Teil II



Vortrag 4b: OPP Scheitern als Grund des Übergangs in REL

Dieser Vortrag behandelt ein schwieriges Thema – im Anschluss an den vorangehenden. Es geht um die Frage der Entstehung von entwickelter RELigion, oder wie ich lieber sage, RELigiösem Denken und Lebensformen – die den OPPortunismus hinter sich gelassen haben. Die Schwierigkeit ist hier, nicht nur zu sagen, wie man aus dem OPPortunismus herauskommt – das war ja schon ein wenig im letzten Vortrag Thema: das Verlassen der bedingten Erwartungen; sondern zusätzlich ist die Frage zu beantworten, wie man zu dem kommt, was wir als RELigiöses Denken in den bekannten, entwickelten RELigionen kennen – zu Glaubensvorstellungen. Da gab es diese vage Idee mit der Evolution, der Selektion, und dem Selektionsvorteil – das bedarf aber weiterer Erklärung – wie geht es genau?
Ich will dazu zweierlei sagen.

Das eine ist: Mir war dieser Übergang bis jetzt nicht klar, ich hab darüber nicht wirklich nachgedacht, ich wusste, dass das Thema immer noch aussteht, aber ich hatte dazu nur ein paar sehr vage Ideen, und ich musste das in den Tagen seit dem letzten Vortrag – anders als früher in diesen vagen Ideen angedeutet – mir selber klarmachen.
Das zweite ist: Die Vorgänge, die ich hier jetzt wieder in relativ dürren abstrakten Kategorien rekonstruieren werde, sind mit Sicherheit solche, die viele Jahrhunderte, wenn nicht Jahrtausende in Anspruch genommen haben für ihre Entwicklung. Das ist also ein ganz breites Übergangsfeld von Entwicklungsvorgängen, und bedarf der Arbeit vieler Generationen und Kulturen, die dazwischentreten, die einen Stand erreichen, der dann anderswo – vielleicht auf andern Grundlagen – weiter bearbeitet wurde… Es haben also viele Kulturen, viele Regionen mitgearbeitet, bevor so etwas wie jene Religionen zustandekam, die später im Mittelalter einen ganzen „Kulturraum“ prägten. Und irgendwann werden sie sich ja auch wechselseitig beeinflusst haben – grundsätzlich gehe ich davon aus, dass es eigentlich keine wirkliche Besonderheit der einzelnen bekannten hoch entwickelten, also Kulturräume bildenden RELigions-Vorstellungen in der Welt gibt, sondern dass sie wirklich – wenn sie reich ausgebildet sind – jede alle Formen aufweisen, alle Denkmöglichkeiten ausgelotet haben, wie die andern auch, und deswegen einander auch nicht so viel voraushaben, ausser dass sie noch die Spuren ihrer Entstehung aus bestimmten primitiveren Vorstufen tragen, die spezifischer waren – also zb eine Orakelpraxis, eine Götterverehrung mit einem Götter- Pantheon, von mir aus auch eine Art philosophischer oder kosmologischer Betrachtung – aber im grossen ganzen können sie eigentlich alle andern Formen auch ausbilden.
(Ich will nur anekdotisch anmerken, dass man etwa um die Zeit von Christi Geburt in China durchaus ernsthaft erwogen hat, ob Konfuzius (wie er bei uns heisst) nicht tatsächlich göttliche Eigenschaften hat, eigentlich ein Gott ist oder sogar DER Gott. Also das zeigt, es gibt eigentlich nichts, was nicht überall vorkam, und in einer einzelnen grossen RELigiösen Region (Tradition) nicht gedacht worden wäre, das nicht auch in den andern grossen RELigions-Räumen vorkam.)
Das was ich hier beschreibe, sind also Vorgänge, die viele Anläufe brauchen, sehr lange dauern, das Tradieren von sehr viel Erfahrung benötigen und in gewissem Sinn „die gesamte bekannte Antike“, sofern sie, und da, wo sie überhaupt „ganz“ durchlaufen wurde, speziell auf dem eurasischen Kontinent, in Indien, in China, in Europa und im Nahen Osten, in Anspruch genommen haben.

1.
Die entscheidende These in diesem Vortrag lautet: Die Entwicklungsstufen (Stp.e) des Normalplanens leisten wesentliche Beiträge zur Entstehung reifen RELigiösen Denkens. Das heisst: Die wirklich reifsten Stufen des genuin RELigiösen Denkens werden nur erreicht von Pionieren, die zugleich hohe bis höchste Stufen in der politischen Entwicklung zurückgelegt haben (oder ihnen tradierte Bildungsinhalte in diese Richtung sich angeeignet haben) – die also in der Moral und der Empathie bereits angekommen waren, und dort Konsequenzen gezogen haben – etwa aus dem Scheitern dieser Standpunkte.
Zunächst einmal beginnt es noch einfach – das hatte ich ja schon angedeutet, wie eine eher epistemische Vorgehensweise, also das Wandeln und Beeinflussen-Können von Erfolgschancen und das Abwenden von Risiken für eine existierende Normal-Praxis, wenn es als Forschungsprogramm ernstgenommen wird, in eine tiefe Resignation führen kann.
Es beginnt damit, dass die Erfolgschancen nicht konvergieren – man also dadurch, dass man tatsächlich etwas korrigiert an seinen Erwartungen entlang von eingetretenen Erfahrungen, an den vorhandenen oder verbleibenden Chancen und Risiken nichts ändern kann: Der Versuch, seine Überraschbarkeit zu minimieren und die relevanten Bedingungen dafür zu finden, trifft auf immer neue Enttäuschungen und unerwartet bessere Verläufe (die beide aus dem gesetzten und an Bedingungen geknüpften Erwartungsrahmen ausbrechen) – man stellt verzweifelt fest: Egal, was man macht (und worauf sich einstellt; welche Erwartungen man ausbildet) – es gibt keine wirkliche Korrelation zwischen etwa den Vorzeichen bzw vermeintlichen Ursachen und den eingetretenen Erfolgen und Misserfolgen. Das kann speziell, wie schon gesagt, ein Verzweifeln sein an den magischen Praktiken, die man sich da zurechtgelegt hat
(die ja immer auch etwas zu tun haben mit diesem Analog-Handeln, also dem Klassifizieren relevanter Einflussgrössen auf den Erfolg und Misserfolg, und dem Denken in Klassen-Ähnlichkeiten, dh. eine Praxis wird abgewandelt entlang von Ähnlichkeitsbeziehungen, die natürlich in alle Richtungen weisen können – wie kann man Schadursachen beikommen? da kann man verschiedenstes ausprobieren, und die Methoden können schnell – weil sie auch so zusammengesetzt sind – Levi Strauss spricht vom bricolage (dem sich was Zusammen-Basteln) der Naturvölker – hochkomplexe Rezepte erzeugen – und dann kann man natürlich ewig zweifeln, ob das Rezept korrekt ausgeführt war – jemand der es ernstnimmt, kann an dieser ganze Praxis irre werden – und daran verzweifeln.)
Also vor allen Dingen, wenn das etwa wirklich mal über einige Magie-Experten-Generationen hindurch (vielleicht genügt aber auch schon ein langes Leben als Magier, Schamane, Druide usw dafür) als empirisches Forschungsprogramm ernstgenommen wurde, kann es sein, dass Leute das am Ende einfach aufgeben. Und WENN sie es aufgeben und nicht über sehr viel mehr Wissen verfügen, kann es in einem gewissen Sinn zu einer sehr unentwickelten Vorstufe von RELigiösem Sich-Verhalten zur Welt führen, nämlich zu dem Gefühl des Ausgeliefertseins: „Ich kann nichts für mich oder andre tun. Ich bin in einer Welt, in der ich wenig kontrolliere. – Aber ich habe uU Chancen – es ist nicht sicher, dass ich jetzt gleich untergehe deswegen – ich bewege mich also entsprechend VORSICHTIG weiter…“ – Ob ich da dann noch eine Normalität habe, ist eine andere Frage, in jedem Fall rechne ich aber auch in dieser Normalität mit allem möglichen, und das nähert sich dann schon sehr stark einer experimentell arrangierten Lebensform an.
Zusatz 1. Der Vortrag ist hier ungenau, was dazu führt, dass der Unterschied zum Scheitern mit dem 2.Stp. (bzw der dort entwickelte Begriff eines Erweiterten Selbst) nicht genau genug herausgearbeitet wird. Es ist nicht so sehr die selbst zugeschriebene Kontrollfähigkeit an sich, die man hier lernt sich abzusprechen, sondern die „Fähigkeit“, ihr Mass – womöglich unterschiedlich für verschiedene Praxisfelder – bestimmen zu können; und dabei selbstverständlich auf bestimmte, mehr oder weniger bekannte (spätestens durch Abwandlung von Bekanntem „wiederherstellbare“) Normal-Praktiken zurückgreifen zu können. (Das schliesst relativ explorierendes Handeln in für unsicher erklärten und zugleich relativ peripheren Praxisbereichen nicht aus.) MaW was hier verlorengeht, ist die Gewissheit, in bestimmten Grenzen (unterschiedlich für verschiedene Praxis- oder Alltagsbereiche) Normalitäts- oder „Normal“-Erwartungen haben zu müssen bzw zu können. Der 2.Stp. bzw sein Scheitern wird eingenommen (oder eben im Scheitern aufgegeben), wenn die Erzielbarkeit von „angesichts bekannter (oder für – aufgrund Erfahrung – herstellbar gehaltener) Wirk-Chancen für möglich gehaltenen Resultaten“ nur mehr am WILLEN (der Entschlossenheit) festgemacht wird, sie zu erreichen. Die Erwartung ist hier nicht, dass es auf eine bestimmte Weise gelingt, sondern nur, dass es mit bestimmten Maximal-Aufwänden gelingen wird, die sich zugleich lohnen. Die Ausführungsroutine ist – wieder gebunden an bestimmte Praxisfelder (zB Krieg, aber es kann auf die reproduktive Praxis übergreifen) verlorengegangen; hingegen die Budget-Aufteilungs-Routinen (Regeln mit „Lohnens“-Erwartungen, oder Erfolgs-Gewissheiten angesichts eigner Entschlossenheit und bekannter Wirk-Optionen) sind, zusammen mit den „bewährten Rahmenwert-Setzungen für das „Gesamtbudget“ an Handlungsspielraum (uU wieder aufgefächert nach Praxisbereichen) erhalten geblieben auf diesem Stp.
Das bedeutet auch: dass alles – und sei es noch so ergebnisoffene – Explorieren hier immer dem Vorbehalt unterliegt, dass es der Verfolgung eines für lohnend gehaltenen Ziels dient. Analog: die autoritäre Forderung, die Andern sollten eine Einschätzung übernehmen, die (wenn und da (von einem selbst hinreichend beglaubigt) zutreffend) einer wegen ihrer überlegenen Lohnensqualität legitimen Zielsetzung nützt.
Zusatz 2. Die RELigiosität oder Experimentalität, die aus dem „Scheitern“ des 1.Stp. resultiert, ist zwar bei denen, die dies Scheitern durchgemacht haben, hinreichend auch für das Unterlassen von „entschlossenen“ (und insofern nicht mehr experimentellen) Versuchen zur beschleunigten Besserung der eignen Situation; das ist aber hier erstmal nur Folge des Zusammenbruchs von „Normalität“im Sinn von: Erfolgserwartungen bzgl. einer Normalpraxis. Da „jederzeit alles passieren kann“, wird auch das Gesamt-Budget und die Budget-Aufteilung maximal vorsichtig sein. Aber ohne die spezifische Erfahrung des Scheiterns mit „Entschlossenheiten“ (und in diesem Rhamen „lohnendem Explorieren“) wird, spätestens bei Nachkommen und Erben der „Zusammenbruchs“-Praxis, der Zweifel wachsen: Ob man nicht – bei aller Vorsicht! – durch für lohnend gehaltene „Willensanstrengung“  Risiken abwenden und/oder Chancen (dafür) nutzen kann (spätestens durch Geltendmachen mit entsprechender Entschlossenheit durchgesetzter Forderungen an andre). Es sei denn… dass ihnen auch hier entsprechend erinnerte Scheiterns-Erfahrungen (oder Glaubensvorstellungen; als deren Ergebnis) eine Schranke ziehen.
Mehr dazu in den Zusätzen zu den nachfolgenden §§. 

2.
Diese Desillusionierung und dieses Zusammenstürzen der einem selber kraft bewährter Normalität zugeschriebenen Kontrollfähigkeit, die Enttäuschung daran, ist ein wesentlicher Bestandteil, wenn man so will sogar der erste und vielleicht wichtigste, des RELigiös-Werdens.
Also das ist ein durchaus nicht zu verachtender Übergang, der – wie auch all die Übergänge, über die ich in diesem Vortrag noch sprechen werde – , einmal eingetreten, sich später an andern Personen (die womöglich schon von früheren Fällen dieser Art erfahren haben) wiederholen kann, derart dass eine Art und Weise der Desillusionierung, der Ernüchterung, des Vorsichtig- und Experimentell-Werdens, des Aufgebens aller Erwartungen an eine haltbare Normalität zur tradierbaren Routine des Aufwachsens und Lebensgestaltung wird – wenigstens sporadisch, wenigstens in einer Teil-Bevölkerung. (Es heisst, nebenbei, ja nicht, dass man die Praxis oder das Produzieren, Sich-Reproduzieren aufgibt, sondern nur die daran geknüpften Erwartungen – das wäre aber immerhin ein sehr weit gehender Schritt, den man dann immer wieder absolviert findet.)
Die Frage, die wir nun aber auch zu behandeln haben, ist: Wie kann es sein, dass eine solche Bewusstseins-Karriere sich massenhaft ausbreitet und Kultur und das Leben vieler oder aller in grossen Kollektiven (zB Klassen…) oder schliesslich „die Normalität“ ganzer Gesellschaften zumindest mit-bestimmt? Dazu sind solche Erfahrungen, selbst wenn sie zuverlässig tradiert werden und sich ausbreiten, natürlich noch viel zu schwach. Selbst wenn ganze Bevölkerungen solche Erfahrungen machen würden, oder sehr viele Einzelne darin – steht dem Zurückfallen (mit diesem Inhalt) in die Ausgangs-Denkform zu wenig entgegen, das es verhindert – das heisst, das Ganze ist auch sehr instabil, und wir müssen uns im folgenden umsehen nach den stabilisierenden Faktoren.
Zusatz. Resultat von Ernüchterungserfahrungen aller Art (incl Magie-Versagen bzw Aberglauben-Vorzeichen-Fehldeutungen, die in Notlagen keine Abhilfe schaffen und glückliche Entwicklungen nicht vorhersehen, geschweige denn herbeiführen konnten) ist zunächst der Übergang auf Erwartungen nur noch bezüglich dessen, was geschehen KANN, nicht was geschehen WIRD. Also womit als einer Möglichkeit zu rechnen ist, im guten wie schlechten (vgl. „die Sterne machen (bloss) GENEIGT“…). Das wäre dann ein (durch entsprechende Abstürze und Aufschwünge belegtes) Immer-weiter-Auseinanderweichen der Extrem-Rahmenwerte des Erwartbaren. Die Bedingungen (die sich ja meist auf sicher oder wenigstens wahrscheinlich Erwartbares richten) haben sich dann meist davor schon im Rahmen der abergläubischen und erst recht magischen Kontrollversuche entweder zu vage und/oder unübersehbar-komplex entwickelt, als dass sie noch länger Gelegenheit bekämen, sich zu „bewähren“ (da weder „beherrschbar“ noch irgend mit erschwinglichen Mitteln „bewältigbar“…). Auf die Weise stellt sich Unbedingtheit als erstes her, gefolgt vom Eingestelltsein auf ALLES Mögliche (bebildert mit einschlägigen Erzählungen von ungeahnten Überraschungen und Umschwüngen, in beide Richtungen. Auch hier ist der KRIEG das vermutlich wichtigste Mittel, um zeitlich verdichtet mit diesem „Erkenntnisinteresse“ (wie und in welchem Mass mit vorhandenen Mitteln erschwinglich beherrschbar ist die für unsere Praxis relevante Umgebung, und das so, dass wir es zuverlässig beurteilen können, weil es sich bewährt hat?) reichlich Überraschbarkeits-Erfahrungen zu sammeln (und sich der Unzuverlässigkeit von Magie und Aberglaube zu vergewissern). Angemessene Tradierung vorausgesetzt, stehen die Erben solch einer langen Erfahrungsgeschichte aus Krieg, Magie, Wahrsagerei usw da mit grosser Schicksalsergebenheit und eben Ernüchterung; aber noch ohne einen RELigiösen Glauben, der diese ihre Erfahrung methodisch sicher immunisiert gegen ein Umlernen in die andere Richtung: „Aber… solange ist nun nichts mehr derart schlimmes geschehen – warum damit noch rechnen? Und… ja, gewiss, man KANN grosses Glück haben, aber da man damit nicht rechnen kann – könnte weniger nicht mehr sein, das aber (bewährtermassen, wie sich mittlerweile heraustellte) SICHER?“ Und schon ist man zurück beim normalplanerischen Versäumnisrisiko, und dem Suchen nach Bedingungen, mehr an Sicherheit und Fortschritts-Beschleunigung für sich herauszuschlagen. Es ist die Aufgabe im Rest dieses Vortrags bzw Kapitels, die Eingangsthese zu erhärten: Dass es die Kategorien sowohl als die Erfahrungen des Scheiterns auf höheren Stufen der OPP Vergesellschaftung sind, die (sofern tatsächlich eindrücklich und nicht nur punktuell ausgebildet bzw erworben) zur Konstruktion echter REL Optimalhypothesen führen – und zur generalisiert-methodischen Einsicht in die Notwendigkeit, seinen ernüchterten, experimentellen Alltag unter einer solchen Hypothese, als das dazu passende (und gegen die Verführung oder Beängstigung durch Versämnisrisiken immun gemachte) Experiment anzusehen. Alle Glaubenskrisen, mithin alle fortschreitenden Enttäuschungen an allzu ambitionierten Welt-Erklärungs- und Sinn-Versprechens-Konkretisierungen der jeweiligen Glaubens-Ideale, dienen der systematischen Annäherung und Bekräftigung dieser Art Illusionslosigkeit: Du MUSST glauben, weil du nicht weisst; und ‚dies‘ (oder ‚etwas dieser Art‘) anzunehmen, ist das sinnvollste – da bis auf weiteres best-anzunehmende (dabei wenigst-widerlegbare…). Man wird sehen, dass aus dieser immer hoffnungsloseren, zugleich aber auch immer angstfreieren Stellung zur Welt nicht mehr gemacht werden kann als ein Bollwerk der Unbeeindruckbarkeit durch jedwede normalplanerische Versäumnisangst in beide Richtungen. Nicht mehr – aber wenig ist das nun auch wieder nicht. Immerhin ist es (im Mass wie der Standpunkt eingenommen wird) vereinbar damit, spielerisch die Welt zu erkunden und eine experimentell fundierte technische Naturwissenschaft zu entwickeln…
Der erste Standpunkt, auf dem also nun eine Kategorie mitsamt denkmöglicher Optimalhypotheseninhalt geliefert werden kann, ist der 2.Standpunkt (Eigentum/Recht/Vertrag). Sehen wir zu, wie sich aus welchem Scheitern auf diesem Standpunkt Kategorie und Glaubensinhalt ergeben:

3.
Zur Erinnerung: Die zweite Stufe, die man auf einer OPPortunistischen, normalplanerischen Basis erreichen kann, wenn auch nur mit sehr viel Kämpfen und Krämpfen, wie ich versucht habe darzustellen, also der 2.Stp. mit der Trennung von Erweitertem Selbst, also dem, das ((mit allen möglichen Bedürfnissen, Handlungsbereitschaften, Vorstellungen von dem, was lohnt, was ihm droht, und womit es auch nicht rechnen muss, natürlich)) bereits investiert ist in eine Praxis mit (Lohnens-, auch auf das Lohnen von ergebnisoffenen Explorationen bezogenen) Erwartungen – und andererseits, davon abgetrennt, einem selbständig auf diese Praxis zumindest bezogenen Wissensbestand, der auch mit andern, ja sogar Gegnern, geteilt werden kann (man bezieht sich auch im Krieg auf eine geteilte Wirklichkeit, die die andern genausogut beurteilen können wie man selbst – sie nur mit dezidiert andern Zielen, Forderungen, Praktiken, dh. andern erweiterten Selbsten) – diese 2.Stufe (in der natürlich trotzdem weiterhin immer daran gearbeitet wird, dass eine im wesentlichen bestehende Normalität höchstens ausgebaut wird) liefert uns doch immerhin ein Bewusstsein davon, dass eine Normalität zusammengesetzt ist aus diesen beiden Bestandteilen – dass man sie nicht immerzu nur als eine unauflösbare Praxis behandeln darf, wo die Bedingungen für Gelingen und Misslingen eben ausserhalb liegen, sondern man schon noch die zweite Möglichkeit in Betracht ziehen muss, nämlich Erfolge und Misserfolge sich zu erklären durch ein Nichtbereit-Gewesensein, Nicht-Vorbereitetsein, und ein Nichtwissen. Dieses Zusammengesetztsein der Praxis zu denken – wenn man auf diese andere Art seinen Erfolg und Misserfolg zu suchen verzichtet hat; also verzichtet hat auf die Suche nach magisch-abergläubisch nutzbaren Bedingungen, stattdessen die Bedingungen tatsächlich nur noch in der eigenen Kraft sieht, und in den Sachverhalten – das ist natürlich schon ein ganz erheblicher Schritt. Der Punkt ist nur, dass natürlich unter normalplanerischen Bedingungen die Praxis niemals so weit aufreisst, dass man gewissermassen einem Wissensbestand, einer Menge von Chancen und Risiken gegenübertritt, die sich in einem Raum darstellen, und sich dann fragt: wie baue ich mir daraus eine Praxis? Das ist so ziemlich das Un-Normalplanerischste, das man sich vorstellen kann. Das heisst also, für Normalplaner, auch solche auf dem 2.Stp,  bleibt IMMER, bei allen Katastrophen, ein Teil der Praxis erhalten, und den Rest versuchen sie eben wieder herzustellen, entlang dem Muster, das bleibt, oder den Mustern, wenn etwas weggebrochen ist, und dann versuchen sie, diesen Ausschnitt einfach funktionell, als Problemlösung, die er war, zu ersetzen, aber nicht was völlig neues zu bauen. Das machen sie nur im äussersten Notfall. Aber wenn sie auf diesem 2.Stp stehen, dann machen sie das – dann bilden sie nicht einfach Ähnlichkeitsreihen unter bestimmten Aspekten, Mustern, die an dem ausgefallenen Routine-Praxis-Bestandteil und den Aufgaben, die es löste, als einzigem Musterexemplar anknüpfen. Das KÖNNTEN sie in dem Fall zwar auch machen, denn sie konstruieren sonst Ähnlichkeitsreihen, die anschliessen an Techniken, mit denen sie den Sachen zugewandt sind, und Lebensformen und eingeübten Handlungsbereitschaften, die sie auch in andere Umgebungen mitnehmen können. Also unwahrscheinlich, dass die Praxis ganz aufreisst, dass kein Routine-Bestandteil intakt fortgesetzt werden kann; aber ganz ausgeschlossen ist es auch nicht. Genauso, wie es zu der Ernüchterungskatastrophe auf dem 1.Stp kommen kann, kann es hier gewissermassen zur völligen Tilgung jeder Normalität kommen, in dem Sinn, dass nur noch gewusst wird, wie man vorgehen KÖNNTE, ein Inventar an Techniken vorliegt, und ein Inventar an Handlungsbereitschaften, auf die man schon eingestellt ist, ein Lebensentwurf eben auch, denn das war ja die Ebene, auf der wir uns damit auch bewegen – zeitlich im bezug auf diese existenziellen Fristen – und dann kann man das uU neu zusammensetzen. (Dann wohl der zusammengebrochenen Praxis so ähnlich wie möglich. Anders gesagt, man stellt das „Erweiterte Selbst“ unter neu eingetretenen Randbedingungen wieder her. Unterscheide hier ES in der öffentlichen Sphäre, und der privaten Eigensphäre (wo Normalerwartungen noch lange massgeblich bleiben, bevor die Erfahrungen aus der „öffentlichen“ Sphäre darauf zurückschlagen…)

4.
Das heisst, die über ein ganzes Leben hinweg bestehende Möglichkeit rückt da, auf dem 2.OPP Stp. in den Horizont des Denk-Möglichen, dass jederzeit die bisher gelebte Lebensform – das Erweiterte Selbst – nach einem Zusammenbruch, allerdings auch erst dann, neu zusammengesetzt werden muss (unter Einsatz für lohnen gehaltener „Willensanstrengung“) . Das Scheitern auch noch mit diesem 2.Stp. („alle Entschlossenheit hilft nichts…“; letztlich kontrolliere ich meine Umgebung nie endgültig…) wäre dann ein Schritt in die Richtung, von der ich im vorangehenden Vortrag gesagt hatte: Wenn sonst alles erledigt ist, dann entwickeln die experimentell-RELigiös Gewordenen die Bereitschaft, die Zusammensetzung ihrer experimentellen Praxis aus Handlungsbereitschaften (eigentlich Kernselbst…) und Wissen um Umgebungsbedingungen abzuwandeln – die Zusammensetzung abzuwandeln und immer neue Zusammensetzungen zu finden und zu erfinden. Und diese beständige Abwandelbarkeit ihres Experiments der Reproduktion soll ein weiteres Charakteristikum des RELigiös-Experimentell-Gewordenseins sein. Soweit sind wir nach dem Scheitern mit dem 1.OPP-Stp. freilich noch nicht – weil wir ja zunächst bloss eine gewisse Borniertheit auf diesem Standpunkt beobachten, die einen dort auch anfällig macht für (erneutes) nicht-experimentelles Vorgehen – wir haben die Borniertheit des Erweiterten Selbst, es ist eben kein Kernselbst, es gibt da kein Wissen um oder Achten auf die allgemeinen Körperfunktionen und die Bedingungen ihrer Reproduktion, oder auch Wissen um Krankheits- oder auch Gesundheits-förderliche Faktoren… Faktoren, die diese Normalität der Handlungsbereitschaften, der Handlungsspielräume beeinträchtigen oder sie fördern, sie erweitern. Stattdessen ist da eine selbstverständliche Erwartung, bestimmte Dinge zu können, vor allem, wenn man sich anstrengt (alternativ: nicht zu können, obwohl man sich anstrengt…), und auch reflexhaft, routinemässig bereit zu sein dafür, weil das eben in der ursprünglichen Normalität bzw aufgrund eingegangener Verpflichtungen und Bereitschaften, Forderungen abzuwehren, so verlangt war, weshalb man dauerhaft darauf eingestellt und eingerichtet bleibt, und diese Art von Zurichtung, Ausbildung der eigenen Körperfähigkeiten, auch der geistigen von mir aus, wird somit immer weiter betätigt und allem Planen zugrundegelegt. Und es wird nicht einmal ansatzweise in Betracht gezogen, dass oder inwiefern man auch ganz anders – anders als „irgendwie SO“ (mit diesen berechtigten Forderungen und Pflichten)  –  leben könnte. Allerdings wird das betätigt angesichts eines Bestandes an Wissen-wie/dass, auf den man losgeht mit diesen eingefleischten Bereitschaften, Erwartungen und Zwecken – das heisst, man erwartet sich einfach, dass bestimmte Dinge gelingen (weil man das WEISS… naja zu wissen GLAUBT), und ist jederzeit bereit, dafür Reserven zu investieren („Wetten einzugehen“ – als Ausdruck und Beleg der Überzeugtheit). Da geht es also um die Kategorie des Lohnens, und des „lohnenden Sich-Verlassens“ darauf, dass bestimmte Kausalverbindungen, bestimmte Dispositionen usw bestehen – und das kann man ja Überzeugtheit, also subjektive Überzeugtheit von etwas (einem Sachverhalt, den man kennt; alsonicht einfach eine bewährte Normalpraxis…) nennen – die natürlich wiederum enttäuscht werden kann. Der Umgang mit Sachverhalten ist da noch keineswegs experimentell, prüfend, sondern man verlässt sich da noch ganz gewaltig drauf (alternativ: zweifelt, ist sich NOCH NICHT oder NICHT MEHR sicher,…), „dass das stimmt“ – auch und gerade dann, wenn etwas noch nicht, oder nicht mehr funktioniert, gibt es Vorgaben (oder die Suche danach), was man eigentlich für Aufwände treiben sollte, um etwas wieder herzustellen oder überhaupt herauszufinden, und das möchte man dann auch von Andern (von denen womöglich Mitwirkung an solchem Bemühen gefordert wird; zumindest Unterlassen des Widersprechens…) anerkannt bekommen (mit der Konsequenz, dass sie mitwirken und von ihnen Gefordertes tun). Also dass man überzeugt ist und eine gewisse Entschlossenheit an den Tag legt, ist dann spätestens etwas, das einen legitimiert, andere einzubeziehen, ihnen Forderungen zu stellen, vor allen Dingen dann, wenn deren Anliegen in den eigenen Augen zum Scheitern verurteilt ist, sie werden es nicht durchhalten, .. man selbst hat ein viel stärkeres Lohnen, ein überwältigend erfolgversprechendes, verglichen mit ihrem, und das sind dann auch die bekannt autoritären, Zustimmung fordernden Auftritte entsprechend Überzeugter, die man immer wieder erlebt.
Die Pandemie etwa war voll von Leuten, die extrem überzeugt waren, dass das gefährlich ist, und deswegen meinten, anderen auch etwas abverlangen zu dürfen, weil ihre Überzeugung so stark war und weil das Risiko, um das es ging, so gross war, und die Sache schon so sicher zu sein schien, weshalb sie auch garnichts mehr prüfen mussten (das lohnte nicht).

Zusatz 1: Um das zu verstehen, müssen wir den 2.Stp noch etwas genauer aufschlüsseln: Er setzt sich – spätestens im „öffentlichen“ Auftreten – eigentlich aus zwei Normalitäten zusammen, einmal dem Erweiterten Selbst – ergänze: dem ES dieses 2.Stp, einem also, das sich in und mit seinen Rechten und Pflichten („im Rahmen der Lebensform der eigenen Generation“) eingerichtet hat, seiner sozialen Stellung, dem Grad des Ansehens, das es geniesst (oder das es sich erkämpfen will, oder das es zu verlieren fürchtet: Skala der Übergänge in den 1.Stp, den sowohl andre ihm gegenüber als es selbst diversen andern gegenüber einnimmt, spätestens in einer „familiären“ Eigensphäre) einerseits; und zum andern den Überzeugungen, die es sich, ausgehend von dem in seinem Umfeld allgemein gültigen und akzeptierten Bestand an Sachverhalts-Einschätzungen, zusammen mit andern, oder auch nur aufgrund eigner Erfahrung und Weiterdenken (auch als Bildungsgang), zugelegt und dann weiterentwickelt hat. Was in dem Zusammenhang an (Re?)Produktiven Zwecken verfolgt wird, oder wie (vorübergehend oder dauerhaft) Routinen eingerichtet werden, ist durch erheblich prekärere und flexiblere praktische Regeln bestimmt, als die „Normalität“ des 1.Stp – für die und den es IN diesem Praxis-Umfeld ja noch immer einen Platz im Zentrum gibt, das Heim, Familie, das Zuhause, die Heimat, eventuell auch die durch Zugehörigkeiten, Loyalitäten, geteilte Glaubenssätze und Pläne (Individualitäten) bestimmte Bezugsgruppe (Schicht, Stand, Landsmannschaft, Konfession usw), zu der man gehört (ev auch Pluralität solcher, viele Zugehörigkeiten). Aber anders als diese heimatliche Rest-„Eigen“-Sphäre (ohne die ein OPP Mensch in der Tat nichts mehr zu verteidigen hätte), ist die öffentliche Sphäre der Kämpfe ums (eigene) Recht, um Anerkennung eigner Forderungen und gegen Verächter, die einem die „Rechtsfähigkeit“ (psychologisierend, s.d.) absprechen wollen) nicht durch eine Normalität und Normalerwartungen „geklammert“. Nicht, dass die Bildung von Routine-Praktiken und dazu gehörende Erwartungssysteme aus dieser Streit-Praxis verschwunden wäre. Es ist nur eine Praxis, die gewissermassen das NEGATIV der ursprünglichen Normalität darstellt: zum einen ist diese Praxis quasi der Ausnahmezustand in Permanenz, wo man (als Person, aber eben auch der eigne Kampf-„Verband“) zum einen jederzeit durch Übergriffe und abzuwehrende Fremdforderungen herausgefordert werden kann – wo zum andern aber (vgl. 2.Stp. in 03d/e) der rationalere Weltbezug der Nutzung jedweder Regularität ausschliesslich für Schad-Wirkungen genutzt wird (ebenso wie der Feind es tut) (hingegen das Überleben der Kombattanten durch Versorgung aus den Ressourcen ihrer jeweiligen Heimat-Sphäre, mit den dort „normal“ eingeführten Reproduktionsweisen, womöglich von Andern als sie selbst, Helfern, Knechten, Frauen…, sichergestellt wird). Dieser Primat der Durchsetzungsabsicht verschwindet nicht einmal in den Rechtsstreitigkeiten vor Mediatoren und Richt-Instanzen, als die – falls nicht beidseits anerkannte Dritte die Aufgabe übernehmen – notgedrungen die Parteien selbst auftreten: Sachverhalts-Feststellungen im Streit sind WAFFEN, die den Gegner seiner Argumente berauben sollen und ihm mit seinen eignen Gründen, dem von ihm selbst Anerkannten also, das Geforderte abzwingen sollen. Sach-BEHAUPTUNGEN sind in dieser Sphäre keine konstruktiv-produktive Einsichten, die reproduktive Zwecke anleiten, sondern betreffen mehr oder weniger für Durchsetzung der Parteien relevante Sachstände, deren So- oder Anders-Ausfallen, nicht anders als bei Behauptungen über Vertragsinhalte, verbindliche Zusagen, ausserordentliche Kündigungsanlässe und Ungültigkeits-Erklärungen, einzig für das relative Gewicht der Forderungen einer Partei im Verhältnis zu demjenigen der Gegenforderung der Gegenpartei sorgt. Der rechtende Sachbezug ist somit ganz und gar der entschlossenen Selbstdurchsetzungsabsicht untergeordnet – sie verpflichtet den zur Anerkennung Gezwungenen (mit oder ohne Einsicht) in jedem Fall zur Erfüllung alles Forderbaren, das (nach ebenfalls von ihm anzuerkennenden Regeln) aus der von ihm bestätigten Richtigkeit der Sach-Behauptung folgt. Begründungen, „Argumente“ dienen da, nicht anders als grundlegende Rechts-Regeln im Zusammenhang mit Forderungen, nach „anerkannten“ Beweisführungs-Regeln, als Waffe zur Brechung des Widerstands der Gegner, mit fliessenden Übergängen zur drohenden Bezugnahme auf militärisch verwertbare Abhängigkeiten der andern („Sanktionen“!) oder auch – Kräfteverhältnisse in Krieg oder Kampf (um Anerkennung des Geforderten) begründende – Kausalbeziehungen und Regularitäten – ein Krieg und ein Kampf, in den das Neu-Verhandeln und Aushandeln von Vertrags-Verhältnissen jederzeit zurückfallen kann. Wenn auch mit einem anderen „Zeige“-Inhalt als im 1.Stp.: nämlich um die Stärke der eignen Entschlossenheit (oder als Spezialfall einer Entschlossenheit: „Überzeugtheit“) im Verhältnis zu derjenigen der andern vorzuführen (die Kräfteverhältnisse sind dabei nurmehr Multiplikatoren der vorzuführenden Entschlossenheiten…), und ihnen auf die Weise das Opfer, das das Nachgeben für sie bedeuten wird, zu „erleichtern“: Widerstand, Widersprechen, sich der Forderung Entziehen soll sich für sie nicht länger LOHNEN. Und das.. selbst nach Verrechnung mit ihren Gegenmassnahmen (und dem eignen und ihrem Aufwand, den sie und man selbst je zu treiben bereit ist; unsre Entschlossenheit macht das Missverhältnis für sie untragbar…)
Der berechnende, der gnadenlos parteiische Umgang mit den „objektiven“ Daten fällt also ausgerechnet da noch am sach-gerechtesten aus, wo diese Daten (Kausal-Dispositionen, Regularitäten) technisch in Kampfmitteln und -taktiken verwertet werden könnten. Ressourcen-Budgets sind hier ALLES – sie, und die Kräfte-Verhältnisse (Entschlossenheiten gekoppelt mit „objektiven“ Kampfmittel-Überlegenheiten, deren Bestehen auf ganz eigene Weise, nämlich durch militärische Aktion („calling the bluff“) „angezweifelt“ oder gar „widerlegt“ werden kann), die über Lohnen oder Nicht des Geltendmachens von Forderungen an Andere bzw des Abwehrens solcher von ihrer Seite entscheiden. Von daher ist nicht zu erwarten, dass die Objektivität beim Umgang mit Kampfmitteln so ohne weiteres zurückschlägt auf die „Normalität“ der Reproduktion, die die Grundlagen liefern soll für Kampfkraft und Kampfmittel. Es sei denn, die Produktivität dieser vorausgesetzten Normalpraxis würde selbst zum Kampfmittel… Allein diese abstrakte Überlegung begründet schon hinreichend, warum sich auf dem 2.Stp „funktionale“ Arbeitsteilungen einschleifen, die die produktive Rest-Normalität, und die kriegerische Objektivität (mitsamt zugehörigem Krieger-Selbstbewusstsein alias Entschlossenheiten und Kampfbereitschaften) an verschiedene Bevölkerungsklassen verteilen. Was vor allem die „Normal-Reproduzenten“ schnell entlang der oben erwähnten Skala der Achtung in die Position der 1.Stp-mässig verachteten Befehlsempfänger (der „arbeitenden Knechte“ bei Hegel..) zurückfallen lässt… Es dauert, zur Not einige Jahrtausende, bis die Heraustrennung des Bezugs auf eine von allen in gleicher Weise einschätzbare, weil „objektiv“ (im Ernstfall militärisch) nutzbare Realität von einem (meist kollektiven) Erweiterten Selbst, und damit die Notwendigkeit der wechselseitigen, grundsätzlichen Anerkennung ALLER (zunächst zB: aller Angehörigen einer Adelsschicht, „herrschenden“ Klasse; oder auch von „Ständen“gegeneinander..) als Eigentümer (ihrer Privatsphäre; ihres Privateigentums) kategorial festgeschrieben wird. Und damit eine öffentliche Rechts-Sphäre ihres Verkehrs, ihrer Eigentums-Wechsel-Verträge und der Sicherheit all ihrer (Arbeitsteilungs)Verhältnisse gegen „unberechtigte“ Übergriffe geschaffen ist. Von derartigen Übergriffen „Aussenstehender“ noch ganz abgesehen. ((Die Wechselseitigkeit der Anerkennung solcher, die zur Not für ihr Recht zu kämpfen bereit und in der Lage sind, wird später ersetzt durch die komplexeren Gegenseitigkeits-Verhältnisse von Eigentümern und dem ihr Eigentum garantierenden Staat…)))

Zusatz 2: Das in Zusatz 1 Stehende hat, zugegeben, etwas leicht Verworrenes; das ist freilich den verwirrenden Konfliktlagen des 2.Stp selbst geschuldet. Es beginnt damit, dass die Zweck-Ebene, deretwegen der ganze Streit-Aufwand getrieben wird, aus einer Versorgungs-, Ausgangs- und Ziel-Einheit, sich zunehmend in ein blosses Mittel verwandelt: Das Ur-Eigne (ein kollektives Erweitertes Selbst) darum als Mittel seiner eignen Mehrung, und da eben vor allem Mehrung der Mittel zur Behauptung und Durchsetzung gegen andre ebensolche, die aber (nächster Widerspruch) für genau diesen Zweck benutzt werden sollen, da man sie sich doch nicht einfach unterwerfen kann: Dass sie das (mit derselben Absicht!) zulassen, man selbst aber eben auch, gibt allen Beteiligten die Hebel, speziell in Gestalt von beständigen Streitigkeiten um Forderungs-relevante Sachverhalte (wer hat was getan? wer ist aufgrund welcher Sachverhalte verpfflichtet etwas zu tun?), den Gegnern, auf Basis mehr oder weniger genereller Zugeständnisse, mehr abzuverlangen als die (im Moment des Zugeständnisses) für möglich hielten; weshalb die Zugeständnisse oft im Moment ihrer In-Anspruchnahme, wieder einkassiert werden, was im gegnerischen Lager für je nachdem passende Empörtheit sorgt.
Allein aus dieser leicht paradoxen Ausgangslage ergibt sich die Tendenz der (Macht)Konkurrenz (der „öffentlichen“ oder Rechts-Sphäre), sich zu verselbständigen und von jedem besonderen Zweck loszureissen (der ja eigentlich nur in der „Heimat“- und „Eigen“-Abteilung der ganzen Planung angesiedelt sein kann). Das Eigne ist leider nie unbestritten solches, und in Gefahr, durch unabweisbare Ansprüche gegnersicher Parteien an- und weggenagt zu werden – zugleich das entscheidende Mittel, solches zu verhindern. Die Stellung zur „objektiv-instrumentellen“ Sphäre der Ressourcen wiederum, die ja ein Nicht-Eignes, Öffentliches ist, muss beständig argwöhnisch daraufhin begutachtet werden, ob sie Quelle von (objektiv nutzbaren) Vorteilen der Konkurrenten werden könnte, weshalb man sich, in hoffentlich rechtzeitig einsetzender Voraussicht, möglichst viel Anteile, am besten auch gleich alles, für EIGNE Verwendung, sichern sollte. Da auch die Ressourcen für die Aneignung und Verwertung öffentlicher Ressourcen knapp sind, ist strategisches Denken, unter ständiger Erwägung der möglichen Aktionen der Andern, strikt geboten – durch diese „Rücksicht“ auf die Andern wird der Zugewinn an rationellem Umgang mit „instrumenteller“ Objektivität vergiftet und beinah wieder (wie schon in Zusatz 1 angedeutet) zunichtegemacht. Letzteres gilt erst recht für alles, was mit Verständigung über Sachverhalte, oder auch nur schlichte Weitergabe von Information und Nachrichten zu tun hat: Alles berechnend, alles verlogen, geheimgehalten, entstellt – nicht immer wider besseres Wissen – dem kann durchaus ein Nichtwissen-Wollen, das gnadenlose Beschönigen, die Gewöhnung an schrankenlose Parteilichkeit entgegenstehen. Von Objektivität und „Intersubjektivität“ bleibt auf die Weise wenig übrig.
Obwohl die Kategorie selbst sehr wohl bewusst ist.

Das sind typisch normalplanerische Überlegungen auf dieser 2.Stufe: Bin ich mir noch unsicher, oder bin ich es nicht mehr, was meine Entschlüsse (zu versprechen, zu verlangen), aber eben auch meine Überzeugtheiten betrifft (aus denen ihrerseits Zusagen oder Forderungen resultieren.,..).
((Das ist also nicht mehr einfach (Miss)Erfolgsgewissheit oder -zweifel, die Gewissheit, dass etwas Geplantes (nicht) gelingen wird (oder könnte) – so lauten ja Inhalte auf der 1.Stufe. Sondern hier bildet sich die Stärke der Gewissheit aus hinsichtlich eines bestimmten Inhalts, also es gibt nicht wie auf dem 1.Stp diese zwei Stufen: Ich habe eine Wahrscheinlichkeitsschätzung für einen Erfolg (oder Misserfolg), maW ich stelle mich zu einer mutmasslichen uU bedingten (Miss)Erfolgschance (oder einem Chancen/Risiko-Verlauf entlang von bestimmten, für relevant und durch eignen Aufwand für kontrollierbar gehaltenen Einfluss-Parametern; denk hier va an militärische Planungen!) – und hinsichtlich dieser Schätzung bin ich mir dann mehr oder weniger sicher (also doppelte Unsicherheit, 2 (Un)Gewissheitsstufen!). Sondern hier habe ich („1-stufig“) die Bereitschaft, nur von der Richtigkeit einer Einschätzung (besser vermutlich: dem Zutreffen einer Hypothese, Eintreffen einer Prognose…) oder von der Ernsthaftigkeit einer Absicht (der Durchsetzung einer Forderung, des Erbringens einer (Gegen)Leistung in Zukunft…). etwas abhängig zu machen (Wetten funktioniert auch so) – und das ist also sehr stark, aber der Inhalt ist nicht nochmal ein Gewissheitsgrad, sondern es ist ein Sachverhalt oder ein Plan, Ziel, Zweck. Und das heisst also auch: dafür gelten jeweils eigne Bedingungen.

Bedingung ist hier übrigens eine Vokabel, die genauer erklärt werden müsste, also dass sich das alles auffächert, hat natürlich etwas zu tun mit Gegenstandsbereichen – mit Themen – so könnte man genauso gut statt „Bedingung“ sagen – wenn es also um Dinge derundder Art geht, dann bin ich mir sicher, und bei andern Dingen bin ich mir unsicher, oder bei Vorstellungen, Möglichkeiten derundder Art usw – also thematisch fächert es sich auf, und es geht somit immer wieder um diesen Punkt: Ich habe einerseits bestimmte Entschlossenheiten, die ich sowieso schon in mir trage, weil das die Zielsetzungen sind, auf die ich mein Leben eingerichtet habe, oder die Art Zielsetzung (mein ES)  – und das andere sind eben Überzeugtheiten, dass ich mich dabei auf bestimmtes (Randbedingungen, Ausführungs-Voraussetzungen) verlassen darf, selbst wenn es vorübergehend schief geht, hab ich überhaupt keine Zweifel, dass ich das reparieren kann und andere dazu auffordern kann mir dabei zu helfen usw))
Natürlich heisst das auch, dass diese Gewissheiten unter einer darüber schwebenden Erwartungshaltung stehen, was, wieviel insgesamt an Budget zur Verfügung steht – also wieviel ich mir überhaupt zutrauen kann – und wie gefährdet ich dabei bin – also die „Rahmenwerte“ sind auch auf dieser Stufe immer noch präsent, wie sie übrigens selbstverständlich auf der ersten Stufe auch präsent sind. Aber hier habe ich spezielle Rahmenwerte, solche nämlich, die mir sagen, wann ich etwas endgültig abbrechen muss: ENTWEDER ich verteile es anders, ich verteile neu im Rahmen dessen, was ich überhaupt kann, und bis ich überhaupt resigniere, zusammenbreche usw – und dann muss ich uU andere Dinge hintan stellen – beim Planen gehts ja hier auch immer um die Prioritätensetzung – ich erinnere an das Entscheidungsschema; wir sind ja hier auf der zweiten Stufe – und es geht (wenn man sich an die Frage erinnert: Was hab ich falsch gemacht?) um die Auf- und Verteilung von Handlungsspielraum auf Aufgaben, wie gross dies Gesamtbudget an Ressourcen ist, wird hier immer noch festgelegt durch eine Erwartungshaltung mit diesen Parametern Gesamt-Zuversicht, -Vorsicht, -Ängstlichkeit… Optimismus, Pessimismus – das sind so etwa die Basis-Erwartungs-Qualitäten, die man da mitbringt aus seiner Normalität, also dem, was man insgesamt überhaupt sich ausrechnet an Chancen-Niveaus und Gefahren-Niveaus, mit denen man rechnet; und entsprechend muss man dann Reserven haben – ODER man hat eben keine, ist stattdessen bereit draufgängerisch zu sein, etwa weil (wie man meint) einem ohnehin nichts schlimmes passieren kann… Und diese Art von übergeordneter Einschätzung des Gesamtbudgets im Angesicht der kumulierten Gefahren, mit deren möglicher Realisierung man überhaupt rechnet – die ist also hier weiter fest weit über allen Details etabliert, und auch Gegenstand von vermeintlichen empirischen Fortschritten – man war ZU zuversichtlich oder ZU ängstlich, hatte keine Reserven für bessere Entwicklungen und ändert seine Rahmenerwartung bzw Budget-Aufteilung entsprechend ab.

Zusatz 3. Die Besonderheit der Rahmenwerte und somit die spezielle normalplanerische Borniertheit der Träger des 2.OPP-Stp ist hier im Vortrag nur ungenügend herausgearbeitet. Das Erweiterte Selbst (kann auch ein kollektives sein) ist, wie bereits dargestellt, „investiert“ in eine Position („soziale Rolle“) in der „öffentlichen“ oder Rechtssphäre – und hat zugleich seine „reproduktive Verwurzelung“ in einer familiären Eigen-, Heimat- oder Privatsphäre, mit dort nach eignem Gutdünken und „ihm gehörenden“ Mitteln realisierbaren Privat-(Miss)Erfolgs(un)gewissheiten und einer zugehörigen Normalität (Normalpraxis plus -erwartungen, (Gesamt)Budgetverteilungen, darauf bezügliche, bedingte= thematisch aufgefächerte Rahmenwerte…). Das „zugleich“-Sein der beiden Sphären verlangt natürlich eine an bewährten Vorgaben ortienierte oder überrascht-affektiv nach-justierte Regulierung ihres Verhältnisses; die Eigensphäre ist ja auf dem 2.Stp (nur so kann er überhaupt gedacht werden) Quelle der Ressourcen für die Selbstbehauptung und Durchsetzung des ES in der öffentlichen und Rechtssphäre (im Notfall auch für anstehende Kämpfe/Kriege um „Respektierung“). Ich wiederhole, das Erweiterte Selbst ist in sehr vielen Hinsichten festgelegt, nicht zuletzt durch „sein“ Eigentum als Basis für dessen Mehrung (auf welchem Weg auch immer), zusätzlich durch eingegangene Verpflichtungen und (durchzusetzende) Forderungen, Respekts- und Verachtungsverhältnisse, Abhängigkeiten, Vertrags-Kooperationen usw., aktuelle Kampf-, also Durchsetzungs- bzw Abwehr-Herausforderungen usw. – und all das kann in einem gewissen Umfang vorkommen im Rahmen einer ererbten oder im Rahmen der eigenen Biografie zugewachsenen Rolle – aber auch, herkommend aus einer „bewährten“ Ausgangssituation (in dem Sinn: Normalität) durch affektiv wirksame Wendungen modifiziert. Das kann auch in Chaos und Zusammenbruch enden – was abe kein Scheitern des Stp selbst bedeutet, sondern als individuelles Schicksal verstanden werden kann. Wichtig ist, dass die Regulierung des VERHÄLTNISSES der Sphären, soweit die Budgets in der öffentlichen Sphäre festgelegt werden sollen, die Grenzen für Sachverhalts-Prüfungen, neues Know-how/that (Forschung, Entwicklung) usw als (angesichts des „Primats“ der Entschlossenheiten) untergeordnete, aber durchaus eigne Sphäre, mit eignen Ressourcen-Budget-Abteilungen (im Rahmen eines „entschlossen“ verfolgten Selbstbehauptungs- und Durchsetzungsprojekts) behandelt. Das ÜBERHAUPT verteilbare, entlang von Versäumnis-Ängsten und Normalerwartungen global geschätze Rahmenwert-, also Gesamt-Budget muss also zwischen insgesamt DREI Gross-Orientierungen aufgeteilt werden; dabei ist durch Wegfall der „Normalitäts“-Praxis-Klammer in der öffentlichen Sphäre eine gegenüber dem 1.Stp erheblich erweiterte Flexibilität im Umgang mit möglichen Techniken, egal auf welchem Sach-Gebiet, zu erwarten – das ist die Lektion, die durch lange Erfahrung mit Krieg und Wechselfällen darin gelernt wurde. Grob gesagt, bestehen Ausgangs-Normalität und ihre überraschungs-motivierten Modifikationen auf dem 2.Stp vor allem im erwartungs-basierten Gesamtbudget und den Prinzipien seiner Aufteilung auf die drei Sphären, die – abgesehen von seinem zerklüfteten Erfahrungs-Wissen (incl darauf basierenden Ausgangs-Überzeugtheiten)  zusammen das „Erweiterte Selbst“ ausmachen  – im Extremfall eines einzelnen, vereinzelten Eigentümers, häufiger aber wohl von Kollektiven, die durch ihre „Führer“ (Sprecher, Krieger usw) vertreten sind. Es ist dann genau diese „entschlossen“ verteidigte Struktur, auf die wiederum sich die „politisierte“ und politisch gereifte „Räson“ der Mediatoren und später der Staatsbürger und Regierungen bezieht, um sie auf ihre haltbaren Kerne hin zu prüfen und zur Not zurechtzustutzen. (Zum Scheitern der Politisierten s.u. §9ff)

Zusatz 4. Gerade wenn und weil die gesamte Eigen-Sphäre als Ressourcen-Quelle im Fall der Anspannung aller Kräfte im Krieg ihrerseits militärischer Logik unterworfen wird, und es im Rahmen von kriegerischen Auseinandersetzungen zugleich zu weiträumigen Zerstörungen auch in dieser Sphäre kommen kann, ist es möglich, dass die relative Rationalität der öffentlichen und Rechtssphäre, also die Trennung der Planung und Prioritätensetzung nach Erweitertem Selbst (wie bewährt und vorgefunden bzw anschliessend entlang affektiver Überraschungen verändert) und Überzeugtheiten von instrumentell bedeutsamen Sachverhalten (ebenso: „wie bewährt und vorgefunden bzw …usw“) sowie die sich darüber etablierenden Regulierungs-Maximen der Einteilung, sich schliesslich auch auf die gesamte Eigensphäre ausdehnt. Sodass der 1.Stp eigentlich nur noch als „Verächtlichkeit“ gegenüber Schwächeren oder dafür Gehaltenen auftritt, nicht mehr hingegen „in eigener Sache“, weshalb die kognitive Grundlage für das Praktizieren von magischen Techniken und prognostischem Aberglauben allein schon darum zunehmend verschwindet.

5.
Auch hier kann natürlich eine gewisse Enttäuschung eintreten, dh alles, was für lohnend gehalten wurde, schlägt fehl –  die Überzeugtheiten erweisen sich als hinfällig, die Ziele, die man verfolgt hat, die ganzen draufgängerischen Projekte, in die man meinte „entschlossen“ reingehen zu können, schlagen fehl – all das sind natürlich Betrachtungen, wie sie Leute erst anstellen nach einer gewissen Lebenszeit, einer Kette von Misserfolgen, nachdem sie ganz anders gestartet waren – und dieser Prozess ist natürlich dem sehr ähnlich, der auf der ersten Stufe zu bemerken war – auch dieser ist ein Desillusionierungs- und Ernücherungsprozess; und auch er ist natürlich geläufig als Quelle von Übergängen in allerdings da meist schon vorhandene RELigiöse Rückzüge. Also „es ist alles vergeblich“ – das sind so depressive Prediger-Salomo-Sprüche – „es ist alles eitel“, das sagt man ja nicht von vorneherein, sondern erst, nachdem man solche Ernüchterungserfahrungen gemacht hat. Es können durchaus grosse Gruppen sein, die das so erfahren, und auf einmal eine gewisse „Reife“ an den Tag legen, indem sie einfach vorsichtiger werden, weniger herausfordernd, und dann insgesamt auch verträglicher, denn natürlich ist diese ganze Selbstlegitimation, Selbstermächtigung, und das autoritäre Auftrumpfen (neben der eigenen Berechnung, wie lohnend es wohl sein mag, da jetzt noch mal nachzuforschen angesichts der Einschätzung „was für ein Quatsch – wir WISSEN es doch längst“) immer auch Quelle für ein entsprechendes Auftreten gegenüber andern, denen man dann diese eigenen Standpunkte als legitime Forderung präsentiert, auf die sie sich einzulassen hätten, weil IHRE Entschlossenheiten und Überzeugtheiten soviel geringer sind, in  jedem Fall aber unberechtigt. Leute, die das alles tatsächlich lange Zeit praktiziert haben, und dabei immer wieder vor den Kopf gestossen wurden und unerwartete Rückschläge erlitten haben, stehen natürlich irgendwann mal ganz anders da, nur dass ihr Ausgeliefertsein eine andere Färbung annimmt als seinerzeit beim Scheitern des 1.Stp.s – also es ist jetzt nicht so sehr das „ich weiss nichts, mir sind die Mittel aus der Hand geschlagen, Kontrolle ausserhalb des ganz engen Bereichs, den ich so gerade eben beherrsche, auszuüben“ – das war die erste Resignation – sondern hier geht es, wie gesagt, eher um eine Ressourcenbudget- und Kräftefrage; dh. sie wissen ja tatsächlich, was sie wissen, vielleicht ist auch einiges ungewiss gewesen, aber vor allen Dingen geht es hier um das Zurücknehmen ihrer selbstgewiss-zuversichtlichen Bereitschaft, in bestimmte Projekte Ressourcen zu investieren, die gelingen müssen, das weiss man schon – auch wenn sie entstanden sind durch Zusammensetzung aus einer vermeintlichen, „Überzeugtheit“ begründenden Sicherheit über Sachverhalte und Kausalregularitäten, die man betätigen kann und auf die man sich verlassen kann, einerseits, und Entschlossenheiten, gegenüber andern Forderungen durchzusetzen oder abzuwehren, andererseits.

6.
Da geht es jetzt also hauptsächlich um die Reduktion der Einsatzbereitschaft, der Entschlossenheit (mit Überzeugtheit als Spezialform), die immer stärker reduziert wird auf ein Ressourcen-Budget, bei dem man prinzipiell seine Kräfte zusammenhält – das läuft also auf etwas sehr ähnliches hinaus wie auf der erste Stufe bei den scheiternden Zauberern – es sind hier nur, wenn man so will, die scheiternden Krieger und Autoritäten, die kleinlaut werden, die sehr stark zurückgeschlagen und widerlegt wurden, und trotzdem auf dieser Grundlage irgendwie weiterleben und dann wenigstens noch ihren neugewonnen Standpunkt an andere weitergeben wollen (das ist in der Form wahrscheinlich sogar der Normalfall) – die Kinder oder die Jugendlichen, die nachwachsen, werden instruiert, dass man so wie die Gescheiterten nicht in die Welt gehen darf, sondern man sich viel, viel vorsichtiger verhalten muss, und natürlich werden die entsprechenden Lebensgeschichten dann auch erzählt. Auch da sieht man wieder die Annäherung an das, was in RELigiösen Lebensformen dann tatsächlich zur Regel wird: dieses experimentelle, vorsichtige „es kann jederzeit alles passieren – ich muss meinen Handlungsspielraum zusammenhalten“ – nur ist es hier ein Übergang in eine betont „energetische“, die Handlungsspielräume betreffende, ökonomische Zurückhaltung und Sparsamkeit, ein vorsichtiger Umgang mit Ressourcen, egal wie verführerisch Chancen auf Durchsetzung und Unnachgiebigkeit sein mögen, und andererseits können auch Gefahren nicht mehr so sehr schrecken, einmal weil man schon viel erlebt hat, und neben dem Versäumnisrisiko auch das Risiko des „Selbstmords aus Angst vorm Tod“ kennt – das Risiko des Übermasses an Sicherheitsbedarf; und zweitens, weil man ohnehin einen grossen Reservenspielraum hat, weshalb dann auch allerhand passieren kann, das einen dann nicht mehr so sehr überwältigt. Diese experimentelle ist also auch eine recht robuste Einstellung. Was der nun fehlt, weswegen sie natürlich enorm anfällig ist genau wie auf der 1.Stufe, rückfällig zu werden – ((Nachwachsende, die sich das erstmal als ihre Normalität zueigen gemacht haben, sehen nicht ein, warum man nicht ein bisschen zuversichtlicher sein darf, sie sehen andere, denen was gelingt, und fragen: warum denn nicht wir auch?)) ist das kognitive Gerüst, das BEWUSSTE und nicht nur implizite Praktizieren der Experimentalität, das das RELigiöse Leben ausmacht, und das entwickelt sich natürlich erst auf den folgenden Stufen und den Übergängen, die von dort aus kommen.

Zusatz 1. Das Konzept zur Erklärung der Entstehung dieses“kognitiven Gerüsts“, neben der Ausbildung existenzieller „Experimentalität“ – dieses Konzept, wie es hier in diesem und dem folgenden Vortrag angedacht wird, behauptet ein Stp für Stp wiederholtes SCHEITERN der normalplanerischen Vergesellschaftungs-Standpunkte. Hand in Hand mit diesem Scheitern einhergehen soll die Ausformung von Ideal-Vorstellungen darüber, wie die Welt sich idealerweise verhalten müsste, um dieses Scheitern jeweils endgültig zu verhindern: Und genau diese Vorstellungen sind es (diesem Erklärungsansatz zufolge) dann auch, die den Raum der RELigiösen Optimalhypothesen allmählich entfalten bzw ausschöpfen. Wichtig ist daran zu erinnern, dass die Kategorien, die hier einer Optimalität für fähig erklärt bzw so gedacht werden, Welt und Handeln, Kausalität und Sinn, enggeführt behandeln, im Sinn der Formel: Die Welt ist so, wie wir sie uns idealerweise denken (wir nehmen es bis zum Beweis des Gegenteils an), WEIL sie unter Einschluss unseres Handelns (gewissermassen: ganz gleich, was wir (vorübergehend) tun) Sinn macht.
Mit diesem vorab vermuteten Muster als Ausgangspunkt, könnte man fragen, welchen Beitrag ein Scheitern auf dem 2.Stp für das BEWUSSTE Zustandekommen reifer REL Experimentalität leistet. Das Scheitern mit Magie und Aberglaube findet statt in Situationen, wo unerwartete Einbrüche in eine Normalität abgewehrt und/oder zumindest vorhergesehen werden sollen; das Scheitern besteht darin, mit diesen Einbrüchen als möglichen immer mehr zu rechnen, und SO die Überraschbarkeit aufzulösen. Das wäre also der Beitrag des Scheiterns auf dem 1.Stp zur späteren reifen REL Experimentalität – noch ohne die damit im Verbund entstehende Optimalhypothese. Scheitern auf, an und mit dem 2.Stp hingegen hat zu tun mit expansiven Unternehmungen, meist kollektiven, Durchsetzung von Forderungen; Erfüllung von eingegangenen Verpflichtungen; Abwehr empört bestrittener Übergriffe und Verpflichtungsversuche anderer. Obwohl auch diese Expansion noch immer der allgemeinen Normalplaner-Logik folgt – eine Chance tut sich auf, und mit ihr ein Versäumnisrisiko – , und obwohl natürlich auch im Leben der Menschen auf dem 2.Stp unerwartete Einbrüche und Schicksalsschläge vorkommen, machen hier „im Normalfall“, durch Anhäufung von Mitteln in den Händen von „rechtsfähigen“ Subjekten (meist Gruppen mit ihren Anführern, die nicht einfach verächtlich überrannt werden können, sondern sich Respekt verschaffen; nur Gruppen-Angehörige mit solcher Mittelhäufung können den 2.Stp aktuell praktizieren, und Erfahrungen damit machen) die Chancen, also Hoffnungen, auf „entschlossene“ Durchsetzung der EIGNEN Position sowohl bzgl Sachverhalten als auch Verpflichtungen/Berechtigungen, die Mehrzahl der massgeblichen Projekte aus. Das eindrückliche Scheitern an der Erwartung, hier durch das Mass der Entschlossenheit „Erfolg“ und „Misserfolg“ berechnen zu können, wäre dann der spezifische Beitrag DIESES Scheiterns zu einer REL Experimentalität. Auch hier erst noch ohne die dazu gehörende Art Optimalhypothese.
Zusatz 1a zu diesem Zusatz: Psychologisierendes Verachten und Übergehen Anderer bis hin zum Krieg zum Zweck der endgültigen Unterwerfung (zumindest solang die Verachtungs-Gründe fortbestehen) ist ganz und gar ein Resultat ungebrochener NORMALITÄT, der die Verachteten, genauer ihre Handlungsspielräume (als wären es zusätzliche Kräfte zu den eignen des Verächters, die ihm da zuwachsen; der begründete, bekundete Wille der Andern hingegen kein Hindernis – so als gäbe es ihn garnicht), als der selbstverständlichen, geltenden, fraglos subsumiert werden. Der Krieg der Verächter beruht nicht auf einer Entschlossenheits- und Empörtheits-begründeten Erwartung, sondern entspringt ihrem Normaldenken, ihrer Erwartung, dass Bestimmtes selbstverständlich und ohne ausserordentlichen Einsatz von Ressourcen gelingt. Von zwei solchen, die Krieg gegeneinander führen, ist dann mindestens einer überrascht, und entweder fügt er sich (uU heuchlerisch, um bei Gelegenheit den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen und den vorübergehenden Sieger doch noch zu unterwerfen), oder er gerät auf den 2.Stp, wenn er nicht schon von vorneherein darauf stand, und beginnt, um die Anerkennung als Rechteinhaber, um“Respektiertwerden“, zu kämpfen. Der Rechtszustand wird auf dem 2.Stp als Normalität betrachtet, der Weltbezug der „reproduktiven“ Eigensphäre ist da nur noch ein Moment. Zu den normalen Berechtigungen gehört dann auch der Weltbezug in der öffentlichen Sphäre, das, was man dort entschlossen als mit allen Konsequenzen anzuerkennenden Weltbezug (der objektiven Tatsachenbehauptungen) Aller durchzusetzen versucht (weil „berechtigt“).
Die Normalität, mit der man auf dem 1. oder 2.Stp scheitert, ist also anders zusammengesetzt, das Unerwartete auf dem 1.Stp ist VORWIEGEND (wenn auch nicht ausschliesslich) Misslingen, Einbrüche von Schadereignissen, die die Routinepraxis behindern, aufhalten, zurückwerfen usw, auf dem 2.Stp die in bestimmten Hinsichten „berechtigte“ Erwartung, kollektiven Handlungsspielraum (der eignen Leute wie der momentanen Gegenspieler) den eignen Vorstellungen von Verpflichtungen entsprechend zu nutzen, und sich mit dieser Vorstellung durchsetzen zu können (Entschlossenheit bzw Empörtheit als Mass).
Zusatz 2. Auch das Übergehen in einen „höheren“ Stp kann als eine Art des Scheiterns des voraufgehenden angesehen werden; vom endgültigen Scheitern und Übergehen in eine RELigiös-experimentelle Stellung zu Welt und Andern ist dieser Prozess zunehmend „reiferer Politisierung“ dadurch unterschieden, dass den davon Betroffenen die Kategorie Normalität, als Basis für ihr Verhältnis zu Welt und Andern, nicht verlorengeht, sondern nur in einen kategorial aufwendigeren, weil ausdifferenzierten Rahmen eingebaut wird. Für Verständnisse aller Art bleibt sie aber massgeblich, und ist weiter Kennzeichen einer grundsätzlich normalplanerischen Einstellung zur Welt, an der auch die Einstellungen anderer gemessen werden – auch wenn unterschieden wird zwischen dem im eigenen Weltverhältnis (theoretisch-objektiv, wie praktisch-vollziehend), dessen Anerkennung von ihnen mit allen Konsequenzen erwartet wird, und jenem, wo ihnen eigne Positionen, nämlich in ihrem, dem nicht-geteilten, nicht-öffentlichen Praxisteil, zugestanden wird. Und so weiter für die zunehmende, erfahrungsbasierte Filterung von Entschlossenheiten (Versprechen, Forderungen…) auf das „bewährterweise“ Haltbare in ihnen – dass es sowas aber durchaus gibt, wird da nicht bezweifelt (im Kern ist das dann die von den Mediatoren, Richtern, Staatsmenschen nach bewährt-angemessener prüfung für „richtig“  und gültig befundene Einschätzung bzw Verpflichtungs-Verteilung), sowie die Beurteilung von gleichoder unterschiedlich weit gediehener Fortgeschrittenheit fremder und eigner Individualitäten, bzw die affektive Bedeutung von unerwartet eingetretenen Entwicklungen IN den Fortschritten dieser Projekte.

7.
Ich hatte ja jetzt im Zusammenhang mit dem 1.Stp (also dem zum Scheitern verurteilten, experimentierend-forschenden Ausloten der Möglichkeit, für seine Zwecke zu zaubern, Magie auszuüben, sich auf abergläubische Vorzeichen zu verlassen) bereits gesagt: Da spielt Tradieren eine gewisse Rolle – die Erfahrung damit aus nur einem Leben reicht dafür nicht aus, da muss es geradezu ein biografien-übergreifendes Forschungs-Programm geben, in dem auch die Zwischenergebnisse weitergegeben werden, etwa in einer Gilde von Zauberern, Druiden, Schamanen – Ergebnisse dessen, was die Vorgänger im einzelnen versucht haben – und womöglich war das auch geografisch ausgebreiteter, die mussten sich treffen und einander erzählen, was sie da gemacht haben – und es ist ja nicht so, dass die da nicht auch Erfolge hatten – das ist die andere Seite – dass es also auch in die andere Richtung ausschlagen kann. Hier, auf dem 2.Stp und seinem Scheitern, ist es ähnlich, dh auch hier müssen Geschichten, Lebensgeschichten genauer, erzählt werden über Figuren, die unerwartete Misserfolge hatten, die mit ihren Forderungen gescheitert sind, und natürlich gibt es die Gegen-, die Erfolgsgeschichten hier auch. Derartiges wird dann beispielsweise in Kriegerkasten breit berichtet werden, in herrschenden und Kämpfer-Familien werden solche Geschichten erzählt werden, und da bilden sich jetzt natürlich auch Begriffe und Vorstellungen, womit eigentlich in solchen Autoritäten-, Krieger- und Anführer-Leben zu rechnen ist. Also die ganze Weite der Möglichkeiten wird da etwa einem jugendlichen Angehörigen einer solchen Kaste oder Dynastie, der sich sowas anhört, eröffnet. Dazu hatte ich ja bereits früher angedeutet, dass allein schon der in der Normalplanung stattfindende Übergang zu einer realistischen Einschätzung von Versprechungen, von Drohungen usw von der Frage her: Entspricht es, so wie vorgetragen, eigentlich tatsächlich den Interessen der Beteiligten?, ein solches Inventar an historischen Erzählungen voraussetzt. Zwangsläufig assoziiert mit der Kategorie INDIVIDUALITÄT (als dem Biografien-Überschreitenden in und an möglichenProjekten) ist das deswegen, weil tatsächlich das gesamte Leben (die Biografie) abgeschlossen vorliegen muss, damit man sagen kann, was darin gelungen ist und was nicht – Handlungsspielraum einer Einzelperson ist ja nicht nur, was sich auf den nächsten Tag bezieht, sondern man kann den ja auch dehnen, im Sinn von: Was ist dem Einzelnen in einem Jahr möglich, oder in einer Lebenshälfte, was ist bis zu demunddem Alter möglich, oder in demunddem Lebensalter schon oder nicht mehr möglich.. und schliesslich, was ist überhaupt in einem ganzen Leben möglich, was kann sich jemand sinnvollerweise vornehmen bei Lebzeiten durchzusetzen oder als eine vertragliche Leistung zuzusagen, und wieviel Energie, Lebensenergie steht ihm überhaupt im Laufe seines Lebens zur Verfügung? Und dass da sich jemand verkalkuliert, also sein Erweitertes Selbst einfach ständig ihn verleitet, seine Möglichkeiten zu überschätzen, führt ja schliesslich zum Herausarbeiten der Kategorien Interesse und Kernselbst. Angesichts dessen kann man sich vorstellen, wieviel Erfahrungsmaterial in eine derart abgeklärte Stellung wie den 3.Stp eingeht; die wird darum normalerweise auch nur verbunden mit Herrschern, Richtern, Experten, die auf ihr Amt auf diese Weise vorbereitet (und uU Prüfungen unterzogen) werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt – denn es geht da ja nicht bloss um die Erfolge mit eigenen Projekten, sondern es geht auch um die Verhältnisse zwischen Leuten, die sich wechselseitig mit Ansprüchen beharken, und einem Dritten unterwerfen als Richter. Was da nun wirklich funktioniert und was nicht, setzt somit ein enormes Mass an Wissen, an Lebenserfahrung, Lebensweisheit voraus – zur Not historischer, die eben ihrerseits tradiert und in anschaulich-exemplarischen Geschichten aufbereitet werden kann, und schliesslich mündet in die Klugheit der Herrscher und der Machtausübung, wobei sehr viele Episoden mit fatalen Entschlossenheiten, die nebeneinander her und gegeneinander existierten, erzählt werden können, und man also viele Geschichts-Beispiele dieser oder jener Art ausgebreitet vor sich hat. (Am Ende verdichtet sich diese Erfahrung in Rechts-Prinzipien, Verfahrens-Regeln, speziell auch zur Sachverhalts-Ermittlung bzwBewährung von Sachverständigen-Meinungen…)

8.
Dass man auf sehr viele abgeschlossene Lebensläufe zurückschauen können muss, um zu wissen, was eigentlich haltbar ist – die Kategorie der Erbschaft spielt eine Rolle – der erblichen Funktionen, wie geht das eigentlich weiter in der nächsten Generation – ist das dort noch haltbar? – dies Zurückblicken-Können also, so sage ich, spielt eine entscheidende Rolle bei der Bildung robuster Vorstellungen davon, was in jemandes Interesse liegt, und dass man das besser bestimmen kann als ein „Betroffener“ selber, weil der immer noch in Entschlossenheiten und Überzeugtheiten befangen ist, die eigentlich nicht haltbar sind in den Umständen, in die er geraten ist oder noch geraten wird. Und natürlich ist es eine Weitung des Blicks, wenn man sagen kann: die Zeiträume sind grösser, die Räume natürlich auch, in denen Geschichten erlebt werden und berichtet werden können, in denen Leute in ganz andere Umstände geraten sind, und gewissermassen das nackte Leben, das nackte Kernselbst gerettet haben, und man sehen kann, was das eigentlich bedeutet – sein Erweitertes Selbst reduzieren zu müssen auf die eigentlich wirklich vorhandenen physischen Fähigkeiten, die man aber eben dann auch in andere Umgebungen mitnehmen kann. Solche Schicksalsumschwünge gehören auf jeden Fall zum Bestand dessen, was da berichtet wird, also die Frage, was ist eigentlich haltbar, was ist unhaltbar – die fängt da langsam an routinemässig aufzutauchen – und gleichzeitig dieses Nebeneinanderliegen bzw -legen (sich vor Augen halten, damit rechnen) von verschiedenen Normalitäten, von verschiedenen Berufen und Lebensformen, und die Menschen, die sich dieser Vielfalt zuwenden, haben natürlich eine ganz andere Weite des Blicks, auch wenn sie selber immer noch unter einer „Haube“ (alias bedingte „Rahmenwerte“)  an Rechtsregeln und Prinzipien leben, mit der sie nun tatsächlich auch die verschiedenen ihnen angetragenen Forderungen (entschlossen und mit Pochen auf Legitimität vorgetragene Forderungen) zueinander ins Verhältnis setzen. Da sind also lauter Kernselbste im Idealfall oder sowas in der Richtung, also lauter Personen, die in irgendwelchen Umständen leben und zu andern ins Verhältnis treten, und die Aufgabe der Schlichter und Richter lautet: Rahmenwerte und Budget-Prioritäten setzen für Andere – Budgets, das ist die Stufe unten drunter, auf der bewegen diese Andern sich alle, die da an den Herrscher oder an die Weisen Richter herantreten, und die wollen alle was, im allgemeinen mehr, als (von den andern aus) geht, und der Richter muss nun sagen, was tatsächlich vereinbar ist mit dem, was andere wollen. In dieser Form hat man bestenfalls mal Paare solcher Streithähne (das ist ja auch der Normalfall vor Gericht), aber natürlich kann man sagen: Das verallgemeinert sich, sobald eine Herrscherfigur, vielleicht auch ein Beamter oder bestallter Vermittler es zu tun bekommt mit Klassen, oder Gruppen in der Bevölkerung, zwischen denen er etwas ausgleichen muss, oder vielleicht auch schon nur in seiner Gefolgschaft. Er muss sehen, was ist da haltbar auf Dauer – was ist vielleicht AUCH haltbar, und deswegen sind wir auch da im Bereich der Individualität, also der biografienübergreifenden Projekte, die viele Einzelpersonen umfassen, die sich dieser Gruppe zugehörig fühlen oder diesem Projekt, das können viele, mehr oder weniger sein, und die haben schon eine Vorgeschichte, und in dieser Vorgeschichte sind eben auch tatsächlich schon Dinge passiert, in vielen abgeschlossenen Biografien, die man dann auch wieder überblicken kann – also ich rede jetzt von Ländern, von Herrschaften, von Territorien, die beherrscht werden – und Fürsten, die eine Vorgeschichte, eine Dynastie hinter sich haben, und Geschichten, die davon erzählt werden.

9.
Wenn man sich das jetzt alles ansieht, dann ist natürlich das Spektrum der Möglichkeiten dessen, was ein solches Kernselbst alles erleben könnte, unglaublich geweitet. Es ist natürlich auch geweitet für alle, die nicht unbedingt in aktiver Funktion, aber als Gebildete, Kenner dieser Verhältnisse sich das mit anschauen dürfen – und die können natürlich in einer ganz anderen Weise Stellung nehmen zur Frage: Wie könnte eine Normalität, nachdem sie zerbrochen ist, sich wieder herstellen – was für Möglichkeiten haben Menschen, die das nackte Leben (das können wir jetzt als Formel nehmen für „Kernselbst“) gerettet haben, und jetzt nicht mehr borniert sind… Hier kann dann auch tatsächlich die Vorstellung entstehen, die ich erwartet hatte als Resultat einer Lebensführung im vorangehenden Vortrag, die bereits experimentell ist, also die letztlich Resultat ist der Übergänge auf der ersten Stufe – die der Resignation an Kontrollmöglichkeiten und -gewissheiten, wir sind ausgeliefert, oder der zweiten Stufe: Resignation an der Haltbarkeit aller Entschlossenheiten und Überzeugtheiten – ihre Träger „scheitern“ daran, weil sie skeptisch geworden sind, experimentell geworden sind – die sollten also nun auch frei sein, durch ihre affektive und kognitive Einstellung ihr Leben jederzeit neu einrichten zu können – tendenziell zumindest, und daran lernen, was die dafür relevanten Kategorien sind – also rein empirisch sollten so gestimmte, experimentell eingestellte Leute fähig sein, ihr Leben jederzeit auf neue Umstände einrichten zu können: Dh beispielsweise, sie können auch umziehen – sie können sich neu ansiedeln – also auch alles hinter sich lassen, und dergleichen – auch wenn es für sie schrecklich ist. Und das ist jetzt also tatsächlich eine Position, die unterfüttert sein kann nicht mehr nur durch eigenes Leben und Erleben, sondern durch das Wissen um zahllose solcher Geschichten, die können übrigens auch solche Figuren, die experimentell geworden sind, einschliessen – von solchen kann man schliesslich auch gehört haben – und insgesamt ist also hier tatsächlich ein weiterer Bestandteil der experimentell-RELigiösen Lebensform und des Weltverhältnisses ausgebildet – tendenziell, nämlich eben dieses Sich-Erheben über alle Normalität, und von Null aus neu anfangen und sich eigentlich praktisch ständig in dieser Situation sehen. Der BEGRIFF zumindest einer solchen „stoischen“ Offenheit und Unabhängigkeit von vorgegebenen Lebensformen – der ist angelegt in dieser staatsmännischen Resignation und historisch aufgeklärten Weitung des Blicks.
Natürlich gibt es auch ein Scheitern auf der Stufe der Staatlichkeit und der Interessen, und der Interessengefüge, und das findet so statt, dass die Konflike dort einfach nie aufhören, die Gegensätze nie bereinigt werden können… Das wird dann entweder zur Moralität und moralischen Reflexion.. oder es mündet in Resignation, Verzweiflung an politischer Regullierbarkeit von Normalität, und das wäre dann das dritte Scheitern dieser Art, nämlich Verzweifeln an der Erwartung, dass Berücksichtigung von Interessen und Interessengefügen eine Koordination von Arbeitsteilung im Konsens ermöglicht, die eben auch Reproduktion auf (dem erreichten) hohen Niveau weiter möglich macht. Und diese Resignation von „legitim“ Regierenden, „ausgewiesenen“ Experten usw würde dann ebenso wie die der Kämpfer oder Autoritäten, oder die der Hexer, abstürzen in RELigiöse Zurückgenommenheit aller bisher verfolgten Ansprüche und Werte.
Anm. Auch die Gewalt, die auf dem 1.Stp des Normalplanens so nahe liegt mit der Erfolgsgewissheit, tritt unvermeidlich immer fort weiter auf bis hin zum Staat, und jenseits bewegen wir uns ja auch garnicht mehr in einer realisierbaren, sondern nur noch in einer gedanklichen Welt – selbst wenn alle Moralisten wären, sieht man ja, dass sie ihren Moralismus garnicht als verallgemeinerbare Vergesellschaftungsform sinnvoll aufrecht erhalten können, sondern sie sich zuletzt, von da ausgehend, einem Weltverhältnis zuwenden, das nicht ihr ursprüngliches war.

10.
Aber wo ist da jetzt die RELigion? Die ist da natürlich noch nicht erreicht, da ist alles immer noch hoch-abergläubisch unterwegs, denn auch der Staat kann natürlich mit eigenartigen Regeln geführt werden, empirisch begründeten Regierungs-Praktiken, die sich bewährt haben, und natürlich auch Gesellschaftsformationen, die sich bewährt haben, darauf ist man angewiesen, und das, was ich als „Haube“ bezeichnet habe (wir sind hier auf der Stufe angelangt, wo man beginnt gewissermassen an der Haube zu drehen… und zwar so: Man hat sich unmittelbar dazu verhalten, während die andern ja nun auch ihre Hauben haben, also die Rahmenwerte, unter denen sie Entschlossenheiten oder Erfolgsgewissheiten umgruppieren – aber hier haben wir es mit Leuten zu tun, die ständig die gekoppelten Rahmenwerte für alle: Was geht in einer Gesellschaft und was geht nicht? im Auge haben, nicht für sich selbst, natürlich, oder höchstens als Personifikation des Staats, sondern für eben die gesamte Gesellschaft, und da ist also natürlich eine Normalklammer namens „Eigentumsordnung“, Rechtsordnung, die womöglich „heilig“ ist und als solche nicht angetastet werden darf, im Spiel, in der wiederum sich die Erfahrung vorangehender Generationen niederschlägt. Und was da haltbar ist und was nicht, wird hier durch die herrschende Klasse, der Staatsbeamten, der den Staat Ausmachenden, immerfort weiter geprüft, und die Margen enger und weiter gesetzt, die existenziellen Gefahren für die Bevölkerung, für die sie Verantwortung tragen, müssen korrekt eingeschätzt werden, und das sind oft auf den verschiedenen Gebieten der Staatsaufgaben natürlich verschiedene. ((Über Staatsaufgaben hatten wir mal im alten Zirkel, das ist jetzt ein Thema, über das ich mich nicht weiter verbrneiten möchte, aber es wird sicher nochmal auftauchen – denn natürlich müssen wir irgendwann über Gesellschaftsstrukturen und die Gesamtgeschichte reden.))

Und jetzt kommen wir also zu einer Stellung zu den gesellschaftlichen Sachverhalten, in der völlig klar ist, dass längere Geschichten eine Rolle spielen, ich meine jetzt die moralische. Das interessante ist, dass hier gleich zwei Kategorien ganz selbstverständlich unterstellt sind, die einen starken Fortschritt über die einfachen Kategorien „Interesse“ und „Stabilität der Verhältnisse“ hinaus darstellt. Die eine dieser beiden neuen Kategorien ist (das hab ich mal so ausgedrückt): die Gleichheit – Aber was ist eigentlich gleich? Man sagt das einfach so, wenn man moralisch argumentiert, und natürlich interpretiere ich diese „Gleichheit als Person“ darin, dass alle in gleicher Weise tatsächlich lernen. Also die Gleichheit der Lernregel bei allen personal also „rational“ verfassten Wesen ist das, was hier instinktiv der Betrachtung zugrundegelegt ist: Alle lernen gleich, alle können die Lernvorgänge auch der andern nachvollziehen, können sie beurteilen. (Das ist so kantisch: Jeder ist ein Gesetzgeber, jeder trägt diese Vorstellung des Gleichseins mit Seinesgleichen in sich – das ist natürlich auch die Ablösung von allen Borniertheiten der Art: was sind denn das für welche, die gehören nicht zu uns, die sind nicht verständlich, verrückt, spinnen usw damit geht man dann sehr viel vorsichtiger um.) – also die Weite des Blicks der Staatsmenschen wird hier noch überboten, man geht über die konkrete Individualität, der man angehört, noch hinaus, und im besten Fall verhält man sich – deswegen ist das ja eine neue existenzielle Zeitstufe, ein Zeithorizont, der nämlich über alle Zeithorizonte hinausgeht, wo man die verschiedenen Individualitäten vor sich hat und sich zurückbesinnt auf die Frage: Warum wählen wir eigentlich eine Individualität oder ein bestimmtes Verhältnis zwischen ihnen, warum lehnen wir die einen ab und befürworten andere? warum fördern wir die einen mehr und die andern weniger… und sollten sie nicht alle gleichgestellt sein – ja, nicht an sich gleich und sie sollen auch nicht alle gleich viel haben, denn sie sind ja – und das ist jetzt der zweite Begriff! – unterschiedlich weit fortgeschritten in IHRER Individualität, ihrem Projekt. Dieser zweite Begriff des relativen Fortgeeschrittenseins in der EIGENEN Individualität verbindet sich jetzt natürlich mit dem der gleichen Lernregel (als demjenigen, was allen Personen als solchen gemeinsam ist), und als das früher besprochen wurde im Rahmen der Stufenreihe an Vergesellschaftungsformen der Normalplaner, wurde da etwas von der Art eines Paradox entwickelt, nämlich die eigenartige Feststellung: Alle sind gleich und können das auch noch wechselseitig sehen, denn wir haben dieselbe Lernregel, und doch können sie sich in den Streitigkeiten, in denen sie das geltend machen, nicht einigen. Beide sind der Meinung, das, was der jeweils andere vorschlägt, ist UNGERECHT. Das ist also natürlich die Gerechtigkeitsvorstellung…
das gibt mir Gelegenheit zu sagen: dass was immer wir da bis jetzt an grundlegenden Einstellungen bei den Normalplanern vorgefunden haben – im allgemeinen, wenn auch gewissermassen unfundiert, sehr unentwickelt, keimformartig, auf allen Stufen vorher schon – also auf der ersten Stufe schon könnte jemand sagen, der erfolgsgewiss ist: Aber das ist auch legitim,. dass ich das von dir verlange… dass du dich dem beugst.. es ist auch in deinem Interesse, und darum ist das recht und gerecht so… – a fortiori ist es das, sowieso, eben weil die Erfolgsgewissheit zurecht besteht – würdest du sie dir zueigen machen und anerkennen, dann würde dir einleuchten, dass die andern Punkte genau darum auch zutreffen – und die Reifung durch die Stufen hindurch besteht genau darin, dass man solch weit reichenden Forderungen an die andern aufgibt, solche: Teile meine Erfolgsgewissheit, teile meine Vorstellung von Legitimität – unvermittelt – dass man also nicht mehr eine Anerkennung grundsätzlich meiner Gewissheiten fordert – sondern dass der andre immerzu meine Entschlossenheiten sieht und sich deswegen meinen dadurch legitimierten Forderungen beugt, und schliesslich, dass man sogar darauf noch verzichtet, sich auf eine haltbare Interessenordnung zu beziehen, und nicht mehr meint, zumindest dafür Anerkennung erwarten zu dürfen. Stattdessen:…

11.
…sind wir hier beim Verzicht auf das alles angelangt – man fängt nochmal völlig neu an an – und fragt sich nach dem Verhältnis verschiedenster Individualitäten zueinander – ja sogar schliesslich den Meta-Individualitäten, die sich bilden, wenn diese verschiedenen Individualitäten anfangen, sich zueinander in ein Verhältnis setzen und moralische Forderungen aneinander stellen – oder überhaupt legitime solche aneinander stellen. Und als moralischer Mensch, der sich jetzt auch noch über die Rahmenwerte der Staatsräson stellt, und das Eigentum völlig neu verteilen und festlegen will, muss man sich klarmachen: EIGEN sind die Individualitäten, der EIGEN-Sinn ist das, was die Normalplaner auszeichnet – gut, jeder hat einen – und trotzdem sind alle gleich – wie wird das vermittelt? Jetzt fragt sich also der Moralist, wie da zu verteilen wäre. Und das, was ihn in seinem kategorialen Ansatz: Alle haben die gleiche Lernregel, und sie sollen in ihrem Lern-Projekt, wenn man so will, gleich weit fortgeschritten sein -, schon mal gleich aufhält, ist der Gedanke – und der ist jetzt entscheidend! – dass ja Lerngeschichten gewissermassen ineinander geblendet werden können bzw ineinander münden und einander überlappen können; und dass das Dazulernen dazu führen könnte, dass man sein ursprüngliches Projekt aufgibt, und sich dem Projekt der Andern anschliesst oder einem neuen Gemeinschaftsprojekt. Und was heisst dann noch: Gleich weit fortgeschritten? wenn ich absehen kann, dass einer der Beteiligten, der hier noch was ungerecht findet, demnächst Fortschritte machen wird, die ihn seine Forderung bedauern lassen, dann werde ich ja seiner moralisch scheinbar intakten Forderung nicht einfach nachgeben können. Also bin ich jetzt schon als Moralist in einem gewissen Zwiespalt –
das wurde mal bebildert am Anfang der Politeia von Platon, da kommen zur Definition von „Gerechtigkeit, was nennt man gerecht?“ Ideen wie: Gerecht ist, jedem das Seine geben, und dann konstruiert Sokrates so ein Beispiel, man hat von jemandem ein Schwert geliehen, und der kommt jetzt, in offenkundig unzurechnungsfähigem Zustand, und verlangt das Schwert zurück, weil er seinen Vater umbringen will, und da ist dann die Frage, ob man ihm auch dann noch „das Seine“ geben soll. Also man kommt da schon in Prinzipien-Konflikte (bzw die Notwendigkeit, die Prinzipien immer feiner zu differenzieren – wie in juristischen Systemen oder Entscheidungen, die allen Beteiligten „gerecht“ werden sollen)… Dieser Gedanke, der sich ergibt aus nebeneinander her und unabhängig voneinander betriebenen Lerngeschichten, Erfahrungsgeschichten, die hier natürlich immer weiter die affektive Tönung aufweisen des Hoffens und Bangens und der Rahmenwerte und der Verteilung von Budgets, und von mir aus auch noch der Erfolgsgewissheiten, die darin vorkommen und aufgegeben werden – natürlich von dem fortgeschrittenen Standpunkt jenseits des Staats auch noch und der Staatsführung, wo man jetzt anfängt zu räsonnieren darüber, wie eigentlich eine Gleichverteilung, eine „gerechte Gesellschaft“ aussehen würde – da spielt auf einmal diese Frage der Relativierung von Standpunkten eine ungeheure Rolle. Und das heisst also, Universal-Moralisten spätestens stehen soweit über allem, dass sie sich durchaus die Frage vorlegen können, was ist eigentlich mit der Lerngeschichte im bezug auf die Rahmenwerte? was ist, wenn jemand ZU zuversichtlich war und das aufgeben wird – die Moralisten haben jetzt natürlich auch die Beispiele für dieses Scheitern im Blick, sie kennen ja auch die Geschichten der zweiten und ersten Stufe, das Resignieren an diesen gescheiterten Experimenten, und können also absehen, zumindest auf dieser Bildungshöhe, auf die sie gelangt sind, was alles dazugelernt werden kann, und weshalb all diese früheren Forderungen etwas nur sehr vorübergehendes sind.

12.
Die Figur des moralischen Scheiterns (4.Stp) , die ich zunächst ausgemalt hatte (3f §7ff.), bezog sich natürlich auf Leute, die sich als vereinzelte diese Frage vorgelegt haben, was wäre denn gerecht – vielleicht bloss an einem Einzelfall, vielleicht auch noch in einer gegebenen Gesellschaft – das ist natürlich alles noch sehr simpel, aber mit der Weitung des Blicks auf viele Individualitäten, viele Formen von Lernen, von Fortschritten, die womöglich über mehrere Generationen laufen – wo man sich fragt: Wieviel sollen die denn bekommen, wenn sie noch naiv sind? wenn sie noch unentwickelt sind? da stellt sich diese Ratlosigkeit ein, dass einer immer urteilt mit seiner eigenen bornierten Normalität, die er ja eigentlich schon hinter sich gelassen hat, nebenbei, wenn er richtig auf diesen Standpunkt geraten ist – das war der Fehler an dem Konstrukt von 3f – da stellt sich jetzt diese Ratlosigkeit ganz anders dar – sie ist nämlich jetzt informiert und eines besseren belehrt, wenn er sich tatsächlich einmal die Geschichten vor Augen hält und die Haltbarkeit der Projekte, die da Generationen-übergreifend, als Individualitäten, als Vorhaben unbestimmt grosser Gruppen gleichzeitig und nacheinander Lebender, verfolgt werden.
Da kann er die Rahmenwerte, die da involviert sind, durchaus nach ihrer Qualität anordnen, also wird er auch mal feststellen, dass es diese Rahmenwerte in negativer Richtung gibt – die Gefahrschätzungen, die Bedrohungen, mit denen gerechnet wird, und andererseits die Vorstellungen vom Optimum, was bestenfalls erreichbar ist, was man sich zu erreichen zutraut – das sind jetzt keine reinen Mess-Werte, die rein energetisch als „soundso viel Glück ( kann man errreichen, egal in welcher Form und mehr geht nicht“, mit einer Masszahl versehen und beziffert werden – sondern das Optimum hat ja einen Namen in den Projekten, es gibt ja etwas, das man sich vorstellt, bestenfalls erreichen zu können – da gehen natürlich auch die ganzen Mythologien mit ein… und das heisst, die Vorstellung eines besseren Besten – besser als die Vorstellung eines weniger Guten, rückt in den Blick, und natürlich auch die schon längst, wahrscheinlich viel früher bereits, etablierte Vorstellung: was kann nicht alles passieren, womit müsste man nicht alles rechnen, im schlimmsten Fall?.. sodass eine Art Skala entsteht… die in der Mitte lauter Unhaltbares enthält, womöglich sogar schlechtes das sich als gutes erweist, gutes das sich als schlechtes erweist… aber nach den Extremen hin zugleich immer haltbarer ist, und das ist jetzt der theoretische Nachvollzug dessen, was ich im voraufgehenden Vortrag die Selektion genannt hatte, also hier wird die Selektion mal wirklich (reflexiv!) auf den Begriff gebracht, und zwar so, dass eben die höhere Haltbarkeit der vorsichtigeren Einstellungen einerseits, und der weiter reichenden aber auch dadurch weiträumigen Optima, Optimalvorstellungen, sichtbar wird. Das, was hier vor allen Dingen in den Blick gerät, ist die Unhaltbarkeit der ganzen Zwischenpositionen. Das heisst also hier zum ersten Mal, und zwar interessanterweise versehen mit ihren Bedingungen, oder den Inhalten, hatte ich vorhin schon mal gesagt, treten jetzt die beiden Fundamental-Einstellungen des RELigiösen Lebens und des Weltverhältnisses zusammen auf, in Kombination, nämlich als ein maximal Auseinandertreten des Rechnens mit dem schlimmsten und mit dem Besten, und die Kategorien selbst heben sich heraus. Das heisst also… es wird tatsächlich deutlich, dass eine haltbare Lebensform sich letztlich an solchen Zielmarken orientieren muss, an einem Best-Denkbaren, das eben letztlich am wenigsten einer Veränderung unterliegt, weil es eben auch nicht widerlegbar ist, sondern erstmal bis zum Beweis des Gegenteils aufrechterhalten werden kann und das Längst-Überdauernde ist und das Umfassendste, unter dem sehr vieles stattfinden kann, was einen enttäuschen kann oder auch beglücken, aber völlig egal, es bleibt dabei, dass dies das eigentlich Haltbare ist, und umgekehrt, dass das Rechnen mit allem eben einen immer vorbereitet sein lässt darauf, dass auch etwas Schlimmes passieren kann, und man dann daran auch nicht verzweifelt, weil man Reserven hat, und nie ausgeschlossen hatte, dass derartiges passieren kann.

13.
Also das, was was man im Griechischen den Chorismos nennt, die Abgetrenntheit des Optimums von jeder Praxis – das wird hier tatsächlich gedanklich sichtbar, und das ist ein ganz wichtiger Punkt: Hier wird also nicht mehr bloss empirisch operiert, sondern irgendwann verselbständigt sich das auch, und spätestens, wenn diese Kategorien eines Bestdenkbaren und Längsthaltbaren, eines über alle Wechselfälle weg sinnvollerweise (bis zur Widerlegung) als möglich annehmbaren Inhalts und ebenso die Vorstellung von dem, was einem (womöglich jederzeit) schlimmstenfalls zustossen kann – wenn also diese Begriffe gebildet sind, und der Vorstellungs-Raum dazwischen ausgefüllt ist mit hypothetischen Denk-Möglichkeiten, die allesamt durchaus sein können, aber nicht das letzte Wort sind – dann kann man sagen, sind wirklich Pfeiler eingeschlagen, die einen Grund liefern, diese Einstellungen sich nicht mehr im Verhältnis zu, oder als Mediator zwischen Individualitäten, die sowieso unhaltbar sind, zueigen zu machen. Und darin besteht dann wiederum auch (a fortiori) das Scheitern des empathisch-vermittelnd gewordenen Moralisten: Was soll er denn noch anfangen mit all den Leuten, die sich mit ihren unhaltbaren Gewissheiten in diesem Zwischenreich bewegen – er ist über diese Leute hinaus, und wendet sich seinerseits, allein, der Welt mit diesem seinem neuen Kategoriensystem zu. Das wäre also die bisher reifste (nämlich 5.) Version, in der ein ursprünglich normalplanerisch ansetzendes Vergesellschaftungskonzept sich von dieser Vergesellschaftung WEG wendet (nämlich weg von den Kategorien, die es da bisher benutzt hat, und weg von dem daraus resultierenden Weltverhältnis), und der kritischen Betrachtung der Art seiner Stellung und überhaupt aller Personen in der gleichen Welt ZU.

14.
Es ist jetzt Gelegenheit, noch eine kleine Korrektur anzubringen im bezug auf den vorhergehenden Vortrag, den habe ich nochmal angehört, und an der Stelle Min 13 (im Transkript: kursives Ende Abs. 3) oder kurz davor war die Rede von diesem Unbedingt-Werden, das in Gefahr ist, wieder unter Bedingungen zu treten – weil es rein physische Glückserwartungen und Gelingenserwartungen zum Inhalt hat, und „Ausmasse“ an Gefahrdrohungen (mit denen zu rechnen ist bzw eben nicht zu rechnen sein soll), die sich aber garnicht mehr mit irgendwelchen Inhalten verbinden. Und das war natürlich deswegen ein Fehler, weil man so natürlich nicht zu RELigiösen Inhalten gelangt, und so stellt das natürlich keine Erklärung für dieses spezifische Element des RELigiös gewordenen Weltverhältnisses dar; die korrekte Antwort darauf haben wir erst jetzt: die Nichtmehr-Bedingtheit ergibt sich aus der Maximalität, aus der zweiseitigen Un-Überbietbarkeit der Vorstellung: einmal des Schlimmsten, was mir überhaupt passieren kann – ja wohl ich kann umgebracht werden, ich kann sterben…da kann ich nun dauernd dran denken und mich drauf fixieren – ja das kann ständig passieren, aber soll ich deswegen jetzt Selbstmord begehen? soll ich deswegen mich vorzeitig und ohne Not ruinieren? zum andern das unüberbietbar Beste, mit dem man weiterhin bis zum Beweis des Gegenteils rechnen könnte – man weiss es nicht, es ist aber sinnvoll das anzunehmen – schon allein diese Konstruktion – ich investiere nicht übermässig, denn ich muss ja vorsichtig sein – andererseits aber schliesse ich  das unüberbietbar Bestdenkbare nicht aus, das ich bis auf weiteres hypothetisch annehme, und das ist dann durch alle Wechselfälle hindurch, die in seinem Rahmen stattfinden könnten, nicht mehr erreichbar für irgendeine Bedingtheit, es ist allgemein gültig für ALLE Fälle, es ist UNBEDINGT – und natürlich wird sich dann herausstellen (das war ja die Prognose des letzten Vortrags, über die wir noch genauer sprechen müssen), dass das Vorstellungen einer ganz bestimmten Art sind, und zur Not bastelt sich der zum RELigiösenPionier gewandelte ehemalige Universalmoralist eine solche Vorstellung selber.
Da könnte man ohne weiteres all die Philosophen der griechischen Klassik einsetzen, Sokrates, Platon usw – die haben an solchen Vorstellungen gearbeitet und zwar mit einem solchen Übergang: Wie sieht der ideale Staat aus? das ist die Frage gewesen, mit der Platon gestartet ist – das kann doch nicht so weitergehen hier, was wir erlebt haben, die vormals strahlenden Athener, die allen andern überlegenen Griechen – sie zerlegen sich selbst in einem 30jährigen Krieg, und an dessen Ende stehen sie vor einem Scherbenhaufen, wie konnte es dahin kommen, und was ist eigentlich richtig? das war eine moralische (politisch-ethisch-normative) Fragestellung.. und dann endet er in einer Metaphysik und einer Frage: Wie ist eigentlich die Welt, und wo ist überhaupt etwas Haltbares (nebenbei auch die Ausgangsfrage in Descartes Meditationen)? Mit diesem Haltbaren kann man vielleicht auch eine unbedingt einleuchtende (moralische, politische) Forderung an Leute begründen – aber die Frage, was überhaupt durchgehend haltbar, unbedingt ist und nicht diesen Wechselfällen unterliegt – die war da auf jeden Fall extrem wichtig. Und natürlich haben das schon lange vorher in anderen Gesellschaften und Regionen Leute gedacht, und natürlich kommt man auf andere Pioniere, die ihrerseits Konstrukte erschaffen haben von Bestdenkbarem, das haltbar bleibt durch alle Wechselfälle hindurch – das sind dann Inhalte, die unbedingt sind, absolut gelten, durch alle Wechselfälle hindurch.

15.
Und ein letztes jetzt noch, auf das wir vielleicht später noch einmal zurück kommen: Wir hatten noch diese Überbietung, wir hatten als 5.Stp die Empathie als Vermittlungsform – die Kontrahenten sollten sich einfühlen in den andern, sie wurden dazu aufgefordert, es wurde ihnen vorstellig gemacht: Schau wie er sich fühlt… was das bedeutet, wenn er das nicht bekommt, wenn du nichts abgibst – und das erinnert etwas an die Reflexionen des 2.Standpunkts, aber da geht es nicht mehr um die EIGENE Entschlossenheit und Motivation gegenüber der der Andern, sondern es geht durchaus um das Leiden der ANDERN – das Einfühlen darein, was es bedeutet, etwas nicht zu haben – das eben ein Wohlstandsgefälle und ein Mitleiden damit begründet, und damit auch den Willen zum Ausgleich der Verhältnisse motiviert – also es soll dann jemand tatsächlich etwas abgeben, sodass der andere ihm gleichgestellt wird. Und daran – wie er diese Vorstellung davon, welche Gleich-Stände zunächst Ungleiche erreichen könnten und wie man das vergleicht, also wie man auf der Grundlage ihrer Gleichheit als Personen sie vergleichen könnte – an der ist ja eigentlich immer der Normalplaner gescheitert – und die beste Einfühlung heisst nichts, weil eben tatsächlich immer das (Mit)Gefühl gebunden war an eine bestimmte Normalität, Normalverhältnisse, Erwartungen, die der andere nicht teilen, nicht einsehen muss… sonst hätte er ja schon längst moralisch gehandelt. Und da kommt jetzt natürlich etwas ins Spiel, was ebenfalls bei dieser universalen Betrachtung von dem Standpunkt aus, den der moralisierende Überflieger, der RELigiöse Pionier einnimmt, in den Blick kommt, nämlich: dass das Lernen der Normalplaner sich eben nicht orientiert an solchen GEDACHTEN Möglichkeiten und sie prüft und erwogen hat, sondern dass es immer diese Überwältigung durch enttäuschte Erwartungen ist, die Anlass zu einer Läuterung, zu einer Reue, zu einer Neu-Justierung der Erwartungen führt. Und das heisst, dass dieses Missverhältnis: Man kann immerzu enttäuscht werden – Übrigens spielt hier ja nochmals auf den drei unteren Stufen eine Rolle, dass diese Enttäuschbarkeit ins Zentrum des Verständnisses der RELigiös Gewordenen von dem Fehler, den die andern machen, rückt. Also ihr Bild davon, was eigentlich den OPPortunismus ausmacht oder ihren eigenen, im Rückblick – selbst wenn sie ihn jetzt noch nicht abgelegt haben sollten – da wird ihnen nun deutlich, dass sie selber sich den Blick auf diese gedachten Extrem-Inhalte verstellt haben durch ihre „Gier“ (Gier ist natürlich immer eine nachträgliche Aburteilung von etwas, das ursprünglich sehr natürlich und naheliegend erschien..) also ihr Fixiertsein auf bestimmte Möglichkeiten und die Sicherheit ihrer Erwartungen… die Sicherheit müssen sie aufgeben, im Rückblick sehen sie (und da wird ihr Blick tatsächlich frei!) – sie haben diese Geschichte nicht selber absolvieren müssen, sie haben sie uU absolviert an den Geschichten anderer, von denen sie gehört haben – aber jetzt entdecken sie das als das zentrale Hindernis, das ihren Blick verstellt hat auf die eigentlichen Möglichkeiten in der Welt: dieses Fixiertsein aufs Bewährte, dieses affektive Überwältigtwerden können durch das Unerwartete. Genau das ist dann tatsächlich auch der Gegenstand der RELigiösen KRITIK an den Normalplanern, denn man könnte sagen: Ja, das ist jetzt tatsächlich etwas Unvermitteltes – hat man denn jetzt tatsächlich den Fehler, den die machen, nämlich sich eben nicht mit diesem Bestdenkbaren zu beschäftigen, es nicht zu suchen, die Kategorie überhaupt nicht zu haben, so wenig wie die dessen, womit man im schlimmsten Fall rechnen kann und muss, und schliesslich fehlt ihnen dann auch die Kategorie der vorsichtig (angesichts all dessen) aus immer wieder neu, aus Wissen um Umgebungssachverhalte und körperlichen, physisch angelegten Möglichkeiten, zusammengesetzten Praxis – dass sie diese drei Kategorien nicht haben – ist es nicht das, was in der Predigt der RELigiös gewordenen Pioniere und gescheiterten Moralisten (die natürlich nach wie vor das Mitleid als eine Vergesellschaftungsweise hochhalten, aber nicht mehr für das Eigentliche erklären können) ausgesprochen wird, also der RELigiösen Kritiker des Normalplanens: Es ist ihre Gier, im Sinn der ausschliessenden Fixierung auf bestimmte Möglichkeiten, die all ihre „Laster“ erklärt. Welches Verhältnis diese Kritiker nun tatsächlich zu den Nicht-RELigiösen haben, das werden wir noch viel genauer anschauen müssen, und auch, was sie denn jetzt selber untereinander für Vergesellschaftungs-Konzepte ausbilden – und das soll es jetzt erst einmal gewesen sein in dieser ersten, fast möchte man sagen: Tour de force, weil ich über all diese Dinge wahrscheinlich noch viel genauer nachdenken muss.
Mir fällt noch ein, dass es natürlich auch ein Scheitern auf der Stufe der Staatlichkeit und der Interessen, und der Interessengefüge gibt, und das ist, dass die Konflike dort einfach nicht aufhören… das wird dann zur Moralität.. wie man ja auch sagen kann, dass die Gewalt, die auf dem 1.Stp des Normalplanens so nahe liegt mit der Erfolgsgewissheit, immer fort weiter auftritt, bis hin zum Staat, jenseits bewegen wir uns ja auch garnicht mehr in einer realsierbaren, sondern nur noch in einer gedanklichen Welt – selbst wenn alle Moralisten wären, sieht man ja, dass sie ihren Moralismus garnicht als verallgemeinerbare Vergesellschaftungsform sinnvoll aufrecht erhalten können, sondern sich einem Weltverhältnis zuwenden, das nicht ihr ursprüngliches war.

Soweit heute.