Zur Epochengliederung

Überlegungen zur Epochengliederung speziell der westlich-europäischen Geschichte (ohne Indien)

0 Der zentrale Ansatz der Gliederung folgt der (beinah schon banalen) Marxschen Ur-Intention: Gegliedert wird nach den grossen, einfachen (aber kollektiv schwer stabil zu lösenden) „Produktionsaufgaben“. Diese Aufgaben stellen mehr oder weniger restriktive Anforderungen an die Gesellschaftsorganisation zur kollektiv-kooperativen Lösung der Aufgabe, „Produktionsverhältnis“.
Dass der Begriff „Gesellschaft“ überhaupt anwendbar ist, ist Ausweis dessen, dass ein bestimmtes Reifestadium erreicht ist: „Kooperation“ und speziell arbeitsteilige gibt es ja auch schon in kleineren Gruppen. Die Kooperation und speziell Arbeitsteilung zwischen Einzel-Personen und innerhalb von Gruppen von ihnen unterscheidet sich von derjenigen in immer grösseren Zusammenfasungen solcher Gruppen; die meist, aber nicht immer dann auch in benachbarten Räumen leben, Sprache/Lebensform/Kultur ua teilen.

1 Die grossen Epochen wären demnach:

1.1.Frühantike (3000-1200): Mehrprodukt in naturräumlich privilegierten Zonen (hierarchische Produktions-Organisation, Abgaben, Vorratsspeicher/Verwaltung, (Fern)handel mit Überschüssen und regionalen Luxusgütern, Verteidigung, Staat, Recht, Kult, Funktionseliten und Spezialisierung; Diplomatie. Endet mit Ende Bronzezeit= Seevölkersturm ca 1200)
1.2 Antikes Grossreich: Logistik mit zivilisatorischen Stützpunkten (Städten, Handelszentren usw) zur Verteilung dieses Produkts in eine naturräumlich begrenzten Grossraum mit scharfer oder kontinuierlicher Grenze mit (ebenfalls naturräumlich begründetem) zivilisatorischem Gefälle (Eisenzeit! Militär- und Herrschafts-Technologien; Logistik-Technologie, Transportmittel und -routen; Multi-Ethnizität; Luxus-Warenproduktion für Fernhandel; …)
2.1. Frühmittelalter (500-1100): Ein- und Überholen des im antiken Grossreich erreichten Zivilisationsstandes mit Mehrprodukten in nicht-privilegierten Zonen innerhalb des vormaligen Grossreichs bzw benachbarten Einflusszonen (autarke Territorien, die sich selbst versorgen und verteidigungsfähig sind; aus den Resourcen beliebig kombinierter Territorien kann schnelle und effiziente Verteidigung der Aussengrenze erstellt werden; technische Durchdringung und Erschliessung lokaler Produktionsmöglichkeiten, regionale agrarische und handwerkliche Spezialprodukte für Fernhandel (nicht nur Luxus)). Sondernetwicklungsweg: Die persistierenden Zivilisationen in den privilegierten Naturräumen; Einschaltung in Handelswege bzw Einbeziehung in die entstehenden politischen Herrschaftssysteme.
2.2. Hoch/Spätmittelalter 1100-1400: Stadtgründungen; Ausnutzung der gesamten Fläche und Produktivitäts-Spielräume, Spezial-Handwerk wandert zT in die Stadt (daneben weiter: ländliche Industrie, Verlagswesen zb Textilprroduktion), feste regionale Arbeitsteilung Stadt/Land mit Produktion für überregionale Märkte. Überschreiten der Kulturraum-grenzen, inter-kulturräumlicher Fernhandel.
2.3. Frühe Neuzeit: Weltsystem, Kolonien + Vorschieben der historischen Gefälle-Grenzen in die Peripherie, Technologie-Transfer (Kulturpflanzen-Ausbreitung), Reichtums-Transfer in die Metropolen.
3. Moderne: Die als Wissensbestand (Enzyklopädie, Universitäten) zusammengefassten weltweiten (vormodern, „mittelalterlich“) Technik- und Prognostik-Kenntnissse werden systematisiert zur „Naturwissenschaft“ und darauf aufbauender Technologie-Entwicklung (mit dranhängender bzw sie je fundierender, dabei ständig umgewälzter Produktion) als Selbstzweck.
4. Nachmoderne: Die vorhandenen Wissens- und Technikressourcen werden auf kollektive Zwecke bezogen: Produktion muss Bedürfnis (Menschen-), Natur- (radikalökologisch) und Vergesellschaftungs-gerecht (koordinierbar, im Konsens überschaubar und verwaltbar) gemacht werden.

2 In vormodernen Gesellschaften sind die Freiräume für Reflexion, Experimente, Entwicklung viel geringer als in modernen; zugleich ist Tradierung eines immerhin Funktionierenden äusserst wichtig, daher der Konservatismus: Links und rechts vom Weg lauern Chaos und Gesellschaftszerfall.
Deswegen dauern Anpassungs- und Differenzierungsvorgänge auf der Ebene der Vergesellschaftung dort oft einige Unterpeochen (mehr in der Antike, weniger im Mittelalter):
zb. Antike Grossreiche
1.2.1 Grossreichbildung überhaupt 900-700: Assyrien/Babylonien, Deportationen: . „Multiethnizität“. Waffengattungen-Verbund
1.2.2 Multiethnischer Staat und Verwaltung: Perserreich und andere Modelle der Imperiumsbildung 700-400
1.2.3 Multiethnische Elitenkultur: Hellenismus 400-100
1.2.4 Multiethische Rechtskultur: Römisches Zivilrecht. -100-0-200
1.2.5 Multiethnische „Hochreligion“=für die gesamte Bevölkerung (einheitlicher Stoff für alle Schichten und Bildungsgrade): Christentum, christl.Theologie 200-500
zum problematischen Begriff Hochreligion: https://de.wikipedia.org/wiki/Hochreligion
((Die Epochen werden auf ca 300 Jahre angesetzt. Das passt auch einigermassen; ob das ein Artefakt meines Ansatzes ist (dh es war die von Anfang für späztere Epochen passende Zahl, und ich habe mir danach die „Titel“ der Prod.aufgaben dafür gesucht) – oder ob es da eine Erklärung gibt, kann ich momentan nicht sagen.))

3 Die gesamten im antiken Grossreich/Imperium ausgebildeten Errungenschaften unter dem Titel „multiethnisch“ aufgebauten Errungenschaften begründen die Möglichkeit, die politisch-militärische Integrität des Grossreichs vorübergehend aufzugeben und zu fragmentieren („feudal“), und zugleich eine durchgehende Verbundenheit innerhalb der Bevölkerungen zu bewahren; es entsteht ein KULTURRAUM als Vorgabe für die mittelalterliche Konzentration auf die materielle Entwicklung der Fläche.
Die Ausbildung dieser explizit mittelalterlichen Errungenschaft (die auch in angrenzende Räume noch ausgedehnt werden kann) erklärt zugleich das Beharrungsvermögen der mittelalterlichen Gesellschaften in DIESEN Hinsichten – während die technischen Innovationen und Fortschritte enorm sind.
Die Aufgabe, dem antiken Kulturniveau die angemessene materielle Unterlage in den naturräumlich nicht privilegierten Zonen und Regionen zu verschaffen, erklärt den „Einbruch“ im Kulturniveau, der ja mit der Absicht verbunden war, zu dem vor-mittelalterlichen Niveau aufzusteigen und es womöglich zu überbieten.
Die Grenzen der Kulturräume bewegen sich nicht mehr, weil jedes Territorium, das dies Niveau erreicht hat, mit dieser FORM seiner Kultur befriedigt ist. Synkretismen und Auffüllen von Lücken mit religiösen und andern Gebilden des Nachbarraums sind nicht ausgeschlossen, aber eher bei zeitlich verspäteten Territorial-Kulturen wie der muslimischen, die ihre wesentlichen nicht-religiösen Errungenschaften vom persischen Sassanidenreich übernimmt.
Sobald die „früh-mittelalterliche“ Basisaufgabe gelöst ist, nämlich die Grenzverteidigung mit den Mitteln der begrenzten Fläche selbst zu bestreiten (der Widerspruch, der im antiken Grossreich nicht zu lösen war), kann die Steigerung des Zivilisationsniveaus im Binnen-Gebiet in Angriff genommen werden: Stadtgründungen, also auch Stadt/Land-Versorgungs-Zusammenhänge (immer ZUSÄTZLICH zur fortbestehenden Verteidigungs-Aufgabe); Etablierungs und Ausdehnung von Fernhandels- und Arbeitsteilungsbeziehungen bis an die Grenzen des Kulturraums.
Die grösste Errungenschaft des Mittelalters, nämlich die angemessene Proportion von lokal verfügbarem Mehrprodukt und daraus erstellten militärischen Machtmitteln, begründet die Neigung zur „feudalen Anarchie“: Allenthalben finden sich lokale Gewaltmonopole, die grössere oder kleinere Koalitionen bilden können, und das mehr oder weniger stabil.
Es gibt keinen objektiven Grund für eine Zentralisierung der Macht – ausser eben genau diese Anarchie, und die Unerträglichkeit des Krieges aller gegen alle.
Dies allein als Motiv ist freilich zu schwach, und sich bildende Zentralmacht wird immer wieder geschwächt durch die Konkurrenz um ihre Besetzung.
Die Zentralisierung findet dann einen ersten Kristallisationskern in Gestalt der spezialisierten Waffengattungen, die zugleich zusammenwirken müssen, und deren Kämpfer und Bediener überregional angeworben und vor allem mit Geld bezahlt werden, was etablierte Geldwirtschaft (kleine Zirkulation Stadt/Land) voraussetzt. Damit einhergehend Abgaben nicht mehr in Naturalien sondern Geld. Zentralmacht wiederum als Emittent von Geld sowie Konkurrenz um die Abgaben. Ab da hat die sich bildende Zentralmacht das Momentum, sie zieht die Hoheitsaufgaben (Besteuerung, Rechtsprechung, Monopole (pez. Münzregal), Gewerbeaufsicht, Militärorganisation) der Inhaber von Stellen in der Feudalhierarchie (in die zunächst die Städte als Träger territorial gebundener Hoheitsrechte nur eingefügt waren) sukzessive an sich, was mit Rationalisierung und Vereinheitlichung (Verrechtlichung statt regionaler Sonder-Verhältnisse, Traditionen, „Beziehungen“ usw) einhergeht. Verrechtlichung und „Verstaatlichung“ dürften dabei Hand in Hand gehen – beides ist gleichbedeutend mit „Ent-Feudalisierung“.

4 Damit, so könnte man meinen, bekommt der „Kulturraum“ nur wieder endgültig Anschluss an die vormals erreichte politische Einheit des antiken Grossreichs. Aber nicht nur, dass sich diese Einheit aus den feudalen Fragmenten in der früh-neuzeitlichen Gestalt der späteren Nationalstaaten herstellt, und nie zur Ausdehnung des antiken grossreichs zurückfindet – es ist zugleich in der Fläche ein Potential an Produktivität, Bevölkerungsüberschüssen (Malthus-Decke!) und handelbaren Waren entstanden, zugleich eine Fernhandels-Logistik, die an die Grenzen des Kulturraums stösst, und sie zu überwinden versucht. Der mittelalterlich bereits an die Grenzen des Kulturraums vorgeschobene Binnen-Fernhandel dehnt sich über alle Grenzen aus, und wo immer ein kulturelles also auch Macht-Gefälle erkennbar wird, etablieren sich die – durch die vor Ort angetroffene Zivilisationsstufe erzwungenen – Entwicklungs- (zB „Missions“-) und Ausbeutungs-Despotien: Kolonien-Bildung.
((Abgestufte Entwicklungsgefälle sind aus der Binnen-Organisation beerits der früh-antik sich aufbauenden Staatsgebilde bekannt; so wie es dort den Umgang mit „barbarischeren“ Untertanen-Gruppen und -Schichten gab und gibt, so bei der Ausdehnung nach aussen. Im Mass, wie bestimmte historisch-kulturelle Vor- und Frühstadien geschlossener und als solcher identifizierbarer Bevölkerungsgruppen in einer historischen Gesellschaft überwunden sind, stellt das „Wiederauftauchen“ solcher Gruppen in der Peripherie die unerwartete Wiederkehr eines längst Überwundenen (und daher, angesichts der Binnen-Entwicklung, leicht überwindbar Erscheinenden) dar. Wenn diese Überwindung dann NICHT schnell gelingt, fallen die „Fortgeschrittenen“, die ja meist in der Minderzahl sind (Gegenbeispiel: nordamerikanische Ureinwohner gg vordringende Siedlermassen), ihrerseits in (in der Vorgeschichte ihrer Herkunftsgeselslchaften) längst überwundene Einstellungen zurück, die ihnen durch Gefälle-„Verhältnisse“ in gewisem Sinn „aufgezwungen“ werden.
Tatsächlich lässt sich dieses Phänomen bis heute beobachten. Die genauere Erklärung dafür ist später nachzuholen.))
Es entsteht ein Weltsystem aus relativ fortgeschrittenen Kulturräumen, mehr oder weniger nahe an der Schwelle zu einer früh-neuzeitlichen Entwicklung, und demgegenüber historisch zurückgebliebenen Regionen, die er- und angeschlossen werden.

5 Der früh-neuzeitlichen Ausbildung der (national gesehen) zentralen (arrondiert alle territorie übergreifenden) Staatsgewalt tritt die Säkularisierung von Leistungen an die Seite, die bislang von religiösen „Virtuosen“ stellvertretend für andere Gesellschaftsangehörige (mit)erbracht wurden:
– (religiöse) Legitimation von Staat und Recht;
– (religiöse) Gestaltung von (kollektiven) Lebensstilen;
– (religiöse) Grundlage für das gesamte Weltverhältnis (Welterklärung).