht die kostspieligsten: Wissenschaft/Forschung/Entwicklung sind anspruchsvoll, was die verwendeten Mittel betrifft, Ästhetik (Filme, Reisen…) uU auch…) – egal wie und in welcher Form man gerade im Moment lebt, das kann auch nur eine Lebensphase, ein Lebensabschnitt sein – man hat also ein solches Inventar an Bedarf, an verschiedenen Beddarfsdimensionen, kompensatorischen Bedürfnissen und möglichen Befriedigungen, die es dann auch noch gibt, und die Neugier und die Sorge usw, die spielen dabei ja mit eine Rolle. Und nun kann man sagen, diese Prioritäten-Ordnung gehört immer dem Einzelwesen, dem Individuum an, dass es sich einrichten muss in seiner momentanen Lebenslage, und gerade dann, wenn es sie ständig wechselt, muss es immer wieder auch eine befriedigende Form seiner Existenz finden mitsamt allen Komplikationen, und dem nicht zu Vernachlässigenden darin, von dem es Kenntnis hat (das nennt man heute ein „Sich immer wieder neu Erfinden“, aber das ist nichts neues, das hat es auch schon im 18. Jh gegeben…).
12.
Und jetzt ist die Frage: Was geschieht damit – was geschieht in der Aneignung dieser Notwendigkeit der Existenzplanung, der Existenzfristung, des Sich-Einrichtens – der Lebens- und Existenz-Einrichtung (so will ich das nennen: die Einheit aus Lebensführung und momentan für eine gewisse Frist verfolgtem Lebensentwurfs-Fragment, -Zweck, -Phase…) – was geschieht damit, wenn das zum kulturellen Muster wird? Ich hatte vorhin schon eine verführerische Formulierung genannt, mit der man den Übergang ganz wunderbar vollziehen kann von der tatsächlichen Notwendigkeit der Einzelnen zu einer vermeintlichen Gesellschaftlichkeit dieser Kategorie. Und das war der Ausdruck: eine Lebensmöglichkeit, es werden mögliche Lebens-Elemente gesellschaftlich bereitgestellt, die sich der Einzelne zu einer Existenz zusammenstellen kann, die dann auch noch in verschiedenen Lebensphasen variieren kann. Das Inventar der Lebensmöglichkeiten ist jetzt also das Gesellschaftliche, und die wesentliche Dimension der individuellen Zusammenstellungen ist natürlich die der Sachen – seis der Wirksachen, der technischen Wirkgegenstände, der Experimente, der Werkzeuge, der Materien usw – seis der Befriedigungssachen, auch wieder Substanzen, Alkohol usw und natürlich Dinge, Materien, auch geistige, die befriedigen, und die in dieser Weise verfügbar gemacht werden; und da gibt es nun ein Element, auf das man aufmerksam werden kann, als genuin MODernes Individuum, dass nämlich das alles, was am Leben nicht Sache, nicht ohne weiteres mit Sachen verbunden ist, nämlich das Tun, und die Art, wie man tut und handelt und lebt, hier garnicht vorkommt. Die würde nämlich tatsächlich wirklich dem Individuum angehören, die ist nicht veräusserbar, ausser in einer sehr sehr indirekten Weise, die wiederum etwas mit Religion zu tun hat, würde ich sagen, mit Idealisierung, nämlich dass man eigentlich alles auch an andern mit-erleben kann; die für einen mit etwas durchleben, erleben, und dadurch, dass ich ihr Leben mir zum Gegenstand mache, mich versorgen mit einer Erlebnisform (und das womöglich mit verdichtet-gesteigerter Intensität: ‚Weiblichkeit‘, glückliches Kind‘ – von den Mit-Lebenden extra dafür ausgestattet…), die dem Selbst-Tun, Selbst-Fühlen, Selbst-Sein maximal nahekommt, ohne dass man es selber tut, fühlt, ist: Schauspiel, Kino, Zuschauersport, aber auch familiäre Rollen und darauf beruhende Beziehungen.. Und das ist natürlich in Wirklichkeit auch, wenn man so will, eine Versachlichung, eine Vergegenständlichung, des Empfindens, des Sich-Fühlens, des wirklich Leiblichen, die es macht, dass man die eigentliche eigene Leiblichkeit und diese Sphäre schon verlassen hat – ausser, dass man sich eben versorgt mit den Befriedigungssachen, und sei es auch dem Mitgehen und dem Anblick, dem Miterleben, dem intensiven, glaubwürdigen, fast als würde man es selbst tun, fühlen, sein, des Empfindens und Erlebens der andern.
Und man könnte sagen: Da hat das MODerne Individuum wenn es diesen Unterschied entdeckt, einen zentralen Mangel, einen ersten zentralen Mangel seiner MODernen Lebensform, genauer gesagt, der Lebenseinrichtung, entdeckt, nämlich diese Abtrennung des Leiblichen und des Empfindens, des eigentlichen Empfindens beim Tun, die in dem Sich-Versorgen mit Befriedigungssachen und Wirksachen überhaupt nicht berücksichtigt ist. Und diese Gleichgültigkeit bildet durchaus bereits die Voraussetzung für den Übergang in die nächste Stufe, wir sind also immer noch in der ersten Zeile, wo es immer um die Frage der Lebenseinrichtung geht – MODern ist, sich mit Sachen einzurichten, mit Befriedigungssachen, mit Wirksachen… und dabei auf die Bedürfnisse nach einer bestimmten Art und Weise des Tuns dabei überhaupt nicht zu achten. Aber – warum wird es denn missachtet? Darum, weil der Lebensentwurf, der auch in Phasen zerlegte, also die momentane Phase des Lebensentwurfs im Rahmen der Lebensform die bedürfnis- und empfindungs-basierte Lebenseinrichtung von Tag zu Tag komplett überformt, vergewaltigt und in Dienst nimmt. Also das leibliche, auch die leiblichen Bedürfnisse, ob man da jetzt gut zurecht kommt oder nicht, ob man das von sich aus wollen würde – danach wird garnicht gefragt, sondern zur Not werden eben schon kompensatorische Bedürfnisse entwickelt und befriedigt, weil völlig klar ist, dass man die authentischen Bedürfnisse des Handelns, des Vollzugs, der Art des Vollzugs, von vorneherein nicht oder nur zufällig beachtet.
An der Stelle will ich schliessen. Der Stoff, über den ich die letzten zwei Monate nachgedacht habe, ist noch nicht vollständig vorgekommen, und ich schaue trotzdem schon voraus auf den nächsten Vortrag, und da, denke ich, sollte es darum gehen, wie sich jetzt die Aneignung dieser MODernen Lebensführung in den vorMODernen Rahmen, und sei es auch einer experimentell gedachten Optimalhypothese, speziell auch was die Vergesellschaftbarkeit angeht und deren OPP Steigerung – wie sich das ausnimmt und gestaltet und wie dann MODerne, also OPP gläubig angeeignete Formen von MODernität,überhaupt noch denkbar sein sollen,und welche fiktiven MODernismen, MODerne Lebensformen sich als unmittelbar nicht realisierbar erweisen. Es geht also nach wie vor drum, die gesamte 3×5 Felder-Matrix komplett zu füllen. Und ich hoffe, dass mir das in den nächsten Vorträgen zur MODerne auch gelingen wird. Bis dann.