Zweites Religionspapier

VORBEMERKUNG IM ANSCHLUSS AN EIN GESPRÄCH ÜBER GLAUBEN

1. religiöses glauben wurde von mir versuchsweise als handeln „unter einer optimalhypothese“ erklärt. damit soll zweierlei gesagt sein:
a) es ist HYPOTHETISCH, d.h. macht keine voraussetzungen im bestehenden, sondern folgt einem ENTWURF, bis zur „widerlegung“; darin ist gläubigkeit (wenn sie echt ist und das handeln eines menschen ganz bestimmt) jener naiven alltagshaltung unendlich überlegen, in der man, grob gesagt, davon ausgeht, dass alles irgendwie immer so weitergehen wird, wie man es kennt (diese alltagshaltung (oder auffassung von „normalität“, der art und weise, wie bestimmt ist, was „normal“ ist und „richtschnur“ des handelns) nenne ich in meinem theoretischen jargon „opportunismus“: das sich abhängig machen in seinen fernzielen (entwürfen) von dem, was jeweilig (in der jeweiligen alltagserfahrung) an wirkmöglichkeiten gegeben war. um dies konzept genauer zu erklären, müsste sehr viel weiter ausgeholt werden.
b) der glaube kann zugleich ein HYPOTHETISCHES BESTIMMEN DESSEN, WAS DAS OPTIMUM (der weitestreichende entwurf überhaupt, wenn er gelingen würde) ist, genannt werden. in dieser formulierung ist eine kritik versteckt: der glaube ist ZU hypothetisch – der gläubige bestimmt gewisse (wie ich behaupte) apriorische begriffe nicht (und besinnt sich nicht auf sie, obwohl er das jederzeit könnte), sondern legt dem glaubenshandeln die hypothese zugrunde, dass diese begriffe so bestimmt sind, dass es die denkbar/vorstellbar weitestreichenden konsequenzen hätte. mit gutem grund unterlässt er die ausführung der besinnung auf die begriffe selbst, denn dann würde er bemerken, dass er keineswegs berechtigt ist, sie als so oder anders ausfallend und also verschiedener ausprägungen ihres inhalts für fähig zu halten. es sind dies die begriffe (oder begriffs-systeme):
– „NATUR“ (als träger von und im gegensatz zu nicht-natur, bewusstsein, geist oder, wie ich vorziehe zu sagen PERSONALITÄT (oder subjektivität); dieser begriff geht also als grenz- und gegenbegriff in den naturbegriff mit ein);
– „GESCHICHTE“ (der begriff der möglichen vielzahl oder vielfalt der (erfahrungs)geschichten (incl. tradierter erfahrung!) (dadurch) „verschiedener“ personen – grenzen und gründe der individuation und möglichen unterschiedlichkeit, aber eben auch gleichheit von (einzel)personen  (dies an verschiedenen einzelpersonen unterschiedlich oder gleich sein könnende nenne ich INDIVIDUALITÄT); schliesslich
– „PSYCHE“ (inbegriff der dimensionen, in denen konkrete einzelpersonen VONEINANDER abweichen KÖNNEN, ohne aufzuhören, einzelperson zu sein: IDENTITÄT).

ich behaupte: es zeichnet alle formen, die bekannten religiösen wie unkonventionelle, auch metaphysische formen, von RELIGIÖSER GLÄUBIGKEIT aus, dass sie diese drei begriffe irrtümlich als der optimalhypothesenbildung unterwerfbar ansehen, während sie in wahrheit (wie ich behaupte) vollständig und verbindlich apriori bestimmt sind, weil sich in ihnen die BEDINGUNGEN DER SPRACHLICHEN VERSTEHBARKEIT AUF DAUER (entlang immer längerer erfahrungsgeschichten) verkörpern. das zu beweisen, ist hauptzweck meiner theorie; aber dies sage ich nur zu ihrer vorläufigen information, nicht weil ich glaube, dass an diesen thesen für sie irgendetwas plausibel sein müsste.

2. ich hatte gesagt, dass der punkt mit dem vorhandensein von „bewusstsein“ in der welt als grund der unabweisbaren glaubensüberzeugung vom dahinterstehenmüssen eines schöpfers noch „nach einer anderen seite“ schaut, d.h. auf ein anderes problemfeld verweist, als dasjenige, über das wir dann tatsächlich sprachen (nämlich „die schöpfung“, und wie man an ihr die tatsache ihrer erschaffenheit feststellt): auf das verhältnis des erschaffenen bewusstseins zum erschaffenden, göttlichen – ein verhältnis „unendlicher überlegenheit“ des letzteren, die freilich, wie sie dann ausführten, sich reduziert auf die fähigkeit des letzteren, „alles zu machen“, was es sich vorstellt, die dem ersteren abgeht. auf diesen punkt, und diese art von überlegenheit werden wir wahrscheinlich (spätestens durch meine argumente) noch zurückkommen müssen.

soviel zur ergänzung des gesprächsprotokolls. vielleicht sollte man noch kurz daran erinnern, dass der ausdruck „anthropisches prinzip“ immer wieder verwendet wurde, um auf die materielle „bewusstheitsfähigkeit“ unserer welt anzuspielen.

die beiden für mich zentralen punkte des gesprächs können meiner meinung nach in einer art „engführung“ behandelt werden. wir fragen nämlich, einesteils, nach den kriterien des „erschaffenseins“ (zb. mögliche vorhandenheit von bewusstsein, entwicklungsfähiger materie usw.); andererseits nach dem „epistemischen“ status verschiedener haltungen (gl0/1) dazu ((un)denkbar, (un)vorstellbar, notwendigerweise zu entscheiden). diese beiden fragerichtungen hängen natürlich zusammen, denn die klärung der logischen machart der „kriterienfragen“ wird wohl auch aufschluss geben über die möglichen überzeugtheits-verhältnisse, die man zu ihnen einnehmen kann.
die stossrichtung meiner argumente will ich im vorhinein schon aussprechen, damit sie wissen, woran sie sind: GLAUBEN IST LOGISCH UNMÖGLICH (oder, mit undiplomatischer direktheit ausgedrückt: aller glaubensinhalt ist UNSINN); von daher gibt es keinen freiraum für entscheidungen. zwar mag dies ihnen frech und bedrohlich dogmatisch erscheinen; aber erstens muss mein unternehmen ja nicht gelingen (und ich bin bereit, alle gegenargumente genau zu prüfen); zweitens, alles andere würde doch wohl die bezeichnung KRITIK DES GLAUBENS nicht verdienen (wofür sie selber der beste beweis sind: auf alle ANDEREN formen der „glaubenskritik“ (einer kritik des glaubens aus seinen FOLGEN) sind sie nämlich bestens eingerichtet, und das zurecht; denn von dorther gibt es am glauben nichts auszusetzen). hier gilt es also nicht die frage, wie man sich entscheidet, sondern: ob man sich entscheiden KANN, für oder gegen das glauben (eine etwas andere formulierung als ihre: gläubige tun gerne so, als wäre die entscheidung GEGEN DAS GLAUBEN ÜBERHAUPT immer noch eine für einen bestimmten (bloss anderen glaubens-)inhalt; davon wird noch zu sprechen sein).

gestatten sie mir eine anmerkung, die die undiplomatische härte meiner zielsetzung vielleicht etwas mildert. der kritische beweis, der mir vorschwebt, ist mitnichten einfach; obwohl er vermutlich die kritik des glaubens EXPLIZIT macht, die in irgendeiner weise alle vollzogen haben, die wirklich und endgültig zum unglauben gefunden haben. es verwirrt vielleicht zu hören, dass etwas einerseits vollziehbar, und andererseits explikationsbedürftig sein soll; doch ist dies eine in der philosophie überaus gewohnte sachlage – unser tägliches geschäft, als philosophierende (nicht im sinne der profis oder experten, sondern der philosophisch tätigen und sich besinnenden, wo immer). der ungläubige hat zwar das PRINZIP für seinen unglauben gefunden; er kann es dem gläubigen aber nur konfrontierend präsentieren, weil er
– WEDER die GRUNDLEGEND GEMEINSAME STRUKTUR, die er mit dem gläubigen teilt, benennen kann,
– NOCH an dieser gemeinsamkeit den UNTERSCHIED aufsuchen kann, der ihn von jenem trennt,
– NOCH die notwendigkeit, die ihn selbst vom einen zum andern standpunkt geführt hat, abstrakt rekonstruieren kann, und ALS notwendigkeit, aus dem grundlegend gemeinsamen prinzip, ABLEITEN kann (was auch bedeuten würde, dass er dem andern den weg hin zu seiner eigenen position bahnen kann, indem er bestimmt, was diesem an wissen (auch: aufmerksamkeitssteuerndem, zur begriffsbildung aufforderndem wissen) fehlt, um diese position einzunehmen.
diese dunkle bemerkung erhellt sich vielleicht, wenn ich (von meinem standpunkt aus) sage:
– die gemeinsame struktur ist die (mit sprachlichkeit identische) LOGIK DES BEGRÜNDENS ÜBERHAUPT (oder kurz: logik);
– der unterschied ist einer des (direkten oder indirekten) erfahrenhabens und also wissens von BESINNUNG AUF DIE NOTWENDIGKEIT DIFFERENZIERTEREN, ALS DES BISHERIGEN, BEGRÜNDENS MOTIVIERENDEN FÄLLEN;
– die „notwendigkeit“ aber ist die des auf dauer im sprachlichen sinn verstehbar bleibens – des erhalts der (grundlegend, gemeinsamen) sprachlichkeit (deren logik) an immer komplizierteren fällen – solchen, wie den eben im zweiten punkt genannten: an denen sich SPÄTESTENS ein bestimmter logischer differenzierungsschritt einstellen muss, weil sonst die verstehbarkeit des eigenen oder fremden redens komplett infragegestellt würde (so, wie in onto- oder phylogenesen spätestens zu bestimmten zeitpunkten, oder angesichts bestimmter herausforderungen (auf die die betreffenden individuen oder arten vorbereitet sein müssen) bestimmte (vorbereitete) entfaltungs- und (zuvor schon programmierte) anpassungsschritte stattfinden müssen – andernfalls stirbt alles wieder ab, was bis dahin entwickelt war, und erweist sich als eben doch nicht „lebend“ im vollsinn (nämlich über-lebend, auch noch in diesen situationen); dieser vergleich ist aber nur ein bild, und soll bitte nicht überstrapaziert werden!).
mit diesen bemerkungen ist dann auch präzisiert, wie ich ihnen gegenüber vorgehen möchte: ich werde auf die konstruktion solcher fälle zusteuern, an denen sie (wie ich glaube) die NOT, den dringenden bedarf, die notwendigkeit spüren werden, einen grundlegenden unterschied zu machen, den sie bisher nicht gemacht haben; und (wenn ich recht habe, was ja hier noch nicht im geringsten feststeht) das wird konsequenzen hinsichtlich ihrer überzeugung haben, dass sie frei sind zu glauben.–
ich nenne bei mir selbst einen „gottesbeweis“ all solche gründe, die ein glaubender dafür anführt, warum es für ihn „anders nicht vorstellbar“ ist, als dass gott/ ein schöpfer existiert.
ihr gottesbeweis nun wies, im verlauf des gesprächs, eine bemerkenswerte „drift“ auf. es begann mit dem (auch in der antwort an die holländischen freunde herausgestellten) gedanken vom bewusstsein, das sich „nicht von selbst“ entwickelt haben könne, und daher erschaffen sein muss (von einem ebensolchen, aber „hervorbringsfähigen“ bewusstsein, das „weiss, wie“ bewusstsein sein muss). das warf die frage auf: ob denn dann die „materie“ mit all ihren  manifestationsformen UNTERHALB der bewusstheitsebene, bis hin zu tieren, grundsätzlich als unerschaffen gedacht werden könne? wir einigten uns dann auf eine formel, die diese frage in gewissem sinn umging: eine welt, die (bewiesen durch das FAKTUM unseres in ihr vorhandenen bewusstseins) „evolutionsfähigkeit hin zu bewusstsein“ aufweist, müsse in jedem fall eine erschaffene sein.
(in dieser auflösung hat man sich natürlich herumgedrückt um die bestimmung der kriterien, die eine bewusstseins-evolutionsfähige natur von einer dazu unfähigen unterscheiden würden- und zwar unabhängig davon, ob die entwicklung bereits stattgefunden hat oder nicht; in diesen kriterien wäre aber die erklärung enthalten, WIE eine materielle evolution zu bewussten wesen stattfinden kann, und WELCHE züge unserer faktischen welt diese anforderungen erfüllen; es wäre dann freilich weiterhin der beweis fällig, dass in allen welten, die diese expliziten „anthropischen züge“ nicht aufwiesen, KEIN bewusstsein vorkommen kann.)
nun fiel ihnen aber zuletzt noch jener gedanke ein, den sie, zumindest erwägend, im punkt I. der antwort an die holländer, ins auge fassten: ob nicht materie ÜBERHAUPT, sofern sie „sich“ formt und auch nur IRGEND „höher“ entwickelt, ausdruck eines schöpfer-einwirkens sein müsse – da „von sich aus“ zu solcher formung unfähig. dies liefe allerdings wahrhaftig auf den gedanken hinaus, dass ALLES „formgebende“ „unmateriell“ sei, und, qua form, GEDACHT, GEWOLLT, GEPLANT, GEMACHT: die „materie“ als quasi der leib gottes, AN dem er, sich streckend und reckend, und zu was sonst noch an bewegungen er mit diesem leib fähig sein mag, alle form-entwicklung ausführt – das sich-formen der materie nichts andres als unmittelbares HANDELN des gottes an „seinem“ schöpfer/schöpfungs-leib. – unchristlich ist dies gedacht, weil in der bibel nicht nur die (faktischen) formen, sondern auch die materie aus dem nichts erschaffen ist: gott existierte VOR aller schöpfung, und da war keine materie. die materie gehört nach der bibel doch wohl zur erschaffenen welt, und nicht zu gott.
nun haben freilich, wie ich meine, die unbiblischen metaphysiker ein problem bemerkt (und antworten darauf), das texte wie der biblische schöpfungsbericht aufwerfen. nämlich: ob DASEIN und ERSCHAFFENSEIN zusammenfallen. die zwei ersten positionen, die sie im gespräch einnahmen, unterstellten grundsätzlich die denkbarkeit von daseiendem, das das jeweilige erschaffenheitskriterium (vorhandensein von bewusstsein, evolutionsfähigkeit hin zu bewusstsein) NICHT erfüllte – also die möglichkeit von dasein, ohne erschaffen worden zu sein.
die metaphysiker (ebenso wie sie in ihren vorsichtigen spekulativen ansätzen über materie/ energie als „wesenheit gottes“ usw.) TRENNEN, indem sie materie und dasein, formung und erschaffung einander zuordnen, die beiden momente. „materie“ wird dabei freilich zu einem solchen unding entleert, dass man sich anfängt zu fragen, was es denn eigentlich MEHR besagen soll als „daseinsstoff, wirklichkeitsstoff“ – wobei man dann „stoff“ auch noch weglassen, und materialität mit realität, wirklichsein, einfach zusammenfallen lassen muss. (genau dies scheint dem aristoteles mit seinem hyle-materie-begriff passiert zu sein.)
was, andererseits, ist „form“, dass sie alles und jedes, ausser dem „realsein“, in sich aufnehmen kann? EINE der pointen der metaphysischen „form“ – kategorie ist meiner meinung nach, dass sie eine ERKENNTNISTHEORETISCHE konsequenz hat, und zwar eine sehr einfache: form ist das, was vorstellung und realität GEMEINSAM haben können. bloss, dass im einen fall „vorstellungs- oder denkstoff“, im andern fall „wirklichkeitsstoff“ „geformt“ wird: dasselbe ist, im einen fall, vorgestellt, was im andern wirklich ist. (und das erinnert an den programmatischen satz des parmenides: dasselbe ist denken und sein – denkbestimmungen und seinsbestimmungen darf man zusammenwerfen, und muss sie nicht unterscheiden. zum beispiel darf man sagen „wahres sein“ (das so, wahr, auch gedacht werden kann; wahrheit bedeutet hier eine art von vollkommenheit; „richtigkeit“ im sinn des passens von gedanke und sachverhalt kommt dann zustande, indem die SELBE vollkommenheit gedacht wird, die in der wirklichkeit vorkommt usw.). oder: gott ist der inbegriff aller möglichen vollkommenheiten („wahrheiten“ dieser art), sie sind IN ihm (gott ein begriff?); schöpfung besteht dann darin, diese vollkommenheiten „aus sich heraus“ zu entlassen… AN ein gegenständiges, anderes prinzip namens „ungeformte materie, daseins- und wirklichkeit(sstoff)“? oder ist sogar dies noch eine „form“, ein „begriff“, eine „idee“ im weitesten sinn (oder ein ideen-konstituent) – dies wohl etwa die (ursprünglichere) platonische gegenposition zu aristoteles.
der entscheidende punkt aber ist (wenn man den anfangsschritt des projizierens von sprachlichem material „in die welt“ einmal gemacht hat), dass die ABTRENNUNG der formen von materie, das selbständige „dasein“ der formen NEBEN oder VOR ihrer vereinigung mit wirklichkeits- oder vorstellungsmaterie schwierigkeiten macht. „existieren“ die formen „im geiste gottes“ GETRENNT von materie – etwa „göttlicher vorstellungsmaterie“? vor allem aber: WENN sie tatsächlich „dort“ vorkommen, rein, oder mit gottes vorstellungsmaterie – können sie sich verdoppeln? es sind doch EIN UND DIESELBEN formen, die dann in der materie wiederzufinden sind (und in den geistern erschaffener wesen). sind faktische oder erkenntnis-formen kopien der ursprünglichen? aber: wenn die idee oder form „mensch“ DIESELBE ist in allen menschen – wieso dann nicht auch in jeder mensch-vorstellung – und in der ursprünglichen schöpfungs-idee „mensch“? und noch weiter: wenn es eine schöpfung gibt, die gedacht wird als (u.u. sukzessives) sich entlassen von form in die welt, oder sich-verwirklichen eines zuvor bereits „daseienden“ formungsprogramms – muss dann nicht materie UNGESCHAFFEN sein – ja sogar die vorstellungsmaterie jedes einzelnen vorstellenden wesen (da von jeder anderen vorstellungsmaterie getrennt)? oder WENN geschaffen – in welchem sinn waren sie dann vorher NICHT da, wenn schöpfung wesentlich formung sein soll? und in welchem sinn kann man sagen, dass sie als ungeformte, vor ihrer formung, AUSSERHALB DES „GEISTES“ DES SCHÖPFERS existierten, wenn die formen doch INNERHALB dieses geistes existieren? und in welchem sinn kann man dann überhaupt noch sagen, dass „der schöpfer“ eine vom material der schöpfung GETRENNTE existenz hat, und ihr gegenüber tritt – inwiefern MUSS man nicht geradezu sagen, DIE WELT SELBST IST GOTT, DER AN SICH, SEINER MATERIE (zerfallend in wirklichkeits- und vorstellungsstoffe) DIE SCHÖPFUNG, IN GESTALT VON „SELBSTFORMUNG“ VOLLZIEHT?

————

wir haben vier möglichkeiten zu betrachten:
1. bewusstsein KANN NICHT von selbst zustandekommen, sondern setzt ein (u.u. noch höheres bewusstsein, als es selbst) bereits als existierend voraus.
2. eine welt, in der bewusstsein durch evolution entstehen kann (die dem „anthropischen prinzip“ genügt), MUSS erschaffen sein.
3. gott IST die welt, und alles entstehen und vergehen sind unmittelbar seine handlungen an diesem seinem welt-leib. das heisst: er ist alles – ausser uns (die dann WAS sind und WIE zustandekommen? nur wir erschaffen? als BLOSSE bewusstseine mit einem welt-leib, der schon teil des welt-gottes ist?);
4. gott AUSSERHALB der welt, erschafft sie als ganze, mit materie, energie, leben, evolution hin zu höheren lebensformen einschliesslich bewussten wesen (dies doch wohl die biblische sichtweise?).

wir haben es des weiteren zu tun mit einer reihe von MODALbestimmungen:
– wirklich (existierend)/ (un)möglich;
– gewusst, beobachtet, wahrgenommen von person Z/ (un)denkbar, (un)vorstellbar für person Z;
– von selbst nach regel R (und damit erklärlich)/ (un)absichtlich (aufgrund einer (verstehbaren) absicht von person X, mit X‘ willen) so geschehend;
– von selbst nach regel R (und damit erklärlich) aus Y (als ursache bzw. ausgangs- und randbedingung) entstanden/ nicht von selbst, sondern aufgrund einer (verstehbaren) absicht (von person X) aus Y (mithilfe von Y, unter benutzung von Y als mittel) GEMACHT.
all diese modalitäten könnten nochmals temporal und/ oder nach gewissheitsgraden differenziert werden: früher einmal oder mehrmals (immer wieder), jetzt gegenwärtig; (so oft (nicht), dass) verlässlich (nicht), (immerhin so oft (nicht), dass) wahrscheinlich (nicht) usw.
das ist das ausgangsmaterial für meine überlegungen.

———–

1.
gott ist ALLmächtig, das heisst, er kann JEDERZEIT ALLES MÖGLICHE REALISIEREN. „jederzeit“: da sollen wir uns also ein nacheinander oder eine gleichzeitigkeit vorstellen, und wenn eine gleichzeitigkeit, dann ein NEBENEINANDER IN EINEM EINZIGEN (leeren) (WELT)RAUM? der dann ungeschaffen wäre? wir haben zeit- und (indirekt) ortsbestimmungen benutzt; aber durften wir? wir haben aber noch weiteres benutzt: „möglichkeit“, alles mögliche. auch da wieder die frage: wählt gott aus dem möglichen das jeweils realisierte? ist das möglichkeitsmaterial also vorgegeben? oder ist es (wie der raum eben) erschaffen?
was BEDEUTET es eigentlich, wenn man sagen würde: gott ist AUSSERHALB aller zeit? auch das ist doch nur ein bild.
oder: gott realisiert alle möglichkeiten, oder einige, einige aber nicht.
oder nur eine einzige, unter allen. (weil er nur eine realisieren kann? weil in dem „wirklichkeitsraum“, in dem, durch gottes wirken, ETWAS zum existieren gebracht wird) die eine, besondere realisierung alle anderen ausschliesst?)
sollen wir sagen: gott ist nicht darauf angewiesen, seine schöpfungen ENTWEDER nacheinander in dem einen wirklichkeitsraum (wo sie sich ausschliessen würden, wenn sie gleichzeitig realisiert wären) zu realisieren, ODER sie nebeneinander (=gleichzeitig) in sovielen wirklichkeitsräumen, wie es überhaupt möglichkeiten gibt (oder sovielen, wie er möglichkeiten gleichzeitig realisieren will), zu realisieren; und genau das heisst: er ist ausserhalb der zeit.

2.
aber wie reden wir denn hier eigentlich? – wir nehmen bestimmungen, die allerdings IN unserer welt (unserer erfahrungswelt, lebenswelt), und das heisst: unserer alltagspraxis, ihren guten sinn haben. wir nehmen sie, und gehen mit diesen bestimmungen ein gewisses stück aus unserer welt heraus. und dort lassen wir die wörter gewissermassen frei – wir befreien sie von ihren natürlichen logischen verbindungen (wie dieser eben: entweder nacheinander im selben raum, oder gleichzeitig in verschiedenen räumen), und auf einmal wird ALLES möglich. zumindest: alles mögliche sagbar. – die frage ist: welchen SINN macht das?
der sinn der allmacht gottes soll sich ja garnicht so weit da draussen entfalten. wir wollen doch nur, dass er in UNSERER welt sich als unbeschränkt erweist – weil so die möglichkeit eines UNBESCHRÄNKT WÜNSCHBAREN denkbar wird – zu der noch die allgüte gottes treten muss, damit wir uns diesen besten aller für uns denkbaren fälle als NICHT AUSGESCHLOSSEN denken können. und mehr brauchen wir zum glauben nicht.
und die verlängerungen ins ausserweltliche sind blosse lästige zutaten, die uns als gläubige verwirren.

3.
wozu brauchen wir dann aber die idee einer schöpfung, vor allem die einer schöpfung aus dem nichts, um gottes allmacht zu beschreiben?
vielleicht, weil wir hierin das maximum an wirkfähigkeit überhaupt zu erkennen glauben: gott soll nicht durch energie- oder materialmangel an der verwirklichung seiner güte gehindert werden. und wenn er zu allem BESTEHENDEN beliebiges hinzuerschaffen kann, dann doch wohl auch zu NICHTS bestehendem; und so charakterisieren wir seine ALL-fähigkeit eben am besten durch ihr maximum: selbst wo nichts ist, ETWAS, BELIEBIGES machen können, und durch „nicht vorhandensein von etwas“ nicht aufzuhalten sein.
wenn nun aber jemand sagte: wenn gott, in gestalt unserer welt, eine erschaffen hätte, in der ALLES oder manches als VON SELBST SO, WIE ES GESCHIEHT, ablaufend erklärbar (nach regeln) wäre, und dass, wenn etwas (mit diesen regeln) unerklärliches geschieht, oder auch vieles (weil vieles unbekannt und auf den ersten blick überraschend und regellos ist, und auch bleibt): dann könnte man sie doch in KEINEM fall von einer welt unterscheiden, worin gottes beliebigkeits- und schöpfungsmacht (aus dem nichts) sich zeigte: denn es steht ja in seinem belieben, seine willkür durch regelhaftes, ebenso wie durch irreguläre eingriffe zu verwirklichen.
erklärbarkeit wie unerklärbarkeit beweisen also weder die erschaffenheit (gemachtheit) noch die unerschaffenheit (von selbst so verlaufend und entstandensein) der welt.
aber dem gläubigen ist ja immer noch ausschliesslich wichtig, dass seine beste möglichkeit MÖGLICH ist (und geglaubt werden KANN).

4.
der ungläubige muss sich in seiner widerlegungsabsicht also wohl die behauptete möglichkeit vornehmen, dass die welt so wie sie ist, BEABSICHTIGT sein könnte.
absichtlichkeit (im gegensatz zu „von selbst“, s.o.) kennen wir ebenso, wie die bisher betrachteten modalbestimmungen als INNERWELTLICHE.
im gegensatz zum innerweltlichen handeln werden wir solche bestimmungen nicht zulassen wie: gott habe seine absichten unvollkommen realisiert; er habe etwas nicht gewusst oder vorhergesehen, dabei, habe sich geirrt bei der beurteilung von etwas, oder in irgendeiner hinsicht etwas bloss aus versehen so gemacht, wie er es gemacht hat (und seinen fehler nicht bemerkt).
das handeln gottes muss also perfekter ausdruck seiner (perfekt guten) absicht sein.
und dass diese absicht es ist, die hinter den dingen steckt, muss sich dann ja wohl IRGENDWO auch zeigen. denn wenn eine absichtlich gemachte welt sich von einer von selbst entstandenen NIE, an keiner stelle, unterscheiden würde – dann wäre unklar, warum man zum inhalt einer BESTEN möglichkeit (an deren bestehen man, bis zum beweis des gegenteils, glaubt) ausgerechnet die erschaffenheit und beliebige manipulierbarkeit (auch im sinne des beliebigen neuschaffens oder vernichtens von material, im sinne der besten absicht) der welt machen sollte, und nicht ihr von selbst entstandensein und verlaufen.

5.
wir hätten genauer sagen müssen: es muss sich zeigen, dass diese absicht hinter den vorhandenen dingen stecken KANN – denn das ist ja immer wieder die formel, die den glauben MÖGLICH macht (und mehr braucht er nicht, um nicht gefährdet zu sein). und wer will denn sagen, dass KEINE absicht dahinter sein kann? wie will man DAS denn feststellen?
(die schwierigkeiten, die sich daraus ergeben sollen, dass die absicht gut, ja die beste sein soll, werden wir später betrachten.)
das problem mit der gewolltheit von allem und jedem liegt vielleicht in einer unerwartet anderen richtung. denn was wäre denn das gegenteil von „gewollt“ (s.o. modalbegriffe, 3. abschnitt)? einmal: SO nicht gewollt, sondern UNABSICHTLICH SO GEMACHT; aber dagegen steht gottes angenommene perfektion. also das andere gegenteil: von selbst so stattfindend, mit oder ohne erklärender regelmässigkeit, die den ablauf bestimmt.
und von selbst schliesst ein: „zufällig“; einmal im sinne sogar noch der fehlenden regelmässigkeit zur erklärung (wir wissen nicht, wieso SO); vor allem aber im sinne der ZUFÄLLIGEN ANORDNUNG DER AUSGANGSBEDINGUNGEN, die auch hätte anders sein können.
das erste problem ist hier: es gibt soviel INDIFFERENTES in der welt, bei dem man sich fragt: warum SOLLTE dahinter eine absicht stecken? warum sollte gott sich darum gekümmert haben – warum es SO gewollt haben?

6.
nun könnte man sagen: so, wie wir an unserem eigenen leib (und seinen bewegungen) bisweilen manches sich „von selbst“ ereignen lassen (mitbewegungen von gliedern, die wir dann oft garnicht mehr beachten), das wir kontrollieren KÖNNTEN (und jederzeit wieder korrigieren, wenn uns daran etwas missfällt) – genauso könnte doch gott gewisse weltabschnitte, nachdem sie einmal SO eingerichtet sind, sich selbst überlassen, und wieder eingreifen, wenn es wichtig wird. oder er hat alles vorhergesehen, und eben darum SO eingerichtet in seiner weisheit, die wir nicht begreifen, dass gerade VON SELBST alles so kommen kann, wie er es möchte.
doch schon lassen wir uns wieder verführen und in scholastische spitzfindigkeiten verstricken; statt, wie oben (am ende von abs.3), die einfache glaubensformel zu wählen und zu sagen: weder der anteil des sichtlich indifferenten und in diesem sinn „zufälligen“ an dem, was „von selbst geschieht“, noch der des „notwendigen“ (FÜR das bestehen von etwas) beweist etwas gegen die eingerichtetheit und SO-gewolltheit der welt. nur DAS müssen wir wissen, um glauben zu können. und wie es im einzelnen ist, geht den glauben nichts an.

7.
das hat eine wichtige konsequenz: gottesbeweise aus der UNERKLÄRLICHKEIT eines bestehenden und seines zustandekommens (ohne „eingriff“), oder umgekehrt, solche aus der so übergrossen WOHLEINGERICHTETHEIT UND ZWECKMÄSSIGKEIT der welt, berühren die glaubensformel garnicht. einmal mehr gesagt: der glaube braucht bloss platz, um sich zu entfalten – es darf ihm nur einfach nicht nachgewiesen werden können, dass er seinem inhalt nach unmöglich (verrückt, widersinnig, unlogisch) ist. einen positiven beweis zu verlangen (oder dies bedürfnis für legitim zu halten), ist in gewissem sinn ausdruck von unglaube; die POINTE des glaubens wird auf diese weise verfehlt: das hypothetische, aber vor allem: das unwiderlegt OPTIMAL-HYPOTHETISCHE, das man dem handeln zugrundelegt; und das ganz für sich selbst hinreichen muss, ALS BLOSSE VORSTELLUNG, ohne weitere hilfsmittel, die den inhalt positiv PLAUSIBILISIEREN und stützen sollen, und ihn dadurch doch nur schwächen, denn er bekommt seine strahlkraft und berechtigung einzig und allein bereits durch seine MÖGLICHKEIT, und daher, dass es die beste unter allen denkbaren wäre; und nicht im geringsten durch irgendeine, und sei sie noch so geringe, WAHRSCHEINLICHKEIT, die für ihn spräche; denn von der seite wäre er auch irritierbar; während der wahre glaube zurecht durch alle zufälligen tatsachen, die wahrscheinlichkeiten bestätigen oder widerlegen, unerschütterbar ist: wirklich selig sind eben nur, die nicht sehen, und doch glauben.

8.
wodurch ist der glaube denn dann aber überhaupt erschütterbar?
in irgendeiner weise muss in die vorstellung des BESTEN oder besser: best-möglichen ein fehler eindringen. aber wie kann das sein? was würde eine solche vorstellung, wie es oben hiess ihrem „inhalt nach unmöglich (verrückt, widersinnig, unlogisch)“ machen? banale widersprüche sind es ja wohl nicht – die würden die gläubigen längst selber entdeckt haben, denn sie sind gewiss nicht dümmer als andre. – also was dann?
ich meine: es müsste etwas sein, von dem sich erweisen lässt, dass es so, wie es sein muss, um ein BEST-mögliches zu sein, nicht sein kann; und dass es, andererseits, so, wie es allenfalls sein kann (welcher verschiedener ausprägungen es allenfalls fähig sein kann: dieser oder jener, besserer oder schlechterer, und selbst noch der best-möglichen unter all diesen ausprägungen), es nicht das BESTE liefert, wie es der gläubige sich erhofft.
wenn wir uns glauben im eigentlich religiösen sinn ansehen, und den ABERGLAUBEN einmal ausschliessen – und nur die im engeren sinn religiösen glaubensformen sind resultate der ernsthaften anstrengung, ein nach bestem wissen und gewissen BESTES zu denken – dann finden wir, dass als bestes immer ein HÖHERES, ALS WIR SIND, in erscheinung tritt – also etwas, das WENIGSTENS soviel ist wie wir. glauben, soviel dürfen wir festhalten, setzt voraus, dass das, was wir im besten falle sind, als PERSONEN, bewusste und vernünftige wesen, irgendwie noch zu überbieten sein soll; und aus DIESEM material sind eigentlich alle religiösen optima gestaltet.

9.
beispiele hierfür wären:
es gibt mächtigere als wir, ja ALLmächtige, gütigere und ALLgütige, weisere und ALLweise usw.; es gibt langlebige, ja unsterbliche, es gibt überlebende nach ihrem tod, es gibt solche, die auf andere als sie selber sind, übergehen, und doch irgendwie sie selber bleiben („seelenwanderung“, „wiedergeburt“), es gibt wesen, die für uns an uns tun, was wir selber nicht tun können, und es soll dann doch unser tun sein (eingebungen, rettende einfälle, „kraft geben“); umgekehrt gibt es wesen, die verantwortlich sind für das, was wir nicht getan haben wollen, und deren tun es war, was wir nicht gewesen sein wollen (satan, dämon); es gibt wesen, deren zutun allein es ist, durch das unser tun erfolgreich oder nicht ist, EGAL was wir tun (und wie sinnvoll und vernünftig es ist, was wir tun: unsere vernunft reicht NIE aus usw.); es gibt wesen, die moralischer, weiser und intelligenter sind als wir, von denen wir uns geschickterweise sagen lassen, was gut, klug und nützlich ist, da WIR NICHT so moralisch, weise und intelligent sind, und es von uns aus nicht wissen können. usw.

10.
und wenn die formel, die wir oben entworfen haben, stimmt, dann müsste sich von all diesem material (bei dem wir fragen können, ob es unerschöpflich ist, oder ob es ein kriterium seiner VOLLSTÄNDIGKEIT gibt, durch das wir wissen, wann wir ALLE möglichkeiten dieser art erfasst haben) zeigen lassen: die angeblichen überschreitungen des wie-wir-seins, die darin enthalten sein sollen, SIND entweder keine – es hat nur den anschein gehabt, als würde dabei über uns und unsere möglichkeiten hinausgegangen; oder, wenn wirklich hinausgegangen wurde – dann kommt nichts in irgendeiner weise besseres oder gar bestes heraus, oder kein artikuliertes mögliches (eine hypothese, die dem handeln vorzugsweise zugrundezulegen IRGENDeinen unterschied machen würde – die auch nur ein anderes (geschweige denn weiteres oder gar weitestreichendes zum inhalt hat, verglichen mit alternativen) als andere hypothesen vorschreiben würde; die also eigentlich garkeine hypothese ist).

11.
ebenso gut, wie nicht ausgeschlossen ist, dass hinter allem eine absicht steckt, ebenso ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass hinter nichts (ausser menschlichem handeln) eine absicht ist: auch der unglaube erscheint MÖGLICH. die optimalhypothese des gläubigen aber besagt: es wäre zumindest VORAUSSETZUNG einer (oder DER, oder JEDER) denkbar besten möglichkeit, dass hinter allem eine absicht, und alles so, wie es stattfindet, gewollt ist. fragen wir, was darin alles enthalten wäre.
wir hatten ausgeschlossen, dass die dahintersteckende absicht auf fehlern, unaufmerksamkeit oder nicht-können beruht, dass sich also „unabsichtliche“ ausführungen einschleichen, oder dass „gleichgültigkeit“ und indifferenz hinsichtlich des verfolgten ziels die eigenschaft der absichtlichkeit der darauf „abzielenden“ vorgänge beeinträchtigen könnten.
also so, wie es stattfindet, ist es gewollt, und also gut (oder muss es zumindest sein können, als SO auch gut gewollt gedacht werden können).
der glaube braucht diese absichtlichkeit von allem und jedem, weil er die universelle kontrollierbarkeit und BEHERRSCHBARKEIT DER WELT zugunsten unseres interesses benötigt, um den denkbar besten fall denken zu können, dass sie MIT (schon jetzt garantierter) SICHERHEIT GUT wird (der gute wille (schon jetzt) ALLmacht besitzt).

12.
das aber wirft die frage auf, wozu ein guter wille überhaupt gebraucht wird. denn es könnte doch einfach davon, als dem bestmöglichem, ausgegangen werden, dass die welt VON SICH AUS MIT SICHERHEIT gut wird, und uns irgendwann, maximal entgegenkommen wird. der korrigierende, ALLwissende, ALLgütige und ALLwirkfähige wille wird doch nur benötigt, weil wir der welt allein soviel klugheit nicht zutrauen – eine welt weiss doch garnicht, wie sie sein muss, um gut zu sein oder werden zu können für uns. – aber würde denn nicht genügen, dass sie es WIRD? aber dann müsste sie ANDERS werden (und mit sicherheit anders werden), als sie ist. und warum sollte sie das, plötzlich? da könnte sie ja immer wieder anders werden, und wieder, und wieder – und völlig unberechenbar sein.
das könnte das weltlenkende wesen zwar auch sein; aber deswegen müssen wir es uns ja auch als GUT denken können, und seine güte in handlungen umsetzend. und genau das würde den unterschied zu einer sich plötzlich, willkürlich, ändernden welt machen: dass das gute wesen dafür sorgt, dass es mit sicherheit gut wird mit uns, die willkür-welt aber nur zufällig; denn sie weiss nicht, was sie anrichtet mit ihrem blinden sich-ändern.

13.
aber woher denn die möglichkeit für die welt, „etwas anrichten“ oder „falschmachen“ zu können? da müssten wir ja eine quelle für ereignisse IN der welt (sei sie nun blind, oder göttlich-absichtsgesteuert) ausmachen, von der unserem wohl gefahr droht. heisst das denn nun, dass eben DOCH nicht ALLES ein unser wohl besorgender oder zumindest besorgen könnender (blindlings, oder informiert, überlegt, absichtlich) prozess sein kann?
allerdings! denn IN der sich von selbst willkürlich, oder nach göttlichen absichten ändernden welt müssen ja auch noch WIR vorkommen – wir, so wie wir sind und uns kennen. und von uns WISSEN wir ja, dass wir selbst etwas sind, das willkürlich handeln kann innerhalb eines spielraums – dass wir frei sind, solche oder andere bewegungen mit unseren gliedern zu machen, dies oder jenes anzuschauen, da oder darauf zu achten, an dies oder jenes zu denken usw.: wir ERLEBEN es ständig, wir WISSEN es, dass wir so sind.
und nicht nur das: wenn unsere freiheit bloss darin bestünde, glieder zu bewegen, durch luft, oder uns etwas vorzustellen, dann wäre es nicht weit her mit unserem spielraum. doch dieser unser spielraum ragt in die welt hinein, zumindest in die uns umgebende: da finden wir MATERIAL vor für handlungen, beobachtungen, versuche, und mit diesem material ARBEITEN wir; und im rahmen unserer arbeit ist dies material verlässlich, wir kennen seine eigenschaften, und es ändert sich keineswegs ständig willkürlich – freilich auch nicht zu unseren gunsten: wir können FEHLER machen.
und eben die müsste die blinde welt oder der gute gott reparieren.

14.
es schaut nun also so aus: wir müssten UNS vernichtet denken (oder, was dasselbe wäre, in GÄNZLICH anderes verwandelt, worin wir uns nicht mehr wiedererkennen würden), wenn wir uns durch die welt, oder gott, so sehr bevormundet denken würden, dass wir nicht mehr frei wären, unsere glieder zu bewegen, und damit (bekannte) materialien (mit berechenbaren eigenschaften) zu bearbeiten, und so zu versuchen, etwas zu unseren gunsten in der welt auszurichten (einer welt, die FÜR UNS nur zählt, soweit sie diesen charakter des materials, und des regelhaften hat).
doch damit müssen wir die möglichkeit unserer fehler denken; und, wenn wir die bevormundung nicht sofort wollen können (da es uns vernichten würde), müssen wir uns die korrektur der fehler, und ihre wiedergutmachung, irgendwann später, oder (von uns erbeten) immer wieder zwischendurch, denken können. und da WIR uns so unberechenbar vorkommen, können wir uns keine welt, als helfende, denken, die auf all unsere verrückten und irregehenden experimente eingestellt sein könnte; sondern nur eine verstehende instanz, die unsere fehler nachvollzieht, und unsere bedürfnisse kennt: nur sie kann MIT SICHERHEIT alles wieder richten, was WIR an uns und andern kaputtmachen.

15.
da ist nun etwas höchst bemerkenswertes eingetreten. denn, während von allem, von dem bisher die rede war, bloss gesagt werden konnte: „dies und das ist nicht ausgeschlossen, und mehr können und brauchen wir nicht zu sagen“, ist es jetzt so, dass wir uns in KEINEM fall mehr diesen komfort leisten können, auch nicht beim vorstellen der besten fälle, etwas einfach offenlassen zu können: darum, weil wir nun selber, und unser so und nicht anders sein können ins spiel kommt. und wir können UNS eben nicht so einfach immer wieder anders denken (oder anders werden könnend), wie es „ein bestes“ wäre: darum, weil wir ja selbst der masstab dafür sind, was gut, besser und bestes wäre für uns. ohne uns, und ohne, dass feststeht, was und wer wir sind und was wir wünschen und brauchen, wäre die ganze optimal-überlegung nicht möglich.
das aber heisst, dass wir die bedingungen, die wir setzen müssen, damit ÜBERHAUPT gesagt werden kann, dass etwas unserm interesse entsprechendes geschieht, bei all unsern optimalvorstellungen berücksichtigen müssen. und wie wir sahen, hat das weiterreichende konsequenzen, als ursprünglich vermutet.

16.
denn, unser pures dasein und wir-sein hat schon höchst weitreichende konsequenzen bezüglich der welt: sie muss eine für uns bearbeitbare sein (das heisst: eine in vielfältiger hinsicht regelmässige); und bezüglich gott: er muss uns mit dieser welt, oder diesem welt-anteil, in dem wir arbeiten, in einem gewissen sinn ALLEINELASSEN; er muss unwissen, fehler, und schäden zulassen, weil es uns sonst garnicht gäbe.
das aber heisst: er muss sich, in gewissem umfang, aus der welt, soweit sie unsere umwelt ist, zurückziehen; er DARF garnicht mit seinen absichten in sie hineinregieren, weil dies, streng genommen, an JEDER stelle, wo er es täte, sofort unsere freiheit, zu lernen, zu arbeiten, wir zu sein, einschränken würde. wir wollen zwar auch unser wohl; aber wir wollen es als UNSERE tat, und es selber herbeiführen; denn im mass, wie nicht WIR es sind, die es tun, würden wir garnicht existieren. (oder nicht als akteure; nämlich so, wie sich manche die englein (nicht umsonst als kleinkinder) vorstellen: einen chor himmlischer höflinge oder claqueure, die der gott-
könig sich als gefolge bestellt hat, und die nichts andres zu tun haben, als ununterbrochen seine tollen werke anzustaunen und zu applaudieren (und dafür erhalten werden, ohne einen handstreich tun zu müssen); und SO reduziert wollen wir dann wohl doch nicht sein, selbst wenn das in augenblicken der erschöpfung eine angenehme alternative wäre…)

17.
es scheint also nun, als sei durch dieses unser selbstständig und überhaupt selbst sein wollen in unsere vorher so eindeutige vorstellung vom denkbar besten eine unsicherheit, oder sogar ein widerspruch, ein (ziel)konflikt hineingeraten – als kämen wir ins schwanken, und wüssten nicht so recht, was wir uns jetzt eher wünschen sollen: bevormundung und sicherheit, oder selbständigkeit und risiko. natürlich können wir, im interesse der einfacheren gemüter unter uns, ein wenig mogeln, und sagen: wir wollen ERSTMAL ganz gross und erwachsen sein, und alles selber tun; und bitten um eine unbekannte welt (bitten heisst: wir nehmen diese vorstellung in unseren begriff vom denkbar besten auf), die wir SELBST auf eigene gefahr erforschen und beherrschen lernen wollen – eine, in der vielleicht nicht einmal feststeht, OB es regeln in ihr gibt, geschweige denn WELCHE. für die nicht ganz harten unter uns aber, die das nicht so gut aushalten, bitten wir um die möglichkeit des GEBETS, und da und dort klitzekleine und kaum merkliche eingriffe in den unerbittlichen naturablauf, wenn wir uns allzuschlimm geirrt haben, und es knüppeldick kommt – kleine wunder und eingriffe, die aber ansonsten an der gesetzlichkeit der welt, die wir ja erst erforschen wollen, nichts ändern. – das heisst, am liebsten wäre uns eine art assistiertes kennenlernen der welt, als einem spielerisch arrangierten RÄTSEL; das kennenlernen als unverbindliches spiel, bei dem uns letztlich nichts passieren kann.

18.
jetzt haben wir also so etwas wie eine bitte, in wahrheit eine forderung oder genauer ANforderung, an unsern gott, in wahrheit unser denkbar bestes. wir denken es, oder ihn, als das, was macht hat, ZULETZT (wann immer sich das zutragen mag) für uns alles gut zu machen – wenn wir es nicht mehr können; also die lücke zwischen unserem beschränkten tun, und DEM GUTEN, dem weitestreichenden, besser noch: dem denkbar BESTEN, zu schliessen.
es ist nicht ganz unwichtig, an dieser stelle zu vermerken, dass wir zwar das vorhandensein eines ALLesGUTmachers zu unserem denkbar besten erklärt haben, dies beste SELBST aber zu bestimmen uns vorbehalten haben. tatsächlich haben wir noch garnichts im detail als bestes bestimmt, ausser die garantie, immer weiter möglichkeiten zu haben, erhalten zu bleiben (auf unseren irrwegen nicht vorzeitig verloren zu gehen, etwa zu sterben) und „immer weitermachen zu können“. worin das weitermachen und vor allem ein weiterKOMMEN bestehen würden, haben wir offenbar noch garnicht sagen brauchen.
in der WEISHEIT und GÜTE gottes stellen wir uns nämlich in wahrheit selber einen freibrief aus: was WIR nicht von unserem besten wissen und sagen können, soll ER für uns finden; ER soll, besser als wir selbst, wissen, was zuletzt gut und unser bestes ist.
und wir werden uns ihm vertrauensvoll fügen.

19.
nun haben wir in der weisheit gottes sehr verschiedenes untergebracht; zuerst einmal eine menge WISSEN – er sieht alles, weiss alles, kennt, erkennt, durchschaut alles. das muss er auch, schliesslich soll er ja wissen, wo er eingreifen muss. aber gott darf nicht nur zur kenntnis nehmen – er muss uns VERSTEHEN; er muss die bedeutung bestimmter ereignisse (und der sich daran anschliessenden gefühle) für uns erkennen – muss freud und leid nachvollziehen, und unsere bedürfnisse und (recht verstandenen) interessen kennen; und er muss sich unsere sache, das heisst: unser wohl, ZUEIGEN machen.
unser wohl, unsere sache: das hatten wir, einige abschnitte zuvor, bereits zum ausgangspunkt für (an)forderungen an (einen) gott (als denkbar bestes) gemacht. es gab da einige NOTWENDIGE bedingungen, auf denen wir bestehen mussten, um überhaupt dazusein (und wir konnten uns doch nicht, nur zu unserem besten, wegwünschen).
und nun ist die frage, ob dieses unser „wohlverstandenes interesse“ für gott etwas freier verfügbar ist, als unser dasein (und seine notwendigen bedingungen): etwa in dem sinn, dass ER unsere interessen besser kennt und versteht als wir selbst. dass also er uns in unserem interesse, und zu unserem besten, sagt, was wir tun sollen, in der sphäre unserer notwendigen freiheit (unseres daseins) – da, wo wir’s noch nicht wissen.

20.
wir möchten somit von gottes perfektion und fehlerfreiheit schon mal vorab, noch vor aller reparaturbedürftigkeit, profitieren; wir möchten, wenn schon nicht unser bestes, denn dafür sind wir vielleicht zu schwach, so doch manches gute, und immerhin das in unseren kräften liegende beste, für uns herbeiführen dürfen. und gott soll uns sagen, wie.
gewiss wären wir gott für den ein oder anderen tip dankbar, wenn es mit unserer beherrschung von welt und natur (einschliesslich unserer eigenen) grade einmal nicht so gut vorangeht. aber das gehört ganz in die sphäre des „gebets“, und der kleinen reparaturen und erleichterungen, die den faulen und schwächeren unter uns entgegenkommen sollen. soweit wir stark sind und sein wollen, werden wir uns solche fürsorglichen übergriffe in die sphäre unserer autonomen tätigkeit verbitten. eher schon möchten wir da von gott wissen, wohin überhaupt wir uns wenden sollen; welche prioritäten wir setzen, welche ziele wir verfolgen sollen, und wie wir miteinander umgehen könnten. denn das ist durch unser pures DASEIN und seine vielfältigen möglichkeiten des versuchsweisen vorgehens und sich entscheidens noch nicht bestimmt.
und da scheint es nun, als würde uns nichts genommen, wenn gott uns DIESE seite unserer selbst-bestimmung abnehmen wollte, und uns sagen würde, wie wir uns AM BESTEN (oder einfach nur: richtig) bestimmen.

21.
wenn wir so wünschen (und unser denken des besten IST ja eigentlich nichts als ein systematisches entwickeln von weitestreichenden wünschen, oder ansprüchen; ansprüche, in diesem sinn, sind ERKENNTNISSE), dann haben wir offenbar vom bestimmen unserer ziele, oder erkennen unserer (wohlverstanden) interessen ein bestimmtes bild: es scheint, als könnten wir sie SO oder ANDERS bestimmen, richtiger oder unrichtiger, geschickter oder weniger geschickt, und als hinge unser wohlergehen davon ab, WIE wir bestimmen.
unser wohlergehen? unser wohl? gerade DAS wollten wir doch bestimmen! und nun soll es zugleich das mass und die richtschnur unserer bestimmung sein, ist also schon vorgegeben? – was stimmt hier nicht?
offenbar behandelt man die bestimmung des INHALTS unseres wohls so, wie sonst die wahl unserer MITTEL zu seiner realisierung; end-ziel-bestimung nach dem muster der bestimmung von ZWISCHENZIELEN. die frage, die wir uns (und gott) aber stellen (und die sonst keinerlei sinn macht): ob wir auch richtig, geschickt, optimal bestimmt haben, setzt eben das eine, einheitliche beste, an dem gemessen wird, was ihm gemäss (zweckmässig, nützlich, unserm wohl am meisten förderlich) ist, voraus.
hingegen, wenn auch die endziele noch willkürlich, so oder anders gewählt werden könnten – ja, wenn wir auf dem standpunkt stünden, dass sie eins so gut wie das andre sind („gut“!) – dann gäbe es keine frage, und kein problem, weder für uns, noch für unseren ratgeber in sachen „bestes“.

22.
fast so, wie die willkür der welt mit einem berechenbaren dasein auf lange frist (und dem wiedergutmachen unserer irrtümer) unvereinbar war, scheint auch unsere eigene willkür unser dasein in chaos aufzulösen: wenn jederzeit, durch umbestimmung und umentscheidung (oder auch vor-entscheidung, so oder so), ALLES, was geschieht, als folge unseres tuns, je nachdem, als irrtum oder nicht, (wieder) gut oder nicht, erscheinen könnte: dann hätten wir eigentlich GARkeine ziele. wie sollte gott uns da helfen, wie ein verlässlich bestes definiert werden können?
aber ist nicht des menschen wille sein hinmmelreich?
nun gut – lasst uns also draufloswollen, was immer wir wollen; und tun, was wir wollen. nun mag es vorkommen, dass wir wollen, aber nicht können, nicht wissen, wie wirs anfangen sollen, oder beim ausführen unseres wollens scheitern, oder einfach nur bedürftig werden, und nicht wissen, wie wir uns dieser bedürfnis-not erwehren sollen.
da könnten wir dann wenigstens ganz andere sein wollen, als wir sind – solche, die tun können, und wissend tun, was sie wollen, und dabei vor bedüftigkeit geschützt sind. – oder kurz: wir könnten gleich selber götter, oder gott, werden wollen: ALLMÄCHTIG, ALLWISSEND, UNSTERBLICH, UNVERLETZLICH, vielleicht auch (da wir doch am wünschen sind) VON EWIGER LUST UND FREUDE ERFÜLLT… (oder so ähnlich).

23.
aber jetzt verheddern wir uns ein wenig in unseren wünschen. gott (oder das bestdenkbare), wie wir ihn uns bislang vorstellten, war nur eine ergänzung zu uns: ein unbestimmter lücken-füller zwischen uns, als einfach so erstmal daseienden (die sich nicht einfach vernichten lassen wollten zu ihrem besten), und dem eigentlichen besten, unserem wohl: WIR, ohne aufzuhören, wir zu sein, wollten, und zwar soweit möglich durch eigenes tun, selber bessere und beste werden, mit gottes hilfe  – den wir uns zu diesem zweck hinreichend befähigt dachten – ohne im einzelnen sagen zu können, wie: ALLes benötigte sollte dabeisein, ALLes wissen, ALLe macht, und ALLe nötige güte; und auch alles verständnis für uns. zum verständnis, als ingredienz der nötigen güte (die gott, beispielsweise daran hindern müsste, für uns ungünstige bitten zu erhören), gehörte, dass gott, besser als wir selbst, wissen sollte, worin unser bestes besteht. jedoch: entweder, unser bestes (unser wohl und wohlverstandenes interesse) ist vorab feststehendes mass, das wir wohl verfehlen, zugleich aber prinzipiell auch selber begreifen können; dann steht es nicht einmal in gottes macht, daran etwas zu ändern – es sei denn, WIR werden wieder von ihm zu ganz anderen, mit anderen „besten“, umfunktioniert, und also vernichtet; uns, mit UNSEREM uns offenbar von vorneherein zugeordneten besten, muss er doch bestehen lassen und als solche anerkennen (so wie wir es selber tun, in unseren wünschen und best-vorstellungen).

24.
oder aber: wir bestimmen willkürlich, in DIESER hinsicht, WER wir sind, indem wir uns (aber wer sollen wir sein, dass wir zuvor schon dasind, als solche, die solche entscheidungen treffen?) unsere „besten“ selbst bestimmen (bzw. wählen, uns willkürlich darauf festlegen); und gott denken wir uns als einen blossen kompetenzenträger, der uns von seinen errungenschaften abgeben soll, damit wir in der wahl unserer ziele nicht mehr beschränkt sind. das beste, das wir uns vorstellen können, ist nun einmal: selbst gott zu sein (im sinne der bisherigen MACHT-bestimmungen); aber uns, andererseits, was wir dann tun, vorzubehalten.
spätestens wenn wir selbst gott wären, entfiele auch die bestimmung der güte und des verstehens; die des wohlverstandenen interesses haben wir, angesichts unseres selbst-verständnisses als willkür-entscheider, ohnehin bereits aufgegeben.
aber wenn gott so wäre, wie wir dann wären, wenn wir wie er wären – warum sollte er sich um uns bekümmern – mit notwendigkeit? warum sollte er SEIN wollen, als was wir ihn DENKEN – gütig? und wenn er nicht will, und so ist wie wir, dann kann er doch nur noch ZUFÄLLIG gütig sein – weil er sich willkürlich, zufällig, darauf festgelegt hat (so wie wir uns darauf, oder aufs nicht-gütig-sein-wollen, festlegen könnten).
und das wäre freilich nichts gutes; denn dann würden wir ein bestes zu denken haben, das, gerade so wie wir es uns denken (nämlich mit uns als willkürentscheidern) zugleich als GRUNDSÄTZLICH NICHT SICHER (oder nur absolut zufällig, und völlig unabhängig von unserem handeln) ERREICHBAR gedacht werden kann.

25.
denn warum sollte gott von all den willkürzielen und willkürverhältnissen, die er zu andern, uns, eingehen könnte, ausgerechnet die güte wählen? recht verstanden, wählt gott, in unserem modell, auch garnicht die güte; er wählt vielmehr IRGENDETWAS, und ZUFÄLLIG könnte darin liegen, dass er uns kompetenzen verleiht, die er hat. übrigens WOLLEN wir vielleicht garkeine kompetenzen haben, weil wir uns anders entschieden haben – dann wäre gott wieder an der falschen adresse. (so ganz und gar willkürlich, wie wir uns hier auffassen, sind wir schon ganz schön unberechenbar, nicht wahr?)
das läuft eigentlich nur darauf hinaus, dass, wir wissen auch nicht wie und warum, irgendwo irgendwann vielleicht zufällig die willkür einer kompetenzenquelle mit unserer willkür zusammenpasst, und uns gelegentlich fehlende fähigkeiten, zu tun, was wir gerade eben wollen, in den schoss fallen könnten. und so sollen wir also nun unser bestes denken…
die willkürliche welt, die wir oben ausschalten wollten, weil wir uns halbwegs verlässlich helfen lassen wollten in unseren nöten, hätte es keineswegs schlechter machen können; und über sie sind wir mit dieser vorstellung also nicht hinausgekommen.

26.
würde gott aber die GÜTE wählen, dann würde er etwas in unsern (ungütigen, willkür-egoistischen) augen sehr paradoxes tun: er würde von dem, was er (willkürlich wählend) EIGENTLICH (und für sich selber) will, ABSEHEN, und stattdessen andres tun: uns geben, was immer wir wollen. da müsste er ja verrückt sein! besser denken wir uns ihn dann gleich als güte-automaten – die güte als AUSSCHALTUNG DES WILLKÜR-ELEMENTS IN GOTTES PERSÖNLICHKEIT; es ist dann so, als dächten wir uns gleich irgendwo in der welt einen schatz an fähigkeiten, die wir uns zunutze machen könnten, herumliegend, wir wissen nur nicht wo und wie hinzukommen. und ein besseres bestes können wir uns dann auch nicht vorstellen: denn wir können uns ja nicht einbilden, dass dieser schatz uns JETZT schon zu gebote steht. so denken wir im besten uns eigentlich nichts andres als die tatsache unseres GETRENNTSEINS von dem, was wir uns wünschen; nicht anders als in dem eben genannten fall des willkürlichen gottes.

27.
aber der glaube ist kein reines wünschen, kein reines konstruieren eines denkbar besten; vielmehr eines solchen besten, das, zumindest versuchsweise, bis zu irgendeiner praktischen widerlegung (einem scheitern damit), verfolgt werden kann, aus unserer situation heraus, und mit unseren mitteln; kurz: es muss eine hypothese dasein, die handeln in dieser richtung empfiehlt, und andres zurückzustellen gebietet (d.h. unter der zu handeln einen unterschied im handeln macht).
für uns als willkürentscheider besteht unser bestes bestenfalls in MITTEL- und allmachts-ballungen, von denen wir uns, sobald wir sie als vorhanden gedacht haben, nur getrennt denken können, und so, dass es für unser handeln niemals einen unterschied machen wird, ob sie existieren, oder nicht. wenn also das optimum SO beschaffen sein soll, dann kann es keine optimalHYPOTHESE, und keinen glauben geben.
und vielleicht ist das auch so; aber wenn, dann nicht darum, weil er an DIESEM problem scheitert.
denn warum WOLLTEN wir denn sogar als blindwütige willkürentscheider kompetenzen? weil wir uns, selbst als solche (oder GERADE als solche) in unsere „sphäre der freiheit“, also zumindest IRGENDEINE situation, versetzt, denken müssen. mehr kompetenzen, grösseres fortgeschrittensein unserer freiheit wäre eine andre situation, als unsere gegenwärtige; aber situation ist es doch immer noch.
und diese situationsgebundenheit, die wir nicht loswerden, scheint zugleich unsere beschränktheit zu sein.

28.
jede jeweilige situation, als bestimmte, ist nämlich nicht nur ein ort von positiven und angenehmen möglichkeiten, befähigungen, und aussichten, aus denen sich etwas (durch unser eigenes tun) machen lässt; sie ist auch der ort unseres (noch) nichtwissens, nicht-könnens, und aufgehalten-werdens durch lauter notwendigkeiten, worin wir unsere bedürfnisse zu berücksichtigen haben, und in der situation liegende gefahren für uns und unser überleben abzuwehren haben.
als wir ursprünglich an gott und seine schöpfung mit unserem wünschen (optimal-hypothesen-bilden, glauben) herantraten, konnten und wollten wir uns noch garnicht anders denken denn als bewohner einer solchen welt-situation: hätte gott, mit besten absichten, sie uns weggenommen, und uns ins paradies versetzt, worin wir nichts mehr hätten für uns tun brauchen, aber auch nicht dürfen – wir hätten ihn als vernichter unseres selbst aufgefasst. aber jetzt, wo wir weiter fortgeschritten sind im wünschen, haben wir uns eine situation ohne mängel ausgemalt, und wollten uns SO situiert sehen (vgl. abs.21, ende): „ALLMÄCHTIG, ALLWISSEND, UNSTERBLICH, UNVERLETZLICH, vielleicht auch (da wir doch am wünschen sind) VON EWIGER LUST UND FREUDE ERFÜLLT… (oder so ähnlich).“
und damit wollten wir all die eben angeführten beschränktheiten, die offenbar zum normalen situiertsein hinzugehören, ausschalten.
die frage ist bloss, ob wir nicht (so wie damals gott es getan hätte) uns nun selber, in unserem wunschziel, ausgeschaltet denken müssen: weil eine UNbeschränkte situation GARkeine situation mehr wäre.

29.
denn: ganz gleich, was wir aus gleich welcher situation herauskommend, tun und zu tun versuchen: es ist offenbar (was immer wir wollen könnten) in JEDEM fall DIES, was wir AUCH wollen – SO werden, wie wir uns gott denken. der einzige vorbehalt, den wir ja gemacht hatten, war, dass wir unseren fortschritt, IN der jeweiligen situation, mit eigenen mitteln bestreiten wollten; und gott nur als reparateur und garant unseres end-erfolgs gebraucht wurde.
wenn dies wunschziel aber das ist, worauf wir, aus gleich welcher situation herkommend, hinauswollen (und hinauswollen müssen, wenn wir jeweils weiterkommen wollen: weil sonst garkein fortschritt zu denken wäre, oder wir offenkundig verrückt sind; denn selbst als willkürentscheider mussten wir doch die mittel für unsere verrückten ziele besitzen, weil anders von zielen garnicht mehr hätte geredet werden können): dann müssen wir uns doch beinah fragen, ob dies universelle ziel nicht zugleich auch das ENDE allen wünschens und wollens ist, als seine erfüllung. und damit auch vielleicht auch unser ende, denn als wir gott uns dies anbieten liessen in unseren vorstellungen, nicht mehr situiert, aber dafür glücklich zu sein, haben wir sein angebot zurückgewiesen,  und wollten unsere sphäre der freiheit (wenn auch mit sicherungsvorkehrungen und erfolgsgarantie).
und wir müssen uns fragen: ob dies ziel und ende noch in irgendeiner hinsicht mit irgendeiner situiertheit, und also einer weise, wir zu sein, zu vergleichen ist.

30.
wir wollen, beispielsweise, unsterblich sein: was sollen wir mit unserer zeit anfangen? wir wissen ja alles; aber was gäbe es denn interessantes zu wissen? da uns ohnehin nichts geschehen kann (schliesslich sind wir auch unverletztlich), lässt alles uns kalt, interessiert uns ausschliesslich als interessanter, unterhaltsamer fall. wenn „wissen“ hier „alles wissen, was in der welt vor sich geht“ heissen soll, der welt zuschauen, die wir nicht gemacht haben, dann könnte hier freilich eine erste quelle der qual liegen: die welt, so wie sie ist, längst bekannt und abgenutzt, könnte, in ihren grenzen, uns entsetzlich langweilig werden. wir müssten uns also eine andere welt vorstellen, oder gleich machen und anschauen, und wenn eine, warum nicht auch viele; ein kaleidoskop schnell-flüchtig wechselnder welten und schöpfungen könnte vor unseren nunmehr göttlichen augen sich auftun, manche interessantes, viele das immergleiche in immer neuen variationen darbietend, sodass wir immer mehr das interessante vom nicht-interessanten trennen, und immer selektiver hinsehen beim „zappen“ durch die welten, schliesslich (der übergang zum interaktiven weltsehen) immer mehr strukturierend eingreifen, und unseren welt-film nach unseren eigenen bedürfnissen zusammenstellen, auf immer mehr parameter des (ursprünglichen von selbst-)geschehens einfluss nehmen, bis zuletzt unser wählen und beeinflussen von einem selber machen und vorstellen, ja überhaupt vom blossen vorstellen und alles selberdenken nicht mehr zu unterscheiden ist (weil das anschauen keinen unterschied mehr macht – weil es keinen überschuss der ausführenden anschauung über die planende vorstellung gibt).

31.
und wenn wir zeit genug hätten, und nicht arbeiten müssten, könnten wir das auch schon heute. denn was immer wir uns noch wünschen, und wie immer wir uns verbesssern wollten – eins wünschen wir uns doch gewiss nicht, aus aus prinzip: eine ANDERE denk- und vorstellungsfähigkeit, als wir sie haben. gewiss wollen wir nicht physisch behindert sein in der ausübung dieser unserer fähigkeit; aber WANN wir behindert sind, spüren wir ja immer noch selber, und haben eine vorstellung davon, dass es gerade (aus müdigkeit, oder dumpfheit und konzentrationsmangel) nicht weitergeht, wie es sollte – weil wir uns irgendwie bewusst sind, was „weitergehen“ hiesse. wohingegen wir uns eine ganz andere vorstellungsfähigkeit artikuliert garnicht vernünftig wünschen können – dazu müssten wir sie uns ja – vorstellen.
wir müssten sie vorstellen, und also schon haben; wir müssten aber auch ihren wert prüfen. und auch da scheint es irgendwie schwierig zu werden: es ist schwer denkbar, dass eine „andere“ vorstellungsfähigkeit (aus welchen gründen?) uns MEHR bedeuten könnte als die, die wir haben. was nicht verwundern würde, wenn sich halten liesse, was sich eben schon abzeichnete: dass „ALLES VORSTELLBARE (DENKBARE) VORZUSTELLEN (ZU DENKEN)“ den höchsten wert überhaupt darstellt – jenen, der allem andern, was wir tun, erst seinen wert gibt, weil es auf dieses ziel hinarbeitet und es ermöglichen hilft.

32.
da sind wir nun, von einer anderen seite, wieder zu dieser unterscheidung von ziel und mittel gelangt; diesmal angesichts der frage, ob es eine „bessere“ vorstellungsfähigkeit (eine zweckmässigere, unserm eigentlichen ziel mehr entsprechende) geben könnte, als die, die wir haben. ob wir uns, etwas altertümlich ausgedrückt und so, und wie es in der religiösen sprache heisst, zum beispiel ein maximum an WEISHEIT wünschen sollen: weisheit gedacht als besonders geschicktes, unsern zwecken irgendwie besonders förderliches (sich weise bescheidendes, alles vorhersehendes, alles berücksichtigendes, beherrschtes usw.) wählen seiner ziele. und was wäre der masstab der geschicklichkeit – welchen zwecken gemäss soll die weisheit sein, welchen (ausserhalb ihrer liegenden) zwecken dienen?
wären es willkürzwecke, könnte es auch nur viele dazu passende willkürweisheiten geben (und kein allgemeines mass der universellen geschicklichkeit, das zugleich das DER weisheit wäre); wäre sie endzweck, könnte sie nicht geschickt und zweckmässig genannt werden, sondern würde selber das mass für zweckmässigkeit und geschicklichkeit festlegen. – und wo eben weisheit stand (gottes weisheit, ALLweisheit, maximale weisheit), könnte auch „bessere vorstellungsfähigkeit“, „höhere intelligenz, als unsere“ und dergleichen stehen.

33.
sind unsere vorstellungs-, denk- (urteils-, begriffsbildungs- usw.) fähigkeit MITTEL, so wie sie sind – können sie besser, ja VIEL besser werden (und nicht einfach nur in ihrer ausübung weniger, ja sehr viel weniger behindert sein, ohne sich der qualität nach ändern zu dürfen)?
und wäre das mass des besserwerdens: unser ERFOLG in der welt?
und was wäre erfolg – was wollen wir, letztlich?
letztlich, nach dem gesagten: vorstellen und denken – ungehindert, aber nicht anders, als wir es eben tun. und wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass allein schon der BEGRIFF einer ANDEREN denk- und vorstellungsfähigkeit schwierigkeiten macht – ähnlich, wie etwas der einer „anderen zahl 5“: es gibt eben nur EINE zahl 5 (und alle sophistischen versuche, dem ausdruck bedeutung zu geben, sind ebensoviele möglichkeiten, ihn eben NICHT als diese EINE zahl 5 (sondern etwa als diese besondere ziffer 5, oder zifferntyp 5 usw.) bezeichnenden aufzufassen).
und so ist es vielleicht auch mit der vorstellungs- und denkfähigkeit, wenn wir anfangen, uns redlich rechenschaft darüber abzugeben: jede ANDERE (und nicht einfach bloss behinderter oder unbehinderter ausgeübte) denk- und vorstellungsfähigkeit als unsere IST doch irgendwie auch schon keine mehr.

34.
und alle vielfalt und alle variationsbreite von denk- und vorstellungsfähigkeiten (oder sollen wir sagen: intelligenz? und warum nicht gleich: personalität, „bewusstheit“ auf dem niveau des personseins?) würden sich dann äusserlichen rücksichten verdanken:
die besondere schläue, die besonders geschickt und erfolgreich angewandte intelligenz würde sich als eine erweisen, die entweder auch informierter war, oder unter besonders glücklichen und entgegenkommenden umständen angewandt wurde, oder zufällig erfolgreicher war (ohne wirklich geschickter zu sein); oder aber, sie hat alles „richtig“ gemacht und es wurde nachvollziehbar seriös gedacht, so wie wir es auch gemacht hätten: dann ist der erfolg ja kein wunder, und wir hätten ihn, mit den gleichen schritten auch zuwegegebracht. auch hier wieder also der gedanke: die besondere, unverständlich-wunderbare intelligenz steht immer im verdacht, keine zu sein; soll dieser verdacht entkräftet werden, müssen wir nachkommen können und nachvollziehen – aber dann verschwindet das wunder.
selbst das letzte zufalls- und willkür-element, der „geniale einfall“ (der irgendwelchen anforderungen schnell und plötzlich gerecht wird), verschwindet, wenn wir uns klarmachen, dass er blosse passende ausprägung einer REIHE VON MÖGLICHKEITEN darstellt; hätten wir sie systematisch durchgegangen, wären wir auch draufgekommen. die besondere genialität und kreativität ergibt sich bloss aus dem verhältnis zu fristen, die eingehalten werden sollen – letztlich also zu unserer ungeduld und gier nach schnellen ergebnissen. unsere trockene denkfähigkeit, mit der wir den „göttlich“ kreativen und genies hinterherdenken müssen, um uns von ihrer genialität auch wirklich zu überzeugen, bleibt davon doch unberührt.

35.
und denken nicht religiöse menschen sich ihren gott und götter als solche kreative? die unendlich viel weiser, intelligenter, wissender und vorhersehender als sie selber sind? und ist es nicht immer so, dass sie dabei garnie einmal sich überlegen, in welchen hinsichten man ihnen selber überhaupt etwas voraushaben könnte? so, dass es noch immer ein haben des gleichen, wie bei ihnen, ist, nur eben mehr: mehr einsicht, mehr übersicht, mehr wissen, mehr voraussicht und vorauswissen, mehr möglichkeiten bedacht haben usw. (und hier geht es wohlgemerkt um ein „mehr“; nicht nur um ein „(immer wieder) schneller“). aber auch das ist doppeldeutig: denn, dass andere auf dem weg, den er selber beschreiten könnte, weiter vorangekommen sein können, wird jeder zugeben: dass sie dinge gedacht und erkannt haben, die er sich nicht klargemacht hat, und von denen er nichts weiss. aber hier geht es ja immer wieder um eine befähigung zu PRINZIPIELL anderem und überlegenem – wo wir nie mehr hinterherkommen sollen. und gerade DAS sollen wir noch erkennen können: dass wir etwas nicht begreifen KÖNNEN (als ob das nicht ein vernichtendes urteil wäre!) – und es zugleich anerkennen sollen, ALS OB es begreifbar wäre? und das AUSMASS der überlegenheit sogar noch gewissermassen MESSBAR?

36.
in gott und seiner göttlichkeit denken wir uns aber bloss, zu unserem besten (optimum), nichts anderes als den inbegriff der abschaffung aller defizite, die uns auf unseren wegen je werden zu schaffen machen können: alle schwächen und bedrohungen beseitigt, alle stillstände überwunden, alle vorzeitigen beendigungen unseres entwicklungsprozesses abgewendet; genauer: alles beseitigbar, überwindbar, abwendbar für ihn und durch ihn; und durch ihn für uns, zu unseren gunsten. die nöte, denen so abgeholfen werden soll, sind aber nie andre, als die situierter wesen, wie wir; und ihre heilung denken wir uns, im glauben, ausgehend von einem überlegenen standpunkt, der immer nur durch den bezug zu vorstellbaren schwierigkeiten auf unserem weg seinen inhalt bekommt (und nur so, falls wir das wollten, genauer bestimmt wird).
gottes weisheit, allwissenheit, allmacht usw. ist präzise nichts andres als die vorstellung eines zustands, worin alles, was an defiziten AUS UNSERER SITUIERTHEIT je resultieren könnte, verschwunden ist. gott ist schlechterdings NICHT situiert – wenn, wie es scheint, situiertheit mit beschränktheit (und noch-getrenntsein, entferntsein vom zustand der göttlichkeit, d.h. des nicht-mehr-situiertseins) zusammenfällt. was dies bedeutet: nicht situiert zu sein, haben wir garnicht gedacht; zum beispiel, wie gott seine überlegene stellung GENIESSEN könnte (und so noch eine geschichte seiner genüsse zu absolvieren hätte? und ihm noch etwas zu wollen bliebe?); ähnlich, wie WIR unsere göttlichkeit geniessen würden, wenn wir sie endlich, mit seiner hilfe, erreichen würden.
aber diese genüsse sind jenseits jeden bezugs zu unserer jetzigen not; und so scheint die frage, wie die göttlich überlegene stellung (intelligenz, weisheit usw.) sich SONST noch auswirken mag, uns, wie schon die anderen metaphysischen spekulationen oben, als glaubende, d.h. bildner eines hypothetischen optimums für UNS, nichts anzugehen.

37.
sie geht uns aber doch an. denn die bezugnahme gottes auf UNS und die inanspruchnahme seiner hilfe in unseren allfälligen nöten macht ja nur sinn, wenn WIR ein ziel haben, für das es sich lohnt, erhalten zu bleiben, und den fortschritt zu immer besseren und günstigeren situiertheiten und ausgangssituationen für weitere fortschritte herbeizuführen. wohin wollen wir? warum geben wir’s nicht auf, wenn wir hilfe bräuchten, warum wollen wir weiter, und warum erscheint es uns zweckmässig, uns helfen zu lassen, oder uns selbst zu helfen?
die utopischen situiertheiten, in denen wir – der sorge um unser dasein enthoben – uns wirklich FREI betätigen könnten, haben wir oben bereits (abs. 29) begonnen auszumalen. dass wir MACHEN können, was wir uns denken, spielte nur solang eine rolle, wie wir zur daseinsfürsorge tätig werden mussten; von dieser anforderung freigestellt, scheint die UMSETZUNG unserer vorstellungen und gedanken in reale, anschaubare werke zu ihnen nichts mehr hinzuzutun: im mass, wie wir PRÄZISE wollen, was wir erschaffen, verschwindet der überschuss des werks über die erschaffende vorstellung (vgl. ende abs. 29). – und was sollten wir uns denn vorstellen, und was bedenken können, als DEN INBEGRIFF MÖGLICHER SITUIERTHEITEN, UND IHRER ABFOLGE (mögliche folgen von situationen, d.h. mögliche GESCHICHTEN) – andere, als wir sie erlebt haben, aber darin gleich, dass es sich um situiertheiten handelt – um folgen, und umgangsformen von solchen, die wenn auch anders als wir, doch wie wir, verstanden als vernünftige wesen, mit diesen situationen umgegangen wären.
(noch die mathematik handelt im weitesten sinne von einfachsten eigenschaften möglicher einfachster situationen).

38.
und wie allein können wir denn mit unserer tatsächlichen situation, und ihren eigenheiten, fertigwerden – wie unsere SUCHE und unsere VERSUCHE zu ihrer verbesserung anleiten, als indem wir uns die hypothetischen MÖGLICHKEITEN ihrer fortsetzung vorstellen, von denen wir die weitestreichenden oder auch (im rahmen unseres wissens) wahrscheinlichsten in unseren experimenten erproben? (auch das glauben ist ja solch eine erprobung einer GEDACHTEN weitestreichenden möglichkeit.)
und was wir dabei zu denken haben, sind mögliche verlängerungen dessen, was bereits funktioniert hat, in neu konstruierte möglichkeiten hinein; es sind abwandlungen von bestehendem, die sicherer und verlässlicher sind, als die vorherigen; es sind erklärungen des unbekannten (zu kleinen, zu weit entfernten, zu frühen, zu schnellen, zu langsamen, und allgemein des nicht einfach wahrnehmbaren) in der welt, mit hypothetischen sachverhalten, die aber denen, die wir kennen, gleichen (wir verlängern das bekannte (kausalgesetzlichkeiten, „reine“ beschaffenheiten (reinsubstanz, die in jeder portion, die wir herausgreifen, gleiche eigenschaften hat; kondensatoren mit ihrer ladung, magnete usw.) in mikroskopische, astronomische, geologische, paläontologische und kosmologische bereiche, auch in nur rein indirekt messbare usw.). so denken wir uns, zu unserer bekannten alltagswelt, ihre möglichen abwandlungen hinzu – andere welten; so, wie wir im umgang mit anderen uns ihre alltage (ihre erfahrungsstände) vergegenwärtigen müssen, um ihre einstellungen zu verstehen, und (u.u. aufklärend, erfahrungsstände korrigierend, ausgleichend) darauf einfluss zu nehmen.

39.
also: fortschreiten bedeutet nichts anderes als, diese arbeit des denkens des möglichen entlang von speziellen fällen seiner realisierung zu leisten. wir denken das, was zu denken ansteht; aber das vergnügen daran muss nicht geringer sein, als in der reinen musse-situation (ja, vielleicht sogar ist es unserer physischen ausstattung, so wie wir gebaut sind, gemässer, auch praktische routinen zwischendurch zu haben, nicht NUR und immerzu denken und vorstellen zu müssen).
das aber, WORÜBER wir denken, liegt nie ganz ausserhalb unseres horizonts; dieser horizont ist vorgegeben durch die begriffe, die ALLE mögliche situiertheiten (in einer alltags- und lebnswelt) ÜBERHAUPT gemeinsam haben – wie abgewandelt wir sie uns auch denken. selbst die naturwissenschaft noch hat, wie wir im vorhergehenden abs. andeuteten, abstrakte, ins kleinste, grösste, zeitlich entfernteste verlängerte (und aus dem bestehenden projektiv erschliessbare), aber immer lebensweltliche kategorien als leitfaden ihrer fragen (dies allgemeinste hat in vielen fällen mathematische form angenommen: geometrie, analysis, speziell begriffe wie schwingung, welle, als formen von ereignisverläufen; system-beschreibungen, wie chaostheorie etc.); denn wenn nicht dies bekannteste ihr das material lieferte, hätte sie garkeine fragen (ein sinnloses chaos rein empirisch aufzufindender funktioneller zusammenhänge von messdaten würde das ende der wissenschaft markieren; die BEGRIFFE der naturwissenschaft (die möglichen hypothesen) sind immer MEHR als erratene mathematische funktionen: denn funktionen BESCHREIBEN bloss noch zusammenhänge übersichtlich, aber ERKLÄREN sie nicht mehr – führen sie nicht auf (und sei es auch erschlossenes) qualitativ anderes, aber eben einordenbares (dispositionsträger, und ihre geometrische anordnung) zurück.).

40.
und ebenso liegt, was andere, mit ganz anderen erfahrungen, denken und wollen, nie ganz ausserhalb dieses möglichen horizonts; es sei denn, sie sind unverständlich, und für uns nicht mehr als unseresgleichen, personen, wahrzunehmen. auch die möglichen GESCHICHTEN, und nicht nur die möglichen NATUREN (oder auch erst einmal bloss erfahrungs-welten, erfahrungs-
geschichten), und die überhaupt möglichen und verstehbaren arten, auf beides zu reagieren, die einzelpersonen und gruppen, mit denen wir es zu tun bekommen, auszeichnen könnten – all dies liefert nur abwandlungen zum allgemeinen begriff der situiertheit in einer lebenswelt, und der fortschritt, das ausdifferenzieren unseres praktischen umgangs mit, und das uns auskennenlernen mit einer lebenswelt, und den anderen mit-bewohnern in ihr, stellt, schritt für schritt, nur ein übergehen von komplexen zu noch komplexeren (und ausdifferenzierteren, mehr gedachte möglichkeiten berücksichtigenden und auf sie vorbereiteten) „situiertheiten“ und alltagen dar. die kategorie der situation, des alltags, der lebenswelt selber können wir nicht verlassen, weil sie der rahmen für all unser tun und denken ist. und dieser rahmen ist es, den unsere SPRACHE mit ihren logischen formen (wie vielfältig auch die einzelbegriffe und einzel-ausdrucksformen sein mögen, die unserer besonderen lebenswelt, als EINER ausprägung der möglichen, angemessen sind) repräsentiert. weil alle lebenswelten, ALLE möglichen erfahrungsstände, wie komplex auch immer, aller möglichen vernünftigen wesen, diesen rahmen gemeinsam haben, deshalb haben alle besonderen sprachen diese struktur der SPRACHLICHKEIT (oder des logischen, der logischen form) gemeinsam; und darum können sich alle vernünftigen auch (irgendwann) verstehen, und haben, ausser der ausdifferenzierung ihres begriffssystems, und der diese ausdifferenzierung anleitenden motivierenden erfahrungen, nichts einander voraus.

41.
der rahmen dieser untersuchung ist zu eng, als dass solche behauptungen wie die vorstehenden vollständig aufgeklärt werden könnten; was hier geleistet werden kann, ist allenfalls, sie weitgehend plausibel zu machen, und andererseits zu zeigen, wie und warum von solchen überlegungen die frage des sinns oder unsinns von glauben abhängt.
wir decken beide zielsetzungen ab, indem wir uns fragen, welche ÜBERSCHREITUNGEN unseres horizontes durch „höhere“ wesen, als wir es sind, vorstellbar wären. die paradoxie ist in der problemstellung angesprochen: wir sollen uns VORSTELLEN, dass etwas uns UNVORSTELLBARES, nämlich jenseits unseres horizonts liegendes, dennoch einem „wesen“, das wenigstens so hoch steht wie wir und also verstehbar sein sollte, angehört; so als wäre die verstehbarkeit nicht ein einsamer gipfel, von dem es nach allen seiten abwärts geht, sondern ein plateau, wo es nach einer seite weiter steil nach „oben“ geht, um im (für uns) trüben zu verschwinden…

42.
versuchen wir, die wichtigsten marken, zu denen sich jeweils unser horizont ausdehnen kann, zu benennen:
wir müssen herumkommen in unserer welt und kennenlernen, was es alles wo gibt: uns orientieren lernen im raum, erscheinungen, objekte und objektsorten, dinge (im sinn von: handhabbaren, „festen“ dingen) und dingsorten und ihre eigenschaften (auch die merkmale, woran man diese erkennt), weiter die WIRKUNGEN, die dinge aufienander entfalten, dauerhaftes, dauerhaft sich bewegendes, zyklisch wiederkehrendes, einzeln von selbst bewegungs- und veränderungsfähiges und die auslösebedingungen für diese veränderungen entdecken; speziell dann auch uns selbst, und unseresgleichen: unsre bedürfnisse, und die grenzen unserer jeweiligen handlungsfähigkeit ausloten, mit der wir veränderungsfähiges oder auch nur dauerhaftes und gegen einwirkungen stabiles in unserer umgebung so arrangieren und zusammenfügen, dass es sich wie ein teil unseres leibes, zu unseren zwecken, verhält, und wir die bedingungen unserer fortexistenz, wie vermittelt durch „appetite“ und „instinkte“ das auch immer selbst bei uns verlaufen mag, erfüllen; wir müssen die nicht auf diese weise regulierten bedingungen unseres wohlseins (abwehr von krankheit etc.) aufsuchen, und unter umständen sogar unseren leib selber verändern; wenn in dieser hinsicht alles vorderhand zu machende gemacht ist, werden wir anfangen, spielerisch unsere weitere umgebung zu erkunden,  und unsere alltagswelt in sie hinein auszuweiten – zunächst einfach nur räumlich, ins entferntere, aber zugängliche, dann auch ins unzugängliche (aber beobachtbare oder hinsichtlich seiner beschaffenheiten durch rückschlüsse aus seinen wirkungen in das uns zugängliche hinein zugänglich zu machende), was uns erweiterte techniken zu verbesserter selbsterhaltung an die hand geben wird; schliesslich, wenn alle materiellen zwänge und beschränkungen, gegen die wir noch vorgehen könnten, erledigt oder mit sicherheit unbeeinflussbar geworden sind, können wir uns immer grössere freiräume für musse schaffen, in denen wir spielerischer und ungezwungener, als je zuvor, die möglichen ausprägungen von lebenswelten hinter und fern von unserer eigenen, aber in der wirklichen, aufsuchen, soweit das möglich ist – und den rest uns, als möglichkeit, deren bestehen wir aber nicht prüfen können, oder aber als NICHT realisierte möglichkeit, IM UNTERSCHIED ZUM BESTEHENDEN, denken.

43
und was sollten gott und götter anderes tun, was wir verstehen könnten?
und was, das von der gleichen art sein soll, aber unverständlich, unvorstellbar, undenkbar und unzugänglich für uns?
das einzige, was wir ihnen doch zutrauen, ist ihr überlegener umgang mit unserer (geforderten, weil wir sonst nicht denkbar wären) sphäre der freiheit – unserer welt. aber indem sie in diese unsere sphäre hineinregieren, werden sie auch mit hineingezogen: sie müssen dieser welt ja irgendwie gewachsen sein, und irgendwie zu ihr ins verhältnis treten.
und schon tritt die frage auf, WIE sie das tun, und WORIN ihre überlegenheit sich materialisiert; denn die sphäre unserer freiheit ist auch eine für sie – toter stoff, den auch sie, durch ihre absichten, zu bewegen haben. und brauchen sie dann nicht einen wirksamen leib in dieser welt, vermöge dessen sie an den gleichen stellen wie wir (bloss mit überlegener kraft, oder einsicht) ansetzen? und wenn ohne leib – was hindert zu sagen, die welt SEI geradezu ihr leib, und werde teilweise oder ganz von ihren absichten regiert, wie unser leib, zumindest in seinen handlungsfähigen gliedern? (die sphäre der freiheit für uns entstünde, indem sich die glieder des göttlichen leibes namens welt passiv stellten, als wären sie gelähmt; oder sie bewegen sich in einer weise gesetzmässig, dass sie eben von einer gesetzmässigen natur nicht zu unterscheiden sind: gott simuliert dann, an seinem weltleib, sein nicht-vorhandensein.)

44.
der unterschied einer ungeschaffenen, oder nicht auf absichten beruhenden, welt, und einer, die gottes leib ist oder von gottes überlegener macht jederzeit in alles verwandelt werden kann, was er will – dieser unterschied liefe darauf hinaus, dass im zweiten fall jederzeit PLÖTZLICH dinge passieren, die gottes zwecke manifest werden lassen – die zuvor passive, scheinbar sich selbst überlassene welt zeigt allenthalben solche sprunghaft erhöhten anzeichen von zweckmässigkeit.
nicht zuletzt würde gott hoffentlich und endlich anfangen, mit uns persönlich zu sprechen, und seine handlungen zu kommentieren.
aber dass die dinge dieser welt irgendwie zu reden anfangen, und alles neu und anders wird, und kräfte in der welt sich regen, die zuvor nie gesehen wurden, und unerhörtes sich begibt – all das heisst noch lange nicht, dass diese ereignisse SINN machen. es könnte doch ein sehr BIZARRER erfahrungsverlauf sein, der vielleicht noch im nachhinein seine erklärung finden wird (die erklärbarkeit von allem und jedem ohne absicht ist ja genauso wenig ausgeschlossen wie seine absichtlichkeit).

45.
so ist es also ihr sinn, d.h. ihre verstehbarkeit, allein, die solche umstürze zur äusserung einer absicht macht?
und welche absicht würden wir denn verstehen, wenn nicht die eines (wenn auch überlegener, als wir es sind, mit überlegeneren mitteln ausgestatteten) situierten wesens, wie wir es auch sein könnten?
ein wesen, das seine GRÜNDE gehabt haben muss, zuvor so sehr zu verschwinden. warum überhaupt soll es ein verhältnis zu uns haben, warum uns entstehen lassen, die BESTENFALLS nichts anderes würden werden können als seinesgleichen (und warum nusste es uns dann als soviel schwächere überhaupt erst erschaffen?)? eltern sterben, und wollen daher kinder; aber dies überlegene wesen, warum sollte es sich ausgerechnet in solch schwachen kreaturen wie uns vervielfältigen, und uns mühsam auf seinen stand heben?
würde es nicht genügen, existenzen wie die unsern zu denken, und wird es sie nicht längst, in allgemeinen begriffen (von denen wir nur abwandlungen darstellen könnten) gedacht haben? muss es sie auch noch MACHEN? muss das existieren, was fortgeschrittene intelligenz und begriffsbildung als MÖGLICH begriffen hat?

46.
das heisst: haben WIR gott nicht so überlegen (nämlich jenseits aller situativen beschränktheit), und so völlig frei zu denken und zu machen, was er will, vorgestellt, dass es schier UNBEGREIFLICH ist, wie er dann noch an uns interesse haben soll? WIR jedenfalls, wenn wir redlich sind, hätten wohl keins (denn all unser interesse aneinander, an gleichaltrigen, wie unsern nachkommen, beruht doch auf situativen beschränktheiten und dem versuch, sie im weiteren lauf der generationen aufzuheben)?
umgekehrt, ist es nicht die POINTE der aufhebung aller situativen beschränktheit, die doch auch UNSER ziel ist, dass ALLES denkbare gedacht ist oder spätestens dann wird – und dies ALLdenken ist doch zwar denken des reichsten überhaupt, aber darum, weil es ein denken ALLES denkwürdigen überhaupt ist, zugleich durch eine PLURALITÄT der denkenden wesen nicht ausweitbar (dieser gedanke greift nur bei wechselseitig beschränkten wesen, die sich ihre defizite wechselseitig beheben).
sowenig es eine pluralität von ZAHLEN 5 gibt, sowenig eine pluralität dessen, was dann zu denken ist.
und sowenig eine fortdauer des individuierenden moments, das aller situiertheit anhängt; denn was dasselbe weiss und denkt und will (oder dann auch nicht mehr will), IST DASSELBE.

47.
hier ist nun der ort, unser ideal der absoluten ALLmacht nochmals zu prüfen. – als voraussetzung der absoluten MUSSE (die als letztes ziel das denken aller möglichkeiten offenlässt) möchten wir vielleicht eine ebenso absolute SICHERHEIT und unantastbarkeit unserer existenz, als denkende, fordern; und es uns so vorstellen, dass diese sicherheit erst einmal herrschen und hergestellt sein muss, bevor wir ans freie denken gehen (unser denken soll zuvor GEBUNDEN sein durch die aufgaben der sicherung in einer riskanten welt gegen gefahren).
nach dem, was wir in den letzten abss. entwickelt haben, scheint aber das „freie“ denken sich gerade entlang dem und zusammen mit dem tun des nötigen zu entfalten – IN unserer tätigkeit der selbst-sicherung und selbst-erhaltung denken wir alles mögliche. was uns, im gegensatz zum gedachten zustand der ALLsicherheit dabei zustossen kann, ist freilich, dass diese entwicklung vorzeitig an ein ende kommt, und wir vor erreichen jenes letzten ALLzustands: des ALLES (relevant) denkbare gedacht habens, zugrundegehen.
da wäre die frage: WOLLEN wir denn überhaupt diese entwicklung absolvieren – nun, da wir uns nicht länger als knechte unserer selbsterhaltung und der abwehr von gefahren verstehen, sondern als dabei längst denkend tätige und so schon auf unser höchstes ziel ständig fortschreitende? wollen wir diese ALLvorstellung, und ihre VOLLSTÄNDIGKEIT?

48.
oder ist es nicht eher so, dass diese ziel-vorstellung bloss einen absoluten ENDpunkt markiert, jenseits dessen, selbst wenn wir physisch könnten, unsere (weiter)existenz beendet wäre, weil sie ihren sinn verloren hätte. gerade, WEIL das fortschreitende hin-denken auf den zustand des ALLES-gedacht-habens unser stärkstes motiv ist (das uns jede NEUE situation, auf die wir hinauswollen könnten, interessant macht als erschliessung eines neuen horizonts für diese art des fortschreitens) – gerade deswegen wollen wir die untergeordneten momente unseres daseins nur (das physische, die erhaltung unserer handlungs-, wahrnehmungs- und denkfähigkeit, die vermeidung von bedürftigkeit usw.), solange wir uns einen fortschritt dieser art versprechen dürfen. situativ gebunden, wie wir sind, wollen wir IMMER NUR EIN NÄCHSTES, ausgehend von dem, was wir sind. zur existenz, als ganzer, überhaupt ein verhältnis zu haben, ist uns unmöglich, weil wir sie dann durchlebt haben müssten – weil wir GEDACHT haben müssten, was zu UNSERER existenz gehören würde, in den künftigen situationen, zu deren horizonten wir doch noch garnicht gelangt sind. würden wir produktive errungenschaften und reflexive wieder künstlich trennen in der extrem-vorstellung, dass wir uns in einer situation mit absoluter ALLwirkmacht wiederfänden, die ganze welt als unseren absichten gehorchender handlungsspielraum – wir würden sie ebenso wenig beherrschen, aus ratlosigkeit, was mit ihr anzufangen, wie einen neuen, anderen leib. und auch dann würde uns ALLmacht (hier verstanden auch als automatisches, leibhaft-organisches reproduziertwerden, unabhängig von unserem wollen (ein zustand, worin wir keine chance hätten unserem dasein ein ende zu setzen, und bedroht wären von der möglichkeit einer weiterexistenz in nie mehr endender langeweile)) nicht weiterhelfen in der bestimmung dessen, was sinnvollerweise zu denken sei, als möglichkeit, wie etwas sich hätte sinnvollerweise ereignen können.

49.
die frage: WOLLEN wir existieren?, hat verschiedene anteile.
es ist oft genug bereits anderweitig von andern gesagt worden: wir können nicht wünschen, VOR unserer biographie existiert zu haben (nur die umstände auch für uns wünschen, die damals geherrscht haben). das erinnert nämlich zu sehr an die frage: wie wir uns anders sollen wünschen können, ohne zugleich UNS vernichtet denken zu müssen; denn wünschen, dass etwas (in bestimmter weise) existiert, ohne dass WIR dabei sind, ist ein grenzfall des wünschens in höchster not (der gewissheit, dass WIR nicht (mehr) werden dabei sein können, weil wir, beispielsweise, sterben werden), der auch nur möglich ist, wenn wir in denen, für die wir dann wünschen, etwas von uns wiedererkennen, und für SIE ein fortschritt über das von uns erreichte, ohne verlust des von uns erreichten, möglich erscheint; sonst fehlt uns jedes interesse.
tatsächlich ist all unser wollen gebunden an unser weiterexistieren (oder wenigstens solcher wie wir); freilich auch daran, dass wir bereits existieren, und also situiert sind. nur unsere situation (und ihre vorgeschichte, als inhalt unseres erfahrungswissens), mit ihren (ziel)horizonten, bestimmt unser wollen; DIES sind wir, DIES wollen wir – wir können nach keiner seite – weder zurück, noch „seitwärts“, noch vorwärts, darüber hinauswollen, ohne zu wollen, dass wir aufhören, zu sein – darum, weil wir sonst aufhören müssten, WIR zu sein (und andere werden müssten). wir können also auch nicht einfach wollen, als IRGENDJEMAND zu existieren, denn das wären ja dann nicht WIR, für die wir wünschen; und also haben wir zum existieren überhaupt, jenseits UNSERES (bereits situierten) WEITERexistierenes (es sei denn in gestalt unserer nachkommen, in denen wir uns wiedererkennen können), überhaupt kein verhältnis.

50.
wir können, mithin, nicht intelligenzen, vernünftige wesen, personen sein, ohne situierte (und durch unsere beschränkte erfahrung und das daraus resultierend beschränkte denken, beschränkte) intelligenz usw. zu sein: denn nur so (in situationen mit ihrer je besonderen (vor)geschichte, d.h. historischen situationen, handelnd) können wir intelligenz betätigen. wir können auch anders intelligenz, vernunft usw. nicht DENKEN; und das ist der für unser thema entscheidende satz. auch das denken, das wir ans ende der geschichte (der beschränktheiten, situiertheiten) verlegen wollen, findet noch IN der gechichte statt: entlang unserer besonderen geschichte denken wir die MÖGLICHEN geschichten – im horizont unserer möglichkeiten denken wir seine abwandlungen, die relevanten (als möglichkeiten, mit denen wir rechnen müssen oder hätten rechnen müssen), wie die irrelevanten und indifferenten (die doch immer in unseren BEGRIFFEN, als deren vielfältige mögliche anwendungen und realisierungen (die wir bloss nicht angetroffen haben) mitgedacht sind). denn das denken, selbst das in historischen mussesituationen, ist bestandteil unserer (zumindest einer virtuellen) PRAXIS. und nur in ihr kann sich intelligenz zeigen.

51.
nicht einmal gott könnte diesen zusammenhang aufheben: dass, ob wir vernünftig sind oder nicht, aus unserer erfahrung (und der anderer) vernünftiges ableiten, oder nicht, und also auf dauer personen sind, und ernstzunehmen, oder nicht, sich nur in plänen (und soweit wir dazu fähig sind: handlungen) zeigen kann. er hat nicht die macht, die regeln, die den begründungszusammenhang (zwischen erfahrungen und plänen) herstellen, also die LOGIK unseres sprechens, zu ändern. er (d.h. eine äussere macht oder ursache – es könnte auch ein hirntumor sein) könnte uns all unsere erfahrungen nehmen, und damit unsere besondere individualität vernichten (aber unsere vernunft und wieder-lernfähigkeit bestehen lassen); er könnte obendrein unsere vernunft und personalität überhaupt vernichten, und uns auf das niveau von tieren zurücksinken lassen. er kann uns vernichten – aber er kann das nicht ändern, WORIN ES BESTEHT, ÜBERHAUPT PERSON (überhaupt als vernünftiger situiert) ZU SEIN, und auch nicht, WORIN ES BESTEHT, WIR (mit unseren erfahrungen situiert) ZU SEIN.
(diese beschränkungen gelten nicht nur für diese höchsten kategorien in der welt überhaupt, sondern für alle, auf denen sie beruhen, d.h. ALLE kategorien überhaupt: z.b. ist gott nicht frei, beliebiges ALS tier zu erschaffen, denn auch der begriff des tiers (des verhaltens) ist nicht frei, ebensowenig der begriff des lebens, der evolution, oder der begriff der kraft, des objekts und viele andere; kurz: gott muss, um uns zu erschaffen, eine mögliche welt für uns erschaffen; und, damit wir in ihr zurechtkommen (als unserer sphäre der freiheit), und unsere geschichte nicht vorzeitig endet (wegen langeweile, unberechenbarkeit unserer welt (und sei es durch gottes willkür-eingriffe), oder ihrer unübersehbarkeit), muss er sie tendenziell als NATUR erschaffen. natur steht hier als „weltlicher“ gegenbegriff komplementär zu unserer vernunft und bewusstheit (denn wir brauchen objektives material, an dem wir unsere vernünftige bewusstheit betätigen können).

52.
und was für die ausgangssituation unserer geschichte, gilt für all ihre jeweiligen fortsetzungen, nicht nur für uns, sondern auch für all unsere zeit- und generationsgenossen, und all unsere nachkommen: mithin für die gesamte geschichte. dass gott uns, für einen maximal weit reichenden verlauf dieser geschichte, eine NATUR erschaffen hat, die gegenstand einer all ihre fragen beantwortenden wissenschaft von ihr wird, und uns zugleich soweit entgegekommt, dass wir schon vor abschluss unserer forschungen nicht an unbeherrschten naturprozessen zugrundegehen; dass er uns, mit unseren reproduktionsbedingungen, so hat zustandekommen lassen oder erschaffen hat, dass unsere vernunft sich an uns, im rahmen für uns alle erträglicher (arbeitsteiliger, gesellschaftlicher) arbeit für unser aller selbsterhaltung, auch wirklich auf dauer erhält, und wir alle imstand sind, die sich verlängernde geschichte mit dieser vernunft zu verarbeiten (und sie nicht immer wieder vergessen), und, angesichts unseres unvermeidlichen todes, uns die weitergabe unseres so erarbeiteten wissens (auch um möglichkeiten, unserer begriffe) an die uns nachfolgenden gelingt: so zu handeln, als ob dies der fall wäre, hiesse zwar, das denkbar weitestreichende für uns unseren handlungen zugrundezulegen; aber darin unterscheiden sich ungläubige nicht mehr von gläubigen, denn die tatsache der erschaffenheit der welt würde, wenn sie SO erschaffen wäre (und sie muss so erschaffen sein, weil sie anders vom begriff einer für uns optimalen welt abwiche), an ihr und dieser hypothese nicht das geringste ändern: wir würden so handeln, ganz gleich, ob es einen gott gibt, oder nicht.

53.
es wird zeit, zurückzublicken, und in unserem vielfach gebrochenen gedankengang das prinzip aufzusuchen, dem er gehorchen sollte (vgl. abss. 8-10). der an sich vollkommen vernünftige anspruch des gläubigen, sein leben unter einer optimalhypothese zu führen, soll gescheitert sein, weil durch das hereinziehen der auch für ihn feststehenden und nicht variablen begriffe von subjektivität, individualität und (einzel)person sein (so, als seien sie verschiedener, und so auch für ihn bester ausprägungen fähig, die in der richtung seines (versuchs)handelns dann einen unterschied machen würden), mindestens ein moment des optimalhypothesenbildens verfehlt, und also durch den jeweiligen religiösen glauben garkeine solche optimalhypothese formuliert worden.
und genau das haben wir eben erlebt: indem der gläubige versucht, die bezugnahme der denkbar weit (nämlich zum denkbar besten) fortgeschrittenen person gott auf uns zu präzisieren, bemerkt er, dass kein praktischer unterschied zu einer denkbar besten welt ohne gott mehr existiert: die unterstellung, dass ein so fortgeschrittenes wesen, wie gott, existiert, macht keinen unterschied für die art, wie wir „wir sind“, das heisst, wie wir, unter unseren vorgaben, unser (je nächstes) bestes versuchen – nämlich (letztlich) unter der optimalhypothese, dass wir in einer welt, die als natur begriffen werden kann, unsere geschichte fortsetzen, in der hoffnung, dabei als die, die wir (auf dem jeweiligen stand geworden) sind, im wesentlichen (und sei es auch in unsern nachkommen) erhalten zu bleiben.

54.
und dieser satz gilt, unabhängig von den vorgaben, für überhaupt ALLE wir, ja sogar für jedes „ich“ – für alles, was überhaupt (einzel)person ist. werden hingegen die vorgaben (situiertheiten, speziellen erfahrungsstände (wissen) und situativen (handlungs)möglichkeiten) berücksichtigt, und ist der satz von eben bereits eingeräumt, nämlich dass wir, um wir, also personen, zu sein, unsere optimalhypothese bezüglich natur, geschichte, und unseres selbst, entwerfen und verfolgen müssen, gleich, ob ein fortgeschrittenstes wesen existiert, oder nicht, dann gilt: da alle SPEZIELLE hilfe, die ein solches wesen uns angedeihen lassen würde, uns (anders als die angehörigen fortgeschrittener epochen, die die (erfahrungs- und lern-)geschichte ihrer vorfahren fortsetzen) nur in neue ausgangssituationen versetzen würde, ist da nichts (ausser der welt ausser uns), das nicht wir, oder unseresgleichen, gemacht hätten. das wesen kann uns also nur in andere welten versetzen, aber nicht eine (glückliche, erfolgreiche) geschichte geben: denn die müssten wir selbst gemacht haben. (wäre es kein bösartiger betrüger-geist, sondern ein wohlwollender, würde es uns eine solche geschichte VORSPIEGELN können: aber wozu? wozu, von diesem seinem standpunkt aus, überhaupt zurückgehen auf solche wie uns? unsere blosse existenz in beschränktheit ist AN SICH bereits ein beweis, dass es nichts höheres geben kann: es dürfte UNS sonst nicht geben. an uns KANN nicht gelegen sein.)

55.
die geschichte als ein höhersteigen aufzufassen zu einem standpunkt, der bereits existiert, noch dazu gedacht als EINGERICHTET (geschaffen) vom inhaber dieses standpunktes, ist, von seiner seite aus gesehen, also abstrus, von unserer aus aber auch. denn die fortgeschrittenheit des andern erspart uns keine zwischenschritte (den nachvollzug seines fortgeschrittenseins); sie erspart uns, oder soll uns ersparen, den schmerz des misserfolgs und scheiterns; aber sind die nicht nur ausdruck eines missverhältnisses zwischen unseren (gewussten) ansprüchen, und unseren vorsichtig zu formulierenden zielen? ein missverhältnis, wenn wir unser denkbar bestes unvorsichtig und ungeduldig, unter ständiger vorwegnahme von etappen, verfolgen. aber nur diese ungeduld ist es, die uns dazu verleiten kann, auf notwendige teile unserer geschichte verzichten zu wollen; die uns vorwärtshetzt, und uns in immer neue, bessere ausgangspositionen uns hineindenken und -wünschen lässt, die wir freilich immer inhaltsleerer und formaler charakterisieren müssen (es soll uns immer mehr immer paradiesischer vorgegeben werden), wie die passiv aufleuchtenden interessanten fälle im weltenkaleidoskop (abs. 29), die uns VORGEGEBEN gedacht werden mussten, weil wir zu faul waren, sie uns selber zu schaffen (obschon wir zuletzt von der notwendigkeit, selbst tätig zu werden, eingeholt werden, indem wir die noch interessierenden von den bereits eingeordneten fällen immer genauer zu unterscheiden hatten – ein vorgang, worin uns unsere ALLmacht nur bedingt weiterhalf, weil sie uns das denken nicht abnahm); bis wir zuletzt in einer völlig LEEREN bestimmung des weitest fortgeschrittenen enden, die wir dann auch gott als seine eigenschaft zuschreiben (die bekannten leeren ALLeigenschaften, blosses „undsoweiter“ und „unendlich überlegen“, und was dergleichen übertreibungen mehr sind).

56.
wir enden, mit dieser vorstellung des weiter- und weitestreichenden, allerdings beim ende – dem ende DER geschichte (und auch aller denkbaren anderen); freilich, ohne wirklich befriedigt und gesättigt zu sein. die wirkliche vollständigkeit, die durch das ende der geschichte erzielt würde, können wir eben nicht erreichen, es sei denn, wir vollziehen sie selbst; man kann uns das nicht abnehmen, es sei denn, man nähme uns uns selber ab. in zuständen, worin wir GIERIG sind nach leerem (weiter) existieren (überhaupt), (blossem) geniessen, passivem unterhaltenwerden sind wir ohnehin nicht wir selber: sie sind mit der würde eines optimalhypothesen verfolgenden, d.h. vernünftigen wesens nicht vereinbar; und WIR in diesem emphatischen sinn sind dann auch verschwunden (der zustand „ewiger“ freude, ein bewusstloser rausch, ist ein ewig stehenbleibender augenblick, in dem zeit und dauer aufgehört hat (seun dauern ist INDIFFERENT, macht keinen unterschied mehr, bedeutet uns nichts), blosse abwesenheit von bedürftigkeit, aber kaum noch verschieden von traumlos inhaltsleerem schlaf – nicht mehr dasein). der ausweg in die nichtigkeit solcher zustände, worin wir unsere geschichte verleugnen, ist in der tat SELBSTvernichtung (wenn sie endgültig gedacht würde). – denn das, was uns kein gott abnehmen kann, ist die ARBEIT der geschichte.

57.
wir erkennen diese arbeit in unserer eigenen biographie, in der wir in gestalt eines BILDUNGSgangs diese arbeit unendlich vieler vergangener generationen, in rudimentärer form, unter anleitung, und beschleunigt, nachvollziehen sollten. dies gelingt heute mehr schlecht als recht; die weitergabe der wichtigen historischen errungenschaften an ALLE nachkommenden ist eine bislang ungelöste produktive aufgabe (sie hat zu tun damit, dass wir unsere errungenschaften besser BEGREIFEN müssen, als wir das heute tun; und, dass wir die notwendigkeit begreifen, dass arbeitsteilung nur auf einem gemeinsamen fundament möglich ist, wo ALLE beteiligten auf den gleichen stand gekommen sind; dass nicht, innerweltlich, jene fatale autoritäre arbeitsteilung, wie sie ja auch der gläubige mit seinem gott aufbauen will, wiederholt wird, worin die einen wissen, was zu tun ist, und die andern in ihrem unwissen sich dennoch vorbehalten, schlau abzuschätzen, was ihnen der fortschritt, den sie nicht kennen, bringen könnte, auf ihrem zurückgebliebenen standpunkt – und von WEM sie sich sagen lassen, worin er bestehen könnte).
das heisst: schon unsere eigene biographie gibt uns einen eindruck, was es heissen könnte, für jeden unseresgleichen, von seinem maximal fortgeschrittenen gott unterrichtet zu werden (was, als blosse wiederholung eines perfekten bildungsprozesses, als selbstzweck, absurd und nicht wünschenswert wäre): da ist kein schritt, den er nicht selbst absolvieren müsste; und kein begriff, zu dem er die anwendung nicht mühsam suchen müsste, es sei denn, sie wird ihm im rahmen des vollzugs einer anschauung, aber dann mit allen nötigen details, dargeboten; und das IST ja nichts andres als das nachvollziehen, erleben und durchlaufen der oder einer geschichte, verstanden als produktiver lernvorgang.

58.
so wie natur, als material unserer arbeit, nicht zu beliebiger hypothesenbildung freigegeben werden kann, ohne dass wir nichts mehr sind – so wenig kann uns also unsre geschichte, als ausgangspunkt unseres je nächsten tuns, genommen werden und als ein irgendwie bestes, worin uns dies und jenes (was zu vermeiden uns allerdings selber, schon durch die art, wie wir unsere pläne machen, aufgegeben ist) erspart wird, hypothetisch unterstellt werden.
dass wir erfahrungen machen müssen, um überhaupt ETWAS zu sein, lag schon in der forderung nach einer sphäre der freiheit, die, im besten falle, als NATUR, d.h. gegenstand einer vollständig all ihre ziele erreichenden naturwissenschaft, bestimmt wäre. und ganz ebenso liegt jetzt im begriff der geschichte (als eines erfahrungsstandes, den wir uns zuschreiben): dass wir SELBST es sein müssen, die die konsequenzen aus diesen erfahrungen ziehen, nicht nur nach unserem BEGRIFF von vernünftigem umgang mit erfahrung, d.h. unserem begriff einer geschichte überhaupt, den wir, mit unserer situation als ausgangspunkt, benutzen, um das je beste als nächst-mögliches erreichbare unserem handeln als säkulare optimalhypothese zugrundezulegen, sondern vor allem auch, weil dies VOLLZIEHEN unserer begründeten pläne unser LEBEN ausmacht, derart, dass wir entlang der so sich entfaltenden erfahrung zugleich unser begriffssystem ausbilden und verfeinern, bis hin zur vollendeten form vollkommener übersicht über alle (sinnvollen) möglichkeiten.

59.
wohingegen, wenn und soweit uns nur begriffe vorgegeben wären, unser leben, umgekehrt, im konstruieren möglicher anschauungen (und sie realisierenden verläufen), d.h. im erfinden von geschichten und anschauungen, bestünde – und wenn NUR dies der fall wäre, und unser leben nur daraus bestünde, so wäre das zwar eine extremform von leben, aber immerhin noch eins. und aus beiden formen mag ja tatsächlich unsere existenz zusammengesetzt sein, die uns nehmen würde, wer uns, mit welchen besten absichten auch immer, „schneller“ an unser ende befördern wollte: denn ans ziel gekommen zu sein, bedeutet hier, ans ende jedes (geistigen) lebens zu kommen. wozu (selbst wenn man es könnte) dies beschleunigen?
denn, nebenbei bemerkt: dies fortschreiten in der zeit unserer geschichte ist die EIGENTLICHE zeit; und einen aussenbezug erhält sie nur durch die möglichkeit des versäumnisses von vordringlichen arbeiten an unserer selbsterhaltung, die uns die unzeitigen und unerwarteten zwischenfälle in der uns umgebenden unbeherrschten natur oder gesellschaft, aufzwingen, und die nie ganz überhand nehmen und unsere möglichkeit fortzuschreiten in routine und musseloser anstrengung und mühsal ersticken dürfen: denn sonst ist für uns die geschichte vorzeitig zuende, wir sehen keinen sinn mehr darin. solch sinnlos gewordene zeit würde allerdings LEER und unerfüllt verstreichen, wie „lang“ sie auch dauert (und zählt nur, soweit sie die frist bis zur vollendeten empfindung der sinnlosigkeit verbraucht).

60.
sobald also jemand versuchen wollte, sich nach einer optimalhypothese zu richten, die unterstellt, dass jemand ihm teile (die unangenehmen) seines lebens, und der arbeit, die es darstellt, abnimmt, irrt er sich: denn er unterstellt, im besten fall, dem nämlich, wo ihm für das genommene ein anderes („fortgeschritteneres“) leben, als neue ausgangssituation, gegeben wird, zwar anderes, aber nichts besseres, als im gegenteiligen fall; wenn ihm aber wirklich und buchstäblich sein leben, oder auch nur teile davon, genommen werden sollen, nach seiner hypothese, dann lebt er sogar schlechter, als ohne sie. zwar wird er nicht umhin können, sein eigenes tun immer noch als SEINES anzusehen; aber die resultate, die es hervorbringt, durch zusammenwirken mit kontingenten umständen, darf er einem andern zuschreiben. indem er diese umstände als der kontrolle eines andern unterliegend ausgibt, entzieht er sich selber die möglichkeit, je kontrolle darüber zu gewinnen. er wird es erst garnicht versuchen: er wird fromm, faul, und fatalistisch. er wird sich der gnade oder ungnade anderer ausgeliefert sehen, er wird sich als spielball ihrer launen betrachten; im besten fall wird er, wie es im aberglauben geschieht, sich für ihn manipulierbare ANZEICHEN seiner erwähltheit suchen, da er sie selbst zu beeinflussen (durch gebete, opfer, askese) sich schon nicht mehr zutrauen darf. – aber all dies sind zeichen einer ENTARTUNG religiöser gedankengebilde auf der basis vor-religiöser (zb. abergläubischer) denkweisen: um sie zu erzeugen, muss man pessimistische hypothesen (die einem abwehrmassnahmen, für den fall, dass sie zutreffen, auferlegen) gleichrangig neben den optimalen zulassen, und zwischen ihnen prioritäten herstellen. der wahre glauben wird nur durch das erste argument oben betroffen: ein fortgeschritteneres leben, von gott verliehen, wäre anders, aber nicht besser.

61.
im fall der begriffe davon, was personales leben wäre, worin es bestünde, wessen es bedarf, und wie es, im besten aller unterstellbaren fälle, verlaufen würde (nach dem wir uns, sinnvollerweise, richten, bis zu seiner widerlegung) – in diesem fall (abs. 51/52) also hatte die religiöse optimalhypothese uns nicht ANDERES zu bieten, als die nicht-religiöse; im jetzigen anderes, aber nicht besseres. es bliebe, als dritte möglichkeit, dass sie uns hypothesen präsentiert, die zwar andres und besseres unterstellen, als ihr gegenteil: nur dass sie in einem entscheidenden sinn, keine hypothesen sind – weil sie im handeln keinen unterschied machen; nicht nur nicht gegenüber einer nichtgläubigen hypothese, sondern vielmehr an sich selbst. sie sind vom typus der oben (25) bereits erwähnten, irgendwo in der welt versteckten göttlichen schätze, die zu suchen mehr als alles andere lohnt, weil dann alles auf wunderbare weise einfacher würde – man weiss bloss nicht, wo und wie. man kann dann die ganze welt umwühlen, und mancherlei finden – so, wie man es täte, um naturwissenschaft zu treiben; bloss, dass das ziel uns eine natur-beherrschung verspricht, die über alles hinausgeht, was wir je finden könnten, nämlich die BEDINGUNG, UNTER DER DIE NATUR (oder teile davon) SICH WIE UNSER LEIB VERHÄLT – oder der leib eines von uns, und durch blosses denken, reden und absichtsfestlegen in bewegung gesetzt werden kann.

62.
wir dürfen diesen übergang zu hypothesen der dritten art auffassen als konsequenz des scheiterns von optimalhypothesen der zweiten und ersten art. erst wurden wir aus dem paradies vollständiger unmündigkeit vertrieben, indem uns klarwurde, dass uns die ausbildung des begriffs des vernünftigen tuns generell, seiner vorausetzungen, sowie seiner anwendung und umsetzung in unseren konkreten situationen, weder durch einen gott abgenommen werden, noch durch den glauben an ihn erleichtert werden kann. dann mussten wir begreifen, dass alle hilfreichen eingriffe auf diesem unserem weg, deren möglichkeit wir als den besseren (und durch verständigung mit dem helfer herbeizuführenden) fall hätten unserm handeln als hypothese zugrundelegen können, nichts von unseren jeweils anstehenden historischen aufgaben, und der arbeit an und mit dem MATERIAL unserer welt wegnahm. so denken wir uns also nun, anstelle des fortgeschrittenen oder gleichberechtigten (aber mächtigeren) helfers, die HILFE, die wir gebrauchen könnten, materialisiert – als einen zug der natur, als ein NATURHAFTES entgegenkommen, mit dem wir als material besser, schneller, erfolgreicher zurechtkommen würden bei der lösung unserer historischen aufgabe, als wenn diese hilfe nicht dawäre. was der schöpfer und hilfreiche geist uns hätte nützliches tun können, nämlich uns an weiter fortgeschrittene, günstigere ausgangspunkte unserer geschichte zu verfrachten (die dennoch unsere geschichte sein soll): das denken wir uns nun als in der welt vorfindliche, entgegenkommende materialeigenschaft: die welt als von selbst schon zu unseren diensten aufbereitete – von selbst sich unserem blossen zusehen schon (ganz ohne besondere, begrifflich angeleitete und an erkenntnis-möglichkeiten orientierte forschung) sich vollkommen aufschliessend, von selbst erkennbar, da schon von selbst begrifflich geordnet, von selbst benutzbar, da an sich selbst für unsere zwecke zweckmässig eingerichtet usw.

63.
in solchen vorstellungen scheinen die sphären des naturhaften, und, so kompliziert es auch sein mag, immer bloss „von selbst“ (wenn auch berechenbar und verlässlich, nach regeln) geschehenden, und des personalen, in seinen motiven verstehbaren und letztlich durch kritik beeinflussbaren, einander sehr nahe zu kommen – ja, fast zur deckung. ob es dabei freilich mit rechten dingen zugeht, müssen wir jetzt sehen.
wir hatten sehr früh in unseren überlegungen einen verstehenden und „mitdenkenden“ gott, angesichts unserer EIGENEN fehler, für unendlich viel hilfreicher und besser gehalten als jede, und sei sie noch so entgegenkommende, „welt“, mit ihrem „blinden“ mechanismus. wir hatten es, des weiteren, bereits für sinnlos erklärt, mit optimalhypothesen (d.h. glaubensformen) zu arbeiten, die die kompetenzen gottes, ohne seinen lenkenden willen, einfach, als schatz, in der welt versteckt denken.
in dieser kruden form des wunschdenkens (wir hatten im zusammenhang damit bereits festgestellt, dass es sich noch nicht einmal um optimalhypothesen handelt) können wir aber das vorbild für alles entdecken, was sich, im weitesten sinne, als METAPHYSIK (oder, abgesunken in vorreligiöse, nicht einmal optimalhypothesenbildende formen, esoterik) verstehen lässt: die besprechung und behandlung von naturhaftem, als wäre es personal oder sprachlich verfasst. oder, umgekehrt: die verdinglichung von bestimmten personalen und sprachlichen momenten zu natur-bestandteilen.

64.
metaphysik lässt, als konsequenz der erkannten unmöglichkeit der optimalhypothesen ersten und zweiten typs, von gott alle eigenschaften weg, die ihn als handelnden und wollenden (und damit in natur, geschichte und einzelpsyche eingreifenden, ihren begriff oder ihr historisches so-
sein missachtenden) bestimmen könnten; und sie glaubt, alle andern mentalen eigenschaften gottes, als wären sie davon nicht tangiert, bestehen lassen zu können – in versachlichter, objektivierter, naturhaft materialisierter gestalt, auf die dann WIR, mit UNSEREM willen, zugreifen und deren wir uns zu unseren zwecken im rahmen der auseinandersetzung mit unserer welt bemächtigen können.
um diese begriffliche operation mit dem bewusstsein gottes ausführen zu können, ist eine bestimmte auffassung davon erfordert, was es heisst, ein bewusstsein zu haben: die zweiteilung in DINGLICHE seelen-bestandteile, wie wahrnehmungen, erinnerungen, vorstellungen, begriffe und (ziel)vorstellungen, und die dahinterstehenden EIGENTLICH persönlichen und das bewusstsein erst ausmachenden HANDELNDEN seelenteile: bewusstsein (als wahrnehmung von wahrnehmungen, womöglich auch noch seiner selbst, als „selbstbewusstsein“); „intelligenz, verstand, vernunft“ als instanz, die „denkt“, d.h. „sinnvoll“ mit den von aussen und innen dargebotenen seelendingen (wahrnehmungen, erinnerungen) umgeht, sie auseinandernimmt und ihr gemeinsames als „begriff“ „abstrahiert“, bzw. sie neu zu „vorstellungen“ und „zielvorstellungen“ zusammensetzt, worauf eine instanz namens „freier wille“ selektiv ein reservoir von „willenskraft“ öffnet, das die zu den durch solche „entschlüsse“ zu „absichten“ deklarierten zielvorstellungen in die dazu passenden gliederbewegungen umsetzt.

65.
genauer noch lebt die verwandlung von benennbaren seelen-anteilen in dinge von der möglichkeit, sie als bilder, abbilder von existierendem (bei wahrnehmungen und erinnerungen) oder vorbilder (bei (ziel)vorstellungen und absichten, also handlungsvorstellungen) für noch nicht existierendes, anzusehen. der grundlegende unterschied ist also nur die richtung, die der bild-erzeugende vorgang zurücklegt: von den aussendingen zu inneren beim „erleben“, oder von inneren dingen zu äusseren beim handelnden gestalten und tun.
nun gibt es einige schwierigkeiten mit dieser aufbereitung des seelenlebens, über die sich freilich die metaphysik (die ja nicht psychologie sein musste) leicht hinwegsetzen durfte:
1. es ist oft schwer zu sagen, wovon EMPFINDUNGEN (wie schmerz, hunger, traurigkeit) abbilder sind;
2. zwischen erleben und tun klafft, entgegen unseren alltagsintuitionen, eine lücke, denn wir wissen doch, dass unser wahrnehmen und erinnern irgendwie auch unser vorstellen und wollen beeinflusst – aber lässt sich dies auch noch als „innerer“ abbildungsvorgang beschreiben (wo innere abbilder andere solche hervorrufen)? und muss alles in diesem sinn wirksame je schon einmal erlebt worden sein, derart, dass alles gestaltete durch irgendeine menge von erlebtem geformt wurde? oder gibt es denkbare „angeborene“ und von allem erleben unabhängige innere bilder, „ideen“, die in diesen formungsprozess des spontanen, nicht rezipierten, eingehen?
3. bilder welcher art sind begriffe? etwa prototypen, „idealbilder“, wie idealkreise, idealdreiecke beispielsweise? wie drückt man die vergleichbarkeit mit anderem in einer hinsicht, die sich in „begriffen“ niederschlägt, in einem bild (und damit eine beziehung als gegenstand) aus? und: was sind „urteile“ – etwas, was doch unzweifelhaft AUCH in unserer „seele“ vorkommt, und zwar getrennt von den begriffen und vorstellungen, die wir „in“ urteilen „verbinden“?