Teil II



Vortrag 5a

1.
Jetzt haben wir also durch die Beschreibung der Entwicklung hin zur MODerne die beiden Entwicklungsrichtungen beisammen, die auch schon den Übergang in die Religion oder ins religiöse Denken bestimmt hatten, dh wir hatten
a) eine Entwicklung logischer oder begrifflicher kategorialer Strukturen, die zusammen den Entscheider ausmachen, auch seinem Selbstbewusstsein nach, und zum andern
b) eine Befreiungsbewegung, (warum das eine solche ist, muss man noch genauer sagen..) – sie ist ein sich von den religiösen Beschränkungen der Lebenseinrichtung und Lebenführung Befreien – und das dann für ein gelingendes Weltverhältnis halten.

2.
Diese beiden Elemente haben wir also ungefähr benannt… und jetzt wäre die Arbeitshypothese, dass analog zu den beiden Präzedenzfällen die weitere Entwicklung wieder durch die Vergesellschaftungsstufen hindurch führt in ein Scheitern (durch Rückbesinnung auf die Mängel des MODernen Weltverhältnisses), und dass das zugleich verbunden ist mit einer Lernerfahrung, die weitere fehlende Kategorien (die zunächst, in der Grundstufe, also dem 1.Standpunkt, noch nicht auffallen) offenlegt. Welche das sind, müssen wir jetzt herausfinden. Eine der wichtigsten Schwierigkeiten im Zusammenhang mit MODerne hätte auch schon erörtert werden können im Zusammenhang mit Religion, nur fällt sie dort nicht so auf, und es hätte uns aufgehalten, deshalb habe ich das bisher nicht so stark betont, nämlich: Dass eben der Normalfall des religiösen Denkens oder erst recht, jetzt, des modernen Denkens nicht deren genuine Form ist, sondern beide tauchen eigentlich fast nur auf in zurückgefallener Form, im wesentlichen also in gläubiger Form. Das heisst, wir haben es mit einer MODernität zu tun, die nach den ersten pionierhaften Entwicklungsschritten zurückfällt in ein religiöses Umfeld und dann mit diesem (unangemessenen) Rahmen zusammen in ein normalplanerisches, und in diesen Formen werden die vorbildlichen MODernen Lebensfomen der Pioniere der MODerne angeeignet, massenhaft kopiert und zu einer modernen Epochenkultur ausgestaltet, die schliesslich wegen der Gebahntheit der betreffenden Standpunkte, der modernen in dem Fall, es erlaubt, sich aus dieser Aneignungsform wieder herauszuarbeiten entlang eben den bekannten einfachen, aber schwer zu erledigenden oder absolvierenden Fortschritten, die die Pioniere der RELigions-Epoche oder der MODerne ihrerseits zurückgelegt hatten. Ich würde jetzt sagen, was immer ich jetzt schon beschreibe an Anschauungsformen, dass im Grunde genommen – soweit ein höherer Standpunkt eingenommen wird, ein 2. oder 3. der MODernität, das kommt jetzt vielleicht noch – dass das also alles nur in diesen gläubigen Formen angeeignet vorkommt. Was da passiert, das soll heute besprochen werden, es soll ein erster Überblick sein über die Entwicklung, die das moderne Denken unweigerlich durchmacht.

3.
Die Befreiung (s.o. b)) sieht so aus, dass man sich die Beschränkungen durch eine RELigiös motivierte Lebensform nicht mehr vorschreiben und gefallen lässt, die darin besteht, dass man sich bescheidet damit, mit Techniken, die verfügbar sind, eine zuverlässige Reproduktion zu gewährleisten, also sich tatsächlich zu erhalten, die Bedürfnisse zu befriedigen, die man im Rahmen dieser Lebensform hat, und das auch perfektioniert; aber alles weitere gewissermassen immerzu aufschiebt. Wenn man gläubig-RELigiös ist, wird man hier Fragen haben, wird man etwas Verwertbares aus seinem Glauben machen wollen, man wird ständig hinüberschauen, sobald etwas Weiterführendes in der eigenen Lebensführung und Erfahrungswelt passiert, und man wird nach Erklärungen verlangen, oder Sinnfragen stellen, das sind dann womöglich Glaubenskrisen, aber solche haben nur Leute, die tatsächlich mit ihrer religiösen Lebens- und Denkform schon wieder zurückgefallen sind in eine Rahmen-Denk-Umgebung, in der sie (bedingte) Erwartungen haben (meinen haben zu dürfen, müssen, können) und entsprechende Fragen stellen. Die Glaubenskrise ist dann das Sich-Vor/Zurückarbeiten in die Gewissheit, dass die allgemeinste Form der jeweiligen Stufe auf jeden Fall gewährleistet ist, etwa dass die Welt ein Kosmos ist oder einen Zweck hat oder in irgendeiner Weise man weiss nicht wie, aber man darf darauf bauen bis auf weiteres, sich vervollkommnen wird, oder einem Begriffssystem entspricht usw Sobald diese Gewissheiten (bis auf weiteres) in zureichender Abstraktheit erarbeitet sind, hört das Fragen auf – es ist der Zielpunkt aller Glaubenskrisen.

4.
Diese schöne Gewissheit, dass man sich um alles weitere nicht kümmern braucht, was über die unmittelbare Verbesserung der eigenen traditional-besonderen Lebensform (etwa ein Handwerk im Rahmen einer ständischen Gesellschaft) hinausführt, es erstmal beiseiteschieben kann, und dass man sich weder beunruhigen noch verführen lassen soll – die hat zur Folge, dass das RELigiös begründete Leben immer auch ein bisschen arm erscheint, vor allem arm an Erfahrungen. Trotzdem kann man von dort aus dann doch ganz vorsichtig in die Welt schauen – ob das jetzt das Abenteuerliche, das eben auch möglich ist im Rahmen einer traditionalen Lebensführung, mit einschliesst, kann offen bleiben…
((also wenn man zb als Marco Polo so eine Reise macht – immerhin eben auch nur entlang von ausgekundschafteten, längst von andern bereisten Gegenden – dann kann man jetzt mal dahingestellt sein lassen, ob der jetzt im Rahmen einer religiösen Lebensführung unterwegs war oder eben nur einer gläubigen, von Glaubenskrise ist jedenfalls nichts berichtet bei ihm – das geht uns jetzt auch nichts an. Sondern:))
Die Tatsache, dass in die REL-Lebensführung in der europäischen frühen Neuzeit (und vorher schon, ansatzweise, durch Kontakte mit dem Orient, ab den Kreuzzügen) eine Masse an neuen Technologien hereinprasselt und sie überschüttet wird mit Möglichkeiten, sowohl des Könnens als auch des Etwas-Seins, etwas-Tuns,etwas-Wollens – das reicht aus, um sie in gewissem Sinn entgleisen zu lassen, spätestens wenn tatsächlich diese Arbeit oder das Resultat dieser Arbeit durch die Entscheiderstufen hindurch hinzukommt. Schauen wir ans Ende dieser „Entgleisungs“-Bewegung – was ist dort dann eigentlich passiert? – Sie kommen auf jeden Fall als „Entscheider“ heraus – sie fertigen ab da aus dem Erfahrungsmaterial, mit dem sie konfrontiert sind, ihre Hypothesen selbst – sowohl über ihr KS als auch das RU, sie bilden ihre Begriffe… (vgl. 4e/f)

5.
Übrigens hier vielleicht noch die Feinheit zu vermerken, dass die Stufung und die Stufen 3, 4, 5 der REL-Spalte – selbst wenn sich das im Rahmen der Reflexion eines einsam philosophierenden Subjekts abspielt – sich durchaus in der Philosophiegeschichte auffinden lassen – dass also zunächst die Hypothesen die letzte Stufe bilden..und dann geht die Analyse nochmal darüberhinaus, und dann gibt es ein Bewusstsein davon, dass den Hypothesen Begriffe vorgelagert sind. Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass man in der Philosophie über Begriffe redet, natürlich haben auch religiöse Philosophen darüber geredet, aber hier geht es eben um Erfahrungsverarbeitung („Erkenntnistheorie“, die ewigen Betrachtungen über Subjekt/Objekt-Beziehungen..).. und es ist tatsächlich eine eigene Stufe, die da absolviert wird (nämlich die 4.REL). Und wenn sie absolviert ist, hatte ich gesagt, steht da am Ende (5.REL) eine ganz grosse Frage, nämlich: Wenn da jetzt sämtliche Möglichkeiten zu einer Optimalhypothesenbildung verschwunden und quasi aufgebraucht sind – wenn man tatsächlich dasteht und sich sagen muss: Die Trennung in meiner Hypothesen- und Begriffsbildung, in Subjekt- und Objekt-Bezogenes, ist nicht aufzuheben mit einem Gedanken, der da sagt, am Ende weist die präsente Welt eine Transzendenz auf, die alles ZUGLEICH erklärt UND letztlich (wie eine Ideal-Praxis, Dauer-Schöpfung) sinnvoll erscheinen lässt, darin darf ich mich (mitsamt einem Freiraum für mein eignes Handeln) aufgehoben fühlen – so darf ich es mir bis auf (unbestimmt) weiteres denken – ab jetzt darf ich es eben nicht mehr denken, und stehe also gewissermassen an einem Aussichtspunkt, den man früher hatte, und sehe nichts mehr – WAS DANN?

6.
Stattdessen ist hier die Position, die man sich erarbeitet hat als Entscheider auf der REL-Stufe 5 die, dass man dieses WARUM und das WOZU selber zusammenbringen muss – wobei man eben genau weiss, dass man dafür noch keine Regel hat – das ist der entscheidende Punkt. Also das Fehlen einer solchen Regel, wenn man es der Welt nicht mehr unterschieben kann, so dass es sich dort schon in irgendeiner Weise, unbestimmt wie, aber man nimmt es an, alles übergreifend, alles Kleine, Eigne hier unten bereits einbegreifend und zum Besten lenkend unnd regulierend, sondern man selber die Verantwortung dafür trägt – das Fehlen einer solchen Regel wird jetzt also auf einmal sichtbar. Das Zusammenbringen oder das Finden einer Regel, wie man das WOZU und das WARUM zusammenbringt, also das, was in der Welt Objekte reguliert und Regularitäten bildet und damit Kategorien und Begriffe einerseits, und das, was letzte Zwecke hinter allen Plänen usw begründet und natürlich auch einen selber ausmacht als Zweckträger – wie man das in irgendeiner Weise für alle Fälle zusammenbringen müsste – das zu sagen stellt sich dar als Aufgabe; und die Aufgabe wird natürlich – oder dieses Offensein der Zusammenfügbarkeit – wird angewendet auch auf die Entscheidungssituationen, in und mit denen jetzt sich MODernisierende Individuen sich durch die früh-neuzeitlichen Erfahrungs- und mehr als das, Technik-, Lebensform-Massen, hindurchbewegen, um aus ihnen sich prekäre Alltage zusammenzustellen, und vor allen Dingen finden da jetzt zwei Operationen statt, durch die Massierung von Inhalten, also Materien, Materialien: Es findet einmal die Anwendung des Bedingungssatzes nach der objektiven Seite hin statt, man sucht nach Bedingungen dessen, was man schon kann, man erweitert also die Techniken, die vorzufinden sind, man systematisiert sie, man sucht eben auch nach den Erklärungen, und nicht alles, muss man dazusagen, ist überhaupt Technik, nicht alles erlaubt uns Kontrolle, sondern einiges ist auch Prognostik, das heisst also, hier gibt es auch eine Masse an hereindrängenden neuen praktischen Regeln, die erstmal erklärt werden wollen, sodass man sagen kann: Von der Technik geht es unmittelbar weiter in die Wissenschaft hinein, der man sich nun auch tatsächlich überlässt, denn es gibt diese Beschränkung nicht mehr – die Beschränkung, dass man das gewissermassen alles der Welt, in und hinter ihr liegend, zuschreibt, und für eine spätere Offenbarung aufschiebt – diese Beschränkung gibt es nicht mehr, und das ist nun genau die Sprengung der Fesseln, man könnte auch sagen der Bindungen, (Religion=Bindung), die einen an dieser Lebensführung haben festhalten lassen – man sieht sich nicht mehr gebunden und gefesselt, sondern wirft sich diesen Materien hemmungslos entgegen und forscht – es gibt also nun Forscher, die Wissenschaft explodiert, und liefert dadurch natürlich nochmal neue Techniken, die ihrerseits dazu auffordern, in irgendeiner Weise verwertet zu werden… Man kann etwas tun, man kann etwas produzieren, man kann Märkte finden dafür, und die Art und Weise, wie da eine Gesellschaft in einen Fortschrittstaumel gerät, wirft natürlich Fragen auf für die Einzelnen, die sich da jetzt betätigen müssen in einer Weise, die nicht mehr von langer Hand eingeübt ist und erprobt, sondern ständig neue Herausforderungen mit sich bringt, und die vor allen Dingen auch mit Vereinseitigungen einhergeht, die nach Kompensation verlangen. Das lässt dann das Sinnsuchen und Verlangen nach nochmal was Anderem, als man in seinem Forschen, Erfinden, Produzieren erlebt, stärker in den Blick geraten, und das ist dann die Kehrseite der Wissenschaft, eine zu dieser analoge Ausfaltung, aber aufseiten der Lebensführung und des Kernselbst, da sind also nun tatsächlich ästhetische Bedürfnisse, Bedürfnisse nach Ausnahmerfahrungen, die es möglich machen, die Vereinseitigung als Produzent von immer Gleichem. oder andre Beschränkungen, die damit für einen verbunden sind (als Handelsmensch, als Kaufmann, oder als Techniker oder Wissenschaftler), die eben auch der Lebensführung auferlegt werden, zumindest in Teilen des Tages zu überschreiten – mithilfe von Kunsterlebnissen, Reisen, vor allen Dingen aber auch in Gestalt von visionären Entwürfen, wie man das bestehende Ganze noch weiter ausweiten könnte, und was für Bedürfnisse man also durchaus entwickeln könnte, nicht nur kompensatorische, sondern als Antwort auf die Frage, wohin diese Fortschrittsentwicklung eigentlich sich noch ausdehnen könnte.

7.
Wenn ich das hier gerade als etwas ziemlich Überschwengliches beschreibe, dann wäre dieser Überschwang natürlich mit der experimentellen Grundeinstellung, die die beiden nach-normalplanerischen Weltverhältnisse ausmacht, nicht vereinbar. Das könnte man so erklären:
Zunächst kommt die Modernität vielleicht noch vor (in einer Generation oder zwei) in asketischen Formen, das wären dann etwa RELigiöse, wo die Konzentration auf die Wissenschaft und die auf eine technische Entwicklung in ihrer Schlichtheit und zugleich Ausschliesslichkeit einer RELigiösen Lebenseinrichtung entsprechen, und das in der unbestimmten Erwartung, dass die jeweilige Tätigkeit zu unbestimmt weit reichenden Konsequenzen führen könnte, weil es inzwischen zwar eine EIGENE Tätigkeit ist (und nicht mehr eine in oder versteckt, hinter der Welt und als ausserhalb seiner Selbst stattfindend unterstellte Ideal-Praxis, als Glaubensvorstellung), aber das weitreichende Gelingen, zu dem man meint, an seinem Platz als solch RELigiös-MODerner Wissenschaftler, Techniker, Literat, Produzent usw beitragen zu können – dies weitreichende Gelingen unterstellt dazu passende Personen und Biografien, Individualitäten usw, die es zustandebringen (unbestimmt wie, aber bis auf weiteres ist es anzunehmen); religiöse Formen dieser Unterstellung sind „wieder“ entgrenzt, lassen es unbestimmt, wie weit man noch kommen kann, und bedienen sich immer noch bzw wieder derselben Logik, wie sie auch schon im RELigiösen Weltverhältnis am Werk war, nämlich: dass Subjektives, Entscheider-mässiges bei Menschen und Personen möglich ist als Steigerung dessen, was alltäglich allenfalls gekonnt wird, eine Steigerung die unbestimmt wie aber doch als zu maximal weit reichenden Folgen führend gedacht wird (Begabte, Genies, werden rechtzeitig, da wenn nötig BESCHLEUNIGT Lösungen finden für alle Probleme, oder auch: „wir“, als herausragend befähigte Gruppe, Fach-Disziplin usw).
Diese Überschätzung (und womöglich daran anknüpfende Erwartung) lässt sich natürlich in all diesen kulturell erschlossenen Wertsphären der Wissenschaft, Technik, Produktion und der Ästhetik- oder Visionsproduktion so finden. Daneben aber kommt auch die asketische Form vor: Man ist nichts als abgeklärt-experimenteller, bescheidener Diener seiner jeweiligen Wertsphäre. Wenn das dann tatsächlich nochmal zurückfällt in eine kognitive Umgebung mit Normalerwartungen, dann verbindet es sich auch schon mit Überschwang, also dem eingangs beschriebenen Überschwang und Optimismus und Jubel, was man da alles erreichen wird in kürzester Zeit, und mit dem ganzen Enthusiasmus, mit dem man sich da in eine dieser Wertsphären hineinwirft.

8.
Aber mit welcher Einstellung auch immer: Man kommt, experimentell oder enthusiastisch, nicht darum herum, dass man sich eine prekäre Lebenseinrichtung zusammenstellen muss, denn man muss es ja doch irgendwie leisten als Person, was ansteht, und man muss sich dafür auch etwas Sachlich-Sachgerechtes aneignen, muss auf Material zugreifen, das man sinnvoll bearbeitet. Als Wissenschaftler etwa muss man natürlich den Stand der Wissenschaft kennen, und wenn man tatsächlich so ein frühmoderner Enthusiast ist, dann belässt man es nicht dabei, sondern wenn man da etwas entdeckt hat, macht man daraus möglicherweise eine Technologie, man wird Erfinder, ist nicht nur Entdecker, sondern macht etwas draus, oder arbeitet mit den Leuten zusammen, die das tun, und dann gründet man vielleicht noch ein Unternehmen, das daraus eine reguläre Produktion macht, und die Dinge vertreibt, und daran kann man vielleicht sogar etwas knüpfen, was einen Ausblick bietet auf mögliche Weiterungen, und vielleicht nochmal zurückgehen und die Produktion ändern, oder wenigstens Anforderungen definieren für die Weiterentwicklung dieser Technik. Also das wären mögliche frühmoderne Lebensläufe, die noch zwischen den Wertsphären, Wissenschaft, Technik, Produktion Ästhetik/Vision hin und her wechseln, und in verschiedenen Lebensphasen es tatsächlich schaffen, ganz verschiednes, aber dabei immer produktiv zu sein, als Unternehmer oder Organisator, Wissenschaftler, Techniker/Erfinder, Visionär/Künstler usw Für all das gibt es ja nun die bekannten ikonenhaften Vorbilder, die Künstler der Renaissance (vielleicht waren sie das garnicht wirklich, aber die Frühmoderne hat sich das ausgemalt und vorgenommen, also eine faustische Ungeduld und Unbegrenztheit, mit der man sich da in die Materien, Aufgabenstellungen und Möglichkeiten hineinwirft und sich immer wieder neu prekäre, mehr oder weniger kurze Lebenssituationen und Episoden zusammenzimmert, die einen jeweils kreativ und produktiv sein lassen im Sinne der jeweiligen Wertsphäre.)

9.
Und wenn das nun tatsächlich hinreichend viele Leute machen, und sich da wechselseitig die Materien durch Öffentlichmachen, durch Mitteilungen, durch Vervielfältigungen, Drucken natürlich auch, zugänglich machen, dann entsteht eine Materialschwemme, die diejenige am Anfang der ganzen historischen Bewegung schnell um Grössenordnungen übertrifft. Ich hatte ja mal angespielt auf die Sammlung des schon existierenden – gemeint war natürlich die Enzyklopädie, das war die Sammlung vor allem sämtlicher verfügbarer vormoderner Technologien, von Erkenntnissen und Kenntnissen, die der Öffentlichkeit nun so zugänglich gemacht wurden, und das waren immerhin schon viele dicke Bände, in denen geballtes Wissen zugänglich war, das als solches natürlich nicht mehr in einen Kopf hineinpasste, aber immerhin konnte man es nachschlagen. Es kommt da natürlich in Gestalt von Journalen und Veröffentlichungen aller Art unglaublich viel weiteres Wissen zusammen, zum Teil wurde es auch schon wieder geheimgehalten, weil die Leute damit natürlich auch Geld verdienen wollten, aber alles kam irgendwann raus, vor allem in der Wissenschaft, und die Erfinder machten ihre Erfindung schnell zu Geld, sodass dann andre daran anknüpfen konnten, und was das alles zusammen immer wieder ermöglicht, darüber denken Leute natürlich auch nach, stellen entsprechende Geschichten zur Verfügung, teils kompensatorischer Art, teils eben auch visionärer utopischer Art (diese Sphäre hat wahrscheinlich sehr stark diese beiden Charaktere, Vision und ästhetische Kompensation) – was ich sagen will, ist: Das Material wird in ein oder zwei Generationen bereits uferlos. Das ist ein ganz wichtiger Kritikpunkt, und das bedeutet auch, dass natürlich die Spezialisierung nun ganz andere Ausmasse annimmt, es gehört schon einiges dazu an Studium, an Kenntniserwerb, am Erwerb von Fähigkeiten, aber auch an Investitionen, in Labore, Geräte, Produktionsmittel usw, um überhaupt auf den Stand etwa der Wissenschaft zu kommen, oder der Technik, oder der Reproduktion. Oder es gehört Literaturkenntnis, und Kenntnis der Methoden der Kunstgattung, in der man sich betätigt, dazu, und man kann also nicht mehr so einfach die Sphärengrenzen überschreiten wie die frühmodernen Enthusiasten und Abenteurer und Universalgenies, diese faustischen Menschen, die alles mögliche sein konnten in ihrem Leben, womöglich mehrmals wiederholt Unternehmer Wissenschaftler Techniker waren usw Sondern jetzt ist wieder Askese erfordert, aber eine erzwungene, nicht die durch die allgemeine Lebenseinstellung gewählte und geformte Lebensführung, sondern sie ist erzwungen durch die kulturelle Entwicklung, in die man eingebunden ist, und durch die bereits Spezialisierung erzwungen wird, um überhaupt in einer Disziplin, in einer Wertsphäre, produktiv sein zu können. Und bald ist man endgültig festgelegt auf eine dieser Wertsphären und kann nicht mehr ohne weiteres aus ihr heraus: Man ist EXPERTE, Spezialist.

10.
Das heisst natürlich auch, dass man von anderem ausgeschlossen ist, und die Verpflichtung zugleich hat, die in den Wertsphären gedachte Zusammenfügung, die die MODerne Aufgabenstellung grundsätzlich ausmacht, tatsächlich zu realisieren, und das ist die, dass man das Material, das man sich sucht, als Wissenschaftler in der noch unerforschten Natur und Realität, nach der einen Seite, als Künstler und Visionär in der unerschlossenen Welt der möglichen (sinnvoll-interessanten) Erfahrungen die man machen könnte, der Sinn-Erfüllungen, nach der andern Seite – dass man also das von diesen Seiten Herkommende zusammenführt, also die Sinn-Erfüllungen mit einem aktuellen Bedürfnis-Material, was von dieser Seite her an die ästhetische Sphäre herangetragen wird, und umgekehrt, das Wissbare überhaupt, dem man sich zuwenden könnte, verbindet mit einem Interesse an ihm. Also es soll interessant sein, aber möglichst auch technisch und überhaupt „Sinn-machend“ verwertbar. Und diese Aufgabe stellt sich in jeder einzelnen Wertsphäre – die beiden aussen gelegenen Wertsphären, Wissenschaft und Ästhetik/Vision, haben Berührung mit dem unerschlossenen Material: nach der einen Seite hin die Wissenschaft mit dem Sachmaterial, dem objektiven, Ästhetik/Vision nach der andern Seite hin mit dem subjektiven Bedürfnis-Befriedigungs- und Sinn-Mach-Material. Die beiden mittleren, Technik und ReProduktion haben jeweils Anschluss an die Nachbarsphären, also die Produktion bekommt ihr Sachmaterial von der Technik geliefert, und muss es zusammenfügen mit einer von der Ästhetik entworfenen Sinn-Möglichkeit, einem Zweck, dem Fragment eines Sinn machenden modernen Lebens (womöglich vervielfältigt, oder angemessen abgewandelt, ins Leben vieler Einzelner einfügbar) – das kann natürlich auch eine vervielfältigte Technologie sein, ein Können, aus dem man mehr machen kann, aber es kann auch ein Konsumartikel (aus der Produktionssphäre) sein, je nachdem. Die Technik wiederum greift auf die Wissenschaft zu, und sucht in dem angehäuften Material an Regularitäten, die schon erforscht sind, nach solchen, die mit vorhandenen Arbeitsfähigkeiten, Arbeitskräften oder vorhandenen Technologien bearbeitet werden können, in diese Technologien eingebaut werden können, und dann nach der Verwertungssphäre abgegeben werden können. Daneben sucht sie – da, wo aktiv eigreifende Kontrolle noch nicht möglich ist – nach „Prognostiken“, zuverlässigen Test- und Vorhersage-Möglichkeiten. – So hat also jeder dieser Experten eine Materialaufgabe zu erfüllen, er muss nach Material suchen, muss sich diesem Material zuwenden, und er hat auf der andern Seite eine im weitesten Sinne wie indirekt auch immer ihm angetragene Sinn-Erfüllungs-Aufgabe; und das beides muss er zusammenstellen – sein Erfolg sähe so aus, dass er IN seiner Wertsphäre eine solche Zusammenstellung erfolgreich bewerkstelligt, und das dann weitergibt, entweder abwärts an die andern beteiligten Experten, die darauf warten, dass man ihnen da etwas zur Verfügung stellt für ihre Lebenseinrichtung (oder ‚aufwärts‘ als Material für weitere Verwertung). Es sind ja alle arbeitsteilig zumindest entlang der Wertsphärengrenzen voneinander getrennt, zunehmend aber auch von den andern Experten der eigenen Wertsphäre, die machen ja alle etwas ganz anderes, das man überhaupt nicht mehr überblickt, und so beliefern alle einander mit dem, was für diese Expertenexistenz nötig ist, um an der in dieser Generation, auf dem erreichten Stand, entwickelten modernen Lebensform teilzuhaben als Experte – also auch konsumtiv an den anderen Wertsphären zu haben, was ja da nicht mehr selbstverständlich ist. Also anders als in der idealistischen und optimistischen Frühphase, die später, andeutungsweise, vielleicht gerade mal von Jugendlichen (privilegierten zumindest) erlebt werden kann, wo man quer durch die Wertsphären geturnt und getobt ist, als produktives Genie, oder wenigstens nachvollziehend teilhabender Konsument (zumindest ist das eine Figur, die man im Rückblick sich so konstruiert) – als ein und derselbe Einzelne produktiv sein konnte in allen Bereichen – anders als da muss einem das nun geliefert werden; und das heisst auch, dass da ein ganz entscheidender Schritt gemacht ist von seiten dieser Experten – die müssen jetzt garnicht mehr religiös asketisch sein (das gibt es alles immer auch noch), aber ich hatte vorhin schon gesagt, die Askese ist allein schon durch die Anhäufung des Materials erzwungen, und nebenbei gesagt, wir sind jetzt auch schon hinaus über die Stufe der Lebenseinrichtung, wo man nicht drauf achtet, was man eigentlich leisten kann in einem Leben (so wie es später allenfalls noch Jugendliche tun)…

11.
…Sondern wir haben es zu tun mit Leuten, die sich auf eine Sphäre festlegen für ein Leben lang, und deswegen sind wir schon im 2.MOD-Stp angelangt, also in dem Zeithorizont jetzt, der diese ganzen Lebensführungspraktiken als eingerichtete, funktionierende voraussetzt, und was ich beschreibe, dass die Experten der verschiedenen Sphären denen in den anderen Sphären zuliefern, hat natürlich sehr viel zu tun mit Arbeitsteilung, innerhalb der Sphäre und zwischen ihnen. Und jetzt komme ich auf den Punkt von gerade eben zurück: da ist etwas ganz wichtiges passiert, nämlich: an der Produktion einer Wertsphäre selbst teilzuhaben, ist nicht mehr entscheidend, das heisst: In meiner eigenen Sphäre als Wissenschaftler Techniker Betriebsangehöriger Künstler/Visionär produziere ich, und vollziehe das, was in einem Gut, einer Errungenschaft mündet, die ja genau diese beiden Seiten hat, die materiale Seite und die Sinnseite… Aber diese Güter gebe ich dann ab an andere, die eben nicht mehr produzieren, sondern das Gut konsumieren, und seie es auch „produktiv konsumieren“, es weiter bearbeiten, nutzen, und verarbeiten. Natürlich gab es Produzieren und Konsumieren zwischen arbeitsteiligen Sphären in der Ständegesellschaft auch schon, Handwerker oder Bauern haben andern solchen was geliefert, was die dann nutzen konnten und nicht selbst hergestellt haben; aber hier geht es eben um eine verkürzte Form des Lebens mit einem solchen Gebilde, es ist ja immerhin ein Sinnfragment, das damit verbunden ist, und die Teilhabe der „Konsumenten“ an der sinn-erfüllenden und zum Umgang mit Material befähigenden Lebensmöglichkeit, die der Produzient hat, ist verkürzt. Das heisst, indem ich „veräusserbare“ Resultate fremder Lebenstätigkeit konsumiere und mich damit zufriedengebe, habe ich das eigentliche, den ERWERB dessen, was wirklich zu der Erfahrungsverarbeitung im Leben gehört, zum Lebensvollzug, aus meinem Leben ausgeschlossen,. Und jetzt kann man einen ersten Unterschied festhalten, denn genuin modernen Menschen würde dieser Ausschluss unmöglich erscheinen. Ihnen erscheint bereits der Ausschluss von dem sich anhäufenden Wissen als Skandal – dass sie sich da gewissermassen eigene schmale Pfade durch einen Dschungel an Lebens-, Erfahrungs- und Wissensmöglichkeiten schlagen sollen, ist für genuin moderne Menschen undenkbar. Modernität stösst aus ihrer Sicht schon da, kaum dass sie begonnen hat (oder im Bildungsprozess aneignend nachvollzogen wird), schon als Projekt und Programm an eine Grenze, die unüberwindbar ist und für sie krisenhaft ein fundamentales Problem aufwirft: Dass gesagt wird, bis auf weiteres (das war die Optimalhypothese) macht das nichts, dass wir da keine Regel haben, wie wir eigentlich Wissen, Erfahrung, die da ständig hereinfliesst, übersetzen in eine gestaltete Lebensführung, unter einem Lebensentwurf – das ist hiermit vielmehr infragegestellt – es stimmt nicht, dass wir dafür keine Regel habenn, macht einen enrtscheidenden Unterschied. Also der Mangel, das Ausbleiben einer Regel des Zusammenstellens von ‚hereinkommendem Erfahrungsmaterial‘ einerseits, und ‚Sinn daraus machen‘, andererseits, die Aufgabe die da durch das Wegfallen der metaphyischen Garantien gestellt war – wenn bzw dass diese Aufgabe nicht mehr erfüllbar ist, wäre bzw IST für genuin, also experimentell-MODerne Menschen Anlass, den Vorgang abzubrechen.

12.
Nicht so natürlich für allein schon RELigiös-MODerne, weil die ja ein unbestimmt-optimales Vergesellschaftungsprinzip haben, und das besagt, wenn ihr euch erinnert: Jeder produziert an seinem Platz, und was dann jeweils fehlt, das wird ihm schon irgendwoher gegeben werden, und es wird sich aus dem Spezialisiereneines jeden an seinem Platz (das war bereits die 2.Stufe) irgendwie ein Plan ergeben – dass man überhaupt glaubt, Wissen so verwalten zu können: wenn man sich für etwas interessiert oder es benötigt, wird es einem schon von irgendwoher zufliegen – diese Gleichgültigkeit gegen die Trennung von produktivem Leben und konsumtivem und anschliessend vermehrtem solchem, es stattdessen gleichzusetzen („Hauptsache, das Produkt existiert, und wird irgendwo erzeugt“) – diese Gleichgültigkeit ist schon Ausdruck einer RELigiösen Degeneration des modernen Lebensansatzes, und der modernen Zielsetzung, und das wird noch gesteigert durch den zweiten RELigösen Vergesellschaftungs-Standpunkt: Jeder an seinem Platz, all die vielen Experten – macht nichts, dass die zusammenwirken, dieses unermüdliche sich Material Greifen, es dem „Sphärensinn“ entsprechend bearbeiten und dann in irgendeiner unbestimmten Weise „veröffentlichen“ – das wird schon seinen Sinn haben, der gesellschaftliche Plan dabei ergibt sich von selbst. Wenn das die Haltung ist, dann kann sie auch und erst recht ausgelebt werden mit der ERWARTUNG, dass es so ist (und nicht, dass es experimentell bis auf weiteres, als best-denkbares, bis zur Widerlegung angenommen werden sollte), das heisst, man baut tatsächlich sein Leben darauf auf, dass das alles Sinn macht, und dann hat man überhaupt kein Problem damit, es ist alsbald einfach die funktionierende Normalität geworden, in die zahllose Nachkommende hineinwachsen. Dass es also überhaupt zu so etwas kommt wie einem modern-gefärbten Leben, nicht nur einer vorübergehenden Lebenssituation oder -episode, die ständig wechselt, sondern dass man sich tatsächlich festlegt auf eine Expertenexistenz, und sich dabei auch noch womöglich vergesellschaftet glaubt, mit diesen ganzen Zulieferungen, die man bekommt, und glaubt tatsächlich befriedigt zu sein – das setzt alles schon eine degenerierte Modernität voraus – eine gläubig degenerierte Modernität.

13.
Und dabei bleibt es nicht, sondern das, was wir da eben bei der RELigiösen Modernität gesehen hatten – also dass bis auf weiteres anzunehmen ist, dass sich aus den bewusst arbeitsteilig unternommenen Einzelproduktionen schon ein Plan ergeben wird, das wird nun gläubig, durch eine normalplanerische Erweiterung der Experten-Vergesellschaftung überboten, und das heisst: Man kann sich sogar noch vorstellen, ein lebensübergreifendes modernes Projekt zu verfolgen, da hatten wir ja dann schon den Staat in den Blick genommen, also der Fortschritt wird politisch verwaltet, so wie er nebenbei auch schon vorher marktmässig verwaltet wurde, aber das sind jetzt Komplikationen, die wir erstmal noch weglassen, denn: Es geht hier um die Bedingungen der Möglichkeit einer Expertenexistenz überhaupt – die Frage stellt sich nicht nur, wie es sich anfühlt, wenn man immer mehr Material hat, sondern sehr bald, ob die Experten überhaupt noch zugreifen können auf das im Übermass zuströmende, für sie relevante Material – obsie den Materialfluss überhaupt noch beherrschen (ob sie noch halbwegs im Blick haben, was allein schon die andern Experten derselben Sphäre tun). Die Experten machen aus Material unentwegt etwas, sie sind in ihre Sphäre versunken und achten nicht mehr darauf, dass sie ja tatsächlich den andern etwas Verwertbares liefern müssen, und dass das allein schon in ihrer Wertsphäre, an anderer Stelle, hervorquellende Material von ihnen eigentlich sofort mitverwertet, mit berücksichtigt werden müsste. Es erweist sich, dass ihre Expertenborniertheit nicht mehr haltbar ist, sondern man macht die Erfahrung (für solch eine Einsicht muss man freilich ein solches Expertenleben schon absolviert haben), dass das ganze noch mehr diszipliniert werden muss, dass nämlich die Stoff-Verwaltung nicht mehr von jedem arbeitenden Experten mitübernommen werden kann, sondern dass sie tatsächlich entweder arbeitsteilig oder als Teil der Professionalisierung der Experten mit in ihre Existenz eingebaut werden muss. Und da gibt es nun charakteristische Änderungen in dem Anforderungsprofil an die Experten, die es begründen zu sagen, sie gleichen sich den Experten oder Spezialisten einer andern Wertsphäre immer mehr an, und das lässt sich ungefähr so beschreiben:
– Die Wissenschaft wird immer mehr ausgestattet mit Technologie, so wie es sonst eigentlich nur der Produzentenalltag war, die Unternehmen und Produzenten haben ja schon immer auf Technologie zugreifen müssen – also die Technik hält jetzt Einzug in die Wissenschaft, und die Wissenschaftler entwickeln Produzenten-Eigenschaften – die Technik liefert jetzt gewissermassen nach zwei Seiten, und die Wissenschaft wird in dem Sinn technisiert und verfahrens-routiniert- aber jetzt nicht als Kausal-Regularitäten-Lieferantin für die Technik-Entwicklung, sondern als ihrerseits Technik-Verwenderin, so wie man es bisher immer nur bei den Produzenten hatte.
– Umgekehrt, die Produzenten (1), die Menschen, die da als Vervielfältiger, als Reproduzierer von Gegenständen für den Rest der Mannschaft arbeiten – die unterliegen einer zunehmenden Beaufsichtigung, das kann erstmal auch die Form annehmen der arbeits-medizinischen Begutachtung oder überhaupt der medizinischen Begutachtung ihrer Produzententätigkeit, in der man sich eben nicht einfach beliebig nach seinen Bedürfnissen mehr einrichtet, sondern nach Gesichtspunkten des Gesundheitsschutzes, und sich den Expertenurteilen darüber der Wissenschaftler und der Mediziner fügen muss, Urteile wie man sein Leben zu gestalten hat, derart dass Leistungsfähigkeit optimal erhalten bleibt.
Anm. Über die Rolle von Prognostiken neben Techniken, in der Produktion

14.
Und das macht aus Spezialisten Professionelle – professionell Tätige, die sich diesen weitergehenden Anforderungen fügen, bei denen sie nicht mehr selbstgenügsam in ihrer Sphäre werkeln, und vor allen Dingen den Stofffluss garnicht mehr im Blick haben, sondern genau um dazu befähigt zu sein, müssen sie sich diese Tugenden und Errungenschaften der übernächsten Wertsphäre zulegen, Wissenschaft wird also nun ein Stück weit mit Eigenschaften ausgestattet, die bis dahin mehr in der Produzentensphäre zu finden waren, weil Forschung zunehmend mit Routinetätigkeiten Ergebnisse produzieren muss, viele Schritte tun muss, die nur Wiederholungen darstellen, geringfügige Abwechslungen mit sich bringen. Umgekehrt wird die Produzenten- oder Alltagssphäre mit Wissenschaft aufgeladen, mit Ratschlägen und diätetischen Vorschriften, Arbeitschutz usw Und das soll sie befähigen, das ist zumindest die Absicht dabei, diese ständig weiter beschleunigte, in jedem Fall aber weiter fliessende Materiemasse an immer neuen Techniken usw oder der Produktion von immer neuem Wissen, das nachfliesst, zu bewältigen. Wenn Wissenschaftler weiter sich immerzu bloss dem Interessanten zuwenden und die mittlerweile erreichte Vielfalt an Untersuchungsmethoden nicht beherrschen würden, dann wäre das extrem schlecht, denn dann würden nämlich sie der Anforderung, dieses Nachfliessen ständig aufrechtzuerhalten, nicht mehr gerecht werden.
– Die Technik (1), die dazwischen steht, und sich für beide Seiten nützlich macht, geht nun völlig in dieser Aufgabenstellung auf: Sie beliefert BEIDE Seiten mit Problemlösungen, die sich aus genau dieser Notwendigkeit der Bewältigung viel weitergehender Materieflüsse ergeben.
– Von den Visionären gilt das gleiche, dass nämlich die Routine- oder die bloss Problemlösungs-Seite der Technik ergänzt wird durch eine utopische. Also die Ästhetik beliefert zwar immer mehr auch Einzelalltage mit dem, was genau dort hineinpasst, die Erlebens-Genres werden immer virtuoser bedient, und die kompensatorischen Erfahrungsbedürfnisse werden ihrerseits von Professionellen bedient, die nicht mehr ‚irreguläre‘ Erfahrungen andern zugänglich machen, und dem Genre überhaupt erst einmal zuführen, sondern dieser ganze Prozess hat etwas technisches. Man könnte somit sagen: Diese ganze Sphäre wird professionalisiert, indem sie technisiert wird, der Technik immer mehr angenähert wird, und das heisst natürlich auch, dass man Kenntnisse hat über Bedürfnisse, die da in der Bevölkerung, in der Produzentenschaft, an den andern Professionellen vorkommen, und über das, was da eigentlich erfordert ist, und arbeitet darauf zu. Und umgekehrt hat nicht nur dadurch, sondern überhaupt
– die Technik (2) einen utopischen Zug, der vor allen Dingen sich ergibt aus den Nöten und Leiden derer, die da Alltage als alles mögliche, als Wissenschaftler, als Techniker, die dem zuarbeiten, zu absolvieren haben – Nöte die sich daraus ergeben, verlangen nach utopischen Lösungen. Und deswegen bekommt ein Teil der Technikentwicklung denselben Charakter wie das vormals Ästhetischen, nämlich nicht mehr bloss des Wünsche illustrierend-imaginären (wie in der ästhetischen Sphäre), sondern des realen Lösens von Aufgaben, die sich aus Belastungssituationen ergeben. Da bekommt die Technik also, wie man sagen könnte, ein Doppelgesicht (Technik (1) vs Technik (2)), und arbeitet solchen utopisch fortgeschrittenen Alltagen/Produzenten (2)/Produktionen zu nach der einen Seite hin (2), und nach der andern Seite (1) hat sie ein graues, ein Alltagsgesicht, und arbeitet eben den Routiniers in Produktion und Wissenschaft zu, und liefert denen die Problemlösungen und gleichzeitig die Vorstellungen, wie sie ihre produktiven Aufgaben lösen können.

15.
Die verschiedenen Sphären mit „Professionellen“ sind mittlerweile fünf; speziell die Produzenten stehen ihrerseits quasi mit einem Fuss AUCH im Vollzug und im Aufbau der fortschrittlichen Utopie-Realisierungen, die die utopische Technologie erarbeitet, sodass auch sie, wie angedeutet, den Doppelcharakter aufweisen und sich aufspalten, das wären dann schon sechs Sphären von „Berufstätigen“, die in den verschiedenen Abteilungen dieses „professionell organisierten“ Materie-Fluss-Bewältigungs-Apparats arbeiten. Aber – was machen sie da? – mit was füllen sie diesen Zeithorizont, was ist ihr biografien-übergreifenden Projekt? Dieses: Sie haben ein Fortschritts-Programm, sie drehen eine Fortschrittsspirale, die sich in das unbekannte Material des mit den menschlichen Möglichkeiten Bewältigbaren einerseits hineindreht, und andererseits aus den nachfliessenden Materien, die man da erschliesst, immerzu weiter etwas Bewältigbares, Utopisches macht. Wobei sehr bald dieser Fortschrittsprozess, also dieses wieder und wieder aus einem grauen Alltag einen immer besser bewältigbaren Machen, die Form annimmt, dass die Technologie, die utopische, von morgen, die Probleme löst, die die Realisierung der Technik von gestern aufwirft. Also das heisst, das wird zum rasenden Stillstand, wo man noch sagen kann, der Anblick, das Erleben, des Fortschreitens der Gesamtgesellschaft, muss diesen Leuten ja genügen, also dass sie den Fortschritt immerzu begrenzt finden durch ihre Lebensspanne, und jetzt eigentlich nur noch „die Gesellschaften“ Träger der Erfahrung sind, und garnicht mehr die Leute selber. DAS genau würden jetzt tatsächlich Leute, die im religiösen Rahmen modern sind, spüren: Dass sie jetzt auch noch vom konsumtiven Erleben der Fortschritte ausgeschlossen sind, wäre für sie nicht mehr hinnehmbar. Aber für die normalplanerisch-gläubig Professionellen ist das ein Punkt, die können allein dadurch, dass das ihre Normalität ist, sich ohne weiteres damit abfinden, und den Gedanken, dass das zunehmende Wissen nicht mehr ihres ist, ohne weiteres ertragen. Man kann das geradezu zum Kriterium nehmen dafür, ob jemand gläubig-MODern ist oder RELigiös-MODern, denn wenn man sich erinnert: Religiös(-modern)e, die mit den Herausforderungen einer biografien-übergreifenden Sinn-Gestaltung konfrontiert sind, also tatsächlich den 3.REL(MOD)Stp erreicht haben, haben nicht mehr die Möglichkeit, eine Vergesellschaftbarkeit von kollektiven Planvorstellungen zu denken auf der Grundlage einer dabei „von selbst sich ergebenden“ Aggregation der Hypothesenbildung, Erfahrungsverarbeitung, aus der diese Pläne abgeleitet werden. Hingegen die normalplanerische Version einer Aneignung von (anders gesagt, die Ausbildung von Vergesellschaftungsideen mit) MODernem Inhalt – sie allein ergäbe diese Professionalität, in der auch Erfahrungsverarbeitung hierarchisch und arbeitsteilig gedacht ist, Arbeitsteilung also auch in dieser Hinsicht noch für möglich gehalten wird, wie sie RELigiös eben genau nicht mehr denkbar ist; nur die in OPP(REL(MOD)) für möglich gehaltene „Meinungsbildung (sofern politisch haltbar)“ lässt diese Fortschritts-Perspektive, biografien-übergreifend, zu – nur eine normalplanerisch-gläubig angeeignete MODernität kann Grundlage dieser fortgeschrittenen Orientierung auf Fortschritt sein – nur mit dieser Mentalität kann man sich immer weiter durch die Fortschrittsspirale hindurch bewegen, mit den Umgestaltungen der Arbeits-, Wissenschafts-, Technik- und der Utopiewelt, und nur so jenen rasenden Stillstand erreichen, der alsbald eine neue Frage aufwirft, nämlcih: Was eigentlich das Selbst ausmacht, das hier ständig zum Hindernis wird für weitere Entwicklungen (die es selbst garnicht mehr erlebt)? das stattdessen die immer gleichen Übergänge in diesem rasenden Stillstand als Beschränkung erlebt, oder auch sich und seine Vergänglichkeit? Wobei man sagen kann, es ist eben ein Partner der Technik, und durch seine seinerseits noch vortechnische, nicht technisierte Beschaffenheit, die unerschlossen bleibt, ist es zugleich eine Quelle seiner eigenen Unzufriedenheit. Was die Frage aufwirft, wie dieser rasende Stillstand durch eine Perfektionierung des Selbstseins als Partner der Technik, die immer weiter wächst, überwunden werden kann. (Ich denke, dass ich darüber den nächsten Vortrag halte.)