Spracheinführung

(Fragment)

1.
Immer, wenn Leute Absichten begründen sollen (seien es ihre eigenen oder solche, deren Ausbildung sie von andern fordern und erwarten), kann man fragen: Warum? Warum willst du das, warum sollten die, von denen du das jetzt verlangst, es wollen? Und fast immer, wenn man eine zufriedenstellende Antwort auf diese erste Warum-Frage bekommen hat, kann man gleich wieder eine stellen – darum, weil jede mögliche Antwort offenbar wieder etwas enthält, was im allgemeinsten Sinne „Absichtscharakter“ hat. Schauen wir uns das genauer an.
Alles Begründen, das durch Nennen von Gründen Absichten erklärt, entspricht auf die ein oder andere Weise dem folgenden Schema: Ich/wir hatte(n)/ habe(n) die Absicht bzw. forder(t)e(n) und erwarte(te)(n) (hätte(n) gefordert und erwartet) (jetzt, oder noch im nachhinein) von dir/euch die Absicht, jetzt oder damals diesunddies zu tun (zu versuchen), weil diesunddies der Fall ist und/oder war (=Regelanwendungsfall), und weil ich/wir dieunddie Regel befolgen wollte(n)/ will (wollen) bzw. Befolgung dieser Regel von dir/euch (ge)forder(t)e und erwarte(t)(e) (hätte)(n) (=Regelbefolgungsabsicht).
Die Bescheibung des Inhalts von Regelbefolgungsabsichten wiederum wird im allgemeinen diese Form haben:
„WENN etwas vom Typ S (für Situation) der Fall ist, DANN will/wollen wir etwas vom Typ H (zu) tun (versuchen).“
Diese Beschreibung kann durch beliebig lange Ketten von mehr oder weniger selbstverständlichen Randbedingungen ergänzt werden, etwa „… WENN H mir/uns zu diesem Zeitpunkt möglich ist“ oder „WENN ich/wir das Vorliegen einer S-Situation erkenne(n)“ usw.
Wenn man ganz genau reden will, kann man darum jede Begründung wie oben ergänzen durch eine mehr oder weniger ausführliche Nennung von konkreten Merkmalen der Regelanwendungssituation s bzw. zu erklärenden Absicht, Handlung h zu machen, aufgrund deren sie nach Auffassung des Sprechers ein Fall des in der bekundeten Regelbefolgungsabsicht genannten Typs S bzw. des Handlungstyps H sind.
Andererseits, wenn dem oder den Hörern unterstellt wird, Teile des möglichen Begründungstextes schon zu kennen, kann in der tatsächlich gesprochenen Begründung all das bekannte weggelassen werden, bis auf (wenigstens) einen Grund (andernfalls beantwortet man die Frage „warum?“ überhaupt nicht). Die Begründung, die man, wenn man sich vollständig erklären würde, ausgesprochen werden müsste, bliebe davon unberührt.

2.
Auch der Entschluss, eine Regel zu befolgen (wenigstens für eine gewisse Zeit, unter bestimmten Bedingungen), begründet also eine Absicht – jene, die Regel zu befolgen (wenigstens für diesen Zeitpunkt, unter den gegebenen Bedingungen), die der Sprecher befolgen (oder von andern befolgt haben) will, und die er in der gegebenen Situation (die er für einen Anwendungsfall dieser seiner Regel hält) DURCH diejenige Handlungsweise befolgt glaubt, die man in der auf ihren Grund (warum so?) hin befragten eigenen oder von andern geforderten Absicht sich auszuführen vorgenommen hat.
Hinter diesem Entschluss aber kann wieder eine Regel stehen (die solche Entschlüsse, in bestimmten Situationen, zu fassen gebietet), bzw. eine zu ihr passende Anwendungssituation (Vorgeschichte) stehen; und so kann es, auch mit entsprechenden Warum-Fragen, immer weiter zurückgehen bis auf letzte Regeln, wo man offenbar nicht mehr sinnvoll „warum?“ fragen kann.
Die Frage ist, was das für Regeln sein könnten – wenn es sie gibt.

3.
Man braucht die Teiläusserungen, die in einer Begründung durch WEIL verbunden sind, nur leicht umstellen, und dann wird eine Antwort draus auf die Frage: „Und was folgt daraus?“ – gestellt im Anschluss an das Bekenntnis zu einer eigenen oder von andern geforderten und erwarteten Regel, oder einen Sachverhalt, oder beides:
„Ich will (fordere/erwarte) die Befolgung von R, und s ist der Fall. (Und was folgt daraus?); ich mache DARUM h, denn h ist eine Art, H zu machen.“
Man könnte also sagen: Begründungen bringen eigentlich dasselbe zum Ausdruck wie Schlussfolgerungen; aber nicht ganz.
Denn wir müssen ja deswegen „warum?“ fragen, weil wir die BESONDEREN Gründe nicht kennen. Bloss Gründe WELCHER ART eine vorgegebene Äusserung erklären würden – das wissen wir; und also auch, nach Gründen welcher Art wir berechtigterweise in dem ganz speziellen Fall mit unserem „warum?“ fragen; und so wissen wir also auch, ob eine Antwort eben genau Gründe von jener Art liefert, die eine korrekte Antwort auf unsere Warum-Frage in diesem speziellen Fall ausmachen würde.
Hingegen bei der Schlussfolgerung ist alles klar – sie ist nicht eine Äusserung bestimmter ART, sondern ist eindeutig durch das zvor Gesagte bestimmt.

4.
Die Disziplin, die das Schlussfolgern üblicherweise untersucht, heisst LOGIK. Angenommen, jemand sagt:
„Ich will (fordere/erwarte) die Befolgung von R, R befolgen heisst in S-
Situationen eine H-Handlungsweise realisieren, s ist der Fall, s ist eine S-Situation; folgende mir (euch) jetzt mögliche Handlungen h1, h2, h3 …hn wären H-Handlungen.“
Als Logiker würde man dann fragen: Was folgt aus dem, was er gesagt hat oder sagen würde? Und man wüsste auch schon die Antwort – und zwar, OHNE NOCHMAL NACHZUFRAGEN:
„Ich (bzw. er, wenn man über den Sprecher redet, der mit „ich“ gemeint ist) will (fordere/erwarte) Ausführung von h1 oder h2 oder.. hn.“
Diese Antwort ist, wie eben schon gesagt, EINDEUTIG durch das gegeben, was zuvor gesagt wurde – der Sprecher muss nicht noch mehr sagen – diese Äusserung FOLGT einfach aus dem, was er schon gesagt hat, und er würde sich widersprechen (oder etwas von dem zuvor Gesagten zurücknehmen), wenn er dieser ihm in den Mund gelegten Äusserung nicht zustimmen würde.

5.
Man könnte sich nun aber neben der eigentlichen, der „Schlussfolgerungs-
Logik“ auch eine „Begründungs-Logik“ denken. Ein Begründungs-Logiker würde dann fragen:
„Er hat dasunddas gesagt – dieunddie Absicht bekundet (oder ihre Ausbildung von andern gefordert und erwartet), sich zu derundder Regel bekannt (ihre Befolgung gefordrt und erwartet). DARAUS FOLGT, DASS MAN IHM FOLGENDE WARUM-FRAGEN STELLEN DARF, bzw. GRÜNDE DER FOLGENDEN ART VON IHM ERWARTEN MUSS: …“
Also auch die Begründungs-Logik „schlussfolgert“; auch bei ihr ist etwas EINDEUTIG festgelegt durch das Gesagte – aber nicht die spezielle Äusserung, die der Befragte ja erst noch als Grund (Antwort auf die Warumfrage) geben muss, sondern die KATEGORIE von Äusserungen, aus denen seine konkrete gegebene Äusserung folgt bzw. erschlossen werden und durch die sie vollständig begründet werden könnte. Und diese Kategorie scheint so etwas wie ein SCHEMA der möglichen Antwort zu liefern – der Begründende und auf die Warum-Frage Antwortende muss dieses Schema mit seiner Antwort erfüllen – er muss die in seinem Fall zutreffende Belegung für das Schema angeben.
Und wenn man ganz genau sagen wollte, WORAUF der Begründungslogiker schliesst, könnte man sagen: Er schliesst darauf, dass EINE DER ÜBERHAUPT MÖGLICHEN WEIL-ANTWORTEN (weil….1…., oder weil…2…, oder weil…3…, oder… oder… oder weil…n…) bei dem andern gegeben sein muss. Zumindest dann, wenn diese „kategoriale“ Art des Schlüsseziehens und Folgerns, also eine „kategoriale Logik“, möglich und erlaubt ist.

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6.
Als „kategorial“ könnte man auch folgendes einstufen: Wir sind einfach davon ausgegangen, dass alles Begründen bei einfachen (den nächst auszuführenden) Absichten, bzw. deren Bekundung anfängt. Konkrete Absichten, bzw. die Äusserungen, in denen man sie für sich selbst bzw. als von einem von andern geforderte und erwartete bekundet werden, scheinen zwar selber begründungsbedürftig und begründbar, begründen aber ihrerseits offenbar nichts mehr, können also nicht als Antwort auf eine mögliche „warum-Frage“ dienen. Wenn das stimmt (was erst noch zu beweisen wäre!), dann wären sie so etwas wie eine GRENZKATEGORIE. Für so etwas würde sich ein „Begründungs-Logiker“ interessieren. Grenzkategorien würden entweder NUR begründet werden können, aber selbst nichts mehr begründen, oder NUR begründen, ohne selbst begründet werden zu können. Letzteres würde beispielsweise für „letzte“ Regeln gelten, bei denen, wenn es sie gäbe, sich jedes weitere Nachfragen in Gestalt von „warum-Fragen“ erübrigen würde. In jeder Begründung nach dem allgemeinen Schema, das wir oben angegeben haben, zweigt sich die Kette der Gründe auf, hin zu einem Regelteil auf der einen Seite, einer Situationsbeschreibung (einem Bericht), worin man den Regelanwendungsfall anführt, auf der andern; wenn man will, mag man die expliziten Beurteilungen von Situationen als Regelanwendungsfall und der zu begründenden Absicht als Spezialfall einer Absicht, die genannte Regel zu befolgen, unter diesen besonderen Umständen, als einen weiteren Zweig ansehen. Wenn es nun nicht immer weiter gehen soll mit den warum-Fragen, dann muss am Ende aller Zweige eine Grenzkategorie stehen – und zwar eine von der Art der „letzten“ Regeln, die begründet, ohne begründbar zu sein (und also keine warum-Fragen mehr zulässt): „letzte“ Situationsbeschreibungen bzw. Berichte, „letzte“ Beurteilungen usw.

7.
Das absichtsbezogene „warum?“ bekommt aber nun Konkurrenz.
Die Absicht, durchgehend eine Regel einzuhalten, die man als Grund für eine spezielle Anwendung dieser Regel angibt, mag ja wieder ein Absichts-„warum“ zulassen; und so mag sich, wie oben angedeutet, eine Kette von warum-Fragen entfalten lassen, die von „aktuellen“ Absichten hin zu „letzten“, womöglich immer gültigen Regeln führt. Im Zusammenhang mit den Regelanwendungsteilen der Begründung aber lässt sich dieser Gedanke nicht durchführen: „Diesunddies ist der Fall (und davor dasunddas).“ – „Warum?“ Hier scheint doch nach deutlich andrem gefragt zu werden als einer (erklärenden) Maxime für Vorsätze – das zu erklärende IST ja auch keine Absicht, weder abgeleitet, noch übergeordnet (als Regel), sondern ein Sachverhalt, dessen Bestehen festgestellt wird. Sachverhalte zu erklären bedeutet aber allenfalls, URSACHEN für sie anzugeben – soweit nicht absichtsbegründete Sachverhalte mit im Spiel sind: Handlungen (dies allerdings stellt die Behauptung, dass Absichten Grenzkategorie sind, infrage. Davon unten mehr.). Genauer verzweigt sich ja auch eine solche Kausalerklärung wieder in erklärendes Gesetz oder Disposition, und ursächlich wirksamen Sachverhalt; und gerade anders herum als im Fall der Absichten und Regeln, scheinen hier eher die Ursach-Sachverhalte eine Kette zu bilden, die Gesetzmässigkeiten hingegen aus der Kette herauszufallen.

8.
Schnell hat sich unser so einfaches Regelbefolgungsmodell kompliziert. Und es kommt noch schlimmer.
Zu einen darum, weil sich die Kategorien der verschiedenen Reihen zu verknoten scheinen: „Regeln“ könnten in Wahrheit stehen für „Ursachen“, „(Natur)Gesetze“ bzw. „Dispositionen“ hingegen könnten, grob gesprochen, so interpretiert werden, dass da eigentlich garnichts Objektives ist, sondern nur eine subjektive Regel unseres Handelns – eine Hypothese, die wir aufrechterhalten, bis sie – entsprechend einer Regel der Falsifikation, angesichts bestimmter Sachverhalte – zugunsten einer je nächsten (deren Auswahl und Konstruktion vielleicht wieder Regeln unterliegt) aufgegeben wird. Das Bestehen oder Nichtbestehen des Gesetzes zeigt sich somit nur in unserem Handeln – und kann, allenfalls, mit jeder Reihe von erlebten Sachverhalten identifiziert werden, die wir, gemäss der Regel zur Annahme von Kausalhypothesen, als deren Anwendungsfall benötigen, um bis auf weiteres (Falsifikation) die Hypothesen bilden. Also nichts als Regeln und Regelanwendungsfälle.
Zum andern bleibt es nicht bei der zweiten Art „Warum?“, die irgendwie nach Kausalerklärungen fragt. In dem vermeintlich einfachen Modell für „Regelfolgen“ kommen „Beurteilungen“ vor, nach denen man sich so erkundigen würde: „Warum (=inwiefern, durch welche seiner Merkmale) ist dies (s, h) ein Fall von… (S, H)?“ Und wer weiss, wieviel weitere Arten des „Warum?“ – Fragens sich in den Kategorienhaufen namens „Regel“ oder „Situation“ noch verstecken mögen.

9.
Es ist eine der wichtigsten Vermutungen, die in diesen Überlegungen geprüft (und wenn möglich, bewiesen) werden sollen, dass die genannten Basis-Kategorien des „Regelfolgens“, wie wir es grob und simpel oben skizziert haben, zugleich die einzigen Grenzkategorien überhaupt darstellen – dass also, mit einem anderen und eingeführteren Ausdruck, sich alle anderen Äusserungskategorien („Kategorien“) irgendwie auf sie „zurückführen“ lassen. Was, wieder in unserer Darstellungsweise ausgedrückt, bedeutet, dass sämtliche Äusserungen „anderer“ Kategorien irgendwo in der langen und sich verzweigenden Kette von Gründen ihren Platz haben, die von „letzten Regeln und „einfachsten (letzten) Situationen, und ihren (keine warum-Fragen mehr zulassenden, eindeutigen, nur noch elementar zu beschreibenden) Fortsetzungen“ zu den sich ebenso verzweigenden momentanen Absichten eines oder mehrerer, untereinander verständigter Sprecher führt. Und dies „ihren Platz haben“ heisst: diese Äusserungen, gleich welcher Art, werden durch letzte Regeln und eine Geschichte aus Sachverhalten (bzw. die für die Begründung dieser Äusserungen relevanten Teile dieser Geschichte), auf die diese „letzten“ Regeln angewandt werden, BEGRÜNDET – so, wie sie ihrerseits einen Beitrag leisten zur Begründung momentaner Absichten.

———–

9a.
Bevor wir uns der weiterführenden Frage zuwenden, ob diese „Reduktion“ allen Redens (und das heisst: Absicht-Begründens) auf Regel-Befolgungs-
Ausdrücke gelingt, soll erst einmal untersucht werden, was es mit den drei Haupt-(Grenz)Kategorien des Regelfolgens auf sich hat.
Beginnen wir mit den Absichten, ihrem Verhältnis zu Handlungen, und was es heisst, eine Absicht zu bekunden.
In diesem Zusammenhang sind zunächst drei wichtige Präzisierungen festzuhalten, deren notwendigerweise umständliche Erläuterung zwar die Ausführung des genannten ersten Programmspunkts hinausschiebt, sich für das bessere Verständnis dieser Ausführung aber als höchst nützlich erweisen wird:
Die erste Präzisierung beschäftigt sich mit der Frage, inwiefern eigene Absichten eines Sprechers bzw. deren Bekundung so ohne weiteres mit den von seiten dieses Sprechers von anderen geforderten und erwarteten Absichten zusammen abgehandelt werden dürfen – was könnte verschiedener sein als Absichten HABEN, und andererseits FORDERN?
Die zweite Präzisierung hat es zu tun mit der Frage, ob Absichten, deren Ausführung (mehr oder weniger regelmässig) GELINGT, so ohne weiteres zusammen abgehandelt werden können mit Absichten, deren Ausführung sich als GESCHEITERTER VERSUCH, SIE AUSZUFÜHREN, erweist.
Die dritte Präzisierung antwortet auf das Problem, inwieweit unsere bislang unbegründete Gleichsetzung und Vertauschung der Ausdrücke „Absicht HABEN“ und „Absicht BEKUNDEN“ berechtigt ist.
10.
Die erste Präzisierung.
Die ganze Zeit haben wir, wie schon am Anfang unserer Betrachtung über „Grenzkategorien“ unterstellt, dass Bekundung eigener Absichten eines Sprechers logisch parallelisiert werden kann damit, dass man bekundet, von anderen (Sprechern) bestimmte Absichten gleichzeitig zu fordern UND zu erwarten. Auch an diese unsre Erwartungen des Geforderten (nämlich der Ausbildung bestimmter Absichten bei Andern) sollen nämlich warum-Fragen anknüpfen können, in gleicher Weise wie an unsere Absichtsbekundungen – und zwar grundsätzlich DIE GLEICHEN, wie wenn wir selber solche Absichten bekunden würden, wie die, die wir den andern abverlangen (so, dass wir ihre Ausbidung sogar erwarten). Werden die warum-Fragen bezüglich dieser unserer Forderungen/Erwartungen an die Willensbildung Anderer beantwortet, kommt eine BEGRÜNDUNG für sie heraus – eine Begründung, die WIR offensichtlich mit dem vereinbar halten, was die Andern glaubwürdig von sich bekundet und erzählt haben. Mit anderen Worten: Diese Begründung ist virtuell IHRE – es ist die, die WIR für die von uns ihnen als vernünftige (eine andere Formulierung für gefordert UND erwartet) zugeschriebenen Absichten akzeptieren (und also ihrerseits fordern UND erwarten würden).
Wir fordern UND erwarten die so begründeten Absichten, weil wir diese Art ihrer Begründung von den andern fordern UND erwarten. Wir behandeln also die Absichten der Andern logisch ebenso wie unsere. Und nur für diesen Fall gilt, dass die Rede von eigenen Absichten logisch gleich behandelt werden kann wie UNSERE Rede bezüglich der von uns als VERNÜNFTIG anerkannten Absichten Anderer.

11.
Die Behauptung (Zuschreibung), dass Andere eine von uns sowohl geforderte als auch erwartete Absicht haben (und das aus genau den Gründen, weshalb auch wir sie fordern und erwarten- also aus den Gründen, DIE wir von den Andern fordern und erwarten) ist also sehr viel mehr als eine einfache „psychologische“ Zuschreibung. Die geforderten und erwarteten Absichten der Andern genügen denselben Begründungs-Ansprüchen, denen wir unsere eigenen Absichten unterwerfen; und auch unsere eigenen Absichtsbekundungen sind erheblich mehr als psychologisch feststellende Beschreibungen eiens Sachverhalts, der uns nun einmal so widerfahren ist, obwohl er auch hätte gänzlich anders sein können. Denn wir, wie die Andern, sind URHEBER unserer Absichten – wir entscheiden uns für sie; und dies Entscheiden ist wesentlich ein Ableiten aus und Wählen nach GRÜNDEN.
Ich rede darum ebensowenig, ja noch weniger, „psychologisch“ (einen inneren Zustand konstatierend, beschreibend) über mich, wie über andere; die Differenz zwischen dem momentan Zuschreibbaren (psychologisch gesprochen), und dem Gefordert-Erwartbaren, d.h. Gültigen, Anerkennenswerten, ist ohnehin nur bei Anderen möglich, im Moment der Rede – darum, weil es aus MEINER, UNSERER, der von aussen „Zuschreibenden“ und psychologisch Sprechenden, eine aufhebbar gedachte Differenz zu der besprochenen Person gibt – das ihr als innerer Zustand oder Vorgang tatsächlich glaubwürdig Zuschreibbare ist dann zugleich aus unserer Sicht kritikwürdig; eine solche Verdoppelung kann es aus der Perspektive der ersten Person aber nicht geben, denn in den eigenen Augen Kritikwürdiges sagen bedeutet zugleich, es zu widerrufen und nicht mehr zu äussern.

12.
Ein Sprecher kann mithin nicht psychologisch über sich sprechen, so wie über andere, weil er im Moment der Rede nicht zu sich selber jene (hoffentlich durch Kritik) überbrückbare Differenz unterhalten kann, wie zu andern; für die Vergangenheit hingegen ist es wohl möglich: er kann an jedem späteren Zeitpunkt die Kritikwürdigkeit eigener Äusserungen zu einem früheren Zeitpunkt entdecken – was immer auch gleichzeitig bedeutet, dass er sie zu diesem späteren Zeitpunkt zurücknimmt.
Getrennt davon kann er, ebenso wie andere ihm gegenüber, eingestehen, dass Äusserungen bewusst seine innere Verfassung nicht korrekt wiedergaben. Und ganz ähnlich, wie er die GÜTLIGKEIT oder Nicht-Kritikbedürftigkeit seiner Äusserungen selbst nur beteuern kann, ohne ihr irgendetwas hinzuzufügen, so kann er sich im Moment der Rede nicht Glaubwürdigkeit zu- (ausser im beteuernden Sinn) noch absprechen – ein performativer Widerspruch. (Ähnliches gilt für die Einschätzung seiner Äusserungen als überhaupt verständlich, keine Versprecher, korrekt formuliert etc.)
Um eine Äusserung, sei es eine eigene in der Vergangenheit, sei es die eines anderen Sprechers jetzt oder früher, KRITIKWÜRDIG zu finden, muss man sie erst einmal für verstehbar (im jeweiligen Kontext) erklären können, und um speziell die Feststellung der Kritikwürdigkeit für relevant zu halten, muss man obendrein das kritikwürdige Material für wenigstens subjektiv ehrlich geäussert halten können. Fehlerhafte Äusserungen können wir uns mannigfache denken, und ihre Kritikwürdigkeit feststellen – praktisch Sinn macht diese Rede doch nur, wenn wir es tatsächlich mit einer konkreten Fehlhaltung bei jemandem zu tun haben, auf deren Berichtigung es ankommt. Sie muss also sinnvollerweise dem Betreffenden zuschreibbar sein.

13.
Wir wollen, für später, diese Art von Prädikaten im Auge behalten – wie die genannten: (k)eine überhaupt verstehbare Äusserung sein, (k)eine im gegebenen Kontext grundsätzlich mögliche und Sinn machende, verstehbare Äusserung sein, (zwar) sinnmachende, und (/aber) (un)glaubwürdige Äusserung sein, oder (zwar) glaubwürdige, und (/aber) (nicht) kritikwürdig sein. Ihnen gemeinsam ist, dass ein Sprecher sie sich nicht sinnvoll im Moment der Rede selber sinnvoll zu- (ausser im beteuernden Sinn) noch absprechen kann (letzteres nur, indem er einen performativen Widerspruch begeht); dass, sie ANDEREN Sprechern zu- oder abzusprechen, etwas ähnliches darstellt wie die Zuschreibung eines inneren, „mentalen“ Zustands: dass sie sprechen können, in diesem Kontext etwas meinen, lügen, sich irren, oder auch nicht usw.; tatsächlich gibt es keine Äusserung eines Sprechers, die nicht, ihrem Inhalt nach, Gegenstand einer pyschologischen, also „mentalen“ Zuschreibung werden könnte, selbst wenn man diesem Sprecher beispielsweise Unglaubwürdigkeit zuschreibt – man sagt dann quasi: er ist nicht in DIESEM inneren Zustand (den er uns vortäuschen möchte), sondern in JENEM; und diese Bezugnahme auf einen möglichen Geisteszustand rechtfertigt, dass wir in die Bezeichnung dieser Prädikate den Bestandteil “ -mental“ für diese immer mit-bezeichnete psychologische Komponente aufnehmen. Doch dieser psychologische Zustand, der hier jeweils angesprochen ist, wird zugleich Gegenstand einer BEWERTUNG durch den Aussenstehenden – einer Bewertung, die etwas zu tun hat mit der Möglichkeit der Zuschreibung mentaler Zustände bei dem bewerteten Sprecher auf Dauer und überhaupt: Und darum sollen diese Prädikate METAMENTAL heissen.

14.
Wir sagen also beispielsweise: „Diese Äusserung bedeutet diesunddies“; wer sie glaubwürdig äussert, ist in demunddem (durch die Äusserung zum Ausdruck gebrachten) inneren Zustand (bzw. der betr. Vorgang hat sich bei ihm ereignet) – und so WÜRDE dann unsere Zuschreibung lauten – WENN wir nicht, beispielsweise, sagen müssten: „…aber das diese Äusserung hervorbringende Wesen spricht diese Sprache garnicht.“
Oder: „Der Sprecher meint mit der Äusserung A das, was er selbst sonst, oder in der Sprache, in der er sich ausdrückt, mit einer Äusserung des Ausdrucks „B“ sagen würde“; wieder gibt es diesen Bezug zu inneren Zuständen oder Vorgängen, die wir bei GLAUBWÜRDIGER Äusserung von „A“ oder „B“ bei Sprechern dieser Sprache ihnen zuschreiben würden.
Für das metamentale Prädikat „unglaubwürdig“ haben wir diese Überlegung gerade angestellt, in ihr wird Bezug genommen auf einen inneren Zustand oder Vorgang, der dem betreffenden Sprecher gerade ABgesprochen werden muss (ein Zustand oder Vorgang, den wir ihm aber ZUschreiben müssen, wenn wir seine Äussserung glaubwürdig finden.)
Und „kritikwürdig“ schliesslich ist eine Äusserung, wenn wir dem Sprecher den betreffenden kritikwürdigen inneren Zustand oder Vorgang zwar attestieren müssen, aber zugleich uns selber durch unsere Bewertung dieses Zustands oder Vorgangs darauf festlegen müssen, ihn davon abzubringen, auf Dauer.

15.
Und dies darum, weil der Sprecher sonst irgendwann überhaupt nicht mehr verständlich wäre, und auf Dauer nicht mehr als Sprecher verstanden werden könnte: wenn sein Äussern von bedeutungslosem Lallen, oder einem in sinnlos und wirr durcheinander und unpassend geäusserten Ausdrücken „fremder“ Sprachen“, oder ständigen Formulierungs-Fehlgriffen, ständigem Lügen, ständigem Sich Irren nicht mehr zu unterscheiden wäre. Und diese Reihe selber – die Reihe des sukzessiven Versagens an durch die metamentalen Prädikate formulierten Ansprüchen – sie läuft in all ihren Momenten auf ein und dasselbe hinaus, nämlich die Unverständlichkeit des auf Dauer so zu beurteilenden Sprechers. – Wenn aber richtig ist, was wir hiermit behauptet haben wollen, dass sich an der metamental positiven Bewertbarkeit der Äusserungen eines Sprechers auf Dauer zeigt, ob er überhaupt spricht, etwas meint, lügt oder nicht lügt, begründet oder nicht begründet, als Äussernder ernstzunehmen ist und ÜBERHAUPT IN DER LAGE IST, INNERE ZUSTÄNDE UND VORGÄNGE von uns zugesprochen zu bekommen, die über diejenigen hinausgehen, die wir bereits Tieren (aufgrund der Beobachtung ihres Verhaltens oder Kenntnis ihres Funktionierens) zuschreiben können: dann bedeutet das ABSPRECHEN dieser metamentalen Qualitäten hinsichtlich seiner Äusserungen letztlich, einem Sprecher jene Qualität als ganze absprechen, die ihn zum Subjekt bzw. Träger zuschreibbarer innerer Zustände und Vorgänge, kurz: Träger eines Inneren, Subjekt, Person macht, und ihn, hinsichtlich der Zuschreibbarkeit innerer Zustände, bestenfalls auf das Niveau von nur aufgrund ihres Verhaltens (und Verhaltensdispositionen) beurteilbaren Wesen zurückfallen lässt.

16.
Und auch diesen Unterschied zwischen „bloss“ sich verhaltenden Wesen einerseits, und Personen, als hinsichtlich ihrer inneren Zustände und Vorgänge einschätzbare Wesen andererseits, wollen wir für später festhalten – vor allem die Frage, welches eigentlich die Inhalte sind, die notwendig über das „Tier“-Niveau hinausgehen, und was sie mit der Möglichkeit des Mit einem Wesen reden Könnens, und der POSITIVEN metamentalen Bewertung seiner Ausserungen auf Dauer, zu tun hat.
Die Tatsache, dass die Glieder der Reihe metamentaler „Ausfälle“, die wir oben aufgeführt hatten, alle irgendwie auf das Gleiche, nämlich den Verlust der Zuschreibbarkeit von Sprachlichkeit bei einem Wesen überhaupt, hinauslaufen, könnte ein erster Hinweis sein, dass die „höheren“ Glieder dieser Reihe irgendwie Ausdifferenzierungen und blosse Konsequenzen der Sprachlichkeit eines Wesens darstellen – dass es also bloss deshalb innere, mentale, psychische Zustände und Vorgänge (die über das Verhaltens-, also „Tier“ – Niveau hinausgehen) „glaubwürdig“ äussern und sinnvoll zugeschrieben bekommen kann, WEIL es spricht – dass also mentale Zustände und Vorgänge aufzuweisen auf Dauer nichts andres ist, als die Bedingungen der Zuschreibbarkeit von Sprachlichkeit erfüllen, so wie zu Beginn, als man allmählich dem Wesen diese Eigenschaft zuerkannte, eine Sprache mit uns zu sprechen, bedeutungstragende Verhaltensweisen zu zeigen, die in regelmässigen Zusammenhängen mit unseren Erwartungen (und Zuschreibungen) stehen. Die metamentalen Prädikate würden dann ihrerseits nichts anderes darstellen als die für immer komplexere Anwendungsbedingungen passende Feststellung, dass das Wesen die BEDINGUNGEN DER VERSTEHBARKEIT BESTIMMTER SEINER VERHALTENSWEISEN ALS ÄUSSERUNGEN EINES BESTIMMTEN ÄUSSERUNGSTYPS weiterhin einhält.

17.
Man begreift, auf dem Hintergrund dieser Andeutungen, vielleicht die Bedeutung unserer „kategorial-logischen“ Betrachtung. Sie läuft auf nichts anderes hinaus, als die Sortierung sämtlicher möglicher Äusserungen nach („Sprechakt“-)Typen vorzunehmen – was, wenn die eben gemachte Behauptung zutreffen würde, ZUGLEICH AUCH eine Sortierung von METAMENTALEN PRÄDIKATEN, und GELTUNGSWERTEN, AB- und ZUSCHREIBBARKEITSBEDINGUNGEN MENTALER ZUSTÄNDE UND VORGÄNGE, SOWIE EINFÜHRBARKEITSBEDINGUNGEN bezüglich der jeweiligen Sprechakt- oder Äusserungsklasse bedeuten würde. Und man begreift vielleicht den Sinn des Ansatzes, diese Sprechakte nicht als Aggregat sinnlos nebeneinander her bestehender „Sprachspiele“ anzusehen, von denen einige genausogut fehlen könnten, wie sie ausgebildet sein können – sondern im Begriff der vollständigen Begründung (und der Hierarchie der möglichen warum-Fragen und Antworten darauf) einen LEITFADEN zu sehen, an dem sich die Rekonstruktion der Einführungsbedingungen für sprachliche Gebilde orientieren kann, und damit den Begriff der (vollständig ausgebildeten) SPRACHE, und damit auch der für die Eigenschaft, Person zu sein, wenn wir recht haben, entscheidende Begriff der SPRACHLICHKEIT, DER FÄHIGKEIT MIT UNS EINE SPRACHE AKTUELL ZU SPRECHEN, ODER WENIGSTENS ZU LERNEN ODER AUSZUBILDEN, vollständig auseinanderlegen und entfalten kann.
Würde diese Klärung in verbindlicher und für alle nachvollziehbare Weise gelingen, so wäre eine maximal differenzierte Quelle für Rechtfertigungen etabliert, warum das Nicht-Einhalten bestimmter Geltungswerte durch einen Sprecher auf Dauer notwendig dazu führt, ihm metamentale Prädikate, aber damit auch mentale Zustände und Vorgänge, Subjektivität insgesamt also, vorübergehend oder auf Dauer absprechen zu müssen.

18.
Es ist also so: Wenn, was wir von Andern fordern, uns sinnvoll begründet erscheint, dann werden wir die Annahme unserer Forderung, mitsamt der Begründung von den Andern fordern und erwarten, dergestalt, dass sie, was wir fordern und erwarten, glaubwürdig als ihre Absicht dafür bekunden, und wir ihnen diese Absicht also zurecht zuschreiben können – so, wie wir unsere eigne bekunden und begründen. Obendrein aber können wir ihnen auch alle GRÜNDE für diese Absicht(en), in Gestalt innerer Zustände und Vorgänge, zuschreiben, die zu der Begründung gehört, insbesondere alles Wissen (spätestens, nachdem wir es ausgetauscht haben). Den andern geht es aber mit uns genauso – am Ende sind wir alle zusammen dann über das, was wir tun wollen und nach bestem Wissen und Gewissen auch tun werden, verständigt, und begründen dieses unser Tun in völlig gleicher Weise. Es ist in DIESEM Zustand der vollständigen Verständigung, dass die pluralen Absichtsbekundungen logisch nicht mehr von den Absichtsbekundungen eines einzelnen Sprechers verschieden sind – nur, dass sie eben von allen Beteiigten in der ersten Person Plural („wir“) vorgetragen werden; auch die Begründungen würden dann gleich lauten. – Durch die Formulierung „fordern UND erwarten“ im Bezug auf Absichten, die noch nicht in der ersten Person pluralfähig sind, soll angedeutet sein, dass der betreffenden Sprecher diese objektive (und den andern einleuchtend zu machende) Plural- ebenso wie Begründungsfähigkeit seiner Forderungen an andre unterstellt.

19.
Das wechselseitig Geforderte und Erwartete ist nicht willkürlich gewählt, sondern BEGRÜNDET (in diesem Rahmen mag übrigens ein grosser Spielraum für indifferente, hinsichtlich der Gründe keinen Unterschied machende Realisierungen des Gefordert-Erwarteten liegen). Das, was einfache Bekundungen oder psychologische Zuschreibungen von Absichten zu diesem Rang erhebt, ist die Begründung – die Gründe selbst wieder sind von der Art, dass Anerkennung ihrer Geltung (und ihrer Bedeutung für das Begründete) gefordert und erwartet werden darf. Diese Bedeutung kann sogar antizipiert werden – es kann Leerstellen in Begründungen geben, die durch Bekundungen der Anderen erst gefüllt werden müssen – aber wir können immerhin hypothetisch sagen, welche Bedeutung welche Bekundung HÄTTE – und auch dem müssten sie zustimmen. Von daher also nochmals die Notwendigkeit, sich darüber klar zu werden, welche Stellen in einer vollständigen Begründung gefüllt werden müssen – in welchen Hinsichten das wechselseitig Geforderte und Erwartete verschiedener mitienander Sprechender bestimmt sein kann und muss, um die wechselseitig gefordert-erwarteten Absichten zu begründen (und damit das Bekundete der einen mit dem Gefordert-erwarteten der Andern übereinstimmen zu lassen). Das heisst, die Beteiigten sollten irgendwann feststellen können, woran (an Gründen welcher Art) es liegen könnte, wenn Bekunden der Einen und Fordern-Erwarten der Andern divergieren.

20.
Wenn es aber eigentlich die Begründungsstruktur ist, die die Möglichkeit vollständiger Verständigung erzeugt, dann müssen wir, angesichts der engen logischen Verbindung zwischen Bedeutung, Sprachlichkeit, Personalität, Geltungswerten und metamentalen Prädikaten vielleicht als starke Vermutung aussprechen: dass es die gemeinsame kategoriale Struktur des Begründens, die gemeinsame LOGIK des Ableitens von Gründen aus Erfahrungen und erfahrungsbegründeten Regeln, nach LETZTEN Regeln, die ihrerseits nicht mehr erfahrungsbegründet ist (ursprünglichen Logik-begründenden Regeln), die die wechselseitige Verstehbarkeit von Sprechern begründet: die es nämlich erlaubt, angefangen bei ihren Absichten, wechselseitig je ernsthaft Bekundetes der Einen in Erwartbar-Gefordertes (und Zuschreibbares) der Andern zu übersetzen, und so durchgehend durch die ganze Reihe der dahinterstehenden Gründe: die miteinander verständigten Sprecher sagen FAKTISCH ALLE DAS GLEICHE (realisieren dieselbe Bedeutung bloss mit verschiedenen Sprachorganen, vielleicht auch verschiedenen, aber dennoch synonymen Ausdrucksformen); und alles ernsthaft geäusserte zuvor zielt auf diesen Zustand, wird geäussert mit dem Anspruch, Beitrag zu diesem von allen in gleicher Weise Sagbaren, nämlich GÜLTIGEN, zu sein.

21.
Gültig aber nicht aufgrund eines kontingenten Konsenses, sondern darum, weil nur so die Bedingungen des Sprechens, etwas Meinen-Könnens, Sich Verständigens, des Person-Seins und personale (mentale) zustände und Vorgänge zuschreben und zugeschrieben bekommen Könnens auf Dauer aufrechterhalten werden können. Und diese Bedingungen in ihrer Gesamtheit fallen, nach unserer Vermutung, mit Logik, dem Regelsystem für die Ableitung von (kollektiven) Absichten aus (ausgetauchter, abgeglichener kollektiver) Erfahrung zusammen – der Logik des Begründens.
Wenn das stimmen würde, so wäre auch zuletzt verständlich, warum wir die Ausdrucksweise „gefordert UND erwartet“ verwenden mussten. Die Forderungen an Andere müssen begründet sein; und sie müssen so begründet sein, dass ich ihre Erfüllung von den Andern ALS Personen, auf Dauer erwarten können muss – weil sie Kriterien dafür sind, dass die Andern immer noch das sind, als was sie sich urspürnglich erweisen haben (weshalb man überhaupt auf den Gedanken kommen kann, an sie Foirderungen zu stellen): sprachfähige, verständigungsfähige, begründungsfähige Wesen. Würden diese Forderungen nicht entweder von ihnen korrigiert, oder auf Dauer erfüllt, dürften sie nicht etwa durch andere Forderungen ersetzt werden, mit denen man erneut einen Test auf ihre Zustimmung machen könnte – das DÜRFTE man garnicht, denn ernsthaft Gefordertes wird ja mit Gründen gefordert, die auch für die Andern Geltung haben müssten, man DÜRFTE garnichts andres von ihnen fordern als eben dies Begründete – , sondern das Fordern an die Andern müsste überhaupt sinnvollerweise fürs erste aufgegeben werden. Denn nur an Sprachfähige kann man Forderungen stellen.

22.
Erfahrung kann man austauschen, auf Dauer; was immer an Tatsachen in die Bergündungen eingeht, kann irgendwann geteilt werden von allen Beteiligten. Das, was begründet wird, ihre kollektiven Pläne, ist ohnehin auf Dauer nicht von dubiosen Einzelfällen in einersich immer weiter entfernenden Vergangenheit abhängig, von deren korrekter Widergabe viel abhängen würde, sondern ist Reproduktion, täglich sich wiederholende und erfolgreich sich betätigende Arbeit an und in einer Natur, die das Wissen über sie in ständig ineinandergreifenden Produktionsakten Tag für Tag und Produktions-Zyklus für Produktions-Zyklus bestätigt. Ähnliches gilt auch für die Bedingungen der Reproduktion der Handlungsspielräume der Beteiligten; wenn es keine einigermassen festen regeln gibt, wie diese verlässlich zu reproduzieren sind, mit anderen Worten: wenn die Bedürfnisse nicht feststehen, deren Erfüllung zur Wiederkehr der normalen Handlungsfähigkeit führen, fällt alles Handeln und geselslchaftliche sich Reproduzieren ohnehin in sich zusammen. DIESE Erfahrungsgrundlage des kollektiven Planens und Sich Verständigens darüber kann also grundsätzlich zur gemeinsamen gemacht werden.
Der entscheidende Punkt sind die LETZTEN Regeln – jene, die unveränderbar am (logischen) Anfang und (analytischen) Ende allen Begründens stehen; jene Regeln, aus denen sich, im Verbund mit irgendwelchen ersten Erfahrungen weitere, abgeleitete Regeln ergeben, und so weiter bis zu jenem Regelapparat, der zusammen mit aktuellen Erfahrungen jenes (abgeleitete, veränderliche) „Regelwissen“ darstellt, das unsere aktuellen Forderungen und Erwartungen aneinander, vor allem aber unsere kollektive, arbeitsteilige Reproduktion, bestimmt.
Dass sie mit den den Bedingungen von Sprachlichkeit zusammenfallen, ist zu beweisen.

————–

23.
Diesen Beweis mit vorbereiten helfen wird die bereits oben angekündigte Zweite Präzisierung.
Die Realisierung aller Absichten ist notwendig ein (meist erfolgreicher) VERSUCH sie auszuführen, auch wenn das nicht so ausgesprochen wird (man behält den Ausdruck „versuchen (wollen) zu tun“ praktischerweise dem nicht gewöhnlichen Fall vor, wo an der vollständigen Ausführbarkeit einer Absicht Zweifel bestehen). Ausnahmslos JEDE Absicht kann noch so gut begründet sein, und sich dennoch als unerwartet unausführbar erweisen; so kann auch darüber, ob jemand eine von ihm (im vor- oder nachhinein) bekundete Absicht tatsächlich hatte, und noch dazu eine vernünftig begründete, sein äusseres Verhalten nicht allein entscheiden; sonst könnte es ja die Möglichkeit des Misslingens und Nicht-Könnens (und seine Zuschreibung) nicht geben: das unerwartete Nicht-Zusammenpassen also von Absicht und Verhalten. Es stehen mithin, bei Andern ebenso wie bei uns selbst, alle Absichten (die wir ausdrücken können durch Absichtsbekundungen der Form „Wir werden dasunddas tun…“ bzw. „wir wollten dasunddas tun…“), sie mögen bekundet sein oder nicht, wie bereits festgestellt, unter dem Vorbehalt: „… wenn wir (es, wie gewohnt) können (bzw. können würden), und da (noch) nichts dafür spricht (bzw. sprach), dass wir es nicht können würden)“; und nur unter diesem Vorbehalt, dass nämlich das begründet Beabsichtigte zum Zeitpunkt des Versuchs, es auszuführen, im Handlungsspielraum des Beabsichtigenden liegt, kann man sagen: HANDLUNGEN (und nicht Absichten) werden begründet.

24.
Dass eine ursprünglich gehegte Absicht (sie mag zu diesem Zeitpunkt bekundet worden sein oder nicht) nicht ausgeführt wird, muss nicht nur auf Unvermögen beruhen: es kann auch die Absicht aufgegeben worden sein. Doch dazu bedarf es eines Grundes, der neu hinzugekommen sein muss: eine glaubwürdige Mitteilung, ein Erlebnis, oder das nachträgliche Aufmerksamwerden auf einen Irrtum in der Begründung der ursprünglichen Absicht. In diesem Gedanken ist mit die wichtigste Grundlage dafür versteckt, dass jemandes Absichtsbekundung unabhängig von der Ausführung glaubwürdig ist – vor allem dann, wenn sie NICHT asugeführt werden konnte. (Auch die Bekundung, man habe etwas, das wie eine absichtliche Handlung aussah, SO NICHT gewollt, ist ein spezieller Fall des Nicht-Zusammenpassens, der hier mitbetrachtet werden muss.)
Dass hinter einem Verhalten eine Absicht steckte, der es nicht entsprach, oder eine, die IHM nicht entsprach (es war nicht so gewollt, oder garnicht), dafür müssen trivialerweise erst einmal zwei Bedingungen erfüllt sein:
Erstens, sowohl das Verhalten, auf das sich die unerwartet nicht ausführbare Absicht bezieht, als auch das keiner Absicht entsprechende Verhalten muss im Normalfall durch Absichten kontrollierbar sein – es muss im Handlungsspielraum des Betreffenden liegen.
Zweitens, die Absicht (im Fall des Misslingens) muss vernünftig begründet, oder, falls fehlerhaft begründet, muss wenigstens der ihr zugrundeliegende Fehler glaubhaft sein; im Fall des so nicht beabsichtigten Verhaltens darf nicht ein Motiv vorliegen, die Unabsichtlichkeit vorzutäuschen (sonst wird es schwierig). Es kommt aber noch eine weitere Bedingung hinzu, die zum Zeitpunkt des Ausfalls und der Verhandlungen über seinen Status noch garnicht umgesetzt werden kann:
Drittens, die Tatsache des Misslingens muss Beachtung finden, erinnert werden, und im Fall einer Häufung Anlass ENTWEDER zu einer Suche nach den Bedingungen einer Vermeidung werden, die künftug zu beachten sind, ODER die betreffende Handlungsweise muss als aus dem Handlungsspielraum der betreffenden Person ausgechlossen angesehen werden, und darf nicht mehr, wie vorher, einfach angekündigt (und auch nicht, falls das vernünftig begründbar wäre, gefordert-und-erwartet) werden.

25.
Also: Es geht immer um Verhalten, das im Handlungsspielraum gelegen hat, und unerwartet auf einmal durch den nachvollziehbar und glaubwürdig begründeten Willen des Betreffenden nicht mehr kontrollierbar ist; und dann ist die Frage: war dies ein einmaliges Ereignis, oder häuft sich da etwas, gibt es Bedingungen, unter die die urspürnglich unebdingte Ausführungs-Fähigkeit tritt, oder ist sie erst einmal oder auf Dauer verloren gegangen. Grob gesagt, geht es also um eine Änderung des Handlungsspielraums der betreffenden Person.
Welchen Status haben Zuschreibungen bezüglich des Handlungsspielraums? Sind sie beispielsweise metamental, und wenn nicht – was dann?
Vergleichen wir in diesem Zusammenhang folgende Äusserungstypen:
(1) Die Bekundung meiner, seiner, ihrer Absicht bzw. von (Un)Absichtlichkeit IST GLAUBHAFT.
(2) Ich HABE dieunddie Absicht/ er, sie hat dieunddie Absicht.
(3) Ich KANN (jetzt) (NICHT) Absichten von derundder Art ausführen (var. kann/könnte dieunddie Absicht jetzt ausführen). Er/sie kann…
(4) Diesunddies Verhalten war, so wie geschehen, (nicht) ABSICHTLICH (beabsichtigt).
Es ist offensichtlich, dass sich Fragen nach der Absichtlichkeit oder Nichtabsichtlichkeit (nach dem so, wie stattgefunden, nicht beabsichtigt gewesen sein) eines Verhaltens nur auf dem Hintergrund erheben können, dass die betreffende Verhaltensweise normalerweise von dem Betreffenden gekonnt wird.

26.
Vorzutäuschen, dass ich etwas tun oder unterlassen kann, was ich nicht tun oder unterlassen kann, ist unmöglich: Ich kann angesichts von Nichtvorhandenheit von Handlungsspielraum nicht Vorhandenheit simulieren.
Wohl aber kann ich bei Vorhandenheit von Handlungsspielraum seine Nicht-
Vorhandenheit simulieren, d.h. ich kann das Ausmass und die Reichweite meines Handlungsspielraums DISSIMULIEREN: Ich kann bei gegebner Ausführbarkeit (Machbarkeit) einer Absicht ihre Nicht-Ausführbarkeit vortäuschen, und ich kann, bei gegebner Kontrollierbarkeit (Unterlassbarkeit) eines Verhaltens, seine Unkontrollierbarkeit vortäuschen. Notwendig für dies letztere Vortäuschen ist freilich, dass ich, was ich kann, nicht will – und angesichts dieses Nichtwollens auf ein Nichtkönnen hinausreden will.
Der Grund für die Asymmetrie zwischen der Dissimulierbarkeit von vorhandenem und nicht vorhandenem Handlungsspielraum ist, dass ich natürlich bereits bei der Probe, bei der ich meine Fähigkeit (das Zeigen oder Unterdrücken eines Verhaltens) unter Beweis stellen könnte, dies absichtlich unterlassen kann. Auch dafür habe ich schliesslich Spielraum. Das schlimme Verfahren, mich zum BEWEIS meiner behaupteten Unfähigkeit zu bringen, besteht darin, von aussen ein extrem starkes Motiv zu schaffen, von meiner Fähigkeit, wenn sie denn vorhanden wäre, doch noch Gebrauch zu machen, um einen mir drohenden Schden abzuwednen – einen, der so schlimm ist, dass keine Vortäuschungsmotiv mehr denkbar ist, das die Unterlassung dieser Abwehrhandlung rechtfertigen könnte – so, das ich sie wirklich nur noch unterlasse, wenn ich nicht anders kann; im andern Fall aber muss ich sie, aus diesem Anlass, auch gegen meinen (ursprünglichen) Willen vorführen.

27.
Der eigentliche Witz ist aber noch nicht erfasst. Das NICHT absichts-
gesteuerte Verhalten ist ja auch IRGENDein Geschehen – sei es ein In-
Ruhe-Bleiben, sei es ein Bewegtsein. Und dies Geschen wird nicht, nie, keiner je denkbaren Absicht gemäss (so müssen wir uns ausdrücken) modifiziert – weil wir es eben nicht zu unseren Gunsten modifizieren können, aus dem Stand, „allein durch unseren Willen“. DASS modifiziert wird, scheint erst einmal unmittelbar gebunden an die ZWECKMÄSSIGKEIT der Modifikation – das UNmodifizierte, dessen Verlauf wir kennen müssen, um dies Urteil fällen zu können, muss deutlich weniger oder gar nicht zweckmässig sein, verglichen mit der absichtsgeleiteten Modifikation des Verlaufs. – Nun gibt es aber eine zweite Art, Willentlichkeit, Absichtlichkeit und absichtliche Modifizierbarkeit eines Geschehens zu demonstrieren: nämlich durch WILLKÜRBeeinflussung – sei es, indem wir uns durch willkürliche „Befehle“ zur abwechselnden Ausführung des Gekonnten bringen lassen, sei es, dass wir selbst Willkür-Ankündigungen machen, und sie gleich darauf ausführen. Wobei man von uns erwarten wird, dass wir die so, spielerisch, gezeigten Fähigkeiten auch zu unserenGunsten einsetzen werden, wenn es ernst wird. Und es sind genau die so, auf eine der beiden Weisen demonstrierten Handlungsfähigkeiten, deren Nicht-Einsatz in solchen Fällen, „wo es ernst wird“, den Beweis für ihren (momentanen oder endgültigen) Verlust liefert. Wie aber, wenn die Situation für einen BEWEIS nicht ernst genug ist?

28.
Dann tritt, als Reservefall, der ein, den wir oben bereits genannt hatten: der von der Fähigkeits-einbusse Betroffene bekundet sein Unvermögen, als eine REGEL für weiteres Handeln: es muss, in verschiedener Form, Beachtung finden. Gewiss wird er das Gelingen von Handlungen, die dies Vermögen voraussetzen, nicht mehr einfach in seinen Plänen unterstellen – er wird versuchenmüssen,ohne diese Handlungen auszukommen; falls er Hinweise hat, welches die Bedingungen der Wiederherstellung des verlorenen Vermögens sein könnten, wird er diese zu realisieren versuchen, spätestens, wenn er in seinen Plänen auf die verlorene Fähigkeit angewiesen ist usw.
An die Stelle einer nicht realisierten oder nicht realisierbaren Absicht tritt so ein ganzes Bündel von Ersatz-Absichten, zu deren Ausführung (soweit sie nun ihrerseits nicht noch einmal behindert sind) der Betreffende sich verpflichtet. Aber warum muss er sich verpflichten? Was sollte ihn dazu zwingen, diesen Ersatz für das Verlorene zu schaffen?
Wir hatten gesagt: Modifizierbarkeit eines ansonsten diese Eigenschaften NICHT aufweisenden Geschehens entsprechend Zweckmässigkeit oder spielerischer Willkür zeigt an, dass es Absichtscharakter bekommt – dass im Zusammmenhang damit gefragt werden darf, ob die Person, deren Handlungsspielraum das betreffende Geschehen gutgeschrieben wird, zu diesem Geschehen passende Absichten hat, oder nicht. Wie, wenn nun nicht nur ein Ausschnitt des Handlungsspielraums der Person verlorenginge – wie, wenn in ALLEN Dimensionen, die Zwecke oder spielerische Willkür realisierten, nur noch Sinnloses, Schädliches, Nicht-Hilfreiches, oder „Starres“ sich ereignet: woran würden wir dann erkennen, dass wir es noch mit einer Person zu tun haben?

29.
Nun: Gewiss daran, dass sie noch spricht (wenn sie spricht), und uns wenigstens sagen kann, was sie tun würde, wenn sie könnte; und in der Richtung ihres Tuns, das sie, aller Verluste an Fähigkeiten zum Trotz, vor uns entwerfen würde, würde zugleich wohl ihre Erfahrung, und die speziellen Interessen, die sie darin ausgebildet hat, also ihre besondere Individualität aufscheinen. Aber wieso KANN diese Person sprechen – worin besteht es, sprechen zu können, mit Bezug auf Absichten und Absichtlichkeit? Wie kommt es, dass jemand uns sagen kann: Ich will dies – jenes nicht, und: Dies war gewollt, jenes nicht, und: Ich kann dies, und jenes nicht, oder nicht mehr, und: Dies ist/war absichtlich, jenes nicht?
Dass die Äusserungen der Person uns überzeugen können davon, dass Zweckmässigkeit und Willentlichkeit (Wahlfreiheit) bei ihr nicht verlorengegangen sind, wenn sie an den Verhaltensdimensionen, an denen sich diese Eigenschaften zuvor gezeigt hatten, nicht mehr erkennbar sind, dann muss das daran liegen, dass im Sprechen, vor allem im Bekunden von Absichten, diese Eigenschaften ebenso gut zeigen können wie am Handeln selbst. Das aber, worin diese beiden Eigenschaften, Zweckmässigkeit und Freiheit, am innigsten verschmelzen, ist das VERSUCHEN: es muss zweckmässig sein, aber auch etws Neues, kein bloss mechanisches Weiterlaufen von Selbsterhaltungs-Routinen. Und: Es muss scheitern können, ohne dass man daran zweifeln darf, dass hier ein Versuch scheitert – dass wirklich etwas versucht worden ist, und was. (Nur so kann auch beschrieben werden, aus welchen gescheiterten Versuchen gelernt wurde.)

30.
Das Reden garantiert jene durchgängige Sichtbarkeit, ersichtliche Intaktheit und Zweckmässigkeit, die sich spätestens im (erfolgreichen) Ende und Resultat bemerkbar machen muss, die das Verhalten von TIEREN auszeichnet – ohne diese Eigenschaften wäre ihnen garkein Verhalten (zweckmässiges, der Selbsterhaltung Dienendes Reagieren auf differenzierte Situationsaspekte, Lernen usw.) zuschreibbar. Selbst da, wo Tieren Versuche, Versuchsverhalten (Explorieren, Neugierde, Experimente) zugeschrieben werden, müssen sie am Ende erfolgreich sein; beim Tier, als dem BLOSS sich verhaltenden Wesen, ist der Begriff des „Geplanten, aber leider gescheiterte Versuchs“ nur in Ausnahmefällen, indirekt, anwendbar – nicht durchgängig lässt sich sein Verhalten beschreiben als ein EINZIGER GROSSER EXPERIMENTELLER PLAN, den es abarbeitet, und bei dem es sieht, wie weit es kommt – wo und an welchen Stellen es scheitert, um so herauszufinden, welche unter den möglichen
Welten diejenige ist, in der es (versuchsweise), mit diesem seinem Leib (als einem Weltteil) agiert.
Dass redende Wesen tatsächlich ihre Sprachlichkeit auf Dauer nur bewähren, wenn sie diesen Plan verfolgen – dass Reden sich, auf Dauer, nicht aufrechterhalten lässt, ohne sich in diesem Sinn universell experimentell zu verhalten: das muss und soll später bewiesen werden.
Was hier aber zu zeigen wäre, ist: Wie die Dimension der Zweckmässigkeit und der Wählbarkeit zugleich an dem versuchs-ankündigenden Sprachverhalten in Erscheinung treten können – wie es, in anderen Worten, die ihm zugeschriebene Ersatzfunktion, die erst die Zuschreibung von Scheitern und (momentanem oder endgültigem) Nicht-Können ermöglicht, erlangt.

31.
Damit sind wir (ohne unseren Punkt erledigt zu haben) bei der oben angekündigten DRITTEN PRÄZISIERUNG angelangt, die die Frage beantworten soll, weshalb man zwischen „eine Absicht haben (fordern und erwarten)“ und „eine Absicht für sich selbst oder die andern bekunden (und auf Verlangen begründen)“ hin und her wechseln darf. Erinnern wir uns:
Im Verhalten der Tiere, und zwar im ständig gelingenden allein, zeigen sich, und zwar ungetrennt, sowohl Zweckmässigkeit als auch Können. Wir können Tieren keine Absichten und keine Absichtlichkeit zuschreiben, weil es bei ihnen nie zu einer Situation kommen kann, wo das Nicht- oder unerwartete So-Stattfinden eines Verhaltens ERKLÄRT werden könnte mit einem Unvermögen, anders sich zu verhalten, bei bestehendem Zweck, ODER bei bestehendem Vermögen, mit dem Zweck, sich so zu verhalten. Wir können Tieren keine Zwecke, Ziele, Pläne, oder Absichten zuschreiben, sondern allenfalls eine Verhaltens-Teleologie, die sich auch nie anders als in unmittelbarer, bestenfalls in beschränktem und vorhersagbarem Umfang auf Lernen hinauslaufender Auseinandersetzung mit einer Umgebung zeigt.
Da wir keine Mittel haben, wenigstens eins von beidem, das Bestehen von Vermögen oder glaubhaften Zwecken, unabhängig vom andern bei Tieren festzustellen, können wir auch die eben genannten beiden Fälle nicht sinnvoll an ihnen unterscheiden. Es ist trivialerweise klar, dass Tiere, durch ihr Nicht-Sprechen, nicht lügen oder heucheln können, und auch nicht, ausser durch sehr einfache Interaktionsformen (durch Drohen uns vom Versuch, etwas zu tun, abbringen) uns ihren Willen mitteilen können („fordern und erwarten“).
(man müsste sich ein Spiel denken, bei dem wir in schneller Folge      Verhaltensalternativen anbieten (oder auch nur andeuten, womöglich      sogar sortiert, vor-klassifiziert), die das Tier bestätigen müsste;      hierin könnte man eine primitive Form einfachen Sprechens sehen).
Warum können wir es bei sprachfähigen Wesen?

32.
Man achte zunächst einmal auf die kleine Asymmetrie zwischen den beiden Fällen: Es tritt ein UNERWARTETES (erklärungsbedürftiges) Verhalten bei einem sprachfähigen Wesen auf (parallel immer mit zu prüfen der auf Zwecke und Absichten Andrer bezogene Fall: das Wesen FORDERT UND ERWARTET plötzlich etwas Unerwartetes, vorläufig Unverständliches).
Dann scheint es so, dass ENTWEDER sein Vermögen festgestellt werden kann (durch positive Proben, die es ablegt), ODER sein Zweck steht fest, kombiniert mit einem Unvermögen, ihn auszuführen (der klassische Fall des Entschuldigtseins durch Nicht-Können). Das Unvermögen kann nicht simuliert werden, wohl aber das Vermögen dissimuliert; wenn also ein Wesen seinen (eigentlichen, heimlichen) Zweck dissimuliert UND sein Vermögen, hat es die Möglichkeit, andere Zwecke zu simulieren als es hat, und deren Nicht-Ausführung mit Unvermögen zu rechtfertigen.
Das Nicht-Tun des Erwarteten kann auf folgenden vier Möglichkeiten beruhen: Der, die Betreffende
kann, aber will nicht;
will, aber kann nicht;
will (vielleicht) nicht (= das Wollen ist nicht sicher nachweisbar), aber könnte auch nicht („willkommene Unfähigkeit“);
„will“ und kann, und tut es doch nicht.

33.
Die beiden ersten Fälle sind die, für die wir unsere beiden oben genannten Kriterien bereithalten:
Das Können ist ständig nachweisbar durch die „Willkür-Methode“ (Befehlen bzw. Ankündigen von elementaren oder zusammengesetzten Handlungen, die im Handlungsspielraum liegen – es wird ihre jederzeitige Verfügbarkeitund beliebige Neu-Kombinierbarkeit zu („willkürlich“, d.h. aber eben auch „zweckmässig“ wählbaren) Sequenzen auf höherem Niveau vorgeführt);
das Wollen ist ständig nachweisbar durch die vernünftige Begründbarkeit und Gefordertheit des betreffenden Zwecks – Abweichungen würden den Betreffenden unverständlich machen.
Der erste der vier Fälle ist also feststellbar durch Kombination des ersten Kriterium mit dem Nichtstattfinden eines vernünftig erwartbaren, weil vernünftig begründeten Tuns – vernünftig zumindest, wenn man den ursprünglich bekundeten Zweck hatte – der Schluss lautet also, dass der Andre einen anderen Zweck hat (und sich eventuell in der Begründung dieses Zwecks irrt).
Der zweite der vier Fälle ist sicher feststellbar dadurch, dass ein nach Ausschluss aller Möglichkeiten des Abweichens oder Irrens für den Andern KATEGORISCH sinnvolles Tun ausbleibt: Wir erklären es mit Nicht-Können.

34.
Der dritte Fall ist problematisch, weil hier die beiden nicht direkt feststellbaren Fälle zusammenkommen. Das Nicht-Tun wäre mit Unvermögen hinreichend erklärt; dieses können wir aber nicht mit Gewissheit feststellen. So haben wir auch nicht die Handhabe, indirekt auf ein Nicht-
Wollen des (angeblich) Nicht-Gekonnten zu schliessen. Es sei denn, wir könnten dem andern das Wollen, oder gar „vernünftigerweise Wollen-Müssen“ des Gekonnten zuschreiben; wenn der Nachweis aber etwa darin bestehen soll, dass wir ihn die Begründung, die UNS einleuchten würde, aufsagen lassen – warum sollte er sie uns nicht einfach nur nachplappern, oder die an sich vernünftige Begründung vorschieben, obwohl sie ihm (zuunrecht) nicht einleuchtet?
Man muss hier berücksichtigen, dass dieser Fall selbst dann bestehen würde, wenn zuträfe, was zwar wir im folgenden beweisen wollen, aber die wenigsten so ohne weiteres zugeben würden: dass es objektiv vernünftige Zwecke und dazu passende Begründungen gibt. Denn wir müssen ja auch das (meta)mentale Unvermögen, Irrtümer, und das Unvernünftigwerden oder -sein (und sei es auch vorübergehend) feststellen können.

35.
Warum dieser Fall Bedeutung hat, und welche, lässt sich am besten zeigen, wenn wir den vierten Fall gleich mit erörtern.
An diesem vierten Fall sieht man leicht, dass die Zuschreibung des Könnens, als des leichter beweisbaren, Vorrang hat vor der Zuschreibung korrekter Einsicht in die Begründetheit in die eigene Absicht. Der vierte Fall lässt eigentlich nur noch eine „sinnvolle“ Interpretation zu, und auch die ist schon reichlich gewunden: dass nämlich Vortäuschung von vernünftiger Einsicht (das bekundete, begründete „Wollen“) sich verbindet mit einer verheimlichten Absicht, die aber auf Fehlern beruht, und darum unserer Kritik nicht zugänglich ist. Die Nicht-Ausführung eines vernünftig Begründeten (und mitsamt dieser Begründung entsprechend auch Bekundeten) ist eigentlich nur noch mit Unvermögen (und sei es auch vorgetäuschtem) zu rechtfertigen – das Nichttun des nicht mehr korrekturbedürftigen, weil vernünftig Begründeten bei bestehender Fähigkeit dazu ist schon als Fall mentaler, besser: metamentaler Unfähigkeit, d.h. Verrücktheit (irgendeiner Art) anzusehen. Natürlich kann auch Verrücktheit vorgetäuscht sein – freilich nur innerhalb sehr enger Grenzen (Verrücktheit dauerhaft vorzutäuschen kann nur zweckmässig sein in Umgebungen, die ihrerseits bereits sehr verrückt sind, oder zumindest dafür gehalten werden müssen.)

36.
Wir nähern uns dem angepeilten Problem; denn die Fälle, die wir besprechen, drehen sich um das Verhältnis von Äusserem, speziell den Äusserungen einer Person, und unterstelltem Inneren – das Verhältnis zwischen BEKUNDETEN Absichten und Fähigkeiten auf der einen Seite, und TATSÄCHLICHEN auf der andern. Das „Innere“ und zunächst einmal öffentlich und durch Kritik bzw. Reden nicht Zugängliche oder Veränderliche tritt in dreierlei Gestalt auf: als Verheimlichen, Heucheln, äusseres Vortäuschen eines andern, als „eigentlich“ und „innerlich“ der Fall ist; als Irrtum, (meta)mentales Unvermögen: Fehlüberlegung, Nichtüberlegung, (nicht entdeckte) Fehlinformiertheit, und insgesamt Kritikbedürftigkeit einer Begründung (und somit auch der Absicht, die so begründet wird); schliesslich als so nicht erwartetes physisches Unvermögen (das man innerlich auch „spürt“) zur Ausführung einer bekundeten und nicht kritikbedürftigen Absicht so wie ursprünglich geplant. Zum physischen Unvermögen sind auch Gefühle zu zählen: Antriebslosigkeit, belastende Affekte und Empfindungen (Schmerzen, Missempfindungen), Abgelenktheit durch Drangempfindungen und dergleichen mehr.

37.
Die Frage, um die es unter dem Titel „Dritte Präzisierung“ gehen soll, lautet aber so: Wir haben im Zusammenhang mit Absichten offenkundig eine öffentliche Sphäre des Redens, Besprechens von Gründen, der Kritik, des Sich Verständigens über wechselseitig von miteinander Redenden Gefordertes und Erwartetes, und die Art seiner Ausführung. Diese Sphäre steht zumindest im Verdacht, sogar KRITERIUM für die (durchgängige) Zuschreibbarkeit von Absichten und Absichtlichkeit zu sein (im Gegensatz zum Verhalten der Tiere, das starr erfolgreich sein muss und in nur sehr engen Grenzen variierbar sein kann). Und nun sollen wir beurteilen, wie entscheidend diese Sphäre ist bei der Zuschreibung „innerer“ Verhältnisse, die „äusserlich“ nicht in Erscheinung treten – in Gestalt eines entsprechenden Tuns (das so ausfällt, wie erwartet). Die problematischen Fälle sind die (vgl. das bisher unter „Zweite Präzisierung“ Abgehandelte), wo etwas (mit guten Gründen) VERSUCHT wird, und das Tun dann nicht so ausfällt, wie geplant. Alles Tun kann ja sogar als Versuchen angesehen werden, alles kann unerwartet scheitern; hinter dem Scheitern können nun aber die unterschiedlichsten „inneren“ Zustände stehen. WELCHE im jeweiligen Fall das sind, darüber scheint sich in der öffentlichen Sphäre und nur auf ihrer Grundlage keine Entscheidung treffen zu lassen: Das Innere scheint uns „letztlich“ verschlossen zu bleiben.

38.
Sehen wir uns die vier Sätze nochmals an. Zwei Begriffe: wollen, können, mit ihren jeweiligen Negationen, nicht wollen, nicht können, kombiniert, ergeben, wenn sie unabhängig voneinander variieren, diese vier Möglichkeiten. An den Begriffen ist aber einiges merkwürdig. Zwischen dem Zutreffen eines Begriffs und seinem Nicht-Zutreffen wird normalerweise entschieden mithilfe eines KRITERIUMS – das ist im allgemeinen ein das Zutreffen des Begriffs DEFINIERENDES Merkmal (notwendig-hinreichende Bedingung) oder eine Merkmalskombination (vollständige (=hinreichende) Liste ALLER notwendigen Bedingungen oder Voraussetzungen für das Zutreffen des Begriffs); trifft das Merkmal oder eins aus der Liste der Merkmale nicht zu, trifft der Begriff nicht zu. Die Seltsamkeit im vorliegenden Fall beginnt beim „können“ damit, dass wir ein Kriterium für das ZUTREFFEN haben, das aber nicht zugleich auch über das NICHTZUTREFFEN entscheidet. In anderen Worten bedeutet das: Unser Kriterium ist hinreichend für den Positiv-Fall (das Können ist beweisbar), sein Nicht-Erfülltsein oder Nicht-Feststellbarsein lässt sich aber nicht ohne weiteres gleichsetzen mit dem Bestehen des Negativ-Falls – es ist kein hinreichend-NOTWENDIGES Kriterium; oder besser würde man vielleicht gleich sagen: es ist KEIN „Kriterium“.

39.
Eine zweite Seltsamkeit stellt sich so dar. Aus „wollen“ und „tun, wie gewollt“ (p wollen, p tun) folgt „können“ (p können): das IST ja gerade die „Positiv-Probe“, von der wir sprachen. Wenn aber können FOLGT – das heisst: nichtkönnen ist NICHT mit dieser Konstellation vereinbar – dann folgt daraus jedenfalls, dass „können“ und „nichtkönnen“ nicht mit JEDER Konstellation aus „(nicht)wollen“ und „(nicht) tun, wie gewollt“ vereinbar ist: Es variiert nicht unabhängig davon – wollen und tun wie gewollt ist nicht mit Nichtkönnen vereinbar.
Der Ausgangspunkt oben war aber: Das (ursprünglich, angeblich) Gewollte geschieht nicht. Und in diesem Fall sollten vier Kombinationen möglich sein, von denen zwei mit „Heucheln“ gleichzusetzen waren, die nämlich, wo das Nichtstattfindende zumindest heimlich und „eigentlich“ NICHT gewollt wird. Das Nichttun eines eigentlich Nichtgewollten ist natürlich ebenfalls mit Können vereinbar – allerdings auch mit Nichtkönnen (Fall 3, willkommene Unfähigkeit).
Was bedeutet eigentlich Nichtkönnen? Doch wohl dies:
ENTWEDER p (wirklich) wollen, aber nicht tun, ODER p (wirklich) nicht wollen, und trotzdem tun. Was aber ist mit dem Fall: Nicht wollen, und nicht tun? Er ist sowohl mit Können als auch Nichtkönnen vereinbar. Nur scheinbar gibt es dafür keine Entsprechung beim Tun. Tun, und wollen, scheint eindeutig mit können, und nur damit einherzugehen. Dabei vergisst man, dass auch dieser Fall mit Nichtkönnen vereinbar wäre – indem nämlich das Tun mit dem Wollen auf eine Weise parallelisiert wird, die eben den üblichen Bedingungen des Könnens nicht mehr entspricht (mechanische Hilfe usw.)

40.
Aber nach denen suchen wir ja gerade; die Auskunft eben ist also wohl noch sehr ergänzungsbedürftig. – Was hat uns die kleine Logelei des vorhergehenden Absatzes gebracht? Wäre die genannte Anomalie nicht, HÄTTEN wir ein klares Kriterium, das den Raum der verschiedenen Möglichkeiten ausschöpft:
p Können = p wollen UND tun, ODER p nicht wollen UND nicht tun (= „p unterlassen können“).
p nichtkönnen (nicht beherrschen, willentlich kontrollieren können)) =
p wollen, ABER nicht tun, ODER p nicht wollen, ABER tun.
Die erste Anomalie war die, dass im Fall „p nicht wollen UND nicht tun“ das Nichtkönnen vielleicht bloss keine Gelegenheit bekommt, sich zu zeigen. Man müsste also vielleicht in der Definition des „Könnens“ das „ODER“ durch ein „UND“ ersetzen.
Dann haben wir aber immer noch die zweite Anomalie: die „zufällige“ (und „nicht auf Können basierende, und mit Nichtkönnen vereinbare, es überbrückende“) quasi „künstliche“ Parallelisierung von Absicht und Ausführung – durch prästabilierte Harmonie, oder was immer.
Bloss: Wann würden wir denn sagen, dass der Zusammenhang NATÜRLICH ist – dass am Können, an der nicht-zufälligen, nicht-künstlichen Parallelität von Absicht und Ausführung nciht mehr zu rütteln ist?
Das Auffällige ist, dass diese BEIDEN Schwierigkeiten sich bloss beim Können zeigen sollen, wie es jetzt scheint, wohingegen das Nichtkönnen, in dieser Konstellation betrachtet, eindeutig zu sein scheint (es sind keine analogen Anomalien für Nichtkönnen konstruierbar).

41.
In Absatz 38 war es uns aber so vorgekommen, als bräuchten wir für Nichtkönnen ein irgendwie ganz anders geartetes Kriterium, als fürs Können. Der riesige Bereich des Nichtwollens schien das Nichtkönnen verdecken zu können. Das ist nun aber ein anderer Begriff von Nichtwollen, als der des erklärtermassen und artikulierbar ein Handeln p unterlassen zu wollen (dies nicht unterlassen zu können, wäre allerdings ein Fall von Nichtkönnen): Nichtwollen, in dem „verdeckenden“ Sinn, hiesse eher so etwas wie: garkeine Absichten, weder positive noch negative, ausgebildet haben. Das konnte zunächst nicht richtig unterschieden werden, weil wir anfangs (Nicht)Können noch nicht deutlich genug als (Nicht)Kontrollieren können einer p-Verhaltensweise aufgefasst hatten, wie es doch eigentlich korrekt ist: p tun oder lassen können, je nachdem, was gewollt ist.
Das unerwartete Nicht-Realisieren eines Gewollten nimmt eben bisweilen die sicher seltenere, aber nichtsdestotrotz genauso schwerwiegende Form an, dass etwas Ungewolltes plötzlich geschieht. Das Gewollte gechieht (unerwarteter Weise) nicht: das war es, woran eigentlich oben in Absatz 37ff. (unter dem Titel Nichttun des Gewollten, besser aber eben: Nichteintreffen, Nichtgeschehen (oder nicht SO geschehen), wie gewollt) gedacht wurde. – So müssen wir jetzt also sagen: Es existiert ein (vielleicht riesiger) Bereich, der durch Absichtsbildung noch garnicht ausgeleuchtet ist – und hier kann garnicht gesagt werden, ob es ein Nichtkönnen gibt. In dem engeren Bereich, wo schon definitive Absichten erklärt sind, kann ich soviel sagen: erst TUE ich etwas, dann auch unterlasse ich es, beides zusammen macht Können aus; später wird Nichtkönnen draus, wenn der Zusammenhang zwischen Absicht und Ausführung in wenigstens einer Hinsicht verlorengeht.

42.
Die definitive Zuschreibung von Können (und, wenn sie primär sein soll, auch die von Nicht(mehr)können) setzt erklärte Absichten, Wollen, auch Unterlassenwollen, voraus. Darum der Anschein, als sei die Schwierigkeit mit dem dunklen Bereich unserer Fähigkeiten, in den noch kein Wollen, weder zu Tun noch zu Lassen, hineingeleuchtet hat, eher mit dem „Nichtkönnen“ assoziiert. Dies Leuchten muss dabei übrigens eine bestimmte Strahlkraft haben, es muss ein ZWINGENDES Wollen sein – ein etwas um JEDEN Preis versuchen wollen (müssen), um „primäres“ Können (und als sei Komplement, das „primäre“ Nichtkönnen) und auch echtes sekundäres Nichtkönnen mit Gewissheit feststellen zu können.
Die andere, seltsamere Schwierigkeit mit der „Künstlichkeit“ einer zunächst „natürlich“ erscheinenden Verbindung von Absicht und ihrer Ausführung (seltsamer schon dies zu formulieren für: einer Unterlassungsabsicht, und der tatsächlichen Unterlassung) scheint begrifflich ausschliesslich mit „Können“ assoziiert – was sollte ein „künstliches“ Nicht-Zusammenpassen von Absicht und Ausführung sein, das uns, wie beim Können, sehr plausibel ein Nichtkönnen VORSPIEGELN könnte? Nichtzusammenvorkommen der beiden Elemente IST doch einfach Nichtkönnen – was denn sonst?

43.
Nun, es könnte Heuchelei dahinterstehen, die auf diese Weise an den Tag kommt. Und DAFÜR gibt es wieder beim „künstlichen“ Können kein Pendant: Jemand will heimlich nicht p tun, tut aber so als ob, und dann, „künstlich“, ungewollt, GESCHIEHT es auch noch? Beim angeblichen Nichtkönnen, besser: Nichtzusammenpassen von (erklärter) Absicht und Ausführung (das eben NICHT einfach mit einem Nichtkönnen zusammenfallen sollte) musste garnichts gekünstelt werden: Er wollte es nicht, tat aber so als ob, und als es dann endlich soweit war, und er garnicht mehr anders konnte, da – unterliess er es eben, seiner heimlichen Absicht entsprechend. Nichts ist gekünstelt. Also schon wieder das diffuse Gefühl einer Asymmetrie zwischen den beiden Prädikaten, die so hübsch eins das Gegenteil des andern zu sein scheinen, getrennt nur durch ein „nicht“, und nichts sonst, den Raum zwischen sich völlig erschöpfend. Und dann müssten doch auch die Schwierigkeiten sich parallelisieren lassen, nur das ist leider nicht der Fall. Warum bloss?

44.
Auf eine sehr vertrackte Weise hat das nicht gekünstelte Können etwas zu tun damit, dass hinter Absichten nicht (und sei es noch so indirekt) wieder Absichten stehen dürfen – und das wäre der Fall in all jenen (abstrusen, Sci-fi-) Gedankenexperimenten, wo wir uns den Zusammenhang zwischen Absicht und Ausführung nicht durch Nerven und Muskeln, sondern einen technischen Apparat realisiert denken – etwa durch Metallknochen, von aussen nicht sichtbar, an denen, entsprechend dem (ineffizienten) Innervationsmuster der (urspürnglich) Willkür-Motorik steuernden Neurone, gewaltige Magnetfelder von aussen angreifen, um so die (natürlich aussehenden) Glieder unsichtbar zu bewegen, wie es sonst die Muskeln tun.
Der technische Apparat ist ein Willens-, die Muskeln ein Evolutions- und Naturprodukt; entsprechend unterschiedlich sind die Reproduktionsbedingungen für beide. Der entscheidende Begriff ist das Verhalten – als ein ebenfalls nur evolutionär und vor allem durch Selbsterhaltung und „Anpassung“ an und Überlebenmüssen unter bestimmten Umgebungsbedingungen (statt durch Willen, Willkür, wählende Absichten) versteh- und erklärbarer Begriff. Und ER ist es, der hinter allem Beabsichtigen (selbst dem künstliche Glieder und Reproduktionsbedingungben für sie schaffenden) auftaucht.
Das alles ist hier erst im Vorgriff gesagt, und an dieser Stelle noch kaum zu verstehen.

45.
Nicht nur im Vorgriff gesagt, sondern eingehend erklärt sein soll hingegen das nun folgende:
Die Asymmetrien zwischen Können und Nichtkönnen erhalten vielleicht ihre Auflösung, wenn man bedenkt, dass grundsätzlich zwei Weisen denkbar sind, ABSICHTSBEKUNDUNGEN in einem vor-sprachlichen Zustand einzuführen.
Wir berühren hier, einmal mehr, das Thema unserer sog. dritten Präzisierung: die Frage, ob Absichten ohne Bekundung (zumindest hypothetisch zuschreibbare Bekundung) überhaupt sinnvoll durchgehend vermutet werden dürfen. Bei „bloss“ sich verhaltenden Wesen, Tieren, also Wesen in dem vor-sprachlichen Zustand, in dem man Absichtsbekundungen einführen muss, da sie noch nicht existieren, hatten wir bereits gewisse Einschränkungen festgestellt hinsichtlich der Zuschreibbarkeit von Absichtlichkeit. Darauf werden wir zurückkommen müssen.
Also: Es gibt zwei Arten, Absichtsbekundungen im vorsprachlichen Zustand einzuführen.
Die eine: (spielerisches) Einführen von Ankündigungssignalen vor Ausführung einer von allen Beteiligten sicher erwarteten Verhaltensweise. Spätestens in kooperativen Gemeinschaften, die vor-sprachlich sich gemeinschaftlich reproduzieren, womöglich arbeitsteilig, wird es solche Erwartungen der Gruppenmitglieder aneinander geben.
Die andere: noch viel spielerischeres Einführen der VERBINDUNG zwischen einem Ankündigungssignal und einer (spielerischen), nicht vorhersehbaren „Willkürhandlung“ – immer wenn das eine, dann das andre.
(Mit solchen Spielen könnten sich vor hunderttausend Jahren intelligente Gruppentiere ihre Zeit vertrieben haben, soweit sie welche hatten.)
(In unsern (sprachlich angekündigten, nämlich BEGRÜNDETEN) Handlungen bzw. Absichten aber sind beide Sprachspiele zusammengeführt, und daher sind es auch die „Anomalien“.)

46.
Das Nichtausloten gehört offenbar zum Willkürspiel, das Zwingende, Ernste (und bei Nichtausführung der Bekundung sicheres Nichtkönnen beweisende) zum obligatorischen Reproduktionsverhalten; dahin aber gehört auch das Problem mit dem gekünstelten Zusammenhang.
Wir hatten das Nichtzusammenpassen von Absicht, hier: Absichtsbekundung, und Ausführung, mit Nichtkönnen assoziiert. Allgemeiner ist es aber vielleicht so: Es GIBT ein Paar Können/Nichtkönnen, das im Fall des Nichtkönnens (DIESES Nichtkönnens) mit dem Nichtzusammenpassen assoziiert ist (und umgekehrt, im Fall des Könnens mit dem durchgängigen Zusammenpassen – des Tuns zur Tu-Absicht, des Unterlassens zur Unterlassens-Absicht). Zu diesem Begriff (begrifflichen Unterschied) von Können/ Nichtkönnen gehört dann weiter auch die Alternativerklärung des Falls des Nichtpassens mit der Vortäuschung einer Absicht, die dann nicht ausgeführt wird (weil garnicht gewollt)(zu den „gekünstelteren“ Erklärungen im Falle des Passens würden solche gehören, wo jemand etwas Ungewolltes bloss tut, um sein Gesicht zu wahren und dergleichen).
Nun GIBT es aber vielleicht auch noch einen zweiten Aspekt oder Sinn, wenn schon kein zweites PAAR von Können/ Nichtkönnen. Und es ist dieser Sinn, der offenbar mit den etwas rätselhaften Betrachtungen des Absatzes 44 verknüpft ist, die vielleicht schon wieder ein klein wenig mehr erhellt sind, wenn wir sagen: DIESES Können oder Nichtkönnen lässt sich schon auf Verhaltensebene zuschreiben (und ist deshalb auch eins, bei dem die Einführung der Ankündigungsausdrücke auf festen, vorsprachlichen Erwartungen beruht) – darum, weil es mit dem „Zwang“ zur Selbsterhaltung zu tun hat – der allerdings hier nicht als biologischer, sondern als LOGISCHER Zwang fungiert, nämlich als notwendige, restriktive Bedingung, die eingehalten werden muss, um ÜBERHAUPT Vorgänge auf Verhaltensniveau bei einem Wesen zu entdecken: nur das erfolgreich zur Selbsterhaltung der Wesen dieser Art Beitragende kann als „zweckmässiges“ „Verhalten“ (und als wahrnehmendes Verhalten-zur Umgebung, bis hin zum Lernen, Explorieren, Experimentieren, Interagieren und Kooperieren) aufgefasst werden.

47.
Nichtkönnen der zweiten Art ist wirklich ein existenzgefährdender Zusammenbruch, führt zur Unterlassung existenznotwendiger und dringend gebotener Verhaltensweisen. „Nichtkönnen“ der ersten Art hat, ähnlich wie das Können, dagegen einen geradezu spielerisch-frivolen Charakter – es ist einfach die Unterlassung eines Spiels – des Ankündigungsspiels – vielleicht eine Fehlausführung, in ebenso spielerischer Absicht.
Soweit scheinen also nun die beiden Paare weit auseinanderzuliegen.
Die Pointe unserer Überlegungen wäre aber, dass irgendetwas gewonnen wäre, wenn der Ernst des Nichtkönnens der zweiten Art in das Willkür-
AnkündigungsSpiel der ersten Art eindringen würde.
Dieser Gewinn ist kein anderer als der, dass man das Versuchen, und das dazu gehörende explorierende und experimentelle Ausloten und Ausprobieren von Handlungsspielräumen ernstnimmt. Denn: Was heisst Versuchen, und warum können wir Wesen Versuchsabsichten zuschreiben, überhaupt, aber auch speziell dann noch, wenn sie sie nicht ausführen? Das Versuchen ist, grob gesagt, eine VERLÄNGERUNG des willkürlichen Absichts-Bekundens und Ausführens. Aber anders als beim unmittelbaren Handeln, wo ich mir meines Körpers und seiner Bewegungen halbwegs sicher bin (aufgrund meiner Alltagsroutine, oder weil ich sie geübt habe) – eine Sicherheit bezüglich des Eintretens, die an die der „ernsthaften“ und (zu bestimmten Zeiten, unter bestimmten Bedingungen) existenziell „gebotenen“ Reproduktionshandlungen erinnert – , steht hier nicht fest, ob die Ankündigung ausführbar sein wird. Mehr noch als beim einfachen Absichtsankündigen stellt sich hier die Frage, ob die Ankündigung ERNSTGEMEINT war, oder nicht, oder woran die Ausführung sonst scheiterte.
– Das Ernstnehmen und Ernstmeinen gehört aber zum reproduktiven Handeln; und wir werden jetzt viel eingehender als zuvor zu untersuchen haben, wie man sich das „Eindringen“ des „Willkür“-Sprachspiels in das „Notwendigkeits-Sprachspiel“ des Ankündigens existenziell gebotener (und also schon im Verhaltensrahmen zu erwartender) Reproduktionshandlungen genauer vorzustellen hat.

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48.
Stellen wir uns vor, in der vorsprachlich kooperierenden Horde seien Ankündigungs-Sprachspiele beider Typen fest etabliert. Das bedeutet, es gibt feste Ankündigungssignale sowohl für erwartete (weil in jedem Falle, mit und ohne Ankündigung, ausgeführte, reproduktions-notwendige) Verhaltensweisen einerseits, ankündigungs-abhängige, aber „willkürliche“ andererseits. Dann könnten wir uns die spielerische Einführung von Ankündigungen denken, die sich AUF DAS BEREITS EINGEFÜHRTE ANKÜNDIGUNGSVERHALTEN beziehen – d.h. es ihrerseits ankündigen. Im zweiten Fall würde eine solche Ankündigung einfach den Beginn jeder einzelnen willkür-spielerischen Ankündigung/Ausführungs-Sequenz markieren, und hätte in etwa die Bedeutung: ich werde jetzt unmittelbar anschliessend sagen, was ich gleich darauf tun werde. (Bedingung für die Verstehbarkeit dieses sekundären Sprachspiels ist natürlich, dass die Willkür-Signal-
Verhaltensweisen, die sich als Ankündigungen von motorischen Verhaltensproben (Proben aus dem Handlungsspielraum des betrefenden Wesens) auffassen lassen, durch ihren regelmässigen Gebrauch (gefolgt von dem durch sie angekündigten Verhalten) fest eingeführt sind.
Denken wir uns solche Ankündigungen auch für die fest eingeführten Signale zur Ankündigung von Reproduktions-Verhaltensweisen etabliert.
Als Ausdruck von was genau würden wir dann diese beiden unterschiedlichen Sprechakt-bezeichnenden (kategorialisierenden, oder besser noch: modalisierenden) Signal-Ankündigungen charakterisieren?

49.
Zwar weisen auch Routine-Ankündigungen die gleiche Struktur auf: ich sage etwas, und tue es. Bloss: im Fall der Routine wissen die Beteiligten ja, anders als in der spielerischen Willkür-Situation, was getan werden wird, und haben bestimmte Erwartungen, was als nächstes geschehen muss oder soll. Insofern hat die Variation der Ankündigung, entsprechend der Mannigfaltigkeit der nachfolgenden Einzelhandlungen, noch garkeinen informativen Wert – man könnte sagen: es hat noch keine wirkliche Bedeutung (oder bloss die eines reinen Spiels), gerade dann und dort, wenn und wo es analog zum Willkür-Sprachspiel funktionieren würde (nämlich: gleiche Mannigfaltigkeit der Ankündigungen und des Angekündigten). Die eigentliche Pointe dieser Strategie des Sprachaufbaus ist es, an gleichbleibend erwarteten Routineverhaltensweisen entlang kategorial variierende Sprachspiele einzuführen; die blosse Abbildung des Routineverhaltens in den ihm unmittelbar vorausgehenden Ankündigungen (die auch noch während seiner Ausführung durchgehalten werden können, und es begleiten) (womöglich seinerseits kategorial angekündigt durch einen unspezifischen Sprechakt mit der (funktionellen) Bedeutung „ich werde jetzt gleich sagen, was ich als nächstes tun werde“) ist dabei bloss eine Basis, an der sich die eigentlich neuen, kategorialen Sprachspiele abstützen können.

50.
Ich oder wir kündigen also unmittelbar vor Beginn der Ausführung an (eine Numerus-Differenzierung kann nebenbei eingeführt sein, im Routineankündigen) (die Einführung des willkürlich gewählten Ankündigungsausdrucks geschieht spielerisch):
Ich gehe Schilf holen, ich gehe Holzstangen holen, ich gehe Lehm holen, ich stecke die Holzstangen im Kreis usw.
All dies sollen erste Routineschritte des Programms beim Bau einer Hütte sein. Ähnlich für „Jagen“: wir schwärmen zur Jagd aus, wir gehen zum Pirschen über, wir trten it der Beute den Rückweg an. Auf einer ANDEREN, nämlich höheren kategorialen Ebene mögen in ähnlicher Weise Sequenzen existieren aus den übergeordneten Aktivitäten: wir gehen jagen, wir essen, wir gehen zur Wasserstelle, wir legen uns schlafen, wir bauen eine Hütte usw.; und nun mögen sich Sprachgewohnheiten ausbilden von der Art, dass nämlich die (während ihrer Ankündigung durchgehaltene, die Ausführung als „Beschreibung“ (vielleicht mit einem zwischen Ankündigung und Ausführungs-Begleitung/ Beschreibung differenzierenden Suffix) Global-Routine-Ankündigung der höheren Ebene begleitet wird von ähnlichen Ankündigungen für die Ausführungsschritte:
„Ich baue eine Hütte, ich gehe Schilf holen – ich baue eine Hütte, ich gehe Holzstangen holen..usw.“.

51.
Wir können uns Verlängerungen des einfachen Willkür-Sprachspiels vorstellen, dadurch, dass immer längere SEQUENZEN von Willkürhandlungen eingeführt werden (deren Kombinierbarkeit und damit kombinierte Ankündbarkeit bei Einführung keineswegs festzustehen braucht – das Willkür-Sprachspiel ist schliesslich die Art und Weise, seinen HANDLUNGSspielraum auszuloten, indem man die DAUERHAFTE und verlässliche Verfügbarkeit einer Verhaltensweise für beliebige („willkürliche“) Ankündigungen vorführt). Verlängerungen des Willkürsprachspiels zielen auf die zeitliche Tiefe und Artikuliertheit, differenzierte Anwendbarkeit des Handlungsspielraums – sie loten und leuchten ihn in all seinen Dimensionen spielerisch aus. Für die Routine-Ankündigungen gilt etwas Entsprechendes, nur, dass es hier die „selbst-verständliche“ Verbindung von Sprachmaterial und Routine-Verhalten ist, die den Ausgang für eine weitere, und keineswegs mehr selbstverständliche Etablierung von Ausdrucksweisen (die das Pendant der als willürlich ankündbar zu erweisenden handlungen im Willkür-Sprachspiel darstellen) erlaubt, nämlich sprechakt-bezogener, KATEGORIALER Sprachspiele. Man führt solche Sprachspiele (Ankündigungen der Kategorie der Äusserung(en), die man als nächstes machen wird) entlang solch „selbst-verständlicher“ und nichts-
(neues)-sagender Sprachspiele, oder besser: Sprachspielereien, wie dem „ch werde die Hütte bauen, ich geh jetzt (als nächstes) Schilfholen“ ein, beispielsweise die kategoriale (Sprechakt-einordnende, typisierende) Ankündigung: „Ich werde sagen, wie ich die Global-Handlung X ausführe, INDEM ich Y tue“. Diese FORMALE Indem-Ankündigung (ich werde sagen, wodruch ich was tue) wird durch die beiden nachfolgenden Nennungen, der Globalhandlung, und des jeweils nächsten Details, ausgeführt. Ähnliches lässt sich für zeitliche Reihungen denken: Ich werde sagen, was ich als erstes, zweites, drittes tun werde…“

52.
Mit anderen Worten: Indem wir DIESE Sprachspiel-Strategie verwenden, erzeugen wir kategoriale, sprachliche und logische Tiefe – man könnte sagen, wir leuchten den Raum der Grammatik, der Sprachmöglichkeiten, aus, so wie im andern Fall den unserer Handlungen (absichtlich und beliebig rekombinierbaren Verhaltensweisen, unsere „Willkürmotorik“). Und wenn wir eine Art logische Gerichtetheit unseres Sprechens unterstellen, das von tiefgestaffelten kategorialen Ankündigungen über immer präzisere Ankündigungen hin zu unmittelbaren Handlungsankündigungen und dann ihrer Ausführung verläuft, könnten wir sagen: der Routine-Sprachspiel-
Einführungsweg leuchtet diese Strecke nach „rückwärts“ (logisch „retrograd“) aus, der Willkür-Sprachspiel-Einführungsweg nach „vorwärts“ (logisch „antegrad“). – Noch bilden diese beiden Anteile des logischen „Pfeils“ keine Einheit – noch stehen die beiden Sprachspiel-
Gruppenunverbunden nebeneinander. Wie könnte eine Integration gelingen? Die Art der Übertragung der jeweils wesentlichen neuen Errungenschaften in das jeweils andere Sprachspiel erscheint ziemlich naheliegend. Wir können einfache Willkür-Handlungen zu Ketten zusammenstellen (so das Ausmass ihrer Rekombinierbarkeit vorführen), indem wir die Sequenzierungs-
Ankündigung benutzen. Damit die Übertragung explizit wird, müssen vorher noch die beiden allgemeinsten Modal-Kategorien eingeführt werden: „Ich werde Routine-Ankündigungen machen“ oder „Ich werde meinen Handlungsspielraum vorführen“, oder simpel: „ich kann…“. Nach einer Ankündigung der zweiten Art macht der Gebrauch des ursprünglich nur im Routine-Sprachspiel gebrauchten Sequenzierungs- oder Indem-kategorialen Ankündigungsausdrucks Sinn: die Stellen werden mit entsprechenden Einfach-Ankündigungen aus dem Willkür-Sprachspiel, so wie es bis dahin entfaltet ist, besetzt.

53.
Natürlich liegen die Routine-Tätigkeiten trivialerweise im Handlungsspielraum; man kann das mithilfe der „Ich kann…“ -Formel als Modal-Sprechakt-Ankündigung vorführen. Wir können aber auch umgekehrt die (nennen wir sie so) „Ich will/werde…“ – Formel des Routine-Ankündigens benutzen, und sie mit „gekonnten“ Ankündigungen besetzen, die nichts andres als detailliertere Beschreibungen der Einzelhandlungen darstellen, in „willkür-motorischen“ Termen. Auch daran wäre noch nichts Neues; WIRKLICH neu wäre es erst, wenn wir das „ich will/werde…“ benutzen, um es mit detaillierten Beschreibungen (und das heisst in diesem Zusammenhang: Ankündigungen) von Neu-Kombinationen von „gekonnten“ (und entsprechend der „Ich kann…“ -Einführungs-Strategie als Teilen des Willkür-Handlungsspielraums erprobten und benannten) Tätigkeiten zu besetzen. Grundsätzlich können wir diese Neu-Kombinationen dann auch heranziehen, um beispielsweise – unter der „indem“ – Kategorie, Abwandlungen von Vorgehensweisen unter dem gleichen Zweck anzukündigen. Die kategoriale Einordnung mithilfe der Modal-Kategorie „Ich will/werde..“ macht hier freilich keinen entscheidenden Unterschied – die BEDEUTUNG der Ankündigung steht hier ja keineswegs mehr infrage, da sie vollkommen „analysiert“ oder beser: artikuliert ist (die sprachlichen Mittel, um sie zu machen, sind durch die beiden Einfürhungsstrategioen bereitgestellt – soweit sie es sind, soweit reicht die Möglichkeit, solche Ankündigungen zu machen); das Sprachspiel „Ankündigen“ ist hier nicht mehr aufgespalten nach zwei Seiten, um Bedeutungen einzuführen (und insofern könnte ebensogut ein „Ich kann..“ vor dieser Ankündigung stehen); was NICHT feststeht, ist vielmehr, was uns in logischer Hinsicht bereits zu Beginn dieser Betrachtung beschäftigte: ob der Versuch gelingt; und was geschieht, wenn nicht.

54.
Zum Reden über Versuche, oder zur VOLLEN Fähigkeit zum Ankündigen von Versuchen, sind wir hier allerdings noch weit entfernt. Was wir haben, ist ein schlicht zusammengeflossenes „Ich werde bzw. kann…“. Wie drückt man aus: „Ich kann nicht…“? Und erst recht wie: „Ich kann, aber ich will nicht“ oder „Ich will, aber ich kann nicht“? Oder kurz: Wie führt man, zusätzlich zum bislang vorhandenen „Positiv-Können“, wollen, nicht wollen und nichtkönnen als Modalitäten (kategoriale Sprachspiele) ein?
Beginnen wir mit dem Wollen. Etwas wie Zielbeschreibungen hatten wir mitlaufen lassen in Gestalt der grossen und zugleich obersten, eben noch voneinander unterscheidbaren Routine-Handlungskomplexe, Jagen, Sammeln, Zusammenkommen zum Essen, deren Abfolge (oder Eintreten unter gewissen Sonderbedingungen, z.B. die Hütte ist nach der üblichen Dauer zerschlissen und muss neugebaut werden) den Alltag unserer Gruppe ausmachen sollte. Wir haben als „Beschreibung“ (diese sprachliche Kategorie ist noch garnicht vorgekommen!) der Ziele dieser Handlungskomplexe im Grund nur diese Komplexe selbst: die Benennung der Routine-Handlungsweise, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, steht stellvertretend auch für die Beschreibung dieses Ziels. Der Vollzug, die Hütte zubauen, kann darum auch anders stattfinden, als ursprünglich – man kann Neuvorschläge für Jagd oder Schlafmodalitäten machen, aber immer noch handelt es sich um Vollzugs-Komplexe, die AN ihrer Routinestelle auftreten, eingebettet zwischen andern, und bei Verfolgung des gleichen Zwecks verändert ausgeführt werden sollen. Wir haben soweit noch keine Ahnung, wie jemals sagbar sein soll: „Ich will (aus eigener Kraft) herbeiführen: daundda steht eine Hütte; (und das, indem ich…tue)“.

55.
Mit den bis hierher entwickelten sprachlichen Mitteln könnten die Teilnehmer der Kommunikation zwar alternative Ziele über denkbare Rekombinationen von (gekonnten) Handlungsvollzügen einführen; es wäre so ähnlich, wie wenn jemand bloss ein Rezept gibt, und alle Kenner wissen, WAS gekocht werden soll. Doch obschon sich das Fehlen der Technik des Beschreibens hier schmerzlich fühlbar machen mag – die Kategorie des Wollens-und-Nichtkönnens (als Gegenstück zum einfachen wollen/können, das schon existiert) zumindest kann durchaus an den blossen Vollzügen eingeführt werden. Man muss sich dazu nur daran erinnern, dass das Verstehen von Handlungsunfähigkeit sehr wohl schon zum Repertoire vorsprachlich kooperierender Gruppen-Wesen gehört: das kranke, erschöpfte, gelähmte Gruppen-Mitglied wird gefüttert, und bekommt Wasser eingeflösst, das es nicht mehr selber aufnehmen kann (wie viel werden solche Wesen nicht allein schon für ihren Nachwuchs tun!), es wird im Laufe des Tages immer wieder neu zum Schutz gegen die sengende Sonne in den wegwandernden Schatten gelegt, wohin es sich selbst nicht mehr bewegen kann usw. Und so werden die Gruppen-Mitglieder sehr wohl verstehen, das etwas nicht stimmt (so wie sie es schon vor Einführung unserer primitiven und bedeutungs-konstituierenden Sprachspiele getan haben), wenn etwas Erwartetes, weil Reproduktions-notwendiges und spätestens in Routine-Kooperation arbeitsteilig zu Erledigendes nicht mehr getan wird. WILL das betreffende Gruppenmitglied nicht mehr – KANN es nicht?

56.
Oder WILL es gar ETWAS ANDERES? – Wir bewegen uns hier fürs erste im gewohnten Rahmen der Verhaltensbeobachtung (so wie die kooperierenden Wesen selbst es tun). Massgeblich für die Zuschreibung des Nicht-Könnens ist das reproduktiv bekanntermassen Notwendige, das unterlassen wird. Der Begriff von Können, der hier negiert wird, ist freilich nicht der, den wir mit dem Willkür-Sprachspiel assoziieren, sondern jene vorsprachliche auf Verhaltensebene, wo Können und Wollen nicht getrennt voneinander festgestellt werden können, und Negationen dafür noch garnicht existieren. Nun haben wir es aber mit einem neuen Begriff von Wollen-und-Können zu tun bekommen, der es wenigstens erlaubt, bekannte Handlungsvollzüge abzuwandeln (und das in kollektiven Versuchen, wenn wir im Zusammenhang mit den Ankündigungen wechselseitige Einwirkungen der Gruppenmitglieder aufienander zulassen, die dazu führen, dass sie (und sei es versuchsweise) einen gemeinsamen Plan verfolgen, in dem bisherige Routine-
Handlungskomplexe in neuen, abgewandelten Formen umgesetzt werden.)
Es ist klar, dass in diesen neuen Handlungssequenzen bloss Bestandteile vorkommen dürfen (denn anders wären sie garnicht sprachlich ausdrück-, nämlich ankündbar), deren Ankündigung zuvor durch „Willkür-Sprachspiele“ eingeführt wurde – mit diesen Ankündigungen werden ja die so noch nicht dagewesenen Ankündigungen des neu einzuschlagenden Vorgehens bestückt. Jedes einzelne Moment des neuen Plans muss also irgendwann verlässlich funktioniert haben, um Bestandteil eins solchen Plans zu werden – und anders GIBT es keine Abänderung von Routinen auf der Grundlage blossen Ankündigens.

57.
Aber auch die neuen Pläne stellen doch bloss Abwandlungen von reproduktiv wirksamen Handlungsvollzügen dar; zunächst einmal Abwandlungen von der Art, dass ein nach wie gleiches Ziel (Beute erlegen und zum Lagerplatz transportieren, Hütte bauen etc.) durch andere Zwischenschritte verfolgt wird – die gleiche Aufgabe anders gelöst wird. Nun mag es sein, dass wir GÄNZLICH neue Aufgabenstellungen formulieren, die sich vom bisherigen Vollzug völlig lösen; die Verständlichkeit solcher gänzlich neuen technischen Entwürfe und „Rezepte“, die hier, im Unterschied zu früher, nicht durch ein spielerisches, vielleicht halb pantomimisches Probe-
Vorführen des Plans eingeführt und eingeübt werden müssen (etwa: die Büffelherde über die Klippe lenken, durch Aufstellen von künstlichen Hecken; nachdem die Gruppe etwas derartiges durch Zufall beobachtet hat (eine Gurppe Büffel hat sich zu Tode gestürzt, da sie zufällig auf der Flucht vor ihren Jägern über die Klippe gestürzt sind) , fängt einer an, andere „begreifen“ es endlich, helfen mit, die Falle aufzubauen etc.; nach dem ersten Erfolg wird diese Jagd-Technik zur Routine – alles vorsprachlich). Zwar sind die sprachlichen Mittel primitiv genug – sie lassen praktisch nichts anderes zu als die Konfrontation von Ausführungs-
Vorschlägen (da die Gruppe noch keine Betrachtungen von Sachverhlaten, getrennt von Handlungsvollzügen, anstellen kann) – aber immerhin können sich die Grupüpenmitglieder im vorhinein zu Vorschlägen auf diesem Niveau verhalten (und darüber streiten). – Wichtig ist, dass die virtuellen Einführungsbedingungen auch für gänzlich neue „Rezepte“, die den gesamten Alltag der Gruppe umstürzen würde, gewahrt bleiben müssen: noch die revolutionärste neue Technik muss den Anforderungen genügen, die die Bedüfnisstruktur und die damit verbundenen grundlegenden senso-
motorischen Fähigkeiten der Gruppenmitglieder an reproduktives Verhlaten stellen – Vorschläge, die dieser Anforderung nicht genügen, wären gar nicht mehr als Vorschläge erkennbar, sondern ein Unsinn. Das Sprachspiel „Vorschlagen“ würde seine Bedeutung verlieren.

58.
Und das gilt nun auch für den Fall eines von der Gruppe bei Annahme des „Vorschlags“ noch garnicht erwarteten Misserfolgs – sie macht die Erfahrung, dass die für sich „willkür-motorisch“ funktionierenden Einzelvollzüge nicht beliebig kombinierbar sind. Was hier als „Misserfolg“ zu zählen ist, wird diktiert durch Bedingungen der Möglichkeit von Verstehbarkeit überhaupt, die auf vorsprachlicher ebenso hätten entdeckt werden können: Bedürfnisse, einzuhaltende Bedingungen der Handlungsfähigkeit. Die Tatsache, dass die Gruppe ihr Verhalten mit einem neuen Instrumentarium der Abstimmung koordiniert, ändert an den Anforderungen, denen sie zu genügen hat, nicht das geringste; und selbst wenn der Prozess des „Ausleuchtens“ der Bedürfnisstruktur und der Grenzen und Bedingungen der Handlungsfähigkeit nie so weit hätte getrieben werden können, wie es auf diesem neuen Niveau möglich ist – die LOGIK, der das Verstehen von Zusammenbrüchen, Misserfolgen, Nicht(mehr)funktionieren folgt, ist nach wie vor dieselbe wie die vorsprachliche des Verhaltens. Der einzige Unterschied, der neu hinzukommt, ist, dass die Sprachfähigkeit, so wie sie jeweils eingeführt ist, nun selbst ein Teil der zu reproduzierenden Kompetenz geworden ist – die Gruppe wird, falls es das geben sollte, allgemeine wie spezielle Bedingungen der Erhaltung von Sprachfähigkeit, als einer reproduktiv wünschenswerten und nützlichen Eigenschaft, einhalten, nachdem sie sich erst einmal etabliert hat.

59.
Aus der vorsprachlichen Lebenswelt ragen so die Bedingungen der Selbst-
Erhaltung herüber in die elaborierte, sprachlich angeleitete Praxis – und sie werden nicht mehr verlorengehen, wie sehr sich das Sprachspiel auch weiter ausdifferenzieren mag. Denn Reproduktivität, Verstehbarkeit der lebenswellichen Entwürfe im Sinne der vorsprachlichen, einfachen Selbsterhaltung ist eine notwendige Bedingung zur Aufrechterhaltung jener Momente des Sprachspiels, deren Einführung und Erlernbarkeit an die Möglichkeit des Verstehens von Handlungen als reproduktiv wirksame Routinepraxis (und Einhaltung der Bedingungen für Handlungsspielräume und Sprachfähigkeit) gebunden ist. Diese Erlernbarkeit muss nämlich bei allen Ausdifferenzierungen des Sprachspiels, die jetzt noch kommen werden, erhalten bleiben – zumindest soweit sie Ausdifferenzierungen des bislang eingeführten kategorialen Sprachspiels sind, und also logisch von ihm abhängig bleiben. Jedes Wesen, das in eine sprachlich angeleitete, entfaltete und ausdifferenzierte reproduktive Praxis hineinwachsen soll (alle Nachkommen der Spracherfinder müssen es), muss dieses Verständnis des Sinns der Reproduktion, wie kompliziert und über wieviel Umwege auch immer vermittelbar, nachvollziehen können. Anders wäre ein Verstehen der (vermeintlichen) Sprachereignisse als solche nicht verständlich. Die Sprache muss von jedem Neuhnzukommenden jederzeit erneut gelernt werden können – jeder Neuhinzukomende muss virtuell imstande sein, die Bedeutungen nachzuvollziehne. Und das heisst: Die Bedingungen, unter denen Ausdrucksweisen einzig als solche verstehbar und einführbar waren, MÜSSEN DURCHGEHEND GEWAHRT BLEIBEN, DAMIT DAS REDEN AUF DAUER SEINEN CHARAKTER NICHT VERLIERT.

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60.
Wir haben, in den voraufgehenden Absätzen, einige Voraussetzungen betrachtet für die praktische Rede von Versuchen, Wollen und Nicht(mehr)können. Die Kategorie (Sprechaktankündigung) „Ich werde sagen, was ich/er, sie jetzt nicht (mehr) kann…“ mag, wie die andern Kategorien auch, ausgebildet werden aufgrund vor-sprachlichen Verständnisses (dabei sind Ankündigungen vom Routine-Typ bzw. „Rezept-
Typ“ (mit der Erwartung, gelingen zu können) vorausgegangen). Entsprechend unserer bisherigen Übung könnten wir versucht sein, sie in das „Willkür“ – Sprachspiel zu übertragen; das gelingt freilich hier noch nicht in der Allgemeinheit, in der wir es von unserer entfalteten Normal-
Umgangssprache her gewohnt sind. Das einzige, was wir mit dieser Kategorie ausdrücken können, was an das Willkür-Sprachspiel erinnert, wäre, dass, etwa im Fall einer Lähmung, Handlungsfragmente, die wir selbstverständlich beherrscht haben und die als Ausgangsmaterial für Handlungsentwürfe vonm „Rezept“-Typ herangezogen werden durften, nicht mehr gekonnt werden. Aber dieser Fall ist noch nicht grundsätzlich verschieden von der Beteuerung, dass wir unfähig sind, eine dringend gebotene Reproduktionshandlung auszuführen. „Ich kann nicht: ich werde sagen, ich hebe meinen Arm, und tue es“, kurz: Ich kann meinen Arm nicht heben, bedeutet dann: In allen reproduktiv wirksamen Situationen, wo es darauf ankäme, werde ich es nicht können. Und gewiss werde ich solche Reproduktionsstrategien, wo es darauf ankommt, ab sofort garnicht erst ankündigen, und werde mich (und wir werden uns) stattdessen, soweit dies (auch schon im vorsprachlichen Rahmen) möglich erscheint, um meinen Arm kümmern, nach bestem Wissen und Gewissen.
Nur zur Erinnerung: Wir können (mangels aller Sprachspiele, die mit (fiktivem) „Beschreiben“ (von „blossen Vorstellungen“, blossen MÖglichkeiten, sie mögen solche zu handeln sein oder nicht)), noch immer nicht sagen: Ich kann nicht (und selbst wenn ich es wollte): herbeiführen, dass die Wolken anhalten, oder herbeiführen, dass dieser Stein bergauf rollt, und dergleichen; denn das nichtkönnen, das bis hierher eingeführt ist, ist immer bloss Dementi eines einmal verlässlichen Könnens, die Bekundung eines NichtMEHRKönnens, und das angesichts einer reproduktiven Herausforderung, deren Ernst musste ohne jede Sprache verstanden werden können, denn anders würde auch dies Nichtkönnen nicht verständlich sein.

61.
Und wo bleibt nun das Wollen? – Die bisherige Verstehbarkeit praktischer Notwendigkeiten, die der Einführung aller Kategorien-Sprachspiele (entlang von reproduktiven Verhaltens-, und, wie wir jetzt sagen können: Verstehens-Routinen) zugrundelag, hatte eine wichtige Voraussetzung: Die Mitglieder der angenommenen Sprachgemeinschaft teilten alle wichtigen Erfahrungen, waren alle (spätestens wenn es darauf ankam) zur Stelle, wenn etwas entscheidend praxis-veränderndes stattfand – und das KONNTE auch die veränderte Praxis eines Einzelmitglieds der Gruppe sein, das in (vorsprachlich) überzeugender Weise vor allen andern SEINE Konsequenz aus einer Beobachtung zog, die nur es selbst gemacht hatte. Gewiss konnten in diesem Rahmen Streitigkeiten auftauchen – unterschiedliche Vorschläge miteinander konkurrieren; die Lösung mag (da die Mittel für „Argumente“ nicht ausgebidet sind) mit Gewalt gefunden worden sein, oder die Konflikte blieben eben ungelöst, wenn man sich nicht „einigen“ konnte, geschah erstmal garnichts. In diesen Konflikten mag die Kategorie, deren „Gebrauchsbedeutung“ wir versuchen zu charakterisieren mit „Ich will, dass… getan wird“, übrigens auch die Kategorie der FREMDZUSCHREIBUNG von Vorschlägen (DU willst, dass… getan wird“) sich entwickelt haben. Entscheidend ist, dass angeichts des im grossen ganzen gemeinsamen Erfahrungshorizonts der Beteiligten man sich nie von der gemeinsamen, vorsprachlichen Erfahrung (und dem funktionierenden Alltag) soweit entfernte, dass die Grenze zwischen verstehbaren und schlichtweg unverständlichen Vorschlägen je hätte verschwimmen können.

62.
Das würde sich genau dann ändern, wenn wir als Angehörige einer solchen Gruppe auf eine andere treffen (eine Sippe, die sich eine Generation zuvor von unserer abgespalten hat), die zwar eine der unseren sehr ähnliche Sprache spricht, aber Praxisanteile hat, die uns schlichtweg verrückt vorkommen, und die der Abwehr einer Bedrohung dienen, von der wir nichts wissen. Mangels Beschreibungs- und Berichtssprache können sie uns nichts davon erzählen – unser Unverständnis bewegt sich auf demselben Niveau wie vor der Spracheinführung. Das heisst, dass die Ankündigungen dieser Praxisanteile zwar noch in DEM Sinn konsistent sein mögen, dass lauter Dinge (in Kombination, wie angekündigt) ausgeführt werden, die im Sinne des intakten Willkür-Sprachspiels (das wir zur Sicherheit vielleicht immer wieder durchspielen) machbar sind. Bloss, dass wir die Kategorien nicht verstehen, und auf Dauer Zweifel haben dürfen, ob wir es hier überhaupt noch mit intakten Kategoriensprachspielen (die SINNVOLLE Handlungsverbindungen unterstellen) zu tun haben – und damit die Frage, ob wir (selbst wenn unsere Gegenüber ihr Tun mit dem auch uns geläufigen „Ich/wir will/wollen“ bekräftigen) den andern überhaupt noch Absichten zuschreiben dürfen (wenn wir in gestalt der Fremdzuschreibung bereits die Mittel dazu haben). – Wir sind zurückverwiesen auf das vorsprachliche Verstehen der Lebenswelt dieser Gruppe; alle Erfahrung, die ausserhalb des Horizonts unseres Miterlebens liegt, und Konsequenzen im Handeln der Gruppe hat, bleibt uns verschlossen, und die daraus resultierenden Handlungen unverständlich.

63.
Dieser letzte Absatz ist eigentlich überflüssig, und sollte nur vorführen, wie und warum wir mit den bisherigen Sprachspielen an logische Grenzen stossen – etwas gekünstelte Grenzen, denn das Auskunftsmittel für solche Fälle wird im allgemeinen längst bereitgestellt sein, bevor es zu solchen Zuspitzungen kommt: Beschreiben und Berichten. Um „Wollen“, vor allem das BEGRÜNDETE Versuchen, einzuführen, benötigen wir das, was den wesentlichen Anteil von Begründungen ausmacht: Beschreibungen und Berichte. Und in deren Licht wird sich dann auch das (Nicht)Können nochmal ganz anders ausnehmen.
Grob könnte man sagen: alles sich überhaupt zweckmässig ZU etwas gegenwärtigem verhalten, zweckmässig IN einer Umgebung bewegen, auf Grundlage funktionsfähiger Sinne und der aus sinnvollen Verwertung der aus ihnen stammenden Informationm – alles Tun von Wesen, die auf Verhaltensniveau (und speziell einem so hohen wie dem des Kooperationsverhaltens) operieren, IST ein Beschreiben – und, insofern LERNEN darin vorkommt, indirekt auch Ausdruck vormaliger Erlebnisse, die es geformt haben. Wie viel oder wenig es das ist, haben wir im vorherigen Absatz kurz angedeutet: selbst zweckmässiges Handeln mag nicht spezifisch genug sein, um als Spur vergangener Ereignisse hinreichend Auskunft über diese zu geben; erst recht UNTERLASSUNGEN sagen sehr wenig über das aus, was ihnen zugrundeliegt; aber selbst wenn RESULTATE von Handlungen auf Basis vorsprachlichen Verstehens sich als sinnvoll entpuppen, und erraten lassen, welche Erfahrung ihrer planvollen Ausführung zugrundelag – die Handlungssequenz, die auf sie hinführen soll, trägt das Resultat noch nicht in sich, und oft mag es darauf ankommen, Ziel und SInn von Handlungen zu charakterisieren, bevor sie anfangen.

64.
Vorsprachlich, lebensweltlich verstehen wir, dass und was Wesen wahrnehmen, auf Dauer aus ihren zweckmässigen Bewegungen in Umgebungen – sie verhalten sich ZU den für sie wichtigen Zügen dieser Umgebung, fliehen vor Dingen oder bewegen sich darauf zu, bewegen und modifizieren Dinge. All dies sind FÄHIGKEITEN, und die Fähigkeit wahrzunehmen (und entsprechend zu beschreiben) kann wie alle Fähigkeiten dissimuliert werden, aber nicht oder kaum simuliert, wenn sie nicht vorhanden ist. Mit jedem Augenblick des Wahrnehmens verändern sich (vermehren sich) meine Fähigkeiten, differenziert und selektiv mit meiner Umgebung umzugehen. Das wenigste davon wird sich in meinen zweckmässigen Handlungen zeigen – der grösste Teil der Information über meine Umgebung zeigt ihre Indifferenz hinsichtlich meiner momentanen Zielsetzung. Insofern könnte ich die Vielfalt dessen, was meinen Reaktionen zugrundeliegt, aufgrund meiner ausgedehnten Wahrnehmungsfähigkeit, nur in nicht-zweckmässigem Handeln zeigen – in Handeln, das allenfalls unter sehr veränderten Zielsetzungen zugleich zweckmässig wäre. So könnte man sagen: Die Gesamtheit der unter IRGENDWELCHEN Zielsetzungen zweckmässigen und auf intakter Wahrnehmungsfähigkeit beruhenden Verhaltensweisen IN einer Umgebung wäre zugleich perfekter Ausdruck meines auf Wahrnehmung beruhenden Wissens von dieser Umgebung; bloss, dass ich mich nie solange in Umgebungen aufhalte, um dies Wissen komplett vorzuführen, und niemals ein solch rascher Wechsel meiner Zielsetzungen stattfindet. Stattdessen bewähre ich meine (als durchgehend unterstellte) Wahrnehmungsfähigkeit, wie alle Wesen meiner Art, in langen Folgen von Situationen und Umgebungen, worin sich, an verschiedensten Objekten, und verschiedensten Gesichtspunkten, unter denen sie mir jeweils wichtig erscheinen, meine Fähigkeit, darauf differenziert umgebungsabhängig zu reagieren, allmählich zeigt. – Nur dasselbe Zeigen IN einer Situation dürfte eine „implizite“ Beschreibung heissen – und sie kommt so kaum vor.

65.
Zumindest im vorsprachlichen Handeln nicht; als Fähigkeit, die sie ist, könnte sie aber ohne weiteres in unsere Willkür-Sprachspiel-Form eingekleidet werden. Nicht in die Routine-Form, in der wir bisher die Kategorien entwickelten: denn hier können wir gerade nicht all jene Varianten des Verhaltens zu Dingen und ihren Eigenschaften einer Situation vorführen, die NICHT zweckmässig und durch die Situation gegeben sind, zu denen wir als Alternativen unter andern Zwecken durchaus imstande wären. Beschreiben kann, kurz gesagt, als eine potentiell, aber aktuell ausdrücklich NICHT zweckmässige (und lebensweltlich in der Einführungssituation für Beschreibungsausdrücke auch als solche verstehbare, nämlich als spielerische oder später, nach entsprechenden Ankündigungen, sprach-spielerische und sprach-einführende) Handlung aufgefasst werden. Meine Fähigkeit zu dieser Handlung kann ich im Rahmen des mittlerweile kategorial fixierten Sprachspiels vorführen: „Ich kann:…“. Nun – was führe ich denn vor, wenn ich Beschreibungsfähigkeit vorführe? Wie immer in diesem Spiel mache ich eine Handlungs-Ankündigung, und führe sie aus. Aber was für eine Handlung ist eine Beschreibungs-
Handlung? Es ist ja nicht so, dass in meinen bisherigen Ankündigungen der Aspekt, Verhalten ZUR Umgebung zu sein, ausgeklammert sein musste: ich KANN Grashalme ausrupfen, ich KANN hinter einem flüchtenden Tier herrennen, ich KANN Wasser mit meinen Händen schöpfen und verspritzen (und auf diese Weise Verben über Verben kreieren). Und in diesen Ausdrücken sind die Objekte, ZU denen ich mich verhalte, wenn ich meine Fähigkeit ausübe, innig mit der gesamten Tätigkeit verschmolzen. Selbst wenn ich rein motorische Akte mache, gilt dies: Ich hebe meinen Arm, aber OHNE Hindernis; wenigstens als abwesende und nicht-zu-erwähnende kommt die Umgebung hier noch vor.

66.
Nun aber soll die Umgebung GETRENNT von allen praktischen Vollzügen zur Sprache kommen können, obwohl unser Sprachspiel doch ausschliesslich handlungsorientiert ist, und das durch seine unumgängliche Anheftung an die vorsprachliche, lebensweltlich-kooperative und reproduktive Verhaltens-Praxis auch sein muss – anders wäre es bis hierher nicht einführbar gewesen. Wie löst man dies Paradox? Wir haben es schon angedeutet: Beschreiben ist nicht so sehr vom instrumentellen, zielgerichteten Sich-zu-etwas, Zu-Sachverhalten usw. Verhalten verschieden; Beschreiben ist eigentlich nur eine fixierte, ritualisierte Form dieses Verhaltens GETRENNT und unabhängig von den jeweiligen Handlungs-Erfordernissen (und hat in diesem Sinn – zumindest bei Gegenwart des Beschriebenen und Wahrnehmbarkeit für die, denen beschrieben wird- eigentlich keine andere praktische Bedeutung, als die andern Willkür-
Sprachspiele auch: Vorführung von Handlungsspielraum, in diesem Fall jenes Teils davon, der in alle sich ZU etwas verhaltenden Handlungen einfliesst, egal welchen Zwecken sie dienen: Wahrnehmungsspielraum).
Wir fixieren diese Form, indem wir tun, was wir die ganze Zeit schon im Rahmen des Willkür-Sprachspiels getan haben: Wir gebrauchen einen (unbekannten, willkürlichen) Ausdruck, und geben ihm Bedeutung durch seine reguläre Anbindung an Handlungen, die im Anschluss an ihn ausgeführt werden. Bislang war dieser Ausdruck als „freies“, beliebiges, willkürliches Handlungsankündigen zu verstehen. Wodurch könnte es uns gelingen, ihn zum beschreibenden zu machen?

67.
Wir müssen, hatten wir gesagt, anders als im Fall des unmittelbaren willkürlichen Handlungsankündigens, mit dem wir „verbal“ (Verben-
einführend) unseren Handlungsspielraum (und den Wahrnehmungsspielraum, als unabgetrennten Teil von ihm) ausloten, vielfache Beispiele für das Verhalten-zu dem zu Beschreibenden ausführen können – und anders als beim kategorischen Handlungsankündigen muss dann zu EINEM Ausdruck ein ganzes Bündel unterschiedlicher Verhaltensweisen gehören können, die bei allen „motorischen“ Unterschieden gerade als wesentliche Gemeinsamkeit bloss die Komponente enthalten, Verhalten-zu dem Objekt oder Sachverhalt zu sein, auf den der Beschreibungsausdruck zutrifft. Tatsächlich haben wir eine Kategorie aus dem Routine-Sprachspiel, mit deren Hilfe wir derartiges verlässlich ausdrücken können: die indem-Relation. Im Routine-Sprachspiel mit seinen kategorisch gültigen Ankündigungen (es wird gesagt, was gemacht wird, nicht, was als Alternative gemacht werden könnte) kann die indem-Relation nur dazu dienen, die speziellen Ausführungsdetails einer Tätigkeit zu beschreiben: „ich werde die Hütte bauen, indem ich…, und dann…, und dann…“. Das Prädikat-Einführungs-Sprachspiel hingegen könnte so gehen: „Ich kann: „INDEM: (neuer Ausdruck für) Ich werde jetzt die Hütte beschreiben; (motorische Ausführung)“; und so wiederholt für verschiedene Ausführungen, bei denen ich mich zur Hütte verhalte. Im freien Willkür-Spiel darf ich ja variieren – was ich im kategorischen Routine-Spiel nicht dürfte; vor allem: im freien Ausdrucks-Einführungs-
Spiel (als das sich das Willkür-Sprachspiel offensichtlich auch benutzen lässt, wie man hier sieht) ist klar, dass die Handlungen keinerlei produktiven Effekt haben – dass sie gespielt sind, und nur etwas zeigen und vorführen sollen – sei es, was ich kann (und darum beliebig ankündigen kann), sei es, wozu ich mich (getrennt von aktuellen Zwecken) verhalten KÖNNTE, wEnn ich wollte.

68.
Das Szenario des Beschreibungssprachspiels, als eines Teils des Willkür-Sprachspiels, wird nun seinerseits, wie sich bald zeigen wird, zur überaus produktiven Quelle kategorialer Sprachspiele; im Gegensatz zum Routine-Sprachspiel, dessen Kategorien wesentlich MODAL-Kategorien sind, ordnen die nunmehr einzuführenden Kategorien die möglichen INHALTE für solche modalen Einordnungen: es ist dasselbe Material, das beurteilt werden kann hinsichtlich seiner Eigenschaft, gekonnt oder nicht gekonnt zu sein, beabsichtigt oder nicht, tatsächlich so vorgekommen oder bloss (in der Vergangenheit) erwartet, jetzt zu erwarten (als eine Möglichkeit oder mit Sicherheit), von dir oder ihr/ihm/ihnen (nicht) gewusst zu sein, (nicht) wahrgenommen werden zu können von Person N, und dergleichen. Die meisten dieser Modal-Kategorien sind noch längst nicht eingeführt, aber WENN sie eingeführt werden, dann im Routine-Sprachspiel. Sie sind, wie man bereits jetzt ahnt, vorgegeben als Bedingungen der Verstehbarkeit des Routine-Verhaltens – für die Akteure selbst, als auch uns als Beobachter und/oder Teilnehmer; das Sprachspiel verleiht ihnen nur (zunächst überflüssigen) Ausdruck, tut nichts praktisch Neues zur Situation hinzu. Im Willkür-Sprachspiel hingegen werden ständig Ausdrücke erzeugt, die einen allenfalls durch die Aufmerksamkeit der Beteiligten strukturierten Raum sprachlich organisieren und unterteilen. Und mit diesen spielerischen Variationen in allen möglichen Richtungen werden die in Routinen fixierten Modal-Kategorien belegt, um gänzlich anderes, als das Gewohnte, Routine-Mässige vorzuschlagen und zu beschreiben.
69.
Natürlich hat das, was wir über die Einführung der Beschreibungsausdrücke gesagt haben, mit dem zu tun, was man üblicherweise „zeigen“ nennt; allerdings in einem sehr erweiterten Sinn. Das Szenario, das zur Einführung beschreibender Sprachspiele vor uns spielerisch entfaltet werden muss, besteht notwendig in der „gespielten“ Vorführung all jener Verhaltensweisen, an denen miteinander interagierende Wesen, auch verschiedener Arten, beispielsweise Jäger und Gejagte, erkennen, dass und was die andern wahrnehmen können: sie verhalten sich sinnvoll ZU Objekten und Sachverhalten. Das Verständnis dieses Teils der Handlungsfähigkeit von Wesen der eigenen Gruppe, oder fremder, ist Bestandteil bereits der vorsprachlichen Lebenswelt. Betrachten wir nun aber nochmal genauer, was durch das Beschreiben eigentlich hinzukommt, und wodurch diese Leistung möglich wird.
Die besondere Pointe des Beschreibens ist sein modaler Charakter, und zwar sein in der Einführungssituation EXPLIZIT GEMACHTER Charakter – die entsprechenden Ausdrucksweisen: ich kann, indem…, müssen dazu bereitgestellt sein. Das „ich kann…“ modalisiert das nachträgliche Tun als ausserhalb der Routine-Zwecktätigkeit stehend; das „indem“ aus der in Einzelschritte aufgelösten Routine-Tätigkeit transportiert das Schema des übergreifend-Gemeinsamen in den Kontext des Willkür-Ankündigungs-Spiels.

70.
Doch die einfache „indem“-Sequenz, wie wir sie oben eingeführt hatten, genügt hier nicht. Das Routine-Sprachspiel muss uns erst eine erweiterte indem-Modal-Kategorie geliefert haben, bevor wir zu beschreibenden Ausdrücken kommen können – jenes „indem“ nämlich , wo (von innen heraus) sämtliche mögliche, aber gegeneinander INDIFFERENTE Ausführungssequenzen aufgeführt werden:
ich werde tun: X, INDEM (… und dann …und dann …) ODER (… und dann …, und dann…) ODER…ODER (…und dann …und dann… ).
Aus der ursprünglichen Indem-Sequenz entwickelt sich diese Ankündigung mit verzweigten, indifferenten Möglichkeiten der Ausführung, indem ich nach dem ersten indem…und dann… und dann… und dann… “ nicht zu handeln beginne, sondern fortfahre; dass es sich hier um gleich gültige Alternativen handelt, muss vorsprachlich verstanden sein, um die oder-
indem-Verzweigung als explizite kategoriale Ankündigung einzuführen.
Es muss nun durch die „ich kann:…“ – Form sichergestellt sein, dass der einzuführende Beschreibungsausdruck NICHT, wie sonst üblich im „ich kann..“ – Kontext, eine zugehörige MOTORISCHE Aktion meint, sondern eine INVARIANTE der verschiedensten Aktionen dieser Art darstellt; und das KANN explizit zum Ausdruck gebracht werden dadurch, dass ich statt der motorischen Ausführung, so wie im „indem“ – Gebrauch des Routine-
Sprachspiels, die „Sequenz“ – Stellen mit den (vorher unabhängig eingeführten) Handlungsankündigungs-Ausdrücken besetze: Ich kann: Ich verhalte mich zu einer Hütte, INDEM ich laufe auf die Hütte zu, ODER ich laufe von der Hütte weg, ODER ich laufe um die Hütte rum, ODER ich rüttle an der Hütte, ODER … usw. Hierzu drei Anmerkungen:

70a)
Das IMPLIZITE „usw.“ ist die eigentlich zu verstehende neue Kategorie: sich zur Hütte verhalten, besteht, anders als im Routine-ankündigenden indem/oder nicht in GENAU diesen, und keinen anderen Alternativen, sondern die Aufzählung ist eine offene Beispielsreihe. Ich kann dies explizit machen, indem ich die betreffenden Handlungsankündigungen beliebig durcheinander zur Belegung aller Stellen in einer Willkür-
Ankündigung der Form: ICH KANN: (Ausdruck für: Ich verhalte mich zu einer Hütte“), „ODER.. (und dann… und dann…) ODER…“ benutze. Beachtlich ist hier, dass ich von den zwei Stellen in dem ICH KANN-Spiel: 1. (neu einzuführende) Ankündigung, und 2. („motorische“) Ausführung, die zweite mit einer SPRACHHANDLUNG fülle, oder zumindest füllen KANN, weil dies genauso gute Dienste leistet – was nicht ausgedrückt wird, sondern schon zuvor verstanden sein muss; die erste Ankündigung nach dem ICH-KANN-Schema wird dadurch näher als SPRACHHANDLUNGSANKÜNDIGUNG, mithin nach unserer Terminologie klar als kategorialer Sprechakt, charakterisiert. Die Kategorie, um die es hier geht, könnte als grobe Annäherung an das aufgefasst werden, was man in entfalteteren Sprachspielen „Bedeutungserklären“ nennt.

70b)
In den nun zu betrachtenden Sprachspielen der Bezugnahme auf Objekte, ohne involvierte Handlung, werden zwar genau die Momente, die im (einfach anzukündigenden) Handeln innig miteinander verschmolzen sind, auseinandergelegt und getrennt ansprechbar; dennoch ist auch in der abstraktesten Invariante der Bezug auf Handlungen nicht aufgegeben: beschreibbar, und in diesem Sinn besprechbar ist nur, wozu man sich handelnd verhalten kann. Und es ist das System der aufeinander aufbauenden Handlungen in sinnvollen Plänen, das so der „Ontologie“, dem Objektives „beschreibenden“ und zur Sprache bringenden Reden, seine Ordnung aufprägt; was noch zu zeigen sein wird. – Die „Invarianten“ der verschiedenen Art, und die verschiedenen Ausprägungen, die sie annehmen können, hängen hier völlig in der Luft – welcher sinnvolle Gebrauch von ihnen gemacht werden könnte, ist noch nicht absehbar. Sie sind nichts als mögliche PRÄDIKATE; es wird sich, aus der Hierarchie der Handlungszusammenhänge, aber schnell ein System von Äusserungsformen ergeben, durch deren Belegung diese Prädikate sinnvoll zueinander in Beziehung treten können; diese Äusserungsformen reflektieren nichts andres als die Untergliederungsmöglichkeiten komplexer Handlungen, die man bereits einfach und ungegliedert angekündigt hat – oder umgekehrt, die Möglichkeiten sinnvoller Zusammensetzung einfacherer zu komplexeren Handlungen. Die Möglichkeit des Verstehens des Sinns dieser Zusammensetzungen ist die Bedingung der Möglichkeit, kategoriale Formen für Abwandlungen dieser Zusammensetzungen einzuführen.

70c)
Unser Gedanke läuft also zunächst darauf hinaus, die Rede über „Objektives“ (Objekte, Orte, Eigenschaften) als Invariante bezüglich bestimmter kategorial dazu passender (Bewegung dorthin passt zu: Ort; Manipulationen damit passt zu: Objekt usw.) Handlungssysteme einzuführen. Das objektive Material ist dann von vorneherein charakterisiert als eines, mit dem bestimmte Handlungen möglich werden, und zwar Handlungen verschiedener Personen, sofern sie nur den Anforderungen der objektiven Situation genügen (die praktischen Erfordernisse auf irgendeine Weise mit ihren persönlichen leiblichen Mitteln meistern). Das ist ein intersubjektives, und auf Arbeitsteilung verweisendes Moment in der Einführung „objektiver“ Sprachspiele. In der Einführungssituation ist dies auf selbstverständliche Weise so präsent, dass die Ankündigungshandlungen, die sich um bestimmte Objekte oder Orte usw. drehen, von verschiedensten Personen übernommen und von jeder für sich ausgeführt werden können (zumindest, soweit sie die entsprechenden Befähigungen aufweist).
Es ist also durch die Einbettung in Handlungsvollzüge, dass das Objektive zur Sprache kommt. – Man hat hier zugleich das Rätsel gelöst, warum Ausdrücke verschiedenster kategorialer Machart (Farbe, Gestalt usw.) durch blosses „begaffendes“ (Heidegger) Verhalten-zu variierenden Situationen (an denen entlang dann die Ausdrücke variieren sollten) nicht eingeführt werden können – und wie es in Wirklichkeit eben doch geschiehen kann.

71.
Im Rahmen des Invarianten-erzeugenden Sprachspiels können also nun deskriptive, nicht-modale Kategorien (Kategorien bloss möglichen, nicht kategorischen Verhaltens) durch spielerisch-systematische Variation von Handlungsabläufen eingeführt werden; und daran mag man vielleicht schon im Zusammenhang mit der Aufzählung möglicher Verhaltensweisen angesichts der Hütte gedacht haben. Verstehen könnte man, durch systematische Abwandlung, zunächst ohne weitere Modal-Kategorie ausser dem „ich kann“:
dass ich auf „etwas“ (gleich was) zulaufe, oder von ihm weg, oder drumherum, oder auf es draufsteige, auf es einschlage, es versuche wegzuschieben, es zerlege usw. – dabei die Tätigkeiten aufgefasst jeweils als Invarianten, bei offensichtlich variierenden Etwassen, anschliessend die speziellen Etwasse als Invarianten.
Eine dritte Handlungskategorie kann durch weitergehende systematische Variation eingeführt werden: Sich (oder Körperglieder) zu einem Ort bewegen, egal was dort ist und was ich dort tue.
Die Invarianz bezüglich der ausführenden Person können wir darstellen mithilfe von Modal-Kategorien, die auch im Routine-Sprachspiel, und dort verbindlich (wie alle Modal-Kategorien) vorkommt: Aus der ich-werde-
Ankündigung wird die wir-werden-Ankündigung, bei der im INDEM-
Ausführungs-Teil die Rollen der verschiedenen Personen oder Personengruppen bei arbeitsteiligem Vorgehen bezeichnet werden. Die
Untergliederung der Gesamthandlung mithilfe von UND DANN zerlegt diese dann noch deutlicher in Episoden, in denen ZEITGLEICH von verschiedenen Beteiligten verschiedene Operationen ausgeführt werden. Darin ist impliziert die Entsprechung jedes einzelnen Ankündigungsdetails zu den kategorial analogen (und analog artikulierten) Ankündigungen aller anderen „Sprecher“, die zugleich als Kooperationspartner füreinander fungieren.
(Die Weigerung von Sprechern, Ankündigungen anderer zu übernehmen, und ihre Rolle, so wie die andern, anzukündigen, kann dann noch vor aller Ausführung zum Streit führen. Auf welche unschönen Weisen auch immer anschliessend ein Konsens hergestellt wird (wenn erhergestellt wird) – er ist jedenfalls durch die Übereinstimmung in den kategorischen Ankündigungen des kollektiven Tuns der Teilnehmer der Kooperation verpflichtend ausdrückbar – auf diese Weise wird Zustimmung signalisiert. Neben der intersubjektiven Zeit (die arbeitsteilig von verschiedenen Kooperations-Teinehmern zuunterschiedlichen Arbeiten genutzt werden kann) können auf diese Weise auch Ja und Nein eingeführt werden, als auf Einzelabschnitte bezogene einfache Zustimmung (ohne die Ankündigung selbst zu wiederholen), oder Ablehnung, zunächst ohne Nennung einer Alternative (etwa so: „die mir zugewiesene Aufgabe in der dritten Episode nach Beginn werde ich nicht erfüllen“).

72.
Die Orte und verschiedenen Wege zu ihnen hin, die Objekte, die sich dort befinden, die Eigenschaften, die sie besitzen (aufgrund deren man je verschiedenes mit ihnen machen kann), die von selbst geschehenden (oder spätestens von uns veranlassten) Eigenschafts-Änderungen und Bewegungen der Objekte, deren Geschwindigkeiten, Dauern und Rhythmen, schliesslich die Dispositionen für solche Veränderungen: all dies vielfältige Material ist jeweils kategorial unterschiedlich verfasster Angriffspunkt für (aufeinander aufbauende, von voraufgehenden Handlungen vor- und untergeordneter Kategorie abhängige) Handlungsfragmente, die sich, in sinnvoller Folge angeordnet, wieder in die gültigen kollektiv-
arbeitsteiligen Pläne der Routine-Reproduktion einfügen, und dann auch in deren Ankündigung – nachdem sie ihrerseits für eine solche Ankündigung Stück für Stück verfügbar gemacht wurden, in entsprechenden Einführungssprachspielen. Diese einführenden Sprachspiele finden aber sehr zurecht im Modus ICH KANN statt, denn das Objektive und Wirkliche, von unseren Handlungen zunächst einmal Unabhängige, ist ein sehr wichtiger Teil unserer HandlungsMÖGLICHKEITEN: an dem, was der Fall ist, oder womit sinnvollerweise zu rechnen ist, setzt unser Handeln, in die oder jene Richtung zielend, an. Dass da etwas ist – dass wir uns an einem Ort befinden – dass dort etwas benennbarer Art oder Gestalt ist, das dieunddie Eigenschaften hat – dass derundder Vorgang stattfindet oder stattgefunden hat oder regelmässig, unter bestimmten Bedingungen, an Objekten von derundder Art, mit den bekannten Ausgangseigenschaften stattfindet – all dies eröffnet Möglichkeiten, sich dazu zu verhalten, damit und angesichts dessen bestimmtes zu tun und zu lassen; zugleich finden unzählige andere Handlungsalternativen, die uns prinzipiell möglich sind, dort keinen Angriffspunkt.

73.
Die sich selbst überlassene Welt, in die nicht eingegriffen wird (und zu der auch die Leiber der eingriffsfähigen Organismen gehören) nimmt einen bestimmten Verlauf; diesem Verlauf kann zugestimmt werden, oder er kann abgelehnt werden, unmittelbar, oder zugunsten eines BESSEREN, anderen, auf den die Eingriffe zielen. Alles Geschehen hat so einen ersten Bezug zum Handeln und Handeln-Können überhaupt (wobei das Wissen-wie keine geringe Rolle spielt): ist das, was geschieht wie es sein soll, oder nicht. Und so sieht das Wollen zunächst einmal aus: als unmittelbare PRAKTISCHE Stellungnahme zu dem, was geschieht, zumindest jenen Anteilen, die dem Wollenden und Stellungnehmenden zugänglich sind – sensorisch und motorisch – , und ihn und sein Empfinden tangieren. All das gehört längst zur vor-sprachlichen Lebenswelt, dem Lernen und Sich-in-einer-Umgebung-
Zurechtfinden der Tiere, mit dem „Willen“ zur Selbsterhaltung (ohne den und vor allem ohne dessen im allgemeinen erfolgreiche Umsetzung wir ihnen nicht einmal ein Verhalten, Lernen, kognitive Zustände auf Verhaltensniveau usw. zuschreiben könnten). Die im Verhalten der Tiere und also auch im lebensweltichen Tun der vor-sprachlich interagierenden Gruppe ungetrennten Momente des Könnens, Wissens und Wahrnehmens, und „Wollens“ werden nun im Laufe der Sprachausbildung zunehmend getrennt. Im Beschreiben und Berichten ebenso wie im Beschreiben möglicher Entwicklungen oder der Inhalte von Erwartungen sollen Welt-Begebenheiten vorkommen, unabhängig davon, wie tatsächlich auf sie praktisch reagiert wird – aber nicht unabhängig davon, wie auf sie reagiert werden KÖNNTE – denn nur durch diesen Bezug kann ihre sprachliche Repräsentanz KATEGORIAL artikuliert werden.

74.
In der Charakterisierung der Bedeutung von Beschreibungs- und Berichts-
Ausdrücken mit den primitiven sprachlichen Mitteln, die bislang eingeführt wurden, kommen notwendig widersprüchliche und sich praktisch ausschliessende Handlungsweisen vor – notwendigerweise, denn das unabhängig vom Handeln Geschehende lässt ja all diese Handlungen als Reaktionen auf es zu: bloss beobachtende und gewährenlassende, Flucht- und Abwehrhandlungen bis hin zu vernichtenden; vor allem aber verändernde: den Bewegungszustand verändernde, die Gestalt, das Oberflächenaussehen, bestimmte Dispositionen, Lebensdauern, Verhaltensweisen usw.
Und natürlich sind es vor allem die verändernden Handlungen, die das Objektive als Ausgangsmaterial, an dem sie angreifen, voraussetzen. Die Veränderungshandlungen lassen sich ohne weiteres in den ICH-KANN-Modus fassen; objektive „Invarianten“ fungieren dabei quasi als Knoten und
Kreuzungen von Wegen, die solche Handlungen darstellen, und über die Weltzustände ineinander überführbar sind. Das PRAKTISCHE und wirklich geltende Handeln, der gültige Plan, selektiert aus diesen Wegen einen, andere mehr oder weniger ausschliessenden aus.

76.
Wie verhalten wir uns denn nun im allgemeinen praktisch zu „Objektivem“ der verschiedenen Kategorien? Wir bewegen uns in unserem Lebensraum herum, den wir im allgemeinen gut genug kennen, um ihn nicht noch grob erst einmal erkunden zu müssen – was nicht ausschliesst, dass wir im einzelnen immer wieder irgendetwas nachprüfen und suchen müssen; wir begeben uns zu Orten, wo unseres Wissen Objekte einer bestimmten Art oder einzelne, von andern unterschiedene Objekte sich befinden; wir sammeln, nehmen, tragen Objekte, mit denen wir etwas tun wollen, mit uns, unter Umständen in Behältern (die wir dann als ganze bewegen), oder wir lassen sie von einem Mechanismus dorthin bewegen, wo sie sein sollen; wir wirken, mit unseren Gliedern, oder Instrumenten, oder mechanisch bewegten Objekten auf Objekte ein, und verändern sie, solang bis sie so sind, wie sie sein sollen – dabei nutzen wir Kontaktwirkungen, oder Fernwirkungen, oder bestimmte geometrische Arrangements von Wirkmitteln, und zwar solche, die etwas in Bewegung setzen, solche, die Oberflächen-
Veränderungen bewirken (Form, Aussehen, Härte, Rauhigkeit, der Gestalt als ganzer), oder Zerlegungen und Zerstörungen, nehmen weg oder fügen
etwas hinzu (kleben dran, heften an usw.), wir ändern bestimmte Dingeigenschaften (Fernwirk- und Kontakt-Dispositionen: wärmen und abkühlen, trocknen, härten, weichmachen, spröde, zerbrechlich machen etc.), indem wir Objekte oder Materialien bestimmten Bedingungen aussetzen; wir stellen Bedingungen her, auf diese Weise, für Objekte, die sich so wie sie sind, erhalten, und uns zu Nutzen sind, sei es, indem sie sich von selbst bewegen, oder Einflüsse auf andres ausüben, oder ein Verhalten zeigen usw.; oder umgekehrt versuchen wir sie an der Ausübung schädigender Einflüsse auf uns oder uns nützliche Objekte und Sachverhalte zu hindern; nicht zuletzt uns selbst behandeln wir so, denn in all den genannten Hinsichten sind wir (d.h. unser Leib) und (der Leib von) unseresgleichen ja auch bestimmt (wir sind an Orten, beweglich, als Objekte behandelbar, können Bedingungen ausgesetzt werden usw. und uns dabei erhalten und gedeihen oder verkümmern) – und also auch behandelbar.

77.
Es zeichnet sich also ab: Die objektiven Angriffspunkte, an denen entlang unsere Handlungen sich entfalten können, sind hierarchisch geordnet; bevor ich mit dem, was an einem Ort sich befindet, etwas tun kann, muss ich, und muss es erst mal dort sein. Dinge müssen in bestimmter Weise formiert oder in bestimmte Zustände versetzt werden, damit mit ihnen bestimmtes getan werden kann, aber dazu müssen sie wiederum in bestimmten Ausgangszuständen sein usw. Die Resultate untergeordneter Tätigkeiten sind die Ausgangspunkte weitergehender Handlungen usw. All dies kommt in meiner vorsprachlichen Lebenswelt längst vor, und bildet selbstverständlich Teil meines reproduktiven Handelns. Die Aufgabe der Spracheinführung ist es, all diese speziellen Abteilungen meines reproduktiven (und mit andern zusammen arbeitsteilig organisierten) Handelns herauszuheben und mögliche Varianten (oder eben Invarianten, angesichts möglicher und garnicht notwendig praktisch realisierter Vollzugsvarianten) zu dem, was gegenwärtig geschieht, artikulierbar zu machen. Die Ausprägungen elementarerer Kategorien sind dabei beschreibbar als Invarianten für die an ihnen je angreifenden Handlungsbündel der nächst höheren Kategorie; mit diesem, unserem vorsprachlichen Kooperations-Verhalten bereits längst zugrundeliegenden Verständnis der objektiven („Lebens“-)Welt unseres reproduktiven Alltags haben wir also zugleich einen Ansatz, um die LOGISCHE Hierarchie der Kategorien dessen, was in unserer Welt ist oder sein könnte, auszubilden.

78.
Schon das von selbst und ohne unser Eingreifen Geschehende hat nun aber einen Aufbau aus Stufen immer höherer Grade von Dauer und Ordnung, und jede einzelne Änderung führt von Ausprägungen einer bestimmten Ordnungsstufe zu anderen Ausprägungen derselben Stufe (dasselbe Gebilde einer Ordnungsstufe kann dabei realisiert sein durch unterschiedliche (und in dieser Hinsicht gleich-gültige) Gebilde darunterliegender – umgekehrt aber wird jede Änderung höherer Stufen durch mindestens eine niedrigerer Stufe realisiert). Unser KÖNNEN besteht wesentlich darin, Verläufe (Gleichbleiben und Sich Verändern) so zu steuern wie wir wollen – könnten wir es unmittelbar, würden wir die Ziel-Ausprägungen entsprechend unseren Ankündigungen unmittelbar realisieren, so wie wir unseren Körper Bewegungen machen und Stellungen einnehmen lassen; wenn aber nicht unmittelbar, dann DURCH eine Folge solcher durch uns unmittelbar kontrollierbarer (nämlich im „Willkür“-Sprachspiel ankündbarer) Vorgänge (Handlungen), mit denen wir auf für uns nicht unmittelbar beeinflussbare wirkend (und mit anderen, „von selbst“ stattfindenden Vorgängen zusammenwirkend) Einfluss nehmen, über Zwischenstufen, bis wir den gewünschten Effekt erreicht haben. Das von selbst Geschehende einer Stufe, mitsamt seinen „darunterliegenden“ Substraten und den Möglichkeiten, es zu ändern (u.U. durch Geschehnisse im Zusammenhang mit den Substraten) und DADURCH das Geschehen der höheren Stufe zu beeinflussen, ist also wesentliche Voraussetzung des Könnens, und darum auch indirekt des daraus wählenden WOLLENS. – Von diesen Stufen soll nun viel genauer als bisher die Rede sein.

—————

78a.
Als erstes muss wohl endlich gesagt werden, wie die neugewonnenen Ausdrucksweisen bezüglich der „Invarianten“ grundsätzlich in das Routine-
Sprachspiel eingebaut werden – denn dort werden sie, wie wir gesehen haben, dringend gebraucht.
Es sei also eine Routinesituation vorausgesetzt, in der wir üblicherweise alternative Möglichkeiten haben, etwas in Sequenzen auszuführen – wir benutzen die in entsprechenden Sprechakt-anzeigenden kategorialen Ausdrücken angekündigte Indem Oder (…und dann…) – Modalität des Routineankündigens. Meine Ankündigung sieht nun so aus:
ICH (WIR) WERDE(N): X tun, INDEM (Teilnehmer a geht zum Ort alpha UND DANN (ich oder du oder alle KÖNNEN:) Sich zu einer Hütte verhalten) UND DANN (a (soll, wird) hineingehen) UND DANN…)) ODER ((…)) ODER ((…))
Die Verwendung des ursprünglich FREIEN ich kann/ich, du, alle können-
Sprachspiels IN einer Routine erzeugt rückwirkend für die ursprünglich freie Verwendung eine Modalität, die implizit dadurch zum Ausdruck gebracht wurde, dass ich das ICH WERDE unterlassen habe; für diese Unterlassung (als die sie sich erst jetzt, rückwirkend, erweist) kann ich künftig – nachdem die Einfügbarkeit alles dessen, was im „ich kann“-
Sprachspiel entwickelt wurde, in die Routine-Ankündigungen hinreichend eingeübt ist – einen neuen Modal-Ausdruck einführen, mit der (durch seine Einführungsgeschichte charakterisierten) Bedeutung: ES IST MÖGLICH.
(Es ist möglich: ich, du, jeder kann: ich, du jeder verhält sich zu einer Hütte, INDEM … ODER… ODER…; oder kurz: sich zu einer Hütte verhalten können (weil da eine ist), heisst … oder … oder… tun können.)

79.
Ob wir die ich-kann-Modalität zusätzlich zum Prädikat „Hütte“ explizit in eine Stelle der Routine-Ankündigung einfügen, und sie so – zumindest im Zusammenhang mit Invarianten – als jener untergeordnet kennzeichnen, ist gleichgültig. Entscheidend ist nämlich bloss, dass die Teilnehmer des Sprachspiels verstehen, dass ich durch die Einfügung des Prädikats Hütte an dieser Stelle der Sequenz, das ja immer noch als allgemeines Handlungsprädikat „ich werde IRGENDETWAS von dem tun, was man angesichts einer Hütte machen kann“ aufgefasst werden kann, KEINE GÜLTIGE ANKÜNDIGUNG GEMACHT habe, meine Sprechakt-ankündigung: Ich werde… also noch nicht ausgeführt habe. Und das KÖNNEN wir eben dadurch explizit machen, dass wir hier, aber NUR hier, die ich-kann-Modalität ins Routine-
Sprachspiel übertragen – in allen andern Fällen hingegen, wo wir unser Können vorgeführt haben, übertragen wir bloss den Handlungsausdruck selbst; zugleich haben wir dann auch eine gültige (wenn auch u.U. beschränkte) Ausführung des INDEM-Ankündigungssprechakts gemacht. Die eigentliche Gebrauchsbedeutung dieser je nach Inhalt unterschiedlichen Verwendung oder Nicht-Verwendung des ich/man-kann (sich zu einer Hütte verhalten) ist aber die Anzeige, dass es der obligaten Ergänzung durch die Ankündigung einer wirklichen, und zwar einer der möglichen Hütten-bezogenen Verhaltensweisen (die die das Verhalten-zur Hütte charakterisierende Beispielsreihe fortsetzt), bedarf.

80.
Der bereits oben angesprochene hierarchische Aspekt aber würde dadurch realisiert, dass das vor-sprachliche Vor-Verständnis für Handlungshierarchien eine bestimmte Belegung der Sequenz-Plätze mit Invarianten bzw. Handlungen verlangt. Die auf diesen festen Belegungs-
Reihenfolgen fussenden Bedeutungen der Einzel-Sequenz-Stellen können wieder durch eigene Ankündigungen modalisiert werden, und dann aus der Sequenz herausgelöst werden. Die ursprüngliche und-dann-Sequenz wird dann durch Belegung der Stellen mit modal charakterisierten „Episoden“ frei für eine rein zeitliche Auffassung (deren reine Zeitlichkeit aber nur durch die modalen Kennzeichnungen der Episoden zum Ausdruck kommt). Ursprünglich war es ein und dasselbe und-dann, das die verschiedenen Modal-Abteilungen der einzelnen Episoden, und diese selbst (das nacheinander) trennte. Indem der implizite Modal-Charakter des Hütten-
Prädikats, Beschreibung dessen zu sein, was ich an einem Ort finden könnte, explizit ausgedrückt wird, ist das voraufgehende und-dann als bloss modales gekennzeichnet, und hebt sich beispielsweise von einem ab, das die zeitlich folgende nächste HANDLUNG (zb. zum nächsten Ort gehen) davon abtrennt. All dies wird gleich durch die nachfolgenden Beispiele deutlicher werden.

81.
Zu einer „Episode“ werden implizit alle Teil-Sequenzen zusammengefasst, deren Anfangsteile aus „Invarianten“ bestehen und daher ergänzungsbedürftig sind im Sinne der INDEM-Ankündigung, zu der sie beisteuern sollen: sie müssen in eine Handlungsankündigung einmünden, andernfalls wäre die Sequenz an dieser Stelle unvollständig. Und das unabhängig davon, ob sich eine weitere Handlung oder eine ganze, durch Invarianten und abschliessende Handlung belegte weitere Episode anschliesst. Anders als bei jenen Ausführungs-Ankündigungen, die wir sehr viel früher als „Rezepte“ bezeichneten, und die aus Handlungsankündigungen bestanden, die nicht in handlungs-unabhängige Situationsangaben und Beschreibung der eigentlichen motorischen Akte zerlegbar waren, sind diese Kategorien hier sprachlich getrennt behandelt; das Wichtige ist: sie sind KATEGORIAL getrennt. Die grundsätzliche kategoriale Abtrennung dessen, was in einer geschlossenen Ankündigung von einer echten Ankündigung gefolgt werden muss, von dem, was die Ankündigung (die als solche durch die Sprechakt-Ankündigung ich/wir werde(n) eröffnet wird) „schliessen“ würde, kann, wie in allen solchen früheren Fällen auch, durch entsprechende kategorial einordnende Sprechakt-Ankündigungen explizit gemacht werden. Und wie in ähnlichen früheren Fällen (indem, und dann, oder) kann eine in unseren entwickelten Sprachen – in Gestalt einer Partikel – bestens eingeführte „Kategorie“ benannt werden, deren Gebrauchsbedeutung es ist, die wir durch Einführungsbedingungen soeben charakterisiert haben: WENN – DANN.

81.a)
Wir wollen kurz anhalten, um zu sehen, wie es vonhier aus weitergehen soll. Mit dem Wenn-dann haben wir uns folgende Möglichkeiten erschlossen:
1. bedingte Handlungsankündigungen zu machen;
2. von Hypothetischem (objektiven Dispositionen; Möglichkeiten) zu reden, und damit das wenn-dann selber zu einer objektiven bzw. „deskriptiven“ Kategorie zu machen (so, wie wir das ich kann im Zusammenhang mit deskriptiven Inhalten unter die kategorische Modalität subsumierten);;
3. bekannte kategorische Ankündigungs-Ausdrücke des Routine-Sprachspiels in die ich-kann-Gleichung einzusetzen, und für ihre Ausführung neue kategoriale Ausdrücke einzuführen (kategoriale Analyse der Routine-
Lebenswelt; durch kategoriale Einordnung können immer mehr Ausdrücke verbal eingeführt werden, müssen nicht szenisch vorgeführt werden wie bisher).
Was diese Erweiterungen der Sprache tatsächlich bedeuten, wollen wir zunächst erörtern. Ausgehend von dieser Stufe, werden dann die nächsten logischen Fortschritte vorbereitet: Denn, wie schon in Abs.80 angedeutet, wird nun der Unterschied explizit ausdrückbar zwischen einer Bedingungs-Zeitfolge (bedingendes und dann), also einer, die zwischen einer Situation und der Reaktion auf sie besteht, und der reinen Zeitfolge von Episoden, seien es Handlungen, bedingte Handlungen, oder Situationen, bei denen zunächst offen bleiben soll, wie man darauf reagiert. Und dies wird uns gestatten, einen der entscheidensten Schritte des Sprachaufbaus endgültig zu vollziehen: die Einführung der Möglichkeit von Berichten. Es wird möglich, sich und andere zu zitieren, und zu diesen vergangenen Äusserungen Stellung zu nehmen: Sie (für die Vergangenheit) zu widerrufen (für falsch auszugeben), speziell für absichtlich (d.h. gelogen, geheuchelt) oder nicht absichtlich (d.h. aus Irrtum oder (damaligem) Unwissen) falsch ausgesprochen zu erklären; und sich auf diese Weise ein nach damaligem Wissen KORREKTES und GÜLTIGES Inventar an (Versuchs-) Absichten= (vernünftiges, begründetes) WOLLEN zuzusprechen, das definiert, was an vergangenen HANDLUNGEN absichtlich war, und was nicht.
82.
Wir sind nun also dahin gekommen, bedingte Handlungsankündigungen machen zu können; und das heisst, viel differenzierter als im Stadium der sog. „Rezepte“ Abwandlungen unserer lebensweltlichen Routine-
Reproduktionspraxis vorschlagen zu können. Ob es immer Abwandlungen sind (was sich grundsätzlich als Unterordnung unter einen eingeführten Zweck mithilfe des „indem“ – Sprachspiels ausdrücken würde), oder freie Hinzufügungen, gänzlich neue Zwecke, deren Ausführung auf diese Weise (nämlich über die einfache „ich werde“ – Anzeige, ohne INDEM) vorgeschlagen oder angekündigt wird, bleibt dahingestellt. Bedingung für die Verstehbarkeit all dieser Ankündigungen ist aber, dass die wenn-
Stelle ausschliesslich mit „deskriptiven“ Inhalten besetzt wird, die dann-Stelle hingegen auschliesslich mit „Ankündigungen“. Wie in der Zwischenbemerkung 81.a) schon angedeutet wurde, soll dieser bereits hier anklingende IMPLIZITE Unterschied später einmal explizit gemacht werden, indem deskriptive Inhalte einmal modal als beabsichtigt und nicht-
beabsichtigt eingeordnet werden können – DERSELBE Gehalt also in beide Modalitäten geraten kann – und das soll ausdrückbar werden. Wir können hier aber sehr schön bemerken, wie Modalisierung funktioniert: es muss immer eine neue, vor-sprachliche Möglichkeit des Verstehens sprachlich erschlossen werden, bevor eine IMPLIZITE in eine explizite Modalität überführt werden kann. Wenn-dann IST eine Modalität, insofern sie den (bereits anderweitig als solche charakterisierten) objektiven Gehalten den Status des „bedingenden“, handlungs-auslösenden zuweist. Was würde passieren, wenn wir auf dieser Stelle plötzlich Texte mit ICH WERDE einsetzen? Welchem VORSPRACHLICHEN Verständnis würden wir auf diese Weise Ausdruck verleihen? Was würde es für einen Sprecher bedeuten, die TATSACHE des eigenen Wollens als BEDINGUNG für ein weiteres, anderes Wollen bei sich anzugeben? Noch dazu, wenn man bedenkt, dass Bedingtheit ausdrücklich die Erwägung verschiedener alternativer Bedingungen zulässt – wie würde das klingen: wenn ich x wollte, würde ich (dann) y wollen, wenn x‘, y‘ usw. Das klingt seltsam.

83.
Garnicht seltsam hingegen wäre es, wenn ICH x wollte, und DU mir dann sagen würdest, wie du darauf reagierst: ablehnend oder zustimmend, mir Gewalt androhend oder Belohnung und Hilfe versprechend. Mit anderen Worten: die Besetzung der wenn-Stellen mit Willens-Zuschreibungen an eine andere Person als der Spercher macht Sinn als Sprachspiel des (auch streitenden) VERHANDELNS – eine Redefigur, die zuvor bloss implizit, nämlich als vor-sprachliches Drohen und Zustimmen angesichts der Ankündigungen der Beteiligten möglich war. (Gewiss gab es da schon eine Vorstufe der streitenden Wechselrede, indem ich oder andere (zumindest in den kategorialen Formen nach Einführung des Routine-Ankündigens, spätestens desjenigen für verschiedene Personen (diese gedacht als Ausdruck für arbeitsteilige Routine-Vorschläge – die auf diesem vorsprachlichen Hintergrund eben nicht als Ankündigungen, sondern als (praktisch bestreitbare) Vorschläge aufgefasst werden konnten) auf vorsprachliche Weise meine/ ihre Ablehnung solcher Vorhaben, die mich einschliessen sollten, kundtun konnte(n); aber dort war man angewiesen auf die Thematisierung von Absichten von seiten des Gesprächspartners. Jetzt kann ein Sprecher seinen Hörern, unabhängig von deren Bekundungen, seine BEWERTUNGEN (in Gestalt praktischer Reaktionen) ihrer MÖGLICHEN Pläne mitteilen. Auch BEFEHLE oder ANORDNUNGEN könnten in diese Form verpackt werden. Und erstmals wird von weitem die Möglichkeit sichtbar, explizit zu heucheln und falsche Absichten vorzutäuschen – zu bekunden, unter Druck, dass man tun wird, was von einem verlangt wird, um die Gelegenheit abzuwarten, anschliessend etwas ganz andres zu tun.
(Wir wollen die Idee für später im Gedächtnis behalten, dass diese wechselnden WENN-DANNs (worin im WENN-Teil die Willensbekundungen des andern wie objektive Sachverhalte behandelt werdem) zuletzt auf eine konsens-fähige, von den Beteiligten gemeinsam bekundbare Ankündigung hinausläuft, worin ihr Füreinander-Objekt-sein im Wechselgespräch des Streitens verschwindet; wir wollen die Frage offenhalten, ob ohne einen solchen Abschluss das Sprachspiel, das wir eben beschrieben haben, auf Dauer seine Bedeutung behalten kann.)

84.
Fragen wir nun, welche unerwarteten Belegungen des WENN-DANN, nach seiner Einführung, einen vorsprachlich verstehbaren und dadurch auf diese Weise sprachlich repräsentierbaren Sinn zugewiesen bekommen könnten.
Eine erste wichtige Variante des WENN-DANN-Spiels im ICH-WERDE-Modus könnten PROGNOSEN darstellen, wobei im wenn-Teil Handlungen von mir stehen, im dann-Teil deren Folgen; speziell könnten meine WENN-
Bekundungen die Gestalt annehmen: ich werde nichts tun, oder ich werde IRGENDETWAS tun (beide Ankündigungen im ICH-KANNSpiel einzuführen), um im DANN-Teil zu sagen, was ich an objektiven Verläufen daraufhin erwarte – unbeeinflusst von meinen Handlungen. Mit diesem expliziten Ausdruck der UNABHÄNGIGKEIT von meinen Handlungen gewinnen wir die Vorform einer neuen Modalität, nämlich ein „objektives“ FUTUR; dies Futur wird zur allgemeinen Modalität, wenn es Absichten für nach dem Sprechzeitpunkt liegende Zeiten ebenso umfasst wie nicht-beabsichtigbare Ereignisse, die vom Sprecher erwartet werden. Um diese Bedeutung anzunehmen, muss das allgemeine Futur in Gegensatz treten (und das heisst: in Beziehung zu setzen sein) zu einer Modalität, die wir bereits eingeführt haben: Möglichkeit. Das unabhängig von unsern Absichten Erwartete zusammen mit dem Beabsichtigten (einem Teil dessen, was wir können) tritt in Gegensatz zu dem BLOSS Möglichen, mit dem aber nicht gerechnet wird, und dem zwar Gekonnten, aber zur Ausführung unserer Absichten zu Unterlassenden. Beide zusammen machen das Mögliche und Ansprechbare überhaupt aus. Diese Modalitäten werden ab jetzt in ständigem Wechselspiel mit der anderen, der „Willkür“-Seite des Redens, entwickelt, die jetzt auch die Seite der „blossen Explikation von Möglichkeiten“ genannt werden kann.

85.
Die offensichtliche und vorsprachlich begründete Verallgemeinerung des ICH KANN zum allgemeinen ES IST MÖGLICH, das das Können ähnlich umgreift und sich daraus entwickelt, wie das ES WIRD des allgemeinen Futur das Beabsichtigen umgreifen und sich daraus entwickeln soll, gibt uns das Mittel an die Hand, uns stärker als je zuvor von der Bindung an die Veranschaulichung des „Willkürlichen“ durch Spiel-Handlungen zu lösen; unsere „Möglichkeitsspiele“ werden sich nämlich in dieser Modalität ausschliesslich verbal weiterentwickeln. Die erste Anwendung, die wir machen könnten, wäre, dass wir Geschehensverläufe ausmalen – sich verzweigende Linien, reine Geschichten, eben „Möglichkeiten“; dazu lassen wir das INDEM weg, und arbeiten mit dem ODER-verzweigten UND DANN. Solche Spiele sind freilich blosse ANWENDUNGEN der bisher entwickelten Kategorien, es ergibt sich daraus zunächst nichts Neues; immerhin ist jetzt die Erwägung objektiver Verläufe, mit denen man rechen könnte, und auf die wir uns praktisch vorbereiten, möglich. Der Übergang von diesen Erwägungen in unmittelbar anschliessende praktische Vorschläge ist lebensweltlich verständlich, und würde, wenn fest eingerichtet und verbalisiert, die erste Verbindungs-Kategorie schaffen: (es ist möglich, dass….) UND ALSO (wir werden… wenn-dann usw.).
Dass Sprechakt-Status-anzeigende Ausdrücke, wie das UND ALSO hier, mitten in der Ausführung dieser Sprechakte erscheinen, also nicht so sehr Ankündigung als Erläuterung sind (so wie wir ja auch später bei Handlungen zwischendurch gefragt werden können, ob wir das wirklich tun wollen, was wir tun, oder worauf das hinauslaufen soll, was wir gerade begonnen haben), ändert an ihrer Einführung nichts. Das UND ALSO mag übrigens eine vorgängige Ankündigung (die unterbleiben kann, zu der aber auch aufgefordert werden kann) zugeordnet      bekommen, mit der Gebrauchsbedeutung: „ICH ERWÄGE, IN PRAKTISCHER      ABSICHT:…. (UND ALSO)…“

86.
Die Entsprechung zu dieser Erwägung von Verläufen im Möglichkeitsmodus drückt im Modus ES WIRD (als Ausdruck des handlungsunabhängig Erwarteten) komplizierte, allerdings dann kategorische, unbedingte Erwartungen aus, ohne WENN-DANN oder INDEM: „ES WIRD: und dann.. und dann.. ODER…“; im Gegensatz zu WENN-Bedingungen fürs Handeln bzw. puren Möglichkeiten wird hiermit gesagt, dass der Sprecher mit diesen Verläufen als den zu diesem Zeitpunkt tatsächlich zu erwartenden rechnet (derart dass andere Erwartungen ausgeschlossen sind) – zumindest, wenn nicht handelnd eingegriffen wird, vielleicht auch, weil gleich welches mögliche Handeln daran nichts ändern wird. (Es wird sich spätestens in dieser Redeform bald das Bedürfnis einstellen, diese beiden Fälle sprachlich zu unterscheiden: bedingte Unbeeinfkussbarkeit, und (gegenwärtig) unbedingte).
Der Erwartungsausdruck ES WIRD: kann sich von daher sinnvoll an kategorische, mit „oder (aber)“ verzweigte WENN-DANN-Ankündigungen („wenn X, werde (würde) ich Y tun, oder aber wenn X‘, Y’…) anschliessen, und zum Ausdruck bringen, dass man einige oder sogar bloss eine der möglichen Ereignis-Alternativen, für die man Handlungen ankündigt, deutlich eher als alle andern erwartet (…ES WIRD aber (bedingt oder unbedingt unbeeinflussbar) X geschehen.“); zwanglos liesse sich anschliessen: „…UND ALSO: ICH WERDE: Y tun.“

87.
Die Einführung der WENN-DANN-Rede wurde oben dadurch ermöglicht, dass ein vorsprachlich verstehbarer Modalitätswechsel, der die Belegungen einer ODER/UND DANN-Reihe sinnvoll untergliederte (nämlich der von den situativen, nicht durch Absichten beeinflussbaren objektiven Voraussetzungen einer handlung, zur Ankündigung der darauf gerichteten, gezielt beabsichtigten Aktion), durch eine eigene Kategorie sprachlich sichtbar gemacht wurde. Alsbald erwies es sich, wie öfter, dass der Einführungsfall, der sich bis dahin als einzig sprachlich ausdrückbarer angeboten hatte, nur ein spezieller aus einer ganzen Reihe weiterer Anwendungsfälle der Kategorie war, die aber erst jetzt, durch explizite Anzeige der Modal-Kategorie „Bedingungsinhalt“, als solche kenntlich wurden. Als mögliche Bedingungen für nachfolgend Konsequenzen zeigten sich zunächst die angekündigten umstrittenen Vorschläge von einzelnen Sprechern, auf die andere mit Gegenmassnahmen antworten konnten (und diese als Konsequenz der Bedingung ankündigen konnten). Dies war der erste Fall, in dem eine kategorial paradoxe Belegung des WENN-
Bedingungsteils mit einer Ankündigung dennoch lebensweltlich Sinn machte und also interpretierbar war. Der zweite Fall dieser Art war das ursprüngliche Futur der „objektiven“ Prognose, eine Modalität, die wir einführen konnten durch explizites Einsetzen der Ankündigung von Unterlassungen bzw. beliebiger Handlungen in den Bedingungsteil. Auch hier konnten wir wieder etwas AUSDRÜCKEN, durch Neu-Kombination der bis dahin entwickelten sprachlichen Mittel, was ursprünglich bei deren Einführung nicht vorkam, aber durch die lebensweltliche Verankerung des Zusammenhangs der Kombination mit der neuen Kategorie sofort deren Verstehen ermöglichte. Nach Explizitmachen dieses Verständnisses in Gestalt eines kategorialen (Sprechakt-ankündigenden, nämlich einen Sprechakt von der Art der so verstandenen Kombination ankündigenden oder anzeigenden) Ausdrucks kann dieser in neue sprachliche Kombinationen übertragen werden: der Vorgang wiederholt sich.

88.
Sehen wir uns die bis hierher entwickelten neuen Ausdrucksmittel an, dann gibt es für das rein zeitliche Futur, in dem sich objektiv Erwartetes und Beabsichtigtes zusammenschliessen, eine klare kategoriale Funktion (vgl. Abs. 85. Anfang), nämlich GEGENMODALITÄT der Kategorie ES IST MÖGLICH… zu sein: ES WIRD. Wir haben bereits sogar eine noch übergeordnetere, die beiden Kategorien verbindende Ausdrucksweise, nämlich den Übergang UND ALSO. – Modalität und Gegenmodalität lassen eine einfache, zeitlich geordnete Anführung des Inhalts zu (rein zeitliches UND DANN), wobei die Inhalte fakultativ auch Ausführung einer INDEM-Präzisierung (die sich an einen zu erläuternden „Hauptinhalt“ anschliesst) oder Besetzung einer der beiden WENN/DANN-Positionen sein können.
Belegende „Inhalte“ können wiederum sein:
– einfache ODER/UND DANN-Verläufe, wobei das ODER strikt ausschliessend (bzw. erschöpfend), oder aber ein Beispielsreihen eröffnendes ODER (AUCH) sein kann;
– die absichtlichkeits- bzw. absichtsbezogenen ICH (DU, SIE, WIR usw.) KANN bzw. ICH (..) WERDE (TUN);
– das ausdrücklich handlungsUNABHÄNGIGE prognostische ES WIRD (geschehen), = es ist zu erwarten (wenn nichts dazwischenkommt).

89.
Man sieht: es gibt eine strenge Entsprechung zwischen den Arten möglicher Belegungen („Inhalte“) der beiden Haupt-Modalitäten, und die Einsetzungen, die sie uns erlaubte, waren es, die uns bei der Ausbildung immer neuer Ausdrucksformen weiterhalf. Das Folgende gilt zunächst einmal nur für die Normalverwendung (mit rein zeitlichem UND DANN als einziger Konjunktion“) der beiden Modalitäten, INDEM und WENN/DANN sollen noch nicht in Betracht gezogen werden:
– Dem strikt ausschliessenden ODER der vormaligen „Routine-“ und jetzigen Futur-Modalität entspricht dann das offene ODER (AUCH) im Modus „Es könnte sein, ES IST MÖGLICH“;
– ICH (..) WERDE gehört zum (kategorischen) Futur, ICH (…) KANN zu „es ist möglich“;
– und nun gibt es entsprechend auch zwei Formen des ((un)bedingt) „handlungsunabhängigen“ Futurs: in der rein zeitlich zu verstehenden, erweiterten kategorischen Ankündigungs-Modalität, die wir das zeitliche FUTUR nennen, drückt dieser Inhalt Sachverhalte aus, deren Eintreffen wir auf Grundlage unseres tatsächlichen Erfahrungsstandes zum Zeitpunkt der Äusserung erwarten; in der Möglichkeits-Redeweise hingegen, was wir erwarten würden aufgrund jenes möglichen Erfahrungszuwachses (verglichen mit dem Erfahrungsstand zum Zeitpunkt der Rede), dessen mögliche Inhalte wir im unmittelbar vorausgehenden Teil der Möglichkeits-erwägenden Äusserung angegeben haben. Dieser Unterschied zwischen zwei Arten, das „sachliche“ (nicht absichts-, sondern erwartungsausdrückende) Futur zu gebrauchen, kommt zu den beiden bereits genannten inter-modalen Unterschieden (die nichtsdestotrotz aufeinander bezogen sind) hinzu, und macht aus dem einfachen kategorischen Ankündigen von aufeinanderfolgenden (und sich den Umständen anpassenden, und darum je nachdem verzweigenden Plänen) eine Rede, in der Absichten und Erwartungen bezüglich deren Folgen organisch ineinandergewoben sind. Dem entspricht eni erwägender Möglichkeitsmodus, in dem wir nicht mehrbloss über die uns möglichen Handlungen, sondern auch deren objektive Randbedingungen, und vor allem im Rahmen dieser Möglichkeiten jeweils zu erwartende Folgen, sprechen können. Die strenge Entsprechung zwischen den Inhalts-Arten beim Übergang vom Möglichkeits-Modus zum „Wirklichkeitsmodus“ des zeitlichen Futurs bleibt, wie in den vorhergehenden Stufen der Entwickllung des Modalitäts-Dualismus, gewahrt: Möglichkeiten stellen ein Reservoir dar, aus dem ein oder mehrere Verläufe (im ODER-Fall) ausgewählt werden, als die beabsichtigten bzw. (vor und nach Ausführung von Absichten zum Zeitpunkt der Ankündigung) erwarteten.

90.
Alle bisher eingeführten Sprachspiele kommen, in der Modalität, in der sie eingeführt wurden, weiterhin vor; es gelang uns aber, nachdem nur erst einmal der Unterschied der beiden Haupt-Modalitäten sprachlich ausdrückbar wurde, durch die vor-sprachlich verstehbaren notwendigen Bedeutungswechsel, die die in der einen Modalität durch impliziten Gebrauch eingeführten Inhalte bzw. Belegungen bei Übertragung in die je andere Modalität erfuhren, neue Verwendungen einzuführen und sprachlich ausdrückbar zu machen. Um den Dualismus der beiden Haupt-Modalitäten zu erweitern, ist es dabei nicht nötig, dass der Bedeutungswechsel jeweils strikt in BEIDE Richtungen stattfindet – es genügt, zur Markierung des Modalitätsunterschiedes, wenn von den zwei möglichen Bedeutungen eine nur in einer der beiden Modalitäten vorkommen darf, wie beispielsweise das strikt ausschliessende ODER nur im Futur des Erwartens und Entscheidens für einen gegebnen Erfahrungsstand, während wir im Erwägen von Möglichkeiten sowohl offene Reihen von Erfahrungen betrachten können, als auch die verschiedenen möglichen Erwartungs- und Entscheidungs-Haltungen (die dann nur noch striktes ODER enthalten), die wir im Anschluss an mögliche Verläufe, je unterschiedlich, ausbilden würden. Dasselbe gilt auch für die anderen Inhalte: die zunächst scheinbar strikte Dichotomie zwischen dem Modus realis der Stellung zur Zukunft, und dem erwägenden Modus potentialis wird immer wieder überschriten in Richtung auf eine Differenz von der Art, wie wir sie eben am ODER gezeigt haben; der Grud hierfür ist, dass alles, was je zukünftig im Realis entschieden und erwartet wird, zuvor als eine von mehreren Möglichkeiten zu entscheiden und zu erwarten (im Anschluss an eine bestimmte Entwicklung der Dinge) erwogen werden kann; erst der weitere Verlauf entscheidet dann über die Einengung der möglichen Perspektiven auf eine schliesslich im Real-Futur-Modus präsentierte. Also alles Sprachmaterial der Real-Futur-Rede muss im Erwägen von Möglichkeiten angeführt werden können – als sinnvolle Konsequenz MÖGLICHER Fortsetzungen unserer Erfahrungsgeschichte nach deren Eintreffen (aber darum eben auch nur MÖGLICHE sinnvolle Konsequenz unsrer gegenwärtigen Erfahrungsgeschichte, so wie sie JETZT ist.)

91.
Am Anfang aller Praxis, der erwägbaren wie der beschlossenen, steht das Können, auch im Sinne des Wissens-wie und -wo, und in welcher Reihenfolge, sodass eine Fortsetzung möglich ist, und das Können sich nicht erschöpft; dies vielfältige, vorsprachlich-lebensweltliche Wissen kristallisiert in Absichten, deren Ausführung erwartbare Konsequenzen hat – unter besonderen (günstigen oder ungünstigen) Randbedingungen, deren Eintreffen abgewartet werden muss, machen diese Konsequenzen spezielle Handlungen erforderlich, die uns vielleicht die Rückkehr in die gleichen (durch die Randereignisse gestörten) oder aber (durch günstige neue Randbedingungen oder als Konsequenz geplanter Eingriffe unsererseits) verbesserten reproduktiven Kreisläufe ermöglichen. (Im ungünstigsten Fall kann sich die Ausgangslage natürlich auch verschlechtert haben.) Aus dieser lebenswellichen Anschauung schöpfen wir die Einsicht, dass die inhaltlichen Belegungen, deren Ausbildung wir bisher verfolgt haben, in praktisch-lebensweltlich sinnvoll verwendbarer Rede nicht beliebig aufeinander folgen können, sondern entsprechend den ausgedrückten Momenten reproduktiver Zusammenhänge: Ausgangslage (Handlungsspielräume) objektiv und subjektiv (Fähigkeiten), passende Absicht, Konsequenz der Ausführung, abzuwartende störende und günstige Situationsentwicklung – werden sowohl im erwägenden als auch den Entschlüsse und Erwartungen präsentierenden Reden die zu diesen Momenten passenden Äusserungsformen aufeinanderfolgen: BESCHREIBUNG der Ausgangslage, ERWÄGUNG der Möglichkeiten, BEKUNDUNG der momentanen passenden Absicht, Beschreibung der Konsequenz und dadurch neuen Ausgangslage, Beschreibung intervenierender, im Zeitpunkt ihres Eintreffens nicht festlegbaren störenden und günstigen Ereignisse, Erwägung und Bekundung der dadurch gebotenen oder ermöglichten, u.U. schon zuvor vorgesehenen Reaktionen usw.

92.
Die Möglichkeit, die umfassendste Unterteilung unserer Aktivitäten durch INDEM-Teile zu präzisieren, gleich, ob es um alternative, aber gleichwertige Ausführungen (im Fall von Zwecken) oder Verläufe (im Fall von objektiven Ereignissen; dann hiesse es besser: dadurch dass) geht, ändert an dieser lebensweltlich vorgeschriebenen Reihenfolge nichts. Die präzisierenden Inhalte gehören dabei derselben Kategorie an wie der durch INDEM präzisierte Inhalt: Zwecke werden durch Absichtsfolgen, erwartete Ereignisse einer bestimmten Art durch Ereignisfolgen präzisiert usw.
Ganz anders verhält es sich mit WENN/DANN: diese Konjunktion verbindet grundsätzlich zeitlich aufeinanderfolgende Inhalte VERSCHIEDENER Kategorie, greift also regelmässig über PRAKTISCH RELEVANTE Grenzen von Einheiten in der praktisch-lebensweltlichen sinnvollen Abfolge aus Ereignissen und Handlungen über auf die nächste – ja, mit dieser (Unter)Modalität wird geradezu (und zwar in BEIDEN Hauptmodalitäten) angezeigt, dass eine solche Verklammerung verschiedener Inhalte ausgedrückt ist – und darum stellt sie die exakte Alternative zur INDEM-UND (DANN)… UND (DANN)… – Verknüpfung dar, die gerade das Verbleiben in einer kategorialen Einheit in der Abfolge lebensweltlich sinnvoll untergliederter Momente der angekündigten und erwogenen Gesamtpraxis anzeigt. – Es war möglich, WENN/DANN an einem speziellen Fall dieser Grenzüberschreitung einzuführen, und anschliessend, exakt dieser lebensweltlich sinnvollen Verwendung entsprechend, zu verallgemeinern. Wer die Aspekte, nach denen wir unsere Praxis untergliedern und betrachten, versteht, begreift auch, warum wir Bedarf nach einer solchen Redeform haben; und warum derselbe Ausdruck für die verschiedensten auf diese Weise verknüpften Inhaltskategorien eintreten kann – solange es nur verschiedne sind.

93.
WENN/DANN im Futur, und WENN/DANN im Möglichkeitsmodus unterscheiden sich ähnlich wie die unbedingten Erwartungen in den beiden Modi: die Verbindung von Bedingung und Konsequenz unterstellt im ersten Fall das tatsächlich zum Sprachzeitpunkt vorhandene Wissen des Sprechers, im zweiten die zuvor als möglich erwogenen Verläufe, die dem WENN/DANN vorausgehen.
Die Form UND ALSO schliesst zunächst, wie wir sagten, unmittelbar an alle WENN/DANN-Äusserungen im Möglichkeitsmodus an: selbst wenn wir noch keine Form für Präsens oder Vergangenheit haben, ist für Kenner der Kontextumstände (gegenwärtige oder vergangene) klar, warum aus den zuvor explizierten möglichen Verläufen diese spezielle Konsequenz gezogen wird: einer der explizierten Fälle ist tatsächlich (wie die Beteilgiten wissen) eingetroffen. Man könnte von einer impliziten, oder besser: nicht ganz expliziten Begründung oder (wie hier) Schlussfolgerung sprechen: im Möglichkeitsmodus werden quasi die Regeln für verschiedene mögliche Fälle thematisiert, im Ankündigungsteil wird das für den vorliegenden Fall passende daraus ausgewählt, ohne dass der Fall selbst erwähnt wird. Die „quasi“ Regel-Thematisierung im Möglichkeitsmodus, wie er bisher entwickelt wurde, ist ihrerseits nicht in beliebigem Umfang zeit- und erfahrungsstand-unabhängig, denn die Gültigkeit der WENN/DAN-Beziehungen hängt vom implizit gegebenen und (mit den bis hierher entwickelten sprachlichen Mitteln noch) nicht thematisierbaren gegenwärtigen Erfahrungsstand des Sprechers ab. – Es ist also ein (nicht thematisierter) ErfahrungsZUWACHS, der den UND-ALSO-Übergang ermöglicht; gleiches gilt für die auf diesem Zuwachs beruhenden, noch offenen WENN/DANN-Beziehungen des Futur: sie erlauben einen quasi verzögerten (durch das Abwarten-müssen der Erfüllung einer der WENN-Bedingungen) UND-ALSO-Übergang zum als Konsequenz der Erfüllung einer der WENN-Bedingungen passenden Konsequenz, die nun ohne weitere Bedingung im Futur (und zwar dem der unmittelbar anstehenden Ausführung) ausgesprochen werden kann.
(Solange man nicht vergangene Erwartungen bzw. Möglichkeitserwägungen sich zuschreiben kann, ist eine Umkehrung der (auf nicht ausgesprochenen, aber den Beteiligten bekannten Erfahrungszuwächsen beruhenden) UND-ALSO-Beziehung in eine begründende WEIL-Beziehung noch nicht möglich.)

94.
Die überhaupt möglichen, weil lebensweltlich verständlichen WENN/DANN-Belegungen müssen jene zyklischen Übergänge von Inhalts-Kategorien ineinander darstellen, wie wir sie in Abs. 91 angedeutet haben. In solchen Zyklen wird gewissermassen die Anatomie des Regelapparats einer gegebenen Lebenswelt sichtbar; sie ist im wesentlichen zyklisch strukturiert, weil jede lebensweltlich funktionierende Praxis wesentlich REproduktiv ist – ein Zyklus sich wiederholender (re)produktiver Akte, mit produktiven Erweiterungen, Veränderungen und Absicherungen gegen zuvor unbewältigte Gefahren, die sich mit Überschüssen und Reserven des lebensweltlichen Handlungsspielraums (des objektiven der (bekannten) Handlungsmöglichkeiten ebenso wie des subjektiven der Fähigkeiten und Kräfte) bewerkstelligen lassen, sofern solche existieren und nicht alles in puren Reproduktionszyklen sich erschöpft.

Einige wichtige unter den denkbaren WENN/DANN-Kategorien-Übergängen sollen im folgenden näher betrachtet werden; dabei werden wohl auch einige vertiefende Einsichten über die „Anatomie“ der lebensweltlichen (re)produktiven „Zyklen“ anfallen. – Die wichtigste Verknüpfung, die wir mit WENN/DANN sprachlich thematisieren, ist mit dem Wort  „produzieren“ bereits angedeutet: eine Situation, sei sie ihrerseits Resultat unserer Bemühungen, oder von selbst so zustandegekommen, bildet den Ausgangspunkt für eine „produktive“, zielgerichtete Hervorbringungs-Handlung; diese Handlung erzeugt die Ziel-Situation (oder ihre Ausführung fällt sogar damit zusammen, die Handlung auszuführen ist Selbstzweck), indirekt vielleicht weitere, aus der Ziel-Situation von selbst entstehende erwünschte, indifferente oder auch unerwünschte Folge-Situationen, an denen weitere Handlungen von uns anknüpfen können oder müssen.

95.
Ein erstes sehr spezielles Ziel, das wir angesichts einer Ausgangssituation verfolgen könnten, wäre, durch eine zweckmässige (Such- oder Beobachtungs-)Bewegung herauszufinden, wie etwas, das wir nur zum Teil wahrnehmen können, an den Stellen aussieht, die wir nicht gleich „auf den ersten Blick“ erkennen. Unsere Explorationsbewegung führt normalerweise zum gewünschten Resultat: wir können Angaben über das Aussehen, wie es sich von den planmässig aufgesuchten „Blickpunkten“ aus darstellt, machen, bzw. Absichten ausbilden, uns dazu zu verhalten. Nun explorieren wir in den allermeisten Fällen praktischen Tuns keineswegs immer wieder, und wollen beispielsweise nicht wieder und wieder für jede einzelne Tat bestätigen, dass die Hütte auch wirklich eine Hütte ist, indem wir wieder und wieder drumherum gehen und schauen, ob sie auf der Rückseite nicht vielleicht etwas ganz andres geworden ist, und nur noch dem (ursprünglich vorderen) Anschein nach eine Hütte. Unsere Zuversicht resultiert aus der in unserer lebensweltlichen (vorsprachlichen) Erfahrung im Umgang mit den Dingen, die für unseren Alltag wichtig sind, resultierenden Gewissheit, dass Dinge mit einem gewissen Aussehen, von einer Seite betrachtet, von anderen Seiten das sattsam bekannte Rest-
Aussehen haben werden. Das gilt zunächst für Einzeldinge, denen wir auf diese Weise eine gewisse IDENTIÄTS-KONSTANZ-DISPOSITION unterstellt haben, des weiteren aber auch für Dinge, von denen wir (aufgrund ihres Aussehens, gesehen von einer bestimmten Stelle aus) annehmen dürfen, dass sie ihrem Typus auch sonst entsprechen, weil Dinge dieser Art an diesen beschränkten Merkmalen bereits hinreichend erkannt werden können und ihre Rest-Eigenschaften (incl. der bekannten Konstanz-Eigenschaften) daraus erschlossen werden dürfen: ERKENNBARKEITS-DISPOSITION (gewissermassen eine Idenditäts-Konstanz-Disposition für Typen von Dingen).

96.
Dispositionen zu unterstellen, weil wir etwas oft genug beobachtet haben, ist eine Erwartungshaltung; die bereits eingeführte Redeform des Ausdrucks für Erwartungen passt dazu. Wir hatten unterschieden Erwartungen im Wirklichkeits- (Futur)-Modus, die den tatsächlichen Erfahrungsstand des Sprechers unterstellen, und solche im Möglichkeitsmodus, die abhängen von denkbaren und als solche zu thematisierenden Erfahrungszuwächsen, über den gegenwärtigen hinaus. Ausserdem können Erwartungen in beiden Modi bedingt oder unbedingt sein. Die genannten Beobachtungs-Dispositionen sind offensichtlich Gegenstand BEDINGTER Erwartungen: WENN derundder Anblick gegeben ist, und wir uns soundso bewegen würden, DANN würden wir dasunddas sehen usw.; eine solche bedingte Erwartung kann in beiden Modi angesprochen werden (nämlich im Wirklichkeitsmodus beispielsweise als Konsequenz einer Herstellungs-Handlung oder deren Nebenfolge). Speziell Beobachtbarkeits-Dispositionen können wir als Quasi-Eigenschaften der Dinge wie deskriptive ansprechen: „etwas“ (Ausgangssituation, Anblick) ist EIN soundso (gehört derundder Dingsorte an) oder ist DAS soundso, heisst, die entsprechenden Explorationshandlungen (es betrachtend drehen, um es herumgehen) unsererseits würden dieunddie (die Klassifizierung oder Identifizierung bestätigenden) Resultate erbringen – zumindest erwarten wir das.

97.
Die Einschätzung der „Erkennbarkeit“ handlungsrelevanter Eigenschaften ebenso wie diejenige ihres verlässlichen Fortbestehens, zumindest während handlungsrelevanter Zeitspannen, betreffen „Basis“ – Parameter jeder lebensweltlichen Einzelaktion, nämlich einmal die Frage, wann darf man vom Explorieren und/oder Experimentieren zur praktischen Ausführung übergehen? Wann ist man sich sicher, die vorliegende (Ausgangs)Situation, die offensichtlich als Anwendungssituation für eine praktische gedeutet wird, hinreichend zu kennen?, und zum andern die Frage: Für wie lange, und in welchem Ausmass, darf man sich in seinem Handeln von dieser Kenntnis bzw. der durch sie vermeintlich gebotenen Handlungsweise (der Regel-Befolgung) abhängig machen? Wie gefährdet sind die (erwünschten) Handlungsfolgen, wieviel muss aufgewandt werden für eventuelle unerwünschte Nebenfolgen?
Dabei gelten Konstanz-Erwartungen nicht nur einfach für Sachverhalte, sondern auch für Beschleunigungs-, Bewegungs- und Veränderungsmuster, und ihre Randbedingungen (vor allem solche, die wir beeinflussen können oder deren Eintreten uns als Warnsignale bei unabwendbar bedrohlichen Veränderungen dienen). Und sie betreffen praktisch relevante Gruppen von Sachverhalten auf allen Ebenen der kombiniert ontologisch-praktischen Hierarchie (d.h. aufeinander aufbauende Handlungssysteme im Anschluss an ihnen jeweils vorgelagerte, ebenso aufeinander aufbauende und hinreichend ausführliche Explorations- und Experimentier-Vorgänge, die die dazu passenden, ebenso aufeinander aufbauenden, zunehmend komplexeren Stufen der uns umgebenden Welt erschliessen).

98.
Die praktischen und erfahrungsbegründeten Erwartungen, die entlang dieser Grob-Hierarchie von Handlungssystemen angeordnet wurden, sind alle nach dem oben beschriebenen Schema gebaut: Eine Ausgangs-Anordnung von für die jeweilige Erwartungs-Regel relevanten Merkmalen bzw. eine Situation ist Grund für eine die Erwartungs-Regel befolgende Handlung, die, wenn die Erwartung sich bestätigen soll, einen entsprechenden Effekt haben soll;
– von einem Ausgangsort (WENN wir daundda sind, DANN bzw. und WENN.. ) schlagen wir bestimmte Wege ein (Regel-Ausführung, -befolgung), mit dem Effekt (…und DANN wird geschehen:…), dass wir zu dem gewünschten Ort gelangen;
– ein Einzelding oder Exemplar eines Typs erweist sich, angesichts unserer Transport-Aktivitäten, als genau so beweglich, wie wir es aufgrund seines Aussehens (oder spätestens der Proben, die wir gemacht haben) erwarten: WENN etwas soundso Beschaffenes vorhanden ist, können wir dasunddas damit tun, und DANN es wird dann dortunddort sein;
– Dinge bestimmter Art können wir in bestimmten Umgebungen finden, wenn wir sie dort suchen;
– ganz ähnlich lässt sich der Umgang mit Dingen (aber auch wahrnembaren Medien, Phänomenen, nicht-feste Materien) in Regeln auflösen, denen wir die Disposition zu allen möglichen Zustandsänderungen unterstellen im Anschluss an Kontakte mit anderen Dingen (das können auch Glieder unseres Körpers sein, oder Werkzeuge, die wir führen), oder die Disposition zu Veränderungen, wenn sie unter den Einfluss von Fern-Wirkungen (auch Strahlung usw.) geraten, deren Bestehen wir bei bestimmten Ausgangsbedingungen unterstellen, und die wir modifizieren können durch Beeinflussung und Neu-Anordnung der Träger dieser Fernwirkungen;
– schliesslich können wir über die Erhaltungsbedingungen von Strukturen ändernd (erhaltend oder zerstörend) in diese eingreifen, die durch die Art der Anordnung von Dispositionsträgern in ihnen eine charakteristische Summen-Disposition zu Veränderungen ihrer Umgebung oder ihrer selbst aufweisen, mit dem Effekt, dass eben diese charakteristische Disposition SICH in bestimmten Umgebungsbedingungen erhält, oder gar in ALLEN Umgebungen, in denen sie normalerweise angetroffen wird, speziell, weil sie AUF Züge dieser Umgebung reagiert, speziell wieder dabei deren räumliche Anordnung in ihren Reaktionen berücksichtigt, oder gar, nicht anders als wir, durch Explorieren und Experimentieren deren Dispositionen, bis hin zu den letztgenannten, kennenlernen kann und in ihrem Verhalten-dazu zweckmässig zu ihrer Erhaltung durch eigene Aktivitäten in Gang setzt.

99.
Diese praktisch-ontologische Hierarchie möglicher Lebenswelten, deren genauen Aufbau zu erörtern hier noch nicht unsere Aufgabe ist, könnte man vielleicht als eine Rang-Ordnung der Ähnlichkeit mit uns oder besser: mit unserem Leib beschreiben: Leib ist das in der Welt, das unmittelbar unsere Absichten umsetzt, und etwas ist um so leib-ähnlicher, je weniger komplexe Aktivität wir zwischenschalten müssen, um es quasi in ein Glied unseres Leibes zu verwandeln und so die ONTOLOGISCHE DIFFERENZ zwischen ihm und uns (unserem Leib) zu überbrücken: und genau darin besteht ARBEIT. Die Richtung, in die wir die uns umgebende Welt zu verwandeln haben, gibt uns also unser Leib vor: durch seine Fähigkeiten (die wir ausweiten wollen), und seine Bedürftigkeiten und Erhaltungsbedingungen (die wir dabei beachten müssen); was uns an Erhaltungsmaterial (etwa Nahrung) zuwächst, ist AUCH selbsterhaltend (ein ganzes Öko-System), aber gefährdet; durch es hindurch wachsen unsere Bedürfnisse gewissermassen auf diese Erhaltungsbedingungen unserer Nahrungsquellen zu, verwandeln sie in etwas, wonach wir bedürftig sind. Das Hinauswachsen und Ausweiten unserer Bedürfnisse in die Welt hinein, und dasjenige unserer Fähigkeiten, müssen in gewissem Umfang aufeinander abgestimmt sein, die Fähigkeiten müssen erst einmal unseren Beüdrfnissen „entgegenwachsen“, und das sich-von-selbst-Erhaltende unseres Leibes durch Schleifen, die wir durch ontologisch ähnlich verfasste Anteile unserer Umgebung legen (spätestens indem wir sie durch stützende und ergänzende Aktivitäten unsererseits dazu machen), muss sich, durch die Nutzung wenigstens eines Teils unserer Fähigkeiten hindurch, zu REPRODUKTIVEN ZYKLEN schliessen lassen, derart, dass diese spezielle Nutzung unserer Fähigkeiten zu ihrer eignen Reproduktion führt.

100.
Der ontologische Stufenbau unserer Umgebung gibt unseren reproduktiven (und normalerweise arbeitsteiligen) Aktivitäten ihre Untergliederung, die wir mit den Wendungen DADURCH DASS (bzw. INDEM), und ODER/ UND DANN verbal ausdrücken können, ebenso wie wir die Einbettung unseres Handelns in die mehr oder weniger ontologisch leib-nahen Umgebungsanteile, auf die wir uns reproduzierend beziehen, mit WENN-DANN (Ausgangsbedingungen, (aufgrund von gelernten Situations-Merkmalen und Konstanz-Bedingungen erwartbare Resultate unseres Tuns) beschreiben. Im Möglichkeits-Diskurs verhalten wir uns wesentlich zu Abänderungen, Verbesserungen, Erweiterungen unserer reproduktiven Routinen, aber auch die Gefahrenabwehr werden wir dort erörtern; reichen unsere (mit ICH KANN ausdrückbaren) Fähigkeiten dazu hin, werden wir mit UND ALSO die passenden neuen Strategien in unseren gültigen Plan aufnehmen, zumal dann, wenn wir uns dafür verabreden und zur Ausführung anschliessend auseinandergehen müssen, und uns nicht ständig dabei wechselseitig kontrolieren und beeinflussen können. Das usprüngliche ICH KANN wird durch die neuerworbenen sprachlichen Mittel aufgewertet zu einer Sphäre des Thematisierens von Regel-Systemen, die zu bestehenden Routine-
Handlungsblöcken äquivalent wären: ICH KANN x tun, INDEM (wenn… dann tue ich… und dann wird…) ODER AUCH (..)…

101.
Wir können auf diese Weise beginnen, systematisch den Raum unserer (zumindest auf Grundlage der gegenwärtigen Erfahrung denkbaren) Handlungsmöglichkeiten, der Abwandlungen, Ausweitungen, Verbesserungen, Absicherungen unserer Reproduktion, erwägend zu durchleuchten. Wir hatten dies in Absatz 81 als dritte Hauptnutzungsform des WENN-DANN-Sprachspiels angeführt: kategoriale, begriffliche Durch-Arbeitung unserer Lebenswelt als des kombiniert ontologisch-praktisch (praktisch= ontologische Differenzen zweckmässig, arbeitend überbrückend) gegliederten Stufenbaus an Entitäten, in deren Mitte, aus ihnen herausragend, unser Leib sich befindet, das heisst , „wir“, mit den uns zuträglichen und für unsere Reproduktion hergerichteten zweckmässig formierten Umgebungsteilen. Die oben angegebene Form des ICH KANN wird, im Rahmen des mit ihr möglichen Ausdifferenzierungs-Prozesses unserer (auch abstrakten) Kategorien, zur Redeform des DEFINIERENS, der rein verbalen (nicht mehr wie zuvor szenisch-pantomimischen) Neu-Einführung von Begriffen. – Welcher dieser Begriffe aber überhaupt praktische Anwendung hat, und welche der mit ihm möglichen Erwägungen sinnvoll, weil realistisch ist, und welche nicht, hängt vom gegebenen Erfahrungsstand ab. Bis hierher fehlen uns freilich die Mittel, davon zu reden; ebenso, wie uns die Mittel fehlen, durch Thematisieren des hinter einer Erwartung bzw. Entscheidung stehenden Erfahrungsmaterials die bislang höchste Kategorie, mit der wir die zwei Hauptstämme unseres Sprachspiels integrierten (um damit unserer ursprünglichen Aufgabe näherzukommen, die Möglichkeit des Bekundens von Versuchsabsichten („wollen“) zu erklären), nämlich das praktisch schlussfolgernde UND ALSO, umzukehren in ein WEIL, und es zur Formel der BEGRÜNDUNG werden zu lassen, in der wir die im Modus des ICH KANN x tun, INDEM (WENN-DANN) ausgeführten Regelexplikationen (x tun, HIESSE: wenn x1, dann y1, und wenn x2, y2 usw.) neben den tatsächlichen Erfahrungen anführen, die die spezielle Wahl, die wir getroffen haben, rechtfertigt. Die Art, wie diese Mittel eingeführt werden, soll nun besprochen werden.

102.
Alles sinnvolle Tun, mithin alles Ankündigen und darum auch alle sinnvoll zu erwägenden Möglichkeiten gliedern sich, wie wir oben (Abs. 91) zeigten, in EPISODEN, deren Abschnitte die Art der Einbettung unseres (reproduktiven) Handelns in unsere Umgebung widerspiegelt. Die erste und wichtigste Unterteilung allen Ankündigens (d.h. unserer gültigen Pläne) ist also die in Episoden; diese Unterteilung geschieht mit einem rein zeitlich reihenden UND DANN (wohingegen das WENN/DANN, das die Grenzen des Übergangs zwischen Unter-Modalitäten (d.h. den Wechsel vom Feststellen der Ausgangsbedingung zur Handlung, und von dort zum Ausdruck der Erwartung von unmittelbaren und indireken Folgen und Nebenfolgen) markiert, immer nur innerhalb einer solchen Episode zu finden sein wird). Nirgendwo nun ist die Episoden-Teilung sicherer als in der Reihung von Einzelhandlungen im Vollzug einer X, INDEM…-Ankündigung. Sie bietet sich daher an, um eine Ordinalzählung einzuführen, mit der wir, für alle bekannten X-Vollzüge (Zwecke X), die Stelle markieren, die wir als nächste ausführen wollen, oder für die wir eine Abwandlung vorschlagen. Spielerisch lässt sich das Durchlaufen der X-Sequenz abzählen, während des Vollzugs: Ich bin bei der n.ten Stelle, ich werde als nächstes die n+1.te Handlung machen usw.; ein stellen-unabhängiger „Gegenwarts-
Indikator tut den gleichen Dienst. Diesen wiederum kann ersetzen eine Zählweise, bei der wir, vom jeweiligen Vollzugs-Punkt aus, nach beiden Seiten symmetrisch wegzählen: immer vorausgesetzt, wir sagen bei JEDER Einzel-Handlung die gesamte Reihe auf. All dies ist zunächst völlig funktionslos, und hat rein spielerischen Charakter.

103.
Nehmen wir an, ein spezielles X, INDEM… habe vier Einzelaktionen: x1, x, x3, x4. Der Gegenwartsindikator erlaubt während des Vollzugs jeder Einzelhandlung, zu sagen: JETZT x1, JETZT x2 usw.; eine Verwendung für diese Redeform könnte darin bestehen, dass man bei arbeitsteiligen Vollzügen in Rufweite, aber ohne Sicht sich wechselweise den Stand der Arbeit mitteilt. Wirklich spielerisch wird es aber erst, wenn wir die Anzeige der Gegenwart durch das eben genannte symmetrische Zählen ersetzen, wo der im Vollzug vorrückende Gegenwarts- d.h. quasi Nullpunkt der Zählung durch seine Stellung in der immer aufs neue wiederholten Rückwärts- und Vorwärtszählung markiert ist: 0 x1, 1 x1, 2 x3, 3 x4, sagen wir beispielsweise während des Vollzugs der Handlung x1 auf, wobei wir die Benennungen der Handlungen x1-4 an den jeweiligen Stellen einfügen; während der Ausführung von x2: 1 x1, 0 x2, 1 x3, 2 x4 usw. Ob wir für die bereits zurückgelegten Episoden die gleichen Zählausdrücke verwenden, oder andre, ist für den Gebrauch zunächst nicht entscheidend, nur muss klar sein, auf welcher Seite der beiden symmetrisch auseinandergehenden Zählstrecken wir Angaben machen. Statt nur in Gestalt von Ankündigungen gibt es dann die Möglichkeit, später Hinzukommenden von Abwandlungen, aber auch korrekten Vollzügen zu berichten, nach Absolvieren der betreffenden Stelle. Diese Einführung des Episoden-Zähl-
Sprachspiels stützt sich natürlich ab an dem gemeinsamen Wissen der Beteiligten um die korrekte Reihenfolge nacheinander (auch abgewandelt) zu absolvierender Aufgaben unter einem X-Zweck (die die Reihe erzeugende übergreifende Handlung, die den einzelnen Momenten erst ihren Sinn gibt).

104.
Ein solches Wissen wird nun ebenfalls erzeugt durch die von allen Beteiligten vor Beginn einer mehrschrittigen und u.U. getrennt auszuführenden (kollektiven) Handlungssequenz – natürlich durch die gemeinsame Ankündigung im Modus ICH/WIR WERDE(N)…, die jedem Teilnehmer seine Rolle zuweist, was er zur Bekundung seines Einverständnisses durch Wiederholung der Gesamt-Ankündigung bestätigt. Schritt für Schritt arbeitet nun jeder seine „Agenda“ ab. Die Berichte davon können in einer nachträglichen oder zwischendurch abgehaltenen „Besprechung“ des bereits Absolvierten abgestützt werden am nochmaligen Durchlaufen der fixierten Agenda, wobei vergangene Teile z.B. einfach dadurch angezeigt werden, dass der ICH WERDE-Ausdruck nicht mehr vor ihnen ausgesprochen wird; episodenweises Vorrücken geschieht mit dem UND DANN, das von Hörern auch als Frage-Ausdruck benutzt werden kann. Referenz auf Einzelstellen kann stattfinden über eine rückwärtszählende Stellenbezeichnung, oder aber einfaches Einsetzen der Erzählung bei der letzten Episode, im Anschluss an die erzählt werden soll, und die einfach durch ihren Ausführungsausdruck bezeichnet wird: „zur Hütte gehen, UND DANN: …“. Für Kooperations-Partner besonders interessant wird es sein zu hören, welche der in WENN/DANN-Teilen des ursprünglichen Plans vorgesehenen Verlaufsformen sich zum gehörigen Zeitpunkt dann tatsächlich eingestellt haben.

105.
Die Frage ist nun aber freilich, ob sich die gesamte Ausdrucksvielfalt des Ankündigungs- bzw. Erwartungs-Sprachspiels in der neugewonnenen Modalität nutzen lässt. Die verschiedenen Formen der Referenz auf abgearbeitete Plan-Teile (vergangene Zeitpunkte) lassen sich nicht problemlos mit allen bis hierher entwickelten Inhalten besetzen, ohne dass Fragen aufgeworfen werden, die nur auf Basis vorsprachlichen Verstehens beantwortet werden können. Der Übertrag von Ankündigungs-
Inhalten in die Vergangenheit, bei entsprechendem Vorrücken des Gegenwartsindikators entlang der „Agenda“, lässt so gut wie keine Eintragung unverändert. Die wohl wichtigste Neuerung, die das Vergangenheits-Sprachspiel mit sich bringt, ist die MÖglichkeit, dass geplante Abläufe anders stattfinden als erwartet – dass also etwa unsere Arbeit durch unvorhergesehene (und also auch nicht angekündigte, keine eigene Zeitstelle einnehmende) Ereignisse unterbrochen wird – gar nicht einmal notwendig in dem Sinn, dass sie sie behindern, sondern nur einfach in dem, dass sie bemerkenswert genug sind, um zu dem Zeitpunkt, für den ein Arbeitsschritt geplant war, unsere Aufmerksamkeit ablenken, so, dass der Arbeitsschritt erst danach stattfindet, und wahrheitsgemäss dann beides so auch berichtet werden muss. Natürlich setzt dies eine planungs-unabhängige Episodenzählung nach rückwärts voraus, in der Platz bleibt für Berichte von Unterbrechungen, die an die (Zeit)Stelle des für diesen Zeitpunkt erwarteten und anstehenden Schrittes einer Agenda treten können.

106.
Das unerwartete Vergangene steht in deutlichem Gegensatz zu jenem, das (kategorisch und alternativlos) so, wie es dann stattfand, auch erwartet wurde. Das lebensweltliche Verständnis für die praktisch entschuldbare Anomalie, durch die eine Position der angekündigten Agenda verspätet berichtet wird, und an ihrer Stelle ein unerwartetes, aufmerksamkeitsforderndes Ereignis, vielleicht sogar notwendige Reaktionen, die es nach sich zog, in den Bericht eintreten –  dies Verständnis hilft, die sprachliche Paradoxie, die dem Einführungs-
Szenario widersprechen, einzuordnen, und, wie immer in solchen Fällen, ausdrückbar zu machen, indem die dazu gehörende Kategorie (als Sprechaktankündigung) explizit eingeführt wird: (NICHT) WIE ERWARTET. – Dass „Erwartetes“ (und entsprechend im FUTUR UND DANN auf der betreffenden Zeitstelle Angekündigtes) eintrifft, ist der Normalfall; wir KÖNNTEN diese Stelle also unbesesetzt lassen, solang nichts Unerwartetes passiert. Wir wollen dabei immer im Blick behalten, dass die Einführungsbedingung für diese Kategorie die aufmerksamkeitsablenkende, vielleicht auch Reaktionen erfordernde Störung im Abarbeiten eines hierarchisch geordneten Plans (Agenda) war. Es bedarf sicher eines starken praktischen Motivs, um im Bericht für jede einzelne Episode einer Handlungssequenz eine modale Stelle explizit offenzuhalten, auf der zu sagen ist, ob das Nachfolgende den Erwartungen entsprach oder nicht. Und doch ist diese Modalität konstituierender Bestandteil jener Modal-
Kategorie, an deren logischer Rekonstruktion wir hier vor allem arbeiten: Absichtlichkeit (einer (Versuchs)Handlung).
NB. In jedem bislang rekonstruierten Entwicklungsstadium ist alles, was überhaupt als verstehbare und ernstzunehmende Rede gelten soll, eine Art Pfad, der durch ein festes System von logischen Stellen in bestimmter Anordnung und Reihenfolge, eben den Kategorien, führt – jede Kategorie, mit ihren möglichen Ausprägungen, fungiert dabei als Verzweigungspunkt, von dem Wege zur jeweils nächsten Unterkategorie weisen. Jede verständige Rede muss in allen möglichen Unterkategorien bestimmt sein. Nicht jede Kategorie, von der eine Ausprägung die Modalität des gesagten Inhalts bestimmt, muss in dem Sinn explizit in der Rede vertreten sein, dass sie jedesmal durch einen passenden Ausdruck repräsentiert ist. Vor allem, wenn eine von zwei oder mehr Ausprägungen die praktisch häufigere ist, kann der verbale Ausdruck einfach so geschehen, dass der seltene Fall, für den ein entsprechender Ausdruck (wie z.B. „unerwartet“) eingeführt ist, unterbleibt. Mindestens eine Ausprägung in jeder Kategorie kann durch Nicht-Aussprechen des Ausdrucks für eine der anderen Ausprägungen dieser Kategorie (oder DIE andere Ausprägung, wenn es bloss zwei sind) ausgedrückt werden. Wenn hingegen ALLE möglichen Ausprägungen einer Kategorie explizit ausgedrückt werden, wird durch diesen Zwang die Kategorie als STELLE sichtbar – spätestens dann wird es möglich, sowohl AN diese Stelle weitere Verzweigungspunkte, Unter-Kategorien (durch lebensweltlich verstehbare Variationen, die aber ohne die exlizite modale Einordnung unverständlich wären) anzuknüpfen – als auch, indem man das Aussprechen der Kategorie selbst durch einen kategorien-anzeigenden Sprechakt ankündigt, sie zur expliziten Ausprägung einer davor liegenden Kategorie zu erheben (als deren Unterkategorie sie dadurch erscheint), die durch unvollständige oder obligat-vollständige Besetzung der alternativen Ausprägungen mit Ausdrücken, und anschliessendes Benennen des ganzen kategorialen Sprechakts selbst, ebenso als Stelle sichtbar gemacht werden kann, wie die ursprüngliche, die nun Unterkategorie von ihr ist.

107.
Die Pointe dieser ersten Form einer Übertragung aus der Modalität „zeitliches Futur“ (der Gegenmodalität zu „möglich (beim jetzigen Erfahrungsstand“) in die Vergangenheits-Episoden-Zähl-Skala (und dadurch zugleich Erweiterung dieser letzteren) ist: dass der Bericht immer Überschüsse über den Plan hinaus enthalten kann, die aus unerwartet Dazwischenkommendem herrühren: Erwartetes und Beabsichtigtes kann anders ausfallen als erwartet oder beabsichtigt, oder (durch unerwartete Unterbrechungen oder Verläufe) sich verspäten (auf einer anderen Zeitstelle stattfinden als geplant). Die REINE gezählte Berichts-
Zeitstelle, unabhängig von der Episoden-Zeitfolge einer Agenda, trägt dem Rechnung: Es werden Stellen eröffnet, in die jene Abweichungen vom Plan eingetragen werden können, die anstelle jener Episoden (beabsichtigt oder bloss erwartet) stattfinden, die „zu diesem Zeitpunkt“ in der Agenda vorgesehen waren. Man muss sich hier klar vor Augen halten, dass die Bedingung der Möglichkeit des Redens von einer objektiven Zeit (agenda-
unabhängige Zeitstellen) (eine Vorstufe dazu hatten wir bereits in Gestalt der Rede über objektiv, handlungsunabhängig Erwartetes vor uns) daran, als ihre Einführungsbedingung, geknüpft ist: dass die rein gedachte Zeitfolge unseres Vorstellens, d.h. Erwartens und Beabsichtigens, durch Überführung in die Realität, und also die Vergangenheit des Berichts, ZERDEHNT und GETRENNT werden kann, und dass die „objektiven“, wirklichen Zeitstellen dennoch (schon durch ihre Einführung) immer diesen virtuellen Bezug unterhalten zu dem, was laut Agenda HÄTTE an ihnen stattfinden sollen oder können, aber nicht stattfand. Es ist diese ständige Möglichkeit der Differenz vom Gesollten, die die (schliesslich berichtbare) WIRKLICHKEIT ausmacht, und sie, als kategoriale Rede-Form, von den vorgängig entwickelten, wie: gekonnt, routine-angekündigt, objekthaft/von selbst, möglich, kategorisch oder bedingt erwartet und beabsichtigt, abhängen lässt.

108.
Das Umgekehrte ist bekanntlich aber auch der Fall: Aus verschiedenen Möglichkeiten, mit denen man rechnen musste, trifft nur eine ein, die andern verwandeln sich in VERGANGENE, BLOSS MÖGLICHE MÖGLICHKEITEN. Aus dem Bündel von WENN/DANN-Alternativen der Futur-Rede muss also beim Übergang in den Bericht die realisierte herausgehoben werden, und die andern zu nicht realisierten gestempelt werden können. Die Frage ist, was wir davon mit den vorhandenen sprachlichen Mitteln bereits SAGEN (ausdrücken) können, und was nicht. Die WENN-Modalität dient, wie wir bei ihrer Einführung sahen, dazu, eine ganze Gruppe von handlungsrelevanten (nämlich UNTERSCHIEDE im unmittelbar daran sich anschliessenden Handeln begründenden) Alternativen zu bündeln und einer Zeit-Stelle zuzuordnen – einer Zeitstelle, auf der (wäre da nicht auch noch der Charakter des handlungs-erfordernden, Reaktionen Heraufbeschwörenden) ohne weiteres auch eine einfache, unbedingte (und nichts weiter bedingende) Erwartung ihren Platz haben könnte. Die Kategorie (NICHT) WIE ERWARTET gehört also zum Übertrag von alternativen futurischen Handlungs-Auslösern in den Bericht; auch in diesem speziellen Fall muss ja die Möglichkeit, dass es noch ganz anders kommt, als in allen sich verzweigenden Bedingungen für Handlungsalternativen beschrieben, immer offenbleiben.

109.
Spätestens mit der agenda-unabhängige Form des Datierens haben wir uns ein Instrument geschaffen, mit dem wir den tatsächlichen Verlauf des Abarbeitens der Agenda in eine objektive Zeitskala eintragen können, in der auch die Dehnungen, Unterbrechungen, Verspätungen und insgesamt unerwarteten Verläufe ihren Platz haben. Auch eine durch Unerwartetes gestörte und abgewandelte Agenda (natürlich längst nicht mehr bloss im Sinne einer einfachen INDEM-Ausführung, sondern im weiteren Sinne die gesamte gesamte Futur-Rede zu einem (mittlerweile vergangenen) Zeitpunkt, d.h. der gesamte Horizont an Plänen, Erwartungen, als unterschiedliches Handeln bedingend erwogenen Möglichkeiten) weist immer noch eine praktisch-logische Ordnung auf – selbst, wenn auf unerwartete Bedingungen hin sinnvolle Reaktionen improvisiert werden mussten. Also sowohl die ungestörte Agenda, als auch die zwar gestörte, aber zuletzt (wie die Teilnehmer in vorsprachlich-lebenswetlichem Verstehen erkennen) wieder in den urspürnglich geplanten Verlauf einmündende verleiht „objektiven“ Zeitstellen die Bedeutung: JETZT (auf dieser Stelle) SOLLTE diesunddies Erwartete, Geplante, oder eins von den Bedingenden, stattfinden. Wir tragen in diese Zeitstelle also zunächst unter der Kategorie „WIE ERWARTET“ ein (bzw. äussern, nach entsprechender kategorialer Ankündigung: Ich werde etwas über (die vergangene) Zeitstelle -Z(i) sagen, kurz: An Zeitstelle -Z(i) fand statt: WIE ERWARTET:…): Bericht bzw. Nennung der tatsächlich realisierten unter den erwogenen und in Betracht gezogenen Möglichkeiten (des futurischen WENN…). Wir tragen weiter ein, wieder unter expliziter Bezugnahme auf dieselbe Zeitstelle: An -Z(i): ES IST (=war) MÖGLICH…; schliesslich sagen wir: …UND ALSO: An -Z(i-1): Ausdruck des DANN-Teils für die realisierte WENN-Alternative.

 

110.
UND ALSO war ursprünglich ein Ausdruck, durch den angezeigt wurde, dass ein überhaupt Vorstellbares und Erwägbares eingeengt wurde auf das in der Futur-Rede der gültigen Pläne in Betracht zu Ziehende (für das man, beispielsweise, Vorbereitungen zu treffen hatte). Auch dieser Übergang war (vgl. Abs 93) motiviert durch tatsächliche Erfahrungsstände, die die praktische Berücksichtigung von Möglichkeiten unter bestimmte, zeit- und erfahrungsgebundene Einschränkungen stellten. Nun findet hier eine ähnliche und weitergehende Beschränkung statt. Das neue UND ALSO sagt allerdings nichts wesentlich neues, es ist ein angewandtes, seine Bedeutung wird mit dem Ausdruck hinübertransportiert in den neuen Kontext der Berichts-Rede und muss aufgrund der Analogie zur ursprünglichen Einführungssituation vorsprachlich-lebensweltlich verstanden werden; das gleiche gilt für die Verwendung von „möglich“ in diesem Zusammenhang – diese beiden Kategorien gehören ja in den selben Einführungszusammenhang, (s.d.). Man könnte es so sagen: ein und derselbe Inhalt wandert aus der Möglichkeit des Erwägens und Vorstellens, indem er die dafür nötigen Voraussetzungen erfüllt, hinüber in die Möglichkeit dessen, womit vernünftigerweise im praktischen und Erfahrungskontext des Sprechers gerechnet werden soll; diese Art Entscheidung ist bereits eine, die einen Teil seiner praktischen Planung ausmacht. Der Übergang wird durch das erste UND ALSO angezeigt (die Regeln dieses Schlusses sind allerdings implizit, ebenfalls wie es (mangels Berichtsfähigkeit) implizit bleibt, welche Erfahrungen die Auswahl gerade DIESER Möglichkeiten als die im Plan berücksichtigten begründeten). In den Modus ES WIRD geraten die in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten teils als kategorische Erwartungen, teils als handlungs-bedingende oder handlungs-bedingte Inhalte von WENN-
DANN. Der Schritt des praktischen „In Betracht Ziehens“ erwogener Möglichkeiten ist also kein anderer, als die Auffüllung der praktischen „Leerstellen“ (Handlungs-MÖGLICHKEITEN) in den im Möglichkeitsmodus erwogenen Ereignisketten.

111.
Die Realisierung einer der in Betracht gezogenen Möglichkeiten (sei es als Handlungsbedingung unter mehreren, mögliche Handlungsfolge unter mehreren, oder als eine von mehreren Möglichkeiten praktisch erwartete Alternative), die wir im Bericht anführen, stellt eine weitere Selektion des Materials an ursprünglich erwogenen Möglichkeiten dar; und es entspringt ein dritter Begriff von Möglichkeit, den wir durch Verwendung des noch immer gleichen Modaloperators anzeigen: der des (zu diesem Zeitpunkt fürs erste BLOSS NOCH MÖGLICHEN (unter dem für diesen Zeitpunkt zuvor in Betracht zu Ziehenden), im Gegensatz zum REALISIERTEN MÖGLICHEN (aus dem für diesen Zeitpunkt in Betracht zu Ziehenden), oder kurz REALEN oder WIRKLICHEN. Es mag schon oben unvermittelt erschienen sein, die Kategorien MÖGLICH und UND ALSO im Kontext eines in die Berichts-
Modalität übertragenen (handlungsbedingenden) WENN gebraucht zu sehen. Vorsprachlich-lebensweltlich verstanden werden muss an diesem UND ALSO, dass hier ebenso wie im Falle seines ersten Vorkommens eine seinem Verwender tatsächlich zugängliche Erfahrung die nachfolgende Selektion des ursprünglich erwogenen Möglichkeitsmaterials zur Folge hat – dass genau diese Beziehung erneut thematisiert wird. Dass ein selektierender Schritt stattfindet, kann wiederum durch die vorsprachliche Selektivität der (durch die realisierte Möglichkeit) als EINZIGE unter den mehreren zuvor in Betracht gezogenen bedingten Folge-Handlungen auch REALISIERTEN vorgeführt werden. Das Ausschluss-Verhältnis dieser Handlung zu den anderen kann nachträglich (und wieder einmal spielerisch) ausgedrückt werden durch eine neueinzuführende NEGATION: -Zi: (WIE ERWARTET) NICHT x1, UND ALSO NICHT Y1, NICHT x2 usw.; -Z1: XR, UND ALSO YR (R steht für die selektiv realisierte). Die selektiert realisierte Handlung zeichnet zugleich die selektierte Bedingung als realisierte aus. Die Kombination WIE ERWARTET: NICHT, UND ALSO NICHT, ist äquivalent mit der Modal-
Kategorie des „zurecht in Betracht Gezogenen, aber nicht Realisierten“.

112.
Die so gewonnene Negation können wir nun aber (unter Umkehr des Weges, auf dem wir unser UND ALSO zweimal anwenden konnten) wiederum nach rückwärts übertragen: die nicht in Betracht gezogenen und ausgeschlossenen, obschon erwogenen Möglichkeiten werden negiert nacheinander aufgezählt: ES WIRD: NICHT … Die Möglichkeit dieser Rück-
Übertragung beruht immer noch auf dem vorsprachlich-lebensweltlichen Verständnis des ursprünglichen UND ALSO; die Analogie des ersten und urspürnglichen mit dem zweiten besteht in der erfahrungsbegründeten Selektion aus einer explizit vorgegebenen Liste von Möglichem verschiedener Modalität: Die Übertragung auf den ersten UND-ALSO-Übergang vom erwogenen Möglichen zum in Betracht zu ziehenden Möglichen lässt die Anzeige der Modalisierung mithilfe der Negation an einer vorhandenen Menge von (hier als gleichzeitig eingeordneten) Möglichkeiten in ganz ähnlicher Weise zu, wie die Modalität „vergangen“ nachträglich an die (zeitlich nacheinander) geordneten Inhalte der INDEM-Liste herangetragen wurde. Zur Übertragung der Negation benutzen wir die Analogie zur Einführungssituation, wie wir es so oft schon bei solchen Übertragungen taten; um das GANZE der ursprünglichen UND ALSO-NICHT-Redefigur zu übertragen, nämlich ein die Nicht-in-Betracht-Ziehung erwogener Möglichkeiten begründendes NICHT (in Analogie zu den nicht-realisierten WENN-Inhalten der in Betracht gezogenen und also gleichrangig erwarteten Möglichkeiten), müssen wir wieder lebensweltliches Verständnis bemühen, wenn wir an dieser unerwarteten Stelle, in einer Modalität (die man umschreiben könnte mit: ein NICHT, das ein andres NICHT (eine Unterlassung) begründet), deren Bedeutung zunächst nur in der Einführungssituation verstanden werden konnte, neue Inhalte einfügen: zum Beispiel ein NICHT: ICH KANN… .

113.
Um ganz genau zu sein, sei daran erinnert, dass wir die Redefigur NICHT:…, UND ALSO: NICHT:… als Besetzung einer Unter-Modalität der Vergangenheit eingeführt haben, nämlich -Zi: WIE ERWARTET:…
Diese Kategorie umfasst aber die GESAMTE Rede, sowohl über realisierte, als auch nicht-realisierte erwartete Möglichkeiten. Erst IN dieser Modalität werden die Redeformen realisiert/ NICHT realisiert UND ALSO NICHT ausgeführt überhaupt eingeführt. Wenn wir Teile daraus an andere Stelle übertragen, muss die einbettende Kategorie WIE ERWARTET natürlich nicht mitgenommen werden. Gibt es eine andere einbettende Modalität oder Kategorie, die an ihre Stelle tritt? – Sehen wir uns das erste UND ALSO nochmals genauer an. Ein Korpus von Äusserungen über explizit erwogene Möglichkeiten geht ihm voraus – so wie dem Anlass zum Gebrauch des zweiten UND ALSO ein Korpus von Äusserungen über explizit in Betracht gezogene Möglichkeiten. Der Unterschied liegt nun wesentlich auch darin, dass im Fall des zweiten UND ALSO dasjenige, was die Rede-Figur ermöglicht, nämlich das Eintreffen eines der als sinnvollerweise in der praktischen Planung zu berücksichtigenden („in Betracht zu ziehenden“) WENN-Inhalte, erst abgewartet werden muss, damit die Figur gestartet werden kann. Im ersten Fall muss nichts abgewartet werden – was immer wir nennen können, muss prinzipiell in diesem Augenblick gesagt werden können, denn der Übergang vom Erwägen zum praktischen Planen und Erwarten ist ja durch die zum Redezeitpunkt vorliegende Erfahrung hinreichend begründet. Was wir beim Zurückgehen vom zweiten zum ersten UND ALSO eigentlich ausdehnen, ist die am Paradigma der erfüllten WENN-Erwartung ausgebildete Kategorie des GRUNDES, mit der Kategorie des durch den Grund (auf dem Hintergrund des in Betracht gezogenen Möglichen) zugleich Ausgeschlossenen. Und so setzen wir an die Stelle der bei Einführung noch nicht-expliziten (und darum auf lebensweltlich-vorsprachlich implizites Verständnis zurückgreifenden) Begründung des Übergangs vom Erwägen zum In-Betracht-Ziehen nun explizit in versprachlichter Form ein, was immer an Gründen wir auf dieser Stufe bereits ausdrücken können; und wir werden sowohl über unser Tun als auch unser Unterlassen, Erwartetes und Nicht-Erwartetes, mithilfe der Negation, sprechen können. Die oben anfangs gesuchte Entsprechung aber, mit der wir die übertragene Redefigur kategorial einordnen können, liesse sich umschreiben als: ich werde in diesem Zusammenhang relevante Bestandteile meines bzw. unseres Wissens nennen, oder kurz: WIE BEKANNT (in Analogie zu WIE ERWARTET).

 

131.
Aber unser b/b‘ -Problem im Bezug auf das Handlungsankündigen und -ausführen wird so nicht gelöst: durch die Überlegungen der voraufgehenden Absätze haben wir zwar einiges zur Verfeinerung der Kategorie Absichtsbekundung gesagt, aber der Möglichkeit, Absicht und Ausführung getrennt voneinander auszudrücken, sind wir dadurch nicht näher gekommen. Unsere Versuche dienten dem Zweck, im ersten b gewissermassen eine ZWEITE Handlung im Zusammenhang mit Absichten bzw. Handlungen einzuführen: das Wählen, das wahrheitsgemässe Sagen – und ihr durch die Möglichkeit der verschiedenartigen Ausführung (anders wählen, lügen) eine schattenhafte Existenz zu geben – das, was nun b‘ heisst, sollte so einfach seine Rolle behalten als derjenige Inhalt, der im ursprünglichen ICH KANN erschien und durch die Modalitäten hindurchgeführt wurde. Neu hinzugekommen sein sollte bloss die zweite Handlung (für die b steht), vor oder neben der eigentlichen Ausführung (für die das Zeichen b‘ steht), die AUCH irgendwie durch ICH KANN eingeführt werden kann, und deren „Ausführung“ irgendwie eine WENN-Bedingung für die DANN erfolgende eigentliche Handlung b‘ sein soll. Aber mit dieser zweiten Handlung kommen wir nicht weit; denn ENTWEDER die „Handlungen“ des dieses oder jenes Wählens oder Lügens bzw. Wahrheitsagens sind echte Handlungen – dann müssten sie ankündbar sein, und die Möglichkeit der Nichtausführung trotz bestehender Absicht besteht auch bei ihnen (für deren Ausdrückbarkeit wir nach wie vor die Grundlage suchen); oder es handelt sich garnicht um echte Handlungen, und dann bricht unser Versuch zusammen, dem Fassen der Absicht irgendwie einen eigenen Status zu verschaffen, so dass die „Erwartung“: WENN ich die Absicht b habe, DANN wird Ausführung b‘ geschehen, nach dem Muster der bedingten Erwartung behandelt werden kann.
NB. Das Motiv, weshalb wir so hartnäckig nach der Zerlegung des Absichtsbekundens in die „blosse“ und eigentliche Absicht und (antizipierte) Handlungsausführung suchen, hatte sich uns am Anfang dieser ganzen Ableitung ergeben: die Rekonstruktion des „Wollens“ (d.h. der (Versuchs)Absicht) als unabhängig vom „Können“ zuschreibbarer „innerer Zustand“, der nichtsdestotrotz äussere Kriterien für seine Zuschreibbarkeit haben soll, beruht gerade auf dieser Trennung (und damit auch die Rekonstruktion des dieses Wollen voraussetzenden Nicht-(mehr)-Könnens).  Das noch weitergehende Motiv ist aber, „Absichtlichkeit“ (und also auch „Gewolltheit“) als Modalität logisch zu rekonstruieren, so dass ein und derselbe öffentlich wahrnehmbare und beschreibbare Inhalt in diese Modalität treten kann, und auch wieder heraus. (…)

132.
Die Lösung unseres Problems ist eigentlich längst gefunden. Wir hatten datierte Zeitreihen für die Vergangenheit betrachtet, und als Bedingung der Möglichkeit der Kategorie „wirklich“ das Abweichen vom Erwarteten (in Betracht Gezogenen) gefunden, was sich in der entsprechend benannten Modalität (NICHT) WIE ERWARTET niederschlug. Etwas zu schnell sind wir in den Absätzen, in denen dies abgehandelt wurde, über die Möglichkeit hinweggegangen, dass im Fall des Nicht-Eintreffens des Erwarteten bzw. Beabsichtigten das ursprünglich für diesen Zeitpunkt (an dieser Stelle in der Abfolge, oder in dieser Zeitspanne) Erwartete benannt werden können müsste. Denken wir uns eine Futur-Rede bestehend aus vier Positionen, X1-
4, und stellen wir uns vor, dass die Ausführung bzw. Abfolge nach X1 durch zwei die Fortsetzung behindernde Ereignisse, a und b, gestört wird, nach X2 wieder durch ein Ereignis c. Der Bericht zum Zeitpunkt des Stattfindens von X3 könnte nun so aussehen:
-5: X1, X1; -4: X2, a; -3: X2, b; -2: X2, X2; -1: X3, c; 0 : X3, X3.
Die erste Position führt also immer das als nächstes Erwartete, die zweite das an, was sich tatsächlich ereignete (die datierenden Ausdrücke sind als kategoriale Sprechaktankündigungen aufzufassen, die durch die nachfolgenden beiden Äusserungen ausgeführt werden). Gleichheit der Inhalte auf beiden Positionen kann abgekürzt so ausgedrückt werden, wie wir es in Absatz 109 vorgeschlagen haben: WIE ERWARTET, Ungleichheit da, wo es nicht auf die spezielle Erwartung ankommt, die enttäuscht wurde, durch die Gegen-Kategorie: NICHT WIE ERWARTET. Beide Kategorien können an die Stelle der Inhalte auf der ersten Position treten, und würden durch diese präzisiert. Wir konnten das in den betreffenden Absätzen so lapidar behandeln, weil wir es dort zunächst bloss mit Erwartungen zu tun hatten. Was ändert sich, wenn stattdessen Absichten (und speziell Wahl-Bekundungen, deren Aufrichtigkeit ausdrücklich betont sein mag) auf diese Positionen treten?

133.
Wir müssen diese Frage, wie sich zeigte, stellen, weil wir Schwierigkeiten haben, zu erklären, wie man im Futur oder auch nur im Möglichkeitsmodus den Fall bespricht, dass eine Absicht sich als nicht ausführbar erweist (die Kategorie WENN/DANN im Zusammenhang mit bedingten Erwartungen und ihre Übertragung in die Vergangenheit lieferte uns keine Handhabe für diese Erklärung). Das Problem rührt daher, dass wir für Absichtsankündigung wie -ausführung (aus gutem Grund) bloss den einen einzigen Ausdruck einsetzen können, den wir in der ICH KANN-Einführungsphase gebildet haben. Dass wir die mögliche Erfahrung (= Berichtbarkeit) des Nicht-Eintreffens einer Erwartung als Eventualfall im Futur besprechen, setzt voraus, dass wir erst einmal die entsprechende Vergangenheitsform besitzen. – Was also heisst: Eine Absicht ist unerwarteterweise nicht ausgeführt worden? Zunächst, etwa in unserem Beispiel oben: die zweite Position zeigt nicht dasselbe wie die erste, also nicht wie im Fall -5: X1, X1 (X, Y, Z bezeichnen Handlungsbeschreibungs- bzw. Absichtsankündigungsausdrücke). Das können erst einmal Fälle wie -4, -3 und -1 sein, solche also, in denen objektive Ereignisse die zu erwartende Handlung bzw. den Bericht von ihr von der zweiten Position verdrängen. Objektive Ereignisse: das sind solche, die NICHT im Modus ICH KANN als ursprüngliche Einzelhandlungen eingeführt wurden, sondern als INVARIANTEN solcher oder sogar als solche, die ausdrücklich nicht durch uns herbeigeführt sind (und deswegen nur erwartbar, aber nicht beabsichtigbar sind). Durch solche Ereignisse kann das Abarbeiten eines Planes gestört und auseinandergezogen sein; daran ist nichts Neues. Neu wäre, dass wir sagen lernen, dass etwas im ICH-KANN-Modus Ankündbares an falschen Stellen auftaucht) also nicht unterlassen werden kann), was immer umgekehrt bedeutet, dass etwas andres, für diese Stelle vorgesehenes, unterbleibt.

134.
Also das eigentlich Verwirrende wäre die Besetzung der Stelle im Bericht mit etwas, das bis dahin immer als Ankündigungsausdruck fungierte, aber VERSCHIEDEN ist von dem Ankündigungsausdruck, den wir aus der ursprünglichen Futur-Agenda zu dieser Zeitstelle (auf der ersten Position) zitieren: -n: Xi, Y; statt der i.ten Handlung der Agenda ereignet sich, was wir üblicherweise mit Y ankündigen – was korrekt gewesen wäre, wenn der Ausdruck lauten würde: -n: Y, Y (Y, wie erwartet, ausgeführt). Um diesen subtileren Fällen gerecht zu werden, müssen wir zurückgehen bis an die Anfänge unseres ICH-KANN-Sprachspiels. Wir hatten in Absatz 134 bereits kurz angedeutet, dass wir im ICH-KANN-Modus das Sprechen ebenso wie das Lügen spielerisch als ankündbare Handlungen einführen könnten. Wir könnten, auf die gleiche Weise, die neue Regel einführen, dass wir jede angekündigte Handlung, spätestens nach einer entsprechenden kategorialen Ankündigung, mit einer Beschreibung abschliessen: das Ankündigungszeichen, mit einer Art unspezifischen „Erfolgs- oder Ausführungszeichen“ kombiniert. Ein Zeichen, das (zunächst) in der Vergangenheit einem WIE ERWARTET für Absichtsausdrücke entsprechen würde. Spielerisch können wir in unserem Einführungsszenario dann den Fall simulieren, der uns da, wo er wirklich vorkommt, in unsere Schwierigkeiten gestürzt hat: Wir kündigen an (und beteuern, wenn wir die entsprechenden Ankündigungen ausgebildet haben, dass wir nicht lügen): ICH KANN: X1, dann machen wir Y, und sagen: Y.

135.
Aber die Verwirrung ist noch nicht einfach behoben; denn es hat sich nicht einfach nur nicht X1 ereignet (wie erwartet), sondern stattdessen etwas andres, was aber hätte angekündigt werden müssen. Und damit kann der Kern unserer Verwirrung benannt werden: wenn so etwas geschieht, wissen wir auf einmal nicht mehr, ob jemand den X1- oder Y-Ausdruck noch richtig beherrscht. Diese Ungewissheit tritt notwendig da auf, wo eine „Unterlassung“ eine Form annimmt, die ebenfalls „gewollt“ sein kann (absichtliches Dissimulieren von Handlungsfähigkeit, z.B. durch Vortäuschen von „Lähmung“, oder „Zuckungen“ (scheinbar ungewollten Überschuss- und Fehlaktionen). – Nun hatten wir eine Form, in der wir explizit den objektiven, Nicht-Absichtscharakter von Ereignissen ausdrücken konnten, und das war die Unabhängigkeit von meinen Handlungen, die ich ausdrücken kann mit: WENN ich egal was oder aber auch „nichts“ (keine Wirkungen auf meine Umgebung ausüben) will/tue, DANN Y. Es war dies die Weise, wie wir „objektiv“ Erwartbares als solches kennzeichneten; dabei musste in der DANN-Position ein Beschreibungsausdruck stehen. Nun steht dort aber die Absichtsbekundung Y, und es bedarf vorsprachlichen Verständnisses, um diese Kennzeichnung eines Absichtsinhalts als objektives Ereignis korrekt einordnen zu können, nämlich so, dass Y offenbar eine Dimension des Handlungsspielraums darstellt, deren Kontrollierbarkeit durch aufrichtig bekundete „Wahlakte“ (bzw. deren verlässlicher zeitlicher Zusammenhang mit der glaubwürdigen Bekundung solcher Akte) verlorengegangen ist.

136.
Tatsächlich ist die Ausdrucksform für objektive Ereignisse aber nicht auf den Fall des Zusammenbruchs von Handlungsspielraum zu übertragen. Denn weder die WENN/DANN-Form ist zulässig, noch darf vorausgesetzt werden, dass Y immer und nach egal welchen Absichten auftritt (das würde nämlich besagen, dass der GESAMTE Handlungsspielraum erschöpft ist), noch, dass Y von den mir momentan möglichen aktiven Einwirkungen auf meine Umgebung unabhängig stattfindet, denn Y wäre nicht das Ereignis, für das es ausgegeben wird, nämlich NICHT- oder FEHL-Ausführung einer Absicht, wenn es nicht im Zusammenhang mit einer Absichtsbekundung (nur eben einer anderen als Y) aufträte. Y ist an dieser Stelle NOCH NICHT das, was es sein wird, wenn wir die nötige Korrektur in den Erwartungen an unsere Handlungsfähigkeit vollzogen haben: objektives und als solches allenfalls (hinsichtlich Eintreten oder Dauer) prognostizierbares (erwartbares) Ereignis oder Zustand; zu diesem Zeitpunkt ist Y präzise die FEHLausführung einer bekundeten Absicht. Und um genau dies auszudrücken, steht die im vorletzten Absatz entwickelte Kategorie bereit: An -Zi hat sich ereignet: nicht wie beabsichtigt (aufrichtig gewählt und glaubwürdig angekündigt) X1 (oder X2, oder X3), sondern Y. Was hier berichtet wird, ist nicht weniger als die Gegenprobe zur ursprünglichen Einführungssituation: Ich kündige (glaubwürdig und aufrichtig) X1 oder X2 oder X3 an, also NICHT Y, und es findet dennoch Y statt – das heisst, X1-3 und Y sind Ausdrücke, deren Bedeutung wieder verlorengeht, es sei denn, wir sind daran interessiert, diesen Verlust nicht zu vergessen; dann müssen wir jetzt Ausdrucksformen jenseits der ursprünglichen Vorführ-
Situation finden, in denen wir berichten können, was sich zugetragen hat.

137.
Und wir haben diese Formen jetzt auch alle beisammen, denn wir brauchen nur in eine entsprechend lang zurückreichend datierte Zeitreihe (oder einer Vergangenheit anzeigenden Modal-Ankündigung) eintragen, wie es gekommen ist: (ES WAR:) ICH KANN: Ich sage „Y“, UND DANN (Beschreibung des Vorgangs Y). usw./ UND DANN: Ich sage: „ES WIRD an Zx: Y“, UND DANN (Beschreibung des Vorgangs Y), UND DANN: Ich sage: „An -Zx: Y, Y“ usw./ UND DANN: Ich sage: „ES WIRD an Zy: Y“, UND DANN (Beschreibung eines Vorgangs Y‘, der der Ausführung einer Absicht y‘ entspricht), UND DANN: ich sage: „An -Zy: Y, Y'“ usw. („usw.“ steht dabei für den Bericht der „hinreichend häufigen Wiederholungen“).
Das wirklich Neue in dieser Geschichte sind nur die Beschreibungen – die Technik des öffentlichen Beschreibens von Vorgängen aller Art, auch jener, die absichtlich sein können; die „persönliche“ Ankündigung in willkürlicher Reihenfolge in einem nur der Person zugeordneten Idiolekt (entstanden in der ursprünglichen Einführungssituation), wird ersetzt durch die öffentliche Beschreibung des Vorgangs, die allen zugänglich ist, gekoppelt mit einem Modal-Ausdruck, dessen Bedeutung umschrieben werden könnte mit: „Ich werde: (Beschreibung)“. Und genau das macht „Können“ oder „Gekonntheit“ eines beschreibbaren Vorgangs oder Zustands an unserem Leib aus.

138.
Hätten wir nicht irgendwann angefangen, unseren Handlungsspielraum mit dem Willkür-Sprachspiel auszuleuchten – wir wären niemals dazu gekommen, ein Modal-Sprachspiel wie „Können“ oder Beschreibungen auszubilden. Und wären die dort gebildeten Ausdrücke nie durch Ankündigungen VERNÜNFTIGER, d.h. wenigstens vorsprachlich-lebensweltlich verständlicher (und auch ehrlicher und glaubwürdiger) (Kollektiv)Pläne hindurchgegangen – es hätte nie eine Möglichkeit gegeben zu sagen: Ich, du, er/sie kann(st) nicht. Die (zuschreibbare, und praktische Unterschiede begründende) Unfähigkeit zeigt sich genauer als Unfähigkeit, den Test (man könnte sagen: das Gegen-Kontroll-Spiel, das Sprachspiel, das dem ABSPRECHEN des Könnens zugrundeliegt) auf Dauer zu bestehen, dem das vorläufig eingeführte Können genügen muss, nämlich der Bewährung dieses Könnens in nachvollziehbaren Plänen. Sofern ist also die Zuschreibung des Nicht(mehr)Könnens an die des Wollens angebunden; aber was ist Wollen – was sind nachvollziehbare Pläne? Alles vorsprachlich „Gekonnte“, nämlich erfolgreich zur Reproduktion eingesetzte Kooperationsverhalten, kann im Willkür-Sprachspiel erschienen, hatten wir gesagt; aber nicht nur diesen Beitrag zum Roh-Material für Neu-Zusammensetzungen des Reproduktionshandelns liefert die ursprüngliche Lebenswelt – sie bildet vor allem das Modell, von dem wir unseren Modal- und Kategorienapparat abstrahieren – die sprachliche Repräsentanz einer Lebenswelt überhaupt.

139.
Und diese Repräsentanz setzen wir ein, um über mögliche und sinnvolle Abänderungen unserer bisherigen (kollektiven) lebensweltlichen Routine-Reproduktion so sprechen zu können, wie bisher über die vorsprachlich eingerichtete: so, als wäre das Neue schon Routine; so, wie wir auch uns zu den Lebenswelten anderer so zu verhalten können, als hätten wir an ihrer Praxis einübend teilgenommen – ohne dass dies der Fall war. Und natürlich kann beides kombiniert auftreten: Wir könenn uns wechselseitig zu unseren Abänderungsvorschlägen verhalten so, als seien sie Bestandteile einer kollektiven und bereits eingeführten Routine, in der wir wissen, was wir voneinander zu gegebenen Zeitpunkten und Bedingungen erwarten dürfen; und dies, weil die Modal- und Kategorien unseres Sprechens, seit seiner Einführung, die Bedingungen, unter denen es einzig als Sprechen verständlich war, weiter einhielt – und diese Bedingungen erforderten immer wieder, an zentraler Stelle, die Verstehbarkeit der Rede als auf eine MÖGLICHE lebensweltliche (und als solche prinzipiell vorsprachlich verstehbare) kollektive Routine-Praxis bezogen – wenn es auch nicht unbedingt die ursprüngliche kollektive Routine-Lebenswelt sein musste, an der die Formen der Rede erstmals ausgebildet wurden. Die wichtigste Bedingung für Nachvollziehbarkeit aber auch der nur durch die ankündigende und begründende Rede noch als mögliche Routine ausgewiesenen Versuchspraxis neuer Pläne ist: Dass die Fähigkeiten, deren Einsetzbarkeit zur Ausführung erfordert ist, nicht verlorengehen – dass die neu entworfene und auszuprobierende Praxis dem Anspruch jeder vorsprachlich-lebensweltlichen, WENIGSTENS Reproduktion (und also fortsetzbare Routine) zu sein, genügen muss. Und da diese Reproduktion nicht mehr auf vorsprachlichem Verstehen beruht, sondern von sprachlicher Verständigung abhängt, müssen die Plan-Entwürfe nicht nur die, wie die vorsprachliche Praxis, die Reproduktion der Beteiligten ermöglichen, sondern obendrein auch die physischen Bedingungen ihrer Sprachlichkeit, als Bedingung der neuen Art, sich zu reproduzieren.
Was darin alles eingeschlossen ist, und welchen Anforderungen somit ein Wollen, das „nachvollziehbar“ sein soll, genügen muss, wird nun zu untersuchen sein.

 

140.
Doch bevor wir uns der Untersuchung des „Wollens“, als einer mit Können wie Nichtkönnen innig verschränkten Kategorie, zuwenden, müssen wir erst einmal einige Aufräumarbeit leisten. Denn was wir, um hierher zu gelangen, absolviert haben, war eine wilde und zum Teil durchaus wüste und ungeordnete Jagd durch die Modalitäten, und dabei sind viele Fragen offen geblieben. Vielleicht auch, dass wir unsere Ableitung noch einmal durchgehen müssen, um uns ihre Notwendigkeit in der Form, wie wir sie dargestellt haben, vor Augen zu führen, und Übersicht über das Ganze zu gewinnen, das sich da allzu schnell und im Einzelnen oft undurchschaubar vor uns entfaltet hat. – Man könnte grob sagen: Wir haben vier Haupt-Modalitäten ausgebildet, die man bezeichnen könnte als erwägende, erwartende, berichtende und (gezielt) erinnernde Rede, wobei sich schon andeutete, dass diese Redeformen kreisförmig so verbunden sind, dass Inhalte in dieser Reihenfolge durch sie hindurchwandern, bei jedem Übergang von Modalität zu Modalität selektiert; der Kreis beginnt bei den Möglichkeiten, geht, angesichts relevanter praktischer Erfahrung, über zu dem, womit man rechnen muss, dann werden die Zeitpunkte praktisch (nicht redend) passiert, auf die man sich vorbereitete, und es gibt etwas zu berichten; nicht alles, womit man rechnen musste, hat sich realisiert, ja es mögen sogar völlig unerwartete Dinge geschehen sein, dementsprechend werden erwartete Möglichkeiten unter Umständen zurückverwiesen ins Feld der blossen, nicht mehr zu beachtenden Möglichkeiten, oder aber man rechnet weiter mit ihnen; die für solche Übergänge relevanten Anteile des Berichts werden gezielt angeführt als BEGRÜNDUNG solcher Neu-Zuweisungen, auch der Neu-Erwägungen im Möglichkeitsmodus und der Auswahl dessen, was man tun und erwarten will.

141.
Diese Eigenschaft der Relevanz für Änderungen des Bestandes an „bloss“ oder auch überhaupt zu erwägenden Möglichkeiten einerseits, und dessen, womit unter diesen Möglichkeiten vom Sprech-Zeitpunkt (und seinem Erfahrungsstand) an zu rechnen ist andererseits, begründet eine Selektion des berichtbaren Materials, ganz ähnlich, wie das in Rechnung zu Stellende eine Selektion des zu Erwägenden und Vorstellbaren darstellt. Ausser dem zu Erwägenden und in Rechnung zu Stellenden ist von dem, was der Bericht Relevantes enthält, aber auch noch eine weitere Gruppe möglicher Äusserungen abhängig, und das sind die Zeitpunkt-übergreifenden (erwartet-unvorhersehbaren bzw. in verschiedenen Verlaufsvarianten denkbaren) Erwartungen bzw. (von entsprechenden Erwartungen als Bedingungen abhängigen) Absichten. Sowohl wenn sie oder ihre Bedingungen eingetroffen sind, als auch wenn nicht, müsste dies Konsequenzen haben für die Abteilung der erwartenden Rede, in denen sie aufgeführt werden. Diese Abteilung wird, im Mass, wie das Erfahrungswissen eines Sprechers und damit sein Hypothesenvorrat wächst, ein immer grösseres Übergewicht über die konkreten Einzel-Erwartungen bekommen – umgekehrt werden diese in immer grösserem Mass blosse Ableitungen (Anwendungen) aus den übergreifend erwarteten regulären Verläufen und bedingten Erwartungen darstellen. Hier gibt es sehr einfache und triviale Formen des UND-ALSO-Übergangs, etwa bei zyklischen Abläufen, wo angesichts des Erreichens eines bestimmten regulär wiederkehrenden Stadiums (Inhalt des Berichts) das unmittelbar nächste, entsprechend dem vom Sprecher bekundeten übergreifenden Verlaufsschema, von ihm erwartet werden sollte, und so für alle Erwartungen, die die Form des längeren oder kürzeren Verlaufs-Schemas (sei es in sich selbst zurückmündend, also echt zyklisch, oder nicht) haben. Ähnliche Überlegungen gelten für Erwartungen zweiten Grades (die sich auf das Bestehen von Dispositionen zweiten Grades richten), also solche, die Bedingungen oder Zeitpunkte der ÄNDERUNG von Erwartungen bzw. Dispositionen betreffen. Das Heruntertransformieren abstrakter Erwartungen auf die Ebene des konkreten Geschehens (in Berichten, Erwägungen, Begründungen, weniger in Erwartungsausdrücken (da ich oft im vorhinein noch nicht weiss, wie eine abstrakte Erwartung (eines Verlaufs oder Geschehens bestimten Typs) sich konkret verwirklichen wird) kann durch DADURCH, DASS und INDEM ausgedrückt werden – das Konkrete wird so als Realisierung eines abstrakten Typs bewertet oder BEURTEILT.

142.
In vielen Hinsichten sind die Übergänge unter dem Titel UND ALSO (d.h. Schlussfolgerungen), die nach einem berichtbaren Stück Erfahrung vollzogen werden müssen, blosse Routinen, und schlichte Anwendungen dessen, was Bedingung des Gebrauchs von beteiligten Ausdrücken darstellt. So ist es trivial, dass ich nach Realisierung der Bedingung einer Erwartung oder Absicht diese selber habe, und zwar unbedingt; es ist trivial, dass nach Abarbeiten oder Ablaufen einer INDEM- oder DADURCH, DASS-Agenda bis zu einem bestimmten Punkt der je nächste zur Ausführung bzw. Erwartung ansteht, es ist trivial, dass etwas, das einem wohldefinierten und eingeführten Schema entspricht, als Realisierung dieses Schemas angesprochen wird (alles andere widerspräche der Voraussetzung, dass das Schema (der Typ) hinreichend definiert ist, und das „token“ innerhalb des definierten Rahmens fällt), und es ist trivial, dass etwas, mit dem gerechnet wurde, im Bericht auch so eingeordnet wird; es ist trivial, dass unter sich ausschliessenden Möglichkeiten (ODER ABER) nur eine realisiert werden kann, und die anderen sich damit fürs erste als „blosse“ Möglichkeiten erwiesen haben. Was DAS nun wieder für Konsequenzen haben soll, ist freilich schon weniger trivial. Und genauso ist es zwar trivial, dass, was immer ich ankündige, auch gekonnt sein muss (und prinzipiell im ICH KANN-Modus vorführbar), hingegen ist keineswegs klar, was es für Folgen haben soll, dass angekündigte Handlungen ausbleiben; ähnliches gilt für das Ausbleiben (unbedingter) Erwartungen. – Den expliziten Vollzug der „trivialen“ Zusammenhänge, also solcher, die sich nach Verstehen der betreffenden Ausdrucksformen von selbst verstehen, kann man, nach dem Beispiel des Abs. 126, „Kontrollsprachspiel“ nennen. Kontrollsprachspiele scheinen sich dadurch auszuzeichnen, dass in ihnen das, was zur Einführung einer Ausdrucksweise nötig war, wiederholt wird, nachdem diese eingeführt ist. In ihnen wird also bloss ausdrücklich vorgeführt, dass jemand auch in der fortgeschrittenen Praxis die Einführungsbedingungen nach wie vor berücksichtigt, und den Ausdruck verwendet so, wie er in der Einführungssituation gebraucht wurde. – Im weitesten Sinne lassen sich so also alle „tautologischen“ Äusserungen einordnen. (Auch Beschreibungen von Dingen in Anwesenheit des Hörers als Mit-Beobachter gehören dazu.)

143.
Gibt es eine einfache, „triviale“ und in blossen Kontrollsprachspielen vorzuführende Konsequenz des Nicht-Könnens – zumindest seiner Vorform, wie in Abs. 136 beschrieben? Dazu müsste nach dem Gesagten irgendetwas an dieser Situation mit der Einführung eines Ausdrucks zu tun haben. Hat sie das? – Nicht-Können (aber das hatten wir bereits im Eingangsteil so ähnlich gesagt) ist nicht einfach das Nicht-Stattfinden des ICH-KANN-Sprachspiels mit Bezug auf eine Vorgangsart (die damit als ausserhalb des Handlungsspielraums liegend eingeordnet wäre). Nicht-Können ist auch nicht einfach ein isoliertes „anders Stattfinden als angekündigt“ (und speziell so stattfinden, dass es einer anderen Ankündigung entspräche).
Nicht-Können ist ENTWEDER der Ausfall einer regelmässig benutzten Handlungsroutine, und zwar nicht bloss eines Handlungsfragments, sondern ganzer Handlungsblöcke – egal, ob ihre Nicht-Ausführung daher rührt, dass ein entscheidendes Fragment (z.B. aufgrund einer Lähmung) sich als nichtausführbar erweist, oder an anderem (etwa wenn jemand plötzlich blind wird, oder extrem unkonzentriert, oder Schmerzen hat, die ihn von einer sorgfältigen Ausführung ablenken). ODER Nicht-Können ist das erstmalige oder wiederholte Scheitern von Experimenten, deren Einzel-Schritte sich alle ursprünglich einmal als beliebig ausführbare Routinen erwiesen. Kurz: Eine Routine fällt aus, oder eine bestimmte Kombination von Routinen, die ausserhalb dieser Kombination zuverlässig einsetzbar sind. Bedingung ist: dass die Routine wie das Experiment SINNVOLL eingesetzt werden – ein Erfolg muss nachvollziehbar wünschenswert sein.

144.
In dieser Allgemeinheit kommt etwa dem LEIB eines Handelnden, also Ankündigenden, zwar eine gewisse, aber keine absolute Sonderstellung zu. Der Leib ist gewiss das universellste unter allen Mitteln, aber die Werkzeuge, die uns aus der Umgebung, und vor allem auch unserer eigenen Vorarbeit verfügbar sind, spielen ihre, und oft die überwiegende Rolle. Beim ICH KANN darf man zwar auch einmal an so einfache Handlungen denken, wie sie der untersuchende Arzt bei der klinischen Diagnostik anordnet: „Treten sie mit geschlossenen Augen auf der Stelle! Lesen Sie die Ziffern der untersten Zeile der Tafel dort!“ Ein ICH KANN ausserhalb der Routinen, ein spielerisch seine Kräfte und Möglichkeiten erprobendes, kann aber viel weitere Handlungsbögen umfassen: ICH (MAN) KANN auf Felsen einer bestimmten Art klettern (und führe das an einem besonderes schwierigen Exemplar vor); ICH (MAN) KANN Vögel mit Pfeilen im Flug treffen; ICH (MAN) KANN diese schwarzen Steine zum Brennen bringen; ICH (MAN) KANN Raubtiere durch blosses Anschauen zum Rückzug bringen; ICH (MAN) KANN (unter bestimmten Bedingungen) zwei Tage lang mit derundder Last laufen, ohne zu schlafen; ICH (MAN) KANN Tierhäute geschmeidig und zugleich zäh machen, auf dieunddie Weise; ICH (MAN) KANN daundda heisse Quellen finden, in denen man im Winter baden kann usw. – also die Fähigkeiten des Leibes arbeiten mit den objektiven Möglichkeiten der Umgebung, zumindest an ausgewählten Stellen, zusammen, um den gekonnten Effekt zustandezubringen. Die Dispositionen der Umgebung müssen dabei nicht weniger verlässlich sein, als diejenigen unseres Leibes, im Gegenteil, sie können, während er ermüdet, oft weiterwirken.

145.
Solang uns nur IRGENDetwas in der Welt weit genug entgegenkommt, können die motorischen Fähigkeiten unseres Organismus, die wir wirklich unmittelbar kommandieren, sehr gering sein, wenn wir nur Zeit genug haben. Was freilich NIE beschädigt werden darf, ist die physische Struktur, die uns überhaupt zu planen und anzukündigen erlaubt. Aber, wie wir immer wieder betonten: diese Struktur ist eingebettet in eine Umgebung, in der ihr Mannigfaltiges entgegenkommen muss, damit sie überlebt; so gehört die Umgebung im weiteren Sinn mit zu dieser Struktur, sie muss mit erhalten werden; und so, wie wir lernen können, unseren Leib umzubauen, so natürlich auch unsere Umgebung. Und es ist nicht von vorneherein und für alle Lebenswelten klar, welches von beiden das zugänglichere ist. Ob Lebenswelt und Leib, so wie wir ihn ursprünglich vorfanden, zusammenpassen – ob die Bedürfnisse und Fähigkeiten, die wir mitbringen, zu dem passen, was wir aus unserer Umgebung machen: das ist nicht sicher. Wo unsere ursprünglichen Antriebe nicht reichen, muss Lernen eintreten – aber das gilt für den Umgebung mit unserer Umgebung nicht weniger als für unseren Leib. In vielfältigen Hinsichten also werden wir Leib und Umgebung verändern; die Veränderung wird eine Richtung (Ziele) verfolgen, nach bestimmten Prioritätenregeln vorgehen, und sich an Grenzen orientieren, jenseits deren sie ihren Sinn verliert. Wie sehr wir auch alles und jedes anders und neu machen werden – die Grundstrukturen unserer Existenz werden sich nicht ändern – unsere Existenz muss (personales) Leben, unere Umgebung Lebenswelt bleiben. Und nicht nur, dass diese Grundstrukturen unserem Handeln seine (praktische) Sinn-Ordnung geben, in der es einzig als Handeln sich entfalten kann – sie geben auch unserer Sprache ihre (logische) Ordnung vor; und alle Abwandlungen, des Handelns wie des Redens, bewegen sich in diesem Rahmen, und seien wir noch so fortgeschritten.

146.
Gewiss würden wir es nicht als unvorhergesehenes Nichtkönnen ansehen, wenn nachweislich „gekonnte“ Handlungsweisen „mutwillig“ und ohne Not so eingesetzt würden, dass ihr „Urheber“ sich vernichtet, schädigt und vernachlässigt – kurz: bei ihrer Betätigung die Notwendigkeiten seiner Reproduktion nicht beachtet (seien es die seines Leibes, oder die der nützlichen und notwendigen Anteile seiner Umgebung). Wir haben diesen Begriff längst zum praktischen Verstehen eingesetzt, bevor irgendein potentielles Sprachereignis vorkommen konnte; tatsächlich haben wir in unseren Einführungsszenarios ununterbrochen an dies vorsprachlich-lebensweltliche Verständnis, nicht nur auf unserer Seite, sondern zwischen uns und denen, die das Reden lernen sollten, und vor allem auch ZWISCHEN ihnen selbst, appelliert. Das Inventar lebensweltlicher, vorsprachlicher Kooperations-Verhaltensweisen auf höchstem Niveau, wie wir es im einzelnen immer wieder voraussetzten, ist also auch Grundlage aller Kontroll-Sprachspiele, mit denen wir erproben könnten, ob Kategorien und Modalitäten noch immer so ausgedrückt werden, wie es bei der Einführung der betreffenden Ausdrücke der Fall war. Insofern die „Versprachlichung“ der Regeln, die zusammen unserem vorsprachlich-lebensweltlichen Kooperieren auf Verhaltensniveau zugrundelagen, als ganze DIE SPRACHE auszumachen scheinen, zumindest, soweit wir sie bislang eingeführt haben, müsste man fast umgekehrt fragen: was ist dann NICHT Kontrollsprachspiel? Welche Redebestandteile sind NICHT bloss von den Einführungsbedingungen bestimmt, welche wiederholen nicht einfach nur, was damals eingeübt wurde?

147.
In unseren Beschreibungen wird sich, für die mit-anwesenden Hörer, immer wieder aufs Neue unsere Wahrnehmungsfähigkeit zeigen (die wir schon zur Einführung der ersten Beschreibungsausdrücke vorsprachlich auf Dauer bewähren mussten), dauerhaftes Fehl-Beschreiben würde (wie immer in solchen Fällen) die Frage aufwerfen, ob wir die betreffenden Ausdrücke noch beherrschen (vor allem, wenn Fehlbeschreiben mit praktisch richtigem Handeln einherginge); ähnlich würde, wenn routinemässig praktisch wirksam und sinnvoll eingesetzte Handlungsweisen im ICH-KANN-Modus regelmässig „verleugnet“ („dissimuliert“, nicht vorgeführt) würden, zurecht Zweifel aufkommen, ob die Bedeutung des ICH KANN beim andern dieselbe ist, die wir darin sehen. (Das Beschreiben oben ist ja auch nur eine spezielle Form des ICH KANN, wie wir gezeigt hatten.) Vergleichbares gilt aber für alle anderen Modi auch: Erwartetes, als möglich Erwogenes, bedingt Erwartetes, mit dem man rechnet, zu Versuchendes, Erforschendes, Erprobendes: was wir (angesichts bestimmter Erfahrungen) jeweils als Inhalt dieser Modi benennen und als solchen in unserm Handeln bewähren, führt unsere Zuverlässigkeit und Tauglichkeit für lebensweltliche Kooperationen vor – so, wie sie ursprünglich feststehen musste, damit die betreffenden Modal-Ausdrucksformen überhaupt erst eingeführt werden konnten. – Nun kann man aber bestimmt nicht sagen, dass die Einführung der Sprache keinen Unterschied gegenüber dem vorsprachlichen Zustand macht; und man kann auch präzise sagen, welchen (womit zugleich die Dimension der Rede erfasst wäre, die nicht mehr blosses Kontroll-Sprachspiel ist): Wir können Hörern Erfahrung mitteilen, die nicht dabei waren; und wir können mit ihnen zusammen arbeitsteilig Konsequenzen ziehen aus diesen Erfahrungen, und dies verabreden, ohne lenkende Manipulationen unserer Umgebung, mit denen wir die anderen zu dem gewünschten Verhalten bringen müssten, und ohne sprachlos, nur auf Verhaltensebene, Modell oder Vorbild zu sein (was sich für kollektive Aktivitäten als Lern- und Lehrmethode, die gerade VERSCHIEDENE und getrennt voneinander verlaufende Vollzüge erfordern, geradezu verbietet; und zwar erst recht solche, die (vorläufig) erst- und einmaligen, nämlich Versuchs-Charakter haben).

148.
Mit anderen Worten: Wir ziehen, wenn wir uns sprachlich verständigen (und im Mass, wie wir es tun) kollektive praktische Schlüsse aus kollektiver Erfahrung, SO ALS WÄREN WIR EIN EINZIGER SICH VERHALTENDER ORGANISMUS. Die (praktischen) Schlussregeln, die wir dabei benutzen, sind bei uns allen dieselben; sie können zur Not auch angewendet werden auf INDIVIDUELLE Konsequenzen aus INDIVIDUELLER Erfahrung. Kollektive Erfahrung ist aber in manchen Hinsichten anders als individuelle (der Blick „von aussen“ aufs „Innere“ des Andern muss alle relevanten Informationen liefern), und dasselbe gilt für das kollektive Handeln und seine Ziele (der kollektive Plan ist immer ein Entwurf für ALLE Akteure, die mit mir durch Sprache zusammengeschlossen sind; nur in sehr speziellen Fällen ist dieser Entwurf auf seinen Urheber und seine Ziele, als „Zweck“, zu beziehen, zu dem alle andern bloss Mittel sind). Wir können nun unsere Behauptung so fassen: Alles am Sprechen, was zwischen dem reinen Bericht (der auch hätte anders ausfallen können) und den daraus zu ziehenden Konsequenzen vermittelt, ist blosses Kontroll-Sprachspiel, und blosser Reflex der Einführungsbedingungen; denn die die betreffenden Ausdrucksweisen fungieren hier bloss als die äusssere Repräsentanz der Schlussregeln, die in der Einführungssituation sowohl als allen nachfolgenden den Zusammenhang von Erfahrung und kollektivem Reproduktions-Plan-Entwurf (sowohl seiner Routine-Anteile, als auch der innovativen, experimentellen, noch nicht eingeführten, aber sinnvollerweise zu erprobenden) herstellen und das zweite mit dem ersten vollständig zu begründen erlauben.

149.
Man könnte fragen: inwiefern nicht auch die abgeleiteten Kollektiv-Plan-Entwürfe (Routine wie experimentell) blosser Erfahrungsreflex sind; zwar können sie STATT der Erfahrung, unvermittelt, vorgeschlagen werden, aber dann verliert natürlich auch alles, was nicht durch berichtete Erfahrung abgedeckt ist, seinen Charakter als Kontroll-Sprachspiel, und transportiert implizit gerade jene Erfahrungsanteile (des Sprechers), die den Hörern durch Bericht oder eignes Erleben nicht zugänglich sind. Wichtiger als die Erfahrungen, die eine EINGEFÜHRTE Praxis begründen, sind dabei jene ErfahrungsZUWÄCHSE, die eine Änderung dieser Praxis erzwingen (sowohl der Erwägungen (überhaupt erwogenen Möglichkeiten), die hinter ihr stehen, als auch des praktisch in Rechnung zu Ziehenden); und natürlich können solche Änderungen, obschon erfahrungsabhängig, für viele der Beteiligten unvermittelt durch die eigentlich motivierende Erfahrung erscheinen – einfach, weil sie ihnen nicht erzählt wird. Und daran lässt sich bemerken, warum Erfahrungsberichte nicht die einzige Art von Äusserungen sein kann, die „einen Unterschied“ (über das in Einführungssituationen Eingeübte und in Kontrollsprachspielen bloss Wiederholte hinaus) machen würden: Denn, während die Schlussregeln, deren Einhaltung wir in Kontrollsprachspielen überprüfen, ein für alle Mal feststehen, und Bestand haben sowohl für unser Handeln wie unser Reden, ist das Faktum, dass der oder jener Organismus sie beherrscht und korrekt anwendet, ein kontingentes, und gehört ebenso zu den zu ermittelnden Fakten, von denen wir unser Handeln und es begründend-kommentierende und ankündigende Reden abhängig machen, wie die „sachlichen“ Bedingungen unserer jeweiligen Lebenswelt – objektive und subjektive (kollektive) Handlungsspielräume (ICH KANN bzw. WIR KÖNNEN). Es sagt also keinesfalls nichts, wenn wir über jemanden feststellen, dass er in seinem Umgang (spätestens) mit dem kollektiven (ausgetauschten) Erfahrungsschatz die Schlussregeln weiterhin einzuhalten scheint, die das vorsprachliche Verständnis seiner Beiträge zu Kollektiv-Verhalten ermöglichten, und mithin die Einführung einer gemeinsamen Sprache. Und nur auf dem Hintergrund des Zutrauens, das auf diese Weise geschaffen wird, lassen wir jemanden nicht alles erzählen, was seinen Forderungen und Erwartungen an uns sowie seinen Absichten zugrundeliegt.

150.
Es sollten nun aber in diesen Schlussregeln gewisse Restriktionen sich geltend machen, die „mutwilliges“ Ignorieren von Reproduktionsnotwendigkeiten (wessen?) verboten, bei Strafe des im vorsprachlichen, und also auch sprachlichen Sinne (Wieder)-Unverständlich-Werdens für andere Teilnehmer der Reproduktion. Der Zusammenhang mit Innovation und „mutwilliger“ Abänderung einer gut eingeführten Praxis darf dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass es Situationen geben mag, in denen unser Unverständnis nicht so sehr ein Tun als „mutwillig“ riskantes und schädliches betrifft, sondern ebensolche Unterlassungen. Jede Routinepraxis ist ja störungsanfällig; das Unterlassen von (u.U. innovativen Versuchen von) Reparaturen gestörter oder teil-zerstörter Routine-Praxis-Zusammenhänge kann ebenso unverständlich erscheinen, wie die „mutwillige“ Aufgabe gut eingeführter Routinen zugunsten unerprobter, windiger Innovationen. Aber wann genau kann man verstehen, dass Wesen AUFGEBEN, angesichts von Zusammenbrüchen ihrer Lebenszusammenhänge? Wann, umgekehrt, darf man sagen, dass ihre Ausbrüche aus gewohnten und gut funktionierenden, wenn auch „stagnierenden“ Routinen Sinn machen, statt bloss unnötige oder gar verrückte Risiken heraufzubeschwören, und nichts sonst? Beides sind Situationen, in denen zwangsläufig das VERSUCHEN (Forschen, experimentieren, Erproben, Innovation) in eine vorsprachlich-verständliche, lebensweltliche Praxis einbricht. Und es sind nun aber die sinnlosen (und unberechtigten, „mutwilligen“) Versuche, die – vor allem in Kombination mit ihrem Scheitern (Nichtkönnen) – unser auf vorsprachlichen Schlussregeln beruhendes SPRACHLICHES Verstehen (die Bedeutsamkeit der als bedeutsame Äusserungen eingeführten Verhaltensweisen) wieder rückgängig machen. Warum genau ist das so?

151.
Kurz gesagt darum: weil das Sprechen es uns erlaubt, mit den unbekannten Anteilen unserer Umgebung und unserer selbst so umzugehen, als seien sie eine Routine-Lebenswelt – es erlaubt uns, uns (kollektiv) zu MÖGLICHKEITEN zu verhalten, als seien sie (eingeübte) Wirklichkeiten – solange, bis sie sich als das Gegenteil herausstellen. Und es erlaubt uns weiter, Wiederholungen solcher Misserfolgserfahrungen zu vermeiden – der Prozess des Abarbeitens von Möglichkeiten verwandelt sich so in einen GERICHETETEN Arbeitsprozess –  eine lebensweltliche Routine HÖHERER (oder gar höchster) STUFE. Eine erste, quasi „transzendentale“ Bedingung für die uns überhaupt zugänglichen und vorstellbaren Möglichkeiten ist damit aufgestellt: sie müssen sprachlich beschreibbar, und darum, wegen der lebensweltichen Struktur unserer Sprache (ihrer Logik), ihrerseits MÖGLICHE LEBENSWELTEN (oder zumindest Fragmente von solchen) sein; nur zu solchen können wir uns verhalten; die zwei Negativ-Ausgänge unserer Versuche (oder zwei möglichen Formen des Scheiterns) sind nämlich: erstens, dass eine Möglichkeit, deren Bestehen wir nicht ausschliessen und erst erproben mussten, sich als in unserer Welt nicht realisiert (nicht vorhanden) erweist; zum andern, dass (wichtige) Anteile unserer realen Welt sich als NICHTlebensweltlich (mit keiner Lebenswelt als deren Fragment vereinbar) erweisen, ganz gleich, was wir versuchen. – Nebenbei können wir uns, und das ist nicht der geringste Anteil am Zugewinn, den uns das Sprechen sichert, zum Verhalten-zu-(lebensweltlichen)-Möglichkeiten ANDERER verhalten, und ihnen unsere fortgeschritteneren Erfahrungen (die sie nicht mehr wiederholen brauchen) mitteilen.

152.
Die Frage ist aber: Wann sollen, dürfen oder gar müssen wir mit Versuchen beginnen, und wie lange und in welchem Umfang sollen, müssen und dürfen wir einfach so weitermachen wie bisher? D.h. Wieviel unserer Ressourcen und Kräfte sollen wir, unter welchen Umständen, auf das eine, und wieviel auf das andre verwenden? WIE sollen wir unsere Versuchspläne entwerfen, nach welchen Prinzipien sie aus unserer Erfahrung ableiten? WELCHE, wenn mehrere sich anbieten, sollen wir nach welcher Regel zuerst erproben? WANN ist eine Erprobung zuende, wann sind Entwürfe definitiv widerlegt, oder womöglich ALLE – wann würde alles weitere Erproben sinnlos (kann es das überhaupt werden), welches wäre das Kriterium hierfür? Und woher nehmen wir Prinzipien der Konstruktion, Regeln der Fortsetzung, Kriterien des Sinns und der Sinnlosigkeit?
Aber wovon, sei es vorsprachlich oder sprachlich, setzt sich denn das Versuchen überhaupt ab? Und wodurch unterscheiden sich vorsprachliches und sprachlich verfasstes Versuchen (Suchen, Explorieren, Experimentieren, Erproben)? Und beim sprachlichen: Inwiefern lassen sich die oben genannten Prinzipien, Regeln, Kriterien einzig bestimmen aus der Tatsache, dass bei anderen Prinzipien, Regeln, Kriterien die in Kontrollsprachpielen zu bewährenden Einführungsbedingungen der Sprache wieder verlorengingen (und Wieder-Unverständlichkeit im sprachlichen Sinn einträte)? Oder gibt es auch noch lebensweltliche Grundlagen für sie?

 

153.
Beginnen wir mit der Frage nach dem vorsprachlichen Suchen und Versuchen – dem Lernen auf Verhaltensniveau. Was an früherer Stelle bereits über das Verhalten gesagt wurde, bestätigt sich auch hier: Die Zuschreibbarkeit gleich welchen Verhaltens, also hier eines Such-, Versuchs- oder Lern-Verhaltens, ist abhängig vom ERFOLG. Ein gänzlich neues (innovatives) Verhalten, ein Verhalten, das wesentlich auf „Entwürfen“ beruht (und das ohne Kenntnis dieser Entwurfs-Ziele nicht verstanden werden kann), kann es mithin nicht geben. Das Explorieren der Tiere hat den Charakter einer ROUTINE – eines festliegenden Programms, das in festliegenden Situationen so abläuft, wie es immer abläuft; und das auch nur deshalb ihnen zugeschrieben werden kann. Speziell können Teil-Verhaltensweisen dieses Programms nur darum als solche bezeichnet werden, weil sie sichtlich Wiederholungen gesetzmässig ablaufender Such- und Versuchs-Programme darstellen; und nur, wenn solche Teil-Abläufe eines Programms an der Vollendung gehindert werden, andererseits aber feststeht, dass es sich um den Anfang eins wie bekannt ablaufenden Programms handelte: nur dann also kann überhaupt das (vorläufige) SCHEITERN eines solchen Vollzugs, in diesem Einzelfall, behauptet werden (und nur dann gesteigerte motorische Unruhe, Übersprunghandlungen bei dem betreffenden Tier als Ausdruck von „Ungeduld“ oder „vermehrtem Drang“ usw.). Aber darin unterscheidet sich das Suchen und Versuchen der Tiere nicht im geringsten von ihren übrigen Verhaltensroutinen; ihr ganzes Verhalten besteht daraus (das ist ein logischer, begriffs-explizierender Satz).

154.
Wo die Grenze zum Verhalten verläuft, kann präzise durch eine Formulierung bestimmt werden, die uns auf der Stelle als paradox einleuchtet: dass Verhaltensprogramme von Tieren, etwa bestimmte Such- oder Versuchs-Programme, ÜBERHAUPT scheitern und dies von den Tieren erkannt wird. Zwar mag es im Grenzfall bei Tieren so etwas geben wie die „erlernte Hilflosigkeit“, die „resignierte“ Aufgabe jeder Aktivität überhaupt; was es aber, um es noch präziser zu sagen, nicht geben KANN, ist die Aufgabe des kompletten Programms zugunsten eines anderen. Und zwar NICHT darum, weil Tiere, oder fremde Wesen, mit denen wir (noch) nicht sprechen und auch nicht kooperieren, dazu immer zu dumm sein müssten (denk an die entsprechenden Episoden mit „intelligenten“ Ausserirdischen in Science-fiction-Handlungen), sondern vielmehr, weil wir ohne den absehbaren Erfolg, und den schon auf vorsprachlicher Grundlage zuschreibbaren SINN, die betreffenden Aktivitäten garnicht als Such- oder Versuchs-Strategien verstehen könnten. Nun gibt es gewiss einige Szenarios, in denen ziemlich eindeutig feststeht, was ein sich verhaltendes Wesen in ihnen zu tun hat, wenn es überhaupt etwas tun will: Bedrohungs- und Kampfsituationen, in denen es „seine Haut“ retten muss. Es muss sich dann auf die gefährdenden Objekte beziehen, und ihre Wirkung auf es ausschalten. Wenn von intelligentem Verhalten die Rede ist, beziehen wir uns im allgemeinen auf solche einfachen (auch im logischen Sinn) Zwangs-Zwecke; und dann dürfen wir auch ohne jede Besinnung von Versuchen (auch erst angefangenen, noch nicht (erfolgreich) abgeschlossenen) und ihrem Scheitern sprechen (zumindest, solange wir unterstellen, dass das betreffende Wesen sich selbst behaupten „will“, in diesen Situationen).

155.
Die „Intelligenz“, die in solchen Szenarios zur Anwendung kommt, ist wahrhaftig so simpel, dass wir sie auch einfachen Rechenautomaten zutrauen dürfen: die einsetzbaren Mittel stehen fest, das Ziel steht fest, der Rest ist Sache eines einfachen Optimierungsalgorithmus. Wäre es nicht so, dann liesse sich erstmal garnichts mehr verstehen, jedenfalls nicht im vorhinein; ein Wesen, das gänzlich neue Mittel sucht (und sei es auch bloss, weil ihm seine früheren verlorengegangen sind), oder sich für die ihm verfügbaren Mittel gänzlich neue Einsatzformen und also Ziele konstruiert, wäre für uns eine zeitlang nicht begreifbar, es sei denn, wir wüssten (aber woher?), über was für Erfahrung es verfügt. Erfahrung, auf Verhaltensniveau, ist dasjenige (für es überhaupt wahrnehmbare (wie stellt man das fest?)) Material an den Situationen, denen es ausgesetzt war, aus denen es „sinnvoll“ Konsequenzen zieht (gelernt hat); WANN und woraus es Konsequenzen zieht, ist aber nur in Verhaltenskatgeorien definiert – und zwar selbst dann, wenn wir vollständige physiologische Information über die Strukturen hätten, von denen sein Verhalten „gesteuert“ wird; denn hier geht es darum, wie diese Informationen zu DEUTEN sind, und was „Lernen“, auf Verhaltensniveau, BEDEUTET – welche Dispositionen diejenigen sind, aus denen wir auf einen Lern-Vorgang schliessen würden; diese Dispositionen sind allesamt Dispoitionen zu einem Verhalten, das wir als GANZES als Ausdruck von Lernen verstehen können, das heisst, die Dispositionen, von deren Bestehen wir Kenntnis haben, helfen uns, im Fall, dass wir sie einordnen können, über das Vorhandensein des Resultats eines Lernvorgangs informiert zu sein, nicht aber zu definieren, worin er besteht, bzw. was seine Kriterien sind; die Kriterien aber sind Verhaltenskriterien, und keine andern. Jedoch, wenn wir den Sinn eines Verhaltens, das angeblich auf Lernen beruht, nicht verstehen, können wir auf das „Wissen“ des sich verhaltenden Wesens nicht zurückschliessen. Und was heisst nun „sinnvoll“, auf Verhaltensebene? Da müssten wir verlässlich die verschiedenen Funktionszustände kennen, in denen sich das betreffende Wesen bewegt, und ihre Reproduktionsbedingungen und zyklischen Verläufe. Und dafür gibt es wieder nur Verhaltenskriterien. Wie können wir also diese Dinge getrennt voneinander feststellen?

156.
Zumal wir die sensorischen und motorischen „Fähigkeiten“ des Wesens und deren zyklische Verläufe, noch unabhängig von den Verläufen der momentanen „Antriebs- und Bedürfniszustände“, ebenfalls feststellen müssen. Und selbst dann noch würde uns ein weiteres wesentliches Moment des „Verstehens“ fehlen, nämlich „Fehler“ (Unaufmerksamkeit) bei der Umsetzung des Gelernten, und „Gestörtheit“ (durch Krankheit usw.) des Verhaltens, und ihre Ursachen. – Nun bauen diese Verhaltens-Dimensionen (d.h. Dimensionen seines Verstehens ALS Verhalten) normalerweise HIERARCHISCH aufeinander auf; das ermöglicht es uns, das Verhalten bzw. die Dispositionen zu ihm (die wir physiologisch ermitteln), gewissermassen „schichtweise“ zu verstehen. Motorische Leistungsfähigkeit, ihre Grenzen, zyklischen Verläufe und (physischen) Bedingungen sind gewissermassen die Grundschicht jeden Verhaltens – sie ist an JEDEM Verhalten anzutreffen, gilt für ALLE Nebenumstände überhaupt. Sensorische Leistungen des Wesens sind besondere Arten und Weisen der Betätigung seiner Motorik – im weitesten Sinne GEZIELTE; und dieses gezielte sich ZU Aspekten seiner Umgebung Verhalten ist gemeinsamer Bestandteil sowohl jener Verhaltensanteile, die ursprünglichen („angeborenen“) Charakter haben, als auch jener unter diesen, die Explorationscharakter haben, in gleicher Weise wie jener, die auf Konditionierung und anderen Formen des Lernens beruhen, und hier speziell wieder des Explorierens, das vorgängiges Lernen voraussetzt. Die Zusammensetzung des Gesamtverhaltens aus Anteilen dieser vier Gruppen bei gegebenem Expositionsverlauf für ein einzelnes sich verhaltendes Wesen ist einmal Resultat dieses Verlaufs (oder von Verläufen einer bestimmten Art); andererseits ist die Art und Weise, wie ein Wesen, bei gegebnem Erfahrungsverlauf, von dem so zusammengesetzten bzw. variierbaren Verhalten „Gebrauch“ macht, abhängig von seinen Funktionszuständen – Funktionszustände sind geradezu so DEFINIERT. Und seltene, unzweckmässige Funktionszustände, die auf offensichtlichen Einwirkungen von aussen, und NICHT auf Lernen beruhen, werden wir „Störungen“ (je länger dauernd und weniger durch unser Verhalten beeinflussbar sie sich erweisen) oder aber (je mehr als das Gegenteil) „Fehler“ nennen. – Und in ungefähr dieser Reihenfolge mussten also auch – soweit das bisher bereits geschehen ist – unsere Sprachspiele eingeführt werden (was das bedeutet, ist allerdings noch keineswegs klar).