8b. Zusammenschieben der beiden Wissenserwerbs-Richtungen in einer „regionalen Optimalhypothese“ (mit wechselndem Inhalt)

27.
Worin nun ähnelt dies Vorgehen einer Hypothese – worin weicht es davon ab? Und was wäre an einem solchen Abweichen so schlimm? (Was haben wir aus den Reduktionen ad absurdum des 7.Kapitels dafür gelernt?)
Die Hypothese des Normalplaners, sein So-Tun-als-ob „er genug weiss“: Sie handelt auf den ersten Blick nicht von einem bestimmten innerweltlichen Zusammenhang, der unterstellt wird, so, dass man in ihn eingreifend, etwas für sich bewirken kann – wenn er denn so, wie unterstellt, gilt.
Sondern sie handelt von einem sehr pauschal angesprochenen VERHÄLTNIS zwischen Welt und Praxis; ein Verhältnis, und eine Hypothese, deren ganze Absurdität noch deutlicher wird, wenn wir sie negativ ausdrücken: „Bis zum Beweis des Gegenteils werde ich so tun, als läge es, wenn ich scheitere, nicht an meiner Unkenntnis der Welt um mich herum.“ Das Tun-als-ob im Sinne der Hypothese wird dann darin bestehen, sämtliche ERKLÄRUNGEN für ein Scheitern EHER heranzuziehen, als diese eine letzte und erst einmal grundsätzlich zu umgehende: Man habe nicht genug gewusst. Muss ein Normalplaner dies zugeben – und zwar grundsätzlich, in dem Sinn, dass er zugeben muss: er weiss es wieder, und wieder, und wieder nicht – dann, und genau dann wird er sich für „gescheitert“ erklären müssen – im Sinne der Hypothese, die er seiner Praxis zugrundelegt. – Was wird denn aber genau behauptet mit dem Satz: „Ich weiss genug.“? WoFÜR genug?
Tatsächlich zerfällt, was wir oben die „Vorgabe“ nannten, in drei Teile:
a) das „erweiterte Selbst“ – jenes sich mit Mitteln und nützlichen Kenntnissen und Kompetenzen ausrüstende „Selbst“, das der Normalplaner in seiner Ausgangssituation für unerlässlich erklärt, um „sich“, nämlich eben dies Selbst, in „seiner“ Umgebung, mit „ihren“ Randbedingungen, „ihren“ entgegenkommenden Bedingungen der Kontrollierbarkeit (entsprechenden Dispositionen) zunächst überhaupt zu reproduzieren, aber auch so, dass diese Reproduktion optimal-produktiv abgesichert und erweitert werden kann;
b) das daFÜR (nämlich FÜR Reproduktion jetzt, FÜR zwischendurch (wie geplant), und zum Erreichen des unterstellten Optimums) „Schlimme“ (Schädliche, Behindernde, Vernichtende) und das daFÜR „Nützliche“ in der Umgebung wie am erweiterten Selbst selbst, zusammen jeweils mit seinen Verlaufscharakteristiken, Stabilitäts- und Instabilitäts-Bedingungen, seinen (geschätzten) Zuverlässigkeits- und Gekanntheits-Graden;
c) das daFÜR benötigte Wissen-wie, mitsamt seinen sämtlichen Dunstkreisen und auszulotenden Ähnlichkeits- und Abwandlungsoptionen – als Wissen-wie und Mittel-FÜR zu konstruierende Experimente und Verfahrensentwürfe, bei sich ergebenden (als solche erkennbaren) „Anlässen“ FÜR sinnvolles Suchen, Versuchen und Abwandeln der bisherigen Praxis; also der Vorgabe im Sinne von a) – dies ist dann die Stelle, wo die Vorgabe eine Vorgabe für die Abänderung jenes ersten Teils enthält.

28.
Dazu kommt, was der Normalplaner als sein Erfahrungswissen – zumindest als unmittelbar durch Erfahrung korrigier- und erweiterbar – bezeichnen würde (vgl. 8/23), und wovon die „Vorgabe“ durch Festlegung des erweiterten Selbst (spätestens unter mehreren möglichen solchen Wahlen) einen mehr oder weniger grossen Anteil als „relevant“ ausschneidet (der Rest ist Dunstkreis, Alternativen- und Hintergrundswissen aller Art); nämlich:
d) die rein quantitativen, und auf Budget-Aufteilungen zielenden Rahmen- und Bereichs-Erwartungen mit ihren möglichen Bedingtheiten (die im wesentlichen AN einem konstruierten oder gerade gültigen Fortschrittspfad, und AN einer möglichen oder tatsächlich praktizierten Ressourcen-Aufspaltung entlang „Werte“ festsetzen, also aus einer Menge möglicher Alternativen auswählen);
e) die Gesamtheit der „Regularitäten“, die ihm in seiner Umgebung bekannt sind, sie mögen technisch und planerisch verwertbar sein, oder nicht;
f) die Gesamtheit der ihm bekannten „Elemente“, aus denen sich tatsächliche und mögliche Komplexe in seiner Umgebung zusammensetzen (als deren Zusammensetzung und Resultat diese Komplexe „erklärt“ werden können usw.), speziell solche, die durch ihre Art des Aufbaus sich selbst stabilisieren (und in diesem Sinn „Regularitäten“ bilden).
d, e, f sind die Dimensionen, in denen sich jene Wissenszuwächse abspielen, die ihn auf „im selben Moment behobene“ Mängel in seinem voraufgehenden „Genug-Wissen“ aufmerksam machen; a, b, c bilden die Vorgabe, FÜR die „spätestens (jeweils) dann“ das Gesamt-Wissen aus d-f „genug“ ist.
Das So-tun-als-ob, das zur angeblichen Hypothese „Ich weiss (jeweils) genug FÜR Reproduktion des von mir festgelegten, gegenwärtigen erweiterten Selbst und Beschreiten des geplanten Fortschrittspfades von ihm aus hin zu „seiner“ optimal produktiven und sicheren Version“ passt – es besteht darin, die sämtlichen Register des „Probierversuchens“ zu ziehen, von Experimenten „aus gegebenem Anlass“ unter Verwendung von neuzusammengesetzten Komplexen oder Dunstkreis-Reserve-Techniken, und Abwandlungen der bisherigen Praxis in DIESEM Sinn, über einfache oder auch Hybrid-Analogie-Komplexe, analog zu bekannten, bestehenden Komplexen, im Rahmen der Ähnlichkeitsklassen, die man um sie herumbildet; über Neu-Bestimmung dessen, worauf man sich in „seiner“ bekannten Umgebung verlassen und nicht verlassen kann, bis hin zur Neu-Festlegung von Rahmen- und Bereichserwartungen „aufgrund der mit den bisherigen Rahmen- und Bereichserwartungen gemachten Erfahrungen“ – was auch einmal bedeuten kann, dass das „erweiterte Selbst“ um bisher unbekannte (weil durch überraschend neue, aus Beobachtungen und Erfahrungen gewonnene Optionen ermöglichte) Anteile erweitert wird, oder unter sein bisheriges Ausgangsniveau, angesichts ernüchternder Erfahrungen, schrumpft.

29.
Den Trick, dass der Inhalt oder das Substrat, nämlich das „erweiterte Selbst“ und die von ihm wegführenden Fortschrittspfade, für die durch Probieren herauszufindenden „richtigen“ Erwartungswerte schnell mal gewechselt wird (so wie wenn man beim Geschütz-Richten das Ziel kurz einmal in die Nähe der bisherigen Einschläge rückt) – diesen Trick haben wir bereits in 3/9 (dort als der erste bezeichnet), und später des öfteren hinreichend gewürdigt. Andere, ähnliche Tricks sind uns inzwischen begegnet: das schnelle Erweitern angesichts neuer Optionen (wenn sie denn eingetroffen sind; ohne sich darüber zu wundern, dass und warum nicht man sie bereits früher kannte – was bedeuten würde zuzugeben, dass man über keine, oder keine gute Lernstrategie verfügt), das Schrumpfenlassen und Vereinfachen noch unter ein Ausgangsniveau usw. Jenseits dieser recht simplen Anpassungen freilich ist das „erweiterte Selbst“ kaum veränderlich; und auch diese Anpassungen, vor allem die Erweiterungen, beruhen auf Neu-Erwerbungen von Techniken, an deren Wissens-Grundlagen man allenfalls im Verlauf von passiven „Beobachtungen“ und „Erfahrungen“ geraten ist.
Aber spätestens, wenn die „Beobachtung“ einen ZUGLEICH lehrt, dass man ZU SPÄT gekommen ist – dass man versäumt hat, vorbereitet zu sein oder Wissen zu erwerben – was man, wenn einem nur irgend an seiner Reproduktion und ihrer Absicherung liegt, unbedingt hätte tun wollen und sollen, wenn man nur rechtzeitig darauf aufmerksam gewesen wäre – und, obendrein, rechtzeitig gewusst hätte, dass da etwas zu wissen und vorzubereiten war: Spätestens dann, wenn man die neu-erworbenen Wissens-Stücke nicht mit einem beiläufigen „ABER JETZT…weiss ich doch genug!“ in sein immer, jeweils, ausreichendes Rezeptwissen schmuggeln kann, sondern sich das neu erworbene Wissen als eines um ein ungeheures VERSÄUMNIS darstellt: Spätestens dann helfen die Tricks der Anpassung des „Mittel-Selbst-Substrats“ an das (beschränkte, oder glücklich eben erweiterte) Rezeptwissen nicht mehr, das letztere erweist sich vielmehr als völlig unzureichend.
Und genauso, wenn all dies Herauf- und Herunter-Setzen und Von-Bedingungen-abhängig-Machen der Erwartungswerte nur immer eines zeigt: dass man keine Ahnung hat; dass man seine Umgebung nicht kennt; dass man zwar über den oder jenen Praxis-Ausschnitt Kontrolle hat, aber daraus nie und nimmer eine globale Kontrolle wird – globale Beherrschung von Reproduktion des Selbst (im eigentlichen Sinne) und deren Fortschritt, im Rahmen der gewählten oder momentanen Umgebung.

30.
Die Katastrophen, die wir besprochen haben, laufen, als Falsifikationen der grundlegenden Hypothese des Normalplaners, auf die schlichte Erkenntnis hinaus: Du weisst garnichts, und dein Wissen reicht hinten und vorne nicht aus, um das, was dir wichtig ist, auch nur zu erhalten.
Deine Reproduktion, auf der Wissensbasis, die du hast, ist nicht gesichert; UND DU HAST NICHTS VORGESEHEN, UM SIE AKTIV AUSZUWEITEN – du hast keine Lernstrategie, die über Nutzung passiver „Anlässe“ für möglichst „naheliegende“ Experimente hinausgeht.
Du weisst in Wahrheit garnicht, welches die komplexen, und welches die (für dich) irreduzibel elementaren Bestandteile deiner Umgebung sind; du hast nicht im Traum dran gedacht, sie systematisch herauszufinden.
Du kennst, schon darum, auch die Bedingungen für Stabilität und Instabilität der komplexen Regularitäten deiner Umgebung nicht – obwohl du doch von ihnen existenziell abhängig bist.
Und von daher hast du nicht die geringsten Wissens-Grundlagen, um auch nur annähernd korrekt einschätzen zu können, welches erweiterte Selbst sich ab hier und jetzt erstmal erhalten, und wie vorsichtig auf welchem Fortschrittspfad bis zu welchem relativen Optimum produktiv ausweiten lässt. Die Bestimmungen dessen, was „schädlich“ und „nützlich“ in deiner Umgebung ist, langen gerade eben mal hin, um die allergröbsten Gefahren für Leib und Leben des „Selbst“ im engsten Sinne, und vorfindliche „Lebensmittel“, im Sinne unmittelbarer „Bedürfnisbefriediger“, auszumachen. Jenseits davon beginnt bereits das Unbekannte; und dein, des Normalplaners, Grössenwahn, es beurteilen zu können, ohne es zu kennen.

31.
Der Normalplaner wird auf alles dies antworten: Aber ES FUNKTIONIERT.
Die Frage, die WIR für uns dann zu beantworten haben, ist: Warum dies aus seiner Sicht eine Erwiderung sein kann auf unsre Kritik? – Wir sagen: Du hast keine Lernstrategie; er sagt, er hat eine, keine umfassende, das gibt er zu; aber die braucht er auch nicht – das IST ja gerade das Geschickte in seinem Vorgehen: Er tut nur das Nötigste (und nichts Überflüssiges); er IST vorbereitet auf Misserfolge (wenn auch nicht die ganz schlimmen); er HAT Umgangsformen mit Unerwartet-Neuem; ja, er IST überraschbar, aber er LERNT doch auch daraus? Was verlangt man denn noch?
Nochmals: Wie muss man, als Normalplaner, denken, um in dem Hinweis „Es funktioniert“ eine Rechtfertigung zu sehen?
Wir könnten, zunächst, darin eine weitere Version der ihm zugeschriebenen „Hypothese“ sehen; aber langsam beschleicht einen, angesichts der Kette solcher Versionen, die wir ihm unterstellten, der Verdacht, dass das, womit er arbeitet, garnicht den Status einer Hypothese hat; sein Tun von ihm nicht als So-Tun-als-ob verstanden wird; und zwar darum nicht, weil „Falsifikation“ dieses So-Tuns-als-ob, das Nicht-Mitspielen der Welt, beim Hypothesentesten darauf verweist, dass die Welt an dieser Stelle anders ist; für den Normalplaner hingegen wird sie sinnlos; oder unverständlich, unbewältigbar. Es gibt für ihn dazu, die Welt „so“ zu denken, wie er sie denkt (worin doch Fortschritt, Lernen, Abändern ursprünglicher Praktiken entlang von Erfahrung eingeschlossen sind!), keine Alternative – keine andere „Art, wie“ die Welt sein könnte, und die man anstelle der ersten hypothetisch unterstellen könnte, bis zur Widerlegung, und so weiter.
Sondern die „Art, wie“ er sich die Welt denkt, ist diejenige, wie eine Welt für ihn ÜBERHAUPT NUR sein kann; wie unterschiedlich auch die Weisen sein mögen, in denen sie „so“ ist. Wie er die Welt denkt: das ist sein Kategoriensystem; das System notwendiger Begriffe (Formen, Sorten von Entitäten), in denen Ausprägungen vorliegen müssen, damit er „Sinn“ erkennen, und sinnvoll reagieren, daraus Sinn machen kann.

 

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32.
Die Grundform dieses Kategoriensystems hatten wir in der Rezept-Form SHE gesehen; das heisst, alle beteiligten Kategorien haben die Form einer Erwartung bestimmten Typs als Folge einer Handlung eines bestimmten Typs in Situationen oder nach Vorgeschichten eines bestimmten Typs (dass es sich um Typen, Muster, Allgemeines handelt, das sich in unterschiedlichen Einzelexemeplaren realisieren kann, wird jetzt und künftig durch die Verwendung von Gossbuchstaben in den Variablen-Ausdrücken angezeigt). Und da auch die Ausgangssituationen selbst wieder erwartet werden, hatten wir statt S angefangen zu schreiben: Es, erwartete Situationen; soweit das System Ketten von Handlungen (Rezepten) oder gar geschlossene reproduktive Zyklen vorsieht, gilt dann, dass die Handlungsfolgen Ee wenigstens teilweise identisch sind mit den Ausgangssituationen Es (man reproduziert in Gestalt einer Handlungsfolge Es die ursprüngliche Ausgangs-Situation: die Ressourcen usw.)
Dies Kategoriensystem berührt, oder eher sogar: schliesst ein Verhältnisse zum Unbekannten in zwei höchst unterschiedliche Richtungen, die wir oben umschrieben hatten als: hypothetisches Verhältnis zum Rest-Unbekannten (wir ergänzen jetzt: soweit noch nicht falsifiziert); und: „bestätigte und bestätigende Kenntnisse von Dispositionen und kategorisch „so“ („dann“, „dort“) zu erwartenden Entitäten“.
Der Fehler der Normalplanung scheint dann darin zubestehen, in den Erwartungen E der SHE-Formel, die in Wahrheit drei ineinander geschachtelte Erwartungsformen (und zugehörige Situations- und Handlungs- bzw. Planungs- und Entscheidungs-Typen) auf drei Ebenen umfassen, diese beiden unterschiedlichen Formen des „Versuchens“ und der Versuchs- Resultate, die bestätigt-bestätigende Kenntnisform, und die „noch nicht widerlegte“ Maximal- oder Global-Hypothesenform, zusammenzuschieben, und von SH-bedingten Erwartungen zu sprechen, die ZUGLEICH IN EINEM GEWISSEN MASS BESTÄTIGT UND/ODER (NOCH NICHT) FALSIFIZIERT SIND (vgl. oben, Abs.3: „Hypothesen werden falsifiziert, Erwartungen überdies bestätigt.“). Das Verhältnis, in das die beiden Messgrössen an einer bestimmten Einzelerfahrung (und der zu ihr gehörenden Praxis-Anteile) treten, bestimmt dann die BERECHTIGTHEIT dieser Erwartung, und die Brauchbarkeit der zu ihr gehörenden Praxis-Anteile in einem Plan.

33.
Der Vergleich mit einer auf Optimalhypothesen beruhenden Praxis in Kap.6 klärt uns vollends darüber auf, welche drei voneinander unabhängig zu denkenden und festzulegenden Praxis-Abteilungen hier ineinandergeschoben und zu einer einzigen verschmolzen sind (wohingegen sie dort getrennt gedacht werden):
1. Das dem „Rest-Ungewissen“ zugewandte (Optimal-)Hypothesensystem;
2. das Reproduktion und Produktion, einschliesslich seiner Anpassung an Unvorhergesehenes, steuernde („lebensweltliche“, „alltägliche“) (Normal-)Erwartungssystem;
3. das aus Empirie, dh. Beobachtungen (gleich, ob als Resultat aktiver Such-Prozesse, oder unabsichtlich gemachter) heraus entworfene (Experimental-)Versuchssystem (das zuläuft auf verwertbares „Wissen-wie“, technologisches Wissen über die Art der Erzeugung beliebiger Wirkungen mit uns zuänglichen Mitteln).
Es versteht sich, dass in der Gestalt der Normalpraxis des Normalplaners versucht wird, die beiden äusseren Abteilungen der mittleren zu subsumieren, und ihre selbständigen Kategorien mithilfe von Kategorien der mittleren auszudrücken oder in solche zu übersetzen. Die Aufreihung der drei Abteilungen in dieser Abfolge zeigt zugleich: die vorfindliche, vorläufig integrierte Alltagspraxis steht zwischen den andern beiden Sphären:
– Aus „unterhalb“ der Alltags-Praktiken gelegenen Versuchen und dort sich entwickelnden, hinreichend erprobten Technologien und hinreichend bestätigten nützlichen Kenntnissen (Erwartungen!) entwickeln sich Innovationen dieser Praxis – es wird entschieden, was davon in das – dann neu zu definierende und gestaltende – reproduktive System und seine Fortschrittspfade aufzunehmen ist.
– Zu den „oberhalb“ der Alltagssphäre gelegenen Hypothesen und hypothetischen Vorstellungen von den (bis zum Beweis des Gegenteils) erreichbaren Optima und (in absteigender Reihe in sie eingeschlossenen) Suboptima unterhält die Alltagssphäre ihrerseits ein ähnliches Verhältnis, wie die technologische Versuchs-Sphäre zu ihr – das heisst, sie ist das real stattfindende Experiment, zu dem die hypothetischen Optima, wenigstens prinzipiell und bis auf weiteres, die zu falsifizierende Versuchsanordnung liefern.
Und so, wie die an und für sich „gut bestätigten“ Technologien und Erwartungen, die in die Alltags-Praxis aufgenommen werden, niemals in ihrer Summe, und in gleich welcher Anordnung, die Reproduktivität oder Produktivität der Alltagspraxis GARANTIEREN, einfach, weil es eben das Rest-Unbestimmte und Unbekannte in der Umgebung gibt, an dem alle Berechnung sich relativiert: so wird keine Alltagspraxis (aus demselben Grund) für sich in Anspruch nehmen dürfen, ein bestimmtes Suboptimum darzustellen, hinter das nicht mehr zurückgefallen werden kann.
Die Frage ist dann, welche Beziehung die Alltagspraxis jeweils zu diesen beiden Sphären unterhält: zu derjenigen, deren „hypothetisches“ Ziel oder sinnvolle Verwirklichung sie darstellt; und derjenigen, zu der sie das (bis auf weiteres) verwirklichende Experiment ist, und die ihrerseits (bis auf weiteres) ihr als hypothetischer Rahmen dient, in den hinein sie sich, solang nichts endgültig Hinderndes (Falsifizierendes) dazwischenkommt, ausdehnen wird. Die eine Sphäre wird von ihr (bis auf weiteres, immer weiter) bestätigt; die andre (bis auf weiteres) nicht falsifiziert.

34.
Auch in der nicht-Sphären-konfundierenden, rationellen Fassung des Verhältnisses der drei Sphären zueinander hat die Alltagspraxis in Gestalt ihres konkreten Entwurfs von „umgebungs-angemessener Reproduktion und Produktion“ somit einen „hypothetischen“ oder gar „hypothetisch-utopischen“ Überschuss gegenüber den versammelten, aus der experimentellen Erprobung „von unten her“ sich anbietenden technologischen Verfahren und geschickten Verfahrens-Kombinationen, die an ihre Stelle, zumindest an Stelle gewisser ihrer Teile, treten könnten: Solange eine solche Ersetzung nicht stattgefunden hat, gilt die je etablierte Praxis als die hypothetisch „beste“, zumindest durch keine andere, unter gegebnen Umständen, in dieser Umgebung, bei diesem Wissensstand, überbietbare. Sie ist ein zu diesen Umständen usw. relatives, quasi „regionales“, „momentanes“ Optimum. Dieser regionale und Umgebungs- und Umstände-relative Optimalcharakter bildet offenbar einen Ausgangspunkt für Bemühungen der Normalplaner, ihn auszudehnen auf das (gegenwärtig) allenfalls zu denkende Optimum, oder die Reihe der verbliebenen Optima, die den Raum des Rest-Unbekannten von seinen absoluten Grenzen her (dem Best-Möglichen, das in ihm überhaupt als erreichbar gedacht werden kann) erschliessen; Bemühungen, den Optima dieser Reihe die (begriffliche, kategoriale) Form eines regionalen Optimums zu geben, und den (begrifflichen, kategorialen) Graben, der zwischen beiden Sorten hypothetischer Optima klafft (die Reihe der Suboptima reicht nur „hypothetisch“ herunter bis zum gegenwärtigen regionalen Optimum; ob die Lücke in einer speziellen Optimalhypothesen-Praxis durch Konkretisierung gefüllt wird oder werden kann, bleibt abzuwarten) zu überbrücken, indem man versucht, die Suboptima auf die Seite des regionalen Optimums herüberzuziehen. – Der wichtigste Begriff, oder die wichtigste Kategorie, die durch solch einen Nivellierungs-Versuch an die absoluten Optima herangetragen wird, ist der eines mehr oder weniger Gerechtfertigt-Seins durch die bisherige Erfahrung – soundsoweit „bestätigt“, soundsoweit durch „gegenläufige“ Erlebnisse belastet und teil-falsifiziert; so, wie es für regionale Optima gilt – oder den Typ „Hypothese“, den (wenn es sich denn überhaupt um eine Hypothese handelt) Hypothese) sie, und nur sie, darstellen.
(Durch Suchen gefundene, mögliche Wirk-Hypothesen gelten als in wiederholten Versuchen zunehmend bestätigt, wenn die Versuche nicht (oder nur extrem selten; oder nur unter erkennbaren Stör-Bedingungen) zu „unerklärlichen“ Misserfolgen führen; regionale Optimal-Hypothesen sind teils bestätigt, teils falsifiziert, aber beides nie „endgültig“ (was eine andere Qualität von „bestätigt“ und „falsifiziert“ belegt, als in den je andern beiden Fällen); Optimalhypothesen können nur falsifiziert werden – sie markieren Grenz-Niveaus, die (gedanklich) unüberbietbar, und eben allenfalls (faktisch? endgültig falsifizierend?) unterschreitbar sind.

35.
Wenn wir die beiden Extremformen von Hypothesen: Wirk- und Optimalhypothesen, so unmittelbar nebeneinander gestellt sehen wie eben, leuchtet uns der Unterschied von zu bestätigenden, und allenfalls, „nur“ zu falsifizierenden Hypothesen ebenso unmittelbar ein: Die beiden Hypothesensorten stellen nämlich Extremformen hinsichtlich des Umfangs oder Gehalts dessen dar, was mit ihnen behauptet wird. Dieser Gehalt ist im Falle der Wirkhypothesen so überschaubar, dass die zugehörigen Abläufe wieder und wieder durchlaufen werden können; dabei kann eine Statistik der Zuverlässigkeit der so erprobten Technik ermittelt werden, ebenso wie unter Umständen Störquellen und Bedingungen zweckmässigen Funktionierens, die in einer zukünftigen Praxis berücksichtigt werden müssen. Bei Optimalhypothesen hingegen ist überaus fraglich, ob die Grenze, das Optimum, dessen Erreichbarkeit bis auf weiteres in ihnen behauptet ist, überhaupt je einmal erreicht wird. Ihr Gehalt ist zugleich so umfangreich, dass er auch durch unterschiedlichste Verlaufsformen und Praktiken nicht so leicht zu erschöpfen sein dürfte; das heisst, unterschiedlichste „Experimente“ oder versuchte Umsetzungen der Optimalhypothese in eine ihr entsprechende Praxis, auch nacheinander erprobt, gelten immer noch als Abschnitte und Episoden des „Erstversuchs“, deren „regionales“ Scheitern keineswegs bereits ein endgültiges Scheitern, also die Falsifikation der „Globalhypothese“ anzeigt.
(Aufgrund dessen, was wir am Ende von Abs.33 gesagt haben, darf man annehmen, dass es unterschiedliche (vielleicht auch unterschiedlich gehaltvolle, unterschiedlich vollständig über die umgebende Welt informierte) Formen und Entwürfe von Alltag und Reproduktion und Fortschritt sind, die hier hintereinander erprobt werden, und deren Reihe insgesamt DEN Versuch einer experimentellen Erprobung der Optimalhypothese ergeben würden.)

36.
Wenn wir jetzt sagen, die hypothetische Definition eines erweiterten Selbst, also einer Reproduktion sowie eines zugehörigen Fortschrittspfades und einer Wissensbasis, läge irgendwie „dazwischen“ (vgl. hierzu zB. 5/15-16; die folgenden Überlegungen vertiefen die einschlägigen Analysen von Kap.5) – dann ist nicht auf Anhieb klar, wie ein und dasselbe Gebilde sich als jeweils verwandt mit zwei solchen Extremformen, oder gar als Kompromiss aus beiden, erweisen soll. (Die „Tricks“, die wir den Selbst-Hypothesen (hypothetischen Selbst-Definitionen) bisher immer vorgeworfen haben, stellen dabei unter Umständen gerade die legitime und höchst angemessene Form ihrer Handhabung dar; der wirklich vorwerfbare Fehler würde also erst da beginnen, wo wir diese Formen des Umgangs mit Erfahrung ausdehnen auf die andern beiden Felder, wo sie dann nicht mehr angemessen sind, nämlich technisches Versuchen und Optimalhypothesenbilden.)
Vergleichen wir also ab jetzt zunächst Selbst-Hypothese, also Alltagsentwurf, und technische Experimental-Hypothese oder Versuchsanleitung. (Unter anderen Bezeichnungen, nämlich „Plan“ und „Mittel“, haben wir diesen Vergleich bereits in den ersten Kapiteln immer wieder angestellt.)
Alles technische Versuchen läuft von einem umschriebenen Ausgangspunkt zu einem Ziel; dabei ist völlig klar, was „Wiederholung“ und „Zahl der Durchläufe“ bedeutet – bei variierten Randbedingungen.
„Reproduktionen“ hingegen mögen grob beispielsweise jahreszeitliche Zyklen durchlaufen, und von daher als ganze einem oder mehreren äusseren Takt-Gebern unterliegen; tatsächlich laufen dabei aber zahllose reproduktive Zyklen nebeneinander ab, mit unterschiedlichsten Frequenzen und Phasen-Verschiebungen gegeneinander; diese Zyklen müssen untereinander, und mit mehr oder weniger zyklischen, auch verzerrt-zyklischen äusseren Randbedingungen abgestimmt werden. All dies wird noch kompliziert durch – auf dieser, der „Bereichs“-Ebene, bekanntlich einzuplanende – Unzuverlässigkeit einzelner Verfahren oder Randbedingungen, deren (auch indirekte, Spät- und Fern-) Wirkungen sich zu grösseren Störungen aufaddieren können.
Der Begriff „nächster Durchlauf“ mag dann für einzelne Zyklen, oder Koppelungen von ihnen, gerade eben noch zutreffen, je komplexer aber das Gesamtsystem und die Bedingungen, von deren berechenbarer Erfüllung der Fortgang einzelner Verfahren abhängig ist, desto weniger lässt sich von diesem Begriff noch Gebrauch machen. So mag, auch wenn im grossen und ganzen Reproduktion oder sogar Fortschritt gelingt, und die Erwartungen sich auf Dauer erfüllen, etwa aus Sicht einer vormodernen Agrar-Gesellschaft „keines der letzten 10 Jahre wie das andere gewesen“ sein – auch, wenn die Jahreszeiten im grossen ganzen wie immer verliefen, und keine grösseren Katastrophen vorkamen.

 

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37.
Aber das bringt den fundamentalen Unterschied zwischen beiden Aktivitätsformen noch nicht hinlänglich zum Ausdruck. – In Handlungsweisen, die wir in Experimenten erproben, verhalten wir uns AUS PRINZIP zum (durch uns) Wiederholbaren, oder den (durch uns) wiederholbaren Momenten in unserer Umgebung – wir verhalten uns darin zu unserer Umgebung, SOFERN darin (durch uns) Wiederholbares vorkommt; dies (durch uns) Wiederholbare hat normalerweise die Form einer wiederholt (durch uns) auslösbaren Disposition. Hingegen, wenn wir vom „kategorischen Erwarten“ der „Regularitäten“ in unserer Umgebung sprachen, war nicht umsonst immer wieder von Dauern, Zyklen, ihren Verzerrungen die Rede – Verteilungen in der Zeit, auch indirekt dadurch, dass (bei Verteilungen im Raum) etwas unter Zeitverbrauch aufgesucht und gesucht werden musste (in der Erwartung, dann innerhalb gewisser Zeiträume gefunden werden zu können); ebenso wurde gesagt: Handlungen (durch die „jederzeit“, zumindest über einen längeren Zeitraum hinweg, „wiederholbar auslösbare“ Dispositionen ausgelöst und so Wirk-Ereignisse in Gang gesetzt werden) müssen mit so erwarteten Randbedingungen und -ereignissen synCHRONisiert werden – ZEITlich abgestimmt. Mit einem Wort: Hier verhalten wir uns zu FRISTEN, Zeit-Fenstern, die aufgehen und sich wieder schliessen; der zentrale Begriff dafür (der in unsern Formeln für geplantes Handeln in den ersten Kapiteln immer wieder auftauchte) war: RECHTZEITIG (die Ergänzung: …am rechten Ort, erweist sich nach den mehrfach gegebenen Erläuterungen als Spezialfall: Wenn ich, oder was immer,  (noch) nicht am rechten Ort bin, muss ich dorthin gehen, es dorthin bringen; das geschieht nicht nur unter Verbrauch von allem möglichen andern (Energie, Transport-Kapazität), sondern vor allem unter „Verbrauch von Zeit“, es dauert, und kann nicht beliebig beschleunigt werden; so muss ich RECHTZEITIG damit beginnen usw.).
Die experimentell erprobbaren technischen Abläufe, gedacht als „in sich synchrones“ (auch geschickt räumlich angeordnetes), aber eben immer auch wiederholbares Gleichzeitig- und Nacheinander-Auslösen von Dispositionen, mögen Ausgangsbedingungen benötigen, die ich NICHT immer und jederzeit, zuverlässig, herstellen kann; aber WENN sie hergestellt sind: DANN läuft der Vorgang (wenn er nicht gestört wird, und korrekt ausgeführt wird) ab wie üblich. Dies „Wenn…“ geht allen Techniken, allen Wirk-Handlungen voraus. Wir hatten bereits in 7/14 und 7/19ff. darauf hingewiesen, dass es mit diesem „Wenn…“, diesen bedingten, nur bei Erfüllung aller Voraussetzungen einsatzfähigen Techniken und Wirk-Handlungen (Können) nicht getan ist: Wir müssen sie eben genau DANN ausführen, WENN sich diese Voraussetzungen erfüllen lassen.
(Ob diese Voraussetzungen äusserliche sind, ob sie den Charakter allgemeiner Rahmenbedingungen haben, ohne die „es“ nicht geht, ob sie sich zeitabhängig verbrauchen, oder in Abhängigkeit von der Zahl der „Auslösungen“ der betreffenden Disposition; oder ob die Disposition ihren eigenen Gebrauch limitiert, indem sie „Erholungszeiten“ benötigt bis zur nächsten Auslösbarkeit (und anders garnicht, oder mit gemindertem oder minderwertigem Effekt, oder mit unguten Nebeneffekten, zB. Schädigung des überbeanspruchten Mechanismus, benutzt werden kann): all das ändert am Prinzip nichts.)
Aber dies: WENN sie MÖGLICH sind, reicht auch noch nicht; denn sie müssen, DANN WENN sie möglich sind, auch NÖTIG sein, und die „benötigten“ Effekte beisteuern, um weitere Voraussetzungen zu erfüllen für das nächste auf diese Weise Möglich-Benötigte. Und so immer weiter, im Kreis herum (wenn es gut geht): Das eben ist Reproduktion; und so für längere Zeit, oder ab dann für immer, wenn es zum ersten Mal geschah (wenn es besser gehen soll): Das ist dann Erweiterung von Reproduktion, dauerhafte Produktivitätssteigerung oder Sicherung bestehender Reproduktion, also produktiver Fortschritt.

38.
Kurz gesagt (und damit früher Gesagtes aufgreifend): im technisch-experimentell Erprobbaren verhalten wir uns zu Bedingt-zu-Erwartendem (wie komplex auch immer es verläuft; und gleich, ob Beginn, Verlauf, Unterbrechung usw. durch unser Handeln ausgelöst wird, oder durch anderes); im Reproduktiv-Vorhergesehenen zu Unbedingt-zu-Erwartendem (Prognostizierbarem; mit den Ergänzungen, wie in 6/21f. ausgeführt).
Statt „unbedingt“ könnte man auch sagen: Die einzige Bedingung, um es zu erwarten, ist das Verstreichen von „realer“ Zeit „ab jetzt“; die verschiedenen Niveaus der Berechenbarkeit dieses Zeit-Verstreichens begründen die verschiedenen Arten des Regulären, die wir besprochen haben: Dauer, Zyklus, verzerrter Zyklus/ Schwankungsbreiten/ Verteilungen. (Soweit ein Unbedingt-zu-Erwartendes zugleich als Komplex aus „elementarerem“ Unbedingt-zu-Erwartendem und zusätzlich Bedingt-zu-Erwartendem aufgefasst werden kann, darf es als Begründeter- oder Erklärbarerweise-zu-Erwartendes bezeichnet werden.)
Solche „unbedingt-zu-erwartende“ (im normalen Futur) auf die reale, verstreichende Zeit bezogene Grössen (diskret oder kontinuierlich) sind dann die Normalform von Messgrössen für „knappe“ Produktionsfaktoren, also Budget-Anteile, in Reproduktions-Szenarien: Rohstoff-Gewinnung, Roh- und Zwischenprodukt-Verbrauch, Produkt-Ausstoss, Maximal-Durchfluss- oder Lager-Kapazität (was maximal zu einem Zeitpunkt GLEICHZEITIG bearbeitet, gelagert, transportiert werden kann usw.)) – Um „planen“, also vor allem: synchronisieren, Abläufe zeitlich aufeinander abstimmen zu können, müssen wir die (vorhersehbaren, „regulären“) Verläufe dieser Grössen kennen, dh. vorhersehen  (nämlich unmittelbar als erwartbare Anknüpfungspunkte Es (statt nur S) für von uns geplante Wirk-Handlungssequenzen) in ihrem zeitlichen Verhältnis zu den Verläufen der Ausprägungen bestimmter Randbedingungs-Parameter (auf die wir mit unseren Handlungen reagieren, und mit bezug auf die wir handelnd Effekte erzielen wollen: die Handlungs-bezogenen Randbedingungen (Kapazitäten) „genügen“ dann, um Handlungen und mit ihnen Wirkungen zu erzielen, die ihrerseits wieder den (erwarteten) Anforderungen der damit angegangenen Randbedingungs-Parameter zum geplanten Zeitpunkt „genügen“: es sind Kapazitäten-FÜR die Plan-Handlungen, die eben solche sind FÜR geplante Effekte (und gewünschte oder inkaufgenommene Nebeneffekte) an oder mit bezug auf die mit ihnen planmässig anzugehenden Randbedingungs-Parameter).
(Vgl. Ende 7/14: „Allem Planen und Entscheiden liegt ein Kern UNBEDINGTER ERWARTUNGEN zugrunde.“)

39.
Sofern unsere bisher so genannten „regionalen Hypothesen“ ihre logischen Eigenschaften (unzulässigerweise) in solche Themengebiete des „versuchsweisen“ Umgangs mit Unbekanntheit bzw. begrenztem, „beschränktem“ (aber sich ausdehnendem) Erfahrungswissen hinein ausdehnen, auf denen sinnvollerweise nur eine der beiden andern Hypothesen-, nämlich Umgangsformen mit Unbekanntheit und Erfahrungswissen zum Einsatz kommen können – sofern also sie dies tun, müssten sie (unzulässigerweise) auch eine oder mehrere ihrer folgenden Kategorien dorthin übertragen (in Klammern die jeweils zuzuordnenden Punkte der Liste a-f aus Abs. 27, 28 oben):
(e) gewichtet-zuverlässige („gewisse“, oder im Normalfall mehr oder weniger unsichere, also teils bestätigte, teils anzuzweifelnde) unbedingte Erwartungen oder Prognosen bezüglich der Ausprägungen „anzugehender“ Randbedingungs-Parameter („Regularitäten“),
(b) … die obendrein in ihrer Gesamtheit eine BESTIMMTE (zirkuläre) Stafette abzuarbeitender, innerhalb bestimmter (Schwankungs-, Zeit-)Grenzen  vorhersehbarer Situationen bilden, eine „Kreis-Struktur“ (7/20, 26, 27: zirkelhaft-zyklisch ineinandergreifend, reproduktiv-relevante Zyklizität),
(a) ….an der eine, nämlich die vorliegende reproduktive (und eventuell, darauf aufbauend, produktiv einen Fortschrittspfad abarbeitende) „Normalpraxis“ anknüpfen kann (Normalpraxis verstanden als Abfolge der die relevanten Randbedingungen „angehenden“ Wirk-Handlungen, die ihrerseits bedingte (dispositionelle; auf Vorzeichen beruhende) und unbedingte Kontrollierbarkeitserwartungen benötigen). Die Handlungen, und a fortiori die sie ermöglichenden Handlungs-bezogenen Rand- und Kontrollierbarkeitsbedingungen müssen zeitlich und ihrem Gehalt nach zu den jeweils zu erwartenden Ausprägungen der „anzugehenden“ Randbedingungen PASSEN; ebenso müssen Folgen vergangener Handlungen zu später nachfolgenden Entwicklungen von Randbedingungen und Handlungsvoraussetzungen PASSEN, und dies Passen der Folgen muss für die Gesamtheit der aufeinanderfolgender Situationen entlang der Kreis-Stafette und zu ihnen gehörender, geplanter Handlungen gelten.
(Dies vielfache Zusammenpassen-Müssen vieler unbedingt-zu-erwartender Parameter-Sorten, ihre „Integriertheit“ und „integrierte“, „passend aufgeteilte“ Verwendung, die sie von einem Gesamt-Budget jeweils knapper Ressourcen machen, hatten wir mit der penetranten Verwendung des grossgeschriebenen FÜR ausdrücken wollen.)
(d) Trivialerweise gehört zu jedem Erwartungssystem dieser Art eine (hypothetische) Schätzung, wenn nicht Erwartung der pro Zeit anfallenden Gesamt-Ressourcen, und des für „ihre“ Reproduktion und eventuelle produktive Erweiterungen mit mehr oder weniger Dringlichkeit benötigten (Minimal)Anteils von ihnen; sowie
(c) das Inventar mehr oder weniger dringlich FÜR diese spezielle Form von Reproduktion benötigter oder im weiteren Sinne (wahrscheinlich) nützlicher Kenntnisse und Fertigkeiten (Wissen-wie-FÜR);
(f) Ein weiterer wichtiger Zug dieser Hypothesen-Sorte (und des „Kategorien-Systems“, in dem sie formuliert wird) ist die – sei es empirisch bestätigte, sei es hypothetische – „Vollständigkeit“ und „Dichtheit“; es macht keinen Sinn, auch nur einen hypothetischen, experimentellen Reproduktionsentwurf für ein „erweitertes Selbst“ zu machen, in dem an einer Stelle „mangels Wissens“ keine, nicht einmal hypothetische, versuchsweise Vorgaben gemacht werden, OBWOHL an dieser Stelle eine „Reproduktions-Anforderung“ von seiten des in jedem Falle zu reproduzierenden „Kern-Selbst“, sei es in Gestalt eines „Bedürfnisses“, sei es in Gestalt einer bekannten existenziellen Drohung, oder in Gestalt der (bekannten) Reproduktions-Anforderung bezüglich einer unentbehrlichen „Basis-Ressource“ besteht. Ein auch nur hypothetischer Entwurf, der daFÜR nicht eine (und sei es auch schlecht bestätigte) versuchsweise Lösung vorsieht, kann nicht sinnvoll auch nur als eine (relative Optimal)Hypothese dieser, der regionalen Art, bezeichnet werden (geschweige denn als „Erwartungssystem“ oder „Normalpraxis“.).

40.
Mit anderen Worten: „Ich weiss genug“, nämlich
f  ALLES
b{NOTWENDIG
c FÜR [DIE ((daFÜR (=dieses Notwendige) PASSENDE)) AUFTEILUNG
d DER GESAMTRESSOURCEN]
e (ZU KENNENDE, ZU WISSENDE)}GEWUSSTE (dh. hinreichend bestätigtes und nicht (oder noch nicht hinreichend) falsifiziertes Wissen-wie)
a REGULÄRE (in der Welt bzw. Umgebung).
Dies sind die sechs (in der angegebenen Art aufeinander bezogenen) „Kategorien“, in denen je passende Angaben gemacht werden müssen, wenn eine „regionale“ (Optimal)Hypothese – eine hypothetische, dh. erfahrungskorrigierbare (durch Erfahrung verbesserbare) Normalpraxis vorliegen soll; man könnte auch von – voneinander unabhängig erfahrungs-korrigierbaren – „Versuchs“-Dimensionen (dieser Hypothesen-Art) sprechen, mit je eigenen, nur dieser Dimension zugehörigen (hypothetischen) Inhalten, unterschiedlichen Beiträgen zur Definition des hypothesen-gemässen (hypothesen-testenden) Gesamt-Versuchshandelns (denn zu einem solchen, einer Gesamt-Praxis, müssen sich ja die aus den einzelnen Dimensionen stammenden vorläufig-versuchsweisen Festlegungen integrieren lassen), mit je unterschiedlichen „Fehlschlägen“ und Falsifikationen, und je unterschiedlichen Arten, im Anschluss an einen Fehlschlag (in der jeweiligen Dimension) die im Sinne der so falisfizierten Dimension je nächst-anstehende Variante des Gesamtversuchs zu erschliessen.
Die Fragen, die durch eine „vollständige“ Hypothese beantwortbar sein müssen, könnten dann etwa lauten:
1. WELCHE Regularitäten? (Worauf könnten wir uns, wenn überhaupt, verlassen?)
2. (Das Wissen von ihnen) WIE GUT (gut genug-FÜR…) BESTÄTIGT? (Wie sehr wollen wir uns verlassen? Wie weitgehend wollen wir uns von seiner Zuverlässigkeit abhängig machen?)
3. WELCHE dieser Regularitäten sind („dadurch“) WIE GEFÄHRLICH/Nützlich-FÜR…
4. … JE WELCHE („dazu“ passende) TEIL-RESSOURCENVERWENDUNG-VON…
5. …WELCHEM („dazu“ passenden) GESAMT-RESSOURCENVORRAT, je aufgeteilt für Reproduktion, Produktion und lohnendem Wissenserwerb?
6. Sind die Angaben unter 1-5 HINREICHEND („weiss genug“? oder zuviel? zuwenig?)