Teil II



Vortrag 5b

Es ist jetzt eine Art Kulminationspunkt in den Vorträgen erreicht, darum weil zwar jetzt die gesamte 5×3 Tabelle sich entfaltet, aber es damit auch relativ komplex wird, und man sich fragen muss, ob das eigentlich noch nachvollzogen werden kann. Aber probieren wirs.

1.
Wir haben zwei Spalten, die normalplanerische und religiöse, als Vorbild, und ich hoffe, es ist einigermassen einsichtig gemacht worden, dass eine kulturelle Etablierung der Folge-Mentalität erst möglich wird, wenn tatsächlich die Spalten der Vorepoche bzw der Vor-Mentalität bis zum Ende, also ihrer 5.Stufe, abgearbeitet sind. Das Ende bestand ja jetzt zweimal darin, dass der Mangel der Vorepoche ihren Bewohnern am Ende bewusst wird, also denen, die sich durch die zu ihrem Weltverhältnis gehörende Spalte ganz hochgearbeitet haben. Für die Moderne, als dem jetzt dritten Fall dieser Art, habe ich das bislang noch nicht gezeigt – das wäre jetzt nachzuholen. Im vorausgehenden Vortrag 5a war nur Darstellung der naturwüchsigen Form von Modernisierung gegeben worden, nämlich so, wie sie sich darstellt, wenn sie nach ihrem „genuinen“ Entstehen ins normalplanerisch-Gläubige (durch die religiöse Spalte als Zwischenform) zurückgefallen ist. „Zurück“ heisst eigentlich, es ist schon erreicht gewesen; aber da ist dann schon ein erstes Problem. Es ist nämlich garnicht unbedingt gesagt, dass die moderne Mentalität sich real, tatsächlich GENUIN in einer Praxis ausprägt (dasselbe gilt, jetzt nachholend gesagt, auch für Religion). Das heisst, die Befreiung vom normalplanerischen Denken oder, noch weitergehend, vom Religiösen, geht noch lang nach deren kulturellen Etablierung weiter, und muss in unzähligen Bildungsgängen, nur jetzt halbwegs „gebahnt“, nachvollzogen werden. (Gebahnt heisst, etwa, dass es in irgendwelchen Schriften steht, die sie studieren, oder enthalten ist in Prinzipien, die ihnen gepredigt werden, oder von Vorbildern in ihrer Umgebung gelebt wird usw.) Das ist in der Moderne nicht anders, sodass wir also, wenn wir die moderne Spalte beschreiben, diese Schwierigkeit bekommen, die wir schon teilweise in der religiösen Spalte gesehen haben, und das ist, dass die Positionen real überwiegend nur noch in zurückgefallener Form eingenommen werden. Ausser die erste Stufe der Moderne-Spalte – die gesamte erste Zeile überhaupt dieser ganzen 3×5 Tabelle kann ja durchschritten werden und die Stufen von Leuten eingenommen und ausgebildet werden, auch in diesem naturwüchsigen Sinn, ganz von selbst, ohne grosse Kämpfe, vorausgesetzt: sie haben sich tatsächlich vom Normalplanen freigemacht, und vorausgesetzt: sie haben sich auch noch über die religiöse Borniertheit hinweggesetzt, und hatten dazu Anregung.

2.
Die Art und Weise, wie das geschieht, hatte ich ja schon beschrieben: Sie sind einfach überwältigt von der Vielfalt der Wirkmöglichkeiten, der Techniken aus aller Welt, die bei ihnen zusammenströmen, und andererseits, von den möglichen Wunsch- und Sehnsuchts-Lebensformen, die man sich zueigenmachen kann, noch ganz unabhängig von der Frage ihrer Übertragbarkeit in die eigene Praxis, oder Realisierbarkeit in der eigenen Praxis. Beides sollte, im Resultat, führen zu den bekannten beiden „Ausfaltungen“ der traditionalen Lebensform und -führung, WARUM und WOZU, und zu ihrer auch nur schon gedachten oder vorgestellten Variierbarkeit, in solch einem Mass, dass sie daran schlichtweg zerbricht. Die Frage war, auch schon im Zusammenhang mit Religion und ihrem Scheitern, ob eine solche Einheit überhaupt je noch einmal hergestellt werden kann, angesichts dessen, dass die unendlich-vielfältigen neuen Techniken und Lebensformen derart frei variabel-wähl- und kombinierbar erscheinen. Und das, was da ausgefaltet wird, war nach der einen, der WARUM-Seite hin in gewissem Sinn die Systematisierung des Fragens nach den Bedingungen der ansonsten konstant genommenen, technisch verwertbaren Kausalzusammenhänge – das sollte die Naturwissenschaft sein. Und nach der andern, der WOZU-Seite hin die Entdeckung von sinnvollen Erweiterungen der eigenen Lebensmöglichkweiten, der ERlebensmöglichkeiten, auch über das blosse Sich-Reproduzieren in einer Position hinaus. Sobald diese Möglichkeiten tatsächlich in einer anspruchsvollen Weise gesellschaftlich sich anbieten, als eine Option nämlich, für einen Entscheider (denn als solche starten zumindest in der kulturell fest verankerten Moderne die nun über sich aufgeklärten Individuen) – führen sie ihn in ganz verschiedene Richtungen, nämlich einmal in das System der Kausalzusammenhänge, der aufeinander aufbauenden Elemente und Element-Zusammensetzungen, wo die Wirkungen der Zusammensetzung aus den Wirkweisen der Elemente abgeleitet werden. Dies naturwissenschaftlich-analytische Natur-Zerlegen in Elemente führt allerdings in ein ganz anderes System und eine ganz andere Richtung, als wiederum die Systematik der technischen Wirkmöglichkeiten, die Systematik der Technologien. Die sind nämlich bezogen auf Effekte, die wir hervorbringen (oder auch unterbinden!) wollen (und auch können!), und diese Systematik der selbst-erzeug(- oder verhinderbar)baren Effekte hat vorrangig etwas zu tun mit unserem Vermögen, sie zu erlernen, einzuüben, auszuüben… das ist eine ganz andere Systematik als die der blossen Kausalzusammenhänge – in Wirkzusammenhängen kann man ja völlig verschiedene elementare Kausalzusammenhänge bündeln, im bezug auf einen Zweck, man kann das selbe Problem so oder anders lösen, und das allein schon begründet die Tatsache, dass Techniken, Könnensformen, verfügbare Verfahren, Materialien Materien, Geräte… eine andere Systematik aufweisen, nämlich eine die auf mögliche Zwecke und Wirkungen bezogen ist, als die Systematik der Elemente aller Zusammensetzungen, Elemente aller Materien, aller Komplexgebilde, und natürlich speziell aller Systeme, die wir nicht so ohne weiteres zerlegen können, und wo es in technischer Hinsicht, wenn man das in dieser Hinsicht überhaupt verwerten kann, allenfalls um vorsichtiges Beeinflussen und Lenken, ansonsten aber um Prognostiken geht, statt um Kontrolle im Vollsinn (erzeugen und unterbinden, wie man will), also Techniken. Aber diese Prognostiken, die oft noch der Wissenschaft zugerechnet werden, und die natürlich auch etwas betreffen, an dem wir Interesse haben, wie zum Beispiel Wetter, oder Gesundheit und Krankheit (vgl. Labormedizin), diese Prognostiken spielen natürlich auch eine Rolle beim Wirken, speziell wenn wir uns IN einer Umgebung aufhalten und dort Voraussetzungen, entdecken wollen, Anzeichen dafür, dass etwas passieren, Anzeichen dafür dass etwas zu finden ist und dergleichen, sodass sich also die Prognostiken (zB Tests) ohne weiteres in die Systematik der Techniken und des Knowhow einfügen.

3.
Nach der andern Seite hin, also da, wo wir die garnicht mehr sichtbare Grenze, die da aufgebrochen ist, den „Bruchspalt“, einfach so überschreiten nach der Seite des Produzierens – da ist es nun so: Dass man, wie in 2. gesehen, zwar eine explodierte Vielfalt an ganz verschiedenen Techniken hat, einen riesigen Werkzeugkasten (anfangend bei den unendlich vielen vormodernen Techniken aus aller Welt); aber natürlich muss auch der moderne Mensch immer noch leben und überleben, es muss arbeitsteilig für viele mitgesorgt werden, die was andres machen, die Techniker und Wissenschaftler müssen ja auch ernährt werden, und noch einige andere in der beginnenden Moderne, es muss also produziert werden. Es muss vor allem technisch fortgeschritten produziert werden und immer fortgeschrittener, der Bedarf steigt, und das findige Einführen immer neuer Produktionsweisen beschäftigt natürlich einen eigenen Stand, die geschäftstüchtigen Produzenten, Unternehmer, oder auch die staatlichen Planer in den nachholend sich modernisierenden Gesellschaften, die, vielleicht mit Kredit, wie auch immer, eine Neu-Produktionsstätte, eine Idee umsetzen, wie man etwas noch besser machen kann, und auch vielleicht etwas viel effizienter als vorher herstellen kann, mit weniger Ressourcenverbrauch. Und diese ganze fleissige (daher kommt ja das Wort Industrie, eingedeutscht als: der Er/Gewerbsfleiss), diese ganze früh industrialisierte Welt, die lässt so viele Bedürfnisse offen, sie lässt Wünsche und (oft kompensatorische) „Bedürfnisse“ entstehen, und diese Ausfaltung geht also nun nach der andern Seite hin – was könnte man denn in diesen ganzen Leben, Lebensformen verbessern, was könnte man anders machen, was möchte man, speziell: was möchte man erleben, was möchte man NOCH erleben – das greift also nun tatsächlich nach dieser Seite hin aus, und da könnte man nun in ganz verschiedene Rubriken fassen, was dort stattfindet, teilweise ist es bürgerlich sogar nochmal mit den Unternehmen und Unternehmern assoziiert, sie sind Visionäre, die Möglichkeiten sehen, die andere nicht sehen, wie man leben könnte, was man nutzen könnte, was es alles Nützliches geben könnte, mit den vorhandenen Techniken Herzustellendes. Aber es gibt eben nicht immer bloss „zu Machendes“, sondern auch „zu Erlebendes“, und das kann stellvertretend für andere geschehen, und wird dann geleistet von im weitesten Sinne Künstlern, Menschen, die Bericht erstatten von ihren Erlebnissen, auch fiktiven natürlich, aber auch realen Reisen, oder Reisen nach innen, das sind dann zB auch Romanciers, Dramatiker, Filmemacher oder sonst psychologisch Geschulte, also alles das Ästhetische, das Bereiche erschliesst, des Erlebens und Lebens, dann aber natürlich auch utopische, noch garnicht realisierte Möglichkeiten des Produzierens, natürlich auch des technischen Könnens, da denkt man an Science fiction, vielleicht sogar an erschlossene Formen dessen, was hinter den Dingen stehen könnte, selbst das könnte man sich durchaus dort angesiedelt vorstellen, das geht normalerweise sogar in der Wissenschaft selbst weiter, dies Konstruieren utopischer Kontroll-, Wissens- und Könnensformen; aber man könnte auch von weit her kommend an die Wissenschaft Fragen oder Forderungen stellen, und die Wissenschaftler und Forscher machen sich daraufhin auf den Weg und untersuchen das anschliessend. Diese Sphäre könnte man also jetzt vorläufig die ästhetisch-visionäre nenne, und damit haben wir erstmal (wieder, wie schon im ersten Vortrag) vier, wie ich sie nenne, Wertsphären gefunden, die aus der ursprünglichen einfachen weit zurückgenommenen Zisammenfügung zu einer traditionalen Lebensform aus einem Inventar an Techniken und zugehörigen Lebens- und Produktionseinrichtungen hervorgehen, durch die beiden genannten „Ausfaltungen“.

4.
Wenn wir jetzt die Materien, die Inhalte anschauen, die von diesen beiden Ausfaltungs-Polen her in die je andere Richtung fliessen, dann sehen wir eigentlich eher zwei fortbestehende Fluss-Richtungen einer andauernden Erweiterung, das eine ist das Erweitern der Kenntnisse, der Materien und Elemente, was gibt es alles in der Welt? mit dem alles andere, alles Technische und Prognostische, alles Produktive, ja sogar noch das Ästhetische, schliesslich sich beschäftigt, worauf also alle anderen Praktiken aufbauen, und deswegen nenne ich das das Fundierende. Die fundierenden Wissens-Materien kommen von der Wissenschaft, und die Wissenschaft, die Forschung schaut da gewissermassen von dem bereits erreichten Wissen aus ins (Rest-)Unbekannte hinüber. Das ist also eine Grenze, die ständig hinausbewegt wird, aber eine Grenze, die – in praktischer Hinsicht – durchaus erinnert an die zwischen Technik und Wissenschaft selber, also die Wissenschaft hat selber noch eine äussere Grenze, wo sie sich mit dem Unbekannten beschäftigt, und andererseits mit der Systematik, mit sich selbst, mit dem bereits erarbeiteten, das man nun vervollständigt und zu verstehen versucht, wo man experimentiert und wo es insofern zwar auch um unbekanntes geht, aber eben schon für offene Fragestellungen Erschlossenes, wohingegen das ganz Unbekannte, auf das man hinausschaut, ein Jenseits ist, auf das man aber immerzu weiter zugeht. Und genau ein solches Jenseits gibt es auf der andern Seite auch: die ganze Kultur, die sich aus diesen Wertsphären herstellt – ist natürlich unvollkommen, die ist nicht nur materialmässig unvollkommen, sie muss nicht nur mit fundierendem Material, das aus dem Restunbekannten erschlossen ist, immerfort weiterfragen: was steckt dahinter, was ist die Bedingung.. (Man erinnert sich jetzt vielleicht wieder an die beiden Prinzipien des Suchens, diese ganz groben Prinzipien: das der Konstanz der Elemente und das andere die Frage nach den Bedingungen, die sie vielleicht zerfallen bzw entstehen lassen, und in was sie da zerfallen bzw aus was entstehen. Die Grenze  wird also immer hinausgeschoben entlang dieser Fragestellung nach der einen Seite hin, und nach der andern Seite schauen wir auch über eine solche Grenze, als Ästheten, als Menschen, die eben immer weitere Erlebnismöglichkeiten suchen, und haben dort ebenfalls eine Sphäre des Ausdehnens, vor allem auch, wenn es um Künste geht, eines Genres, dem man gefundene Ergebnisse gerecht macht… aber auch eine des Hinaustreibens dieser Grenze, eine Mehrung der Erlebnisse… und derjenige Pol, der da in einem fort zwar die Vision lenkt auf das bislang noch nicht Erschlossene, der aber nicht weggeht, weil es keine Vollständigkeit gibt… das ist, so könnte man sagen, der SINN. Also das Sinnvolle, das sinnvoll zu Lebende und zu Erleben Lohnende, das dort erschlossen wird, das ist dieser andere Pol, und wir brauchen uns jetzt eigentlich bloss vorzustellen, dass jemand in dieser Frühphase der Moderne von irgendwoher aufbricht, nach einer der beiden Seiten, oder von ihr kommt, zum Beispiel von der fundierenden Seite, und man macht, als Forscher, eine Entdeckung, die technisch verwertbar ist, schon in der nächsten Wertsphäre also, und dann macht man eine Produktionsstätte auf als Unternehmer (alles männlich…), und dann entwickelt man darüber hinausgehend, Visionen, was man mit dem Produkt machen könnte, was man daraus machen könnte, wie man es verwenden könnte, oder was für Anschluss-Gerätschaften, was für Anschlusstechniken da möglich wären. Es ist immer schon sehr früh auf die technische Fundierung einer möglichen Lebens- und Erlebensfähigkeit gerichtet, und damit ist auch gesagt, dass die Sinn-Produktion, wenn ich das mal so nüchtern sagen darf, natürlich nicht in ihrer Wertsphäre bleibt, sondern deren Produkte wandern ja in die Reproduktion und Produktion hinein, stellen Anforderungen an Techniken, und an Fragestellungen, denen die Wissenschaft nachgehen könnte, sodass man sagen könnte, der Sinn strahlt von diesem Sinnpol aus auf die andern Wertsphären und wird dort quasi importiert, normalerweise über die zwischenliegenden Wertsphären, und umgekehrt wird das Material, das aus der Forschung herausquillt, technisch verwertet, produktiv umgesetzt, erschliesst Möglichkeiten technischer und produktiv verwertbarer Art – man könnte etwa schauen, was die Fotografie, der Film zustande gebracht haben an Möglichkeiten, dann ahnt man, wie es da generell zugeht.

5.
Also das Fundieren ist eine Bewegung von dem Material-liefernden Pol, dem Fundament, dem fundierenden Pol ausgehend bis hin zur Sinnfindung, und umgekehrt das Sinn-Definieren und Sinn-Erschliessen wirkt sich aus rückwärtsgehend bis hin zu dieser Fundierung, und gibt ihr Aufträge. Und jetzt also nochmal: Wenn ein solcher frühmoderner Forscher, Techniker, Erfinder, Unternehmer unterwegs war, dann war es durchaus möglich, dass er im Laufe seines Lebens sich nicht bloss in einer Wertsphäre aufgehalten hat, sondern es war ja nun gerade die Pointe, dass man vom Fundierenden entweder mit einer bahnbrechenden Kenntnis, die technisch verwertbar war, aufbrach in Richtung ihrer Überbietung durch Sinn-Erschliessung und neue Ideen, wie man das alles noch weiter ausgestalten könnte, oder umgekehrt, jemand hatte eine zündende Idee, ein zündendes Erfordernis, ein Bedürfnis erschlossen, das ihm gesellschaftlich begegnete, und suchte nach etwas, nach einem Material, nach einem Gerät, das ein bestimmtes Problem lösen konnte, und war vielleicht besessen davon, das ist auf jeden Fall eine mögliche Karriere, die jeder frühmoderne Mensch, der überhaupt dafür freigesetzt war (das war natürlich schon etwas Privilegiertes), zurücklegen konnte. Diese freie Beweglichkeit der Tätigkeiten und der Werteorientierungen dieser Tätigkeiten ist jetzt etwas, das sich erstmal über die Lücke in der Mitte einfach hinwegsetzt – die ist jetzt nur noch eine Grenze zwischen zwei Wertsphären, Technik und Produktion, zwischen diesen beiden geht es natürlich oft hin und her. Tatsache ist natürlich generell, dass moderne Menschen, genauso wie alle vorher, sich in der jeweiligen Wertsphäre und an deren jeweiligem Problemhorizont einrichten mussten. Also sie mussten natürlich auch mit ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten in irgendeiner Weise den Anforderungen gerecht werden, sie mussten Geräte, veilleicht erst noch relativ einfache, handhaben, sie mussten das gut können, sie mussten sich damit ausstatten und auskennen, sie mussten etwas lernen, und sich in dem Sinn damit einrichten, um überhaupt erstmal auf dem erreichten Niveau Forscher sein zu können, oder Techniker, Produzent, Visionär/Utopist – als Forscher oder Techniker mussten sie auch etwas über die jeweiligen Kausalzusammenhänge wissen, aber auch als Techniker etwas über technische Anforderungen in einem Handwerk, Gewerk, in einer Produktionssphäre, und als Produzenten mussten sie natürlich die vorhandenen Ressourcen kennen, sie mussten die Techniken kennen, sie mussten das alles kombinieren, und auch darauf mussten sie sich einrichten, sodass also – das will ich eigentlich sagen – wenn sie die Beweglichkeit ausnutzen wollten zwischen den Sphären, sie jedesmal ihren Lebensentwurf komplett abändern mussten – sie mussten sich auf immer neue Anforderungen einstellen, das Leben änderte sich für sie in verschiedenen Phasen ihres Lebens grundlegend, und manche haben das sogar mehrfach absolviert, und waren also ganz verschiedenes zu verschiedenen Zeiten ihres Lebens. Und das ist nun das, was man an diesen frühmodernen Abenteurern und Unternehmer-Naturen so unglaublich bewundert, und um was man sie vielleicht auch im Rückblick beneidet, eigentlich kann man sagen, ist dieses ganze Genre – dieses Wechseln, dieses GENIALE (das ist ja eins der Konzepte, die sich damit verbinden) – noch irgendwie vormodern, in solchen Figuren wie Leonardo oder Michelangelo ist das ja schon eher verkörpert als in Figuren aus dem 18.Jh., die natürlich auch noch die Sphären wechseln, man hat das dann auch später noch im 19.Jahrhundert bei bestimmten Erfindern, die später Geschäftsleute wurden, aber früher Forscher waren, oder noch später Bücher schreiben und Visionäre sind, solche Figuren mag es geben.
Es gibt sie auch in einer fast drolligen Form, in Gestalt dieser Boomer-Machos, im Spielfilm oder Werbespot, die sich als ehemalige Schulkameraden wieder begegnen und fragen, Was machst du, was hast du gemacht… die haben immer ganz verschiedenes GEMACHT in ihrem Leben und dabei die Sphären gewechselt, und jedes mal eben ein neues Leben sich eingerichtet, was aber zugleich nur provisorisch war. Und ich will noch einmal eine Gestalt erwähnen, die auch so ein bisschen an der Grenze steht, also frühmodern, renaissancehaft, das ist Faust (das Stück kann man ja als Modernisierungsdrama lesen), und der fällt bekanntlich genau dann der Verdammung anheim und stimmt dem auch bewusst zu, wenn er je sagen sollte, der Augenblick ist so schön, es ist so gut, jetzt kann man aufhören – man verweilt, „verweile doch du bist so schön“ – heisst: die Geschichte soll anhalten – und das ist undenkbar – der Fortschritt ist unaufhaltsam, der muss immerfort weitergehen, auch für die Leute die das am Laufen halten, die laufen selber, sie laufen die Wertsphären auf und ab, wie in einem nicht enden wollenden Staffellauf, und sie laufen durch Lebensphasen, produktive kreative Lebensphasen auf und ab, die sie immer wieder neu zwingen, sich neu einzurichten, wobei die Einrichtungen immer eine Grenze überbrücken müssen, deren Überbrückung eben in traditionalen Lebensformen sehr robust, sehr routinemässig eingerichtet waren (sodass sie garnicht auffiel), da wurde auch grossen Wert drauf gelegt, dass das funktionierte und dass das tradierbar war, und das machen die modernen in einer unglaublich prekären Weise, nämlich sich einen momentanen Alltag und einen momentanen Entwurf zusammenleimen aus dem, was sie können, und sich an Fähigkeiten zulegen müssen in der jeweiligen Wertsphäre, und Techniken, die sie beherrschen müssen, Wissen-wie, Wissen-was, auf dem ereichten Stand, dazu kommen all die kompensatorischen Bedürfnissen, die sich daraus ergeben, damit sie am Laufen bleiben, und all das andre, das sie als Sinn-Produzenten oder als Sucher nach Fundierungsmaterien auf Trab hält.

6.
Wir haben also einen Einzelmenschen, der sich eine prekäre Lebensform zusammenzimmert aus zu Wissendem, zu Könnendem, und andererseits Gewolltem, momentan verfolgtem Zweck, und der muss sich ständig ändern, wenn es diese Lebensform, die er da prekär ausbildet ad hoc, ständig abändern will und wenn er den Stoff, den er bearbeitet hat, in die nächste Wertsphäre überführt. Dort begegnet er ja einem schon vorhandenen Stoff, den er natürlich kennen muss, er muss zumindest wissen, dass er nicht das Rad zum zweiten Mal erfindet, die Technik usw nicht längst verfügbar ist, er will ja etwas neues beitragen und den Stoff vermehren, also muss er das bestehende kennen. Das Stadium, in dem wir ihn jetzt hier angesiedelt denken, ist natürlich schon ein unglaublich fortgeschrittenes, so fortgeschritten ist es bereits vormodern, das Ingenieurswissen, auch schon der Renaissance, war sicher sehr umfangreich und das, was da in einzelnen Gewerken bekannt war, etwa der Metallurgie, war schon sehr ausgefeilt und entwickelt, und anderen Spezialisten bereits nicht mehr in seinem ganzen Umfang bekannt, etwa den Architekten. Die Arbeits- und Wissensteilung war also da schon sehr weit gediehen, da braucht man nur nach China zu schauen oder anderswohin, auch ins Römische Reich, wahrscheinlich war es da auch schon so, also das fortgeschrittene Knowhow, und nicht nur das, die Ressourcen, der Bedarf, also etwa die Wirtschaftssituation wollten da jeweils auch gekannt sein von denen, die sich da in der jeweiligen Wertsphäre betätigen wollten – sodass allein schon dieses freie Sich-Bewegen entsprechend den eignen Ziel- und Wunschvorstellungen keine Selbstverständlichkeit war, also dass man da jeweils in die nächste Wertsphäre auf ihrem je entwickelten Stand eindringt und das Seine dort einbringt, so dass es Sinn macht. Diese Differenz zwischen dem kulturell-gesellschaftlich Verfügbaren, und dem individuell Erarbeiteten und jeweils zu Könnenden und Kennendem, geht von Beginn an ganz stark auseinander, die Differenz explodiert. Und diese Differenz, darauf wollte ich jetzt zu sprechen kommen, erinnert an etwas in der religiösen Spalte, nämlich an den Moment, wo der in Arbeitsteilungs-Zusammenhänge eingefügte, mit-denkende Planer sich die Frage vorlegt, wie denn aus verschiedenen Hypothesen, mit was versuchsweise zu rechnen wäre, die kollektiven Pläne erschlossen werden, und wie er da nicht mehr ohne weiteres seine Vergesellschaftungs- Optimal-Hypothese anwenden kann, nämlich dass wenn jeder nur an seiner Stelle in der Arbeitsteilung das Seine macht, daraus eben ein kollektiv sinnvoller Zusammenhang erwächst. Stattdessen ist hier völlig klar, wenn er nur auf SEIN beschränktes Wissen zurückgreift, wird er auch nur beschränkte Hypothesen fertigen, und der Plan, der da rauskommt und den er dann womöglich allen vorschlägt – der ist natürlich entsprechend mangelhaft begründet. In einen Plan für alle muss eben auch das (für Hypothesenbildung) relevante Wissen aller eingehen, soweit wie möglich jedenfalls. Und wie sieht das jetzt hier aus? Der Glaube, dass man nur vorübergehend sich durch seine Spezialtätigkeit von einem anwachsenden Bestand an Wissen Können Fähigkeiten Lebensmöglichketien ausschliesst oder es nachholen wird, und dass das gleichzeitig von andern Spezialisten in andern Wertsphären erschlossen werden wird, und man das zusammen konsumieren kann, das ist ja fast schon ein Kinderglaube. Und ich denke (das hatte ich schon irgendwo geschrieben im „Scheitern der Moderne“) – das ist ungefähr, was Jugendlichen, Kindern, Schülern vorgemacht wird, wenn sie sich spezialisieren, dass sie da gewissermassen nur vorübergehend sich mit einem Thema befassen, und einem Gegenstand, und dass andere Themen, von denen sie aktuell ausgeschlossen sind, später nachgeholt werden können. Aber das stimmt natürlich nicht, es ist eine Lüge. Die Spezialisierung ist in Wirklichkeit ein Ausschluss, eine schmerzhafte (Ab)Wahl, das zeichnet sich natürlich sogar schon vormodern ab, und umgekehrt, dass alle diejenigen, die trotzdem noch versuchen mitzuhalten, und sich dabei nicht so einarbeiten können, bloss noch Konsumenten und Dilettanten sind. Und diese Art, die Kluft zu überbrücken zwischen dem, was man selber treibt, und was die eigentlichen Kenner und Könner treiben auf der andern Seite, das für gewissermassen trotzdem hinreichend zu halten, ist in gewissem Sinn Ausdruck einer Naivität gegenüber der Notwendigkeit, Wissen und Können kollektiv zu machen, die den ersten beiden Stufen des religiösen Vergesellschaftungs-Optimismus und den dort unterstellten Optimal-Hypothesen bzgl Vergesellschaftbarkeit von Wissen entspricht: das aber ist kein genuin modernes, sondern bestenfalls religiös- oder idealistisch-modernes Denken.

7.
Und jetzt daran, an diese zu unterstellende reibungslose Wissens-Vergesellschaftbarkeit, ohne besondere Verständigung, – weil alle daran glauben, und es spätestens dadurch zur vorerst bewährten Normalpraxis geworden ist – auch noch bedingte Erwartungen anzuschliessen: Das lässt es dann endgültig ins Gläubig-Normalplanerische zurückfallen. In diesem Rahmen wird ja mit grösster Wahrscheinlichkeit der gesamte moderne Inhalt überhaupt gelebt, und in den fortgeschritten-problem-bewussteren (religiös-modernen, genuin-modernen) Bearbeitungsformen nur in Ausnahmefällen. Das heisst: Eine genuin moderne Lebensform oder Biografie, die sich auf dieser ganz elementaren zurückgenommenen ersten Stufe abspielt – also einer Lebensepisode, die sich an die nächste reiht, wo aber keineswegs die perspektivische Begrenztheit des Lebens und der biografischen Möglichkeiten sichtbar ist – eine solche genuin moderne Stellung zu und Umgangsweise MIT diesem Inhalt, den man da erfährt – die ist sehr selten, etwas sehr unwahrscheinliches, sehr virtuelles, beinah nur noch Gedachtes, und in einem gewissen Sinn, spätestens heute bereits, kindlich-lächerliches („das Kind im Manne“…?), komisches: Alles selber tun wollen, und damit noch ernstgenommen werden wollen – angesichts der fortgeschrittenen Möglichkeiten zu wissen, weiter alles dilettantisch selbst zu erschliessen, da fallen einem solche Figuren ein wie die ewigen Studenten, da gabs im 18.Jahrhundert einen solchen in Göttingen, der wurde dann mit weit über 70 zu Grabe getragen, und da waren beim Begräbnis dann alle Fächer und alle Fakultäten vertreten, die hatte er alle studiert, da war er überall drin gewesen, oder – natürlich dann schon sehr satirisch gewendet -, Bouvard und Pecuchet von Flaubert, das sind also die Dilettanten pur, die sich in alle Wissenschaften reinwerfen und auch jedesmal wieder rauskommen, und das natürlich niemals in irgendeiner Weise soweit bearbeiten können, dass sie da produktiv teilnehmen können, sondern immer nur konsumtiv, nachvollziehend, das Eigentliche ist schon von andern entwickelt, und dazu, dass sie selber beitragen, kommen sie garnicht. Das ergibt dann auch schon den Begriff des Dilettanten, also des Liebhabers eines Fachs oder einer Tätigkeit, die aber unernsthaft, uneigentlich ist, Steckenpferd, und zwar gewissermassen die Freiheit erlaubt, die man in Frühphasen der Modernisierung auch kennt von diesen frei beweglichen Unternehmern Technikern Erfindern Forschern, aber dafür eben nur noch das Unernsthafte übrig lässt, weil sie zu dem eigentlich wirksamen Tun der wirklichen Experten garnicht aufschliessen können. Und natürlich ist es die Stellung der Jugendlichen in der Moderne, der Schüler, die sich mal was erschliessen dürfen, mal bei Jugend forscht mitmachen dürfen und zeigen dürfen, was sie könn(t)en, das ist natürlich alles im Rahmen der vielen Achtungserfolge, das sind keine Profis, da gibt es historisch längst schon diese Figuren: den Experten, den Professionellen, gegen die das abgegrenzt wird. Demgegenüber sind sie Dilettanten im schlechteren Fall, sind blosse Konsumenten, Leute, die was nachvollziehen, die sich zu Unterhaltungszwecken von Populärwissenschaft was erzählen lassen, was aber auf derselben Stufe steht wie Romane lesen und fiktive Geschehnisse, Filme, verfolgen, weil das Potential, das sie in ihrer Freizeit haben neben ihrer eigentlichen Tätigkeit, auf die sie immer mehr zugehen, zu mehr garnicht ausreicht. Das ist da alles längst ganz selbstverständlich unterstellt. Und das Konsumieren wird ja nun normalerweise immer bezogen auf Güter, aber es erstreckt sich auf alle andern Produkte von Wertsphären ganz genauso, also das Konsumieren von anderswo Erlebtem, das repoduzierbar gemacht wurde, das für viele vervielfältigt worden ist unter einem Gesichtspunkt, das auf ihre Erlebenswünsche schon mal abgestimmt ist und darauf hin bearbeitet ist – dieses Konsumieren ohne zu (re)produzieren, ist eben auch in den anderen Wertsphären möglich, auch in der Wissenschaft, und dazwischen tritt dann immer das Aufnehmen der Bestände des jeweiligen Fachs oder der Wertsphäre oder des Fachs in der Wertsphäre, wo man sich ausbildet zum Experten, zum Spezialisten, der dadurch natürlich den vorhandenen Bestand auch kennen muss, ohne ihn produziert zu haben, aber das würde niemand konsumtiv nennen, sondern das ist dann natürlich schon das sich mühsam die Leiter hocharbeiten bis zur Spitzenstellung und zur Front der Sinn- oder Fundierungsbemühungen. Allerdings nur noch in dem betreffenden Fach.

8.
Und nun gibt es so etwas wie eine erste Kritik – es gibt sie in zwei Formen, nämlich einmal, was die Wissensmöglichkeiten angeht, fühlt sich spätestens jeder Nicht(mehr)schüler ausgeschlossen vom gesellschaftlich erarbeiteten Stand. Es kann schon sein, dass das alles irgendwo in Nachschlagewerken aller Art, Wikipedia usw sowie Bibliotheken niedergelegt ist, aber dann muss man wenisgtens wissen, wonach man sucht, da gehört schon sehr viel Bildung dazu (man hat davon „gehört“), oder da muss man aufmerksam sein oder muss man hingewiesen werden von andern mit Links, Literaturlisten, Übersichtswerken, Lehrbüchern usw – also der Ausschluss von dem gesellschaftlich vorhandenen Reichtum an Inhalten in vier Wertsphären – der ist unmittelbar erlebbar, und er ist vernichtend: Alle sind Laien auf allen Gebieten ausser ihrem (und selbst da haben sie Mühe mitzukommen…).
Und das gilt dann natürlich auch auf der anderen Seite für die Erfüllungs-Erlebnisse, die sich damit verbinden, das Glück des Forschens, die gesamte Sinn-Erfüllung durch tatsächlich produktives kreatives Tätigsein ist natürlich allen andern ausser denen, die da jeweils tätig sind, verschlossen.
Und da muss man fragen: Was für eine Art Mangel haben wir denn da festgestellt? Über den würde ich sicher noch einiges zu sagen haben, aber wir haben einen Faden damit aufgenommen, den wir abspulen können, und der uns höchstwahrscheinlich tatsächlich in die Reihe der Mängel bzw damit verbundenen Kategorien einführt, die man aufsteigend in den Stufen der dritten, der MOD- Spalte, wie auch immer zunächst gläubig verformt, gläubig überdehnt, entdeckt im Vollzug der fortschreitenden Epoche der Moderne. Denn auch die Moderne hat (behaupte ich) eine Mängelliste zu entdecken, und sie erschliesst sich wie die beiden andern Kolumnen/Spalten damit einen Bestand an Kategorien, die eigentlich unentbehrlich sind, wenn es um rationale Planung und Lebensplanung im Rahmen einer einer kollektiven Lebensform geht.
Wir haben übrigens diese Kategorien z.T. schon längst benannt – weil wir eben selbst in der Moderne leben, ist uns die Teilung unserer gesamten Planung, die Aufteilung unserer gesamten Planung auf Lebenseinrichtung, das Ganze des Lebens und die Biografie, also den Lebensentwurf im Rahmen der Lebensform einer Generation, auf das Biografien-übergreifende, das vor uns da war und danach weiterverfolgt wird, und zu dem wir einen Beitrag leisten, also die Individualität, und schliesslich die Frage: wie wählt man denn zwischen dem allen, wie erschliesst und gestaltet man seinen Lebensentwurf, das übergeordnete Projekt,wie richtet man sich dafür sein Leben ein – diese Teilung und Aufteilung und Fragestellung also ist uns sehr bewusst. Die ist uns aber nur deswegen so bewusst, weil wir historisch fortgeschrittene, gebildete moderne Menschen (in einer der fortgeschrittenen Industrieregionen) sind, und uns in Wirklichkeit bereits dieser Teilung unseres Planens und Wollens auf die verschiedenen Zeithorizonte bewusst sind. Also das wären die Kategorien, die in der MODerne zuverlässig erschlossen sind, und wir kennen sie so, wie wir die Kategorien und die Stufen des Entscheidens, nun mal kennen, also zumindest im Rahmen unseres Bildungsgangs sind sie uns bewusst, die Praxis-Kategorien auch, also alle diese Kategorien stehen uns zu Gebot, als fortgeschrittenen modernen Menschen, am Ende einer langen langen Vorgeschichte, die diese Kategorien auch tatsächlich explizit erschlossen hat und zum Bildungsinhalt gemacht hat. Allerdings ist das alles gar nicht so andauernd präsent oder gar so montiert wie ich es hier vorführe, aber präsent als zumindest Material, über das man weiter nachdenken kann, ist es durchaus; und es ist auch praktisch wirksam.

9.
Was genau ist jetzt also der Mangel und die womöglich gedoppelte Mängelliste? Man kann schon mal sagen: Das, was die allernaivsten Figuren bereits erfahren, die hier unterwegs sind, die Schüler, die Jugendlichen, ist: dass die Diskrepanz schier unendlich aufklafft zwischen dem, was anzueignen wäre, um Viruose zu sein, Experte, Spezialist in einem Fach, geschweige denn in einer ganzen Wertsphäre, und dem, was diese jungen Leute jetzt grade im Moment interessiert, was sie gerne machen und wissen wollen, oder was sie ihrer Meinung nach wissen sollten, vielleicht sogar; weil sie wissen, dass es das gibt, aber sie können sich nicht darum kümmern, weil sie etwas „ernsthaftes“ lernen müssen, das wird ihnen vorstellig gemacht: Wenn du hier was werden willst, musst du dich hier einarbeiten und kannst dich nicht für andres interessieren. Allenfalls vielleicht noch in deiner Freizeit, aber das ist nicht dasselbe, du kannst halt nicht zwei Herren zugleich dienen und nicht zwei Fächern, das schliesst sich aus. Diesen Ausschluss von bewusst verfügbarem Wissen, erfahren die einfachsten modern orientierten Gemüter auf Anhieb, also sobald sie sich nur ein bisschen in diese moderne Bildungswelt hineingewagt haben. Natürlich kann man auch noch was andres bemerken, nämlich: dass ihre Bedürfnisse in dieser Vereinseitigtheit sicher in irgendeiner Weise leiden werden. Da kann man immer wieder auf die Schüler zurückkommen, die werden ja auch zugeschliffen zu Menschen, die den Anforderungen der modernen Berufswelt gewachsen sein sollen (von der haben wir noch garnicht gesprochen), und diese Anforderungen sind natürlich ihren Antrieben, ihren Neigungen extrem zuwider und entgegengesetzt. Solange Menschen noch sich einbilden können, dass sie dasselbe in irgendeiner Weise erfahren wie die Spezialisten, indem sie sich dilettantisch was aneignen, können sie vielleicht noch ein bisschen was davon retten, können vielleicht ihren Neigungen nachgehen, vor allem, wenn sie ganz viel Freizeit haben und freigestellt sind, aber selbst dann ist das alles sehr beschränkt, und so eine Strecke zurückzulegen, von einer Fundierung, auf die man geraten ist, bis hin zu Fortschritts- und visionären Sinnhorizonten, die damit erschlossen werden könnten, indem man sich über Techniken Prognostiken vorgearbeitet hat zu einer Produktion und die eingerichtet hat usw – all das kommt heutzutage allenfalls mal (und dann meist medial aufgebläht) noch vor in absoluten Ausnahme-Biographien, etwa von Milliardären, wo jemand aus seiner Freistellung (und massenhaft Kapital, und politischen Einwirk-Möglichkeiten; das wird heute dann nämlich auch benötigt) tatsächlich, dem Anschein nach, noch einmal etwas macht, was der Aktivität eines frühmodernen Genies entspricht, als ob man das heute noch sein könnte, aber das ist ja der Inbegriff der meisten dieser Leute, die nicht bloss dilettantisch, sondern tatsächlich auf dem Stand eines Fachs sich fachgerecht bewegt haben, und dann durch die verschiedenen Wertsphären hindurch was Ernstzunehmendes geleistet haben, aber das ist heute die absolute Ausnahme.

10.
Das verfestigt und vervielfältigt sich jetzt natürlich, sobald wir in unserer fortgeschrittenen MODerne die höheren, also die existenziellen Zeithorizonte in Betracht ziehen. Der Schüler soll ja einen BERUF erlernen, und dass es das überhaupt gibt, dass es nicht bloss Spezialkenntnisse gibt, sondern auch Spezialisten und Experten, die dann was andres nicht sein können, sondern auf Experten aus andern Fächern angewiesen sind, oder auf Zuständige, die das machen, Produzenten oder Visionäre oder was auch immer… das ist ja nun schon die Tragödie der Vereinseitigten, der Fachidioten – sie sind ja Fachidioten oft schon in ihren Fächern – sie kennen ja oft nicht mal das, was die Kollegen machen, so sehr sind sie spezialisierte Nischenbewohner, und sie müssen sich einiges einreden und vormachen, damit sie glauben können, sie hätten Teil an Kenntnissen, Tätigkeiten, Erlebensformen, in den anderen Wertsphären, während sie sich beruflich und als Fachmensch all ihren Herausforderungen stellen. Nun ist es aber so, dass die Materien, die fundierenden wie die Sinn-Materien/Horizonte, irgendwann mal die Notwendigkeit mit sich bringen, sich ihnen ganz und gar auszuliefern, sich ihnen zu stellen. Die Wissenschaftler beispielsweise, die an der Forschungsfront arbeiten, sind konfrontiert damit, dass sie den Wissensbestand ihres Fachs beziehen müssen auf das, was da jenseits der Forschungsfront möglicherweise ist, verbinden also diese beiden Sphären. (Ich hatte ja gesagt, es ist quasi eine virtuelle Sphärengrenze, die aber genauso praktisch überwunden werden muss wie die Grenze zwischen dem schon Gewussten, das man kennen muss und kennenzulernen hat erst in der Ausbildung, dann im Nachvollzug des immer weiter Nachquellend-Neuen in diesem Wissenschaftsbetrieb – selbst im eigenen Fach soll man es ja ständig weiter im Auge behalten; und andererseits muss man sich dem Unbekannten selber zuwenden, dem Forschungsgegenstand, da ist etwas zu überbrücken durch angestrengte Tätigkeit, das, wovon man jetzt nichtmal sagen kann, dass es noch irgendwie den Charakter hat des Zusammenbringens von Technik (die existiert ja in dem Moment noch garnicht, das zugrundeliegende Wissen wird ja erst noch erarbeitet), oder irgendeinem Erschlossenen und einem Gekonnten, diese beiden Sphären die da zusammengeschlossen werden müssen, das erreichte Wissen der Gesellschaft in diesem Bereich und das zu Erschliessende oder zu Erforschende – sie haben keine Ähnlichkeit mit einer Lebenseinrichtung – die Leute sind weit weg davon, von individuellen Bedürfnissen, oder Können, letzteres schon, das steht am Anfang, aber das haben sie ja als Forscher hinter sich lassen müssen, es gibt erst einmal wenig Routinen, sie müssen ständig neues lernen und entwickeln, und sich diesem Neuen ihres Forschungsgegenstandes ständig zuwenden, weit abseits irgendeiner Praxis, die einer traditionalen irgend ähnlich wäre, und das war ja nun gewissermassen die Standardform der Lebenseinrichtung in der religiösen Spalte, davon sind sie aber hier weit entfernt. Und die andern Experten haben da sowas ähnliches, also die Techniker müssen sich ständig der Wissenschaft zuwenden – soweit sie fundierend tätig sind – um sich die Fundamente ihrer Techniken und Prognostiken holen, so wie die Wissenschaft sich dem Restunbekannten zuwenden muss – sie müssen aber auch ihr Fach kennen, dh. sie müssen den fortgeschrittenen Horizont kennen. Und genauso die Produzenten, natürlich auch die Verwalter der Sinn-Erlebnisse, der Möglichkeiten dessen, was jetzt gesellschaftlich an der Front passiert, was man wollen könnte, und übrigens ist es so, dass natürlich auch die Wissenschaft, die Forscher da unten an der Fundierungsfront eine gewisse zumindest ferne Rückmeldung bekommen müssen, dass das, was sie da erforschen, auch wirklich sinnvoll ist, also sinnhaft verwertbar ist, sie müssen also zumindest etwas indirekt konsumtiv an der Weiterverwertung ihrer Erkenntnisse teilhaben.
Das geschieht dann normalerweise so, dass man den Forscher fragt, wofür ist das denn gut, und dann fällt ihm ein, mit der revolutionär neuen Nanobeschichtung könnte man eine neue Sorte Damenhandtaschen herstellen (das habe ich so schon mal gelesen bei einem Chemiker, wo es um neueste Forschungsrichtungen ging, und dem fiel da nichts besseres ein, als diese Rechtfertigung seiner Tätigkeit, die natürlich in sich selber schon zweckhaft sein sollte… man weiss ja nie wofürs gut ist… und das ist natürlich bei allen biologischen Forschungen so, da kommt ja schon beinah routine- und reflexhaft die Auskunft: damit könnte man dann Medikamente für dies und das entwickeln… und das ist dann schon die Sinngebung, die die Wissenschaft selber eigentlich garnicht unbedingt mehr selber aus sich heraus zustandebringt. Sondern da ist etwas externes, es ist technisch verwertbar für medizinische Zwecke.

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Also, simples Fazit: Sobald die Materien und Materialien soweit gediehen sind, dass sie sich zu Fachkenntnissen ausgewachsen haben, auch ausdifferenziert zu Disziplinen, Unterdisziplinen, Unter-Unter-solchen, werden die Spezialisten in ihrer Nische biografisch fixiert.
Das ist erstmal ein Schicksal, das sie erleiden im Laufe der historischen Fortschritte der Wissenschaften, Techniken usw, also der Ausdifferenzierung und Anreicherung der Wertsphären mit Inhalten, weil ein Leben für mehr nicht hinreicht. Schon die Ausbildung ist so lang geworden, man muss sich auskennen lernen, man muss vieles erlernen und können, an Können ausbilden, und dann muss man ja auch noch tätig sein, dh. im Sinne des Qualifikation, die man sich erarbeitet hat, tätig sein. Und das ist so erfüllend und ausfüllend, dass es nichts anderes daneben zulässt, man IST dann eben dieser Experte ganz und gar, zu dem man sich gemacht hat. Wenn man denn überhaupt dazu zugelassen wird, und nicht bloss Ausführender von irgendwas sein darf, und als solcher von Bildung ausgeschlossen, ist – das ist nämlich gleich das nächste, dass die Gehilfen da auf Anweisung Routinearbeiten erledigen, das ist natürlich im Bereich der Produktion am meisten so, aber es ist eigentlich in allen vier Wertsphären der Fall, dass da auch Routinearbeiten anfallen, die von weniger Gebildeten ausgeführt werden können, diese Hierarchie schon ist ja nur tragbar, solange man diese ganzen vertikalen Wissens-Arbeitsteilungs-Formen für harmlos hält, und nicht für einen Skandal, aber dazu müsste man sich wenigstens über die Stufe des Entscheidens hinausgearbeitet haben in der religiösen Spalte, sodass einem auffällt, dass man so nicht planen kann – spätestens wenn es um SYSTEM-Zusammenhänge in Natur und Technik geht. Also wie der Zusammenhang dieser Wertsphären herstellbar sein soll, der doch ein Sinnzusammenhang ist, – das ist eine völlig offene Frage. Zwischen dem Fundierungspol und dem Sinnpol sind immerhin die Entscheiderstufen angesiedelt, das heisst: Es geht vom Erfahrungswissen hinüber zu einem Versuchsprogramm und somit weitergehender Erfahrung, es ist ein begründet vorangetriebenes Weiter- und Dazu-Lernen, was der Entscheider macht. Aber: Dieser Entscheider muss hier gewissermassen aufgebläht gedacht werden zu einer ganzen Gesellschaft, die solche Entscheidungen trifft – angeblich, also zu einem Riesen-Leviathan, der aus ganzganz vielen Einzel-Menschlein besteht, so wie man das bei Hobbes sieht in dem Bild von dem Riesen, der den Staat darstellt, und der aus lauter Kavalieren und Einzelbürgern besteht, die das ihre dazubeitragen. Nun – das sind nun mal die Formeln, die wir im Zusammenhang mit den RELigiösen Optimalhypothesen zur Vergesellschaftung 1. und 2.Stufe zur Genüge kennengelernt haben. So wie dort muss man denken, wenn man hierarchisches Wissen, Lernen, Denken, Entscheiden für harmlos und überhaupt möglich hält.
Und man muss sogar gläubig sein, also normalplanerisch denken und sich auf die dritte Stufe bewegen können, ohne Bedenken, weil man eben tatsächlich mit Hierarchie kein Problem hat, um den nächsten Schritt zu machen. Und da geht es nicht mehr um einfaches Zugreifen auf die Nachbarsphäre und Fundieren und Sinn-Liefern, um „liefernd Lieferungen empfangen von dem Nachbarn“, sondern da geht es jetzt vor allem darum, dass dieser Fluss aufrechterhalten wird, der in Gefahr ist, von den Experten einfach ignoriert zu werden. Sie können sich in ihre Fächer immer weiter vertiefen, und dabei diese Zusammenhänge zwischen ihnen, als zu regulierende, einfach nicht mehr sehen.

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Dem entgegen wirkt eine Entwicklung, die sich gleichzeitig damit ausbildet, dass die Bestände an Wissen, Fähigkeiten und Techniken, Produktionen und Produkten wuchern, nämlich: dass die zunächst auseinanderliegenden Sphären eine Binnen-Entwicklung aufweisen, die sie einander annähert – also die Wissenschaft bekommt etwas von einer Produktionsroutine; die Wege zur Erkenntnis werden immer länger und unterwegs muss man unglaublich viel Routineprozeduren zurücklegen, Laborroutinen, man muss Untersuchungs-Geräte, also Maschinen, Maschinerie beherrschen; und umgekehrt: der Alltag von Produzenten ist immer mehr befrachtet mit Kenntnissen wissenschaftlicher Art, also medizinischer, arbeitsmedizinischer, hygienischer Art, aber auch sonstigen Kenntnissen, die in zahllosen Ratgeber-Formaten an die Alltagsmenschen gelangen, oder auch in Form von Arbeits-Vorschriften technischer Art: Gebrauchs-, Pflege-, Wartungs-, Gefahren-Hinweise (Ausdruck des Wissens Dispositionen: PROGNOSTIKEN, statt Techniken). Dh. ihr Alltag wird verwissenschaftlicht, vor allem „medikalisiert“, so könnte man das sagen. Und die Technik, die zwischen diesen beiden Sphären vermittelt, die muss nun anders als zuvor ihrerseits statt nur nach einer nach zwei Seiten, über die „Grenze“, zum Nachbarfach, schauen, sie muss wissenschaftliche Resultate daraufhin begutachten, inwiefern sie verwertbar sind für Alltagsprobleme, und umgekehrt prüfen, welche offene Fragestellungen die Wissenschaft noch zu beantworten hat, um Probleme aus der Produzentenpraxis technisch lösen zu können. Das ist jetzt der auf Dauer gestellte Endzustand, in den die Expertensphären sich versetzen und versetzt sehen dadurch, dass sie ihre Materien, die Sinnmaterien von der einen Seite her, die Fundierungsmaterien von der andern Seite her, am Laufen halten müssen. Und das heisst also, jeder Experte schaut jetzt nicht mehr bloss nach einer Seite, nach der der Fundierung vor allem, aber auch die Sinnlieferanten müssen das ja auch tun, und in einem zweiten Schritt schaut er auch noch nach der andern Seite, sondern das ist jetzt etwas aktives; die Grenzen, zwischen denen die jeweilige Wertsphäre angesiedelt ist, müssen beide aktiv beherrscht werden, die Flüsse müssen weitergehen, und das allein schon schreibt diese Entwicklungen in den Fächern fest.
Also: Durch das ReProduktionsartig- und Routine-Werden von Forschung, und andererseits durch das Medikalisiert- und Verwissenschaftlicht-werden von Alltag (vgl. Prognostiken!), stehen die Träger der jeweiligen Tätigkeiten nach zwei Seiten hin in Kontakt mit der Nachbarsphäre – die Wissenschaft hat (wie schon früher festgestellt) eine virtuelle Nachbarsphäre, das Restunbekannte, das ist IHRE Nachbarsphäre nach der Fundierungsseite hin, und nach der Technikseite hin steht sie in einer Art Empfangssituation, weil die Geräte usw, die Wissenschaftler zum Forschen nutzen, ja auch von Technikern entwickelt (und von Produzenten, unter Umständen massenhaft, produziert) werden. Also die Wissenschaftler nehmen den Technikern gegenüber zunehmend auch die Stellung von Produzenten ein, die von Technik beliefert werden und diese Routine-mässig anwenden – also Anwender von Techniken. Und die Alltagsmenschen bekommen in ihrem Alltag sehr viele Porgnostiken, technisch, prognostisch aufbereitete komplexe Anweisungen, wie sie sich verhalten müssen, nicht nur beim Umgang mit, und dem unmittelbaren Nutzen von Technologie, sondern auch beim Sich-zu-Sich-Verhalten, das geht von ganz spezifischen diätetischen Ratschlägen über Artbeitsschutz und Arbeitshygiene hin zu dem gekonnten Umgang mit der Technik, die sich eben nicht von selbst erschliesst, sondern die ausführliche Einweisung, Gebrauchsanweisung, erfordert, dh man muss immer mehr wissen, um überhaupt etwas bedienen zu können – selbst das erschliesst sich also nicht mehr von selber (etwa aus dem verfolgten Zweck). Und das witzigerweise genau dadurch, dass die Technik eben indirekt Wisenschaftsresultate zuliefert, die auf Gebrauchsformen (in der Produktion) zugeschnitten sind, und die Technik dazwischen schaut natürlich sowieso nach zwei Seiten, und muss also auf diese Weise die Flüsse aufrechterhalten.

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Die Zeit der Experten, die sich selbstvergessen ihren Gegenständen und ihrer Tätigkeit gewidmet haben haben, und da grade mal eben so konsumtiv nach der andern Seite schauen konnten – diese Zeit ist vorbei, und die Experten sind jetzt zu „Berufstätigen“ geworden, die in einem ewigen Flusssystem eine Stellung einnehmen, wo sie durch die genannten Anpassungsschritte die Materien, die Sinnmaterien und die Fundierungsmaterien am Laufen halten, und dadurch allenfalls vormachen können (es sei denn, sie hätten ihre normalplanerischen Borniertheit hinter sich gelassen), dass zwischen den Tätigkeiten der Einzelnen und den Tätigkeiten der Gesellschaft überhaupt kein Bruch ist, sondern durch das eine auch das andre noch gewährleistet ist, darum, weil Routinen (des Entscheidens) ganz normalplanerisch-routiniert, auf dieser dritten Stufe die Interessen – in diesem Fall: Ansprüche, die die Wertsphären jeweils stellen, „gesellschaftlich“, gesellschaftsweit, zu verwalten gestatten, koordiniert, im Konsens, und da ist angeblich der Erfahrungsgewinn über eine Zeit weg zur immer weitergehenden Neuanpassung ausreichend, um neuen Herausforderungen gerecht zu werden – das scheint also tatsächlich regulierbar zu sein, dieses gesellschaftliche Flusssystem. Ich hab nun erst die eine Seite genannt – das ist der graue Alltag; es gibt aber solche Angleichungs-Formen auch auf der andern Seite, also auf der Sinnlieferungsseite, in Richtung Fundierung, und da ist es so, dass die Technik sich immer mehr ausrichtet auf zu lösende Aufgaben in Gestalt utopischer Ziele, die offen bleiben, oder auf Bedürfnisse, die geweckt sind, aber nicht befriedigt, oder Notwendigkeiten, auf die zu reagieren ist, wovon ein nicht ganz unerheblicher Teil die Technikfolgen-Bewältigung durch neue Technologie ist. Sodass man sagen kann, die Technik entwickelt selbst eine Affinität zu Visionen, Sinnvorstellungen, und umgekehrt, werden Visionen, über das Bestehende hinaus reichende Wünsche, Bedürfnisse, Notwendigkeiten, immer mehr technik-affin formuliert. Mit all dem ist sofort die Frage verbunden, wie macht man das, wie könnte man das machen, was würde da erforderlich sein um das Problem zu lösen, Technologien bekommen also diesen Problemlöse-Charakter, das ist also das Pendant bei Technik und Vision zur Alltags- und Routinisierung der Wissenschaft und zur Medikalisierung des Alltags, Verwissenschaftlichung, und der Produktion; und auch hier tritt ein Alltag, eine Produktion dazwischen, aber einer und eine, der/die Fortschritt zum Thema hat, also eine Produktion, die Überschüsse verwertet, um technisch-utopische Neuerungen und innovative Technologie tatsächlich umzusetzen, und dieser Sekundäralltag, dieser Fortschritts-bezogene Alltag tritt in ein gewisses Spannungsverhältnis zu dem bloss reproduktiven Alltag der anderen Seite, über den schon gesprochen wurde, den verwissenschaftlichten, dessen Routinen ständig begleitet sind von Gebrauchsanweisungen, also dieser andere Alltag, diese Produktion von Fortschritt, das ist Research and Development, Forschung aber eben schon sehr stark technisch orientiert, also mit vorhandenen entwickelten Techniken arbeitend, das ist das Arbeiten am Fortschritt, aber eben ein Arbeiten, ein Produzieren, das Einrichten innovativer Produktion – schöpferische Zerstörung, und die arbeitet mit ebenso innovativer visionärer Technologie, auf eben so visionäre Ziele hin, und weckt auch gewissermassen nochmal neue Bedürfnisse, weil sie da noch etwas näher dran ist.

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Und diese Struktur die das Leben der Einzelnen überschreitet und so in gewissem Sinn die Expertentätigkeit einer ganzen Gesellschaft ist, eine Entscheidertätigkeit, die von fundierend nachquellenden Erfahrungen zu sinnstiftend visionären Versuchsanordnungen führt.. die Technik zu erfüllen versucht – also diese Dreierstruktur auf der Routineseite, wo man mit Notwendigkeiten immer noch hantiert, und die explodierenden Fortschrittlichen Entwicklungen, die Innovationen, die ist genau das Bleibende. dh also die Fortschrittsbewegung steht still, und ist gewissermassen ein Hamsterrad, das sich immerfort weiterdreht, oder wie ich eben auch sage, die Fortschrittsspirale dreht sich und dreht sich, und wird beliefert von der einen Seite her mit wissenschaftlich erschlossenen neuen Erkennissen, und von der andern Seite her mit Wunschvorstellungen und erkannten Notwendigketien, die durch die letzte Drehung dieser Fortschrittsspirale erzeugt wurden. Und damit haben wir jetzt ein bisschen mehr fundiert, was in dem ersten Vortrag über MODerne gesagt wurde, aber es muss jetzt noch viel weiter vertieft werden. Wir haben auch zugleich alles, was an der Moderne wirklich realistisch umsetzbar ist, benannt, ich werde darauf nochmal zurückkommen, ich hatte das in das Diagramm eingezeichnet als diese kleine Treppenfigur, also in der Normalplanerspalte sind noch drei Stufen betretbar, wenn man kein Normalplaner und trotzdem modern ist, kann man sich noch einreden, auf den ersten zwei Stufen, dass es sowas geben könnte wie eine Arbeitsteilung auch bei Experten, und wenn man auf dem wirklichen Entscheiden als Entscheider beharrt und auf dem Nachvollzug, dann kann man nicht mehr sein als jemand, der vielleicht als früher Jugendlicher oder sonstwas in der Art eine kurze Zeit eine Episode lang modern war und dann sofort bestürzt feststellt, dass das alles völlig unhaltbar ist. Und was da nun also jenseits dieser Treppenfigur sich abspielt, was da gedacht, nur noch theoretisch absolviert wird, um Kategorien zu entfalten, es fehlt ja noch die moderne MENTALITÄT ,  die also nur noch virtuell erschlossen werden kann und praktisch nicht umgesetzt werden kann – dieses ganze Feld, das mit Inhalten der MODernen Selbst-Reflexion gefüllt ist, die aber nicht mehr umsetzbar ist, und die praktisch von einer Notlage und einer Unerfüllbartkeit ausgehend, auf die nächste verweist. Das alles und noch mehr will ich dann in den folgenden Vorträgen besprechen.