0a „Selbstbestimmung“ im Sinn von „Autonomie“ ist Gegenstück zu „Fremdbestimmung“, beide beziehen sich auf Entscheidungen: „Selbstbestimmt“ sind solche Entscheidungen (einer Person oder Gruppe), die ausschliesslich auf den Überzeugungen, Erfahrungen, oder auch Gefühlen, Bedürfnissen, Zielen, Werten der Entscheider selbst beruhen, ihnen zumindest nicht widersprechen.
Das ist nicht gemeint, wenn hier von Selbstbestimmung als Aufgabe gesprochen wird – der Aufgabe nämlich, sich zu bestimmen oder zu definieren; also zu sagen worin es besteht, man selbst zu sein, und weiter bestünde, durch alle Veränderungen hindurch, oder ab wann man es eben nicht mehr wäre.
(„Selbstreflexion“, „Nachdenken über sich selbst“, „Selbsterkenntnis“ scheinen auch in Betracht zu kommen. Aber ich sehe einen Zusammenhang zwischen den beiden Verwendungsweisen von „Selbstbestimmung“: die Selbstbestimmung, im Sinn des Sich-Definiert-Habens (als Resultat der „Tätigkeit des Sich-Bestimmens“, worin immer die besteht) ist nach meiner Überzeugung eine wichtige Voraussetzung wenn schon nicht allen faktisch vorkommenden Entscheidens (sofern es „selbstbestimmt“ ist), so doch wenigstens solcher eigener Entscheidungen von Personen oder Gruppen, die man auf Dauer VERNÜNFTIG (vernünftig begründet, hinreichend, korrekt begründet oder eben kurz: begründet) nennen darf. (Die Alternativen (Selbstreflexion und -erkenntnis) kommen deshalb nicht infrage: Weil sie nicht unbedingt diesen Maximalbegriff von Vernünftigkeit (einen überdehnten?) mit unterstellen. Selbstreflexion kann auch zur Erkenntnis führen, dass alles, was man tut, unvernünftig und unrichtig ist. Was richtig wäre, hat man dann immer noch nicht im Blick.)(Eine andre Frage wäre: Ob wir uns auch als unvernünftig bestimmen oder definieren könnten. Müssen wir uns beim Selbstbestimmen (im Sinn des Definierens) überhaupt nach etwas richten? Danach, wie wir sind? Könnten wir nicht auch ganz anders sein wollen, und es darum dann auch sein? Sagen wir also beim Uns-Definieren nicht einfach bloss, wie wir sein wollen (wenn wir können) – hat also die „Selbstbestimmung“ im ersten Sinn nicht doch den Vorrang?)
((Ich sage (noch) nicht, Voraussetzung welcher Art die Selbst-Definition fürs Sich-Entscheiden und Selbstbestimmen sein soll, ich denke, dass es etwas mit der KLARHEIT und Übersicht zu tun hat, mit der wir unsere Entscheidungen dann, angesichts dieser klaren Selbst-Definition, treffen. Die Selbst-Definition erspart es uns, uns jedesmal neu zu besinnen; was sie definiert, „das Selbst“, ist sehr wohl das, was und wie wir sein wollen. Die Frage ist, ob es beliebig definiert, willkürlich „entworfen“ werden kann. Im Mass, wie das nicht der Fall ist, richtet sich die Definition dann nach etwas; und das Sich-Bestimmen, im Sinn des Sich-Entwerfens und Entscheidens auch.))
0b „Selbstdefinition“ und die Arbeit an ihr wird als Aufgabe bezeichnet. Damit ist gesagt: Die Aufgabe ist nicht gelöst; zum andern: dass diese Aufgabe sich, bedingt, oder auch unbedingt und in jedem Fall, STELLT. Aber wem, wann, warum? Und… stellt sie sich faktisch, oder SOLLTE man (wer?) sie sich (nach meiner Überzeugung) als Aufgabe stellen (was, wenn mans nicht tut?) – das bleibt hier offen. Aber in allen Texten der Seite wird darüber gesprochen.
(Übrigens auch darüber: Ob etwas so, wie es IST, sein MUSS (innerhalb bestimmter Grenzen), weil es sonst… nicht mehr ist, was es ist? Ja gewiss doch.. dann ist es eben anders geworden. Aber IRGENDEIN andres? Oder doch ein andres derselben ART (allgemein, nicht biologisch verstanden)? Und selbst wenn ein andres anderer Art – na und? – Manches Anderswerden und Andres anderer Art Werden ist freilich ein VERLUST: der Verlust des Lebens, beispielsweise.. oder der Sehfähigkeit. Oder der Löslichkeit in Wasser. (Sehr verschiedene Verluste.. manchmal bauen sie aufeinander auf: Der Verlust der Sehfähigkeit könnte darauf beruhen, dass etwas im Auge nicht mehr wasserlöslich ist.. Verluste der einen Art finden dadurch statt, dass Verluste einer anderen stattfinden – durch welche solcher DADURCH-DASS-Beziehungen sind solche Verluste miteinander gekoppelt?) – Aber… könnte man nicht auch ganz andres „Leben“ nennen..? Sind nicht unsere Sprachgebräuche das beste Beispiel für etwas, das auch ganz anders sein oder werden könnte…? Ich sage: Man mag es anders nennen.. aber ein Verlust ist es eben doch, wenn du oder andre das Leben verlieren; oder die Sehfähigkeit; oder wenn etwas, das eigentlich löslich sein sollte. hart und unlöslich wird, und nicht mehr verarbeitbar.. Spätestens mit letzterem ist angedeutet, worum es hier geht: um PRAKTISCH BEDEUTSAME, also WICHTIGE UNTERSCHIEDE (die dann auch nach angemessenem sprachlichen Ausdruck verlangen:. Bestimmte Ausdrucksformen sollten nicht verlorengehen, weil sie sonst wieder neu eingeführt werden müssten – es besteht Bedarf nach ihnen).
0c Aber.. bedeutsam für WELCHE Praxis? Könnte die nicht ganz anders sein (ab welchen Änderungen wäre es ein Verlust? ein… praktisch bedeutsamer? Welchen Unterschied würde es, beispielsweise, machen, die Vernunft (was ist das?) zu verlieren, oder uns gleich abzusprechen.. oder absprechen zu müssen..?))
Auch der Unterschied zwischen der Frage danach, ob etwas faktisch geschieht, und der Frage, ob es geschehen soll (wer sagt das, mit welchen Gründen? und.. „soll“ im Sinn eines Wunsches, einer Forderung… oder was?), ist ein wichtiges Thema in diesen Texten. Ebenso der, wie weit man kommt, oder wohin es führt, wenn man zwischen „vernünftig“ (vernünftig begründet usw., s.o.) und unvernünftig unterscheidet (bei Entscheidungen? Beschlüssen, Zielsetzungen, Handlungen? Personen? Was noch?) – oder nicht; also die Frage, ob nach diesem Begriff ein Bedarf besteht (und er nicht verlorengehen, oder auf ihn verzichtet werden sollte).
0d Aber wo fängt man da an, und wo hört man auf?
Die Fragen um diese Themen herum wuchern immer weiter, und schnell bildet sich ein Wust aus Zusammenhängen (und ein Knoten im Hirn), wo man nichts mehr überblickt („man kennt sich (unerwarteterweise) nicht aus“; mit etwa diesen Worten hat der Philosoph Wittgenstein (in seinem Buch „Philosophische Untersuchungen“) versucht, die Natur von typisch „philosophischen“ Problemstellungen zu charakterisieren – ein Philosoph, nebenbei, der (die Kenner wissen es) „die Probleme der Philosophie“ allesamt für schlichten Unsinn hielt, nämlich für das Resultat von Fehldeutungen der Art, wie grundlegende Ausdrucksweisen in unserer (Alltags)Sprache…
(gibt es eine andre? und.. meint „UNSERE“ Sprache hier unsere, im Sinn von „die Sprache, in der dieser Text geschrieben ist“?)
…“funktionieren“ (funktionieren sollten?).
Aber wie funktioniert (sollte funktionieren? wer sagt das, mit welchen Gründen?) diese „unsere“ Sprache?
Und wer sagt DAS – mit welchen Gründen? die Sprach(er)forscher, Sprachwissenschaftler, Linguisten, Syntax- usw. Theoretiker? Was würde uns verloren gehen, wenn sie wie, in welchen Hinsichten anders, unter Umständen „ganz anders“ wäre (und doch Sprache? etwas von derselben ART wie „unsere“ derzeitige Sprache?)
0e Und man könnte noch diese Frage stellen: Wie die Auflösung eines „Wustes“ oder Knotens in EINEM Hirn sich auf andre Hirne soll auswirken können. Warum und mit welchen Hoffnungen veröffentlicht jemand, der glaubt, mit dem Auflösen SEINER Knoten weitergekommen zu sein, diese (Auf)Lösung (wie sieht sie überhaupt aus? wie sieht ein aufgelöster Knoten aus, es gibt ihn doch nicht mehr.. Auch so eine Frage, die Wittgenstein beschäftigte..)? Und warum liest jemand das? Vielleicht nur aus schlechter Gewohnheit, oder zu grossem Zutrauen in die (den eignen überlegnen) Fähigkeiten (oder Errungenschaften) anderer; was obendrein immer die Übertragbarkeit vom fremden auf den eignen Wust unterstellt…
0f Zumindest auf die Frage nach dem Aussehen des aufgelösten Knotens lässt sich dann doch (praktisch trivial, jeder weiss es) antworten: Man zeigt jemand am noch vorhandenen (oder dem wiederhergestellten? wie im Segelkurs, oder bei den Pfadfindern?) Knoten den (freien, abwickelbaren) ANFANG, und von dort aus.. wickelt man den Faden usw. her auf. Wenn es denn einer war, und nicht mehrere Fäden. Manche Knoten kann man von verschiedenen Seiten oder Enden her angehen (ob Seite und Ende immer dasselbe sind..?)
Aber…
..abgesehen davon, ob es überhaupt in zwei Hirnen dieselben oder einigermassen vergleichbare (innerhalb gewisser Grenzen für Abwandlungen) Knoten (derselben Art) gibt..
…abgesehen davon, ob Lösungen oder Lösungsansätze sich überhaupt vom einen Hirn ins andre transportieren lassen..
…und ob man sich selbst sowenig und andern immer soviel zutrauen soll…
…abgesehen von der Frage, wofür das alles gut sein soll…
… abgesehen also von dem allen…
sage ich jetzt fürs erste:
1a Die hier versammelten Texte lassen sich VIER verschiedenen Anfangspunkten zuordnen, von denen her eine Darstellung der (einen, zusammenhängenden) Theorie, um die es in allen vier Fällen geht, angefangen („abgewickelt“) werden könnte.
Dazu sage ich weiter: Eine Theorie ist eine übersichtliche Darstellung von GRÜNDEN EINER BESTIMMTEN ART (und allem, was für sie benötigt wird: Begriffe, Satzschemata, Begründungs- und Schlussfolgerungszusammenhängen… was weiss ich).
Eine solche Übersicht kann von Begründungsproblemen her anfangen (die aus Mangel an Übersicht auf Anhieb nicht gelöst werden können): Zum Beispiel von der Frage, wie unser Bewusstsein und Hirnfunktionen zusammenhängen…
(wie und womit begründet man mögliche Antworten auf eine solche Frage? Empirisch, naturwissenschaftlich? „Begrifflich“? „Metaphysisch“?) Durch Verweis auf faktisch nachweislich (?) bestehende „Diskurse“ (also „historisch“, „soziologisch“, „textwissenschaftlich“…)?)
Einen solchen Anfang kann man „PROBLEMORIENTIERT“ nennen.
Oder, die Theorie lässt sich besonders übersichtlich darstellen (der Knotenfaden, der sie ist, lässt sich so besonders leicht „ab- oder aufwickeln“), wenn man an einer bestimmten Stelle anfängt – welche Begründungsprobleme damit zu lösen wären, ergibt sich dann später, Abschnitt für Abschnitt. Eine solche Darstellung nennt man meist SYSTEMATISCH.
(Da die Frage, wo der Anfang einer wirklich (für wen?) übersichtlichen Darstellung von Gründen einer Art (wofür?) liegen könnte, eines der typischsten philosophischen und allgemein Theorie-Probleme darstellt -…
das Wort Anfang heisst auf lateinisch: principium, also die Frage nach Prinzipien, ersten Gründen, die alle andern begründen (oder auf die man bei allen andern Begründungen nur noch, zuletzt, verweisen kann: Letztbegründung) –
…sind systematische Darstellungsweisen, zumindest die typisch philosophischen, in DIESER Hinsicht „problemorientiert“.)
1b Die Theorie sollte, wenn der programmatische Titel ernstgemeint ist, immerhin den VERSUCH einer „Selbst-Definition“ enthalten und darauf zulaufen. (Sie handelt von dem, was man durch dieses Selbstsein begründet – also vom Selbst als Grund, für was auch immer: Von dem, was darum gilt und anzuerkennen ist, weil ich/ wir „so“ (nämlich etwa: vernünftig, sprachfähig – wenn das Elemente einer solchen Definition wären; es gibt andre Kandidaten) sind.)
Warum heisst sie dann nicht gleich: Theorie der Selbstbestimmung oder Selbstdefinition?
Jemand entwickelt eine Theorie, und wenn damit nicht ein theoretisches Rad nochmal erfunden ist (was keine Seltenheit ist; man kann nicht alle Theorien kennen), dann gibt es da etwas neues; vorher hat es gefehlt, war also wohl eine Aufgabe. Aus seiner Sicht, wenigstens… Jede Theorie, die eine Lücke schliesst, also an eine Stelle tritt, wo vorher nichts war, stellt in dem Sinn eine Aufgaben- oder Problemlösung (egal ob sie problemorientiert angefangen hat oder systematisch) dar – wenn sie denn brauchbar ist. Also was soll der Zusatz mit der Aufgabe?
Das kann ich hier nicht beantworten. Die Theorie selbst ist ja, von keinem ihrer vier Anfangspunkte her, bislang „dargestellt“. Wie soll ich da zeigen können, was selbst dann noch an „Aufgaben“ verbleibt?
Aber es ist mir wichtig, von Anfang an darauf hinzuweisen, dass diese Theorie die PRAKTISCHE (praktisch bedeutsame) Aufgabe der Selbstbestimmung im Sinne der Selbstdefinition nicht vollständig lösen kann; einmal abgesehen davon, dass die vier Darstellungen „derzeit“ weit davon entfernt sind, vollständig vorgelegt werden zu können.
Tatsächlich handelt es sich um mehr oder weniger weit gediehene Fragmente, Theorie(darstellungs)-Baustellen.
1c Meine von vier Seiten her anfangenden Darstellungen sind allesamt „systematisch“.
In gewissem Sinn heisst das: Sie sind UNVERMITTELT. Darauf will ich vorbereiten; denn für Leute, die keine Kenner (bekannter philosophischer Theorien und Theoriedarstellungen) sind, ist dies Unvermittelte (durchaus zurecht) SCHOCKIEREND.
Es hat überhaupt einige Zeit gebraucht, bis solche systematischen System-Darstellungen sich unter theoretisch interessierten Menschen eingebürgert haben.
Nicht zuletzt, weil mit ihnen nicht nur die Leser, sondern oft genug die Autoren überfordert waren, die „Lebenswerke“ Fragment blieben, und die Autoren darüber (viel zu früh? nein, manche sind ziemlich alt geworden) weggestorben sind. Und weil, seltsam genug, und anders als in der Wissenschaft, niemand diese Werke vollenden wollte. Weshalb man heute zum Beispiel nicht einfach Philosophie, sondern immer nur die aristotelische Philosophie, oder das Werk Husserls,…
(Obwohl grade die beiden mehr als andre als Beispiele dienen können für die Bildung weit sich ausgebreiteter Schulen und Traditionen… Die nur eben nie endgültig zu DER Philosophie wurden… In welchem Verhältnis stehen die Philosophien zu DER Philosophie?)
… studiert (Also eher so, wie man „Literatur(wissenschaft)“ studiert.. das Werk dieses oder jenes Autors; nicht Literatur an sich, so wie Mathematik (wo die Autorennamen nur noch zur Benennung der Sätze oder Vermutungen dienen, um die es geht; mehr noch so in der Naturwissenschaft, wo die Gesetze oder Konstanten selten Namen tragen („Nernstsche Gleichung“, „Carnotscher Kreisprozess“), und die Grossen des Fachs in den Namen von Einheiten verewigt sind…)
Es gab Philosophen, und nicht grade unbekannte, die der Meinung waren, dass „Philosophie“ (ist klar, was das ist?) sinnvoll nur im Gespräch, als GEMEINSAMER Klärungs- und/oder Verständigungsprozess betrieben werden kann; also nicht arbeitsteilig Experten und grossen Geistern überlassen werden kann.
Das ist dann die Extremposition: Soviel Anfänge muss es geben wie Leser (oder Gesprächsbeteiligte).. mindestens..
Das hat natürlich zu tun mit der Frage, ob der Problemwust des einen Überschneidungen mit denen anderer hat, oder jeder nur seinen ganz eigenen Bestand mit sich herumträgt. Und zur Frage, wenn es denn so wäre: Ob ihm bei der Bewältigung seiner Probleme (wohlgemerkt solcher von der Form „ich bin jetzt verwirrt, kenne mich nicht aus, obwohl ich dachte, Übersicht zu haben“ usw) jemand anderer, von aussen, helfen kann (was Sokrates die Geburtshilfe, sagen wir: beim Begriffebilden, Problemlösen usw. nannte; oder wieder Wittgenstein: der Fliege den Weg aus dem Fliegenglas zeigen)
Kann man Denken arbeitsteilig organisieren? Kann man Denken in Angelegenheiten, die eigentlich alle angehen, an Experten (Autoritäten) delegieren? Kann man sie die Debatten austragen und von ihnen entscheiden lassen? Wenn aber nicht.. warum dann zum Beispiel von gewählten Politikern, per Abstimmung? Und wenn nicht so.. wie dann? Durch Kaufen und Verkaufen?
1d Das Problem (und das Uneingeweihte früher oder später Schockierende) ist: In Gestalt systematischer Theorien wird einem die (Problemlösungs)Katze im (Darstellungs)Sack verkauft. Oder anders, ein Theorie-Ingenieur oder Theorie-Verkäufer (zB. Professor) preist einem ein flottes Problemlöse- und Übersichts-Herstellungsmaschinchen an; oder stellt es vor einen hin. Und dann soll man die Gebrauchsanweisung studieren.. in gewissem Sinn IST die ja das Maschinchen. Aber die fängt wer weiss wo (warum gerade da?) an, und führt einen, über wer weiss welche Umwege und Zwischenstationen, weiter und weiter und weiter.. Und man fragt sich, ob und für was sich der Aufwand lohnen wird. Man soll regelrecht lernen, studieren, Begriffe bilden, verstehen, sich merken, Behauptungen prüfen, Argumente nachvollziehen…
Und davon gibt es Dutzende, Hunderte, Tausende..
Nicht zu zählen die erklärtermassen fragmentarischen Theorien oder Darstellungen..
Dazu sind die meisten dieser Theorien oder Darstellungen noch nicht einmal fertig, sondern bestenfalls im Rohzustand: Sei es, dass sie ihr Ziel nicht erreichen (und nicht sicher ist, ob es auf dem Weg je gehen wird), sei es, dass sie es auf so krummen Wegen und mit so holperigen Zwischenstücken tun, dass man sich fragt, ob man (wenn überhaupt) nicht lieber von vorn anfangen sollte.
Aber das Problematischste… sind immer die Anfänge. Da soll man etwas mitmachen, etwas so und nicht anders denken.. und denkt es eben doch ganz anders.
Man „kommt nicht ins System hinein“, weil man die Voraussetzungen nicht begründet findet.
Oder, noch schlimmer: Man findet sie einfach beliebig. Nicht notwendig. Warum DIES thematisiert wird, bedacht wird, wichtig sein soll… und nicht jenes. Dass DIES zu mehr Übersicht und Lösung SO vieler Probleme (wessen? meiner?) führen soll… ist meist bloss ein Versprechen. Und die Strecke, auf der ihm geglaubt werden muss, ist oft allzulang…
An genau diesen Gebrechen leidet auch diese Theorie-Darstellung, egal welchen Anfang man nimmt.
(Das ist, nebenbei, einer der Gründe, warum man sich mit dieser Art der „Selbst-Definition“ und Lösung der Aufgabe, sie zu erbringen, nämlich in Form von „Theorie“, nicht abfinden kann. Wir haben schliesslich noch andres im Leben zu tun, als Theorien zu entwickeln oder nachzuvollziehen. Anders als Maschinen, kann man Theorien oder besser, Theorie-Darstellungen, nicht einfach „benutzen“, ausser, man (re)konstruiert sie selber… Das wirft durchaus, einmal mehr, die Frage auf (die hier nicht beantwortet wird), wozu solche Begriffs-,Gedanken-, Prinzipienballungen, wie Theorie(Darstellunge)n, gut sind…)
2 Die ERSTE DARSTELLUNG versucht anzufangen von etwas Allgemein-Menschlichem, „für alle Zeiten Gleichbleibenden“ her; sie versucht es zu benennen.
Man könnte sie akademisch mit dem Ausdruck „anthropologisch“ belegen.
Die Überschrift zu dieser Darstellung ist, versuchsweise: Normalität, oder die Begründung(weise) (für die Gesamtheit aller überhaupt begründbaren Handlungen: einer PRAXIS) durch die Tatsache der Bewährtheit von etwas (bzw. das Material, das sich bewährt hat: Entscheidungsgrundsätze, Regeln, Gewohnheiten usw. – das hinreichend Erprobte oder (in seiner Erprobung) Bewährte)
Das derzeitige Fragment würde wohl, ausgedruckt, ein Buch füllen.
Die (allenfalls in Umrissen existierende) Fortsetzung (Kap.9) besteht, wenn sie fertig ist, vermutlich aus mindestens einem weiteren solchen Buch, wenn nicht mehreren.
Diese Fortsetzung handelt (soll handeln) von:
– einer Theorie des Aberglaubens;
– einer Theorie der Erwartungs-bezogenen Affekte (Angst, Hoffnung, Sucht (!), Depression);
– sie gibt eine allgemeine Erklärung, warum Menschen, die in irgendeine der vielfältigen „Lebenswelten“ hineinwachsen, normalerweise, wenn nicht irgendetwas das verhindert (was?), DIESE Begründungsweise nutzen (warum sie also nicht nur alles MIT dem begründet, was normal ist, sondern selbst die normale Weise des Begründens ist.);
– die Fortsetzung versucht zu zeigen, warum es nicht anders sein KANN als so (sofern es sich um Menschen, vernünftige Wesen (dasselbe?) handelt..);
– sie versucht weiter zu zeigen, worin der fürchterliche Mangel dieser Art, zu begründen, besteht; warum er denen, die so begründen, nie auffällt und nicht auffallen kann (sogar dann, wenn man versucht, sie drauf aufmerksam zu machen); warum diese Begründungsweise ihnen vielmehr als die einzig mögliche und vernünftige erscheint; warum sie (und unter welchen Umständen) notwendig (!?) im Lauf der Zeit…
(nicht als jeder Einzelne, aber als Einzelne nach Generationen, deren Erfahrungen, mit den Grundsätzen dieser Begründungsweise („alles Begründen ist nur Aussprechen der Momente eines vorangegangenen Schliessens und Erschliessens des Begründeten AUS ERFAHRUNG“) verarbeitet, tradiert wurden)
… zu einer anderen Begründungsweise übergehen, die man im weitesten Sinne RELIGIÖS nennen könnte; und das ohne die verlassene Begründungsweise durchschaut zu haben (auch nicht nachträglich); dass diese neue eine gegenüber der ursprünglichen Begründungsweise stark eingeengte Weise des Begründens bzw. Erschliessens von Handlungsentwürfen (Versuchen, Absichten, Vorschlägen, Forderungen für sich und andre) ist; schliesslich, was von der ursprünglichen Begründungsweise darin erhalten bleibt ua.
– Schliesslich soll dort noch etwas gesagt werden zum Status dieser Art von Darstellung: Es handelt sich um von mir so genannte „Überlegungen“ – im Gegensatz zu blossen „Untersuchungen“ (wie den philosophischen, von Wittgenstein), oder fertigen „Theorie(darstellung)en“. Also etwas Mittleres zwischen beidem. (vgl. den voraufgehenden Einleitungstext zu INhalt und Aufbau der Seite)
Soweit zur geplanten Fortsetzung. Die Theorie-Ingenieure versprechen (sich) immer viel…
3 Das scheinbar Anthropologische („Normalplanen und -lernen“) erweist sich also, wenn die Beweisabsicht gelingt, als blosses Durchgangsstadium für etwas Darauffolgendes („religiöses Planen und Lernen“).
Das ist nun durchaus spannend, insofern, als sich die Leser dieser Abhandlung fragen dürfen, ob sie dem Schein der Allgemeingültigkeit (immerhin soll ja etwas davon sich auch im folgenden Stadium erhalten, wie die geplante Fortsetzung behauptet), dem „Anthropologischen“ und vermeintlich Allgemein-Vernünftigen, erlegen sind.
Und wenn… wieso konnten sie ihn dann doch durchschauen?
Oder haben sie ihn nicht durchschaut, und blieben unbelehrbar (mit Argumenten), so wie es für die „Normalbegründer“ im Text behauptet wird?
Und wenn.. dann vielleicht darum, weil dies eben DOCH die rationale und unhintergehbar vernünftige Weise des Begründens ist? Eben die normale und allgemein-menschliche?
Die Antwort darauf ist: Faktisch IST sie die normale und allgemeinmenschliche bis heute (behaupte ich); die später als Resultat historischen Lernens hinzukommenden, und gegenüber der früheren extrem eingeschränkten Begründungsweisen haben die Tendenz, mit ihren Inhalten (dem, was sie an Gründen anführen), in diese frühere Begründungsweise zurückzugleiten – die ja zulässt, dass man mit diesen Inhalten mehr und andres begründet, als in den eingeschränkten, fortgeschrittenen, historisch gereiften Folge-Versionen:
Dass man also auf die ursprüngliche, magisch-abergläubische Weise glaubt (die Glaubensinhalte, die von echt religiösen Menschen entwickelt wurden, in magisch-abergäubischer Weise einsetzt: Nämlich als Inhalte einer legitimen (sich bewährt habenden) ERWARTUNG oder eines MITTELS (einer auf Erwartungen basierenden Technik) – statt eines GLAUBENS (der nie behauptet, Wissen zu sein).
((Das passiert übrigens später beim nächsten Übergang wieder – dem von Religion zur Moderne:
Man kann auf typisch religiöse Weise an die (im Einzelnen unerklärliche, nichtsdestotrotz bis auf weiteres zu unterstellende) Überlegenheit der Moderne und ihrer Problemlöse-Fähigkeiten (verkörpert spätestens in Gestalt hoch- und höchstbegabter Spezialisten oder Spezialisten-Gruppen) glauben..
..und diesen Glauben obendrein zum Inhalt einer abergläubisch-gläubigen Erwartung (alles wird gutwerden, darauf kann man sich verlassen) machen.
Genau das ist heute normal… es ist die die Normalität; auf die sich die „Normalbegründer“ von heute verlassen…))
4 Von etwas war bislang noch garnicht die Rede, nämlich von folgendem: Wie begründet man eigentlich Änderungen oder auch das Beharren auf seinen ursprünglichen „Handlungsentwürfen (Versuchen, Absichten, Vorschlägen, Forderungen für sich und andre)“, wenn andre einem mit ihren Entwürfen widersprechen?
Wie man sich da verhält, ist auch Inhalt von Begründungen, verlangt Gründe bestimmter Art (was die zugehörigen Theorien auf den Plan ruft): Legitimationen; Verständnisse (warum man Bestimmtes fordern oder (noch) nicht fordern oder erwarten darf (und wann doch).
Nur dass es da eben nicht um die Begründung geht von (potentiell gemeinsamen) Verhältnissen zur umgebenden Welt und (geteiltem? zu erwerbenden?) Wissen von ihr, sondern um die Verhältnisse zwischen solchen Weltverhältnissen bzw. denen, die sich die jeweiligen Welterhältnisse zueigen gemacht haben und sie aufweisen.
Die Andern, die anders und andres begründen als ich, sind freilich immer so, wie ich AUCH sein könnte. Ich bräuchte mir ihre Vorschläge und Gründe nur zueigen machen, sie selbst äussern, und so begründen wie sie. Wieso tue ich es nicht, wieso beharre ich (unnötigerweise?) auf meinem, welchen Unterschied macht das – aus meiner Sicht, für mich, für die andern, für uns alle? Und warum sehen die andern DAS wiederum nicht auf Anhieb so wie ich? Was hindert sie daran?
Man sieht: Die Auseinandersetzung (im Doppelsinn von Konflikt und Verhandlung, Verständigung) mit andern ist eine Schule der Selbst-Reflexion (nun benutze ich das submaximale Rationalität unterstellende Wort selbst, vgl. 0a Ende); und am Ende steht, wenn schon nicht eine vollständige Selbst-Definition, so vielleicht doch ein Moment von ihr, eine Teildefinition, eine noch mangelhafte SELBST-ERKENNTNIS (bewusste Stufe der Selbstbestimmung).
Die „Normalbegründer“ sehen dann, etwa, nach dem Durchgang durch alle ihnen möglichen Verhältnisse zu andern (Normalbegründern; mit andern können sie ja nicht rechnen, auf ihrem Standpunkt) ihren eigenen Mangel ein.
Und werden ganz bewusst religiös.
Und diese ihre Bewusstheit hinterlässt Spuren.. die sich allerdings nicht auf diesem Niveau halten: Denn die bewusst Gewordenen machen ihren Schritt immer nur für SICH.. versäumen es aber, ihn den andern, oder gar Nachwachsenden, zur Gänze, systematisch, flächendeckend, zu vermitteln. Nämlich über Zwischenschritte (oder analoge) wie die, die auch bei ihnen nötig waren (aus analogen Ausgangslagen heraus). So gehen mühsam erarbeitete Bewusstheitsniveaus schnell wieder verloren… wenn auch nicht ganz. Denn die Resultate werden dann meist doch tradiert – nur eben nicht der Weg dorthin.. Der ist allenfalls erleichert und vorgebahnt, für Spätere, die ihn wieder gehen…: als „Bildungsgang“.. (ihnen von aussen gebahnt, oder von ihnen selbst erschlossen..)
5 Da ist nun, nebenbei, ein Bild von Geschichte entstanden, das nichts weniger als linear und eindimensional ist; und doch, auf all den Ebenen, über die es sich ausbreitet, erklärend (verstehend, nachvollziehend, begründend: es ist vom Typ TIGE 7, vgl. Untersuchungen+Bemerkungen, Untermenü „Sozialwissenschaften, Geschichte“, Text TIGE).
Es behauptet eine starke Tendenz…
… die mit der Disposition von Menschen/Personen verbunden ist, KULTURELL ZU LERNEN (und historische und kollektiv angesammelte Erfahrungsbestände, teil-verabeitet, verdichtet, weiterzugeben, so dass Spätere daraus Konsequenzen ziehen können, ohne alles noch einmal zu absolvieren (obwohl ihnen, andererseits, auch nicht alles erspart werden kann, in Gestalt individueller Nachvollzüge und „Bildungsgänge“).
…Es bindet damit die Möglichkeit solchen Lernens an die harte („materialistische“) Anforderung, dass solches Tradieren REAL stattfindet, und ihm im materiellen Leben der aufeinanderfolgenden Generationen und Gesellschaften Nischen eingeräumt werden müssen (was immer auch Überschüsse, Freistellungen, Musse für Lernen, Denken usw. bedeutet).
…Es sieht darum auch die Möglichkeit von Mehrfachentwicklungen, analogen Bildungen in anderen Kulturräumen, gleichzeitigen wie ungleichzeitigen, Aufgreifen avancierter Traditionen in anderen Kulturen zu anderen Zeiten usw. vor..
.. und nicht nur die Fortschrittsrichtung, sondern auch den möglichen Verfall, Verlust von Erfahrungsbeständen, Einschrumpfen der Gruppen von Trägern, das Durchlaufen wiederholter Schleifen…
.. Es bindet, jenseits der Tradierung durch Medien, die produktive Weiterentwicklung von Traditionen an individuelle Bildungsgänge, in denen sich Individuen immer wieder vom historischen Null-Niveau, der leiblichen Existenz als Kleinkind und lernbereiter Jugendlicher, zu historisch erreichten Lernhorizonten vorarbeiten müssen.
… dabei reflektiert es die mannigfaltigen Unterschiede zwischen Bildungsgängen der einzelnen Angehörigen von Ständen, Klassen, Schichten, Berufsgruppen, Geschlechtern auch nur EINER Gesellschaft, eines Kulturraums zu einer Zeit.. wieviel mehr die der aufeinander folgenden Generationen (ein Verlegenheitsbegriff, der das vielfältige Ineinander-Verflochtensein von Lebensläufen, und die von vielen, in unterschiedlichen Lebenaltern und dennoch gleichzeitig erfahrenen Brüche darin, mit einem Wort ausdrücken will).
6 Aber es reflektiert nicht nur die vergangene, sondern vor allem die – in Gestalt von unerledigten Defiziten gegenüber fortgeschritteneren Lernniveaus, die in der Gesellschaft ihre Träger gefunden haben, mithin die in Form massiver UNGLEICHZEITIGKEITEN sich präsentierende – immer noch gegenwärtige Geschichte. Umgekehrt: Es HISTORISIERT politische Standpunkte und Konflikte, erklärt sie zum Ausdruck solcher Gefälle und Lern- also Erfahrungs(wissens)defizite, eröffnet damit aber auch Vermittlungs-Strategien zum Nach- und Aufholen (wobei es kulturelle Differenz von Indifferenz, indifferente Unterschiede und Besonderheiten vom Wesentlichen einer Mentalität, eines Standpunkts, zu unterscheiden lehrt).
Wenn das historisch Primitive, in Gestalt des allgegenwärtigen scheinbar Menschlichen (davon handelt der Strang „Normalität… usw“), nicht das letzte Wort ist: Wo stehen wir dann gegenwärtig – in der auch nicht mehr ganz jungen „Moderne“, und all den politischen Formen, in denen sie versucht, ihre „Ungleichzeitigkeiten“ (wenn ich recht habe) in den Griff zu bekommen?
Das versucht ein zweiter Darstellungsstrang zu beantworten, der den Titel trägt: Das Scheitern der Moderne.
Das moderne, so deutet der Titel an, scheitert nicht anders als das primitive Weltverhältnis:
Es involviert noch immer, wenn auch auf fortgeschrittenem Niveau, einen Mangel an Selbst-Bestimmtheit, die Selbstdefinition in der Moderne ist weit davon entfernt, vollständig zu sein.
Im REAL absolvierten Durchgang durch die der Moderne angemessenen politischen Formen der Legitimation und des Verstehens wird das bewusst; und an diesen Formen entlang (deren kulturell und öffentlich sichtbare Ausprägungen erst noch zu erwarten sind) wird der Mangel auch in meiner Darstellung entwickelt.
Diese Formen sind zum grössten Teil noch garnicht vorhanden (die im Weltverhältnis, der Produktion und Reproduktion, der Art unseres Wissenserwerbs usw. kulturell umgesetzte Moderne arbeitet derzeit noch mit ihr nicht angemessenen politischen und Vergesellschaftungsformen zusammen, wie dem Marktdenken; diese unlösbar erscheinende Verschmelzung beider wird sich, wie ich denke, in naher Zukunft auflösen, und die liberalen werden durch libertär-kommunistische, also die eigentlich der Moderne angemessene Formen der (versuchten) Vergesellschaftung, ersetzt werden. Dann gehen die Probleme erst richtig los; und erst dann wird eine Ahnung entstehen (und ein Motiv, die Gründe zu begreifen), dass die Probleme dieses WELTVERHÄLTNISSES (und Welt-Verhängnisses), das die Moderne ist, nie durch ein Vergesellschaftungsprogramm (wie den Kapitalismus) erzeugt (allenfalls verschärft) werden konnten; und sich auch nicht, nie, durch keine denkbare Korrektur auf diesem Feld, werden lösen lassen. (Die Gründe für diese Behauptung muss ich allerdings liefern, und hoffe, dass mir das in der weiteren Ausführung von Moderne Teil 1 und 2 gelingen wird.)
Hier macht die Theorie also eine PROGNOSE, und wäre daran zu messen (wenn sie sich nicht zahllose Schlupflöcher lässt, in Gestalt immer weiterer Ebenen, Dimensionen.. Immunisierung durch (den Versuch der) Überkomplexität?)
7 Also ich behaupte, die Moderne ist ein Weltverhältnis, das – wie die beiden aus meiner Sicht ihr voraufgehenden – einen auf einem Mangel an Selbst-Bewusstheit (um noch einen Begriff aus diesem Umfeld ins Spiel zu bringen) entspringenden fundamentalen, und PRAKTISCH BEDEUTSAMEN, nämlich in fürchterliche (die heute zu beobachten sind) Konsequenzen hineinführenden FEHLER aufweist.
Und dieser Fehler (der Moderne als epochales Welt-Verhältnis) wird in den Versuchen, ihn durch gesellschaftliche Verständigung und Organisation (v.a. Arbeitsteilung) zu beheben, denjenigen, die diese Versuche ernsthaft machen (werden), bewusst (werden).
Aber das ist nur eine von drei Formen, wie moderne Standpunkte „scheitern“ können, nämlich sich auf Dauer unvermerkt in andre verwandeln werden, wenn nicht die ihnen zugrundeliegenden Traditionsbestände immer wieder exakt in Bildungsgängen reproduziert (und gegen Fortschritte; auch eine Weise des Scheiterns!, immunisiert werden, was freilich kaum gelingen wird, bei fehlendem Bewusstsein, worin solche Fortschritte bestehen könnten).
Anders als der erste und primitive Standpunkt (oder Weltverhältnis) der „Normalbegründer“, haben sowohl religiöse wie moderne Standpunkte Vorgänger (das religiöse Weltverhältnis den Normalstandpunkt, das moderne Weltverhältnis das religiöse), in die sie, wie oben (unter 3) schon angedeutet, „zurückgleiten“ können.
Man ist dann gewissermassen auf vormoderne Weise modern, oder auf vorreligiöse Weise religiös. Oder vormodern (vorreligiös), in moderner (religiöser) Färbung, oder wie immer man es ausdrücken möchte.
Dies Zurückgleiten spielt sich aber auch bei den politischen Erscheinungsformen der modernen Mentalitäten ab; auch sie gleiten in ihre, den vormodernen Weltverhältnissen angemessenen politischen Vorgänger-Formen (des Legitimierens und Verstehens) zurück.
Entlang einer systematischen Rekonstruktion sämtlicher solcher Möglichkeiten des Zurückgleitens lassen sich somit diese politischen Formen vollständig darstellen; und zwar gleich so, wie sie sich heute, „geladen“ mit in sie zurückgeglittenen modernen Inhalten, zeigen (und nicht in ihren ursprünglich historischen Vorformen, nur mit religiösem oder magisch.abergläubischen Inhalten; an denen sich, nichtsdestotrotz, natürlich die Reichweite dieser entfalteten Nomenklatur zur Einordnung von Mentalitäten bewähren muss.) (Eine solche Rekonstruktion soll in Teil 2 von „Das Scheitern der Moderne“ erarbeitet werden.)
8 Da wird nun die Theorie auf einmal radikal politisch, und politisch radikal; nämlich kritisch und hinsichtlich alles Bestehenden radikal pessimistisch: Sie attestiert ihm zugleich mörderische Unzulänglichkeit (=schlecht)…
(dem Marktdenken, als angemessene Legitimationsform genuin religiös gedachter Weltverhältnisse; der „Kritik“ als dem daraus hervorgehenden Verstehens- und (versuchten) Vermittlungsmodus; dem naturrechtlichen ethischen, demokratisch-moralischen und am Ende sozialistischen Gerechtigkeitsdenken, als Legitimationsweise des „Normaldenkens“ (s. Normalität usw.), und dem „empathischen“, einfühlsam-verstehenden, psychologisch-moralischen und sich durch wechselseitige Offenlegung von Gefühls-Bedeutungen (dies aber auch für möglichhaltenden) Sich-Vermitteln und -Verständigen-Wollen)
… aber auch Unhaltbarkeit und Unbeständigkeit (=gut, weil das Schlechte keinen Bestand hat); freilich so, dass die Fortschrittsrichtung, nicht anders als die umgekehrte des Zurückgleitens und historischen Regredierens (und Scheiterns in dieser Form), nur in den nächsten FEHLER hineinführt; dessen Fortgeschrittenheit sich vor allem darin zeigt, dass dabei ganze Klassen von Fehlern der jeweiligen Vorform unterlassen werden, aber immer noch genug Fehler-Arten übrig bleiben – die sich dann mit ganz besonderer Intensität entfalten..
Wie in 7 schon angedeutet, behaupte ich: das Aufnehmen von Inhalten einer fortgeschrittenen Form spielt sich nicht nur auf der Ebene der Weltverhältnisse ab; die zugehörigen Legitimations- und Verständnis- und Vermittlungsweisen sind nicht minder anfällig, zusammen mit ihren Weltverhältnis-Anteilen in die jeweilige historische Vorgängerform zurückzufallen.
Kapitalismus lässt sich dann als in Religion zurückgeglittene Moderne, kombiniert mit Marktdenken, erklären (unter genuin religiös Eingestellten hatte der Markt eine ganz andere Bedeutung – reliiös begründete Lebensführungspraktiken als (zumindest idealerweise zu unterstellende) Gemeinsamkeit aller Marktteilnehmer).
Die vormalige (vor Wiedergängertum nicht gefeite) sozialistische Obsession, eine SYSTEM-Konkurrenz mit einem amoralischen, ungleichheits-orientierten Konkurrenten auszufechten, erklärt sich als Rückfall des pur-kapitalistischen ins naturrechtliche Legitimieren (auf staatlicher Ebene) usw.
Und die Kritik (Vermittlungsform des religiösen und Marktdenkens) wird reduziert auf die Gefühle, die mit ihr einhergehen (gleitet zurück ins empathische Vermittelnwollen durch Vermitteln von Gefühlsbedeutungen, unabhängig vom Inhalt)…
9 Dieser zweite Weg des Scheiterns (durch historische Regression) der Moderne (dynamisch ausgedrückt) bzw. der zeitgenössischen politischen und sozialen Gefälle-Möglichkeiten und -Verhältnisse (statisch; als Momentaufnahme der Resultate allfälliger Rückfall- und Wieder-Aufstiegsprozesse) entfaltet also ein Tableau möglicher Typen von Kombinationen aus Weltverhältnissen, auch in Vorformen zurückgeglittener, einerseits, und mit ihnen zusammenarbeitender Legitimations- und Vermittlungs/Verstehens-Weisen (politischen usw. Vergesellchaftungsformen, Umgangsformen mit „Gefällen“ und nicht-indifferenten Meinungs- und Werteunterschieden bei Andern, denen man nicht ausweichen kann und/oder auf die man angewiesen ist).
Ich nenne die konkreten Besetzung einer solchen Kombination mit Inhalten eine MENTALITÄT, das Tableau aller Weltverhältnisse, Legitimations- und/oder Vermittlunsformen liefert mithin die Grundlage für die (Re)Konstruktion der sämtlichen möglichen vergangen-historischen oder aktuellen, ungleichzeitig-zurückgebliebenen (gegenüber fortgeschrittensten Referenz-Standpunkten) oder durch Regression entstandenen Mentalitäten.
Die Träger solcher Mentalitäten haben die Möglickeit, sich mit ihresgleichen zusammenzuschliessen, Projekte (synchron, diachron, arbeitsteilig) zu entwerfen, die vor allem auch mentalitätsbegründete Verhältnisse zu andern (was deren Aktion und Reaktion in gewissem Umfang als bekannt, oder hypothetisch erwartbar unterstellt) einschliessen.
Solche soziale Umsetzung einer Mentalität in einer Gruppe mit einem überdauernden Projekt und relativ stabilen Aussenverhältnissen nenne ich eine (kollektive) INDIVIDUALITÄT.
Die fest eingerichteten Positionen von Angehörigen dieser Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt, in einem arbeitsteiligen Zusammenhang, begründen deren gemeinsame LEBENSFORM (etwa als Berufsgruppe); die Art, wie jemand seine Stellung in einer solchen Lebensform (in die er hineinwächst und mehr oder weniger akzeptiert, oder auch nicht) ausfüllen möchte, die Beziehungen, die er dabei unterstellt und für sich erwarten darf usw., nenne ich seinen LEBENSENTWURF. Die Art der persönlichen Kräfte- und Bedürfnisökonomie, der Lebensführung, auf die er sich dabei (unter Umständen in enger Abstimmung mit Partnern in einer Familie, Beziehungen usw.) einstellt, nenne ich seine IDENTITÄT.
10 Die Moderne, als Weltverhältnis, scheitert aber dann, nicht anders als die beiden Vorgänger-Epochen (wie, das wurde für das Normal-Denken oben kurz in 2 skizziert): nicht durch Bewusstwerdung ihres Mangels entlang ihrer politischen Ausgestaltung; nicht durch Regression; sondern durch den Übergang in ein anderes Weltverhältnis, das den Mangel IMPLIZIT behebt. Die Menschen weichen in ihrem Leben den Zumutungen als Konsequenz der Mängel ihrer Weltverhältnisse immer weiter aus, und soweit sich dies Ausweichen in Lebensläufen niederschlägt und tradiert (denn es gibt ja keine kulturelle Form, in der es organisiert wäre: Wie sollte die denn ausgedrückt, verabredet, eingerichtet werden?), setzt sich diese Bewegung über Generationen fort. Spätestens in sich modernisierenden und längere Zeit fortgeschritten modernisierten, also westlichen Industriegesellschaften ist dieser Vorgang zu bemerken, und er spielt sich, so behaupte ich, exakt auf der untersten der Ebenen ab, deren Hierarchie in 9 skizziert wurde: derjenigen von IDENTITÄTEN, derjenigen also von Formen der Lebenseinrichtung und Beziehungen, wie sie in Anpassung an die kulturellen Anforderungen aus dem Lebensentwurf, also der Lebensform, die man gewählt hat oder in die man hineingeboren wurde, gewählt werden, und zwar entlang von Konfliktlinien, die diese Anforderungen einen zu ziehen zwingen: Man kann nicht beides in gleichem Masse sein, Könner und Geniesser, Durchsetzer und Kooperierer usw.; wo solche Konflikte lebenslange Einrichtung auf eins der beiden erfordert, muss man sich nicht nur entscheiden – man muss auch mit dem zurechtkommen damit, dass einem etwas von zentraler Bedeutung in jedem Einzelleben (spätestens aus Sicht dieser Kultur) fehlt, und dies Fehlende an einem/er andern, der/die einem maximal nahesteht, mit-leben, mitgeniessen…
Hier sehe ich den Ursprung der GENDER-Teilung; und hier ist es, wo die Theorie ihren dritten, nämlich RADIKAL-FEMINISTISCHEN Strang bekommt, hier noch als dritten Teil des Scheiterns der Moderne, nämlich in Gestalt der DRIFT moderner „weiblicher“ und „männlicher“ Identitäten und der zu ihnen gehörenden Beziehungsentwürfe.
11 Dass die Moderne auf dieser, einer DRITTEN Ebene (soll dargestellt werden in Teil 3 des Scheiterns der Moderne) scheitert, erlaubt den Rückschluss, dass sie die ihr Angehörenden zunächst in unlösbare IDENTITÄTSKONFLIKTE stürzt (Konflikte zwischen sich ausschliessenden, aber gleich attraktiven (und unentbehrlichen) Formen der Lebensführung), die durch Beziehungen mit Repräsentanten der einem fehlenden Gegen-Identität zunächst lösbar erscheinen; mit fortschreitender Moderne aber entstehen Ungleichgewichte und unerträgliche Asymmetrien, zunächst durch Einschluss der Träger weiblicher Identitäten in eine nicht fortschreitende, nicht wachsende Sphäre, aus der sie sich kaum eine oder zwei Generationen später bereits freikämpfen, mit der Folge einer nicht minder unerträglichen VERMÄNNLICHUNG der gesamten Gesellschaft, und wachsenden Sehnsucht nach dem verschwundenen Weiblichen (das aber zugleich als gleichwertige Alternative entwertet ist); der Kompromiss ist die Vereinnahmung von Kindern als Ersatzpartnern (nicht im sexuellen Sinn), und der ganzen Familie als Reservoir für fehlende Identitäts-Bestandteile; diese Kinder, als Träger der Ausfalls-Identitäten, bekommen mit diesen zusammen auch deren Ambivalenz Position übermittelt, und ziehen in ihren Biographien und Lebensentwürfen massenhaft eigene, freilich höchst weitreichende Konsequenzen aus alledem. Denn sie geben sich mit der Unlebbarkeit der ihnen angebotenen Lebensformen nicht ab (unlebbar spätestens mit den Identitäten, in die sie im Zusammenleben mit ihren Familien hineingewachsen sind), sondern wählen sich aus dem reichen Vorrat moderner wie vormoderner Lebensformen das zu ihnen passende. Ob die Träger der minimal 100 oder mehr Typen an prekär und immer im Konflikt mit den Anforderungen der modernen politischen Ökonomien entworfenen „Lebensstile“ je hoffen dürfen, Freunde und Lebenspartner zu finden, darf selbst angesichts boomender Dating-Portale und sozialer Netzwerke bezweifelt werden.
12 Das Ende von Teil 3 des Scheiterns der Moderne wird somit aufgegriffen von dem dritten Darstellungsweg, Identität, Individualität und moderne genders. Die Einordnung der zu den historischen und Regressions-Individualitäten (-Lebensformen, -Lebensentwürfen) passenden Identitäten wird dabei nicht vernachlässigt – solche Regression gibt es auch auf der Identitätsebene – , aber das Wichtigste ist doch die Vorzeichnung des Weges, auf dem diese Gender-Drift den Fehler der Moderne überwindet, und implizit in eine Kultur (Weise des Begründens/Weltverhältnis), Mentalität, Individualität, bzw. Lebensformen und gemeinschaftliche Lebensentwürfe mündet, die die CHANCE einer vollständigen Selbst-Bestimmung eröffnet.
Nicht anders als in den drei Fällen davor geschieht dies über die Auseinandersetzung mit den Anderen da draussen.
Die Träger der nachmodernen Identität, und dann auch Individualität und Lebensform (die sie, zu ihrer Identität passend, neu aufbauen) rollen, so behaupte ich,als erste, das gesamte Feld der ihnen gegenüber zurückgebliebenen Einstellungen Schritt für Schritt, anfangend bei den ihnen je nächststehenden, auf, und bahnen den Trägern dieser Einstellungen den Weg hin zu ihrer, der fortgeschrittenen Position. Diese Position wird ihnen dabei zugleich bei jedem solchen Schritt, den sie auf je nächststehende, aber aus ihrer Sicht „Defiziente“, zu machen, mehr bewusst. (Das Defizit der Andern, um daran zu erinnern, besteht dabei immer aus einem ZUVIEL an Möglichkeiten (das aus einem ZUWENIG an Bewusstheit über einschränkende Bedingungen, zuwenig Klarheit über die eigne Bestimmtheit (wenn man sich drauf besinnen würde) resultiert).
Die bahnenden Vermittlungsschritte, die immer grössere Defizit-Strecken zurückzulegen gestatten, hinreichend oft wiederholt, liefern am Ende Routinen zur Gestaltung einer BILDUNGS-Schrittfolge, in der diese Defizite in zeitlicher Verdichtung und dennoch eindrücklich, individuell von nachwachsenden Jugendlichen nachvollzogen werden können, sodass, indem sie diese Bildungsschrittfolge aus immer wieder neu entfachtem eigenem Antrieb (Neugier, Interessse, eigenständigem Aufmerksamwerden auf das Problematische der zuletzt erreichten Stufe) absolvieren, sie mit Hilfe der Vermittlungs-Angebote…
(die ihnen dann von den Erwachsenen aus deren reicher, sicher verarbeiteter Erfahrung (die sie oder ihre Vorgänger dann gewonnen haben werden beim immer wieder neu abgewandelten und wiederholten Vermitteln desselben Übergangs in den davor liegenden politischen Verständigungs- und Vermittlungsprozessen mit Vertretern historisch voraufgehender Standpunkte)
Schritt für Schritt bis auf den historisch gemeinsam erreichten Stand aller Erwachsenen ihrer Epoche gelangen: In Zukunft sollte das allen Nachgeborenen möglich sein.
13 Dieses verstehend- sich verständigende und vermittelnde Ein- und Hereinholen immer weiter entfernter Standpunktgruppen wäre also das Pendant zu den Entwicklungsschritten hin zu immer perfekterem Legitimieren bzw. Verstehens- und Verständnis-(wie die andern sind)-begründeten Vermittungsversuchen der drei voraufgehenden Weltverhältnisse: In diesem Fall sind es die Schritte hin zu vollkommenem Verstehen und Sich-Andern-Vermitteln-Können der nachmodernen gesellschaftlichen Lebensform (die sich zur Individualität und Mentalität erst selber machen muss, indem sie sich immer weiter „bestimmt“ – und indem sie dies tut, legt sie in umgekehrter Reihenfolge den Weg zurück, den die Stufen der geschichtlichen Mentalitäts-Entwicklung gegangen sind; doch, um es zu wiederholen: Dies ist nicht der Weg durch die vergangene, sondern der durch die in überholten (nämlich modernen und vormodernen) Mentalitäten sich verkörpernde, die immer noch gegenwärtige Geschichte.
Was die Theorie hier allenfalls vorwegnehmend zu zeigen hat, ist, was nun wirklich keine Selbstverständlichkeit ist: Dass die Defizite auf der Ebene der Identitäten, der Beschädigungen, den Weg zu einem hinreichenden Begreifen der schädigenden kulturellen Individualitäten und Lebensformen und der noch allgemeineren Mentalitäten und Begründungsmodi (grundlegende Weltverhältnisse) weisen können.
Kurz: Man begreift die historisch in der eigenen, nachmodernen Existenz überwundenen früheren Standpunkte allesamt, indem man begreift, durch welche ihrer Züge sie Leben und Lebensführung ihrer Träger notwendig beschädigen mussten, etwa indem sie sie in unauflösliche Konflikte stürzten (gegen die sie sich nur mit gender-Identitäts-Teilungen zu helfen wussten).
Nicht zu vergessen auch: Diese Standpunkte kommen nie in Reinform, sondern als Regressions-Möglichkeiten (die massenhaft genutzt werden) vor – also eher als SCHICHT in der Konstitution zeitgenössischer Lebensformen. Der Beitrag, den jede dieser drei kulturellen Schichten (primitiv-„normalplanerisch“ (abergläubisch/magisch), religiös, modern) dazu leistet, das „Unbehagen in der Kultur“ zu maximieren, ist Leitfaden erst zu ihrer sorgfältigen analytischen Abhebung voneinander – und dann ihrer vermittelnd-„therapeutischen“ Abtragung.
14 Am Ende geraten wir auf den Ursprungszustand, das allgegenwärtig Primitive im zeitgenössischen Denken (theoretisch vorweg rekonstruiert als das unter „Normalität usw.“ abgehandelte Begründen durchs erfolgreich Bewährte): Diesen Ursprung sich klarzumachen bedeutet, den Startpunkt der Geschichte freizulegen und sich zu fragen, welches wiederum SEINE Gründe sind: Was ist der Grund, dass kollektives, tradiertes also kulturelles Lernen und damit Geschichte ihren Anfang nahm?
Wen wundert die vorläufige Antwort – sie lautet: Die SPRACHLICHKEIT ist es. Aber durch welche ihrer Eigenschaften? und ist sie wirklich unentbehrlich? Wofür, wodurch? Da fehlen derzeit wohl noch ein paar wichtige Nachweise – etwa, warum es richtig ist, von DER Sprachlichkeit zu sprechen.
Aber wenn die erschlossen sind, bleibt die Frage in unserer Selbstdefinition: Welches Teil-Moment dieser Definition ist als NOTWENDIGE biologische Bedingung unserer offensichtlichen Disponiertheit ALS ART anzusehen, Sprache (in Gestalt gleich welcher Sprache) und damit Kulturfähigkeit, ohne sie vorauszusetzen, auszubilden?
Denn eins ist gewiss: Angeboren ist uns die Sprache nicht; diese wichtigste Voraussetzung, dies entscheidende Instrument des kulturellen Lernens, das sie ist, ist selbst ein von Menschen Hervorgebrachtes, ist Produkt – das erste und wichtigste von allen.
Produkt einer Tätigkeit obendrein, der Spracheinführung nämlich, die ihrerseits OHNE vollständig ausgebildete, am Anfang sogar ohne ALLE Sprachformen stattfinden musste. Gesellschaftlich war sie wohl, maximal gesellschaftlich sogar: die Sprache und sprachliche Verständigung ist ja nicht einzeln möglich. Gesellschaftliches Produzieren und sich Reproduzieren spielt eine zentrale Rolle, das gemeinsame Verstehen, auch ohne Sprache, was der und die andern Mit-Produzenten vorhaben oder an (Re)Produktion brauchen, angesichts gemeinsam erlebter Situationen und Vorerfahrungen. Gewohnheiten spielen eine Rolle, eine auch ohne Sprache gut eingeübte gemeinsame PRAXIS. Vorsprachliches Handlungsverstehen wird also „versprachlicht“, die Sprache bildet die Struktur unserer kollektiven Praxis ab; schön und gut. Aber… kann, so etwas einzuführen, ein Routine-Bestandteil eben dieser Praxis des täglichen Produzierens und Sich-Reproduzierens sein? Sehen alle ein, VERSTEHEN sie, auch ohne Sprache, wie NÜTZLICH es wäre, sich sprachlich zu verständigen, und die noch fehlenden Ausdrucksmöglichkeiten einzuführen – da, wo es sie noch nie gab? (Vergleiche hier Wittgensteins TIEFE Frage: Warum denken wir? Weil es sich als nützlich erwiesen hat?)
(Taubstumme Beduinenkinder haben, so war kürzlich zu lesen, ohne Anleitung oder Anregung von aussen, eine eigene Taubstummensprache entwickelt: Allerdings hatten sie, das wird zugestanden, ständig die sprachlich vermittelte und entsprechend komplexe PRAXIS der normalen Erwachsenen, und deren immer wieder zwischengeschaltete sprachliche Interaktion buchstäblich vor Augen. Machte das nicht einen Unterschied? Eine sprachlich vermittelte Praxis weist eine Logik und Komplexität auf, die eine nicht-sprachliche nicht aufweisen kann… Wichtig auch die Frage: Wie weit diese Kinder mit ihren Erfindungen gediehen sind… wenn die Geschichte denn stimmt. Dies spezielle Szenario ist für alle Spracheinführungstheorien in jedem Fall hoch bedeutsam.)
Um die Anwort anzudeuten: Die Sprache kann nicht anders ausgebildet werden als in völlig nutzlosen, aber interessanten SPIELEN (mit der Assoziation: Wittgensteins Sprachspiele; und Schillers „Der Mensch ist nur ganz Mensch da wo er spielt.“ Nicht die Gewinnspiele der Spiel- und Rational choice-Theorie freilich…)
15 Warum sprechen wir? Weil es sich als nützlich erwiesen hat? – weil es absehbar war, dass es von Nutzen sein würde? Warum, durch welche unserer Eigenschaften, sind wir (notgedrungen?) eine oder die Art, die Sprache (und nicht irgendwelche Signalcodes, oder Affektausdrücke, Körpersprachliches) entwickelt (selbst gemacht) hat? Die Voraussetzungen, die unsere und jede Art, die dazu soll gelangen können, zu erfüllen hat, erfüllen wir noch heute.
Sie sind NOTWENDIGE Bedingungen der kulturellen Entwicklung namens Geschichte bis jetzt; aber sind sie hinreichend?
Diesen Fragen geht der letzte und vierte Darstellungs-Strang nach: Die Theorie der Gründe der Spracheinführung, und warum sie LETZTE Gründe selbst für die Notwendigkeit und Unumgänglichkeit der Brüche und Umbrüche darstellen, die in den drei anderen Strängen rekonstruiert werden: Weil die epochalen Fortschritte (religiös, modern, nachmodern, zusammen mit ihren politischen Formen) über den (heute noch allgegenwärtigen) primitiven Ursprung hinaus begründet sind in denselben biologischen Dispositionen, die uns zur Ausbildung der Sprache gebracht haben. Das heisst: Würden wir auf Dauer (bei anwachsender Erfahrung) versuchen, Normalbegründer, religiös oder modern Denkende bleiben – dann würden wir uns verhalten wie Wesen, die keine Sprache ausbilden oder haben können. Indem wir uns korrigieren, zeigen und bewähren wir, dass wir noch immer dieselben Dispositionen aufweisen wie damals – als wir dieses wichtigste Mittel zur Organisation kulturellen Lernens, aus eben diesen Motiven, erstmals ausbildeten (das uns nach aussen auftretenlässt wie EINEN nichststerblichen uniersell seine Umgebung erforschenden (und stabilisierenden) Organismus).
16 Dieser Beweis, wenn er denn geführt werden kann, und von dem diese Andeutungen nur eine vage Idee geben können (um die Beweisidee präziser zu fassen, wäre hier noch viel mehr begriffliche Vorarbeit nötig als den Lesern bisher schon zugemutet wurde), wäre quasi der Versuch aus dieser Theorie heraus eine LETZTBEGRÜNDUNG zu geben.
Und sie würde erbracht mithilfe einer notwendig-hinreichenden Definition dessen, was wir sind: Die für unser Selbst-Sein und Bleiben unerlässlich notwendige Eigenschaft der Sprachfähigkeit (definiert als Inventar aller biologischen Dispositionen, die uns als zur Spracheinführung disponierte Art auszeichnen) wird als auf Dauer auch hinreichende erwiesen (indem alles, was wir unsererseits als „hinreichende“ Weise unseres Selbst-Seins einschätzen, als damit identisch erwiesen wird).
Das wäre dann endlich eine nicht mehr mangelhafte Selbstbestimmung.
Und sie wäre praktisch bedeutsam…
Denn man kann und muss sie (darin ist sie noch immer unvollständig) präzisieren, indem man sie expliziter macht: Und damit unsere Stellung in und zur Natur langsam begrifflich, kategorial aufschliesst.
Denn mit der Natur ist es wie mit der Geschichte: Jeder Schritt zu etwas, das wir notwendig AUCH sind, obwohl wir davon eine sehr spezielle Art sein müssen, um wir zu sein (das notwendige ist nicht hinreichend)- offenbart zugleich die Möglichkeit eines VERLUSTES von Errungenschaften, von Eigenschaften, die für unser So- und Wir-Sein erst hinreichend sind.
Wir sind auch Säugetiere (wenn auch sehr spezielle), auch wir verhalten uns (wenn auch auf sehr spezielle Weise)… was heisst das?
Wir sind lebende Organismen (was für welche, verglichen mit anderen?)..
und wie ist unsere Stellung zu dem und denen, die unsere Errungenschaften NICHT teilen.. wie ist unser Verhalten eingebettet in die Gesamtheit allen Verhaltens.. unser Leben in die des gesamten Lebens?
Da gibt es noch viel zu denken und handeln, und produzierend, uns immer besser (in aufeinander aufbauend sich vervollständigenden Lebensläufen) reproduzierend, uns in die Welt hinein vorzutasten und unsere Stellung in der Natur zu bestimmen (zu definieren, zu begreifen), und damit SIE, in die wir eingebettet sind als das, mit dem IHRE, ALSO UNSERE Entwicklung zum unüberbietbaren Abschluss gelangt ist.
Die Moderne aber hat keinen Selbstbegriff – die modern denkenden Menschen haben keinen hinreichenden und notwendigen Begriff von dem, was sie ausmacht, praktisch bedeutsam, sodass es nicht verloren gehen darf, weil dann SIE mit verloren sind; UND DARUM KEINEN BEGRIFF VON NATUR. Das ist der schlimmste Vorwurf, den man ihr und ihnen machen kann (als Praxis und als Konzept dieser Praxis, als Praktikern und Umsetzern dieses Konzepts); der heutige Weltzustand führt diesen Sachverhalt drastisch vor Augen. Es gilt zu begreifen, warum er unausweichliches Resultat modernen Denkens und Handelns und der darin fehlenden Bestimmung dessen ist, was wir sind.