Die nachfolgenden Untersuchungen+Bemerkungen sind eine Fortsetzung des im vorhergehenden Abschnitt
am Ende stehenden Textstücks „ANHANG: Entwurf für einen letzten Beitrag im „Butter-bei-die-Fische“-thread“. Die Texte sind nach wie vor in Bearbeitung; Korrekturen und Zusätze werden unter „Neueste Einträge“ auf der Startseite angezeigt.1. Untersuchung: Das radikallinke Denken als Kritik des liberalen (Kapitalismus-befürwortenden und -legitimierenden)
Ich versuche vorneweg zu sagen, was aus meiner Sicht das Wichtigste an meinen Auffassungen ist – und worin sie sich darum vom radikallinken Mainstream (und vom andern sowieso) unterscheiden.
Diese kurze Vorbemerkung ist dabei eher als Hintergrundsinformation gedacht – vielleicht, um mit potentiellen Lesern zu einer gemeinsamen Themen-Anordnung zu gelangen. Ich benutze diesen Ausdruck anstelle von „Liste“, weil es da nicht nur um ein Stoff-Aggregat geht, sondern eher ist die „gemeinsame Themenanordnung finden“ bereits die zu lösende Aufgabe.
Denn: Nach meiner Überzeugung unterscheiden wir radikalen und radikaleren Linken uns (so wie viele da draussen sich wiederum voneinander und uns unterscheiden) vor allem durch die Kriterien, wann etwas Aufmerksamkeit verdient, was wofür zu beachten wichtig und unwichtig ist; die „Organisationsform“ für diese Relevanz-Gesichtspunkte sind BEGRIFFE.
Ich meine, dass wir uns in Auseinandersetzungen, die kein Schlagabtausch sind, sondern weiterführen, genau daran abarbeiten, ein gemeinsames Begriffssystem herzustellen; was nichts äusserliches ist; sondern eben der Abgleich der Relevanz- und Aufmersamkeits-Lenkungs- und -Organisations-Kriterien. Und das… ist die entscheidende Voraussetzung für die nachfolgend gemeinsame Ausbildung praktischer Regelsysteme – solcher, die zu Kooperation und Koordination befähigen. Nichts geringes also.
Meine theoretischen Bemühungen unterscheiden sich von bisherigen linken bzw sind diesen in Kontroversen-trächtiger Weise entgegengesetzt in, wie ich glaube, mindestens folgenden entscheidenen Punkten:
1. Ich halte mich strikt an das Prinzip des „methodischen Individualismus“, das heisst, dass ich für jede Aussage über „Gesellschaft“ „Wirtschaft“ „Kultur“ usw an mich und andre die Forderung stelle (oder besser: ich sehe die ANforderung an uns alle gestellt), dass das Prinzip angegeben wird, wie diese Aussagen in Aussagen über Individuen und deren Handeln (und Miteinander-Sprechen) übersetzbar sind.
(Zum Handeln gehört dabei auch das Unterlassen…)
Also nicht das Bekenntnis dazu, DASS sie „natürlich übersetzbar sein müssen“ genügt; sondern begrifflich genau und zufriedenstellend muss ausgeführt werden: WIE.
Diese vermeintlich unscheinbare und leicht zu erfüllende Forderung hat sehr weit reichende Konsequenzen.
Sie stellt nämlich die Behauptung, man sei heutzutage bereits „vergesellschaftet“, infrage.
Nicht dass da garnichts ist.
Aber das, was da ist, ist unter Umständen auf einem deutlich niedrigeren Niveau, als es linke wie bürgerliche Wirtschafts-, Gesellschafts-, Staats- und Medien-Wissenschaftler, erst recht die involvierten „Praktiker“ glauben, deren Praxis von den betreffenden „Wissenschaften“ oder auch kritischen Theorien rekonstruiert werden soll.
2. Daraus ergibt sich eine Zweiteilung meiner Betrachtungen.
Zum einen gibt es da das „traditionelle“ Feld der „gesellschaftlichen“ Praxis, Betrachtung dessen, was da stattfindet.
Aber in ganz anderer Weise als diejenigen Linksradikalen, die „Gesellschaftliches“ ständig nur durchgreifen sehen auf Individuelles, als Ideologie, Nationalismus, Nichts-als-das-Ensemble-der-Verhältnisse, notwendig falsches Bewusstsein usw – sehe ich die Praxis selbst als Resultat darauf bezüglicher illusionärer Einschätzungen und Erwartungen. Diesen „Vergesellschaftungskonzepten“ der beteiligten Einzelpersonen (bzw Massen von ihnen) messe ich einen ganz anderen Stellenwert zu bei der Erklärung der „Verhältnisse“ – nämlich einen für diese Verhältnisse KONSTITUTIVEN.
Dabei scheint mir, dass das Wechsel-Verhältnis zwischen dem, was Leute aufgrund ihrer Vorstellungen von der Art, wie sie alle miteinander verbunden sind, erwarten, und dem, was „gesellschaftlich“ anders läuft als erwartet, viel genauer untersucht werden sollte, als es traditionell in radikallinken Theorien bisher getan wurde.
3. Aber das ist nicht die einzige Zweiteilung oder Unterscheidung, die ich an bislang ungeteilt behandeltem Stoff vorzunehmen vorschlage.
Ich sehe Kapitalismus stärker noch, als es in der traditionellen Marx’schen Redeweise vom Zusammenwirken von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen in einer Produktionsweise begriffen wird, als Resultante zweier… nunja, nach Punkt 2 muss icih sagen: Denkweisen, Mentalitäten. Nämlich: einer weltbezogenen Mentalität (ich nenne sie: das individuelle Weltverhältnis), einerseits; und einer Mentalität, einem individuell befürworteten und befolgten Regelsystem für den Umgang mit Vorschlägen, Absichten, Fordreungen, Erwartungen anderer, die von den je eignen abweichen, andererseits – in letzter Instanz also: Regeln des Umgangs mit den Mentalitäten der andern (die nenne ich: das Vergesellschaftungskonzept der betreffenden Person oder Gruppe von Personen).
Anm. Es macht einen grossen Unterschied, sowohl beim Weltverhältnis, als auch beim Verges.konzept, wie systematisch und durchgängig gleich, konsequent, regelhaft man sich verhält – und zu wieviel Themen man überhaupt auf die Weise Stellung nimmt, wozu man überhaupt einen Standpunkt ausgebildet hat und worauf in diesem Sinn aufmerksam ist und vorbereitet – also wieder: Wovon und wozu man Begriffe parat hat.
4. Die Sache wird dadurch kompliziert, dass ich beide Mentalitäts-Komponenten nicht einfach für „entwicklungsfähig“ und auch Resultat historisch-kultureller Entwicklungen halte (die sich per Bildung und Sozialisation in die Persönlichkeiten, Wertesysteme, befürworteten Ziele und Lebensentwürfe der Einzelnen einprägen), sondern für überaus „regressionsanfällig“: In den Bildungsgängen von Leuten werden demnach massenhaft kulturell fortgeschrittene Inhalte in mehr oder weniger „primitiven“ (archaischen, ursprünglichen; weniger weit fortgeschrittenen) Weisen ihrer Verarbeitung angeeignet und auf dieser primitiveren Basis neu hinzukommende Erfahrungen der Leute auch in die bestehenden fortgeschrittenen Inhalte integriert, dh Erfahrung wird weiter „primitiv“ verarbeitet, auch wenn im Kern zb moderne Praxis und Wissen wichtigste Handlungsgrundlage darstellen.
(Vergleichbares gilt auch für die Vergesellschaftungskonzepte.)
5. Die Zweiteilung, die ich sehe, zerlegt Kap. somit in eine „weltbezogene“ Komponente – ein Weltverhältnis, das – wie unreif auch immer in den Bildungsgängen von Massen von Leuten angeeignet – heute doch kulturell bestimmend ist; und ein Vergesellschaftungskonzept, das mit diesem Weltverhältnis „zusammenarbeitet“. Das Resultierende ist etwas, das ungefähr so sehr aus EINEM Guss erscheint wie die Planetenbewegung um die Sonne; Aristoteles hielt sie für unzerlegbar, für ihn war sie ganz klar eine Kreisbewegung: Auf kreisende Glas- (dh durchsichtige)Kugeln (Sphären) geheftete Körper kreisen um die (kugelförmige) Erde. Seit Newton hingegen ist es eine Resultante aus zentripetaler Gravitation und tangential gerichteter Bewegung mit gleichförmiger Geschwindigkeit. Eine solche Zwei-Komponenten-Theorie vertrete ich also (allerdings mit der Pointe, dass es sich um „Mentalitäten“ von Massen von Einzelpersonen handelt) für Kapitalismus.
Das heisst, dass ich zu unterscheiden versuche zwischen dem: Was an Schäden sich dem massenhaft praktizierten Vergesellschaftungskonzept, und dem: Was möglicherweise sich dem damit und darin betätigten Weltverhältnis verdankt. Schliesslich auch: Was Folge dessen ist, dass (wie es Marx für veraltete Produktionsverhältnisse annahm) die praktizierte Vergesellschaftung der aus dem Weltverhältnis abgeleiteten nicht gerecht wird – in Kurzform, als These: Kapitalismus ist für das Projekt der Moderne zu primitiv.
Anm. In gewissem Umfang bildet also die Einführung der Kategorien „Weltverhältnis“ und „Verges.konzept“ ein massenhaftes subjektives Pendant zum Marxschen Doppel „Prod.kräfte und Prod.Verhältnisse“ – die These ist: Dass die massenhaft eingenommenen Weltverhältnisse der Leute wichtiger Bestandteil der „Produktivkraft“ sind, und ihre massenhaft von ihnen befürworteten Verges.Konzepte ein wichtiges Moment ihrer tatsächlichen Verhältnisse; auch, wenn beides jeweils nicht vollständig im je andern aufgeht.
6. Darum dann auch zwei Fragerichtungen im bezug auf Kommunismus bzw im weiteren Sinne gesellschaftsweite Eigentumsfreiheit: Was muss dann immer noch ausgehalten bzw bewältigt werden (da Weltverhältnis-verursacht)? und: Was, das zuvor (wegen illusionär optimistischer, „idealistischer“ Vergesellschaftungspraktiken) vernachlässigt wurde, muss nun als Aufgabe angegangen werden? Das führt dann auch weg von der Auffassung: Kap. ist ein Hindernis für gedeihliche Produktion wie Vergesellschaftung, nach seiner „Abschaffung“ wird alles, nun ja, nicht gleich, aber doch allmählich gut und deutlich besser (nämlich durch immer weiteres und durch die „Abschaffung“ erleichtertes „Absterben“). Das Hindernis besteht dann vor allem in der Illusion, die völlig ungelösten Probleme seien längst bewältigt (durch das geschickt gewählte Verges.konzept); und in der illusionären Erwartung, dass man die irgendwie verbleibenden Rest-Probleme im Rahmen der zu diesem Zeitpunkt genutzten und fortgeschritten-entwickelten Technologie und Produktionsweise (bzw Weltverhältnis) lösen könne.
Wenn nämlich Kap. wesentlich negativ, als ein „Sich-nicht-Kümmern“ bestimmt ist, dann ist daran nichts „abschaffbar“. Kommunismus entsteht demnach auch nicht dadurch, dass man seinerseits etwas unterlässt und nur beseitigt, sondern vielmehr durch: Endlich etwas tun, das lange aussteht, etwas aufbauen, was nicht da ist und äusserst schwer zu bewerkstelligen ist. – Wenn das stimmt, ist auch nicht mit einem plötzlichen und gesellschaftsweit-synchronen Übergang namens Revolution, gewaltsam oder nicht, zu rechnen. Sondern, wenn überhaupt, mit mühsamen, lange Zeit noch stark von ihnen eigentlich nicht gemässen Reichtumsquellen und Verhältnissen getragenen Verscuhen, nachMODern-kollektivistische Praktiken (in den sie umsetzenden wachsenden Gruppen: Kommunen) aufzubauen – also mit einem „Heranwachsen“ (das zum Teil ein durchaus bewusstes, „gemachtes“ sein kann) der neuen Produktonsweise im Schoss der alten. Insofern also wieder wie beim alten (eigentlich: beim seinerzeit theoretisch noch jungen, aber durchaus weit blickenden) Marx.
Übrigens: Diese Prognose gilt selbst für den äusserst unwahrscheinlichen Fall, dass die gesamte Gesellschaft sich der gewaltigen Aufgabe bewusst wäre, der sie sich da zu stellen hat. Die Aufgabe erkennen heisst leider nicht, sie gelöst haben.
7. Ich sollte noch anmerken, dass ich RELigiöses Denken für ein extrem wichtiges und heute allgegenwärtiges halte. Bei RELigiös darf man gerne an einen traditionellen radikallinken Kampfbegriff denken: idealistisch. Analysiert und verstanden ist damit noch garnichts. Als böser Seitenhieb oder eher, erster Hinweis: Die bisherigen Radikallinken haben das RELigiöse Denken nicht wirklich zum Gegenstand gemacht, weil sie selbst darin befangen sind.
Hinter allem, was ich sage, stecken leider Unmengen an weiterführenden Überlegungen, die nicht so schnell überblicksweise dargelegt werden können.
Die Grossbuchstaben MOD REL oder STP. stehen immer als Anzeige, dass hier der technische Ausdruck in einer, meiner Theorie gemeint ist – also der Name für eine, wie ich glaube, fundamentale Mentalität – ein Weltverhältnis, oder ein Vergesellschaftungskonzept. (Diese Bezeichnungen sind natürlich nicht völlig anders definiert als in der Alltagssprache, im Unterschied zu den dort üblichen Verwendungsweisen sind die theoretischen Definitionen aber Ergebnis des versuchs, einen begrifflichen Raum (einen wie: „die überhaupt denkbaren Mentalitäten“) ganz auszufüllen und einzuteilen.)
Die „materialistische“ Basistheorie hinter diesen Überlegungen ist in radikal-linken Kreisen allein schon als Thema so gut wie unbekannt.
In Marx‘ Werk ist sie mit einigen höchst abstrakten Worten – quasi als Platzhaltern dafür – präsent: Praxis, Arbeit, produzieren. Grad mal angetippt in den Feuerbachthesen.
In der zeitgenössischen Philosophie (von der ebenfalls die meisten Linken so gut wie keine Ahnung haben (haben wollen); ein SCHWERER Mangel! aber gut, sie sind halt Idealisten, da genügt Hegel) ist das Thema dieser Basis-Theorie so benannt:
HANDLUNGSTHEORIE.
Man kann Handlungstheorie höchst idealistisch-traditionell und durchaus feinziseliert analytisch ausarbeiten – das geschieh tin der sog analytischen Philosophie, aber auch in den bekannten schul-bildenden Theorien in Soziologie, Psychologie, Ökonomie.
Der materialistische Ansatz ist bisher in der Öffentlichkeit nur von einem Philosophen vertreten worden, der mittlerweile zurecht zu den linken Grundlagen-Theoretikern gezählt wird. Ludwig Wittgenstein (und zwar mit seinem sog. Spätwerk; sein eigenes Frühwerk, den „Tractatus logico-philosophicus“, mit dem er gross rausgekommen war, hat er selbst für kompletten (er hätte sagen können: idealistischen) Unsinn erklärt, und danach nochmal neu angefangen.
Handlungstheorie steht zur zb Marxschen Ökonomie wie, um nochmal den Vergleich zu ziehen, Newtonsche Physik zur Astronomie. Nur um mal anzudeuten, was den radikalen Linken aus meiner Sicht derzeit fehlt.
8. In einigen Zirkeln hat die politische Richtung, die mit all dieser Theorie begründet und darum hier auch vertreten wird, einen Namen: Kommunalismus. Das soll bedeuten: Befürwortung gesellschaftsweit eigentumsfreier Produktion, die aber langsam und sorgfältig aufgebaut wird, ohne dabei gleich einen synchronen („revolutionären“) Übergang der ganzen Bevölkerung in diesen Zustand vorauszusetzen – der wird weder für erwartbar noch für möglich gehalten. Der Aufbau würde selbst dann langsam und aus bestehenden Reichtumsquellen (unter gleich welchem der überholten, aber real umgesetzten Verges. konzepte) heraus stattfinden müssen, wenn die gesamte Bevölkerung ihn befürworten würde, also als ganze oder mehrheitlich den Übergang zum kommunalistischen Standpunkt gemacht hätte. Darin besteht eine wichtige Differenz zu den verbliebenen, nicht-staatssozialistischen Kommunisten.
9. Das zentrale Thema der materialistischen Handlungstheorie ist, in meiner Formulierung, „Lernen“, das soll der Inbegriff sein des regelhaften Umgangs mit Wissen und Unwissen, Wissenserwerb, Risiko, Ungewissheit, Versuch und Irrtum, Hypothesenbildung.
Zusammen mit dem „methodischen Individualismus“ (besser: kategorisch, durchgehend, kategorial; logischer, kategorialer, begrifflicher Individualismus) – ergibt sich da die Fragestellung: wie historisch eigentlich Wissen verarbeitet wurde – wobei die je massgebliche Regel des Lernens und Wissenserwerbs als zentraler Bestandteil der vergangenen Produktionsweisen aufgefasst wird (wo eben auch nicht einfach die Produktivkräfte von selbst immerzu „gewachsen“ sind; das ist vielmehr ein Thema, über das von Marx und traditionellen Marxisten insgesamt zu wenig, und begrifflich wenig geordnet nachgedacht worden ist). Vor allem halte ich es für ein Problem, und zwar ein praktisches jeder Gesellschaft früher wie heute: Wie Lern-Inhalte aus dem Leben einzelner heraus verallgemeinert werden, und in eine „gesellschaftliche“ (mit all den Fragezeichen, die angedeutet worden sind) Praxis (eine Kultur; verstanden als Regelsystem mitsamt Begründungen) aufgenommen werden, und, wie sie von da aus (nämlich eben mit dieser Kultur) wieder Anschluss finden an die Praxis von Individuen, die die Praxis tragen, das sind dann spätestens die „Nachwachsenden“, die in diese Kultur hineinwachsen sollen.
In gewissem Sinn ist die Darstellung Einzelne>Kultur>andre Einzelne irreführend: auch die Kultur wird ja nur von Einzelpersonen (wenn auch vielleicht „unbestimmt vielen“) getragen, umgesetzt, angeeignet, verbreitet, tradiert.
Diese nachträglich Hineinwachsenden spätestens haben ein „Kultur-Gefälle“ aufzuholen, aber auch alle Erwachsenen, deren Bildungsgang noch nicht bis an ein für sie massgebliches und an sich erreichbares fortgeschritteneres Kulturniveau herangereicht hat, und denen beim Nachholen der Differenz zwangfrei geholfen werden soll.
(Diese Bemühung um den Anschluss ALLER an das kulturell erreichte Fortschrittsniveau, also ein ausdifferenziertes Regel- (im Kern: Begriffs-) System mitsamt seinen Begründungen (im Kern: begründet in massenhaft vorliegenden und von zahlreichen Leuten ähnlich, „konvergent“ verarbeiteten Bildungs- und Erfahrungsverläufen), hatte ich (in anderen Texten; früher) zum dritten grossen Ziel einer „an Zwecken orientierten“ Produktionsweise erklärt. Man darf dazu gerne „politische Aktivität“ zählen – etwas, zu dem die Mitglieder von kommunalistischen Produzenten-Assoziationen (Kommunen) allesamt in gleicher Weise befähigt sein, und wofür sie freie Zeit und Mittel geliefert bekommen sollten. Es gehört dazu uU auch, andern erstmal zu helfen, materiell die Voraussetzungen für solch eine Anschluss- und Aufhol-Bildungs-Tätigkeit zu schaffen: vor der politischen Aktivität und Hand in Hand damit geht die Aufbauhilfe: Gleiche Lebensverhältnisse und Lebensstandards weltweit herstellen zu helfen, ist für Kommunalisten gleichrangiges Produktionsziel neben den andern beiden: bedürfnis-bezogen, und: natur-analog produzieren.
Eine zentrale Kritik am Kapitalismus als Kombination aus massenhaft umgesetztem Weltverhältnis und Verges.konzept lautet: Er schafft es bestenfalls, Technologie-Entwicklung als Selbstzweck zu organisieren. (Aber nicht, diese sich immer weiter entwickelnde Technik oder überhaupt ihre Entwicklung auf eigentliche ZWECKE zu beziehen.)
Das heisst: Vorhandene Technologie zum Ausgangspunkt zu nehmen, um weitergehende technologische Optionen zu erarbeiten; alle andern involvierten Voraussetzungen dieses Prozesses sind nur Momente, oder diesem einen untergeordnete Momente und Mittel – etwa die notwendige Reproduktion der Lohnabhängigen.
Die ökonomische Form, in der das geschieht, ist die Kapital-Akkumulation; aber Technologieausbau, als Selbstzweck, ist der materielle Inhalt – also genau das, was die Marxisten als „Entwicklung der Produktivkräfte“ (ohne weiteren Zusatz; eben als Selbstzweck) dem Kap. zugutehalten. Der Antrieb dahinter ist die Konkurrenz, und das Motiv der Kostensenkung und Eroberung von zahlungsfähiger Nachfrage durch das Anbieten von Innovationen (ökonomische Form hierfür: die lohnende Investition).
Hier deutet sich dann die von mir so gesehene Teilung in zwei Komponenten an: Technologie-Wachstum um seiner selbst willen halte ich für ein genuin MODernes Projekt. Marktwirtschaft, worin auch noch mit „Fortschrittsoptionen“ gehandelt wird, also den Fortschritts-Potentialen die ökonomische Form der Warenproduktion zu geben, ist die Zutat des Verges.konzepts.
Diese Produktivkraft-Entwicklung (als Endzweck) ist es also, was sich mit unglaublichen Aufwänden, mit Hängen und Würgen, GERADE EBEN MAL als tendenzielle „Leistung“ des Kap. auf Dauer vorzeigen lässt – die verrückten Kosten, die das alles verursacht, sind nicht eingerechnet. ABER: Diese Kap.Legitimation ist – nicht anders als ihre Vorgängerinnen (die Legitimation über „Freiheit“ etwa, das Ausüben von Privatmacht) – heute bereits dabei, delegitimiert zu werden: Die externen Kosten (wenn nicht Schranken) in Gestalt von Natur- und Gesundheitsschädigung wie Ressourcenverbrauch sowie „Gesellschaftsschädigung“ (Massen-Lohnarbeitslosigkeit) sind in den ökonomischen Formen, die den Prozess abbilden, motivieren und steuern helfen sollen, nicht repräsentiert. Das ist heute in weiten, auch bürgerlichen Kreisen bekannt und anerkannt, also Gegenstand von (Selbst)Kritik.
Aber warum konnte (oder kann zZt noch immer) „Technologie-Entwicklung als Selbstzweck“ überhaupt zur Legitimation dienen? „Die Konkurrenz“ wird darin ja gerade nicht einfach vorausgesetzt; ihr wird (in der Legitimation) ihrerseits nur Wert zugesprochen, weil und im Mass, wie sie sich ALS (+/- optimales) MITTEL für diesen wiederum ihr äusserlichen Zweck, Technik als Selbst- bzw eigentlicher Endzweck, erweist.
Ich hebe das so sehr hervor, weil der Versuch, Kap. und Konkurrenz darüber zu legitimieren, offenkundig Adressaten voraussetzt, die unentwegte Technik-Höherentwicklung tatsächlich als Endzweck anerkennen und befürworten.
Anm. Das müssen Leute sein, die irgendwie MODerne Zielsetzungen befürworten – also sich ein MODernes Weltverhältnis – wenn auch in unreifen Rahmen-Formen seiner Weiterverarbeitung, aber immerhin – als Bildungsinhalt zueigengemacht haben.
Die Tatsache, dass Kap. und Konkurrenz legitimatorisch, ideologisch eben NICHT als letzter Zweck behandelt werden, sondern rechtfertigbar erscheinten als MITTEL für andres, zeigt, meine ich: dass hier eine weitere handlungsbestimmende Komponente (ein Normen- und Wertesystem) HINZUTRITT, das sogar im ideologisch-legitimatorischen Denken vom eigentlichen „Vergesellschaftungskonzept“, das sie vertreten, geschieden ist. Es bedarf aus ihrer Sicht einer eigenen Rechtfertigung, um zu zeigen, dass dies Verges.konzept (das sie ohnehin vertreten) eben auch dem MODernen Weltverhältnis gemäss ist und damit zusammenarbeiten kann.
Darauf hatte ich an dieser Stelle als erstes aufmerksam machen wollen.
Aber auch die beiden bereits erledigten, nämlich historisch früheren Legitimationen sind unter diesem Gesichtspunkt von Interesse.
Es haben nämlich die vorausgehenden (und bereits historisch abgelegten, delegitimierten) Apologien/Legitimationen des Kap. bei den damaligen Adressaten Zwecke vorausgesetzt, für die das Privateigentum der Prod.mittel und der Arbeitskraft ein, nein DAS geeignete Mittel schlechthin zu sein schienen.
Auf den ersten Blick scheinen diese beiden älteren Legitimationen fast ein und dieselbe zu sein, sie benutzen auch dasselbe Stichwort, meinen damit aber verschiedenes; dies Stichwort ist: FREIHEIT.
Die archaischere Version des Freiheitsgedankens zielte auf den von Marx so genannten abstrakt freien Lohnabhängigen: Er darf „Nein“ sagen zu einem Arbeitsangebot; er ist aber derselbe, der dann und darum die Freiheit hat unter Brücken zu verhungern.
Er ist Opfer der Lüge der revolutionären Bourgeoisie: dass es zwischen ihm, dem ehemaligen Leibeigenen und Halb- bis Dreiviertelsklaven des Feudalsystems, und ihnen, den Produktionsmitteleigentümern und nunmehr auch Aneignern der ehemaligen aristokratischen Ländereien zum Zweck der produktiveren Nutzung durch agrar-revolutionäre Neuerungen für den städtischen Markt, eine wesentliche Gemeinsamkeit gäbe nach dem „Abschaffen“ feudal-ständischer Privilegien und Gewerbeschranken.
Anm. Für diesen historischen Übergang hat es also tatsächlich eines Wegräumens von Hindernissen bedurft – im Lamentieren liberaler Parteigänger der Marktfreiheit über „bürokratische Hindernisse“ lebt dies immer weiter fort; solche Hindernisse und zu beachtende Voraussetzungen nehmen allerdings im weiteren Gang der kap. Verhältnisse in allseits unerwartetem Ausmass zu.
Es hat einige Jahrzehnte bis zu einem Jahrhundert gedauert, um die zweite Version einer“Freiheits“- Legitimation hieb- und stichfest gegen diese Art Einwand abzusichern.
Dazu musste der Unterschied, der in der ersten Version unbeachtet blieb, festgehalten und anerkannt werden: Ja, die Einkommen und Chancen, sich welche zu verschaffen, sind höchst unterschiedlich verteilt; Gemeinsamkeit ALLER Beteiligter aber ist, dass sie dasselbe wollen, nämlich Eigentum, Optionen zur Verwirklichung ihrer privaten Lebensträume. Wie, wenn wir nun anfingen, die Bemühung um diese Verwirklichung zu durchkreuzen durch einen Neidkrieg aller gegen aller? Das würde doch allen schaden! Lieber lassen wir doch Handel und Wandel, Angebot der Ware Arbeitskraft, Angebot von Arbeitsplätzen usw zu – die Tüchtigen (Talentierten, Fleissigen) werden sich durchsetzen. Und anders als die feudale Ständegesellschaft, bietet die kap. Gesellschaft durch Abschaffung aller Pivilegien schliesslich jedem die Chance auf Mehrung seines Vermögens und Einkommens – indem er sich andern, also allen, nützlich macht. So haben zugleich alle was davon (Eigennutz nützt allen, wenn auf diese Weise in Bahnen gelenkt). Ungleichheit und „Erfolg“ ist Anzeige und Lohn der unterschiedlichen Beiträge, die die einzelnen geleistet haben, eine Momentaufnahme. Auch die derzeit noch Erfolglosen streben nach „oben“, und wollen, dort angekommen, die Früchte ihrer Arbeit geniessen. Da können sie nicht wollen, dass denen, die dort angelangt sind, alles weggenommen wird. Freiheit in diesem Sinn bedeutet: der Tüchtige wird belohnt – Leistung soll sich lohnen.
Die Widerlegung dieser Rechtfertigung wurde geliefert durch die Einsicht: dass die Voraussetzungen für „Tüchtigkeit“ ihrerseits Klassen-Privilegien darstellen: Wer reich ist und sich Bildung leisten kann, über Beziehungen verfügt usw hat uneinholbare Vorteile und Möglichkeiten, sich „der Gesellschaft nützlich“ zu machen, ohne sich mehr als andre anstrengen zu müssen bzw. bei gleicher Anstrengung bewirkt er soviel mehr. Im Zweifel muss man sich auch garnicht anstrengen – Kapital hergeben, damit Arbeitsplätze geschaffen werden, genügt schliesslich – wenns genug ist, lebt man gut, und es verbraucht sich nicht. Ungleichheit, die Klassen, weit davon entfernt „Momentaufnahmen“ zu sein, verfestigen sich zu Quasi-Ständen, die Klassenpositionen vererben und zementieren sich, statt immer wieder frei ihre „Inhaber“ zu wechseln.
Darüber hinaus ist klar, dass das egalitäre Anfangsversprechen, dass da alle irgendwie gleich sein sollten, unhaltbar ist: Der Reichtum konzentriert sich, statt sich dauerhaft gleichmässig in die Gesellschaft hinein zu verteilen.
Schliesslich sind Erfolg und „harte Arbeit“ oder „Intelligenz“ vom Markterfolg abgekoppelt – da sind noch ganz andre Faktoren, vor allem Zufälle, „unverdientes“ Glück, am Werk.
Die westlichen Industrie-Gesellschaften sind also weitgehend am Punkt der Delegitimierung auch der 2. Rechtfertigung angekommen.
Aber es bleiben ja noch zwei.
Die Schlussweise, die ich benutze, um auf das zu kommen, was „Kap. gerade eben schafft“, nämlich aus seiner LEGITIMATION zu schliessen, ist erläuterungsbedürftig.
Hier nur der erste Hinweis, dass diese ganze Überlegung versucht, eine Konkretisierung und fundierte Darstellung dessen zu leisten, was in radikallinken Kap.Kritiken (vorzugsweise der MG/GSP-Orientierung und verwandter) lapidar als DER ZWECK DER KAP.PRODUKTIONSWEISE bezeichnet wird, wobei die Ausführungen dazu schnell darauf zulaufen, DEN Zweck als eine Beschränkung darzustellen: Es wird NUR gemacht, was…(den Zwängen der Konkurrenz genügt)… sogar dann wenn (mangelhaft, schädlich in derundder Hinsicht); und: es wird zugleich unterlassen, wenn nicht gar unterbunden, verhindert, was… obwohl (nützlich usw).
In den einschlägigen Artikeln von MG usw zum ZWECK der kap. Produktionsweise taucht bezeichnenderweise die oben bereits angeführte ältere und von Marx selbst verwendete Zweck-Zuschreibung nicht mehr auf (was ich für ein Versäumnis halte): der Zweck der kap. Produktionsweise sei die Entwicklung der Produktivkräfte. Die bekannte ML-Traditionslinie des „Marxismus“ hatte diesen genuin Marxschen Gedanken bekanntlich so aufgegriffen: Produktivkräfte sind schon immer gewachsen, sie sind dann aber immer wieder an die Decke eines jeweils veralteten, ihnen „mittlerweile“ nicht mehr gemässen Prod.verhältnisses (verfochten und konserviert von seiner herrschenden Klasse) gestossen, dieses wurde, notfalls per Revolution, zugunsten eines neuen, bereits im Schoss der alten Gesellschaft herangereiftem Prod.verhältnisses beseitigt, und genau so geht der Übergang zum eigentumsfreien Zustand, eventuell zweiphasig, aber in jedem Fall: Prod.kraft-abhängig. Prod.kraft hierbei zu lesen als: was man technisch so alles (real) kann (da umgesetzt in real vorhandenen Produktionsanlagen und Fähigkeiten).
Es gibt aber noch eine andre Lesart, nämlich diese: Die Geschichte der Prod.VERHÄLTNISSE artikuliert (untergliedert) sich entlang einer Stufenreihe deutlich voneinander abgesetzter, sehr elementarer Prod.AUFGABEN (jeweils von der Art: leicht zu formulieren, aber schwer auszuführen= „das einfache, das schwer zu machen ist“ (Brecht, er speziell zum Thema Kommunismus; es lässt sich aber auf die vergangenen Epochen ebenso anwenden). Am Ende der Vorepoche macht sich die Aufgabe, als eine ungelöste, immer drückender bemerkbar; zugleich ist deutlich: sie KANN nicht geöst werden ohne, dass dafür auch ein komplett neues Prod.verhältnis aufgebaut wird unter denen, die sich an die Lösung machen.
Die Reihe der Aufgaben fällt dabei noch mit einer anderen zusammen, die ICH gern ins Spiel bringen würde, mit der sie historisch hoch korreliert (vorsichtig ausgedrückt; natürlich denke ich, dass das kein Zufall ist), und das ist die Reihe der fundamentalen Weltverhältnisse, die bislang kulturell überhaupt und eben in vielen individuellen Bildungsgängen nachholend erschlossen wurden, ich nenne sie vor-RELigiös (oder OPPortunistisch); RELigiös (oder „idealistisch, unbestimmt-optimalhypothetisch“), und MODern (nach-RELigiös). (Diese Reihe kann man grob als mit den Gross-Abschnitten derbisherigen Zivilisationsgeschichte zusammenfallend verstehen.) – Also NICHT NUR ein Prod.verhältnis und in Grenzen Vergesellschaftungskonzepte (und damit sind keine blossen Ideologien gemeint!) gehören zu einer solchen Prod.aufgabe; sondern vor allem auch eine Stufe in der Wissensverarbeitung, die von einer Mindestanzahl der relevanten Bevölkerung, die sich der Prod.aufgabe stellen soll, erreicht worden sein muss, damit die Aufgabe gelöst werden kann.
In diesen ersten Andeutungen kann man vielleicht den Versuch erkennen, der revolutions- und klassen-… -idealistisch (wie ich sagen würde) verkürzten sog. Marx/Engelsschen „Geschichtsauffassung“ nachträglich die fehlenden materialistischen Anteile einzufügen, da, wo diese Auffassung bisher riesige Lücken und Leerstellen aufweist. (Die, ich wiederhole es, bezeichnenderweise von MG usw ebenfalls unbeachtet bleiben; die Erklärung DAFÜR wiederum wird NOCH später nachgeliefert. Ich hoffe, dass Leser materialistisch genug denken, um zu erkennen, dass Lernen und Umgang mit Wissen geradezu den Zentralbestandteil jedes erreichten Produktivkraft-Niveaus darstellt, umgekehrt es sich dabei um nichts weniger als einen „Überbau“- und ideologisches „blosses“ Derivat handelt. allerdings muss man dann auch RELigion und noch primitivere Einstellungen tatsächlich als kognitive, als LERNREGELN und Stellungen zu Wissen und Wissenserwerb begreifen können; die Tatsache, dass sie sich (eben aus idealistisch begründeter theoretischer Blindheit) für dies Thema so garnicht interessiert haben, ist den bisherigen „marxistischen“ Theoretikern als schwerer theoretischer Mangel anzukreiden.)
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Nun zur oben angekündigten Erläuterung.
Legitimationen, so sage ich, sind die Äusserungsformen, an denen entlang sich am ehesten die Inhaber eines Verges.konzepts über eben dieses Rechenschaft ablegen bzw es andern (wie unvermittelt immer) vortragen – als das, was jedermann doch wohl unmittelbar als vernünftiger letzter Grund und Begründung für Rationalität und Sinnhaftigkeit einer Praxis einleuchten muss.
Hier kommt also zum Ausdruck, was sie mit einer bestimmten von ihnen befürworteten Gesellschaftseinrichtung BEABSICHTIGEN.
Und zwar nicht im Sinne einer ideologischen Schönfärberei, die gibts nämlich normalerweise nur als LÜGE über bestehende Verhältnisse: Sie sind soundso. Legitimationen hingegen liefern die („letzten“, letzt-dafür-anführbaren) Gründe (wenn sie denn irgend nachvollziehbar und verstehbar sein sollen) dafür, warum etwas, ein Regelsystem, so sein SOLL: es soll sein, etwa weil es Mittel zu einem Zweck ist, der nach Auffassung eines jeden (so unterstellt es der Sprecher unmittelbar) realisiert werden soll.
Dabei ist banalerweise unterstellt, dass die betreffende Praxis dies nach gegebner Erfahrung auch erwarten lässt – zumindest, solange die Legitimation ernstgemeint wird und nicht nur noch verzweifelt, gegen alle Evidenz, fassadenhaft aufrechterhalten wird.
Von solch einer Verzweiflung sind aber die Kap.Verfechter derzeit noch ein ganzes Stück entfernt.
Genau darauf zielt nun meine Überlegung: Darauf nämlich, dass die Kap.Legitimation derer, die sie vortragen, garnicht ohne weiteres durch das kritisch zu erschüttern ist, was die Kritiker vorbringen; die Kritiker widersprechen nicht an der Stelle, wo die Kap.befürworter sich einzig für angreifbar halten würden: dass nämlich der Kap. den ihn (mitsamt allen inkaufzunehmenden unschönen Nebenfolgen) legitimierenden Zweck faktisch nicht realisiert, und dies nachweislich auch nicht kann.
Es ist vielmehr so, dass die Kritiker einen neuen Gesichtspunkt einführen – einen neuen Zweck oder neue Zwecke, an denen Kap. versagt. Und den Nutzen, den die Kap.befürworter VOR ALLEM geltend machen, irgendwie für nebensächlich und für auf mancherlei Weise „besser“ (vielleicht auch in einem „wunschgemäss reduzierten“ Mass) realisierbar erklären.
Diese Diskrepanz ist unter anderm auch der Redeweise geschuldet ist, die man sich – etwa als GSP-Sympathisant – zulegt: DER Zweck DES Kap – wer hat ihn? Und… wenn man nun sagt: Konkurrenz und Akkumulation IST das, woraufs dauernd hinausläuft – ist die Behauptung dann falsch – oder nebensächlich – aber dann: für wen? – : dass die Konkurrenz eben genau ein, nein das best-geeignete Mittel für Technikwachstum als Selbstzweck darstellt – einen so wichtigen, dass er alle Unkosten bzw die Kosten für deren Kompensation rechtfertigt?
Da muss man nun schon genau sein, und festhalten: Die Leute, denen diese Kap.Legitiimation einleuchtet, befürworten ganz offenbar einen anderen Endzweck der politischen und Wirtschaftsorganisation als ihre Kritiker.
Und das wäre erstmal ein wichtiges Zwischenresultat.
Eine vergleichbare Situation ergibt sich beim nächsten Legitimations-Standpunkt – es ist einer, der sowohl zusätzlich zu dem mit der Technik vertreten werden kann, als auch an seine Stelle treten kann.
(Dies Verhältnis unterhalten die beiden Legitimationen, nebenbei, zum verbliebenen („bereits erledigten“) Paar an Legitimationen, zunächst erst einmal zum zweiten: dem mit der nützlichen Ungleichheit und Belohnung der Extra-Anstrengung. Mit ihm zusammen können sie zu dem allerersten, dem Freiheits-gedanken, hinzutreten, aber eben auch (nach dessen Erledigung) ihn ersetzen.)
Kleiner Exkurs:
Kap.Legitimation war von Anfang an, oder konnte sein: 4fach.
Als erster und einfachster unter diesen 4 hat sich der 1. also der Freiheitsgedanke erledigt: weil die Freiheit der Prod.mittelbesitzer eben grundsätzlich eine andre war als die der Lohnabhängigen, die sich die „Fabrikdespotie“ und die existenziellen Folgen für ihre Lebensführung der Konkurrenz, in die sie versetzt waren, gefallen lassen mussten.
Als zweites war dann erledigt die Rechtfertigung von Kap. als System zur Belohnung des Tüchtigen (Intelligenten, Innovativen usw) – die Klassenprivilegien ergeben (sogar ganz ohne eignes Tun der privilegierten Prod.mittel-Eigentümer) auch deutliche Startvorteile in Sachen Tüchtigkeit, die kaum noch aufzuholen sind.
Das Dritte ist die Rechtfertigung der Klassenhierarchie als eine funktionelle, es muss eben Fortschrittsträger geben, und derzeit können noch nicht alle welche sein, wir holen das aber irgendwann nach, bis dahin besetzen wir die fraglichen Stellen durch die Leistungsfähigsten („Meritokratie“ der „Eliten“).. Diese Behauptung ist gerade dabei, fragwürdig zu werden.)
Diese letzte Verteidigungslinie lautet (so zumindest kenne ich sie):
Kap. (incl. bürgerlichem Staat; das wird auf dieser Stufe ohnehin zusammengedacht) ist die EINZIG denkbare Art, eine MODerne Riesenarbeitsteilung, sei es national, sei es gar global, zu koordinieren, und mit oder ohne Fortschritt zu steuern: „Wir haben keine andre (oder gar bessre).“
Dabei sind dann die massiven Mängel dieser Vorgehensweise, nämlich Fortschrittsoptionen sich unter Konkurrenzbedingungen entwickeln zu lassen, bereits eingepreist. Sie sind stillschweigend als inkaufzunehmende (und politisch möglichst zu korrigierende) unterstellt (so wie zuvor schon die schlimmsten Mängel der je vorausgehenden Stufe inkaufgenommen wurden und in gewissen Grenzen kompensiert werden sollten: Etwa durch Gewerkschaften und deren gesetzliche Absicherung, Arbeitsgesetze, Sozialversicherung, Sozialstaat, Gewerbeaufsicht usw).
Man muss sich den Inhalt, der da jeweils legitimiert werden soll, besonders vor Augen führen; bei den Legitimationen 3 und 4 wird da nämlich gern etwas vergessen:
Es handelt sich in beiden Fällen um eingestandenermassen GESELLSCHAFTLICHE Unternehmungen: die ganze Gesellschaft arbeitet am Fortschritt (Nr 3); und: die ganze Gesellschaft arbeitet an IHRER Reproduktion (mehr oder weniger einer „erweiterten“) – beides auf fortgeschrittenem Produktivkraftniveau.
Aber dieses Gesellschaftsprojekt ist aufgelöst in zahllose produktive Einzel-Unternehmen, über deren Einrichtung und das (über Preise gestaltete) Verhältnis zu ihren unmittelbaren Zulieferern und Abnehmern solche (Unternehmer, Manager) entscheiden, die vertraut sind ausschliesslich mit den Verhältnissen in ihrem Betrieb und den Konditionen, die aus dem je aktuellen Verhältnis zu den „Nachbar“-Marktteilnehmern (eben ihren Lieferanten und Abnehmern) resultieren.
Auf den Stufen 1-3 (wo sie, als Zusatz, immer auch schon präsentiert wurde, so wie die 4. und 2. mit ihr auf der 1.Stufe) war diese Legitimation noch mit einigem Glanz versehen, etwa so: … und genau DAS ist eine ganz besonders erfolgreiche Art, Arbeitsteilung zu organisieren (und dabei noch individuelle Präferenzen, Leistungsstimulation, Fortschrittsorientierung zu gewährleisten).
Auf Stufe 4 (das war nicht anders auf den Stufen 3 und 2) klingt es auf einmal deutlich defensiver: NUR SO gehe es, und wenn es auch noch so schlecht und recht nur geht – oder überhaupt nicht. so lautet das Argument.
(Das heisst, die vormaligen Errungenschaften sind ab da nur noch Bedingungen zur Realisierung des verbliebenen Vorteils (bzw der verbliebenen Vorteile), der ab jetzt für sich ausreichen muss und das offensichtlich unschöne seiner Voraussetzung(en) (Fabrikdespotie, Klassenunterschiede, Herrschaft von „Funktionseliten“), wenn auch abgemildert, inkaufzunehmen gebietet.)
Und es wiederholt sich daran etwas Vergleichbares, wie im Fall der 3.Legitimation.
Denn für die Befürworter von Kap. ist es eine Selbstverständlichkeit, ihr Lob auf eine Leistung sich beziehen zu lassen, die die radikallinken Kritiker garnicht erbracht sehen wollen: dass nämlich der ganze Reproduktionsprozess im Regelfall in privat, von Privateigentümern (oder in ihrem Auftrag) gestaltete bzw. „geführte“ Einzel-Produktionsstätten, Betriebe, Unternehmen (und über den Markt diesen, als Arbeitgebern und Versorgern mit Konsumgütern, angeschlossenen „Haushalte“) zerfällt, die ihren Zusammenhang über Preise, Geld, Käufe und Verkäufe, Angebot und Nachfrage, Absatzmengen und erzielte Gewinne und Verluste regulieren.
Für Marx: ein offenkundiger, für jedermann erkennbarer Widerspruch.
Für Kap.Vertreter hingegen eine unhintergehbare Voraussetzung allen (spätestens modernen) Wirtschaftens überhaupt.
Diese Unhintergehbarkeit wird den linken Kritikern auf der Stelle vorgehalten: und wie wollt IHR steuern?
Aber die Kritiker stellen sich das Problem nicht in dieser Form; sie sehen, wenn auch unbestimmt, die unverbunden nebeneinander stehenden Privatbetriebe längst und von vorneherein zum „gesellschaftlichen“ Reproduktionsapparat verschmolzen, dem die versammelte Masse der an und in ihm Arbeitenden gegenübertreten; die ausschliessliche Zugeordnetheit irgendwelcher Einzelfragmente dieses Apparats zu Einzelpersonen hingegen wird „abgeschafft“. Schon ist das Problem entfallen.
Also die bürgerlichen Legitimierer halten ihren linken Kritikern entgegen, dass diese IHR, der bürgerlichen Legitimierer, Problem nicht lösen; die Linken wiederum tun etwas Ähnliches: sie monieren die enormen Unkosten, die diese „Steuerung“ durch allfällige Fehlallokationen und Kompensationsnotwendigkeiten erzeugt; unnötigerweise; denn das MITTEL der überlegenen Steuerung, die Kollektivierung, steht doch schon bereit.
Aber dies angebliche Mittel ist nicht für diesen Zweck erfunden worden, es ist vielmehr selbst Zweck oder, um die Sichtweise der Linken besser auszudrücken: es ist bereits selbstverständliche Voraussetzung jeder anschliessenden Zweckmässigkeits-Überlegung. Und genau dasselbe gilt auch für die Kapitalismus-Befürwortung: Ihren Vertretern ist das Privateigentum Wert an sich; erst unter MODernen Voraussetzungen (Forschung und Entwicklung als treibende Produktivkräfte; globale Arbeitsteilung usw) tritt da überhaupt ein Anpassungsproblem auf – Privateigentum an Prod.mitteln unter diesen besonderen Voraussetzungen. Die Anpassung scheint wesentlich der MODerne geschuldet, „die Wirtschaft“, der Staat in seiner Aufsichtsfunktion, sie müssen den Innovationen nachkommen, ihnen immer wieder gerecht werden, und wie sie das machen, Staat und Wirtschaft – da sollen die Linken erstmal zeigen, dass sie es auch können! (Nichts hat diese Art Legitimation – aus Sicht ihrer Vertreter – mehr bestätigt als „das Scheitern des Realen Sozialimus“.)
Die Kontroverse musste notwendig von den Linken angefangen worden – ihr Selbstverständliches trifft auf ein bereits Vorhandenes, und will sich an dessen Stelle setzen, nun müssen die Linken sagen, warum (da das andre doch „funktioniert“, und vielen wenn nicht allen daran Beteiligten – spätestens nach allfälligen Korrekturen und Massnahmen zur Bekämpfung von „Auswüchsen“ natürlich, angemessen, alternativlos erscheint). Den Kommunisten ist ihrerseits der Kommunismus so selbstverständlich wie ihren Gegnern deren Verges.konzept; Kommunisten wie bürgerlichen Legitimierern wäre, ohne die Herausforderung durch das je andre (das ihnen absurd erscheint) dies Sich-selber-Legitimieren-Können/Müssen nie eingefallen. Dass die Leistungen der modernen Riesen-Arbeitsteilung, fragmentiert, in Privatbetrieben, chaotisch, umständlich und mit unsagbar hohen Kosten erbracht werden, nehmen Kap.Befürworter inkauf – ihnen gings und gehts ja nur darum, dass Staat und Wirtschaft damit „überhaupt“ zurechtkommen – denn DAS ist keine Selbstverständlichkeit. Es sind die Kritiker, denen diese Kosten ungut auffallen, und die sie genauso umstandslos, wie aus der Pistole geschossen für einen vermeidbaren Schaden erklären, so wie die Kritisierten die zugrundeliegende Leistung, die diesen Schaden rechtfertigt, für eine Errungenschaft (deren Fehlen in deren „System“ man den Kommunisten als Problem entgegenhalten kann: wie soll „es“ denn ohne Geld und Märkte gehen?)
Die seltsame Schiefheit, das wechselseitig Aneinander-vorbei-Kritisieren der beiden Parteien hat also seinen Grund darin, dass man (aus je eigner Sicht der jeweiligen Kritiker der andern Seite) auf eine kritikwürdige Folge verweisen kann, die sich aus dem Unterlassen des je eignen „Systemansatzes“ ergibt. Für die Linken gibt es kein zu lösendes Problem, denn es ist ja vorab schon per Definition durch die Art der Vergesellschaftung gelöst – der Widerspruch der an sich längst vergesellschafteten Arbeit und Produktion, und der unsinnigerweise künstlich ihr aufgenötigten Privatheit der Aneignung, wird gelöst, indem man das künstliche Element Eigentum entfernt, und die in den Produktivkräften selbst verkörperte Gesellschaftlichkeit dadurch freimacht und entfesselt: Wo könnte da noch ein Problem sein? Wenn aber da kein Problem ist, dann gibt es auch keine „kapitalistische“ Problemlösung; was dafür ausgegeben wird, gilt Kommunisten nicht als Errungenschaft, sondern als absurdes Hindernis.
Kommunismus gilt Kap.Befürwortern wiederum als bizarrer, komplett unverständlicher Einfall; für sie ist es eine Zumutung, sich dazu überhaupt stellen zu müssen.
Verrückt ist aber nicht nur das jeweils andere; verrückt ist ja auch die Anforderung, mit diesem andern in ein irgend geartetes Verhältnis treten zu sollen. Die gemeinsame Ausgangsposition der beiden Kontrahenten ist, sich in eine virtuelle Dialog-Situation mit quasi unbeteiligten Dritten zu begeben (wenn sie sich schon wechselseitig nicht als solche sehen können, mit denen man redet), die man für die je eigene Auffassung werben muss; es wird auf die Weise überhaupt eine Vergleichbarkeit der „Systeme“ hergestellt, die ihnen an sich garnicht zukommt, das heisst, schon das Vergleichen ist eigentlich ein Abrücken vom zu vergleichenden Inhalt. Dieser wird im Vergleich nämlich nicht als Zweck behandelt, sondern (so wie in den ersten Abschnitten dieser Untersuchung vorgeführt) als ein Mittel für einen ausser ihm gelegenen andern – etwa die Technikentwicklung, die Steigerung der Produktivkräfte. Während die Tatsache, dass man überhaupt „kritisiert“ und somit das Selbstzweckhafte zum Mittel herabstuft, das sich als solches an einem ausser ihm gelegenen Zweck bewähren muss – während also diese Tatsache sich der historischen „Verspätung“ der radikalen Linken verdankt, ist die Redefigur der Abtrennung und Abtrennbarkeit des Zwecks eher die Zutat der Liberalen: Für sie ist MODernität ein Späteres, nicht ursprünglich an ihrer Utopie einer (fast ausschliesslichen) Vergesellschaftung durch Handel zwischen Privat-Haushalten Haftendes und damit bereits Mit-Gegebenes; in den ersten beiden Rechtfertigungs-Versionen kommt MODernes auch garnicht prominent vor, da ist nur die Rede davon, dass Kap. freimacht von feudalen Zwängen, und dann, dass da jeder das Seine, der Tüchtige seinen Lohn, bekommt, und durch optimale (wenn auch ungleiche; gerade dann!) Güter-Allokation alle von der Mobilisierung dieser besonderen Tüchtigkeit eines jeden profitieren. Also hier kommt die spezifische Verspätung von MODernität gegenüber dem Aufkommen liberaler Vergesellschaftungsideen zur Wirkung.
Tatsächlich ist, wie noch zu zeigen sein wird, die Verbindung zwischen kommunistischer Kollektivität und MODerne enger, als es die Legitimationsfigur vermuten lässt, die Eigentumsfreiheit als taugliche(re)s Mittel zur Realisierung MODerner Projekte erscheinen lässt; in Wirklichkeit ist sie unentbehrlich (was auf undeutliche Art in Marx/Engelsschen Wendungen vom Hindern und Fördern des Produktivkraft-Fortschritts zum Ausdruck kommt); aber genau das ist wiederum jenen Linken nicht klar, die MODerne kulturell in vorMOdernen Formen angeeignet haben. Nur so aber wird überhaupt die ganze Kontroverse über Kap. oder eben Komm. als MITTEL einer MODernen Produktionsweise möglich.
Diese Stufe der Kontroverse zwischen liberalen Kap.Befürwortern und ihren radikallinken Kritikern ist in Gestalt der 3. und 4. letzt-verbliebenen unter den anfänglich 4 Legitimationsweisen für Kap. begegnet.
Es ging da um die Lösung der Aufgabe der Motivation zu und der Ermöglichung von beständigem technischen Fortschritt als (eigentlichem) Selbstzweck. (Hier war festzuhalten, dass da eine ganz bestimmte Vorstellung vorausgesetzt ist, wie dieser Fortschritt verlaufen soll und worin er besteht – nämlich eine tendenziell andre, als bei den linken Kritikern; auch das wird noch genauer zu erörtern sein. Die gewissermassen zeitlos- oder auch vor-MODern-klassische Variante des 3.Legitimationsmusters bezieht sich auf den Nutzen einer rechtsstaatlich beaufsichtigten Ungleichheit der Privateigentümer: Eigentum ist hier nicht Quelle des Lohns des Tüchtigen, sondern Allokationsmacht zur optimalen Ressourcennutzung zur Mehrung des allgemeinen Wohlstands durch Handel und Wahrnehmung vorhandener Produktionsoptionen. Konkurriert wird darum auch nicht mehr um angebliche Entlohnung individueller Leistung, sondern um die Lizenz zum Ausüben von „Verantwortung“ und Bestimmung über einen mehr oder weniger kleinen Ausschnitt der längst als Gemeinschaftsaufgabe verstandenen (erweiterten) Reproduktion. Konkurrenz herrscht hier insofern, als (so die ideale Konstruktion) Unfähigkeit mit Misserfolg und Verdrängung aus der Entscheidungsbefugnis (zT im Mass des Misserfolgs) sanktioniert ist. So die Rechtfertigung der Notwendigkeit von Klassen- und „Führungs“-Positionen. Kap. und Konkurrenz erscheinen hier (in der „klassischen“ Version) gerechtfertigt als „meritokratisches“ Elitenauswahl- und -austauschverfahren.
Das „Problem“, das die Konkurrenz gelöst hat, wird auch hier dem Kommunismus als ungelöstes bis unlösbares präsentiert: Wer bestimmt? wie werden die Bestimmer bestimmt? welches denkbare Wahl- und Überwachungsverfahren wäre so objektiv-unparteiisch und zugleich Fehler unmittelbar quasi-mechanisch, von selbst sanktionierend/korrigierend, wie der Markt?
Die „klassische“ Kritik an diesem Kap.begründenden Standpunkt ist: dass die Kehrseite der „Verantwortungs“-Ausübung Abhängigkeit und Auslieferung an die Zwecke der Verantwortungsträger darstellt; direkt, durch Besetzthalten von Positionen im Staatsapparat, indirekt mithilfe des Geltendmachens von „wirtschaftlichen“ Sachzwänge, von deren Beachtung das Wohl und Wehe der gesamten Gesellschaft, einschliesslich ihres Staates, abhängig gemacht wurden, können die „Eliten“ und Angehörigen der vermögenden Klassen der lohnabhängigen Restgesellschaft den Zweck des Erhalts und Ausbaus ihrer Klassenposition aufnötigen. In ihrer (lohn)abhängigen Position kann diese Restgesellschaft nicht anders, als sich diesen ihr aufgedrängten Zweck zueigenzumachen. Der Zweck kann jederzeit als Gemeinwohl-dienlich, also im Interesse aller liegend, behauptet werden; selbst die Klassenteilung zwischen Eliten und Abhängig-Beherrschten kann als objektiv notwendige und arbeitsteilige erscheinen – das Gefüge der Positionen unverrückbar, da objektiven Notwendigkeiten geschuldet; nur die Besetzung dieser Positionen ist variabel – und wird durch Konkurrenzerfolge am Markt, in Wahlen, und beim Werben um öffentliche Aufmerksamkeit entschieden.
Und GENAU diese Errungenschaft: dass diese im Sinne der Optimierung des Systems notwendige „soziale Differenzierung“ und die Güte der Auswahlverfahren und Besetzung der einschlägigen Positionen mit Geeigneten wunderbarerweise sich immer wieder neu herstellt, diese seine Stabilität und Selbst-Reproduktivität, wird dem „System“ von seinen Kritikern als abscheulicher Mangel, als notwendige Beschädigung des Interesses der grössten Zahl vorgehalten: „System“ (Kapital und Staat, Geschäft und Gewalt) bedeutet nichts als Herrschaft (der „Verantwortlichen“) – das, worauf sie abzielt, der resultierende Optimierungseffekt bzgl. Reproduktion und eventuell „Fortschritt“ ist erzwungen und nicht in der Verfügung der Beherrschten („Dienst an fremdem Reichtum“). – erneut ist die Errungenschaft der Einen genau das, was sich aus Sicht der Andern ganz von selbst einstellen würde, gäbe es kein Eigentum – es würde sich von selbst herstellen, oder besser, es bestünde von vornherein, da ja im Begriff des Kommunismus (als blossem WEGFALL des (hinderlichen) Eigentums) und der objektiv vorbestehenden Gesellschaftlichkeit der Reproduktionsweise schon enthalten. Genau das sehen die Kap.Befürworter als Problem, das in ihrem „System“ einzig „gelöst“ ist. Ohne die Herausforderung vonseiten einer eigentumsfreien Vergesellschaftungs-Konzeption würde sich der inner-bürgerliche „Aufstieg“ als Fortschritt über die unregulierte „schrankenlose“ Konkurrenz-Gesellschaft hinaus feiern – und DIESE für das einzig zu lösende und mit rechtsstaatlicher Beaufsichtigung, geld- und wirtschaftspolitischer Fundierung, Struktur-, sozial-, forschungs- und bildungspoltischer Rahmung auch tatsächlich immer erfolgreicher gelöste Problem erklären.
In ähnlicher Weise bereits waren die „erkämpften“ Lohnabhängigen-Rechte im Übergang von den wilden Anfängen des Kap. weg hin zu einer geregelten Teilnahme auch der Nichts-als-Arbeitskraft-Besitzer am Aufstiegskampf der „Tüchtigen“ zu feiernde Errungenschaften; und auch sie verfallen der radikallinken Kritik: Der Lohn der Tüchtigen (der alle zu besonderem Einsatz treibt) ist die Frucht der Ausbeutung, die weniger Glücklichen hingegen sind, bei gleichem Einsatz, gezwungen, den Status quo (die Bedingungen, unter denen sie überhaupt in die Konkurrenz eintreten bzw sich dauerhaft in ihr als Teilnehmer daran halten können, als ihrem einzigen kollektiven Besitzstand) in beständigem Klassenkampf gegen die Übergriffe der Ausbeuter und ihre (objektiv erzwungene) Tendenz, diese Ausbeutung zu verschärfen, zu verteidigen – ein (Klassen)Kampf auf verlorenem Posten; denn die Ware Arbeitskraft als Kost-Bestandteil wird ebenso gnadenlos dem Vergleich mit kostengünstigeren Produktionsalternativen unterzogen wie alle andern, die „Reservearmee“ der Ausgegliederten wächst und wächst, und übt Druck aus auf die Entlohnung derer, die noch gebraucht werden.
Die liberalen Lobredner der va. wirtschaftlichen Freiheit sehen die Einzel-„Anbieter“ sich auf die Nachfrager-Märkte verteilen, und dabei ihre „Talente“ und Einsatzbereitschaften (entsprechend dem zu erwartenden Erlös) „optimal“ verteilen; die Befürworter der Eigentums-Freiheit hingegen halten alle Beteiligte längst schon durch technische Beziehungen vergesellschaftet, und durch die Eigentumsschranken an der Optimierung dieses ihres Verbunds hinsichtlich Effizienz und Lebens- und Arbeitsfreude gehindert.
Das spezifisch MODerne kommt speziell in diesen beiden Fällen eher nachträglich als spezielle Variante des jeweiligen liberalen bzw linken Denkmusters herein:
(1) „Freiheit“ wird dann gedeutet als „Entfesselung von Kreativität“ in den MODernen Wertsphären (Forschung, technische Entwicklung und Erfindung, produktive Produktion und Entwurf von Fortschrittspfaden aus ihr heraus). Die einen sehen die dazu gehörende freie Entfaltung („allseitige Entwicklung der Persönlichkeit“, naja; war ja gut gemeint, irgendwie) behindert durch Eigentumsschranken, die andern durch die vorab alle Individual-Initiative erstickende Zwangsgewalt des Kollektivs.
(2) Die einen sehen den arbeitsteiligen „Verbund“ und die „Vergesellschaftung“ allererst hergestellt durch die Freiheit der individuellen Betätigung; die andern hingegen sehen den technisch, „objektiv“ bereits vermittelt bestehenden Verbund als behindert durchs Eigentum, und bei dessen Wegfall erst die ihm dem Verbund Angehörenden dazu befreit, aus diesem ihrem Verbund etwas zu machen; die Privatinitiative hingegen durch die Eigentumsschranken stört und zerstört gerade die arbeitsteilige Verbundenheit, aus dieser Sicht. Spezifisch MODern ist hier das Bewusstsein, die notwendig dauerhaft (auf Lebenszeit: Biographie, Lebensentwurf im Rahmen der mit andern geteilten Lebensform als Thema!) Experten- oder Spezialtätigkeit der Einzelnen mit der aller andern sinnvoll zu vermitteln; es ist das Hauptanwendungsfeld jeglicher „Ökonomie“, die Mechanismen für dieses sinnvolle Aufeinander-Beziehen der Einzeltätigkeiten erfinden will – einmal, damit es überhaupt gelingt (so die Marktwirtschaftler), zum andern, um den diversen experten in ihrer Tätigkeit eine erfüllte Existenz zu verschaffen: so seinerzeit die utopischen Sozialisten, und so alle später hinzukommenden, soweit sie sich zu diesem Thema (überhaupt, noch) äussern.) .
((Zur Erinerung:
(3) Technischen Fortschritt als Selbstzweck zu ermöglichen oder behindern, war Gegenstand der MODernen Version der 3.Version der Kontroverse;
(4) die globale Extrem-Arbeitsteilung überhaupt zu ermöglichen oder nicht, der 4.))
Das durchgehend gemeinsame Muster von Kritik und Gegenkritik, das ich hier an den (überhaupt nur) möglichen Fällen seiner Anwendung herausarbeiten wollte, lässt sich somit so charakterisieren:
1. Auf den ersten Blick handelt es sich – auf je verschiedenen Stufen – um ein Verhältnis der Legitimation einer bestehenden Praxis, und der radikalen Kritik daran. Im Zentrum stehen dabei jeweils unerwünschte Aspekte dessen, was die kritisierte Praxis zu ihren fundamentalen und zentralen Werten und Zielsetzungen erklärt; aus der Warte der Legitimaton sind diese unerwünschten Nebenfolgen entweder marginal, vorübergehend, oder aber als durchaus zu kompensierende inkaufzunehmen; aus Sicht der Kritiker hingegen sind sie DER Mangel, der durch „Abschaffung“ bzw. Unterlassung der Orientierung an den von den Gegnern legitimierten Werten und Zielen bzw der daraus resultierenden Praxis beseitigt werden.
2. Die Rollen von Kritikern und Apologeten verteilen sich aufgrund der historischen Abfolge asymmetrisch, Linke sind von Haus aus Kritiker und Herausforderer einer bestehenden Wirtschafts-Ordnung, Liberale hingegen legitimieren ein bestehendes (auch im Ursprung schon mussten sie legitimieren – damals konkurrierte IHRE aufgeklärt-natur-rechtliche Legitimation mit einer andern solchen, der theologischen Begründung der Ständegesellschaft).
Umgekehrt ist in neueren Zeiten die Bewährung an den Anforderungen der MODernisierung von Produktion und Arbeitsteilung als Masstab in einem „System-Vergleich“ eher von liberaler Seite eingebracht worden, das Verhältnis der Linken zur MODernität ist weniger „äusserlich“, als es ein solcher Vergleich unterstellt, wo die Unterstützung des genuin MODernen Weltverhältnisses als Zweck gewählt, und dazu das „passende“ System, als Mittel, gesucht werden kann.
Erst durch diese beiden kombinierten Schritte, dass an die andern eine Forderung gerichtet werden kann, die von ihnen befürwortete Praxis bzw deren Befürwortung zu unterlassen, und dies mit (dadurch für vermeidbar erklärten) „Schäden“ begründet werden kann – erst dadurch überhaupt können die beteiligten Vergesellschaftungs-Konzepte aufeinander bezogen werden, und in einen Schein-Dialog miteinander eintreten.
3. Dabei unterstellen die linken Kritiker eine bereits vorab in der liberal legitimierten Praxis bestehende Vergesellschaftung, die von einer (dafür hinderlichen und zugleich entbehrlichen) System-FORM (nämlich eben der liberal-legitimierten des Privateigentums) befreit werden kann und muss, um die benannten Mängel zu beseitigen, und um bis dahin unterdrückte oder behinderte Potentiale der bereits dort bestehenden Vergesellschaftung freizusetzen. Die so angegriffenen legitimierenden Standpunkte hingegen machen keine solche Unterstellung, im Gegenteil: die liberale Legitimation besteht wesentlich darin, dass – ohne die legitimierten Massnahmen (Orientierungen, Institutionen usw) Gesellschaftlichkeit, Kooperation, Koordination als nicht oder nicht in diesem Umfang bestehend, nicht mit diesem Ausmass an Arbeitsteilung vereinbar oder aber einzig durch (zB feudale) Gewalt und Zwang gestalt- und aufherrschbar erscheint.
Das ist die eigentliche und grundlegende Differenz.
4. Legitimation wie Kritik arbeiten sich durch eine Reihe von 4 Versionen ihrer selbst hindurch, in denen Schritt um Schritt die eigentliche Kontroverse einige ihrer ursprünglichen Themenfelder und Schwerpunktsetzungen verliert; das ist zurückzuführen auf einen gewissen historischen Klärungsprozess, der sich im legitimatorisch-liberalen Lager selbst abspielt, und worin Schritt für Schritt durchaus auch Kritik vonseiten der radikalen Kritiker übernommen und Konsequenzen daraus gezogen werden. Der letzte noch vertretene legitimatorische Standpunkt (der 4. „Kap. als einzig mögliche Vermittlungsform von (globaler) extrem-komplexer Arbeitsteilung und damit vereinbarem Fortschritt“) ist daher der genuin sozialdemokratische, worin die bis dahin für inkaufzunehmend erklärten Mängel als kompensations- bzw. durch Prävention minimierungs-bedürftig, in jedem Fall als schwere Beeinträchtigungen anerkannt sind. (Die historischen Formen (Neoliberalismus, Liberalismus, Laissez-faire, politisch beaufsichtigte Modernisierung usw), in denen die andern Standpunkte (3. 2. 1.) vorkamen, könnten angegeben und im Detail erörtert werden, da aber dabei jeweils weitere politische bzw. Weltverhältnis-Kategorien in Betracht zu ziehen sind, muss diese Überlegung aufgeschoben werden.)
5. Die Kontroverse bekommt nicht zuletzt durch diese historisch vollzogene liberale Selbstkritik (nicht nur die MODerne und die Industrialisierung wird quasi verspätet ins liberale Denken hereingenommen, da es eben schon älter ist; sondern auch die politischen Reifungsschritte des Liberalismus selbst kommen erst nach und nach) sekundär den Charakter einer von Anfang zwischen den streitenden Parteien (vor je zu gewinnenden, noch unentschiedenen Adressaten) ausgetragenen „Systemkonkurrenz“ mit gemeinsamen (aus der konvergierenden Kritik an „erledigten“ Frühformen kapitalistischer Vergesellschaftung) anerkannten Leistungsparametern, an denen sich „die Systeme“ oder Wirtschafts- und Vergesellschaftungsprinzipien jeweils bewähren sollen.
Spätestens die auf diese (sekundäre) Weise hergestellte Schein-Vergleichbarkeit („Kommensurablität“) der Systemkonzepte verdeckt für die Kontrahenten die grundlegende Asymmetrie ihrer Ziele und Werte, über die dann erheblich schwerer, wenn überhaupt, zu „streiten“ wäre. Tatsächlich ist die Kontroverse unlösbar; die „Probleme“, auf die die jeweils andere Seite keine Antwort hat, erscheinen als solche oder eben keine vor allem aufgrund der an die „anthropologisch“ fundierte Kapitalismus-Legitimation von radikallinks herangetragene Behauptung, quasi-kommunistische Vergesellschatfung sei bereits durch die Struktur der industrialisierten und seither immer weiter MODernisierten Produktivkräfte und den erreichten Grad der realen Arbeitsteilung vorhanden (und spätestens jetzt gewissermassen eine historich entstandene, nicht mehr rückgängig zu machende neue quasi-anthropologische Existenz-Bedingung MODerner Gesellschaften, die garkeine Wahlfreiheit im Sinne des Systemwettstreits zulässt.)
Wohingegen die Kontrovers-Positionen bzw Gegen-Kritiken der Kap.Befürworter sekundär ihre mehr oder weniger ausdifferenzierten Ideen dessen veranschaulichen, worin (sekundäre, immer wieder erst herzustellende) Vergesellschaftung besteht, und worin darum die Errungenschaften ihres Vergesellschaftungskonzepts (ganz allgemein; und speziell unter MODernen Vorgaben) bestehen, die das von den Kritikern befürwortete „System“ erst einmal zu erbringen hätte. Umgekehrt erscheinen ihnen im Vergleich dazu die unerwünschten Nebenwirkungen ihrer eigenen Vergesellschaftung vergleichsweise harmlos, nicht dauerhaft, und spätestens durch politisch ergänzend hinzutretende Massnahmen beherrschbar.
6. In dieser Kontroverse gibt es gemeinsame Gegner, die „reaktionären“ (autoritären, Ancien-Regime“-, ständegesellschaftlich-feudalen- und faschistischen) Konzepte, gegen die beide streitenden Parteien sich wenden; und einen weiteren, einen dritten virtuellen Dialogpartner, der erst in letzter Zeit sich bemerkbar macht und in für alle Beteiligte verwirrender Weise Differenzen sowohl als auch Überschneidungen mit beiden Parteien aufweist: das libertäre Denken, das in Europa bislang nie stark verankert war und sehr schnell vom Anarchismus und Sozialismus überwuchert wurde. In Amerika war diese Tradition hingegen viel präsenter, und hat durchaus mächtige Einflüsse auf die politische Nationalkultur und das Selbstverständnis undMmentalitäten grosser Teile der US-Bürger ausgeübt; die heutige Radikalisierung und Distanzierung dieser Richtung vom politischen Betrieb der Gesellschaft, in der sie so wirkmächtig verankert war, ebenso auch die Tatsache, dass sie verspätet nun in der „alten“ Welt unerwartet starken Anklang findet, bedarf einer eigenen Erklärung. ((Zu Beginn der Karriere sozialistischer Ideen waren libertäre Konzepte noch im Rennen, und begegnen bei Marx und Engels als Form „kleinbürgerlicher Einstellungen“.))
Das ehedem so ausschliesslich mit linker Radikalität gleichgesetzte marxistisch-leninistische Dogmensystem ist heute weltweit stark in der Defensive, die weiterhin sich behauptenden radikal-linken Standpunkte sind davon nicht tangiert, auch wenn ihre derzeitige Marginalität seither um so deutlicher zutage tritt. Was im öffentlichen Diskurs derzeit als links bezeichnet wird, ist nichts als genuine Sozialdemokratie; für die allerdings eine zweite Hochphase zu erwarten ist, wenn sie endgültig den heute herrschenden Neoliberalismus abgelöst haben wird; wonach sie freilich ähnlich verbraucht und erledigt sein wird wie dieser, der Staatssozialismus, der Faschismus, und die diversen Formen „bürgerlich“-autoritär-elitärer Modernisierungsdiktaturen.
Insofern die radikale Linke mit ihren Kategorien die anschliessende Debatte geformt hat, und die Positionen ihrer Gegner überformen, wenn nicht entstellen musste, um überhaupt den Dialog zu beginnen, muss ihr Standpunkt jetzt genauer analysiert werden, um das Ganze der Kontroverse zu begreifen.
2.Untersuchung: Die Haupt-Entwicklungsstufen des radikal linken Denkens und ihr Aufbau
Es geht im folgenden um die Frage: Ob, und wenn, wie man die einzelnen Momente der doch recht ausführlichen und kategorial entfalteten Marxschen Theorie des Übergangs in einen eigentumsfreien Zustand, nach dem Fragwürdigwerden einzelner (aber nicht unbedingt aller) der Marxschen „Besetzungen“ für die einzelnen Rollen, neu bestimmen könnte – angefangen bei der Frage, von welcher Art eigentlich die materielle Dynamik ist, die der Kap. hervorbringt – oder welche Dynamik ihn geradezu ausmacht – und ob bzw. wenn, wodurch er in seinem Verlauf (womöglich sogar „durch sich selbst“) behindert, modifiziert, oder gar zum Scheitern gebracht wird.
Was mir vorschwebt, wäre also, die Kategorien der Marxschen Theorie-„Matrix“ als Leitfaden für eine Systematik der seither sich daran anlehnenden, teils auch kritisch davon absetzenden radikallinken Standpunkte zu nehmen. Die meisten Radikallinken wollen an sich nicht mehr, als diesen ihren Standpunkt auf den Begriff bringen, und ihn als den eigentlichen gegen andre (als verrückten Abweichungen davon) behaupten. Mit diesen andern möchten sie sich nicht allzusehr beschäftigen, schon garnicht unter dem Gesichtspunkt, worin man mehr als nur oberflächlich und offensichtlich, nämlich im gemeinsamen Ziel der Eigentumsfreiheit, übereinstimmen könnte. Die meisten haben genug damit zu tun, ihre eigene Theorie zu sichten; sie achten nicht auf das kategoriale „Formular“ (oder die „Matrix“), in das sie IHRE Version einer möglichen Belegung eintragen – sie achten nicht auf das System der Abwandlungsmöglichkeiten (der Kategorien) und seine Grenzen – da, wo es in etwas andres übergeht.
Und schon gar nicht achten sie auf das Gesamt-Gefüge der möglichen Standpunkt-Arten (und „Formularen“ oder „Matrizen“), also das, was ich „Mentalitäten“ nenne, ihr Ineinandergeschachteltsein, und die Motive für Übergänge (etwa zum eigenen Standpunkt – wie man selbst darauf gekommen ist).
(Vgl. https://marx-forum.de/Forum/blog/index.php?entry/234-denkblockaden-iv-autoritäres-und-moralisches-vermitteln-bzw-legitimieren-als-bas
hier vor allem die Punkte 2′ und 3′.)
Also wie sieht das „Formular“, die Matrix, das Schema, Muster, Modell einer „Theorie“ des Übergangs in den eigentumsfreien Zustand aus – mit der derzeit ersten und einzig derart vollständigen, insofern paradigmatischen solchen, der von Marx, als (abänderbarem) Leitfaden ?
Welchen Platz in diesem Muster nimmt, etwa, die Ökonomie ein? Oder, im weiteren Sinne, die Theorie des Kapitalismus (oder „der Modernisierung“ überhaupt; oder noch allgemeiner, des historischen Wandels, „der Geschichte“); denn die ist in der gesamten „Theorie des Übergangs“ ja nur ein Teil, und man kann sich eben fragen: was für einer. – Ein vorläufiger Name oder Titel für jede solche Übergangstheorie enthält für gewöhnlich den Begriff KRITIK (ob sie Kritik DES Kapitalismus… oder mehr ist… ist nicht geklärt).
Ich ziehe einmal folgende Definition für „Kritik“ heran, wonach sie ist…
…der Nachweis der Notwendigkeit (oder hohen Wahrscheinlichkeit) von Schäden (aktuell, auf Dauer) als Folge einer Praxis (Handlungsweise), oder des Regelsystems, das durch sie befolgt wird – Schäden, die bei Unterlassung dieser Praxis und/oder ihrer Ersetzung durch eine bestimmte andre zuverlässig unterbleiben würden. Dazu gehört auch noch derNachweis, dass eine solche Unterlassung und/oder ersetzende Praxis/Regelsystem nicht, oder nur mit sehr geringer Wahrscheinlichkeit, mit vergleichbar grossen Schäden wie die kritisierte Praxis verbunden sind.
Man muss demnach für eine Kritik in diesem Sinne
1. Schäden für irgendwelche Betroffene kennen; die diese irgendwann auch als solche (an)erkennen (können);
2. den Kausalzusammenhang zwischen kritisierter Praxis und Schäden nachweisen (wobei andre als die Geschädigten, oder aber diese zt mit, oder sogar ganz und ausschliesslich Urheber des Schadens sein können);
3. zeigen, dass die Schäden ohne die Praxis signifikant abnehmen und/oder unterbleiben;
4. zeigen, dass das Unterlassen der Praxis oder Ersetzen durch eine bestimmte Alternative keine neuen und andre Schäden ähnlicher Grössenordnung (oder gar schlimmere) hervorruft.
Eine Eigenart der Marxschen Übergangstheorie ist bekanntlich, dass sie nicht nur beansprucht, in diesem Sinne Kritik einer Praxis (nämlich der sog. kap. Produktionsweise) zu sein; sondern darüber hinaus auch Hypothesen formuliert hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass die kritisierte Praxis zugunsten einer andern aufgegeben werden wird, und von welcher Personengruppe zu erwarten ist, dass sie diesen Übergang vollziehen wird.
Dabei ist nicht unterstellt, dass diese Leute die Kritik kennen werden, oder kennen (und sich zueigen gemacht haben) müssen, um die Prognose zu erfüllen. Das unterstellt, dass an der „Umsetzung“ der Kritik Akteure beteiligt sein können, die andere Gründe (zumindest weniger ausgefeilte) als die Kritiker für ihr Tun haben.
Diese wichtige Differenz zwischen dem, was der Kritik-Bestandteil der Theorie zu tun für vernünftig und (für die Betroffenen) ratsam erklärt, und dem, welches Handeln relevanter Gruppen und speziell welche Beweggründe bei ihnen angesichts realer Voraussetzungen zu erwarten ist, ist ein wichtiges Merkmal solcher Übergangstheorien wie denen von Marx.
Im Rahmen von radikallinken Übergangstheorien, die sich als Präzisierung und/oder Weiterentwicklung, dh um wichtige Bestandteile ergänzte Deutungen und Teil-Übernahmen der Marxschen Theorie verstanden, gibt es über diese beiden Bestandteile (Kritik und Prognose/Hypothese) in je charakteristischer Weise hinausgehende weitere Hypothese-Formen, die zu der hypothetischen Prognose bzgl der erwartbar den Übergang vollziehenden Gruppe (des „revolutionären Subjekts“) hinzutreten, nämlich Aussagen, Forderung und Erwartungen bezüglich der Frage, wie sich diese Gruppe zum oder im prognostizierten Verlauf des „Systems“ stellen wird, soll, kann:
a) Da sind zunächst auf das polit-ökonomische System des Kapitalismus bezogene Hypothesen über dessen immanente Instabilität, „zunehmende“ Krisenhaftigkeit, auto-destruktive und Zusammenbruchs-Tendenz; spezielle Versionen dieser Hypothesen sind solche, die das Destruktive abhängig machen von einer im Sinne kapitalistischer Fernziele „erfolgreichen“ Verlaufsform kapitalistischen Wirtschaftens – „je erfolgreicher, desto gefährdeter“; dann solche Versionen, die einfach ein Anwachsen negativer System-Folgen behaupten, die dem System von Anfang an einbeschrieben sind (die also auch nicht Erfolge im Sinne von System-Befürwortern darstellen); schliesslich Versionen, die dem System selbst im besten Falle ein Scheitern an bestimmten, sich von aussen stellenden Herausforderungen und Aufgaben bescheinigen – wobei mit zunehmend erfoilgreichem Verlauf genau diese – in der spezifisch kapitalistischen Entwicklungsdynamik begründete – Unfähigkeit offensichtlich wird.
Anm. Dieser Theoriebestandteil tritt logisch unabhängig neben die andern beiden, kann aber auch im Verbund mit ihnen vorgetragen werden:
Im ersten Fall wird behauptet, dass die notwendige Schädlichkeit, und die starke Motivation, mit und ohne Kenntnis der „wissenschaftlichen“ Argumente dafür zu revoltieren, AUCH NOCH durch eine wachsende Instabilität (was u.U. gleichgesetzt wird mit: Schwächung) der Verhältnisse deren „Überwindern“ entgegenkommt; im zweiten Fall kann behauptet werden, dass die zunehmende Instabilität das starke Motiv für eine solche Überwindung liefert, die der Kritik entspricht, aber ohne Kenntnis der Kritik als Bedingung vorauszusetzen. Schliesslich kann die implizite Instabiltät und „Unhaltbarkeit“ der kap. Verhältnisse sogar zentraler Kritik-Inhalt werden, der sich eben genau wie prognostiziert, im weiteren Verlauf immer bedrängender fühlbar macht, und einen Übergang im Sinne der Kritik zunehmend nahelegt.
b) Beim nächsten Typ Hypothese wird den in a) aufgestellten Hypothesen unmittelbar und hart widersprochen und das Gegenteil behauptet: Spätestens das kombinierte System aus bürgerlichem Staat und kap.Ökonomie reproduziert sich (die beiden Teil-Strukturen reproduzieren sich mithilfe der jeweils andern, und liefern einander immer wieder ihre Eingangsvoraussetungen) – der Staat kann, in einer alternativen, aber grundsätzlich gleich gebauten Betrachtungsweise in diesem System seine Rolle als „blosses“ Moment auch verlieren und genau jene unantastbare Selbstreproduktivität aufweisen, die laut Marxscher Ökonomie eigentlich bereits das Kapital selbst auszeichnen soll (eine weitere, nämlich ursprünglichere Variante der Hypothesen vom b-Typ). Diese drei Strukturen – Kapital; oder Kapital im Verbund mit Staat; oder der Staat selbst – weisen keinerlei ihnen immanente Tendenz zur Selbst-Aufhebung auf, der Übergang findet statt als „freier“ und nirgendwoher in äusserlichen Verhältnissen (die sich ja nicht ändern) begründeter Entschluss, sich aufzulehnen – und sich nicht länger, wie bis dahin, sich als Moment des sich selbst reproduzierenden Systems behandeln zu lassen (was man zuvor geradezu WOLLTE). Objektiv war dieser Entschluss immer angebracht; gegen die Staatsgewalt zu revoltieren und sich den auferlegten Zwang zum Eigentum nicht mehr gefallen zu lassen, lag immer schon im Interesse der grössten Zahl, nämlich der Lohnabhängigen; jedoch müssen sie dieses ihr Interesse erkennen und ihm gemäss handeln wollen.
c) Dieselbe Denkbewegung vollzieht sich mit den Kategorien eines dritten Hypothesentyps, worin die „Struktur“ Kapital oder Staat+Kapital oder Staat in ein Verhältnis zur „Gesellschaft“ tritt, die diese Struktur trägt und unterhält, und mit ihrer Hilfe sich reproduziert; das Verhältnis wird (analog zu dem in b) beschrieben zunächst als eine Formung der Gesellschaft durch das sie vergesellschaftende System, dann aber auch als wechselseitige Beeinflussung, schliesslich als „gesellschaftlicher“ GestaltungsWille, der das System sich gemäss macht und formt.
Anders als „das System“, das ja nur starr „seine“ Anforderungen (so wie konstruiert) der Gesellschaft als Herausforderung an ihre Anpassungsbereitschaft, und/oder ihren Gestaltungswillen präsentieren kann, ist die Gesellschaft imstand, ihre Gestaltungskraft auf sich selbst zu richten, und zu lernen, sich ihrer selbst bewusst zu werden und ihr bis dahin durch die System-Voraussetzungen bedingtes (daran fraglos gebundenes) Tun und System-Gestalten von dieser Bedingtheit loszureissen, sich Systemalternativen vor-zustellen und schliesslich auch aus Einsicht (in die Kritikwürdigkeit des Systems) eine, nein DIE bessere und beste Alternative zu wählen.
Während in b) der Übergang gewissermassen nur erwartet wird (die „Forderbarkeit“ nämlich Vollzug der Kritik spielt eine untergeordnete Rolle), wird er in c) gewissermassen nur gefordert (angesichts der Tatsache, dass ohne Entschluss nie etwas zu erwarten ist); in d) hingegen ist zu erwarten dass der Forderung, die Verhältnisse der Kritik entsprechend zu ändern, stattgegeben wird – wenn auch verzögert, durch einen Prozess der überhaupt Mündigwerdung auf gesellschaftlicher Stufenleiter, bei dem das Geforderte immer grössere Chancen bekommt, beherzigt zu werden. So die Erwartung.
Als Gemeinsamkeit der „Hypothesentypen“ a b c kann festgehalten werden. dass sie sich den Übergang in einen gesellschaftsweit eigentumsfreien Zustand SYNCHRON stattfindend vorstellen – synchronisiert von aussen durch die Krise; oder von quasi innen heraus, dadurch, dass eine hinreichend grosse Anzahl Entschlossener zusammengekommen ist; oder eben durch den synchron absolvierten Prozess der Gesellschaft in Richtung Bewusstwerdung.
Und etwas zweites ist damit gleich mitgedacht: die im Übergang aufgegebene Vergesellschaftung (durch Kapital, Staat, zivilgesellschaftlich bewusstlos akzeptierte Diskurse und dergl) lässt die synchronisiert Übergehenden nicht etwa auseinanderfallen; vielmehr bleibt Vergesellschaftung als solche in diesem synchronisierten Übergang ganz selbstverständlich erhalten.
Auf diese Voraussetzungen und die Gründe für ihre Plausibilität wird noch zurückzukommen sein.
Aber es gibt mehr Bemerkenswertes festzustellen an dieser Entwicklungsreihe möglicher „Besetzungen“ von kategorialen Positionen einer radikallinken Übergangstheorie.
Zunächst ist zu sehen, dass die betreffenden Theorien eine zeitliche Abfolge darstellen – sie waren nicht alle von Anfang an zugleich da, sondern sie folgen aufeinander. Das KÖNNTE ein erster Hinweis darauf, sein, dass auch am Gegenstand der Kritik sich im Zeitablauf etwas geändert hat, dem die Kritikstufen Rechnung tragen.
Aber obwohl die Anfänge der je nächst-hinzukommenden Theorieversion deutlich anknüpfen an die in der Vorgängerversion als massgeblich benannten Entitäten, verwandeln sich diese letzteren im Zuge der Theorie-Entwicklung aus „Trägern“ des neu Hinzukommenden in „mit diesem Zusammen- und Wechselwirkende“ und von da aus ihrerseits durch das neu Hinzugekommene Konstituierte – die Rollen von Konstituierendem und Konstituiertem werden also getauscht. Aber nicht nur das. Sondern: Die vormals Konstituierenden Entitäten rücken wieder aus dem Focus der „späteren“ Theorien; es ist nicht so, dass die Entwicklung eine Anreicherung der Theorie mit erfassten Inhalten wäre, die nun in einer immer komplexeren Erklärung ihren Platz finden. Sondern das je in der „Kritik“ benannte Hauptverantwortliche in der Kritik tritt an die Stelle des vormaligen – die Theorien schliessen einander nicht ein, sondern widersprechen einander am Ende.
Anm. Es gibt in dieser Abfolge von Kontroversen ein mehrfach sich wiederholendes Phänomen, dass nämlich die Vertreter des (aus Sicht der später Kommenden) URSPRÜNGLICH Konstituierenden und nachträglich für konstituiert Erklärten dies zugleich als das eigentlich reale, ursächliche und eben alles Erklärende beschwören – als den eigentlich „materiellen“ und unverfügbaren Gehalt, den sie als „Materialisten“ beachten, wohingegen die andern idealistisch und ideologisch unterwegs sind und sich Optionen und Entscheidungsfreiheiten einbilden, wo (aus Sicht der früheren Theorie) keine sind. Dazu gibt es ein Gegenstück aufseiten der je nachfolgenden Theoriestufe: Die Früheren (nämlich: die Frühsozialisten, aus Sicht der (Traditions)Marxisten; diese aus Sicht der MG/GSPler und verwandter; diese aus Sicht von Diskurs-Theoretikern und ähnlichen Standpunkten) haben demnach die entscheidend modifizierende Rolle der je von den später Gekommenen behandelten gesellschaftlichen Entität: Klasse(nkampf) – Staat – (Zivil)Gesellschaft für das von den Früheren je unterstellte materielle Fundament übersehen. Die Teilnehmer solch uferloser Debatten finden eigenartigerweise nie zu einer differenzierteren (aber das hiesse eben: nicht mehr einfachen) Darstellung des Aufbaus der resultierenden „Verhältnisse“ aus ihren jeweils bereits oder noch nicht, oder erst schwach ausgeprägten „Momenten“ – denn auch das wird (vor allem von den beiden zuletzt gekommenen Theorietypen, die eben vor allem die Stabilität von Geschäft und Gewalt bzw die Unverfügbarkeit der „Diskurse“ der Gesellschaft betonen) gern vergessen: dass es sich um den historisch sich entwickelnden Aufbau einer epochalen Produktionsweise handelt, wo früh entfaltete einfachere und zugleich anfälligere Formen in späteren, reflektierteren enthalten sind. ICH würde hinzufügen, dass dies eben Ausdruck des Dazu-Lernens der oder wichtiger Teile der „system-konform“ handelnden Akteure ist; wohingegen bei den stark hegelianisch („dialektisch“) ansetzenden linken Theorien dies Lernen einzig das „objektive“ Sich-Entfalten, Sich-Herstellen und -Herausbilden von über-individuellen, eben „gesellschaftlichen“ Entitäten nachvollzieht (oder auch vollzieht: die Herausbildung „vollzieht sich durch“ die Vollzüge der Einzelnen „hindurch“, die aber hinter dem daraus sich bildenden Ganzen immer (zunächst) zurückbleiben.)
Tatsächlich ist dieses Wieder-den-Anschluss-Verlieren (nämlich: Verlieren des Anschlusses an die vorgängig bereits betrachteten Kategorien) unmittelbare Konsequenz der angesprochenen Umkehr der Konstitutions-Beziehung, die auf jeder der besprochenen Stufen zu beobachten war: Das zuletzt nur noch Konstituierte verwandelt sich von der Basis in blossen Überbau oder allgemeine Randbedingung, blosse Voraussetzung des historischen Wandels – das letztlich Konstituierende aber ist Basis, und das Konstituierende in der Erklärung ist zugleich das – wie und wodurch auch immer – zu Überwindende in der Praxis, das WIRKLICHE und Wirksame, die kritikwürdigen Folgen Bewirkende.
In dieser Denk-Bewegung steckt ein ausser-theoretisches Motiv, nämlich das der Vereinfachung: Etwas, EINES (zugespitzt in der hegelianischen Terminologie von MG/GSP: DER Begriff), muss DAS Verantwortliche sein. Wie, wenn es seine Wirkung entfaltet nur im komplizierten Wechselspiel mit ALL dem andern bereits Thematisierten?
All die Fragen, warum gibt es die Klassengesellschaft, warum den Staat, werden auf den höheren und höchsten Stufen wieder vergessen, oder eben grundlegend ANDERS beantwortet.
Das heisst auch, die Erklärungen der autonomen Entstehung dieser vormals „Hauptverantwortlichen“, die Erklärungen, was bei dieser Entstehung und vor allem, dem Bestehenbleiben, der Rolle der betreffenden Entität im Rahmen des Ganzen, mitgespielt haben könnte und uU immer noch mitspielt, mit-wirkt, werden vergessen.
Das Ganze ist also IMMER, und so immer wieder aufs neue, bestimmt durch ein einfach zu Durchschauendes, etwas, das auch die Kritikmomente, die sich AUFS GANZE beziehen, stark reduziert: Auf EINEN Modus des Übergangs; EIN zu Überwindendes, EINE entscheidende Problemstellung unter denen, die nach dem Übergang anzugehen wäre.
Sodass nicht nur die Vergesellschaftung ungebrochen weitergeht, auch wenn das Band, das „die Gesellschaft“ (oder auch: die Produktivkräfte) bis dahin zwar fesselte, aber auch zusammenhielt, zerschnitten ist. Sondern auch: der Fortschritt, die Wissenschaft, die Produktion auf deren Basis schaffen sich auch weiterhin „ihre“, aber neue Organisationsformen (statt wie bisher Klassen), und diese wiederum „ihre“ neuen Konsensfindungsformen (statt den Staat), und diese wiederum passende und obendrein „richtige“ Bildungsgrundlagen (statt die bisherigen Diskurse und Normen) aufseiten der sich so Organisierenden, der frei assoziierten Produzenten.
In diesem Denkmuster erscheint, über das zunächst angeführte Motiv der Vereinfachung,hinaus, das viel wichtigere zweite Motiv des radikallinken Denkens: Die je als relevant benannten „gesellschaftlichen“ und Vergesellschaftung begründenden Gebilde ERHALTEN SICH SELBST; und sie tun das, indem SIE in die Köpfe der vergesellschafteten Individuen hinein und durch sie hindurch auf deren Handeln und so auf sich selbst zurückwirken. Die Individuen wiederum, nach dem bekannten Marx-Wort, wissen (begreifen) nicht, was sie da tun – aber sie tun es.
Für diese höchst interessante Relation haben die diversen Theorien eine Reihe von Beschreibungen entwickelt, etwa diese (die Numerierung ist analog zu den im Einleitungstext bereits besprochenen Stufen der kap.Legitimation bzw Kritik daran):
1. die bezahlten Ideologen, Meinungsagenturen und Funktionsträger des Systems sind bestochen (profitieren unmittelbar, haben ein klares Klasseninteresse etc).
2. der Wille und die ursprünglichen Einschätzungen der Betroffenen sind unerheblich, sie werden schlichtweg durch die jeweils massgeblichen Verhältnisse (Herrschaft, Klasse, Staat/Empire, Diskurs) gezwungen sowohl sich systemgemäss zu verhalten („Charaktermasken“, „sie wissen es nicht, aber sie tun es“), und auch, sich dementsprechende „ideologische“ und „notwendig falsche Bewusstseins“-Inhalte zurechtzulegen.
3. die Betroffenen sind verführt, von Instanzen aktiv getäuscht, und/oder selbstgefällig, kurzsichtig, aber eben auch verführbar, belügen sich selbst, „wollen“ aus den Verhältnissen (in die sie ohne eignes Zutun hineingeworfen sind) ein Mittel für sich machen und interpretieren sie unter diesem Gesichtspunkt usw.
4. die Betroffenen durchschauen, begreifen den Wirkmechanismus nicht; sie irren sich in der Beurteilung und Bewertung der Folgen für ihre Existenz und Interessen;
Anm. Ganz ähnlich, wie ich es im einleitenden Text für die Kap.Befürworter behauptet hatte, scheint es mir auch hier zuzugehen: Es gibt eine Stufenfolge (der sich die oben angegebenen Prognose- und Analyse-Inhalte c(4), b(3), a(2) zuordnen lassen) von Standpunkten, wobei entlang der angegebenen Reihe von Punkten 1-4 die je darüber stehenden Punkte mit-vertreten werden, und dann sukzessive aufgegeben:
mit 1 wird auch (wenn auch als weniger wichtig, seltener, schwächer ausgeprägt) 2-4 behauptet;
mit 2 (…) 3+4;
mit 3 (…) 4.
Ende Anm.
Es ist wichtig, sich an dieser Stelle klarzumachen, dass behauptet wird, die Einstellungen 1-4 seien Systemprodukt – so, aber auch nur so, kann ja damit einhergehend behauptet werden, das System erhalte SICH DURCH SICH SELBST; diese These kann nur aufrechterhalten werden, wenn sie einhergeht mit einer Aussage über massenhafte Passivität und deren Grund:
1.Eigennutz weniger, aber massgeblicher Personen (Eigentümer) (dem der grosse Rest der Bevölkerung unorganisiert wehrlos ausgeliefert ist);
2.Zwang durch Einbindung in einen/den Verband, dem jeder jeweils angehört (zB Klasse usw), mit andauernden Auseinandersetzungen, worin der eine Verband vorübergehend die Oberhand hat;
3.(kurzsichtig bestimmtes) Interesse (durch die eigne Stellung bedingtes, davon abhängig gemachtes Bewerten, Zwecksetzen, Urteilen);
4.kognitives Defizit (Fehl-Beurteilung, mangelnde Aufmerksamkeit ua).
Es verwundert dann nicht, dass die Zukunfts-Orientierungen (wie man hier allgemeiner, statt „Prognosen“, sagen muss) jeweils unterschiedliche sind:
– im Fall 1 (incl. unmassgeblichen Anteilen von 2 3 4 ) wird die grosse arbeitende Mehrheit aufgefordert, sich unmittelbar der Herrschaft der Eigentümer-Minderheit zu entledigen, so wie sie es bereits zuvor mit den Aristokraten des Ancien Regimes getan hatte, und die Gewalt der Ausbeuter und Unterdrücker mit revolutionärer Gegengewalt zu brechen;
– mit der Sichtweise 2 (und fakultativ 3 und 4) einher geht Prognose a oben: das System selbst ist es, das seinen eigenen Totengräber erzeugt (ob er will oder nicht? – nein! er WIRD wollen, er MUSS!!! bei Strafe des Untergangs; nein, er WIRD, denn das System wird ihn spätestens DANN klassenbewusst gemacht, zum anstehenden kollektiv-kooperativen Denken und Handeln zurechtdiszipliniert sowie auch hinreichend (aus)gebildet haben usw);
– mit der Sichtweise 3 (ergänzt um 4) vereinbar ist einzig die Forderung, sich von allen Bedingtheiten wenigstens theoretisch einmal ganz frei zu machen, und, davon absehend, „sich zu besinnen“ auf das eigene UNBEDINGTE Interesse, und genau darum sich mit allen andern seinesgleichen (also irgendwie eigentlich ALLEN) von den kapitalistischen Beschränkungen „freizumachen“;
– mit der Sichtweise 4 vereinbar ist, von immer mehr und schliesslich allen für irgendwann zu erwarten, dass sie der Forderung entsprechen, ihre Fehlurteile zu korrigieren bzw Übersehenes endlich in den Blick zu nehmen.
Man könnte über diese unerwartete Viel(genauer: Vier)Zahl der Einstellungen der radikalen Linken zu den (erwünschten, vorhergesagten) Zukunfts-Orientierungen ihrer Adressaten allerhand Betrachtungen anstellen; ich möchte das aber zunächst zurückstellen, und unmittelbar nach der Stellung der Kritiker zu diesen Bevölkerungs-Mehrheiten fragen, zu denen und zugleich über die die radikallinken Kritiker sprechen:
Sie sind die Entschlossensten, sie malen sich und den andern die zukünftige Kollektiv-Organisation bereits aus, entwerfen und planen sie, und den Aufstand…
Oder: Sie sind die Kenner der Prognose-Grundlagen, die bewusstesten Glieder der Bewegung, sie wissen die Zeitpunkte für Abwarten und Zuschlagen, also wann die Zeit reif ist; und: sie kennen die Grundsätze der Verwaltung des gemeinsamen Produktiveigentums – im Interesse aller; sie kennen den Weg in die, naja, lichte Zukunft des Kommunismus…
Oder: Sie haben sich besonnen, sie wollten sich die Verhältnisse nicht mehr gefallen lassen, haben sich von allen Bedingtheiten und unguten Loyalitäten freigemacht; sie haben keine Zweifel, dass man sich einigen kann und wird…
Oder: Sie haben System und Diskurs längst durchschaut; sie verfügen über die kritischen Einsichten, die die andern sich erst noch erarbeiten müssen, müssten – mit ihrer Hilfe…
Die Frage: Warum sie, und die andern (die Leute, die Massen – die immerhin potentielle Angehörige einer zukünftigen freien Produzenten-Assoziation sein sollen, oder deren Vorbereiter) nicht? stellen sie nicht.
SIE mussten nicht erst aufgefordert werden; SIE hat niemand beraten und geführt; SIE hatten kein Vorbild und wurden nicht agitiert; sie sind von selbst auf alles gekommen, niemand hat ihnen die Kritik beigebracht.
Die Frage hat aber sehr viel zu tun mit der Übergangs-PROGNOSE, die sie stellen (wenn und soweit sie es tun; im weiteren Sinn: mit der Zukunfts-.Orientierung, die sie empfehlen und selber als Einstellung aufweisen) – und das auf dem Hintergrund ihrer KRITIK (die ja im Zentrum ihrer Überzeugungen steht – und den Grund abgibt zumindest für die Bewertung dessen, was erwartbar ist (die Revolution; sie ist im Interesse der Leute, die sie machen werden), wenn nicht dessen, wozu sie auffordern (macht es, denn es ist in euerm Interesse, Leute!) – wie kamen SIE denn dazu? oder wer genau, wenn nicht sie? Wars Marx? Brauchte es ihn?)
Und da ist noch etwas; in der 1.Untersuchung war davon die Rede: „Die Verhältnisse“ sind nicht einfach unkommentiert da, mit Gewalt und dem Recht des Stärkeren behauptet. Sondern sie werden beschrieben von ihren Befürwortern, es wird für sie geworben, die Befürwortung wird begründet – und ganz gewiss nicht mit der Idee, dass die einen leiderleider das Geld haben, und die andern haben nichts; oder damit, dass die einen arbeiten müssen, und die andern müssen nicht, dürfen aber, und das so lang, so oft, und vor allem was immer sie wollen.usw
Also hat es die Kritik, und indirekt auch das jeweilige Übergangs-Szenario, mit der Überzeugungskraft der bereits in der Einleitung besprochenen Kapitalismus-Legitimationen zu tun.
Deren Rolle als Hindernis oder Widerpart nimmt durch die Reihe der radikallinken Theorie-, Kritik- und Übergangs-Versionen bzw- -Visionen immer mehr zu. Denn… schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Vierzahl der Typen von Kapitalismus-Rechtfertigungen ihr Gegenstück hat in einer entsprechenden Vierzahl von kategorial verwandten radikallinken Erwiderungen.
Ich möchte zur Erleichterung des Nachvollzugs meiner Rekonstruktionen diese vier Typen (oder eigentlich Stufen) linksradikaler Kritik identifizieren mit den historischen Bewegungen bzw. Doktrinen, von/in denen sie vorgetragen wurden bzw noch immer werden:
1.Diese (noch) relativ einfache Auffassung ist die der Frühsozialisten und Anarchisten; an ihr ist wenig „Theoretisches“, was die Analyse des BESTEHENDEN angeht (zumindest der gesellschaftlichen Verhältnisse, die sich – angemessene Information vorausgesetzt – von selbst erklären; wenn es hier Theorie gibt, dann ist es hauptsächlich psychologische Reflexion über die Hindernisse für Revolution in der Einzelpsyche), umso theoretischer sind sie in der Konstruktion dessen, was sein SOLL, der Utopie;
2. (vgl. oben a) Gegen die Banalisierung des Klassenverhältnisses zu einer REIN quasi-kolonialen Unterdrückung (auch Überlistung, Täuschung, Manipulation dafür einsetzbare Mittel), die ebenso rein militärisch begründet wie auch, per Aufstand, zu beenden ist, wendet sich die Sichtweise der (Traditions)Marxisten/“Engelsisten“, Leninisten usw wonach es sich bei Klassenteilung und Klassenkampf um ein historisches Durchgangsstadium (Produktionsverhältnis) handelt, das ÖKONOMISCHEN Notwendigkeiten gehorcht, nämlich denen einer funktionell-arbeitsteiligen Gesellschafts-Organisation, die die so organisierte Gesellschaft dazu befähigt, die „Produktivkräfte“ soweit zu entwickeln, dass weiterer Fortschritt den (eventuell zwei-phasigen) Übergang in einen eigentumsfreien Zustand erzwingt, aber auch ermöglicht;
3.(vgl. oben b) alle radikallinken, vorneweg die der früheren MG, heute gsp, und andere, die die ökonomische Kern-Struktur „(nationales) Kapital“ ergänzt sehen durch weitere (Staat, Weltmarkt, Imperium), teils sie flankierend-unterstützende, teils sogar allererst konstituierende, wodurch alles zusammen sich zum kapitalistischen SYSTEM (der Ausbeutung) fügt, dem – anders als in 3. – die Disposition zu andauernder Reproduktion und Stabilität zugesprochen wird;
4. (vgl. oben c) die Vertreter radikallinker Diskurs- und Zivilgesellschaftstheorien.
((Es gibt Phasen in der Theorie-Entwicklung, in denen die Verhältnisse zwischen den Theorie-Ebenen in Betracht gezogen werden, etwa zwischen Kapital und Staat, System und Diskurs – mit der häufigen Konsequenz einer „Umkehr der Konstitutionsbeziehungen“. Auch von „unten“ her wird die je nächst-höhere Stufe, als eine „Oberflächen“-Formation und Derivat von Ereignissen auf der eigentlich massgeblichen Ebene gedeutet: politische Ereignisse als Klassenkampf-Äusserung; nationalistische und andre Ideologien als Ausdruck des durch die eigene Stellung im System und des darin wurzelnden „Interesses“ „interessierten Denkens“ (und notwendig falschen Bewusstseins); für die 1.Ebene lässt sich Vergleichbares entdecken in Gestalt einer „Klassenanalyse“, die sich vor allem an technischen Funktionen, also Berufsgruppen und Quasi-„Ständen“, orientiert).
Nun kann man fragen, was diese Stufen bzw. die jeweiligen „Tetraden“ von radikallinker Kritik einerseits und liberaler Kap.Legitimation andererseits verbindet.
Meine Hypothese dazu ist: es sind DEUTLICH voneinander abgesetzte „existenzielle“ Planungs-Horizonte und -Prinzipien, von denen die weiterreichenden die weniger weit reichenden als in sie eingebettete und abgeleitete mit-enthalten (erneut folgt die Numerierung der ersten Vier-Punkte-Liste in der Einleitung):
1. bezogen auf die momentane LEBENSEINRICHTUNG, LEBENSFÜHRUNG (Probleme damit; von den eignen Ideale und Wünschen erzwungen-abweichende Versionen davon), oder auch auf je vor einem liegende Lebensabschnitte, -Episoden, -Situationen bezogen;
2. bezogen auf den LEBENSENTWURF (Biographie) im Rahmen einer erwartbar für diese Zeit gültigen oder für durch eigne Anstrengung (mit) erreichbar gehaltenen gesellschaftlichen LEBENSFORM;
3. bezogen auf Biographien Einzelner zeitlich überspannende Projekte (mit einem je erreichten (Erfahrungs- und Vollendungs-)Stand, mit zu jedem Zeitpunkt unbestimmt vielen, die dies Projekt teilen); in meinem Theoriejargon nenne ich solch ein Projekt eine INDIVIDUALITÄT. (Die ist für unbestimmt viele Träger, die sie sich zueigen machen können, weil dafür interessierbar, rekrutierbar, agitierbar), formuliert; tatsächlich befürwortet werden kann sie aber von ganz wenigen oder, im schlimmsten Fall, einer einzigen Person.)
4. die für alle Zeiten (also überhistorisch) befürworteten Prinzipien des Ableitens oder Umgestaltens solcher Projekte wie unter 3. im Angesicht einer übergreifenden (also nicht nur auf ein bestimmtes Projekt bezogenen) Gesamt -Erfahrung; ich nenne einen solchen Begründungs- oder Erschliessungsmodus eine MENTALITÄT.
Von 1 nach 4 werden somit die Fristen, für die und auf die hin geplant wird, immer länger.
(Dabei sollte man nicht den Hinweis vergessen der Anm. oben: meist ist auf den Stufen 1-3 etwas auf den oder für je noch darüberliegenden Ebenen Gedachtes vorausgesetzt, das garnicht hinsichtlich seiner Konsequenzen für die Reflexionen auf der „massgeblichen“ Ebene überprüft wird. Genau dieses Versäumnis wird den älteren von den nachkommend-jüngeren vorgehalten, freilich nur, um ab da dasselbe Versäumnis von „oben“ her zu wiederholen, nämlich die Ausprägungen auf den „tieferen“ Ebenen für unmassgeblich und vernachlässigbar zu erklären, zu blossen „Voraussetzungen“, die, einmal bestehend und „eingerichtet“, keine Dynamik mehr aufweisen, und sich nicht mehr entscheidend ändern werden.)
Es ist naheliegend, dieses Faktum des Längerwerdens der Fristen, hinsichtlich deren theoretisch reflektiert wird, als Ausdruck anzusehen einer entsprechenden historischen Entwicklung von theoretischen Standpunkten, vor allem auch aufseiten kapitalistischer Vergesellschaftungskonzepte, sowie auch als Ausdruck einer zunehmenden Ausreifung der auf die jeweils charakteristische (der Ebenen-„Frist“ entsprechenden) Weise begründeten PRAXIS-Formen, also Umsetzung des kap.Konzepts im jeweils noch legitim erscheinenden (Zeit)Rahmen – motiviert durch mit der Zeit sich anhäufende historische Erfahrung der Entscheider und Gestalter solcher Praxis, aber auch derjenigen, die theoretisch diese Entwicklung nachvollzogen und dabei, entlang der angegebenen Entwicklungsreihe, ursprünglich sich eher als andre anbietende Legitimationsversionen mittlerweile aufgegeben haben, und zu den je verbliebenen griffen; was im Nachvollzug solcher Argumente ihren Adressaten einleuchtete, soweit sie den betreffenden historischen Erfahrungshorizont teilten.
Die radikallinke Bewegung würde demgemäss, wahrscheinlich mit einer gewissen Zeitverzögerung, denn sie beginnt historisch später und setzt in bestimmten Hinsichten fortgeschrittene Verhältnisse voraus, sich sukzessive dieselben Zeithorizonte erschliessen, und jedesmal erneut, im Rahmen desselben Zeithorizonts, sich der je verbliebenen und fest etablierten Kapitalismus-Legitimation (und vor allem der damit legitimierten, modifizierten Kapitalismus-Praxis) gegenüber- und entgegenstellen.
Aber sie hat es ja nicht nur mit diesem Gegner zu tun; sondern vom historisch je letzt-erschlossenen Zeithorizont aus gibt es einen utopisch-unbestimmten Übergriff auf das neubetretene Themenfeld:
So fanden Marx und Engels nicht nur liberale Rechtfertigungen der bestehenden Klassenteilung (Lohn der Tüchtigen; zu ihrer Zeit war beinah schon endgültig diskreditiert: Freiheit) vor, sondern auch die Utopien der Frühsozialisten; die unterstellten eine Freiheit der Gestaltbarkeit der mit modernen Mitteln zu reproduzierenen gesellschaftlichen Lebensform (des „Produktionsverhältnisses“), die allgegenwärtige Sachzwänge der Arbeitsteilung zu ignorieren schien, denen aus Sicht von Marx/Engels frühen Arbeiten die kapitalistische Eigentümer- und Markt-Organisation VORÜBERGEHEND eher gerecht wurde; so wie es dann eines Nach-Reifungsprozesses der Klasse des Proletariats in der Phase seiner Industrie-Tätigkeit bedurfte, um es erst zum Übergang, dann zur Gestaltung des eigentumsfreien Zustands zu befähigen.
So lautete die Arbeitshypothese. Marx versuchte, sie durch seine ökonomische Theorie zu konkretisieren bzw zu beweisen; in den Grundrissen sind die Spuren dieser Bemühung noch deutlich sichtbar, den Reifungsprozess mit ökonomischen Entwicklungen zu verbinden: der „abstrakte“ Jobber, mit den Sekundärtugenden des überall schnell anlernbaren Industrie-Arbeiters, personifiziert demnach die Überwindung des relativen Monopols der individuellen Qualifikation und letzter Illusionen bezüglich einer in individuellen Besonderheiten (erworbenen wie naturwüchsig vorhandenen) fundierten Eigentümer-Rolle der „Besitzer von Arbeitskraft“. Später trennten sich die Wege von Marx und Engels in diesem Punkt: Während Marx quasi auf die frühsozialistische Ausgangsposition regredierte mit seiner vagen Erwartung, der Reifungsprozess sei assoziiert mit einer (im Zuge der parallel laufenden Entwicklung der Produktivkräfte erforderlichen) Höherqualifizierung der Lohnabhängigen als Berufstätige, sah Engels (und mit ihm, nachfolgend, die gesamte ML-Bewegung) die Eignung des Industrie-Proletariats für sozialistsiche Verhältnisse vor allem in der Ausbildung extremer Selbst-Disziplinierung und Opfer-Bereitschaft – Arbeit würde ihm zum ersten Lebensbedürfnis werden, war da noch lang nicht gemeint im Marxschen Sinne von: durch die Art der Produktionseinrichtung so interessant, so erfüllend; vielmehr würde dieses Produzentenheer sich zum willigen Instrument seiner unbestimmt wohin fortschreitenden Funktion als Partner der immerzu wachsenden Produktivkräfte machen.
Anm. Der mutmassliche Übergang, den Marx da weg von Engels und der „marxistischen“ Traditionslinie gemacht hat, wird gleich noch zu besprechen sein.
Die sozialistische Utopie, der jenseits biographischer Grenzen angesiedelte (dh die Utopie ist definiert im Zeitrahmen Nr.3) Kommunismus, drückt denn auch vor allem aus, wovon man sich historisch loszumachen allen Anlass hatte: der Staat würde verschwinden, und die politische Planung so durchsichtig, dass eine Köchin (dh jeder und jede) sie würde, stellvertretend für alle, umsetzen können.
Bis dahin aber steht (arbeiter)staatliche Verwaltung des wegen Produktivkraft-Defiziten unreifen Vergesellschaftungszustands an; dabei hat nicht nur in den Analysen der bestehenden Verhältnisse, in der Bestimmung des revolutionären Subjekts, sondern auch in der Zeit nach dem Übergang jede „Klasse“ ein gespenstisches politisches Double in Gestalt einer sie vertretenden PARTEI, derart dass die auf der staatlich-parlamentarischen „Oberfläche“ sich abspielenden Dramen blosse Schatten der realen Klassenkämpfe, Klassen-Verhältnisse, -Bündnisse und -Antagonismen darstellen, die diese vor dem Hintergrund der aktuell erreichten Produktivkraft-Entwicklung, als der „eigentlich massgeblichen“ Lichtquelle, werfen – solange, bis in diesem Schattenspiel nur noch „die Klasse der Werktätigen“ und ihre Partei als einzige übrigbleiben – gegen wen auch immer sie sich mit ihrer „Diktatur“ (aka Gewaltmonopol) behaupten; das Wort ist Ausdruck der programmatischen Verlegenheit, die staatliche Verfasstheit des Übergangs-Zustands gestalten zu sollen (bzw. zu müssen, nachdem „die Macht“ IM STAAT einmal erobert war), andererseits ja gerade mit der Erwartung (Prognose, Versprechen an sich selbst, Glaube) zu leben, die Notwendigkeit einer solchen Sondersphäre des Politischen durch die „Basis“-Entwicklungen in nicht allzu ferner Zukunft, auf den „lichten Höhen des Kommunismus“, immer mehr loswerden zu können, zusammen mit den „Muttermalen“, die dem Übergangszustand von der vorrevolutionären Phase her anhaften.
Ich denke, dass die so entfaltete dreigliedrige hierarchische Kategorien-Struktur ab da jeweils um eine Stufe nach „oben“ in der Zeithorizont-Reihe verrutscht. (Ich glaube, dass sie sich sogar auf der vorausgehenden Stufe der Frühsozialisten findet, stelle das aber noch zurück.) Dabei wiederholt sich auf höheren Stufen das, was die Marx/Engels-Rezipienten und späteren Leninisten an dem vorfindlichen Material sowohl der utopischen und Frühsozialisten als auch der sich im selben Horizont bewegenden pro-kapitalistischen Legitimation („Ideologie“) durchexerzierten, insofern wurde dieser „Marxismus“ mit seiner kategorialen „Matrix“ erstmal (denk)stil-bildend für die nachfolgenden Umbildungen. (Das war Ausgangspunkt der Fragestellung oben, im Eingang dieses Textes).
Man könnte nun zunächst betrachten, welche Verhältnisse jeder der drei Standpunkte, ML, MG, Mx (als Sigel für den namenlosen dritten) zu dem je „kürzer-befristeten“ Vorgänger-Standpunkt und dessen Zentralkategorie, zur ihm analogen Kap.Legitimation, und dann zum ganzen Rest der Standpunkte (unter ihm) einnimmt; aber das interessanteste ist, was mit der je nächst-höher stehenden, und eben nur in ihrer bürgerlichen Form ausgeprägten Kategorie passiert:
bei ML ist das: der Staat;
bei MG ist es: die Zivilgesellschaft;
bei Mx: das Vermitteln durch „Kritisieren“.
In allen drei Fällen wiederholt sich dabei eine eigenartige Denk-Figur:
Diese Figur umschliesst je drei Kategorien-Ebenen:
Die je unterste, die zunächst „konstituierende“ (ML:Produktivkräfte; MG: kap.Prod.verhältnis; Mx: kap.Staat- und Weltsystem) , bringt durch IHRE historische Entwicklung den Ausgangspunkt der überhaupt in Betracht gezogenen Dynamik ins Spiel; sie ist als fertig ausgebildete Voraussetzung zu nehmen, die nur noch erwähnt wird, um ab da als bleibend und von sich aus unverändert (uU auch „unverändert sich im bekannten Sinn fortentwickelnd, anpassend“) unterstellt zu sein. Und zugleich ist eine Grenze markiert, jenseits deren der Erkläranspruch stark abgeschwächt ist, man will ja kein Geschichtstheoretiker oder gar -philosoph sein, als Revolutionär.
Die mittlere Ebene ist die, auf die sich die Analysen richten: ML Ökonomie incl. Konkurrenz und „Klassenkampf“ (dominierend, aber im Verbund mit sich weiterentwickelnder Technologie und Produktions-Ausdehnung); MG: das Staatshandeln, speziell auch der Imperialismus (dominierend, aber im Verbund mit dieser Ökonomie und ihren Schicksalen); Mx: die sich zuspitzende Krise und das angesichts dessen bleierne Beharrungsvermögen DER Gesellschaft (dominierend, aber im Verbund mit den politischen Entwicklungen im imp.Weltsystem)).
Und dann gibt es noch die dritte Ebene: ML: der Staat; MG: die Gesellschaft; Mx: die Kritik und kritische Einsicht (typische Titel kombinieren gerne alliterierend: Kritik und Krise).
Auf dieser Ebene begegnet, als VORHANDENES, nur abgeleitetes, Uneigentliches, Überbau – etwas, das in der Analyse pflichtgemäss miterwähnt werden muss, weil das Publikum sich dadurch vom Eigentlichen, Wirksamen, der wichtigen Analyse-Ebene ablenken lässt, ja womöglich, höchst idealistisch, mit seinen Idealen auf die Wirklichkeit losgeht und sie daran misst, also kritisiert; diese (bürgerliche9 Kritik ist vorab in Bausch und Bogen erledigt, weil sie ja die Konstituionsbeziehung nicht durchschaut: Materialistisch ist vielmehr, die Masstäbe der Kritik als nicht objektiv, sondern blosse Derivate: Ideologien (Mx), Nationalismus (MG), politischer Ausdruck des Klassenkampfs (ML) zu erkennen.
Diese durch die herrschenden Diskurse (Mx), idealistisch-interessiertes Urteilen also notwendig-falsches Bewusstsein (MG) sowie die Borniertheit des Klasseninteresses (ML) DETERMINIERTEN Denk-, Begründungs/Rechtfertigungs- und daraus folgende Praxis-Dispositionen bestimmen auch das gesamte kognitive Material, auf das die betreffenden drei Ausprägungen des radikallinken Denkens auf der Ebene ihres eigentlichen Analysierens treffen: einzig ausgenommen sind einige aufrechte heroisch-unbestechlich objektive Denker der Vergangenheit, die man der Vorgeschichte der EIGENEN Theorie zurechnen darf (die frühen Ökonomen und Sozialisten; der „letzte brauchbare Philosoph“ Hegel; Nietzsche und/oder die „rationellen“ Anteile der bisherigen radikallinken Tradition (die man als deren später und reifer Nachkömmling beerbt).
Über die tatsächlichen Fehlansätze der legitimatorischen Theorien wird dabei in letzter Instanz, so aufgebläht auch das Material an „Ideologie-Kritik“ (und vergleichbarem) sein mag, wenig abschliessend Urteilendes oder Fundiertes vorgebracht, stattdessen mündet jeder partielle Fehlernachweis in den vorab feststehenden Befund zurück, und dient ihm als weiterer Beleg: Die ganze Richtung ist verkehrt; diese Theorien dienen einem STANDPUNKT (wohlgemerkt: sie dienen ihm, und nicht: sie begründen ihn, oder versuchen es, und scheitern dabei; die Kategorie des FEHLERS wird in auffälliger Weise vermieden oder immerzu hintergangen, der Fehler ist nicht einfach ein Fehler, Irrtum, sondern irgendwie GEMACHT, determiniert, durch etwas Ausser-Kognitives).
Von dieser Deutung her hat man sich den Zugang gründlich verbaut zu den Grundlagen der Kontroverse mit den andern, indem man die fundamentalen Thesen, die da gegeneinanderstehen, expoliziert hätte – also auch die eignen; aber genau zu diesen eignen Fundamenten möchte man dann auch wieder nicht hinabsteigen, die sind nun mal der feste Boden, auf dem man steht und wurzelt; wie könnte man sich analytisch darüber erheben, das Selbstverständliche von irgendwo aussen betrachten? Es geschieht nicht. Oder eben… erst hier; wenn dies Fundament schon wieder verlassen ist. Es ist anders nicht möglich; und darum den radikalen Linken hier auch nicht vorzuwerfen, der Tatbestand (der erheblich detaillierter ausgeführt werden müsste) war nur anzusprechen.
Es ist nun bezeichnend, dass die legitimatorisch-bürgerlichen Konzepte, die auf und von der dritten Ebene handeln, grundsätzlich als vage, wüste und unmittelbar durchschaubare Ideologie-Produkte, vor allem irgendwie Derivate der allenfalls (aber auch nicht zu sehr, vgl. das im letzten Abs Gesagte) kritik- und destruktionswürdigen legitimatorischen – oder auch legitimierten – Gebilde auf der Stufe darunter dargestellt werden; spätestens auf dieser Ebene existiert kein ernstzunehmender Gegner:
– der Staat, der einem entgegentritt, ist NUR Werkzeug im Dienst der eigentlich herrschenden Klassen
– die Gesellschaft von „Nationalisten“ ist nur passive Rohmasse für die Projekte, für die „der Staat“ (oder das Imperium) sie sich zurechtformt und gemäss macht;
– das authentische erscheinende Wünschen, Fühlen, die Bedürfnisse der Menschen sind nichts als Ausdruck und Produkt der herrschenden, sich ihnen alternativlos aufdrängenden Diskurse und ideologischen Denkmuster.
Sodass gilt:
… der Staat der Werktätigen ist allererst (moderner, demokratischer) Staat im eigentlichen Sinn, ein Staat aller für alle durch alle;
…die Gesellschaft derer, die rational sich auf ihr authentisch eigenes Interesse besonnen und genau darum die Übereinstimmung dieses Interesses mit dem aller andern entdecken konnten, ist allererst als Gesellschaft handlungsfähig und „Subjekt“, eben im Sinne dieses genuin von jedem als seines begriffenen gemeinschaftlichen Interesses;
…Verständigung und Vermittlung, Kritik haben erst jetzt ihren Grund in dem, was allen gemeinsame Grundlage allen Sich-Verstehens und Einverständnis-Erzielens ist: in den selben, alle als Person verbindenden emotionalen Dispositionen (an die in Konflikt-Situationen appelliert werden kann) und Grundsätzen rationalen Entscheidens (auf die in Argumentationen zurückgegriffen, und die immer wieder zur Erledigung von Streitfragen herangezogen werden können).
Es sind die utopischen Versprechen der ideologisch verdorbenen Vorstufen, die hier, nicht ideal und ideell, sondern real und materiell, eingelöst werden; der durch einen Schatten seiner selbst, eine Art Platzhalter, ein Zerrbild vertretene Gehalt der Ideale wird erstmals überhaupt Wirklichkeit. (Das heisst, der bürgerliche Scheinstaat, der Schein-Konsens der bürgerlichen Zivilgesellschaft, der innergesellschaftliche Schein-Dialog auf diesen Grundlagen stellt an sich garnichts dar, das ERSETZT wird, sondern öffnet eine Leerstelle, ein Desiderat (eben einen Wunsch) die allererst ge- und erfüllt werden: durch einen RICHTIGEN Staat, Konsens, rationale Debatte, die „ihrem Begriff entsprechen“ und die Bezeichnung verdient haben.
Das alles wird ermöglicht, oder besser herbeigeführt durch Wegschaffung eines entscheidenden Hindernisses, das auf genau einer Ebene TIEFER angesiedelt ist, als die wirklich gewordene Utopie: die Klassenteilung; der Staat; die irrationalen Eigentümer-, Konkurrenz-, Moral- usw. Diskurse, die die Gesellschaft im Griff haben.
An dieser Stelle fällt auf: Das eigenartige Blass-Bleiben des Vorstadiums der jeweiligen Utopie – also:
des bürgerlichen Staats in der ML-Analyse;
der bürgerlichen Gesellschaft der „nationalistisch“ ihren Staat als Mittel sehen „wollenden“ in der der MG;
der ihrerseits so grundlosen Bejahung ihrer wechselseitigen, insofern gesellschaftlichen Ausschliessung durch die Eigentümer;
– sie hat ein Gegenstück in der ebenso konturlosen Besprechung des weiteren Schicksals der vor dem Übergang so wirkmächtigen Gebilde auf dieser Stufe:
der Arbeitsteilung in Gestalt von Klassen im ML; der gesellschatflichen Willensbildung in der MG; der selbstverständlichen Inhalte, über die in einer eigentumsfrei sich organisierenden Gesellschaft Konsens herrschen müsste, in Mx.
Angesichts dieser gekoppelten Ausfälle gibt es nur eine Schlussfolgerung:
Das „utopische“ Instrument, dessen Potential durch die mehr oder weniger revolutionäre Übergangs-, nämlich „Abschaffungs-Operation“ entbunden wird, nämlich: der sozialistische Staat (der in der Zeit vor der Machteroberung nur Partei war), die Gesellschaft der selbstbewusst gewordenen Kommunisten; die rationale, nicht-mehr bedingte Kritik – es wird die durch die Abschaffung entstandene Leerstelle bzw das Gebilde, das sich dort fand: die Klassenstruktur, die Nationalisten-Gesellschaft, die Willen-zum-Eigentum-Einstellungen, durch ein vollständig von ihm geformtes Pendant ersetzen: eine staatlich angeleitete und geplante Arbeitsteilung; eine durch Rückbesinnung auf die Tatsache ihrer gemeinschaftlichen Stellung zur Reproduktion, und den diese Stellung repräsentierenden Normen-Katalog, immer wieder zur Konflikt-Bereinigung bereite (Zivil)Gesellschaft; eine durch rationelles Hin- und Her-Argumentieren immer wieder sich wechselseitig erfolgreich zur Übereinstimmung ihrer Prinzipien bringende Gesellschaft.
Und genau die utopische Hoffnung auf die Wirkmacht dieser eigentlich „dann“, nach dem Übergang erst wahrhaft in Existenz gesetzten Vergesellschaftungs-Ideale, eines Staates, einer Gesellschaft, einer Verständigung, die diesen Namen allererst verdienen (oder „ihrem“ Begriff allererst entsprechen) – genau diese idealisierende Hoffnung, dieser GLAUBE an eine unbestimmte Optimalität von Kollektivität auf dieser Stufe VERBIETET es zugleich, sich im Vorgriff von dem ein Bild zu machen, was diese Ideal-Instanzen (sozialistischer Staat (siegreiche Partei), kommunistische Gesellschaft, rationelle Verständigung) erst zuwegebringen werden und vor allem, WIE: an Arbeitsorganisation, Konsens- und Willensbildung, Prinzipien-Wahl: Die Hoffnung auf das unbestimmte DASS, irgendwie, „dann“, muss genügen.
Aber das heisst nichts andres, als dass die „Konstitutionsbeziehung“ ein weiteres Mal umgekehrt wird: Das erste Mal geschah es in der Kritik: in der Analyse und Benennung der Ursache dessen, was am Kap. zu beklagen (und an der betreffenden Legitimation zu widerlegen) war: der Klassenkampf, der Staat, die Diskurse waren da zuletzt nicht mehr Derivate, und blosse Epiphänomene eines eigentlichen, materiellen und sie „tragenden“ und formenden Substrats, sondern die substanziell verantwortlichen Gebilde, an denen sich, wenn überhaupt eine, die historische Bewegung abspielte. Und jetzt gibt es auf einmal die Möglichkeit, sich dieser eigentlichen Ebene zu entziehen, durch Aufstieg in eine noch höhere, wo, wie es scheint, die Luft wieder frei wird, und Raum für Gestaltung und das „Machen“ der Geschichte besteht: im Staat, gesellschaftlichen Konsens, Verständigungsprozess, die endlich ihrem Begriff entsprechen. Und keine der materiellen Trägerstrukturen, unter denen, die bis dahin je zur Sprache kamen: Technik; oder die, und die Arbeits- und Produktionsorganisation; oder diese beiden, und die „gesellschaftliche“ Willensbildung; oder diese drei, und die Prinzipien des Planens, Lernens und Forschens – nichts davon wird diesem Geschichte-Machen aus eigener Macht noch Schranken setzen.
Und genau von dieser höheren, nämlich IHRER Warte aus haben die Vertreter der jeweiligen radikallinken Standpunkte die Verhältnisse von Anfang an immer schon beschrieben und interpretiert: Von daher ihre Analysen gefertigt, ihre Kritik formuliert, ihre Konsequenzen gezogen, ihre Prognosen erstellt. Von Anfang an waren sie Angehörige (und eben speziell in der ML-Version, Führungselite) dieses ganz andern Gemeinwesens (in das dann, speziell ML-mässig, jeder „klassenbewusste Arbeiter“, sich feindselig zum „Klassenfeind“ Stellende eingebürgert wurde), des sozialistischen Staats der Werktätigen; oder Glieder einer konkurrenz- und eigentumsfrei orientierten Zivilgesellschaft, deren Normen in ihrer Binnengruppe Inhalt eines selbstverständlichen, garnicht mehr diskussionswürdigen Konsens war, dessen Übernahme gegenüber Aussenstehenden mit massivstem Moralismus (zumindest, was die „Aufmerksamkeit“ auf den eignen Stoff anging) eingefordert werden muss; oder, sie waren längst im Besitz einer Menge höherer Einsichten, die sie in Gestalt allgegenwärtiger kritischer Attacken auf „Fehler“ Andersdenkender dachten aus jeder Ausgangssituatioon heraus vermitteln zu können.
Die allen drei Versionen gemeinsame Denkfigur lautet somit: Ein Widerspruch nach Art des von Marx festgehaltenen zwischen „gesellschaftlichem Produzieren“ (also: Vergesellschaftetsein auf der Ebene der Arbeitsteilung und Arbeits-Organisation, dh im Zeithorizont der „Lebensform“, als Vereinigung aller Lebensentwürfe) und „privater Aneignung“ (Marx‘ Formel für die „bürgerliche“ Lösung derselben Vergesellschaftungsaufgabe, in diesem Zeithorizont) wird durch die mehr oder weniger ideal-utopische „eigentliche“ Vergesellschaftung im nächst-höheren Zeitrahmen (hier, im ML-Staatssozialismus: eine stabil die Interessen der grössten Zahl Beteiligter hinlänglich befriedigenden, mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattete Planungsinstanz) aufgelöst. Analog: Der Widerspruch zwischen dem „an sich gleichen“ Interesse aller an den Errungenschaften einer modernen Industrie-Gesellschaft unter eigener Mitarbeit daran Beteiligter, und ihrer zwangsweise unterschiedlichen Interessiertheit qua bürgerlich-staatlich erzwungener Verteilung auf Eigentümer-Positionen mit anschliessender Notwendigkeit, sich mit dem zugewiesenen Mittel in der Konkurrenz am Markt zu behaupten; der Widerspruch wird gelöst, indem die Gleich-Interessiertheit manifest wird in der Herausbildung eines verbreiteten Selbstbewusstseins, das da lautet: Die Fortschritte der gegebnen Produktionsweise sind an ihre Gesellschaftlichkeit gebunden; der Entschluss, die Errungenschaften zu geniessen, ist gleichbedeutend damit, sich den Anforderungen der dafür nötigen Produktionseinrichtung, als Norm für je eigenes Handeln, zu stellen (anzupassen, zu unterwerfen – aus Einsicht). Schliesslich: Alles, was weiterhin im Widerspruch zu diesen Prinzipien (Ausdruck der Anforderungen der Gesellschaftlichkeit der Produktionsweise) steht, mithin alle verbleibenden Überreste des „an sich“ eigentlich überwundenen Eigentümer-Standpunkts (angefangen beim aus ihm sich ergebenden Willen zum Staat), ist durch Fort- und Ausbildung darauf bezüglicher Kritik (oder „Agitation“) zu erledigen.
Insbesondere verhelfen die betreffenden utopischen Gebilde, allein durch ihr Bestehen, allen, die noch nicht auf dem Standpunkt stehen, der zu dem jeweiligen Gebilde gehört, zum „Aufstieg“ in diesen Standpunkt; durch sein Wirklich-werden erzwingt der realisierte Standpunkt Aufmerksamkeit, durch seinen Inhalt aber MUSS er, so die Prognose, überzeugen, es kann garnicht anders sein.
Bis hierher haben wir also ein präziseres Bild entworfen von der Art, wie die drei aufeinander folgenden Standpunkte jeweils den Verbund aus Analyse, Kritik, praktische Konsequenz, Prognose (in Analogie zum klasssischen „Paradigma“ des ML-Marxismus) mit Inhalt besetzen, und dabei die immergleiche Denkfigur entlang der Reihe der Zeithorizonte ausbilden:
In der (ua ökonomischen) Theorie findet zunächst die Umkehr der Konstitutionsbeziehung statt – damit sind der oder die Belegungen der nächsttieferen Zeithorizonte zu Derivaten der „kritikwürdigen“ Verhältnisse erklärt (der aktuelle Stand der Technik und der Geschwindigkeit ihrer Entwicklung abhängige Variable der Klassen und Klassenkämpfe (des Produktionsverhältnisses); die Verteilung der Bürger auf die Klassen und letztlich auch ihre Erfolge und Misserfolge ein Produkt der Formung gemäss den Interessen ihres Staats nach innen, und zu seiner Behauptung in der imperialen Staatenwelt; die Zivilgesellschaft der Menschen mit Eigentümerwillen und Wille zur Nation Grund von Statt, Nation, Konkurrenz und sich daraufhin einstellender Produktionsweise).
Zugleich wird der bürgerliche Staat in der ML-Version zu einem blossen Überbau und Ausdruck von Klassen und Klassenkampf erklärt; die „Gesellschaft“ ist in der MG-Version nichts als ein imaginär-ideologisches Double realer Verhältnisse, erfunden von zwangs-vergesellschafteten nationalistischen Staatsbürgern, um sich ihre Lage schönzureden und zu -denken; die „interessierten“ und autoritären Kommunikationsrituale, die rationale Verständigung in bürgerlichen Zivilgeselslchaften ersetzen, sind geprägt von den durchgesetzten“ Diskursen, die je aktuell „hegemonial“ diese Gesellschaften im Griff haben.
Aber dann findet eine zweite solche Umkehr statt – ein bürgerliches Überbau-„Derivat“ ist plötzlich, wenn von radikalen Linken (mit entsprechendem „Bewusstsein“ also Gesinnung) getragen, ein wirkmächtiges Institut zur (Selbst)Formung exakt jener Prozesse und Gebilde, die im bürgerlichen Zustand für den dortigen schattenhaften Vorgänger dieser machtvollen Instanz massgeblich waren, das Verhältnis zwischen den Gebilden dreht sich also genau um:
– Der ML sozialistische Staat (identisch mit: Partei) gestaltet die weitere Entwicklung der (!) Werktätigen-Klasse, seiner Bürgerschaft – die nun endlich ohne Klassenkampf gegen Kapitalisten und deren Staats-Agenten auskommt;
– die MG-kommunistische Gesellschaft bildet ihren kollektiven Willen, frei von Sachzwängen, die ihr durch die bürgerlich-staatlich verordnete Konkurrenz und deren staatliche Beaufsichtigung auferlegt waren;
– die Mx Verständigung durch Kritik und Argumente entfaltet sich frei und bildet die Normen und Regelsysteme, an denen sich die rational verfasste Gesellschaft für ihre Organisation orientiert; der Dialog ist nicht mehr „interessiert“ und borniert verankert in gesellschaftlich vor-etablierten, eingewurzelten und autoritär vermittelten Diskursen.
So, als Umkehrung, erscheint der spätere, der erwünschte Zustand aber vielleicht nur in dieser Darstellungsweise. Vielleicht ist überhaupt das Aufsteigen entlang der Reihe Staat-(Zivil)Gesellschaft-Verständigung ein Lernprozess, den nicht nur die radikalen Linken absolvieren, sondern ihre bürgerlichen Gegenspieler ganz ähnlich. So dass die Schwäche und der Status als bloss vom darunter stehenden „Eigentlichen“ (ML: Klassenkampf; MG: bürgerlicher Staat/System; Mx: von Diskursen beherrschte Gesellschaft) (fremd)bestimmt, die die radikallinken Analysen der jeweiligen bürgerlichen Ausprägung der je „höher stehenden“ Kategorie (ML: dem bürgerlichen Staat; MG: der Gesellschaft der bürgerlichen Individuen, Mx: der Verständigung) bescheinigen, eigentlich bloss ein vorübergehender historischer Zustand ist – der solange andauert, bis eben die bürgerliche Ausgestaltung der „schwachen“ Kategorie diese zu einer starken, und womöglich robuster als ihr „sozialistisches“ Gegenstück erscheinenden hat heranreifen lassen; weshalb der Vorgang sich dann mit dieser erstarkten Kategorie wiederholt: dem STARK gewordenen, seine Wirtschaft regulierenden spätkapitalistisch vollentfalteten (neo)liberalen Staat(ensystem); der selbstbewussten liberalen Öffentlichkeit mit ihren Medien mitsamt den Ideologien, den kulturellen Idealen, Lebens- und Vorstellungswelten, die dort („hegemonial“) und normativ wirksam ausgedrückt und verhandelt werden; der Masse an Theorien und Ideologien in bürgerlicher Wissenschaft und (Sub)Kulturen, mitsamt den damit und daran entlang sich entfaltenden Rede- und Argumentationsfiguren; derart dass das reale „sozialistische“ Pendant dieser erstarkten Gebilde blass und deutlich weniger vital, stattdessen seinerseits als das im unmittelbaren Vergleich unterlegene erscheint. Sodass sich das Hochschieben der radikallinken Theoriebildung und Kritik entlang dieser Reihe sich erweiternder Zeit- und Begriffshorizonte und in ihrem Rahmen erschlossener Praktiken und Praxis-Systeme wie eine Flucht ausnimmt, oder ein Ausweichen der Utopie vor der nachrückenden Realität.
Der Staat ist solcher Kritik, die kein gutes Haar an ihm lässt, bereits verfallen; die fehlenden beiden Felder und Freiräume für radikallinke Illusionen, Zivilgesellschaft („die werden sich schon einigen!“) und „Kritik“ („dann müssen sie sich eben klarmachen, dass…“) werden, wie anzunehmen ist, folgen.
Im Fortschreiten ihres „Hochgeschobenwerdens“ liquidiert die radikallinke Theorie somit Schritt für Schritt ihre eigenen Utopien. Das kann als weitere Umkehrung bezeichnet werden, denn es wirft die Frage auf: Wieso dies kritische Verwerfen eines Ideals nicht schon vorher gelingen konnte? Man könnte von einer Art Verschärfung des allerersten Umkehrungs-Schritts sprechen: Auf Kapitalismus soll die harte, illusionsfreie Sicht anwendbar sein – zumindest ist da etwas, der bürgerliche Staat/die Gesellschaft/hegemoniale Ideologie – das bloss abhängige Variable des (wie auch immer in sich gegliederten) „materialistisch“ gesehen Massgeblichen, ihm als Basis Vorgeordneten gilt, nämlich (der bürgerliche Staat abhängige Variable) des Klassenkampfs ODER (die bürgerliche Gesellschaft abhängige Variable) des Staats ODER (die Norm-bildenden Dialoge und die öffentliche Verständigung abhängige Variable der) Diskurs-fixierten und interessiert urteilenden Gesellschaft; aber das radikallinks gestaltete Pendant ist frei, sich „die Verhältnisse“, die es infoge des Übergangs (Revolution usw) vorfindet, gemäss zu machen, seine Geschichte selbst zu machen, und das, weil das Substrat dafür, nämlich das von Klassenspaltung, Interessiertheit, Diskursen Befreite, ungefesselt, wie es nun ist, der „rationalen“ Gestaltung durch die offenkundig ebenso entfesselte nunmehr kommunistisch-ideale Praxis der Stufe mit dem nächstlängeren Zeithorizont zugänglich ist: also der Gestaltung durch ML-Staat, MG-Zivilgesellschaft, Mx-Rationalität und -Kritik. Aber so, wie bereits in der Analyse die „tieferen“ und kurzfristigeren Horizonte für vernachlässigbar und blosse Voraussetzungen (die aber auch historisch zuverlässig entwickelt sind) erklärt wurden, so jetzt diese Hauptquelle aller Schwierigkeiten im Kapitalismus: Klassen, Staat, bürgerliche Mentalitäten und Diskurse sind irgendwie (abgesehen von ein paar „Muttermal“-Residuen) einfach weg.
Sodass die ganze Theorie- und Kritik-Bewegung schrumpft auf zwei Denkfiguren: 1. Kapitalismus= wesentlich: Klassenkampf oder bürg.Staat oder interessierte Einstellungen (vergiss, was dem „materialistisch“ zugrundeliegt – als allzu selbstverständliche Voraussetzung nämlich, von der davon abgesehen keine weitere Dynamik zu erwarten ist); und 2.Kommunismus, der Zustand nach dem Übergang= wesentlich: ML-Staatssozialismus oder MG-rationale Gesellschaft oder Mx-Kritik. (Vergiss ebenso, was da noch „Hoheres“ (im Sinne der nachfolgenden Theoriestufe sogar Massgebliches) kommt, es ist, soweit gegenwärtig, ein nach wie vor Abgeleitetes, keineswegs den kommunistischen Zustand massgeblich Bestimmendes – sofern überhaupt angesprochen, verschwindet es aus Sicht der ML- und MG-Utopie in den Glanz einer noch viel ferneren Zukunft, zu der aus der Warte des vor-revolutionären Elends noch garnichts zu sagen ist. Gleiches gilt für die utopischen nachrevolutionären Zustände selbst, denen nichts Schlimmeres passieren kann als dass sie eintreten, sodass der nunmehr reale Sozialismus, die voll kommunistisch orientierte Produzentenorganisation und die Verständigungsversuche der ganz und gar objektiven, uninteressiert-argumentativen wechselseitigen Kritik es nur noch mit sich und den Problemen zu tun haben, die lösen zu können sie sich und andern versprochen haben. Davor aber darf über sie behauptet werden, was ihrem“Begriff“ (nämlich dem Ideal, das sie sind und „dann“ einlösen sollen) entspricht; keine Ausrede (von: wir sind immer noch zu verdorben (angekränkelt von bürgerlichen „Muttermalen“), nicht fortgeschritten genug, haben nicht die Voraussetzungen (Wissen um die DANN vorliegenden technischen Optionen, Plaungsmethoden usw), um uns das auch nur vorstellen zu können, bis: das müssen doch dann DIE entscheiden, die dann über die Produktion bestimmen, wir sind es nicht) ist windig genug, um nicht DA gegen gewendet zu werden; nichts zeigt besser an, worum es sich bei dieser Version von Eigentumsfreiheit als utopischem Fernziel nämlich Ideal handelt, als diese Weigerung, über die Konkretisierungen, das Wie und Wodurch, dieses Ideals zu sprechen, weil dies dadurch in den Dreck der Logik des Arbeitens, auch Zusammen-Arbeiten-Müssens (auch Zusammen-Planens, -Lernens) von Einzelpersonen gezogen und damit notgedrungen beschädigt würde.
Es kürzt sich also die gesamte radikallinke Theorie zusammen auf DIESE eine Stufe, den einen entscheidenden Übergang, von einer schlechten, kurzfristig orentierten Stufe der Organisation von (moderner) Arbeitsteilung, die bürgerlich-kapitalistisch verfasst ist, zu der je nächst-denkbaren, in grösseren Zeitrahmen planenden und lernenden Vergesellschaftungs-Stufe, die „bürgerlich“ allenfalls in der verzerrten und rein „epi-phänomenalen“ Weise eines Derivats der eigentlichen, ihrerseits bürgerlich beschädigten tieferen Stufe existieren kann, also so, wie sie die radikallinke Theorie und Kritik dieser tieferen Stufe (ML: Klassenkampf, MG: bürgerl.Staat; Mx: (hegemonial-)Diskurs-beherrschte Zivilgesellschaft) allenfalls zur Kenntnis nimmt.
Es ist also diese Trennlinie des „Übergangs“ von bürgerlich-real-elend in eigentumsfrei-ideal-wünschenswert, die mehrfach in Richtung auf die genannten höheren Stufen des vergesellschafteten Lernens und Planens in immer längeren (mentalen; individuell-existenziellen) Zeithorizonten verschoben wird. Dabei konkurriert, wie schon gesagt, das radikallinke Denken dieser Provenienz auf der Stufe seines utopischen Entwurfs mit jeweiligen bürgerlichen Gegenstücken, die eine über längere Zeiträume hinweg nur langsam behobene Defizienz aufweisen, die Anlass zu entsprechender Kritik oder besser, Verachtung gegeben haben (denn die eigentliche Kritik gilt ja immer dem zum jeweiligen Zeitpunkt, in dem erreichten Zeithorizont „Massgebenden“ der jeweiligen bürgerlichen Struktur, also Klassenkampf, bürg.Staat, zivil- und eigentümer-gesellschaftliche Hegemonie usw.). Das Gefälle zugunsten eigentumsfreier Verhältnisse wird hier also hergestellt über den Vergleich zwischen einem höchst unbefriedigenden und in historischen Anfängen seiner Entwicklung befindlichen „bürgerlichen“ Gebilde auf der einen Seite, und einem als utopisches Negativ der gesamten bürgerlichen Misere fungierenden idealen-utopischen Gegenentwurf.
Diese Möglichkeit verschwindet in der Geschichte des radikallinken Denkens ebenso oft, wie die bürgerlichen Gegenstücke in ihrer Binnensicht zu eher zufriedenstellenden Versionen ihrer selbst gelangt sind, und auf radikallinker Seite der Bedarf entsteht, mit der De-Legitimierung des nach wie vor bestehenden „nächsthöheren“, noch schwach entwickelten bürgerlichen Verhältnisses (unter „kritischer“ Zerstörung von dessen Legitimierung) die (für Kommunisten vorab feststehende) Überlegenheit gesellschaftsweiter Eigentumsfreiheit auf dieser Stufe zu begründen.
Die radikallinke Kritik findet dabei jedesmal die kapitalistisch noch unbewältigten Zustände auf beiden Stufen vor, zu denen sie sich jeweils stellt: Sie findet vor krasses Lohnabhängigen-Elend; krasse Ungleichheit und Klassenkampf; einen bürgerlichen Staat als Starter und Garanten der Konkurrenz, eine bürgerliche (Zivil)Gesellschaft mit ihren Macht- und Eigentums-orieniterten Diskursen; all das zusammen mit den legitimierenden Fundamental-Entschuldigungen für die je „massgebliche“ der beiden je adressierten Stufen, und die Schwäche der höheren, aber noch unmassgeblichen – exakt jener, von der zunehmend ein ordnender und mildernder Einfluss auf die kritikwürdigen Zustände eine Stufe darunter ausgeübt wird; freilich auf seinerseits kritikwürdige Weise. Dies Feld aber ist zugleich dasjenige der utopischen radikallinken Konstruktionen; die nächsthöhere Stufe radikallinker Theorie hat es dann mit zwei Gegnern zu tun, einer bürgerlichen Struktur, die um so härter anzugehen ist, wie sie erfolgreich das Kapitalverhältnis stabilisiert, und ein radikallinkes Ideal und womöglich seine Verwirklichung, die sie von ihrer höheren Warte als zwar untauglichen und absehbar zum Scheitern verurteilten, aber immerhin unternommenen Versuch in die richtige Richtung interpretieren muss. Die radikale Linke ist also gleichauf mit der bürgerlichen Entwicklung in Zeiten, in denen die Rolle der für ihre aktuelle Utopie massgebliche Stufe (Staat, Zivilgesellschaft, Kritik) historisch gerade in den Blick gerät – als für reibungsfreien Verlauf der kapitalistischen Produktion mit Blick auf die bereits ausgestalteten Verhältnisse auch bürgerlich wesentlich – aber unreif. So gibt es auch eine inner-kapitalistische, inner-bürgerliche Kritik am Entwicklungsstand der Gebilde dieser Stufe, als veraltet, vor-modern, vor-kapitalistisch und nicht auf der Höhe der Anforderungen der Wirtschaft.
Und im Mass, wie diese Defizite behoben werden, schwinden die Freiräume für Utopie. Warum ist das so?
3. Untersuchung: Die Systematik der überhaupt existierenden und denkbaren Haupt- und Nebenformen des radikal-linken Denkens
((Diese Untersuchung ist entstanden als Entwurf für einen Beitrag bei Neoprene, dem diente dieser ursprüngliche Vorspann:
„Ich möchte die Gelegenheit des Artikels von Mats zum „Commonismus“ einige Unterscheidungen vorschlagen und begründen, die auch die Standpunkte mit einbezieht, zwischen denen drüben im Thread „trotzkistisches Übergangsprogramm“ gestritten wird.
Zunächst wiederhole ich einige mir wichtige Behauptungen aus dem letzten thread zum Thema „kommunistische Alternative“, an dem ich mich beteiligt hatte:
http://neoprene.blogsport.de/2015/08/28/butter-bei-die-fische-r-mats-zur-debatte-um-einen-neuen-sozialismus))
Die vorangehende 1. einleitende Untersuchung diente dazu, das radikallinke Denken in einen Zusammenhang mit den ihm gegenübertretenden Kapitalismus-Legitimationen zu bringen, und so es in eine gemeinsame (Kontroversen)Struktur einzuordnen (auch über die Art, wie sich die beiden Positionen in den so strukturierten Kontroversen aufeinander beziehen, wurde dort etwas angedeutet).
Ich hatte darüberhinaus eine zweite Version einer solchen Darstellung (vgl. den nächsten Text) starten lassen mit der Orientierung an DEM Paradigma radikallinken (zumindest des kommunistischen i(vgl. unten C1) im engeren Sinn) Denkens schlechthin, dem Werk von Marx, und versucht, die thematische Untergliederung der Marxschen Theorie heranzuziehen, um über die möglichen alternativen Belegungen ihrer Abteilungen zu einem tieferen Verständnis dessen zu gelangen, was all diese Varianten gemeinsam haben könnten, und welche Motive die historische Entwicklung das immer wieder neue Einsetzen radikaler linker Theorei und Kritik motiviert haben könnten.
Demgegenüber entwirft die hier entfaltete Systematik mehr oder weniger „radikaler“ linker Standpunkte eine Art internes Kategorien- und damit auch Kontroversensystem – auch von daher gelangt man zu Ansätzen, wie und woher das radikallinke Denken sich aufbaut, und welches die zentralen Ausgangs- und Entwicklungsschritte sein könnten.
Zunächst 3 Vorbemerkunegn.
1. Es besteht ein sehr enger Zusammenhang zwischen der THEORIE der bürgerlichen Verhältnisse, der KRITIK, und dem Projekt (seltener auch: der Prognose) einer eigentumsfreien Alternative:
Das erste betrifft eine korrekte Benennung der Ursachen von (für hinreichend relevant gehaltenen und regulär zu erwartenden) Phänomenen, das zweite die Bewertung dieser Phänomene als für (relevant viele Leute) schädliche (was die Betroffenen auch einsehen können und, wie zu erwarten ist, auch einsehen werden) mit dem Zusatz, dass diese objektiv wie mutmasslich früher oder später auch subjektiv Betroffenen den Schäden nicht ausweichen oder sie befriedigend kompensieren können. Oft wird übersehen: Kritik, die mehr sein will als eine Klage, ist dann noch nicht fertig. Sondern sie muss, um Kritik im Vollsinn zu sein, auch noch nachweisen, dass die zu den Schäden führenden Handlungsweisen zuverlässig unterlassen werden oder durch eine bessere ersetzt werden können, ohne sich gleich grosse oder gar grössere Schäden (für denselben Personenkreis) einzuhandeln.
Anm. 1: „Wir sind uns in der Kritik noch nicht einig“ taugt somit nichts, wenn nach „der Alternatiive“ gefragt wird, weil die mitsamt dem Schadensminderungs-Nachweis sehr wohl zur Kritik gehört. (Besser und der Redesituation meist angemessener lautet die Frage: Wir sind uns in der Erklärung der Ursachen, der Schädlichkeit, der Unausweichlichkeit und Nicht-Kompensierbarkeit der Schäden noch nicht einig.)
Anm. 2: Kritik in diesem Sinn unterstellt ein INTERESSE, das geschädigt wird; die im Sinne des Interesses wählbare Alternative kann wiederum dem Interesse anderer entgegengesetzt sein; für Kritik im engeren Sinn ist das nur von Belang, sofern erwartbare Auseinandersetzungen bei Durchsetzung der Alternative deren Nutzen stark relativieren. Vgl. libelles „anti-kommunistisches“ Argument)
2. Die Tatsache, dass die derzeit vorliegenden Vorschläge über nicht-kapitalistische bzw eigentumsfreie „Alternativen“ in kaum bewältigbare Kontroversen hineinführen, verweist meines Erachtens auf Mängel bereits in der radikallinken THEORIE, mit andern Worten: Es ist nach wie vor aufseiten der Befürworter gesellschaftsweit eigentumsfreier Verhältnisse nicht klar, welches die für Kapitalismus-Kritik relevanten Schäden, und welches deren unvermeidliche Ursachen sind.
3. Ein nicht geringer Anteil dieser Unklarheit bezieht sich auf die radikal-linken Thesen hinsichtlich des oben in Klammern angeführten Kritik-Moments „(was die Betroffenen auch einsehen können und, wie zu erwarten ist, auch einsehen werden) usw“ – und das handelt von Einschätzungen und Bewertungen von Massen Leuten und Prognosen und/oder Hypothesen bzgl dessen, wie sie aktuelle solche Einschätzungen und Bewertungen ändern werden (zB dass, unter welchen Umständen, sie die Kritik sich zueigenmachen).
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Das in aller nötigen Abstraktheit vorausgeschickt, möchte ich hier, wie eingangs angekündigt, aufmerksam machen auf Unterschiede in fundamentalen Orientierungen von Kapitalismus-Kritikern, die ebenso fundamentale Unterschiede in ihren Alternativ-Vorschlägen erklären helfen. Diese Einteilung ist von mir noch nicht endgültig durchdacht und geprüft, ich behalte mir also Abänderungen vor, und stelle sie aktuell zur Diskussion vor allem als Anregung, sich selbst zur Möglichkeit solcher Typisierungen (und speziell zur Angemessenheit der hier vorgetragenen) ein Urteil zu bilden. (Wer überzeugt davon ist, seine Kritik usw durch einfachen Vortrag vermitteln zu können, wird, wenn überhaupt, Ein-Gruppierungen dieser Art allenfalls zur routinierten „Fehler-Diagnose“ zwecks Wahl des passend sich anschliessenden Routine-Agitationsvortrags nutzen. Die unterschiedlichen Vorstellungen über Art und Inhalt von sinnvoller Vermittlung eröffnen allerdings nochmal eine ganz eigene Standpunkt-Reihe.)
Anm. 3: Der hier vorgelegten Unterteilung liegen nicht historisch-empirisch naheliegende Grupperungen (an denen sich nichtsdetsotrotz die Benennungen auch meiner Standpunkt-Typen zu orientieren versuchen) zugrunde, sondern systematische Überlegungen, die hier aber (noch) nicht oder nur am Rand angesprochen werden.
A.
Das Wort „links“ fasst derzeit eine Masse von Standpunkten zusammen, die eine einzige Gemeinsamkeit aufweisen, nämlich, dass ihre („fundamentale, radikale“) Kritik der gegenwärtigen Verhältnisse hinausläuft auf eine eher egalitäre und (letztlich welt-)gesellschafts-weit kooperative Alternative; im Gegensatz zu „traditionell“ marxistisch-leninistischer radikal-linker Kritik, die elitär orientiert war und ist, und zu libertärer Kritik, die auf eine Reduktion gesellschaftlicher Kooperation (abgesehen von Handel) zielt.
B.
In dieser riesigen Masse von Standpunkten heben sich als erstes 2 Gruppen heraus, die Elemente der bisherigen Marktwirtschaft (Wettbewerb, Konkurrenz) bestehen lassen wollen, weil sie sie entweder für nützlich und/oder für hinsichtlich der erwünschten Alternative irrelevant erklären; diese Leute haben eine MORALISCHE Kritik am bestehenden Zustand, es geht ihnen vor allem um eine zur Not mit demokratisch-politisch regulierter und legitimierter ((Rechts-)Staats)Gewalt erzwungene Korrekturen der Resultate von Markt-Konkurrenz in Richtung auf eine immer wieder erneut herzustellende Gleichheit und Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse ALLER in die Konkurrenz einbezogener Einzelpersonen. Dabei lässt sich unterscheiden
B1. eine linke SOZIALDEMOKRATIE, die diese Vergleichbarkeit der Lebensverhältnisse vor allem definiert über eine im wesentlichen vergleichbare Gleich-Ausstattung fortbestehender Privathaushalte mit Mitteln; und
B2. eine im engeren Sinne MORALISCHE Linke, die Vergleichbarkeit herstellen möchte über das genaue Eingehen auf „besondere“ Benachteiligungen, die den Anspruch auf ebenso besondere Kompensation und Berücksichtigung gegenüber dem allgemein erreichten „Gleich-Ausstattungs-Niveau“ begründen.
C.
Von diesen beiden Standpunkten (ebenso wie übrigens von dem rechts-sozialdemokratischen) wegführend öffnet sich eine Reihe von Positionen zunehmender Elimination von Konkurrenz-Elementen („Vergesellschaftung“ der Verfügung über die Gesamtheit an Produktionsmitteln) und/oder Elimination der Rücksicht auf „Privatheit“ (im Gegensatz zu „Gesellschaftlichkeit“) von Planung: Zielen und Prioritätensetzungen.
(Es gibt eine vergleichbare kontinuierliche Übergangs-Standpunkt-Reihe ausgehend vom rechts-sozialdemokratischen Chancen-Gleichheits-Standpunkt (der seinerseits in Konkurrenz steht mit mehr (neo)liberalen demokratischen Staats-Standpunkten) – sie führt in die diversen Modelle von Staatssozialismus unter Einschluss von mehr oder weniger weit reichend darin zugelassener oder erwünschter „Privatheit“ der Lebensplanung Einzelner. „Chancen-Gleichheit“ vs. „Gleichheit bzw Vergleichbarkeit des tatsächlichen Lebensniveaus“ unterscheiden dabei Inhalt, Ausmass und Reichweite der „kollektiven“ Solidarität. Eine linke Sozialdemokratie greift uU stärker gestaltend, umverteilend usw in die Lebensführung und Lebensplanung Einzelner ein, als ein marxistisch-leninistischer „Realsozialismus“).
Diese beiden Reihen verkörpern – für die meisten unerwartet (wie sich hier zb in der Debatte mit Mattis zeigt) – zwei unabhängig voneinander variierende bzw kombinierbare Dimensionen einer interessen-orientiert („materialistisch“) zu nennenden „Radikalisierung“ der ursprünglich moralisch-linken Standpunkte. Materialistisch heissen diese Positionen traditionell, weil sie die Grundlage des moralischen Forderns, nämlich das Vorliegen von „objektiven“ fundamentalen Interessensgegensätzen zwischen den Beteiligten leuignen, und den Schein des Bestehens solcher Gegensätze auf fehlerhafte Einschätzungen der „materiell, objektiv“ bestehenden rationalerweise kooperativen Handlungsoptionen zurückführen.
Eine wesentliche Voraussetzung der C-Standpunkte ist: dass ein reibungsloser Verzicht auf Konkurrenz-Elemente und/oder Privatheit („Abschaffung des Kapitalismus“) mit Übergang auf das je gewählte Vergesellschaftungs-Modell möglich erscheint; durch diese Voraussetzung unterscheiden sich die C-Standpunkte von den nachfolgend aufgeführten.
C1. Die „radikalen“ Extrem-Ausprägungen BEIDER Standpunkt-Dimensionen ZUSAMMEN sind gleichzusetzen mit völliger Eigentumsfreiheit oder (in diesem Sinn) Kommunismus (als Resultat).
Im wesentlichen sind durch die Kohärenz ihrer Begriffe und theoretischen Fundamental-Überzeugungen zu unterscheiden:
Marxismus-Leninismus (ab jetzt kurz: „ML“);
MG/GSP und verwandte Positionen (Kapital und Staat/imperialistisches Staatensystem als sich wechselseitig ergänzend zum und unterstützend im „(Welt)System der Ausbeutung“) (ab jetzt kurz: „MG“)
diverse Marxismen („MX“) (das System und die (Zivil)Gesellschaft(en) als sich wechselseitig ergänzend usw)
C2. Die weniger extremen sondern eingeschränkt gleichzeitig vorhandenen beiden Standpunkte kommen oft vor als
C2.1.“Kommunismus bei der Grundversorgung, Konkurrenz/Marktformen+Privatheit bei Sonderwünschen und Investitionsvorhaben“, also je nach Güter-, Ziel-, Prioritäten- und Bedarfssorten unterschiedliche Zusammensetzung der Ausprägungen; oder als
C2.2. eingeschränkter Kommunismus, mit Privatheit als Ursache für gewisse noch unvermeidliche Konkurrenz-Elemente: Kritik-des-Gothaer-Programms-Sozialismus (Marx nannte das, glaube ich, die“alte Scheisse“), Realsozialismus, Mattis-Sozialismus in manchen seiner Ausprägungen
Eine je gegensätzliche Extrem-Ausprägung der beiden Standpunkt-Dimensionen lässt sich etwa so verstehen:
ENTWEDER…
C3.1. …der Verzicht auf Konkurrenz-/Markt-Elemente ist weitgehend bis maximal, aber Privatheit bleibt weitgehend bzw komplett bestehen; in diese Richtung gehen alle „Bestell“-Ökonomien, ebenso die Commonistische Stigmergie beim Produzieren.
ODER…
C3.2 …der Verzicht auf Privatheit ist weitgehend bis maximal, aber Konkurrenz-Elemente (wie zB nach innen Prämien-Systeme, nach aussen Branchen- oder Betriebs-Konkurrenz; der Erfolg des Einzelnen ist gebunden an den Erfolg seiner Genossenschaft) bleiben erhalten: Genossenschaftsmodelle, Kibbuz, eventuell auch sowas radikal-linkskeynesianisches: https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Sprache-der-Verdinglichung/Re-Der-Schlussakkord-reiht-sich-in-den-sozialdemokratischen/posting-29696207/show/ (eine höchst eigenwillige Überführung des Privateigentums an Produktionsmitteln in genossenschaftliches, mit anschliessender erzwungener Reduktion von Konkurrenz; Rettung der Marktwirtschaft vor dem Kapitalismus)
D.
D-Standpunkte befürworten den kombinierten Verzicht auf Privatheit der Planung (Ziel- und Prioritäten-Festsetzung) als auch auf Konkurrenz („Berechtigung“ zur (bei „Erfolg“ (entlang von aussen definierter Kriterien) „belohnter“ (auf Kosten anderer) Verfügung über Teile des Produktionsmittelapparats, speziell solche einer Branche); anders als die gleichlautenden „kommunistischen“ unter den C-Standpunkten sehen solche vom D-Typ mehr oder weniger schwerwiegende Hindernisse, die auf dem Weg in den an sich befürworteten Endzustand beseitigt werden müssen.
D-Standpunkte unterscheiden sich sowohl durch die Art des Hindernisses, das sie für überwindungsbedürftig erklären, als auch die Stellung dazu; die Standpunkte wurden bislang so selten vertreten, dass keinerlei eingeführte Benennungen existieren, die hier benutzten sind Vorschläge bzw. vorläufige Platzhalter für eventuell zukünftig sich durchsetzende Selbstbezeichnungen:
Genauer entstehen D-Standpunkte so, dass als Resultat der je zugehörigen ökonomischen Theorie Probleme benannt werden, für die Kapitalismus entweder nur nur eine Scheinlösung bietet, oder denen er sich erst garnicht stellt. Kapitalismus wird dabei gleichgesetzt mit einem „Produktionsverhältnis“, das Privatheit und Konkurrenz gleichzeitig vollständig oder in hohem Mass beinhaltet, dessen vollständige „Abschaffung“ (die von Trägern des D-Standpunkts befürwortet wird) mithin Verzicht auf diese beiden Vorgaben für eine eigentumsfreie Organisation gesellschafts- wenn nicht welt-weiter Arbeitsteilung bedeutet.
Von den kommunistischen „Extremal“-Ausprägungen der C-Gruppe unterscheiden sich die D-Standpunkte offenkundig durch eine Art theoretischen Überschuss über die ökonomische Theorie und Kritik an der Kombination aus Konkurrenz und Privatheit hinaus, die sie mit den kommunistischen C-Standpunkten teilen. Dieser Überschuss erlaubt es ihnen nicht, so wie die einschlägigen C-Standpunkte, unbestimmte Hoffnungen in eine „kommunistische“ Version von Staat (wie ML-Kommunismen) oder Zivilgesellschaft (wie MG- und verwandte Kommunismen) oder Kritik/Agitation (wie von diversen MG-Kritikern und Kritikern der bürgerlich(-hegemonial)en Zivilgesellschaft vertreten) zu setzen – dies sind mithin Gegenstände einer jeweils weiterreichenden Theorie und Kritik, die die betreffenden Vergesellschaftungsprinzpien für tendenziell „kommunismus“-untauglich erklärt.
Dieser Verzicht hat (je nach Tragweite der zugehörigen ausser-ökonomischen, aber auch ökonomischen Kapitalismus-Analysen) Auswirkungen, entlang denen sich die D-Standpunkte sortieren.
D1. Eine erste Unter-Gruppe der D-Standpunkte entsteht, wenn die Auswirkungen des Verzichts für einen bestimmten Zeithorizont anerkannt werden; zugleich wird in dem betreffenden Standpunkt hypothetisch unterstellt, dass das so entstandene Problem in diesem Zeithorizont von den eigentumfrei sich organisierenden Gruppen/Gesellschaften gelöst werden kann und wird, obwohl nicht angegeben wird, wie.
Die Standpunkte unterscheiden sich danach, welche solche Probleme sie in dieser Weise (nämlich als: unklar, wie, aber grundsätzlich lösbar) unterstellen:
D1.1: Problematisch ist die Neu-Einrichtung der gesamten Produktion auf die massenhaft-vielfältigen Anforderungen (Bedürfnisse, Leistungsbereitschaften, ökologische ua. Rücksichten) aufseiten der Produzenten (einschliesslich derer, deren Bedürfnisse mitberücksichtigt werden, die aber nicht oder nur eingeschränkt mit arbeiten können).
Diese Position wurde im thread „Butter bei die Fische“ mutmasslich von Tom Gard eingenommen.
D1.2: Problematisch ist: Wie die Produzenten massenhaft sich die nötigen Wissensgrundlagen für „informierte“ Entscheidungen über ihre zweckmässige Produktions-Einrichtung verschaffen? Ob sie es können?
Diese Position wurde – ebenfalls dort – in seinem kurzen Auftritt von Wal Buchenberg angedeutet.
D1.3: Problematisch ist: Wie die Produzenten massenhaft verfahren, wenn sie je unterschiedliche Regeln und Regelsysteme befürworten für das Verwerten von Wissen und Wissenszuwächsen?
Dies ist die konsequente „kommunistische“ Fassung der Position, die Mattis einnimmt.
D1.4: Problematisch ist, ob es ein bzw. dann „das“ rationale Prinzip der Wissensverwertung gibt, auf das sich die Produzenten einigen können, spätestens wenn sie sich darauf besinnen?
Dies ist implizit der Standpunkt, von dem aus libelle speziell in dem genannten thread argumntiert hat.
D2. Der zweite D-Standpunkt existiert derzeit eigentlich nirgendwo. jedenfalls nicht als irgendwie ausgearbeiteter und zitierbarer, darum hat er auch keine allgemein eingeführte Bezeichnung. Man kann ihn grob charakterisieren als die Summe aller Bemühungen, für die in D1 angesprochenen Probleme tatsächlich eine Lösung oder wenigstens einen Lösungsansatz anzugeben. In den Diskussionen bei Neoprene wurde, mangels besserem, und um anzudeuten, dass es sich um eine Art modifizierte Version von „Kommunismus“ handelt, der bereits von Bookchyn vor längerer Zeit eingeführte (aber nicht ganz unpassende) Ausdruck „Kommunalismus“ verwendet.
4. Untersuchung: Der linke Radikalismus als Double einer bürgerlichen „Reifungs“-Bewegung politischer Praxis-Kategorien bzw Standpunkte
Die vorgetragene Überlegung hinsichtlich der drei aufeinander folgenden radikal-linken Standpunkte wäre unvollständig, wenn sie sich nicht (wie oben bereits angekündigt) ausdehnen liesse auf jene Formen radikal linken Denkens, die nicht im Bann des „Marx-Paradigmas“ standen und stehen (also anarchistische und zT auch sog. utopische oder frühsozialistische); ich nenne sie im folgenden analog zu den vorangehenden Kurzformeln M0.
Anm. Man muss sich immer klar sein, dass die hier vorgetragenen Gedanken und vorgeschlagenen Begriffsbildungen einen andern Zweck verfolgen, als den der Fremd-Klassifikation vorfindlicher Strömungen, oder einer Präsentation von deren Selbst-Einordnung. Die Absicht ist vielmehr, so etwas wie die KATEGORIEN zu finden, mit denen alle solche Einordnungen unweigerlich arbeiten müssen, um sich sinnvoll zu artikulieren; die Suche nach solchen „für Sinn-volles Handeln unentbehrlichen Begriffen“ unterstellt, dass es dergleichen Begriffe gibt, und sich diese ihre Eigenschaft an den Resultaten dieses Suchens auch für alle zwanglos überzeugend zeigen lässt. In mancher Hinsicht sind solche methodischen Ankündigungen zwiespältig, einerseits soll natürlich mit offenen Karten gespielt werden und potentiellen Lesern deutlich gemacht werden, worauf ihre Lektüre nach Meinung der Verfasser hinauslaufen soll, andererseits lässt sich so kaum vermeiden, dass Aufmerksamkeit vorzeitig im Sinne von Vor-Einstellungen und Vor-Urteilen eingeengt und (ab)gelenkt wird. Man kann, wie Hegel, kategorial zusammengefasste grosse Ideen-Blöcke quasi inkognito einführen, die Sachverständigen – und das sind notwendig die Bornierten – wissen natürlich bescheid; mit solchen Äusserlichkeiten kommt man nicht weit, wenn nicht am Ende das vorgetragene kategoriale Argument durch sich selbst überzeugt. Das gilt übrigens auch im Fall einer andern und allenthaleb zu bemerkenden Schwäche von Texten wie jenen auf dieser Seite, sie sind philologisch, und was den Reichtum der vorfindlichen Ideen und Traditionen angeht, äusserst schwach aufgestellt, es fehlt meist am nötigsten. Aber auch hier gilt, wenn das Kategoriensystem in seiner Notwendigkeit begriffen werden kann, ist es von jedem, der motiviert ist es aus- und nachzubilden bzw sich bewusst zu machen, auf passenden Stoff anzuwenden. Anm.Ende.
Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, für M0 das Pendant zu den drei angegebenen Paaren aus „Konstitutierten und Konstituierenden“ Praxis-Ebenen zu finden, die die theoretische Denkstruktur der „Marx“-artigen bisherigen radikallinken Hauptströmungen ML MG Mx bestimmten. Die Ebene der (in diesem Fall expliziten) Utopien hingegen ist leicht auszumachen, es ist der Zeithorizont der biographisch limitierten Lebensform, die (spätestens unter MODern kulturellen Vorgaben) einen Lebensentwurf in ihrem Rahmen begründet – jener also, den die ML-Bewegungen für utopische Ziele ausfallen sehen wegen der zunächst alles überlagernden Wirkung ununterbrochener Klassenkämpfe, die nur durch die staats-sozialistische Selbst-Organsiation der EINEN, der progressiven Werktätigenklasse, abgelöst werden können, aber auch werden.
Das Paar, um das es im Fall von M0 gehen könnte, ist das langsam sich umkehrende Verhältnis von Natur-Beherrschtheit (-Determiniertheit durch (die eigne) Natur) und zunehmender technischer Natur-Beherrschung – eben dem, was dann von Marx/Engels stark abkürzend als „Produktivkraft-Entwicklung“ gefasst wurde.
Die „Flucht“, wie der Vorgang im 2.Einleitungstext genannt wurde, hätte also im Falle der M0 Bewegungen die Form angenommen der (utopisch vorgestellten, ausgemalten, versuchten) Regulierung und Korrektur allgegenwärtiger Neben- und Folgewirkungen der industriell-materiellen Kultur durch (freiwillige, durch sich selbst überzeugend gestaltete) Gestaltung der kollektiven Arbeits- und (Zusammen)Lebens-Organisation zu einer Form des „Wirtschaftens“ (im Grund also, in meiner Terminologie: einer Produktionsarchitektur). Die Technik selbst hingegen wäre (abgesehen von Strömungen, die „archaisch“ auf Berücksichtigung der ursprünglich MODern bzw „aufgeklärt“ thematisierten Natur-Determiniertheit und „Naturnähe“ als anthropologischer Konstante bestanden) unangetastet geblieben – abgesehen von allfälligen Umbauten (ausgehend von der Ebene der sinnvoll organisierten Produzentenschaft), die sie (soweit ihr das als „Naturbeherrschender“ möglich wäre) zu einem Instrument des menschlichen Genusses und der Freiheit von Angst machen würde.
Wenn man diese allererste grobe Analogie zu den bereits angesprochenen 3 grossen M-Bewegungen als Arbeitshypothese akzeptiert, dann ergibt sich gleich eine noch viel umfassendere Fragestellung: Nämlich wie die Gesamtheit der vier Fluchten ins Utopische in Kombination mit den jeweils zugehörigen Umkehrungen der Konstitutionsbeziehung zu verstehen ist.
Das je hinzukommende Element ist abstrakt charakterisiert durch den je weiteren Zeithorizont (incl. der Über-Zeitlichkeit der beiden letzten Horizonte: zeit- (dh alle mögliche Erfahrungs-Stände und Situationen) übergreifende Prinzipien der Konstruktion konsens-fähiger („legitimer“ usw) kollektiver Pläne, sowie selbstreflexive, „verstehende („berechtigte Erwartungen an die reaktion der andern begründende)“ Prinzipien der Vermittlung von rational bei gegebnem Erfahrungsstand Einsehbarem). Es ist dann aber auch bestimmt durch die sichtliche Bestrebung, sich von der Anbindung durch einen zunächst noch sehr beschränkend geltend machenden materiellen Unterbau zu befreien und bereits der kritisierten „bürgerlichen“ Praxis soviel Zugewinn an Souveränität zu bescheinigen, dass diese sich – eben in praktischer Umkehr der Konstitutionsbeziehung – von den ihr auferlegten Beschränkungen durch ihre „materielle Basis“ befreien, und vollständige Gestaltungsmacht erzielen kann, durch welche sie – als wenn auch von Klassenkämpfen zerrissene, so doch technisch schnell fortschreitende kapitalistisch organisierte Klassengesellschaft; als bürgerlicher Staat, der souverän durch Setzung von Eigentumsverhältnissen, Staats-Kredit, und üüberlegne Gewalt alle ihm nicht gleichen Macht-Quellen seinem Zweck unterordnet); sowie als hegemonial-bürgerlich und durch Macht- und speziell Bio(macht)-Diskurse in ihren normativen Vorstellungen verblendete Zivilgesellschaft – instand gesetzt wird, die ihr vor- und untergeordneten Praxis-Stufen vollkommen ihrer „Bestimmung“ und Bestimmtheit zu unterwerfen.
Die Bewegung geht allem Anschein nach von einem äussersten Pol, der noch in M0 ursprünglich als „Basis“ fungiert, nämlich Natur-Bestimmtheit der Praxis („des Menschen“ als ihrem Träger; noch bei Marx: der Mensch als eine Naturkraft), bis hin zur äussersten Selbst-Zentriertheit in der („kritischen“) Selbst-Reflexion, als „rational“, die hinausläuft auf komplette Selbst-Bestimmtheit, Selbst-Bestimmen-Wollen aus (das „Selbst“ definierenden) Prinzipien des Handelns – ohne alle „äussere“ Schranken.
Diese übergreifende Dichotomie wird an jeder der „Konstitutions“-Fronten immer wieder aufs neue durchgespielt; der theoretische Fortschritt besteht dabei aber nicht in einer Ausdifferenzierung der Beschreibung der Gesamtheit bürgerlicher Verhältnisse – es werden nicht immer mehr Momente daran entdeckt, die Theorie wird nicht, darin ihrem Gegenstand folgend, immer komplexer. Sondern das je neu hinzukommende Element wird nach einer relativ kurzen Phase, in der ihm Wechselwirkung mit seiner ursprünglich ausschliesslich bestimmenden Basis zugeschrieben wird, zum allein bestimmenden und herrschenden.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass die Theorie hier in gewissem Sinn der historischen Bewegung folgt und sie nachvollzieht: In der bürgerlichen Realität werden auch die längeren Zeithorizonte entdeckt, werden die Institutionen (Regelsysteme und zugehörige Erwartung ihrer massenhaften Befolgung) ausgebildet und explizit gemacht, um eine bürgerlich-gesellschaftiche Lebensform, bürgerliche Biographien-übergreifende Gesellschafts-Projekte („Individualitäten“, Nationen, Staaten), schliesslich die sie tragenden (Zivil)Gesellschaften (definiert durch geteilte Normen) und bürgerliche Formen des Legitimierens (aber eben auch Kritisierens, als nicht legitim) hervorzubringen und stabil zu reproduzieren (durch Sozialisation, Öffentlichkeit, Ausbildung der für Pflege der jeweiligen Ebenen zuständigen Experten- und Beraterkulturen). – Vielleicht ist es sogar ein Vorurteil (und entspricht dem Selbstbild der radikalen Linken) zu denken, ihre Kritik bilde sich immer erst aus, wenn die bürgerlichen Verhältnisse ihr entsprechenden Anlass dazu liefern. Tatsächlich ist die Entwicklung durch die Standpunkte, die den Zeithorizonten entsprechen, auf bürgerlicher wie radikal linker Seite eher synchron – es sind dieselben kürzer-fristigen Einrichtungen, deren Problem durch die je nächst-hinzukommende Institution gelöst werden soll; die Ausbildung von Formen des Handels mit den Produkten der verschiedenen Sphären moderner Arbeitsteilung, der Ausbildung von Eigentumsformen, also der bürgerlichen Weise der Bewältigung all der Koordinationsprobleme, die diese explodierende Arbeitsteilung aufwirft – diese Ausbildung von Formen läuft parallel zu den utopischen Konstruktionen der frühen Sozialisten und der (kollektivistischen, kommunistischen) Anarchisten, mit denen diese der sich etablierenden ökonomischen Selbst-Organisation als „Wirtschaft“ der sich modernisierenden bürgerlichen Gesellschaft auf ihren Grundlagen etwas entgegensetzen wollten; so wie die Leninisten ihr realsozialistisches Gemeinwesen in Konkurrenz zum demokratisch-bürgerlichen Staat der Liberalen. In Zeiten der noch nicht vorhandenen Ausbildung bürgerlicher Gebilde der entsprechenden Stufe können die Vertreter beider Entwicklungslinien Kritik an den Verhältnissen üben – es gibt ja auch eine bürgerliche, liberale Kritik an einer unregulierten Klassengesellschaft und nach Laissez-faire-Prinzipien sich selbst überlassenen Wirtschaft. In genau diesen Phasen blüht das radikallinke Kritikwesen und die utopischen Ideale – so, wie sie von der Desillusionierung durch die erfolgreiche bürgerliche Bewältigung der Aufgaben auf der jeweiligen Stufe eingeholt werden, und den Vorgang auf der nächsthöheren Stufe wiederholen.
Der Schein einer Überlegenheit des radikallinken Denkens ergibt sich eben nur so lang, wie die Kritikwürdigkeit der bürgerlichen Zustände im Zeithorizont „unterhalb“ des linksradikal-utopisch besetzten anhält.
Das war so schon in den einleitenden Bemerkungen zum Thema festgehalten; was aber fehlt, und an dieser Stelle deutlicher herausgearbeitet werden muss, ist, dass die Umkehr der Konstitutionsbeziehung ihrerseits Resultat ist der Tatsache, dass Radikallinke damit die souveräne Selbstertüchtigung und Selbstermächtigung bürgerlicher Institutionen nachvollziehen, mit der diese sich von den anfänglich auf der jeweiligen Stufe fortbestehenden Gebrechen und Belastungen emanzipieren, die die „materielle Basis“ aus je soweit modernisierten Produktivkräften und Produktionsverhältnissen ihrem „Überbau“ an dieser Stelle schmerzlich zumutet. Nicht selten greifen ja bürgerliche Kritiker der Verhältnisse die Anklagen der Radikalen auf, und ziehen „reformistische“ Konsequenzen daraus: Arbeitsgesetzgebung und Arbeitszeitverkürzung, Gewerkschaftsgründung und rechtliche Absicherung von Arbeitskämpfen; das gesamte Bündel an politischen Massnahmen und Institutionen, mit denen der bürgerliche Staat den Rahmen schafft für Reproduzierbarkeit der kapitalistisch verfassten Produktion und ihres Fortschrittspfades – eine Reproduzierbarkeit, die „das Kapital“ für sich alleine eben gerade nicht zuwegebringt; dieser Rahmen schliesst ein Schaffung der immer komplexeren Voraussetzungen, die das Kapital im Verlauf fortschreitender Entfaltung der Produktivkräfte für seinen Fortbestand benötigt, als auch Beaufsichtigung, Gefahrenabwehr, Bewältigung von Nebenfolgen, für die die Selbstregulierung der Märkte jeweils blind ist, und die sie dadurch unvermeidlich externalisiert. Schliesslich die Herbeiführung eines inner-gesellschaftlichen und vor-staatlichen Konsenses über die Eindämmung von allgegenwärtigen Folgen der Konkurrenz – etwa unter dem Titel (aber das nur unter anderm) einer Rettung der „marktwirtschaftlichen“ Errungenschaften angesichts der „Extreme“, zu denen „der („schrankenlose, entfesselte“, „globalisierte“) Kapitalismus“ (und der („neoliberale“) Staat, der Partei für ihn ergreift) führt. Es ist also nicht etwa die Utopie, die sich da immer wieder ein neues Feld für Hoffnungen und Wunschvorstellungen erschliesst, sondern vielmehr die zugehörige Kritik, die durch erfolgreichen Reformismus sich entschärft findet.
Das Verhältnis von Utopie und Kritik spitzt sich, Stufe für Stufe, immer wieder zu auf den EINEN entscheidenden Übergang, den Umsturz, die Revolution, die Befreiung – zu einer WIRKLICHEN Arbeits-Organisation; einem WIRKLICH demokratischen Staatswesen; einer TATSÄCHLICHEN Vergesellschaftung (mit rationellen Grundsätzen, in denen sich alle vorneweg einig sein können); einer wahrhaft RATIONALEN (Selbst)Kritik und Begründung. Die schwachen und mimderwertigen bürgerlichen Vorstufen werden dabei garnicht wirklich als Vergleichsglieder ernstgenommen, sodass der Übergang auch garnicht aus IHNEN heraus stattfindet, sondern aus der zu einem Inbegriff des Abzuschüttelnden und Verwerflichen erklärten bürgerlichen Besetzung des voraufgehenden Zeithorizonts – der spezifisch kommunistische Übergang erbt dann auch noch einen Teil der Wertschätzung, die der Ausbildung jener höheren Stufe gilt, also: dass da ÜBERHAUPT eine Arbeitsorganisation, (demokratische) Staatlichkeit, funktionierende Vergesellschaftung und Normen-Diskussion stattfindet. Kommunisten (im Sinne dieser Utopien) sind nicht abgeneigt, einem bürgerlichen Pendant zu ihrer Utopie generell die Möglichkeit seines Zustandekommens abzusprechen. Diese (Utopie-assoziierte) Selbst-Überhöhung und Überhebung erleidet dann einen herben Rückschlag, wenn es dem bürgerlichen Pendant, anders als es die ihm unterstellte Schwachheit und Abhängigkeit von seiner Basis erwarten liess, immer erfolgreicher gelingt, seinerseits diese konstitutive Abhängigkeit zu überwinden und die kritikwürdigen Zustände der kürzer-befristeten Entitäten „unter“ ihm in den Griff zu bekommen.
Die Kritik findet dann an der höheren Stufe neue Angriffspunkte: Ökonomie mögt ihr sein, gerechter Tausch mag stattfinden, aber gerade dadurch seid ihr ausbeueterische Klassengesellschaft, Staat, globalisiertes System mögt ihr sein, aber gerade dadurch organisiert ihr den endlosen Dienst am fremden Reichtum und Rücksichtslosigkeit gegen Mensch und Natur; Gesellschaft mögt ihr sein, aber eben nur moralisch, in den Fängen undurchschauter macht-zentrierter Diskurse. Die später tatsächlich, nur eben bürgerlich, realisierte Umkehr der „Konstitutionsbeziehung“ (was ist Basis, von der alles abhängt, was ist abhängiger Überbau?) wird also in der kommunistischen Utopie vorweggenommen. sogar unbestimmt-optimal, ideal überhöht, womöglich als etwas, nach dessen genauer Realisierung man „davor“ garnicht fragen darf, während am „dass es ideal werden wird“ nicht zu zweifeln ist. Allein das schon klingt reichlich RELigiös.
Aber für diesen spezifisch RELigiösen Zuschnitt des kommunistischen Denkens gibt es einen noch viel stärkeren Anhaltspunkt, und das ist das Wieder-Vergessen der vormaligen „Konstituierenden“ im Aufsteig durch die Zeithorizonte (Standpunkte, Stufen). Die Umkehr der Konstitutionsbeziehung findet jeweils gerade mal in einem Paar von politischen Strukturen statt: spontan vorfindliche Produktion und ihre (ökonomische, arbeitsteilige) Organisation (zu einer „Wirtschaft“) (alias: Prod.kräfte und Prod.verhältnis); Prod-verhältnis Kapital und bürgerlicher Staat; Staat und (durch gemeinsam anerkannte Normen koordinierte und kooperative) Zivilgesellschaft; verbindliche (gültige), Konsens-stiftende Normen und deren „rational“ dh immer wieder zwanglos Konsens (durch „Bewusstmachen“, als Kritik ausgesprochene) ermöglichende Begründung (oder eben Widerlegung). An der jeweiligen „Umkehr“-Grenze treffen offenkundig zwei gegenläufige Beziehungen zusammen: eine „fundierende“, Material-liefernde (damit auch materielle Schranken für Handlungsentwürfe setzende), nach dem Marxschen Paradigma „Basis/Überbau“ genannt; und eine „Sinn-stiftende“, in der, spätestens in den erfolgreichen „bürgerlichen“ Reform- und Reifungsprozessen, sich eine kritisch-rationale Einsicht über zunächst bestehende und spontan („naturwüchsig“) sich dem Handeln entgegen- und gegenüberstellende „Verhältnisse“ und Sachverhalte hinwegsetzt und sie souverän nach eigenen Vorstellungen umformt, reguliert, und optimiert. Jeder „Aufstieg“ verlängert also an sich nur die bereits zuvor bestehende Reihe, worin jede Stufe einen Sinnstiftungs-Pol auf der einen, und einen (nämlich von Anfang an fortbestehenden, immer gleichen) „materiell-fundierenden“ Gegenpol auf der andern aufweist – diese beiden, und eine Reihe von BEIDEN Seiten her bestimmter Zwischenstufen. Die Konsequenzen vor wie nach der Umkehr der Konstitution für die nicht unmittelbar an dem jeweiligen Paar (Prod.kraft/verhältnis; Kapital/Staat; System/Geselslchaft; Norm/Rationalität) beteiligten Entitäen („darüber“ bzw „darunter“) werden theoretisch jeweils wenig bis garnicht reflektiert, die „jenseits“ der unmittelbar involvierten liegenden Entitäten scheinen mit den unmittelbaren zu einem Block zu verschmelzen, über dessen Binnengliederung allem Anschein nach nichts entscheidend Weiterführendes herauszufinden ist. Wir gehen somit, wenn wir den wiederholten Konstitutions-Umkehr-Bewegungen Stufe für Stufe folgen, immer wieder aufs neue über von einer Behauptung über ein sich der betreffenden Praxis aufzwingendes WIE (es allenfalls geht und zu machen ist) zu einem WARUM (es so ist, wie es ist, und darum kritikwürdig) zu einem zweiten WARUM (es nach der Revolution besser nicht denkbar ist): Das erste der beiden „Warum“ erklärt sich nicht mehr als Auflagerung, als Überbau und unvermeidlich so sich gestaltender Ausdruck des „Wie“, das ihm zugrundeliegt; vielmehr immer wieder als – einmal zustandegekommen – sich selbst (wenn auch vielleicht mit einer „Zuspitzungsdynamik“, einem „dasselbe, immer schlimmer“) reproduzierende Struktur: als entfesselt-anarchische (im schlechten Sinn) bürgerliche und Konkurrenzgesellschaft im Elementarzustand eines Kampfes jeder gegen jeden; als brutale Despotie der besitzenden Klassen, die den unterdrückten Klassen permanente Gegenwehr als Lebens-Notwendigkeit (ja geradezu als ihre Lebens-Form) aufzwingt; als bürgerlicher Staat, der „seinem“ (nationalen) Kapital, aber dadurch eben auch sich selbst durch alle Wechselfälle ihres gemeinsamen Daseins hindurch permanent aufs neue die Geschäftsgrundlage schafft – beide zusammen als System reproduzieren sich auf immer weiter ausgedehnter Stufenleiter zuletzt global, und nichts hält sie auf (ausser der ihr Wirken erfolgreich beendenden Weltrevolution); die eingeführten, „eingefleischten“ Ideologien, Normen und „Diskurse“ der bürgerlichen Gesellschaft selbst, gegen die alle befreienden Strebungen vergebens anrennen wie an Gefängnismauern – so fest, so unerschütterlich (und allenfalls durch historische Dynamik veränder- wenn auch nicht wesentlich verbesserbar) stehen sie da.
Das Ignorieren oder Für-unerheblich-Erklären der jeweiligen materiellen Voraussetzungen, also der Wie- und Wodurch-Fragen im jeweiligen Zeithorizont, eröffnet dann aber Stufe für Stufe aufs neue die Möglichkeit, die Utopie völlig ohne Beschränkungen… nun, nicht gerade zu denken, denn daran IST nicht viel gedacht, ausser dass die eigentumsfreie Version, auf dieser Stufe angesiedelt, Befreiung vom Kritik-würdigen Übel der bürgerlichen Vorstufe bedeuten wird; es wird da nie mehr geleistet als schlichtes Ignorieren der möglichen Beschränkungen und Belastungen aus dem Wie und Wodurch man die Utopie zu realisieren gedenkt.
Dass man dabei zwischen einem „Wie und wodurch es zu realisieren ist“, und einem „warum und wozu man alles tut“ strikt unterscheidet, einem Objektiven (und möglicherweise (nicht) Hinderlichen) also und dem Subjekt-gebunden Sinnförmigen, ist zwar eine Errungenschaft des RELigiösen Kategoriensystems (nach Auffassung der hier auf der Seite vertretenen Theorie); der Mangel aber beginnt schon damit, dass beide Anteile NUR „strikt“ auseinander- und gegeneinandergehalten werden, ihr Zusammenhang in EINER Praxis aber nicht erörtert wird; „Praxis“ ist in dieser Denkweise nur untergeordnetes Element, genauer gesagt: die Praxis der Einzelnen, wirklich sichtbar Tätigen. Denn daneben gibt es ein viel massgeblicheres Geschehen, das die beteiligten Theorien für die eigentliche und massgebliche PRAXIS halten, mit Zwecken, Befähigungen, Handlungsweisen, die keinem einzigen Einzelnen oder einer heraushebbaren, in sich verständigten Gruppe angehören – und die doch, man weiss nicht wie, nur das DASS es so kommt, bestimmte Resultate unweigerlich zuwegebringen. Die Quasi-Personen, die in DIESER Ideal-Praxis eigentlich die Akteure sind, heissen: der Fortschritt, die Geschichte, die Gattung, die Menschheit, das Proletariat, der Klassenkampf, am liebsten überhaupt: die Gesellschaft, oder auch „sie“, die Leute (in der 3.Person; die Sprecher zählen sich normalerweise nicht dazu). Die utopische Selbstermächtigung im idealen Zustand nach dem revolutionären Übergang ist immer die SOLCHER Grossakteure, die Utopie ist ausdrücklich formuliert als IHRE Befreiung, die kleinen Menschlein, die den Grossakteur doch eigentlich zusammen ausmachen, sind diesen Entwicklungen nicht weniger ausgeliefert als zuvor, erleben sie am eigenen Leib, und machen sie nicht. Das einzige, was sie immer wieder machen und machen müssen, wo es also auf sie ankommt, ist das Revoltieren selbst, das Umlegen des System-Schalters; die Einstellungen, die ihnen dafür abverlangt werden, als revolutionäre Tugenden, sind revolutionärer Schwung und Enthusiasmus (M0), empörte Kampfentschlossenheit und diszipliniert-geduldige Erwartung des „richtigen“ historischen Moments (ML), Besinnung auf ihr Interesse (MG), und kritisches Durchschauen der bürgerlichen Diskurse (Mx).
Es wurde schon gesagt: Der Bruchspalt, an dem sich die Umkehr der Konstitutionsbeziehung abspielt, wandert entlang der Stufenfolge immer längerer praxis-relevanter Zeithorizonte; die ursprünglich stark thematisierten Paare aus Basis-Konstituierendem und Überbau-Konstituiertem (die dann ihre Rollen tauschen) sind auf den späteren Stufen eher weniger und nur zu speziellen Anlässen Gegenstand von Aufmerksamkeit. Im Grund überspannt (und entfaltet) die gesamte Stufenreihe am Ende alle Zwischenstufen für ein einziges Basis/Überbau-Paar, das an den Extrem-Polen der Kategorienreihe steht: Natur-Beherrschtheit ist die „Basis“ schlechthin (und nicht nur die des früh-sozialistischen Denkens) – und der steht gegenüber das letztlich zur Quelle aller gesellschaftlichen Praxis (nämlich aller „Überbau“Stufen dazwischen), Praxis mit dem Zweck der Überwindung durch Selbst-Ermächtigung dieses Durch-Natur-Beherrschtwerdens, avancierte kritische Selbstreflexions-Vermögen, das die versammelten Mitglieder der freien Produzenten-Assoziation in wechselseitiger Kritik gegeneinander wenden können zur Ausmerzung ihrer Fehler und Differenzen. Alle andern vormaligen Überbau- (und dann doch Basis-) Stufen: die (absolut egalitäre) Zivilgesellschaft, die klassenlos-politische Staats- und die arbeitsteilige Wirtschafts-Organisation, schliesslich die Gestaltung des technischen („Naturbeherrschungs“-)Fortschritts selbst: Sie alle sind aus dieser ursprünglichen Quelle aller Differenz-Bereinigung heraus ermöglicht und zu ihrer letztlich konflikt- und reibungsfreien Einrichtung dadurch ertüchtigt und ermächtigt. Und so, wie diese untergeordneten Ausprägungen und Folgen des kritisch-rationalen Denkens (desselben in allen) in dessen ausdrücklicher Thematisierung (nachdem alle Stufen durchwandert sind) garnicht mehr erwähnt werden müssen, weil ja klar ist, dass sich die erfolgreiche Verständigung eben in gemeinsamen („zivilgesellschaftlich“) anerkannten Normen, Beschlüssen, Organisationsformen und der Wahl und Ausgestaltung technischen Fortschritts zeigen wird – genauso waren diese „höheren“ und später thematisierten Besetzungen der weiteren Zeithorizonte in den Vorstufen von Mx alle schon präsent – die ganze Themenhierarchie war von Anfang an ausgebildet, und einzig wandert der Umschlagpunkt durch sie hindurch, verbunden mit spezieller Hervorhebung der jeweils beteiligten Paare aus Kandidaten für die jeweilige Basis/Überbau-Beziehung (wobei diese Beziehung sich dann zuletzt umgedreht hat); als letztliche Triebkraft für diese Bewegung erweist sich der erfolgreiche Fortschritt des bürgerlichen Denkens und der Institutionen, die es aufbaut, durch die Horizonte hindurch;, das sein kollektivistisches Gegenstück vor sich her in die immer grundsätzlicheren Utopien hineintreibt.
Denn, Utopie sind ja weiterhin alle proklamierten Revolutionsziele, auch nach Obsoletwerden des Frühsozialismus.
Da helfen auch alle Beteuerungen speziell der ML-Bewegung (anknüpfend an einschlägige Tiraden von Marx und Engels) nichts, das ganze sei – im Gegensatz zu den Projekten der Frühsozialisten – nichts „nur Ausgedachtes“, keine Kopfgeburt, vielmehr eine bzw. geradezu DIE „wirkliche Bewegung“. Das ist und soll sein eine begründete („wissenschaftliche“) Prognose, ist aber in Wahrheit nur Ausdruck des starken Glaubens an eine Notwendigkeit, die man sich anders schlicht nicht vorstellen kann: Es wird so kommen, weil es so kommen muss. Der „Kritik“ hat diese „Prognose“ nichts hinzuzufügen, ausser den Gedanken von deren Wirksamkeit (man kann sichs nicht anders denken als, dass diese Kritik verfangen muss); es gibt keinerlei Analysen, die die Erwartung einer Übernahme der Kritik durch Gruppen (oder ihre Ablehnung durch andre) tatsächlich wahrscheinlich machen würde – ausser tautologische wie die vom notwendig falschen Bewusstsein, das durchs gesellschaftliche Sein geprägt wird. Die Theorien, die solche Versicherungen allzu ernst nehmen, müssen dann eine zweite Kritik-Ebene eröffnen, die eben diese prognostische Absicht bedient, zB so: Kapitalismus ist nicht nur als Ausbeutung und Quelle für unablässigen Klassenkampf zu verurteilen und es empfiehlt sich, ihn „abzuschaffen“ – vielmehr (zweite Ebene) ist er dazu auch noch in sich instabil und unhaltbar, sodass zu ihrem Glück die Geschädigten auch ganz ohne kritische Einsicht in die Abschaffungs-WÜRDIGKEIT dieses Systems zu seiner Abschaffung gezwungen und/oder quasi mit seiner Selbstabschaffung (durch „sich zuspitzende Krisen“) konfrontiert sehen werden.
Dies ist nun die speziell klassische ML-Version
Sowohl, dass es überhaupt Prognosen zum Übergang gibt, als auch, dass „Agitation“, beides NEBEN und/oder zusätzlich zur Kritik und/oder Theorie, ist Ausdruck der fundamentalen Unbestimmtheit des radikallinken Denkens mit Blick auf die Stellung der Leute, die diesen Übergang realisieren sollen, zu „ihren“ Verhältnissen. Grob gesagt, ist dieser Übergang einer von einem Zustand, in dem sie ganz und gar bestimmt sind (das ist Teil der Kritik; wenn auch mit dem Zugeständnis verbunden, dass es historisch unvermeidlich sei), in einen, worin sie diese ihre Verhältnisse bestimmen. Die Kritik und Theorie dieser Verhältnisse aber bespricht beinah ausschliesslich „gesellschaftliche“ Strukturen, Mechanismen, „Gesetzmässigkeiten“, oder Kräfteverhältnisse und Machtgefälle, worin eben die späteren Selbstbestimmten nur als Ohnmächtige und Objekte vorkommen. Die begrifflich notwendig vorauszusetzende Selbst-Werdung der Objekte hat, von Stufe zu Stufe, einen zwar zunehmend kognitiven Charakter – was auch bedeutet, dass die theoretische Kritik nachvollzogen werden muss; es bleibt aber bis zuletzt eine Willens-Komponente beteiligt, die eben jenseits aller Kritik liegt und teils den Angriffspunkt der Agitation bildet („Besinn dich auf deine Interessen!“), teils auch dies noch als letzte Tat des Systems beschreibt: Es schafft seinen eigenen Totengräber, oder die Gesellschaft wandelt SICH zu einer selbstreflexiven. (Es ist bezeichnend, dass diese beiden Varianten unterschiedlich gewichtet vorkommen: In M0 scheint alles zutage zu liegen, die Unterdrückten müssen sich nur zum Aufruhr und Krieg gegen die Unterdrücker entschliessen, anschliessend kann ihnen die Utopie als ein Vorschlag angeboten werden, den sie angeischts seiner überwältigenden Attraktivität kaum ablehnen können; in ML (wie eben schon ausgeführt) müssen die Proleten immerhin Klassenbewusstsein ausbilden, sowie überhaupt vorgestählt und diszipliniert sein durch ihre Fabriktätigkeit, die offenbar militärisch und sozialistisch verwertbare Tugenden heranzüchtet: beides zusammen befähigt sie, wenn schon nicht zum Nachvollzug der Theorie, die bleibt einschlägigen Experten vorbehalten, so doch deren Grobversion (die offenkundig auch schon hinreicht, naja, bei solchen wie ihnen), vor allem aber zur militärisch disziplinierten Kampfesweise als Klasse, die angreift und zurückweicht, wie es der höheren Einsicht ihrer Führung (oh, nur der bewussteste Teil von ihnen! also der Partei, zu der sich die Klasse gewandelt hat) entspricht. In der MG Version geht es vor wie nach dem Übergang um eine Art Schalter namens Wille, der zwei Ausprägungen kennt, eine affirmativ sich den vorfindlichen Bedingungen fügend und aufgrund der vorgefundenen Stellung das dann verbliebene Interesse (die Chance, die man hat) bestimmen, oder sich bedingungslos, uneingeschränkt auf den Standpunkt des authentisch eigenen Interesses stellen und sich aufgrunddessen fragen, ob die (dann unparteilich, oder auch „uninteressiert“ (!) beurteilten) Verhältnisse ihm entsprechen; die Antwort ist vorprogrammiert. ((Sie ist es darum, weil der Schalter nur zwei Stellungen kennt – zu Drittem, Viertem, ausserhalb dieser Dichotomie Liegendem kann die „Besinnung“ nicht führen.)) In Mx findet ein „Bewusstwerdungsprozess“ DER Gesellschaft statt, die es ihr in Gestalt ihrer Mitglieder erlaubt, sich ihres Zusammenhangs, ihrer Abhängigkeit voneinander und überhaupt auch sonst alles für Koordination und Kooperation Wesentlichen bewusst zu werden und einander spätestens durch rationale „Kritik“ darauf aufmerksam zu machen. Wie der Prozess verläuft, ist unklar, nur der Endpunkt steht fest.
Streng genommen sind das alles keine echten Prognosen, nichtmal die ML Version enthält derartiges, denn die ökonomischen Aussagen zielen auf einen Massbegriff, ein immer krisenhafter!, immer extremer!, das den Umkehrpunkt zwar immer näher rücken lässt, aber selbst in der grössten Gefahr zuguterletzt doch noch den Entschluss vonseiten der Mitglieder der Klasse verlangt, die das Rettende verkörpert („in der Gefahr wächst das Rettende auch“). – All das ist also nur Ausdruck eines nicht näher bestimmten DASS es so kommen wird und muss; die Ausmalungen und Aufforderungen sind versuchte Konkretisierungen, die das Glaubens-Ideal näher an die Realität herangerückt erscheinen lassen. Begrifflich kommt da aber nichts hinzu.
Die Kategorien, in denen der Übergang besprochen wird, verweisen zurück auf die 4x wiederholte Grundstruktur der radikallinken Theorie und Kritik des Bestehenden einerseits, der kollektivistischen Utopie und ihrer Voraussetzungen andererseits (vgl. Text 2): Der Übergang ist einer zwischen zwei Stufen (an der Stelle dreht sich dann immer die Konstitutions-Beziehung um) – es wird in Gestalt der „Kritik“ die „unnötige“ Schädlichkeit der bürgerlichen Position der „ursprünglichen“ Stufe ausgemalt, in Gestalt der Utopie aber das schlichte Negativ – die Schadensquelle ist „abgeschafft“, die Unkosten der unsinnigen Privatheit entfallen; der Übergang kommt zustand, indem Leute massenhaft dazu motiviert werden, den ohnehin anstehenden Fortschritt auf die „reifere“ nächsthöhere Zeithorizont-Stufe (demokratischer Staat, entlang geteilter Normen sich selbst im Konsens regulierende Zivilgesellschaft, rationale Verständigung und wechselseitige Kritik) als untrennbar von seiner kollektivistischen Gestalt zu denken – so, wie es seine Befürworter von vorneherein schon tun (und von vorneherein für vernünftig hielten). – An dieser Entwicklungslinie fällt mir zweierlei besonders auf:
a) Für das radikallinke Denken, das sich entlang dieser Linie aufwärts bewegt, steht auf jeder Stufe, und ganz unabhängig von ihr, die notwendige Kollektivität quasi alternativlos als Gestalt dieser Stufe fest – an sich erscheint es fast umgekehrt, nicht ist die jeweilige (utopische) Kollektivität bloss EINE unter mehreren möglichen Ausprägungen der (jeweils ausgemalten Zeithorizont-)Stufe, sondern einzig mögliche Realisierung. Sie ist es schon darum, weil es zum Zeitpunkt der intakten Utopie noch kein entwickeltes bürgerliches Gegenstück gibt; sodass…
– die Verständigung oder Vermittlung aufgrund „rationaler Kritik“ die Vermittlungsform einer flexibel agierenden Zivilgesellschaft schlechthin zu sein scheint;
– die von kollektivistischen Normen bestimmte Zivilgesellschaft scheint zugleich die einzig denkbare, vom Staat als Form befreite, und als einzige, vor und über ihm, souverän den durch IHN bestimmten Zusammenhang ihrerseits gestaltende sein zu können;
– das kommunistisch organisierte Gemeinwesen oder der Staat der Werktätigen, in seiner über das Durchgangsstadium Sozialismus hinausgekommenen Form, scheint der demokratische Staat schlechthin zu sein;
– die kollektivistische Arbeitsorganisation im Dienste der Produzenten die menschenfreundliche und überhaupt reproduktiv und fortschrittsfähig „funktionierende“ Wirtschaftsweise und arbeitsteilige Produktionseinrichtung unter modernen technologischen (Produktivkraft)Vorgaben schlechthin.
Obwohl es gewiss ganz verschiedene und historisch voneinander distanzierte Personengruppen sind, die das alles so vertreten (haben) – für den Betrachter von aussen stellt sich „Kollektivität“ erstmal als Invariante, als äussere Gemeinsamkeit aller „Kommunisten“ dar, und SIE ist es, die sich im Lauf der Zeit die immer „reiferen“ Stufen politischen Denkens und Begründens erschliesst. Ob sie dabei wirklich gleichbleibt, oder das je Kollektive ein anderes ist, müsste genauer untersucht werden. Aber die Frage bleibt: Woher haben die Befürworter der Eigentumsfreiheit diese ihre vorab feststehende Orientierung – wieso kommen sie darauf, im Gegensatz zu den ähnlich die Stufenreihe hoch steigenden Befürwortern der bürgerlichen Variante von Wirtschaftsweise (Produktionsorganisation), demokratischem Staat, Zivilgesellschaft, Vermittlung?
b) Die kommunistischen Agitatoren aller Stufen haben ein für sie deutlich wahrnehmbares Gefälle zu überwinden; die Differenz ist daran festzumachen, dass die Aktivisten und Theoretiker bereits Kommunisten waren, bevor sie ihre kritischen Einsichten und Anklagen formulierten. Die Befürwortung der Eigentumsfreiheit ist den Adressaten der Kommunisten (für sie schwer erklärlich) nicht für sich genug, nichts Selbstverständliches; stattdessen muss für sie ein Systemvergleich aufgezogen werden, mit Vor- und Nachteilsrechnungen (in den etwas verzweifelteren Stadien des Verhältnisses zu den potentiellen Adressaten auch ergänzt durch düstere Prognosen: der Kap. bricht von selbst zusammen, und dann entgeht man dem Kommunismus nicht, egal ob man ihn will oder nicht). Die durchgehend gleichbleibende Struktur des radikallinken Denkens auf allen Zeithorizont-Stufen, die es durchläuft, lässt sich zwanglos aus dieser Ausgangssituation gegenüber den zu Agitierenden erschliessen: Die Hoffnung auf eine reproduktiv wirksame Einrichtung modern-gesellschaftlicher Arbeitsteilung, einen (demokratischen) Staat, eine Normen-geleitete Vergesellschaftung, eine aus universeller „Rationalität“ bestrittene Verständigung – sie ist noch unbelastet durch unvollkommene, bürgerliche Formen ihrer Umsetzung (unter modern-arbeitsteiligen Voraussetzungen); die Kommunisten der Haupt-Entwicklungslinie TEILEN diese kategorialen Zeitrahmen für (aus Sicht der so denkenden) jede Vergesellschaftung und besetzen sie mit ihrer Zentralidee Eigentumsfreiheit. Die genannten Hoffnungen auf eine Wirtschaftsform, einen demokratischen Staat, eine Norm- oder gar Universell-Vernunft-geleitete (nur vom Argument bestimmte) Vergesellschaftung SIND ja durchaus je reifere Formen eines „aufgeklärten“ politischen Denkens – freilich sind es keine anderen, als die der bürgerlichen Versionen desselben Denkens, die schliesslich zur Verwirklichung gelangen. Das spezifisch Kommunistische, mit dem – wie eben gesagt wurde – die Kommunisten dies Formen besetzen, übersetzt sich denn auch in eine diesen Formen sehr gemässe, oder besser: nicht über sie hinausgehende Idee, die ihre einzige Abgrenzung gegen ihre bürgerlichen Gegner darstellt, und die nichts anderes ist als die Radikalisierung eines bürgerlich-aufgeklärten Gedankens: Es soll nicht nur die betreffende Stufe alle auf tiefer gelegenen Stufen stattfindenden Aktivitäten regulieren, bestimmen, leiten (was wiederum konkret heisst: dass hinreichend viele Gesellschafts-Angehörige sich auf diese Stufe hochgearbeitet haben, sodass sie die andern Gruppen dazu bringen können, ihre Regeln zu übernehmen – etwa als Staatsbürger). Vielmehr sollen alle sich auf diese Stufe stellen, auf ihr operieren. Dabei ist nicht die Radikalisierung der parallelen bürgerlichen Einstellung bemerkenswert – also derjenigen, die Gefälle zu Gruppen mit „unreiferen“ Einstellungen erwartet, toleriert und versucht, sich zweckmässig dazu zu verhalten. Sondern aufgrund welcher Zutat Radikallinke so selbstverständlich davon ausgehen, dass dieser Idealzustand realisierbar sein soll.
In der ersten Vor-Untersuchung war diese radikallinke Vorab-Überzeugung schon herausgearbeitet worden: Es ist der Glaube an eine vorab, durch das erreichte Ausmass und die Modernität der gesellschaftlichen Arbeitsteilung bestehende Vergesellschaftung, also erzwungene Kooperation und Koordination, der sich die bewusste Formung durch sekundäre „ökonomische“ (wirtschaftende) Organisation, politische Willensbildung, zivilgesellschafs-weit geteilte Normen und schliesslich die Resultate einer andauernden „rationalen“ Verständigung nur auflagern, um sie zu modifizieren; die arbeitsteilige Reproduktion, die all diese Formungsabsichten (Zwecke) vorfinden, ist demnach ein unzerstörbares Substrat, „bei Strafe des Untergangs“ oder „Rückfall in vormoderne Barbarei“.
„Kommunismus“ bedeutet dann zunächst, diese „naturwüchsig“ vorfindliche Vergesellschaftung durch die moderne gesellschaftsweit hoch-arbeitsteilige Reproduktion anzuerkennen, und sich nicht das Problem zu schaffen, sie durch Fragmentierung in „unabhängig voneinander betriebene Privatarbeiten“ erst zu stören (ZERstören kann man sie ja nicht, ohne die genannten Drohungen wahrzumachen), um die Störungen dann aufwendig durch eine Marktwirtschaft, bürgerliche Demokratie und Öffentlichkeit bzw Diskurse, Normen usw oder Moral zu beseitigen, und dies dann für eine Errungenschaft auszugeben.
Aus kommunistischer Sicht sind dies Artefakte, resultierend aus dem bürgerlichen Vorurteil, die bereits produktions-technisch („produktions-architektonisch“; auf der „Produktivkräfte“-Ebene) begründete allgemeine Abhängigkeit aller von allen unbedingt in Privateigentums- und Klassen-, Staats-, Anstands- und Moral-Form pressen zu wollen. Wobei die „materialistische“ Ableitung dieses Willens als notwendig falsches Bewusstsein, Ideologie usw sich der bereits analysierten und an sich recht simpel konstruierten Zwischenschritte bedient: die fundamentale technisch begründete Vergesellschaftetheit, ihrerseits bereits Resultat der historischen Reaktion auf den Zwang des Ausgeliefertseins an Natur, und des Aufbegehrens gegen diesen Zwang, verlangt und/oder ermöglicht, legt nahe, in ihrem historischen Entstehen, vorübergehende Formen von Gewalt-Ungleichgewichten und Herrschaft, Organisation, politische Aufsicht, kohärente innere Einstellungen der Beteiligten, und eigene Moral und Epochendenken (wenn schon nicht Rationalität im eigentlichen Sinn). All das trägt deutlich die Spuren seiner Nicht-Bewältigtheit mit „bürgerlichen“ Ansätzen, und verlangt seine angemessene Vollendung durch ein kollektivistisches Pendant, das den Anforderungen der technisch arbeitsteiligen Vergesellschaftung endlich wirklich gerecht wird. Im Zuge der Selbstertüchtigung bürgerlich verfasster Gesellschaften breitet sich dann das unvollkommene, aber vorfindliche Vorgänger-Gebilde in immer weiter reichende Zeithorizonte hinein aus, stabilisiert sich, in aller Mangelhaftigkeit, die sich vor allem in seiner je erreichten Maximalform ((früh)kapitalistische Klassenteilung, bürgerliche (Schein)Demokratie, obsessiv-ideologische „interessierte“, „funktionale“ Normierung erzeugende Diskurse, Moralismus und Idealismus) breit der je dahin mitgehenden kommunistischen Kritik aussetzt. Sie ist das schwache Pendant der jeweiligen Utopie, hingegen letztere die historisch anstehende Weiterentwicklung. Die innere Untergliederung speziell der ausdifferenzierteren bürgerlichen Mängel-Gebilde wird dabei schon wieder nicht mehr beachtet; der Materialismus besteht in der Versicherung, sich bei der Kritik ans Vorfindliche, an Realitäten zu halten. Das jeweilige „Mängelgebilde“ hat (durch Umkehr der Konstitutionsbeziehung) die Frage längst beantwortet des „Wie? Wie und wodurch soll eine solche bedürfnis-gemässe Organisation, ein politischer Massenkonsens bezüglich dieser Organisation, ein rationales Regelsystem zur Ableitung konsensfähiger Entscheidungen sich realisieren lassen, angesichts der Beschaffenheit ihrer materiellen Basis „überregionale, heute sogar weltweite Reproduktionsabhängigkeiten“? Schon die Mängel-Vorgängerstufe der Utopie ist souverän genug (das ist die Umkehr der Konstitution), sich von allfälligen Sachzwängen ihrer Voraussetzungen komplett emanzipieren und sich souverän, nach eigenen Gesetzen (auch verrückten), dazu verhalten zu können, und sie nach eignen Idealen (auch verrückten; eben bürgerlichen) zurechtzuformen. Das hat die kommunistische Utopie nur zu übernehmen, auf Hindernisse aus den unter- und vorgeordneten Ebenen der gesellschaftlichen Planung und (instrumentellen) Zwecksetzung wird sie nicht mehr treffen, die haben sich alle schon im bürgerlichen Vorstadium verflüchtigt.
Im Mass, wie der Reifungsprozess der bürgerlichen Vorformen kommunistischer Utopien die Mängel tendenziell anerkennt und angeht, und den Kritikern sich als gelungene Problemlösung (die sie erstmal nachmachen müssen, auf ihren Grundlagen) entgegenstellt, in diesem Mass kommt dann auch die Frage des „Wie?“, nämlich „Wie und wodurch bringen SIE es zustande, und wie würden WIR es machen?“ tendenziell ins Spiel – aber nur, um im gleichen Moment grosspurig beantwortet zu werden durch Verweis auf den anstehenden Sprung zur nächsthöheren NOCH utopischen Vergesellschaftungsstufe; solang, bis die utopischen Ebenen sich erschöpft haben, und die bürgerlichen Pendants sich dort überallhin ausgebreitet haben: wie also IHR Staat (Weltsystem) „funktioniert“, IHRE kulturelle Hegemonie tatsächlich eine ansatzweise bürgerlich-zivilgesellschaftliche Konformität, IHRE moralisch-empathische (Selbst-)Kritik tatsächlich flexible „gesellschaftliche“ Reaktionen auf neue Herausforderungen schafft (oder zumindest hinlänglich legitimierend wirksame Alibi-Leistungen erbringt).
Die radikallinken Kritiker folgen dieser Bewegung konsequent bis zum Ende; genau dort, wo weitere utopisch-unbestimmten Ausflüchte verschlossen sind, wird ihnen bewusst, dass sie ihrerseits, unter IHREN Vorgaben, noch nie Antworten gesucht geschweige gefunden haben, angesichts der Strecke entfalteter bürgerlicher Lösungsversuche für die Fragen…
…einer sinnvollen Organisation der mittlerweile alle Lebensbereiche und Weltregionen übergreifenden modern-gesellschaftlichen Arbeitsteilung (Güter-Allokation, Fortschrittsrichtung und -geschwindigkeit) (durch Märkte);
…der Steuerung aller „entgleisenden“ oder von vorneherein im rein „wirtschaftenden“ Planen nicht enthaltenden Entscheidungsprozesse durch kollektive Willensbildung (durch demokratische Prozeduren);
…der Bildung eines stabilen Konsens in Grundsatzfragen als Rahmen für die Feinanpassung der politischen Willensbildung an die in der Moderne ständig neu sich stellenden Herausforderungen;
…der Grundlagen von Verständigung, also letztlich Konsensfähigkeit überhaupt, und ihrer Grenzen.
Die Ausgangsposition dieser Nebenströmung radikallinken Denkens bleibt gleich: „Vergesellschaftet“ SIND die Leute, allein durch die wechselseitige Abhängigkeit jeder einzelnen Produktionsstätte von allen andern, und Abhängigkeit ihrer aller Reproduktion vom Erhalt der sich erneuernden (und dabei vorteilhaft sich wandelnden) Produktzu- und abflüsse an all diesen Stätten.
Der historische Durchgang der bürgerlichen Alternative hat, im Rahmen der weiterreichenden Zeit- also auch für die Radikallinken entsprechende Problemhorizonte erschlossen; und sobald der Grundsatz des „schon vergesellschaftet Seins, allein aufgrund technischer Notwendigkeiten“ (oder angesichts der unleugbaren Modernität der vorfindlichen Produktionsweise) nicht mehr, utopisch-unbestimmt wie, in jedem Fall übertragbar und verlängerbar zu sein scheint in alle neu auftauchenden Horizonte: sobald müssen auch die dazu gehörenden Problem-Horizonte (wie eben aufgezählt) in die radikallinke politische Glaubensaussage mit übernommen werden: Ja, die Bevölkerung IST vergesellschaftet, aber das heisst eben zunächst nur: abhängig gemacht. Um diese Abhängigkeit nicht nur zu erleiden, oder ihr ausgeliefert zu sein, müssen sich die Produzierenden Kontrolle über ihre Technologien aneignen, und sie, bezogen auf ihre Bedürfnisse (was bisher nicht der Fall war) neu und umgestalten, sie müssen die technisch erreichbaren Optionen beziehen auf ihre Budgets, und einen Fortschrittspfad planen, der vorausschauend die Gesamtheit ihrer Einzelproduktionen sinnvoll zu einer realisierbaren Station und einer Kette solcher Stationen auf diesem Pfad verknüpft; sie müssen eine Weise finden, wie neues Wissen und Herausforderungen durch alle Beteiligte verarbeitet und in den Fortschrittsentwurf eingearbeitet werden kann, wobei sie nicht jede Einzelentscheidung neu treffen können, sondern ihr wachsendes Wissen übersetzen müssen in ein Regelsystem, das zugleich in allen relevanten Hinsichten von allen geteilt und angewendet wird (sodass sie nicht mehr einander kontrollieren müssen, sondern stellvertretend füreinander eintreten können, sowohl beim Produzieren als auch beim Lehren und Forschen), die Regeln aber, wonach diese Übesetzungstätigkeit geschieht, müssen aller Erfahrung vorausgehen – es sind die (hoffentlich) gemeinsamen Regeln des Umgangs mit bestehenden und Zuwächsen an Erfahrung schlechthin.
Hier möchte man nun meinen, dass die „Problemstellungen“, die ab jetzt in den Blick genommen werden, von der letzten und weitestreichenden aus anzugehen wären, aber weit gefehlt: Einmal mehr arbeiten sich die wenigen radikal Linken, die überhaupt sich in ihrem Bildungsgang bis zu diesem Kategorienfeld vorgearbeitet haben, durch die Zeithorizonte hoch, die sie sich nun mal gerade erschlossen haben; so sehen sie (abgesehen von der FORM ihres Utopie-Entwurfs, der eben nicht mehr sich entlang der Zeithorizont-Reihe in die nächst-höhere historisch noch unbefleckte Stufe flüchtet) die Notwendigkeit womöglich gerade eben mal auf technischer Ebene: die versammelten und technisch BEREITS aggregierten, vergesellschafteten Produzenten müssen nun „nur noch“ vorfindliche Technologien ihren Zwecken gemäss abwandeln, wo sie es nicht waren (und technologische Lücken füllen); oder, sie müssen sich des Gesamts ihrer Produktionsmittel (was Wissen über Möglichkeiten, also die Wissenschaft, einschliesst) „bemächtigen“, sie kennen und dies Gesamt auf ihre (ihrerseits erstmal bewusst zu machenden) Zwecke beziehen; sie müssen dies nicht nur einmal, sondern auch angesichts der – bei erfolgreicher Bewältigung der vorgenannten Aufgabe – weiterwachsenden Bestände an Wissen und Möglichkeiten, immer wieder tun; sie müssen es nach Prinzipien tun, die die ständige Neu-Verhandlung jeder Einzelentscheidung überflüssig machen; sie müssen (jetzt endlich wäre man überhaupt erst beim Ausgangspunkt angelangt, aus dem alles andre sich ergeben müsste) überhaupt sich bewusst machen, worin vernünftige Prinzipien bestehen (deren Befolgung im Denken, Planen, Entscheiden man irgendwann von allen Vernünftigen erwarten kann, ja muss).
Stufe für Stufe sich dem Ausgangspunkt nähernd, dabei die voraufgehenden Stufen schon wieder ausblendend, nähern sich diese radikalen Linken diesem ihrem „Ausgangspunkt“.
Sie tun es, indem sie ihre Glaubensaussage nach dem Muster gestalten: „Sie“ MÜSSEN diesunddies bewältigen; aber (bis zum Beweis des Gegenteils darf es angenommen werden:) sie WERDEN es KÖNNEN und darum auch TUN. – Mehr wird nicht gesagt, allenfalls das Problem, das gelöst werden muss, kann, wird, näher illustriert; ansonsten gerne vorgeschützt, dass man hier den „dann“ zu erarbeitenden Errungenschaften nicht vorgreifen dürfe, könne, müsse, da diese ja „dann“ von der GESAMTEN Bevölkerung und Produzentenschaft erarbeitet würden, und ihnen (also DER Gesellschaft; die radikal Linken reden da gern in der 3.Person, unter Ausschluss ihrer selbst: „sie“, nicht „wir“) nicht nur nichts vorgeschrieben werden könne, sondern die winzige Minderheit wenn nicht Einzelperson, die solche Prognosen wagt, garnicht über die „gesellschaftlichen“ Potenzen verfügt, die sich da auftun.
Es bleibt denn auch die wichtigste Frage unbeantwortet: Wie Wissen von der Art des modernen, wie technologische Optionen, wie auch nur Riesenproduktionen wie die derzeit-globale, sollen als GANZE je von irgendjemand überblickt werden können – wie Fortschritte „bewusst“ auf Zwecke (welchen?), denen sie dienen könnten, bezogen werden könnten – wie hier überhaupt entschieden werden kann?
Die einzigen Zwecke, die bis dahin bekannt sind, sind ja nur solche, die Platz in einem Einzelleben, einem „privaten“, haben; das gilt sowohl fürs Produzieren („wie man arbeiten möchte“), als auch fürs Konsumieren („welche Resultate der Arbeit man „geniessen“ möchte), den Zusammenhang zwischen beidem (die Arbeit soll sich lohnen für einen, sinnvoll und befriedigend sein) und schliesslich das gesamte Leben – als Einzelperson.
Aber damit die Einzelperson überhaupt auch nur Lebensziele formulieren kann, müsste sie den Gesamtzusammenhang kennen und beurteilen, aus dem heraus in ihr Leben hineingewirkt wird, und zu dem sie unter Umständen sinnvoll (mit andern) beitragen kann – der Gesamtzusammenhang, von dem sie Tag für Tag ihrer Existenz auf Leben und Tod abhängt; ein Gesamtzusammenhang, dessen Gelingen freilich ebensosehr von der Gesamtheit ihresgleichen abhängt – insofern ebenfalls auf Leben und Tod.
Wie sollen die einzelnen sich zu diesem Zusammenhang, von dem sie so sehr abhängen, stellen? Wie soll er „beherrscht“, „bewusst gestaltet“ usw werden? Nicht nur von „ihnen, allen, zusammen“ – sondern auch nur von IRGENDJEMAND?
Es gibt ein weiteres riesiges Aufgabenfeld, auf das der Blick freiwird durch die Erfahrung der bürgerlichen Variante des Durchlaufs durch die Zeithorizonte: Mit zunehmender politischer Reife, die historisch überhaupt stabil erreicht wird, wächst die Zahl der Zurückgebliebenen und Abgehängten, die nicht zu den „reiferen“ politischen Konzepten aufschliessen, stattdessen sich das Handeln derer, die das getan haben, sich in den eignen primitiveren Begrifflichkeiten zurechtlegen. Schon die Kommunisten der „Haupt(Entwicklungs)linie“ trauten sich zu, sahen vor allem aber die Notwendigkeit, die von vorneherein bereits (nämlich eben technisch) assoziierten Produzenten auf dem fortgeschritteneren Niveau zu versammeln, und sie dorthin zu führen, zu agitieren, zu kritisieren oder auch nur zu erziehen (sei es auch durch die Macht der neu eingerichteten Verhältnisse). Aber die historische Erfahrung allein der Reifung der bürgerlichen politischen Formen lehrt, dass der Fortschritt eben nicht ohne weiteres imstand ist, sich seine Träger und Umsetzer zurechtzuformen und zu -schleifen. Sie lehrt: Fortschritte stabil machen, je reifer und anspruchsvoller sie sind, erfordert materiellen Reichtum, den man anderswo erübrigen muss; Bildung kostet, Leuten die Verwertung ihrer Bildungsarbeit zu ermöglichen, kostet; in einem ohnehin schon grenzwertig kostspieligen historischen Prozess, wo immer mehr auf Sicht gefahren wird, wird diese, so wie alle mittel- und längerfristgen Schadensvermeidungen, aufgeschoben zugunsten all der brennend-vordringlichen Aufgabenlösungen, die zur schieren Aufrechterhaltung der Verhältnisse und zum Erhalt ihrer Fortschrittsoptionen gebraucht werden. Aber abgesehen davon, werden die Reifungsprozesse nicht durchschaut, geschweige denn zuverlässig beeinflusst, gelenkt, gefördert, reproduziert; die Fortgeschritteneren verstehen das Zustandekommen ihres Fortschritts nicht, nehmen ihn als unmittelbare, rassistisch-anthropologische Qualität – müssen ihn so nehmen, auch wenn sie es nicht eingestehen wollen. Die radikale Linke, die sogar noch über die bürgerlichen Stadien historisch hínausgelangt ist (und das sehr genau weiss), hat dieses Problem um so stärker – sie spaltet: Ihre eigene Avantgarde-Position mag individuellen Besonderheiten (welchen? kann sie nicht sagen) geschuldet sein, der Grosse Haufe aber muss und wird folgen aus anderen Motiven, mit der Zeit, vielleicht auch mit ihrer Hilfe, oder all dem zusammen. Wie, bleibt unbestimmt. Aber das Problem geht nicht weg, und ist auf dem historischen Stand dieser bisherigen „Nebenlinie“ (heute ist es eher die einzig verbliebene) unübersehbar geworden.
Es wirft für diese verbliebenen radikalen Linken die Frage auf, ob vorübergehende Zugeständnisse an mehr oder weniger ausgeprägte Restbestände bürgerlicher Einstellungen gemacht werden müssen in der Konstruktion der Alternative; Zugeständnisse, die sich dann ebenso als solche in der Theorie und Kritik der bürgerlichen Verhältnisse zeigen: Ja, diese elementaren anthropologischen Grundmotive werden immerhin berücksichtigt im Kapitalismus, und, ja, es ist nicht von der Hand zu weisen, dass man ihnen im verwirklichten Sozialismus Rechnung tragen muss. Entweder, als „Muttermalen“, die langsam weggearbeitet werden; wenn auch vielleicht nur in sehr langen Zeiträumen (unbestimmter Dauer); oder aber als Menschennatur, mit der bleibend zu rechnen ist – nicht zuletzt, weil der betreffende radikallinke Denker sie in sich selbst deutlich zu spüren glaubt.
Diese von mir sog. Nebenlinie teilt mit der ihr voraufgehenden „Hauptlinie“ der radikalinken Entwicklung die Vorstellung eines Umsturzes oder umstürzenden Entwicklung, der oder die grosse Teile einer Bevölkerung synchron oder spätestens „kumulativ“ ergreift (dh es werden immer mehr, bis es für den Übergang reicht). Aber anders als die Vertreter der Haupt-Entwicklungslinie rechnen deren vorsichtiger gewordenen Nachfolger jenseits des Übergangs nicht mit einer utopischen Kategorie, deren Strahlkraft alle Bedenken ausblendet und wegschmilzt; sondern mit einem umschriebenen massiven Problem als Hindernis für wirkliche Eigentumsfreiheit; dessen Lösbarkeit zum Inhalt ihrer zentralen politischen Glaubensaussage wird. Aber dazu kommt eine breite Übergangszone, in der sie die ihrer Stufe entsprechenden bürgerlichen Verhältnisse als Ausdruck unabweisbarer, nicht einfach erledigbarer Ansprüche sei es der vorfindlichen Menschenmassen (auf ihrem je (noch nicht) erreichten, nämlich eben auch zurückgebliebenen Stand), sei es gar einer überhistorischen Menschennatur begreifen, auf die im eigentumsfreien Zustand Rücksicht zu nehmen ist: Privatheit der Stellung zur Gesamtproduktion, und Konkurrenz um Belohnung für Opfer/Einsatz/Investition, die sich lohnen sollen, weil alles jenseits blosser Routine, mithin die gesamte Fortschrittsbewgeung, eigentlich von solchen Extra-Leistungen abhängt, die sich lohnen müssen, um erbracht zu werden.
Auf einmal taucht da ein Kategorienpaar auf, das in der Kapitalismus-Analyse repräsentiert ist durch entsprechende Termini: private Aneignung, DIE Konkurrenz. Aber da sind es eben wieder „ökonomische Formbestimmungen“ allgemeiner Verhältnisse, die mit diesen auch verschwinden würden. Hingegen hier verschwindet nichts, denn es geht um langfristige Einstellungen von Personen, die sie in die Zeit nach dem Übergang mitnehmen, mitnehmen KÖNNTEN; die betreffenden Radikallinken merken das in ihrer Umgebung, und nicht wenige bemerken es an sich selbst.
Kapitalismus erscheint auf einmal nicht mehr als vorübergehend historisch „entstandene“ und vergängliche „Produktionsweise“, die nun mal Privatheit und Konkurrenz als ihre „Momente“ einbegreift (und gegen anderslautende individuelle Motive erzwingt); sondern eher als… nun ja; da müsste nun eine ganz andere, zumindest modifizierte Theorie von Kapitalismus und Bürgerlichkeit stehen, die die Anhänger der diversen Nebenlinien-Standpunkte aber nicht mehr zustandebringen; sie können ihren ganz persönlichen Wunsch nach (Teil)Überwindung dieser beiden Phänomene in Richtung Eigentumsfreiheit, Kollektivität verbinden mit der (unbestimmten) Erwartung/Hypothese, dass das möglich ist. Da bleiben sie stehen. Die anti-kollektivistischen Tendenzen und deren Grund bei sich wie andern haben sie nicht begriffen.
Holen wir das also nach. (Forts. 5. Überlegung)