Rassismus im engeren Sinn, Sexismus, und andere, mit ihnen verwandte Einstellungen haben folgende Gemeinsamkeit (Ergänzung 1): Immer beziehen sich solche Einstellungen auf eine dauerhafte Eigenschaft, ein Merkmal, von dem Rassisten (Sexisten usw.) glauben: wenn jemand dieses Merkmal hat, dann denkt und/oder will er bestimmtes, und kann nicht anders, weil ihn das Merkmal dazu zwingt; genauer ausgedrückt: das Merkmal verusacht (bestimmte oder alle) Überzeugungen und Zielsetzungen bei ihm – unabhängig von dem, was er weiss. Ich schlage vor, Einstellungen, auf die dies zutrifft, rassistisch oder eine Form von Rassismus (im weiteren Sinn) zu nennen. („Biologismus“ wäre auch möglich.)
Rassisten (in diesem weiteren Sinn) sprechen also Leuten ab, dass sie lernfähig sind: dass ihre Überzeugungen und Absichten….
FN Dieses Paar von Ausdrücken kommt im folgenden in verschiedenen Varianten vor (Denken und Wollen, Gedanke/Überzeugung und Entscheidung/ Zielsetzung/Absicht usw.), gemeint ist immer das gleiche. Meine Behauptung, dass nicht nur Überzeugungen, sondern auch Zielsetzungen aus Erfahrung vernünftig und nachvollziehbar (bzw. durch Argumente korrigierbar) abgeleitet sind, und folglich nicht willkürlich zustandekommen, ist an dieser Stelle nicht bewiesen, obwohl sie natürlich sehr wichtig ist.
…. auf dem beruhen, was sie wissen…
FN Immer, wenn ich im folgenden „Wissen“ oder „Erfahrung“ sage, meine ich „Erfahrungswissen“ – aber nicht nur das selbst Erlebte, sondern auch das, was man von anderen (und ihren Erlebnissen) erfahren hat.
…, und korrigiert werden können, wenn sie was neues erfahren.
Das Merkmal kann selbst für die Ursache gehalten werden, oder aber als absolut verlässlich mit der eigentlichen Ursache verknüpftes Anzeichen ihres Bestehens.
Die Ursache selbst, die beim rassistisch Beurteilten Ziele und Überzeugungen erzeugen soll, kann entweder für bereits wirksam gehalten werden, solange das Merkmal besteht; oder sie wird aufgefasst als Bereitschaft, Disposition, zur Ausbildung von Zielen und Überzeugungen, die zwar solange besteht wie das rassistische Merkmal, die aber erst wirksam wird, wenn sie durch besondere äussere Bedingungen ausgelöst wird.
Je nachdem, wie die Theorie des Rassisten aussieht, und je nachdem, wie seine Zwecke, wird er folgendes machen:
– äussere Auslösebedingungen herbeizuführen oder zu vermeiden versuchen, wenn er Überzeugungen oder Ziele bei seinem Gegenüber erzeugen oder verhindern will, und seine Theorie von einer dispositionellen Ursache dafür ausgeht;
– Bestehen oder Nicht(mehr)bestehen, Korrekturen und Veränderungen der angeblich durch das Merkmal determinierten Ziele und Überzeugungen ausschliesslich durch Manipulationen des Merkmals (wenn es selbst als (gleich, ob dispositionelle oder nicht-dispositionelle) Ursache aufgefasst wird) herbeizuführen suchen.
Etwas von dieser Art machen zu wollen oder es zu machen, wenigstens es zu versuchen (und zur Begründung eine solche Absicht anzuführen): eine solche Einstellung könnte man praktischen Rassismus (oder eine Form davon) nennen. (Der Ausdruck ist berechtigt, nach unserer Definition, denn hier beziehen sich jeweils praktische Einstellungen, nämlich Absichten, Zielsetzungen, auf ein rassistisch determinierendes Merkmal: etwa, die Absicht, seine Wirkung auszulösen (oder zu beenden, durch Beseitigung der vermeintlich auslösenden äusseren Situationen)(der erste Fall); oder die Absicht, das Merkmal und also die (u.U. dispositionelle, von Auslösebedingungen abhängige) Ursache von Einschätzungen und Zielen beim Andern zu erzeugen oder zum Verschwinden zu bringen, und damit auch diese selbst.
Hingegen könnten wir alle Einstellungen theoretischen Rassismus (oder eine Form davon) nennen, die rassistisch sind, ohne schon einen besonderen Zweck vorauszusetzen, wie der praktische. Formen des theoretischen Rassismus wären dann:
– der Besitz einer rassistischen Überzeugung (Theorie, (Kausal)Hypothese), das Bekenntnis dazu, die Werbung dafür (mit Argumenten, oder ohne);
– die Auffassung die dem Andern aufgrund des Merkmals zugeschriebenen (bzw. abgesprochenen) Überzeugungen und Ziele als durch Kritik (Argumente) unkorrigierbar und unveränderlich an ihm (nicht) bestehend voraussetzen und (egal, was man sonst für Zwecke hat) dementsprechend mit dem Andern umgehen;
– sich über Überzeugungen und Ziele des andern, soweit er sie für durch rassistische Merkmale determiniert hält, Kenntnisse verschaffen durch Aufdeckung der bei ihm bestehenden und bereits im Sinne einer rassistischen Theorie deutbaren Merkmale, statt sich mit ihm zu verständigen und umgekehrt, die Aufmerksamkeit anderer, die einen selbst oder einen Dritten kennenlernen sollen, auf bei einem selbst oder diesem Dritten (nicht, oder angeblich nicht) bestehende Merkmale lenken, statt vernünftig über sich Auskunft zu geben – sofern man ihnen den Glauben an die gleiche rassistische Theorie unterstellt. (Dass theoretische Rassisten wie Nicht-Rassisten vorübergehend das (Nicht)Bestehen rassistisch gedeuteter „Merkmale“ bei sich oder andern vortäuschen, um Rassisten auszutricksen, ist bei ersteren praktischer Rassismus, und bei letzteren ein Fehler, wenn damit ohne Not die Alternative vermieden wird, den getäuschten Rassisten zu kritisieren und vom Rassismus wegzubringen: Auf die Fehler von Leuten zu setzen, mit denen man kooperieren will, ist selber einer.)
– schliesslich: Nach aussagekräftigen bzw. kausal wirksamen rassistischen Merkmalen ganz prinzipiell suchen, statt herausfinden zu wollen, was die Andern noch nicht erfahren haben, und es ihnen (im Rahmen der Aufmerksamkeit, die sie dafür übrig haben) mitzuteilen.
Auch der theoretische Rassismus hat also bereits eine praktische Seite; und der praktische Rassismus ist nichts als die praktische Konsequenz eines theoretischen unter besonderen Umständen (besondere Zwecke des Rassisten, besondere Umstände ihrer Realisierung). An ihrer Praxis erkennt man die Rassisten, noch bevor man ihre Theorie kennt. Rassistische Praxis, unabhängig von der dahinterstehenden Theorie, ist: unnötige Unterlassung von Verständigungsversuchen, wo sie (auf Grundlage der Einschätzungen, die der Rassist selber präsentiert) angebracht wären. Der praktische Rassist will Ziele und Überzeugungen beeinflussen – so, wie sie sind, passen sie ihm also nicht, und erschienen ihm nicht vernünftig: Verständigung wäre angebracht, zumindest, wenn die gegenwärtigen Ziele des Andern unvernünftig und seine Überzeugungen falsch (oder unvollständig) sind – zumindest im Lichte weitergehender Erfahrungen seines Kritikers. Ebenso der theoretische Rassist: Er kennt den andern nicht, und hätte allen Grund, ihn kennenzulernen; stattdessen hat er besseres zu tun: rassistische Merkmale suchen und ihr Bestehen am einzelnen zu diagnostizieren, um abzuschätzen, wieviel Kennenlernen sich überhaupt lohnt (wo man mit dem Andern doch auch anders fertig wird).
Man könnte, nach diesen letzten Bemerkungen, den Rassismus für eine Hypothese halten – wie andere auch. Die Tatsache, dass er im allgemeinen obendrein mit allen Eigenheiten eines Vorurteils ausgestattet ist, scheint sich dann bloss zufällig mit ihm zu verbinden, und könnte auch wegfallen. Rassistisch aber ist nicht diese oder jene (für als prinzipiell durch „Erfahrung“ korrigierbar ausgegebene) Hypothese – rassistisch ist bereits die Fragestellung. Sie könnte bestenfalls als begrifflicher Fehler durchgehen (der nämlich, zu glauben, man könne Verhaltensweisen und auf sie bezügliche, in einer bekannten Sprache formulierte Äusserungen als Ausdruck bestehender Überzeugungen und Ziele bei dem Betreffenden auffassen, auch wenn diese Überzeugungen nicht nachvollziehbar (d.h. vernünftig, so, wie wir es an seiner Stelle, d.h. mit seinem Erfahrungsstand, gemacht hätten) aus seinem Erfahrungswissen folgen; kurz: man könne noch von „Überzeugung“ oder „Ziel“ sprechen, obwohl man glaubt, es sei durch andres als Erfahrung und vernünftige Folgerungen daraus zustandegekommen).
In Wahrheit macht aber niemand einen solchen „Fehler“, der nicht ein Interesse an ihm hat: eine solche „interessierte“ Hypothese, wonach es lohnt, erstmal solchen, begriffliche Fehler voraussetzenden, Fragestellungen empirisch nachzugehen (und in ihrem Rahmen nacheinander Hypothesen zu testen, z.B. über das „Funktionieren“ von Leuten und ihre „Beeinflussbarkeit“ ausserhalb von Verständigung; so, wie man früher Hypothesen über die Beeinflussbarkeit von Naturvorgängen testete, ohne Beobachtung und Experiment), nennen wir eine Ideologie. Am Grund einer jeden Ideologie (sehr viele gibt es garnicht; und der Rassismus ist die moderne Ideologie) finden wir einen begrifflichen Fehler: z.B. bezüglich dessen, was es heisst, (besondere) Person (oder vernünftig, mit Bewusstsein, Überzeugungen, Zielen usw. überhaupt ausgestattet) zu sein (so, wie früher (zumindest gewisse) Naturereignisse voreilig für Handlungen, werden heute (zumindest gewisse) Handlungen für blosse Naturereignisse ausgegeben). Der Fehler verdankt sich nun aber nicht dem (gescheiterten) Versuch, Begriffe klar zu bestimmen und von andern abzugrenzen (z.B. den der Person); sonst bestünde ein Interesse von seiten des Betreffenden, sich mit Kritikern zu verständigen. Stattdessen sehen sich letztere nicht nur mit einem manifesten Desinteresse an der Aufklärung von Differenzen konfrontiert; sie machen eine noch viel weiter gehende und durchaus bestürzende Entdeckung: die nämlich, dass das theoretische bzw. begriffliche Fehlurteil (besser: die Begriffsverwirrung, mangelhafte Begriffserklärung und -einführung) mit einem unverhohlenen Interesse an seinem (vermeintlichen) Inhalt einhergeht. Tatsächlich eröffnen die Fehler der alten Metaphysik nicht weniger als die neuen der Psychologie (der Metaphysik unserer Zeit) Freiräume für hoffnungsvolle Experimente: was früher rituelle und religiöse Praktiken (als Ersatz für rationelle Naturbeobachtung), sind heutzutage die, den ganzen bürgerlichen Alltag durchziehenden Versuche, Kooperation unter Umgehung von Verständigung zu „bewirken“. An der Hoffnung, dass so etwas geht, muss verzweifelt sein, wer sich auf die mögliche logische Fehlerhaftigkeit der „empirischen“ Fragestellung: wie könnte das gehen?, besinnen soll. Erfahrung widerlegt Kausalhypothesen; doch kann sie keinen einzigen begrifflichen Fehler beseitigen. Begriffliche Fehler liegen nämlich, wenn sie gemacht werden, einer bestimmten Art, Kausalhypothesen zu formulieren, schon zugrunde; das praktische Scheitern mit diesen vermeintlichen Hypothesen ist also auch nicht ihre Widerlegung (mit einem Begriff wird nichts behauptet, ein logisch fehlerhaft konstruierter Begriff ist nicht „falsch“ in dem Sinn, in dem Sätze, Mitteilungen, Behauptungen es sind, oder auch (in einem andern Sinn) widerlegte Kausalhypothesen; ein logisch falscher Begriff macht nicht die Antworten, sondern bereits die Frage falsch – und die Versuche, sie zu beantworten, sinnlos); sondern es motiviert allenfalls, sich auf die Begriffe zu besinnen, die man in der auf keine Weise beantwortbaren Fragestellung benutzt hat. Dass mit Begriffen, dass mit (vielversprechenden) Fragestellungen, die sinnvoll klingen, etwas nicht stimmen könnte, ist das Allerletzte, woran man denkt, zumal, wenn man mit einer brauchbaren Antwort viel hofft ausrichten zu können. Und doch ist es der Fall bei rassistischen Hypothesen:
Die rassistische Fragestellung selbst ist nämlich sinnlos; so sinnlos wie die gesellschaftliche Praxis, in der die Hypothesen, die auf sie antworten sollen, erprobt werden – eine Art, Verständigung vor aller Verständigung herzustellen, bei der Rituale an die Stelle rationalen Verständigungshandelns treten, so wie früher Rituale an die Stelle rationalen technischen Handelns. Früher fiel es schwer, hinter Bewegungen (Veränderungen, Ereignissen) nicht einen Willen zu sehen, mit dem man sich bloss verständigen musste, um Ereignisse in den Griff zu bekommen; heute dagegen verschwindet der Wille hinter den unpersönlichen und ungewollten Kausalketten, an denen entlang sich die Naturgeschichte abspielt. Mit sich bekannt und vertraut, also mit dem, was ein Wille, ihresgleichen ist, waren Leute früher wie heute. Doch so, wie früher gelernt werden musste, dass man Geist, Person, mit Bewusstsein und Willen begabt, nur ist und sein kann als redender und handelnder Körper , so heute, dass, Person zu sein, auch Individualität, also eine bestimmte, besondere Person zu sein, nicht mit der Eigenschaft zusammenfällt, ein bestimmter Körper zu sein, sondern mit einer Funktionsweise, die freilich sich nur an einem Körper zeigen kann, an ihm auftauchen und auch (zeitweise oder für immer) verschwinden kann. Nicht, dass es nicht interessant wäre, nein, mehr als das: sogar höchst notwendig wäre es, herauszufinden, welche Strukturen mit welchen Eigenschaften gebraucht werden, um diese Funktionsweise zu realisieren. Doch hilft uns die Untersuchung irgendwelcher Organismen und Organe in der Welt, und wenn wir sie alle zusammen kennen würden, nicht weiter bei der Beantwortung der Frage: Welche unter den möglichen Funktionsweisen von Körpern sollen wir als unsere betrachten? Wie muss ein Körper funktionieren, dass wir sagen können: Es ist der Körper einer Person, der Körper eines eines Wesens wie wir, oder kurz: es ist einer von uns? Nicht also kann es zunächst darum gehen, etwas in der Welt Befindliches näher kennenzulernen, und festzustellen, wie es ist und sich verhält; sondern einen Begriff zu denken, eine Norm zu bestimmen: den Begriff dessen, was es heisst, wie wir zu sein (vernünftig, Person, usw.). Von allen Begriffen, allen Normen unterscheidet dieser sich dadurch, dass mit jeder Bestimmung, jedem Merkmal, das wir in ihn aufnehmen, wir uns selbst genauer bestimmen. Und das heisst nicht: wir beschreiben uns, wie wir sind (obwohl es selbstverständlich eine der Randbedingungen bei der Konstruktion des Begriffs „wie wir beschaffen“ ist, dass wenigstens wir jetzt, die ihn gegenwärtig bestimmen, sind wie wir), denn wir könnten anders werden, und dann dem Begriff (der von uns festgelegten Norm) entsprechen oder nicht. Das ist wichtig: Denn der Begriff des Wie-wir- oder Vernünftigseins sagt vor allem, was es hiesse, auch in Zukunft (und angesichts wechselnder, oder gänzlich neuer Verhältnisse) zu bleiben wie wir sind – in dieser wesentlichen Hinsicht. Wir bestimmen also, indem wir diesen Begriff von uns bestimmen, zugleich, wie wir nicht werden wollen; z.B. bestimmen wir, sehr genau (wenn wir es bestimmen), was es hiesse, krank zu sein. Doch nicht nur für unsere Zukunft, unser Anderswerden und Dabei-gleich-Bleiben, bestimmen wir die Regel (Norm, Begriff: dasselbe), sondern schon für die Gegenwart: Wir bestimmen, wer Unseresgleichen ist, obwohl er anders ist als wir. Wir sagen also nicht nur, was es für uns hiesse, andre zu werden, und trotzdem in der Hinsicht, die uns wesentlich ist, zu bleiben, wie wir sind (übrigens nicht nur Person überhaupt, sondern auch Individualität: nicht nur unsre Vernünftigkeit, auch unser Wissen, das uns ausmacht, soll nicht verlorengehen, soll nur in der Hinsicht verändert werden, dass es mehr wird) – was es bedeuten würde ,in Zukunft dieselben zu sein; wir sagen auch, was es für uns bedeutet hätte , in anderen Umständen, mit anderen Voraussetzungen zu sein wie wir: und was für uns, gilt auch für andre, nämlich die, die wirklich bisher unter solch anderen Umständen und anderen Voraussetzungen gelebt haben. So aber, wie sie uns ihre ganz anderen Lebensumstände (das heisst immer auch: Erfahrungen), darstellen können, so wir ihnen unsre: indem wir es tun, verschwindet der Utesrchied zwischen uns – zumindest, sofern wir vernünftig sind und das Vernünftige an der bisherigen Praxis der jeweils Andern (solang sie unser Wissen nicht hatten) verstehen . (Nicht) Verstehen heisst nichts andres als: etwas (ein Handeln, eine Absicht) hinsichtlich des Begriffs der Vernünftigkeit (Verstehbarkeit, Nachvollziehbarkeit, des Seins-wie-wir usw.) beurteilen, sagen, ob es darunter fällt (vernünftig, verstehbar, nachvollziehbar ist – immer im Rahmen des Wissens, das einer hat). Wer diesen Begriff nicht bestimmt – wer sich nicht darauf besonnen hat, was er unter welchen Bedingungen getan hätte oder tun würde, der kann natürlich auch nicht mit ihm arbeiten: Das Unverständnis, das bürgerliche Menschen füreinander empfinden, beruht genau darauf, dass sie weder diesen Begriff (und also sich selbst ) bestimmen, so wie es nötig wäre, noch, dass sie versuchen, davon Anwendung zu machen und den Andern (seine Erfahrungen) kennenzulernen; doch nicht, weil sie es irrtümlicherweise vergessen, oder sonst nicht fertigbringen: sondern weil sie sich diese Mühe nicht machen wollen – weil sie glauben, auch ohne das miteinander zurechtzukommen. Und dieser bürgerliche politische Aberglauben (diese Illusion, diese verrückte Hoffnung) von der Möglichkeit eines Verständigtseins vor aller Verständigung (sorgfältigem Kennenlernen des Andern; sorgfältiges Denken und Nachdenken seiner Gründe) ist nicht besser als der vormoderne, vorbürgerliche magische Aberglauben an die Möglichkeit von Naturbeherrschung ohne Technik; tatsächlich ist die Politik (in allen ihren Spielarten) die Religion des bürgerlichen Zeitalters, und nicht weniger als bei den alten Aufklärern lautet die Parole: Ecrasez!
Es ist, aus den genannten Gründen, daher auch der beste aller möglichen Namen, den sich die radikale Opposition gegen bürgerliche Verhältnisse geben kann (wenn sie überhaupt einen braucht), wenn sie sich autonom und ihre Angehörigen die Autonomen nennt: Nicht nur, weil (wie der erste Teil des Wortes sagt) man sich nicht beeindrucken, verwirren und ablenken lsssen von Autoritäten, auch nicht erschrecken lassen von Herrschenden und ihren Drohungen, nicht einmal sich bestechen lassen durch unhaltbare und illusionäre Versprechungen, stattdessen selbst denken und entscheiden, und ihre Erfahrung, das, was sie wissen, zugrundelegen: wer solche Leute beeinflussen will, muss mit ihnen reden und ihnen sein besseres (weil entscheidend Neues enthaltendes) Wissen präsentieren. Doch nicht nur das: Noch wichtiger als die Selbst bestimmung ist die Selbst bestimmung der Autonomen; der differenzierte und genaue Begriff von dem, was es, unter verschiedensten Umständen heisst und hiesse, die selben zu sein wie sie und nach derselben Regel. zu handeln. Dass sie die andern begreifen , und also wissen , wenn sie sie kennenlernen (worum sie sich bemühen!), welches Erfahrungs- und Anschauungsmaterial diesen Andern fehlt, um das Bedürfnis nach genauerer Selbstbestimmung auszubilden: das macht den Fortschritt, macht die Überlegenheit der autonomen Politik (ihr rationales Handeln unter der Voraussetzung von (angeblichen) Interessengegensätzen) gegenüber der bürgerlichen aus: Diese arrangiert sich mit vermeintlichen Gegensätzen; wir aber sorgen dafür, dass sie verschwinden; und diese Überlegenheit wächst mit der Sorgfalt des Begreifens und sich ein Selbst Bestimmens. Mehr als den rassistischen und begriffs- und gedankenlosen Idealismus der Menschenwürde, der in der Tat so hohl ist, dass jeder Dreck hineinpasst, haben die Andern dem nicht entgegenzusetzen; der Realismus des Verstehens, sich Verständigens, sich als vernünftig Bestimmens beseitigt die Hohlheit.
Nicht jeder Rassismus ist notwendig diskriminierend (macht einen Unterschied): rassistisch können z.B. angebliche Einsichten in die allgemeine Menschennatur sein, wenn damit eigentlich erfahrungsabhängige (und erfahrungs-korrigierbare) Einstellungen erklärt werden sollen. Auf rassistischer Grundlage zugeschriebene Überzeugungen und Zielsetzungen müssen auch nicht immer negativ bewertete sein; und nicht nur andere, auch sich selbst kann man rassistisch beurteilen. Das macht den Rassismus nicht harmloser, weil auf der gleichen Grundlage, auf der Leute überschätzt und gemocht werden, auch welche unterschätzt und abgelehnt werden können (einen selbst eingeschlossen). Von der Art ist der Intelligenz – und Begabungsrassismus. Mit (Selbst)Idealisierungen arbeitet aber z.B. der Sexismus; auch der feministische.
Die Eigenschaft, auf die sich ein besonderer, einzelner Rassismus stützt, muss keine biologische, oder biologisch wesentliche sein:
Der alltäglichste Rassismus ist z.B. der, jemanden nach seinem Äusseren zu „beurteilen“ und zu glauben, dass man über seine Gedanken und Ziele (und deren Grundlagen) bescheid weiss, bevor man ihn kennengelernt hat. (Man sagt gewissermassen: Er denkt soundso und will dasunddas – es (er) kann garnicht anders sein, weil er soundso aussieht und sich bewegt, spricht usw.)
Ein zweiter alltäglicher Rassismus, der mit dem eben genannten eng verbunden ist, ist die Beurteilung von jemandem nach einem ein für allemal (oder schwer änderbaren) „Charakter“. (Der physiognomische Rassismus besteht ja eigentlich nur darin, diesen „Charakter“ sogar aus jemandes Äusserem bereits erraten zu können.)
Seinen Abschluss findet dieser Alltagsrassismus drittens in der rassistischen „Erklärung“ der Beständigkeit des „Charakters“ oder der „Persönlichkeit“: jemand ist, wie er ist („Dieser Mensch ist so.“: Charakterrassismus!) „aufgrund seiner Erziehung“ (Lebensgeschichte usw.). Dieser Rassismus ist übrigens nicht nur bei normalen Leuten fest etabliert – es ist der Rassismus der gesamten Geistes- und Gesellschaftswissenschaften, sofern sie auf „empirischem“ Weg zu „Kausalhypothesen“ darüber gelangen, wie Leute „funktionieren“.
Wir können folgende Rassismusformen unterscheiden:
An den genannten Beispielen wurden schon unterschieden:
-nichtdiskriminierender („Menschennatur“) und diskriminierender Rassismus;
-positiver und negativer;
-auf den Rassisten selbst und/oder auf andre bezogener;
und je nach Art der jeweils zugrundegelegten „dauerhaften Eigenschaft“:
-nichtphysiognomischer und physiognomischer Rassismus (die Eigenschaft ist eine sichtbare; im weiteren Sinn eine spätestens mit diagnostischen Instrumenten feststellbare);
-biologischer („angeboren“) und psychologischen („Umwelteinfluss“) Rassismus.
Beim psychologischen kann man unterscheiden (s.o.):
-Rassismus der äusseren Erscheinung (soweit sie für „unabsichtlich“ oder „unbewusst“, (aufgrund von Umwelteinflüssen) „erworben“, aber „bezeichnend“ für die Charakterstruktur, das Innere des Betreffenden gehalten wird);
-Rassismus der (erworbenen)(durch vernünftiges Folgern aus (neuen und bereits bekannten) Erfahrungen unveränderlichen) Charakterstruktur und Persönlichkeit;
-Rassismus der Umwelt-(z.B. Erziehungs-)Determiniertheit von Einstellungen (jenseits von vernünftigen Folgerungen aus Erfahrung).