(Vorweg, zur Erinnerung:
3/13:
Alles Handeln, im Rahmen dieser Ziele, bis hinauf zu den höchsten, ist – angesichts der allgemeinen Ungewissheit und unseres (gewussten, bekannten) Unwissens über die Umstände, Rahmenbedingungen unseres Tuns, über Vorzeichen und Kausalgesetze, die Grenzen und Chancen der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit – ein Versuchen…
Unser gesamter Plan, in jedem Augenblick seiner Geltung, mit all seinen (hypothetischen, nur bis auf weiteres gültigen) Erwartungen, ist ein VERSUCHSPLAN – Anleitung für die nächsten Schritte in dem übergreifenden Experiment, uns, unser „Selbst“, in einer (noch) unbekannten Welt zu erhalten und sie dabei kennenzulernen, und optimalen Gebrauch von unseren (bekannten, vorhandenen) Ressourcen zu machen, ohne unterzugehen.
4/16:
Insofern und soweit nun aber in Wahrheit unsere gesamte Praxis von Ungewissheit betroffen ist, IST sie in ihrer Gesamtheit objektiv ein Versuchen, oder Hypothesentesten…
4/20:
Die ganze Praxis, Routine wie Versuch, Produktion wie Reproduktion, und produktive Innovation wie Reparatur, findet unter Bedingungen der Ungewissheit statt. Mit anderen Worten: Sie ist ein einziges, riesiges Experiment, der VERSUCH weitestreichender Reproduktion und produktiver Ausweitung der Selbsterhaltung mit gegebnen Ressourcen, speziell Kenntnissen, unter gegebnen Risiken, Chancen, unter Minimierung von Risiken und Aufwänden.
5/10:
Ungewissheit und Überraschbarkeit sind nun aber, wie wir bereits oft genug feststellten, Randbedingungen JEDER normalpraktischen Planung. Insofern sie überraschbar ist (und diese Möglichkeit den Planern, als „erfahrene“ Unzuverlässigkeit, Unbekanntheit, Ungewissheit ihrer Gesamtsituation oder wichtiger Tätigkeitsbereiche darin bewusst wird), IST sie eine Versuchssituation;…
5/15:
In ihren drei Abteilungen hat die Normalpraxis (verstanden als Regelsystem) notgedrungen ein Verhältnis zum VERBLIEBENEN Unbekannten: Risiken, Chancen, Wissenswerten; in dieser Hinsicht IST sie geradezu, oder ersetzt sie jene Lernregel, deren Fehlen in 4/4 moniert wurde, und die dort beiläufig als „Regel des Forschens“ bezeichnet wurde – jenes Teils der Gesamt-Lernregel, der sich auf Situationen bezieht, „in denen man einfach noch nichts weiss, also auch nichts bestimmtes erwarten kann“ (4/4) (statt: „nichts weiss“ könnte es auch heissen: „nicht genug weiss, um planen zu können“.)
1.
3/2: „Der Versuch (das Experiment) ist also ein tatsächlich auf einen denkbaren Zweck oder Unter-Zweck (eine „Problemlösung“) bezogener Verfahrensentwurf, dessen Misslingen darin bestünde, dass das in diesem Entwurf verfolgte Verfahren sein in ihm vorgesehenes (vorgestelltes) Ende (Entwurfsziel) nicht erreicht, weil die Welt nicht mitspielt (was allerdings zweifelsfrei feststehen muss: ich muss alle vermeidbaren Störquellen als Erklärung des Misserfolgs ausgeschaltet haben). Mehrere, untereinander verwandte Versuchsoperationen (Experimente) könnten dann auch grundsätzlich in einer Hierarchie angeordnet werden, wenn und weil sie zumindest im Fall des Nicht-Misslingens Entwurfsziele hätten, die weiterreichende Folgen hätten als je nächstschlechtere. Gleichrangigkeit von Versuchen ist dann zunächst nur ein Spezialfall.“
In jeder Normalpraxis VERSUCHEN wir uns auf Basis vorhandener Erfahrung maximal weitreichend zu reproduzieren, und alle neu hinzukommende Erfahrung optimal zur Verbesserung dieses Versuchs zu nutzen (dh. aus ihr zu LERNEN); in Überraschungen von der Art a-c vom Ende des Kap.5 zeigt sich ein MISSLINGEN dieses Versuchs.
Soweit wurden in unseren wiederholten Besprechungen der Normalpraxis als Versuch einige der einfachen, allgemeinen Bestimmungen des „Experiment(ieren)s“ aus 3/2 aufgegriffen; aber längst nicht alle. Das wollen wir jetzt nachholen.
2.
Nicht die Bezogenheit auf unser Handeln, und das Zusammenwirken mit ihm, unterscheidet Suchen und Versuchen (vgl. 3/1-2); sondern die Bezogenheit, oder (versuchsweise) Beziehbarkeit auf die Hierarchie unserer Zwecke: die keine willkürliche ist; sondern, in einer je gegebnen Umgebung, letzten Endes die Rangfolge immer besserer, immer sicherer Reproduktionsniveaus; deren bestes, eben noch aus einer gegebnen Ausgangslage mutmasslich erreichbares wir OPTIMUM genannt haben. Von jedem überhaupt erreichbar zu denkenden optimalen Reproduktionsniveau ausgehend aber muss es wenigstens ein nächst-schlechteres geben, über das es, als Vorstufe, erreicht wird; und so weiter nach unten. Wenn somit all unser Tun, all unsere Praktiken und Praxen, all unser Reproduzieren und Ausweiten von Reproduktion, angesichts fortbestehender Ungewissheit, notwendig ein Versuchen, und, wenn nicht nochmals in eine andere Art des Wissenserwerbs eingebettet, objektiv ein HYPOTHESENTESTEN ist: Dann ergäbe sich als erste und vorrangig zu testende Hypothese diejenige, die – bis zur Widerlegung – die Erreichbarkeit des weitestreichenden unter den überhaupt mit unseren Mitteln als erreichbar vorstellbaren, und noch nicht sicher widerlegten Optima unterstellt; bei dessen Widerlegung aber diejenige, die Erreichbarkeit des besten, unter den verbliebenen nicht widerlegten, unterstellt, und so immer weiter, absteigend durch die Reihe der Reproduktionsniveaus.
3.
Aber welche optimalen Reproduktionsniveaus wir überhaupt erreichen könnten, und welche, angesichts der bereits vorhandenen Erfahrung, mit Gewissheit nicht: das müssten wir uns in der Tat erst einmal denken, oder vorstellen; oder, wir müssten den Begriff, oder Inbegriff, solcher hierarchisch angeordneten Optima (und seine Begrenzung durch die gegebnen, optimale Möglichkeiten bereits einschränkenden Fakten), als mehr oder weniger hoch angesiedelter Zielpunkte des sich verzweigenden Systems der möglichen FORTSCHRITTSPFADE, erst einmal denken, oder KONSTRUIEREN. – Da hätten wir allerdings viel zu tun; denn dieselben maximalen oder auch nur submaximalen Niveaus unserer Reproduktion könnten, in verschiedenen vorstellbaren Umgebungen oder Welten (mit welcher dieser möglichen Welten wir es, in Gestalt der unsrigen, tatsächlichen, zu tun haben, wissen wir ja zu unserm Bedauern nicht hinlänglich), auf verschiedenste Weise und durch unterschiedlichste Handlungen zu bewirken sein; welche wir alle zu konstruieren hätten, allenfalls unter Auslassung jener, die in der uns umgebenden Welt, jedenfalls, soweit sie uns sicher bekannt ist (aber wieweit ist sie das? woher wissen wir es?), bereits ausgeschlossen sind.
4.
Die Logik des Hypothesentestens und Versuchens hat aber auch eine Konsequenz am „anderen“, uns nächstliegenden Ende (also eigentlich: dem Startpunkt, hier, jetzt) unserer Planung. Denn die Abfolge der nacheinander bis zur Widerlegung zu erprobenden Maximal-Reproduktions-Niveaus, von denen jedes relativ weitestreichende das je nächsttiefere, als auf dem Fortschrittspfad hin zu ihm als vorletztes zu durchlaufenden, enthält: sie ist genau darum auch die umgekehrt zu durchlaufende Abfolge von Vorstufen für all diese mehr oder weniger weitreichenden optimalen Reproduktionsniveaus. Alle diese ineinandergeschachtelten Reproduktionsniveaus, die ebensoviele nacheinander (die weitestreichenden, bis zur Falsifikation) zu erprobende Optimalhypothesen darstellen, haben nun aber ALLE das Gelingen des einfachsten, nächsten Schrittes, aus unserer gegenwärtigen Ausgangssituation heraus, zur Voraussetzung; indem ich dies Gelingen versuche, teste ich also eigentlich sogar die Erreichbarkeit ALLER darüberliegenden Niveaus; und so aufsteigend. Dass ich das Weitestreichende von allen bis zur Widerlegung verfolge, macht sich dann als Entscheidungsmaxime nur so geltend, dass ich NIEMALS solche möglichen Abzweigungen meines Plans wähle, wo ich, nach gegenwärtigem Wissen, mit Sicherheit nur noch auf ein submaximales Reproduktionsniveau hinarbeiten kann, über das ich von da aus nicht mehr hinauskommen kann – ganz gleich, wie riskant die Maximalstrategie auch sein mag; solang sie nicht widerlegt ist. Die Maxime „weniger könnte mehr sein“, sofern sie Maximalziele ohne deren endgültige Widerlegung zugunsten submaximaler „Sackgassen“ aufzugeben gebietet (aufgrund von Erfolgswahrscheinlichkeiten), ist damit ausser Kraft gesetzt.
5.
Dasselbe gilt aber wiederum für die Perspektive von „unserem“ Plan-Ende her, nämlich den dem Start- oder Ausgangspunkt näheren Passagen: Hier wird eine entsprechende Maxime ausser Kraft gesetzt, nämlich „schneller (riskanter), wenn auch ohne wirkliche Not (dh. auch ohne dass man stagniert), könnte weiter führen“. Solange die Erreichbarkeit des je gültigen Weitestreichenden, und aller in es einbeschriebenen Vorstufen, nicht sicher widerlegt ist, gibt es an keiner Stelle des darauf zuführenden Fortschrittspfades einen Grund, aus Zweifel an dieser Erreichbarkeit den Fortschritt zu beschleunigen (die Wahrscheinlichkeit für das Erreichen des Weitestreichenden oder einer seiner Vorstufen NACH GEGENWÄRTIGEM WISSEN MUTMASSLICH zu erhöhen), und dafür ohne Not Risiken inkaufzunehmen.
Mit andern Worten: Planung unter Optimalhypothesen bedeutet, das je vorstellbar Weitestreichende unter dem noch nicht Widerlegten maximal vorsichtig und risikolos zu verfolgen. – In dieser Formel könnte man eine gewisse Zweideutigkeit sehen. Wir könnten uns nämlich, unter dieser Formel, fragen, ob wir dadurch nicht verpflichtet werden, Risiken mit Aufbietung all unserer Mittel auf dem gegebnen Reproduktionsniveau allererst zu ENTDECKEN: also zu suchen, und ihre Abwehr zu versuchen. Die Optimalhypothese würde demnach erst dann wirklich verantwortlich verfolgt, und der wirklich denkbar beste Fall als erster dem Handeln zugrundegelegt (und in diesem Handeln so getan ALS OB er vorläge, bis zur Widerlegung), wenn wir dabei auch unterstellen, und experimentell so handeln, ALS OB wir alle denkbaren Risiken dabei berücksichtigten (und, sie abwehrend, das Weitestreichende dann doch noch erreichen könnten); nur das, so könnte man meinen, kann „maximal vorsichtig“ heissen. Mit anderen Worten: Die erste in unserm Versuch einer Reproduktion zu testende Hypothese müsste in dem Versuch bestehen, das denkbar Weitestreichende unter Beachtung aller, auch der schlimmsten Risiken zu erreichen; erst wenn wir es so mit Gewissheit nicht erreichen, in dem Versuch die nächst-weniger schlimme Risikolage zu unterstellen; und so fort, wie eben für die Optima; oder, die Optimal- oder bestcase-Hypothese müsste ergänzt werden durch eine Abfolge von „worst case-Hypothesen“, und ihnen entsprechenden experimentellen Schritten.
6.
Aber genau dies widerspricht dem Konstruktionsprinzip für eine Optimalhypothese (die Erklärung, warum es so ist, hilft uns, dieses Prinzip besser zu verstehen), aus folgenden Gründen:
erstens, die allgemeine Vorstellung von der Erreichbarkeit eines Optimums (oder einer absteigenden Reihe je nächstschlechterer Reproduktionsniveaus) wird durch ihre Konkretisierung, ob es durch diese oder jene Risiko-Beseitigungen, als nächsten ersten Schritten, erreicht wird, nicht im geringsten verbessert: die „Optimalität“ bleibt gleich;
zweitens, die Reihe der wirklich denkbaren schlimmen und immer schlimmeren Fälle, bis hin zu den allerschlimmsten, wird hier nicht einmal im Ansatz erschöpft: weil ich sie ja als bewältigbar denken soll; aber auch beim Planen unter Optimalhypothesen wissen wir nur zu gut, dass solche Risiken, Schäden und Schadenshäufungen in Menge existieren und noch mehr sich denken lassen, die uns vernichten oder auch nur in Stagnationen geraten lassen, die wir nur durch äusserst riskante Manöver, wenn überhaupt, wieder verlassen können. Es kann auch nicht anders sein: denn Ausschaltbarkeit ALL dieser Risiken in einer OptimalHYPOTHESE mitdenken zu wollen, hiesse, sie nicht mehr als Hypothese denken: Indem man ihre praktische Falsifizierbarkeit wegdenkt;
drittens, das SO-TUN-ALS-OB, in dem unser experimentelles Verfolgen der Optimalhypothese, bis auf weiteres, besteht, würde auf der Stelle in ein Nicht-Tun verwandelt, und es gäbe überhaupt kein VERSUCHEN: Weil unsere erste Aktivität dann darin bestehen müsste, in unserer näheren und weiteren Umgebung, letztlich der ganzen uns umgebenden Welt, nach möglichen Schadensquellen und Schadensdispositionen zu SUCHEN; die sich uns als Schadensquellen und -dispositionen freilich nur dadurch präsentieren, dass sie diese ihre Disposition zeigen, also realisieren, was wir, um sie kennenzulernen und künftig zu vermeiden, ersteinmal mutwillig herbeiführen sollen; vor allem aber müssten wir uns ja während dieses Such-Prozesses auch noch reproduzieren; wie wir aber unser Budget zwischen Schadenssuche und Reproduktion aufteilen sollen, BEVOR wir die möglicherweise zu findenden Schäden kennen: das können wir nicht wissen; wir brauchen also eine Maxime für die Aufteilung, und die lautet: Wir verhalten uns, auch bei der Suche, maximal vorsichtig – wir reproduzieren uns, verfolgen unsere Suchziele maximal (bei bestem Wissen und Gewissen hinsichtlich der BEREITS BEKANNTEN Gefahren) vorsichtig. Mit anderen Worten: die Hereinnahme der Aufgabe, zu suchen, tut zur Maxime der Maximalvorsicht, die wir ohnehin beherzigen, garnichts hinzu: Nur, wenn wir alles im Sinne dieser Maxime für unsere Reproduktion Nötige getan haben, werden wir suchen; aber genau so hätten wir es, ohne den Zusatz, auch schon gehalten.
Viertens. Ausschaltung ALLER Risiken IST sogar, formal gesehen, der Inhalt einer höchsten Optimalhypothese – nur eben mit dem Zusatz versehen: dass sich das für uns aus der gegenwärtigen Situation heraus mit einem nach dem, was wir bereits jetzt wissen, maximal vorsichtigen Einsatz unserer Ressourcen, ausserdem immer neuer Nutzung von Nischen (bei drohender Stagnation auch unter vorsichtiger Inkaufnahme von Risiken) zum Wissenserwerb und Ausweitung unserer produktiven Möglichkeiten, bewerkstelligen lässt, bis zum Beweis des Gegenteils…
7.
Jedem speziellen Versuch der weitestreichenden Selbsterhaltung in der vorhandenen Welt sind notwendig zahllose Such- und auch (untergeordnete) Versuchs-Prozesse vorausgegangen: Prozesse des Erwerbs von WISSEN, WIE dieser Versuch am besten zu gestalten ist; ein Wissen, das bis „zuletzt“ (wann immer das ist) ein beschränktes und mutmasslich ergänzungs- und verbesserungsbedürftiges ist. Die Resultate dieser Wissenserwerbs-Prozesse mögen, im besten Fall, zu integrierten Versuchs-Plänen und „Experimental-Anordnungen“ (oder Durchführungsvorschriften) zur momentan besten Art der Gestaltung des Versuchs der weitestreichenden Reproduktion (unter Zugrundelegung der gegenwärtig weitestreichenden unter den noch nicht widerlegten Optimalhypothesen) zusammengefügt werden, oder in Abänderungen bereits bestehender solcher Pläne umgesetzt werden können: Sie selbst sind immer nur Fragmente solcher Pläne; und damit kann der Wissenserwerb, der sie zustandebringt, nicht mehr als das Experiment der Reproduktion selbst bezeichnet werden, und auch nicht als Teil davon; sondern – wieviel auf wie umfangreiche Technik-Fragmente auch immer bezogenes, echtes Experimentieren und Versuchen auch darin vorkommen mag – es kann, mit bezug auf DIESE Zwecke, nur ein Forschen genannt werden: gemäss 3/5 ist die Rahmen-Situation ein Suchen – darum, weil (solang nichts wirklich den gegenwärtigen Versuchs-Plan der Reproduktion (im Rahmen der zur Zeit gültigen Optimalhypothese) Verbesserndes gefunden ist, das dann, an seinem Ort, in diesen Plan eingebaut und mit ihm als Ganzem weiterhin erprobt werden kann) dabei nur solches erprobt wird, was für den umfassenden Versuch der Reproduktion (noch) keinen relevanten (nämlich sie verbessernden) Unterschied zu machen imstand ist. (Es mag zwar ein Mittel, Verfahren, oder eine Anwendung sein: Hier geht es darum, ob dieses Mittel usw. ohne weiteres Suchen und Versuchen und Erproben bereits tauglich ist, in den aktuellen Reproduktions-Versuch im Rahmen der gegenwärtigen Optimalhypothese aufgenommen zu werden: ob es eine Stelle in dieser experimentellen Reproduktion gibt, FÜR die, so wie sie ist, dies Mittel, so wie bis dahin entwickelt, taugt.)
8.
Wir haben also, aufsteigend, immer längere Ketten von (jederzeit, oder angesichts bestimmter Randbedingungen) reproduzierbaren technischen Handlungs-Fragmenten, die zwar immer mehr auf die aktuelle oder eine mögliche andere Reproduktionspraxis zuführen, aber immer weiter sich im „Modus“ des Forschens bewegen. Die Niveaus dieser Fragmente stehen sukzessive in dem genannten Verhältnis: die „forschend“ (spielerisch) „(auf)gesuchten“ („beobachteten“) Rekombinationen der tieferen Stufe führen zu zweckmässig selektierten und erprobten auf der höheren; was sich auf dieser höheren Stufe als „hinlänglich zuverlässiges“ Technik-Fragment erweist, kann mit anderm wiederum spielerisch zusammengeführt werden – aus den besonders zweckmässigen Exemplaren solcher Zusammenführungen können neue, besonders zweckmässige ausgewählt und gezielt erprobt werden: Experimente, Versuche mit ihnen. Und so, durch viele hintereinandergeschaltete Stufen, synthetisch, aber auch analytisch-zurückgehend: Ich SUCHE zu einer vorhandenen Technik ungezielt Elemente und deren Abwandlungen, Randbedingungen und deren Abwandlung usw. (um gleiche Effekte unter andern Bedingungen, oder verbesserte Effekte zu erzeugen); gefundene Kandidaten für verlässliche Zusammensetzungen werden auf diese ihre Funktion hin selektiv gezielt erprobt usw.
Aber diese Forschung (die ihren Namen zurecht trägt, vgl. die Definition Anfang Kap.3) findet statt als selbständiger Prozess NEBEN der Reproduktion (dieses Gross-Experiments, im Rahmen der Optimalhypothese), und wird begrenzt durch das Prinzip der maximalen Vorsicht: Erst, wenn alles für Reproduktion notwendige (aber auch nur das) getan ist, kann der spielerische Such- und Forschungs-Prozess fortgesetzt werden.
9.
Was also leistet die vorläufige Annahme (Hypothese) bis zur Widerlegung, dass ein bestdenkbares Optimum, auch oder gerade bei maximal vorsichtigem Vorgehen, erreichbar ist, und die Organisation der gesamten Praxis als Versuch (so-tun-als-ob), dies Optimum auf diese vorsichtige Weise anzustreben? Wie sich gezeigt hat, zumindest das Folgende:
1. Beim Umgang mit Risiken wird im Planen unter der Optimalhypothese die verhängnisvolle Logik des VERSÄUMNIS-RISIKOS ausgeschaltet, die die Planung unter (Normal)Erwartungen immer wieder in unlösbare Zielkonflikte stürzt: Unter der bis auf weiteres garantierten und fest-gestellten (Versuchs-)Erwartung, dass das Weitestgehende erreichbar ist, können wir uns das im Rahmen gegenwärtigen Wissens maximal-vorsichtige Vorgehen erlauben; so, wie die Optimalität jede voreilige Vorwegnahme einer suboptimalen, vielleicht (aber auch NUR vielleicht!) mit einer etwas höheren Wahrscheinlichkeit erreichbaren Zielsetzung überflüssig macht, weil sie eben so optimal gedacht ist, dass sie diese Zielsetzung (als Unterziel, das MIT erreicht werden kann) einschliesst – so entlastet sie auch von der besorgten Vorwegnahme möglicher und sich gerade eben vielleicht von fernher als Möglichkeit andeutender Risiken: Bis zur Widerlegung wird angenommen, dass solche Risiken sich rechtzeitig zeigen werden; und dann angegangen, und, „so Gott will“, also die Optimal-Annahme noch nicht widerlegt ist, auch zu bewältigen sein werden. Dass wir durch diese Bewältigung, selbst wenn sie gelingen sollte, aufgehalten werden, schadet nichts: Denn bis zur Widerlegung der Optimalhypothese gilt, dass uns nichts entgehen wird, wie lange wir auch dazu brauchen.
2. Der Wissenserwerb unter Optimalhypothesen macht ebenfalls keine Vorgriffe, sondern soweit darin (am „technischen“ Ende, also Anfang der Planung, also maximal unterhalb der Reihe der absteigenden Optimalhypothesen) innovative Versuche und Experimente vorkommen, die nicht selbst bereits Reproduktion sind (davon kann es nur EINE geben, die nur entweder so, oder anders stattfinden kann, soweit es darin eben um einander ausschliessende, weil knappe Ressourcen verbrauchende Pläne geht (vgl. das jeweilige Ende in Abs.1/2 und 1/3)), finden diese AUSSERHALB von Reproduktion, in deren Freiräumen und Nischen, statt; diesen Versuchen und Experimenten kommt somit keinerlei gleichzeitige reproduktive Funktion zu, sie dienen rein nur dem Wissenserwerb, und sind nicht durch weitergehende Erwartungen belastet oder selektiert. Gleichzeitig gehen sie aus dem noch ungezielteren, noch spielerischeren und unbelasteteren, noch unselektiveren SUCH- oder Forschungs-Prozess hervor, und unterscheiden sich tendenziell allenfalls dadurch von ihm, dass sie nach einer MÖGLICHEN Einsetzbarkeit im Rahmen der gegenwärtigen oder einer sinnvoll abgewandelten Reproduktion zur Erprobung ausgewählt werden: Dies ist aber nicht Bedingung ihrer Erprobung, und schon garnicht ist die Erprobung an eine Erwartung geknüpft, dass durch den gelingenden Versuch eine bestimmte Verbesserung mit berechenbaren Folgen gelingen wird – womöglich in Verbindung mit einem sicheren Wissen um deren Wahrscheinlichkeit.
Ein solcher echter Forschungsprozess hat allererst in der gelassenen Praxis unter Optimalhypothesen seinen Platz; nur dort nämlich ist überhaupt mit dem Entstehen solcher Freiräume zu rechnen, wohingegen in der Praxis unter Normalerwartungen jeder Freiraum sofort unter „Erwartungsdruck“ gerät, weil etwas versäumt werden könnte, und echte „Freiheit“ von solchem Druck im Rahmen der Erwartungs-Planung im Grund nur mit Stagnation vereinbar ist – ein Zustand, der dort seinerseits als Bedrohung eigener Art empfunden werden wird, gegen die mit immer weiter gesteigerten Anstrengungen für Experimente und Versuche angegangen werden muss, bis sie überwunden ist. (Gelassenheit ist unter Normalbedingungen nur als ungestörte Gewohnheit denkbar; so zufällig, wie die Freiräume, die durch solche Gewohnheit gelassen werden, so zufällig ist, ob sie für Such- und Forschungsprozesse genutzt werden, oder für spielerisches Tun anderer Art; denn eine andere, als eine solche Unterhaltungsfunktion, kann dem Forschen unter Normalbedingungen nicht zugebilligt werden: Alles, was dort mit Erwartungen verbunden ist, artet in Arbeit aus; was aber nicht, entartet zum BLOSSEN Spiel.)
10.
Das Versprechen, das die Optimalhypothese bezüglich der vorläufig zu erprobenden (Versuchs)Pläne macht, setzt also an zwei Seiten an: Einmal an der der Optima; hier verspricht sie SO weitgehendes (und muss also immerhin so gedacht werden können), dass es jenseits aller möglichen konfligierenden Optima liegt, also jenseits auch aller schmerzhaften „Knoten“-Entscheidungen, die uns in 1/13-15 nötigten, die Kategorie des Optimums, als eigene Plan- und Entscheidungsdimension, allererst einzuführen: Das Best-Denkbare muss, wenigstens als Denkmöglichkeit, so WEIT gedacht werden, dass es all diese suboptimalen Zustände sich einverleibt, und sie nur noch als Durchgangsstadien, Zwischen-Reproduktionsniveaus, auf dem Weg zum denkbar Besten begreift – als „Sub-Optima“, deren (hypothetische) Erreichbarkeit mit der Erreichbarkeit des absoluten Optimums vereinbar ist; und deren Erreichbarkeit sogar intakt, dh. denkmöglich, bleibt, wenn die Erreichbarkeit des Absoluten widerlegt wäre; sie stellen, in umgekehrter Rang- und Reihenfolge, mit der sie auf dem Weg zum Optimum durchlaufen würden, zugleich die Rang-Reihe nächst-schlechterer Optima dar, deren Erreichbarkeit a fortiori mit der Erreichbarkeit des durch sie hindurch angezielten absoluten Optimums erprobt werden kann, also auf der untergeordneten Stufe, die die gegenwärtige Reproduktion darstellt, keinerlei besorgte strategische Vorentscheidung verlangt. Das Hauptversprechen der Optimalhypothese, in DIESER Hinsicht, ist also: dass es in der Rangfolge der aufsteigend besseren Reproduktionsniveaus keine zerreissenden Widersprüche und Verzweigungen gibt – dass sie teils miteinander vereinbar, und in ihrer Reihenfolge indifferent, oder aber sogar die schlechteren reale Voraussetzungen der besseren, und durch sie hindurch anzustrebenden sind; und somit auf der Optimalseite nichts zu versäumen, und Weniger niemals am Ende Mehr sein wird – bis zur Widerlegung. Und so, wie schon eben in Abs. 9 Punkt 1. ausgeführt, auf der Risikoseite.
Die Optimalhypothese verspricht natürlich eigentlich nichts, vor allem nicht, dass sie nicht widerlegt wird: Sie ist eben KEINE Erwartung, sondern nur eine Hypothese. Der Witz beim Hypothesenbilden und Versuchen, wenn das Wissen eben nicht für mehr reicht als für Versuche, ist nun einmal nicht, dass man die richtigen Erwartungen hat; denn wo nichts gewusst wird, kann schlichtweg nichts erwartet werden; sondern nur, dass man DAS RICHTIGE (und das kann hier nur heissen: das noch nicht Widerlegte) IN DER RICHTIGEN REIHENFOLGE VERSUCHT. Und was ist richtiger als „das Weitestreichende, wenn es gelingen würde“?
Was also sollte, wenn man es nicht hinreichend WEISS (in Gestalt von sicheren Falsifikationen, bewährten, hinreichend oft erlebten Fehlschlägen), eher erprobt werden als DIES?
11.
Dem Lernen und Planen (es fällt ja dort zusammen) unter Normalerwartungen kann also, vom Standpunkt dieser neuen Alternative, der Vorwurf gemacht werden: dass es mehr wissen will, als es weiss – und zumindest (vgl. 5/7) SO TUN WILL ALS OB es schon Erwartungen haben könnte, wo es allererst Hypothesen „haben“, dh. ausbilden und in der richtigen Reihenfolge erproben kann. Aber, wie bereits unsere Ausdrucksweise anzeigt, handelt es sich auch bei der Normalpraxis unter Normalerwartungen und ihrer Lernstrategie um ein Tun als ob; zumindest lässt sie sich so auffassen. Der Beweis, dass dieses Tun nicht ein ebenso Gutes, wenn nicht Besseres unterstellt, als jede „bloss ausgedachte“ Optimalhypothese, müsste erst einmal geführt werden; denn, wie man als (Versuchs)Planender unter Optimalhypothesen, sie mögen noch so weitreichend sein, zugeben muss: Man kann damit scheitern; oder – und das ist aus Sicht der unter Normalerwartungen Planenden sogar das Schlimmere – : Man kann unter Optimalhypothesen eingestandenermassen etliches versäumen; denn das Versprechen, oder die HYPOTHESE, nichts versäumen zu können (um sich das Planen möglichst einfach zu machen) VERHINDERT es ja nicht. Nichts aber fürchten die Planenden, oder auch, wenn man unbedingt will: Versuchs-Planenden (aus ihrer Sicht ändert das nicht das geringste) unter Normalerwartungen, mit ihrer Lernstrategie, mehr, als den Gedanken, etwas versäumen zu können. Und, während die Optimalplaner gelassen und optimal-ergeben die Hände in den Schoss legen, und die Versäumnisse abwarten, können die Normalplaner immerhin erwidern: dass sie etwas TUN, es zumindest versuchen; Versuche NICHT UNTERLASSEN, die doch immerhin erfolgreich sein könnten; wohingegen die Optimal-Hypothetiker sich diese Chance offenkundig entgehen lassen; für nichts und wieder nichts, nämlich eine verblasene, abwegige Einbildung. – Die Optimalhypothese der Normalplaner, kurz gefasst, scheint daher zu lauten: Keine Chance ungenutzt zu lassen – das ist das Weitestreichende; und wir versuchen es, jedes Mal, bis zur Widerlegung. „Was also sollte, wenn man es nicht hinreichend WEISS (in Gestalt von sicheren Falsifikationen, bewährten, hinreichend oft erlebten Fehlschlägen), eher erprobt werden als DIES?“
12.
Wie sollen wir diese Kontroverse entscheiden? Am Ende von Kap.5 hatten wir einige BEDINGUNGEN entworfen dafür, dass das Planen unter Normalerwartungen an Grenzen stossen, und sich mit seiner Lernstrategie für gescheitert erklären müsste; aber schon dort mussten wir uns die Frage gefallen lassen: was uns so sicher macht, dass es so kommen wird? oder kommen MUSS? Sind dies nicht nur einige unter unendlich vielen denkbaren Verläufen – und zwar, wie man zugeben muss, ausgerechnet die SCHLECHTEST DENKBAREN? Warum, könnte man vom Normalplaner-Standpunkt aus mit fast „optimalhypothetischer“ Logik erwidern, soll man gerade DAVON ausgehen? Was, in unserer Erfahrung, spricht denn DAFÜR – dafür, dass es so kommt, kommen wird, kommen muss? Sollen, müssen wir es nicht erst abwarten, da wir es nicht erlebt und nicht erfahren haben, und vorher nicht wissen KÖNNEN? – Das Normaldenken bleibt hier seinen Prinzipien treu, und versteht unter „Wissen“ soviel wie: hinlänglich bestätigte, gewisse Erwartungen haben. Sie NICHT zu haben – wenn man so will: im Zustand der Nicht-Falsifikation der impliziten Opitmalhypothese zu sein, dass hier Chancen sein könnten, die nicht zu ergreifen, oder nicht zu ergreifen zu VERSUCHEN, ein Versäumnis darstellen würde – bedeutet, aus Normalplaner-Sicht: zwar mehr oder weniger schwach, aber eben doch irgendwie bestätigte Erwartungen des Gegenteils haben zu dürfen. ((Die Bestätigung besteht, zur Not, in der Bestätigtheit, die sich ergibt, wenn man eine Reihe von Versuchen in der ART solcher (Versuche oder Handlungen) macht, „die früher schon einmal erfolgreich waren (wenn nicht mehr)“.)) Aus rationaler Sicht, wie sie sich in den Erinnerungen am Anfang dieses Kapitels ausdrückt, ändert das am unvermeidlichen Versuchs- und Experimentalcharakter der Gesamt-Normalpraxis nichts; mithin auch nichts daran, dass objektiv sich der Wortlaut der Hypothesen müsste angeben lassen, die den Inhalt dieses objektiven So-tun-als-ob des Normalplaners, da es doch notgedrungen eines ist, rekonstruieren und wiedergeben (derart, dass man erwarten darf, dass er, damit konfrontiert, zustimmen und sich korrekt beschrieben fühlen würde, auch wenn er selbst diesen Wortlaut bis dahin nie gedacht hat, und auch von sich aus nie denken würde.)
13.
Unseren Negativ-Beweis werden wir in Gestalt einer reductio ad absurdum führen, dadurch dass wir zeigen: Eine Welt, in der Hypothesen wie die der Normalplaner nicht früher oder später notwendig falsifiziert werden, sondern „normalerweise“ sich bestätigen und nur in Ausnahmefällen einmal scheitern – eine solche Welt wäre von vorneherein sinnlos, und jedes Handeln und vor allem auch Lernen auf dieser Grundlage ausgeschlossen. Mit anderen Worten: Weit entfernt davon, eine immerhin erwäg- und denkbare mögliche OPTIMAL-Hypothese zu sein, ist die Hypothese, oder das Inventar an Rahmen-Hypothesen des Normalplaners, auf denen, wie wir zu zeigen haben, seine Lern- und Planstrategie ausschliesslich beruht (und für die wir bereits verschiedene „Fehler“-Formeln und -Rekonstruktionen erwogen haben), von vorneherein zu verwerfen, weil auf ihrer Grundlage, wenn man sie sich vollständig klarmacht, auf Dauer nicht einmal ein „So tun als ob“ sie wahr wäre, möglich ist; kurz: Sie versagt sogar, direkt und auf kürzestem Wege, wie sich jederzeit und ohne noch weitergehende Erfahrung abwarten zu müssen, zeigt, an dem einfachsten Anspruch, dem sie selbst genügen will: nämlich eine Hypothese (oder ein Hypothesensystem) zu sein – artikulierbare Vorschrift für ein andauerndes So-tun-als-ob, mit einem Falsifikationskriterium.
14.
Wir hatten am Ende des letzten Kap. drei Fälle beschrieben, von denen jeder, wenn er einträfe, eine der drei grundlegenden Dimensionen des Planens: Festlegung von (Regeln für die jeweilige Bestimmung von) Optimum, Überschuss bzw. Reproduktions-Notwendigem, und „lohnendem“ Aufwand für welche Art Wissenserwerb, unter Normalerwartungen „unplanbar“ werden liesse.
Die dem Planen und Lernen unter Normalerwartungen somit WENIGSTENS zuzuschreibende Optimalhypothese wäre: dass, bis zum Beweis des Gegenteils, davon ausgegangen werden, und SO GETAN WERDEN darf, ALS OB man in einer Welt lebte, in der diese Fälle nicht, oder jedenfalls normalerweise nicht eintreffen; stattdessen
a) auf Dauer und lange Fristen ein oder mehrere, ENDGÜLTIG zur vorhandenen Welt passende Optimalwerte, oder Regeln ihrer Bestimmung, gefunden werden können;
b) auf Dauer ENDGÜLTIGE (und immer mehr eingrenzbare) Anforderungen an unsere Repoduktion, oder Regeln zu ihrer Bestimmung, gefunden werden können, bei deren nachfolgender Einhaltung unsre Reproduktion nicht mehr daran scheitern KANN, dass sie „zu unvorsichtig“ war;
c) auf Dauer ENDGÜLTIGE Anzeichen gefunden werden können, an denen ablesbar ist, ob überhaupt etwas, und wenn, wieviel für Versuche einer bestimmten Art aufgewandt werden muss – darum, weil ihre Erfolgswahrscheinlichkeit anhand dieser Anzeichen sicher und unwiderruflich festgestellt werden kann.
d) Es gab dann, wie man sich erinnern wird, noch eine weitere Form des Scheiterns an „chaotisch erworbenen Erwartungen“ (5/37 Ende). Dies ist aber eigentlich keine noch hinzukommende und extra anzuführende Abteilung; vielmehr gewissermassen die gemeinsame Endstrecke, auf der die Annahmen oder Erwartungen a-c ihre Absurdität alle zugleich erweisen; und zwar in Gestalt des aus ihnen sich ergebenden, äusserst bizarren Aussehens, das die einfachsten und grundlegendsten praktisch-ontologischen Kategorien unserer Alltagswelt darin, wie wir bald sehen werden, notgedrungen annehmen.
15.
Beginnen wir mit der Utopie, die sich hinter der impliziten („Konvergenz“-) Hypothese a) verbirgt (die nicht wirklich ein material Bestes unterstellt, eher schon ein „kognitiv“ Bestes, nämlich Einfachstes und einfachst zu Bewältigendes); sie lautet: dass mit zunehmender Erfahrung (und daraus resultierenden, angemessenen Abänderungen der Rahmen-Erwartungswerte) ein Zustand sich allmählich herstellt, wo die jeweilige Normalpraxis immer weniger ÜBERRASCHBAR ist, mit anderen Worten, wo die realen Verläufe mehr und mehr in dem (immer engeren) Rahmen liegen, den die Rahmenwerte der fortgeschrittenen Normalpraxis dafür vorsehen (er mag, für die Einzel-Rahmenerwartung, noch so sehr nach Rand-Bedingungen aufgeschlüsselt sein (dh. unter Bedingungssorte A ist es richtig, Optimum O(A), zu erwarten, unter Bedingungen der Sorte B Optimum O(B) usw., ebenso für den Überschuss-Anteil am Gesamtprodukt und Aufwände für „lohnende“ Wissenserwerbe)).
Dass das mit empirisch bestätigten und entlang wachsender Empirie zu verbessernden Normalerwartungen arbeitende Lernen und Planen sich tatsächlich von dieser Utopie leiten lässt, folgt hauptsächlich aus den zwei Haupt-Praktiken seiner Lern-Strategie: Erstens, dass in ihren Effekten nicht in der erwarteten Zeit, mit den erwarteten Aufwänden neutralisierbare Überraschungen auf „unteren“ Planungs- und Durchführungsebenen nach „oben“ durchschlagen, und bei Überschreiten gewisser Schwellen als empirischer Hinweis für eine notwendige Abänderung des Rahmenwertes in eine entsprechende Richtung gelten; und zweitens, dass alle Vorgaben für Lern- und Versuchsaufwände auf „niedrigeren“, also Durchführungsebenen, sich letztlich nach den Rahmen-Vorgaben richten.
Wenn dem nun aber so ist, dann lässt sich dem Lernen entlang von Normalerwartungen implizit eine sehr grundlegende Einstellung zuschreiben, nämlich die, dass die Rahmenwerte im Zweifel den Vorrang vor allen anderen Einflussgrössen auf Erfolg oder Misserfolg einer Praxis haben – dass, im Zweifel, sie es sind, mit denen es muss ERKLÄRT werden können, dass es anders gekommen ist als erwartet.
16.
Wenn man diese Einstellung als die fundamentale Hypothese auffasst, die das (versuchsweise) Verhältnis der unter Normalerwartungen Planenden zur (unbekannten) Welt wiedergibt, dann ist zu fragen: Was wird darin über die Welt unterstellt? Ist es ein immerhin denkbares, wenn nicht DAS bestdenkbare unter allen Optima?
Sagen wir zunächst einmal, welche Art Welt mit dieser Hypothese NICHT vereinbar wäre.
Es wäre eine Welt, in der für alle relevanten Ereignissorten (bezogen auf unsere Interessen, Bedürfnisse, auch Bewältigbarkeit mit unseren Ressourcen, Mitteln, Kenntnissen Fähigkeiten, Kräften; also: Erfolgs- und Misserfolgssorten) grundsätzlich das breitest-denkbare Spektrum an Ausprägungen vorkommen kann, vielleicht mit einer GEWISSEN Häufung solcher Lebens-Umstände, an die wir halbwegs angepasst sind, oder lernen können uns anzupassen; wobei diese Ausprägungen abhängen von mehr oder weniger komplexen, und von uns kennenzulernenden Kausalbedingungen.
Die Welt, die in der impliziten Hypothese der Normal-Erwartungspraxis unterstellt ist, weist vielmehr ein sehr begrenztes, enges Spektrum an solchen Ausprägungen auf (das muss sie, um der „Konvergenz-Forderung“ für die Rahmenwerte genügen zu können); und: die Abhängigkeit dieser Ausprägungen von Umgebungs-und Rand-Bedingungen mag zwar vorhanden sein, weist aber völlig andere Merkmale auf als diejenigen, die kausale Abhängigkeiten sonst auszeichnen.
Vor allem aber sind es diese beiden höchst befremdlichen Züge, die die möglichen Erklärungen für Erfolg und Misserfolg, und dass es kommt, wie erwartet bzw. nicht, im Rahmen des Weltbildes der Normalerwartungs-Praxis auszeichnen:
– Bestimmtes (Gutes, Schlimmes; Erfolge, Misserfolge einer bestimmten Grössenordnung) KONNTE sich demnach ereignen, WEIL wir darauf noch nicht eingestellt waren; umgekehrt anderes, das sich aber früher hätte ereignen können, KANN sich nicht mehr ereignen, weil wir (im Guten oder Schlechten) nicht mehr darauf eingestellt sind (= wir können dadurch, ab einem bestimmten Zeitpunkt, nicht mehr überrascht werden), EGAL, WAS FÜR KAUSALE BEDINGUNGSKONSTELLATIONEN SICH KÜNFTIG NOCH EINSTELLEN, UND WELCHE KAUSALEN GESETZE WIR KÜNFTIG NOCH KENNENLERNEN WERDEN; und:
– Bestimmtes (…) wird von uns, ab einem Zeitpunkt, wo unsere Erwartungen auf hinreichend gut bestätigte, ev. nach Bedingungen aufgeschlüsselte Rahmenwerte konvergiert sind (was früher oder später der Fall sein MUSS), als Resultat unseres Handelns nicht mehr beeinflusst, vermieden, verändert (verbessert, verschlechtert) werden können, EGAL, WAS WIR AUF DER DURCHFÜHRUNGSEBENE NOCH AN VERLÄSSLICHEN WIRK-TECHNIKEN ERWERBEN WERDEN.
17.
Diese beiden Erwartungen lassen sich auch so zusammenfassen: Wir werden irgendwann, früher oder später, einen Wissensstand erreichen, der alles für unsere Praxis Relevante enthält, und der durch keinen weiteren, zufälligen oder absichtlichen späteren Wissenserwerb, selbst wenn er stattfindet, mehr überboten werden kann. Dieser Wissensstand wird es sein, der die Anforderung erfüllt, die unsere Utopie an eine Welt stellt, wenn diese „Sinn machen“ soll: Dass wir lernen können, verlässliche Erwartungen hinsichtlich maximaler Reichweiten von Erfolg und Misserfolg unserer Reproduktion, ihrer produktiven Erweiterung und der Aufwände für mögliche, dafür relevante Wissenserwerbe (Erwerbe von Wissen-wie für Praktiken auf Durchführungsebenen) für alle noch sich einstellenden Situationen zu haben – Erwartungen, bei denen wir definitiv nicht mehr überrascht werden können.
Drehen wir, um es uns noch klarer zu machen, diesen Gedanken des Normalerwartungs-Lernens noch einmal um; dann lautet er: Unerwarteter Erfolg oder Misserfolg (erwarteten Misserfolg würden wir natürlich vermeiden; insofern kann man gleich sagen: Misserfolg; und da unerwarteter Erfolg auf ein mögliches Versäumnis weist, muss auch er, in gewissem Sinn, als Planungs-Misserfolg gelten, wenn wir im Rahmen unserer Möglichkeiten bereits früher hätten darauf kommen können) hängen beide, UNABHÄNGIG VON DER ART, UNTER WELCHEN UMSTÄNDEN WIR SIE WIE HERBEIFÜHREN, letztlich ab von den Rahmen-Erwartungen, die wir haben – genauer, von den innerweltlichen Determinanten, deren adäquate Beschreibung sie darstellen.
18.
Nun könnte man einwenden, dass die Rahmen-Prinzipien unseres Entscheidens tatsächlich einen, von allen andern Ebenen unabhängigen, eigenen Beitrag zum Erfolg unserer Praxis leisten: Sie bestimmen, wir wir die verschiedenen Bereiche unserer Praxis aufeinander abstimmen, die Gesamt-Budgets knapper Ressourcen, die bereichsübergreifend verwendet werden, aufteilen, und was überhaupt in welchem Ausmass in den verschiedenen Bereichen geleistet werden soll, um uns ein Überleben auf gegebnem Niveau in der vorhandenen Umgebung zu sichern, und mögliche Fortschritts-, speziell Wissenserwerbs-Optionen zu nutzen. So ungefähr wurde die Eigenleistung der Rahmen-Ebene jedenfalls in 5/28 bestimmt. Nicht, dass es der Rahmen-Ebene, und den auf sie bezogenen Erwartungen überhaupt einen Stellenwert einräumt, ist also dem Normalerwartungsplanen vorzuwerfen; sondern nur, dass es die Erwartungen auf dieser Ebene von denen der untergeordneten Ebenen abkoppelt, und diesen hierarchisch über- und vorordnet: Indem es von dieser Ebene aus die Versuchsaufwände tieferer Ebenen quantitativ bestimmen lässt, und umgekehrt die einschlägigen, nicht-neutralisierten Erfahrungen der untergeordneten Ebenen, statt spätestens an den Grenzen der Erwartungs-Arten haltmachen zu lassen, „nach oben durchschlagen“ lässt – so als wären die integrierenden Entscheidungsprinzipien der obersten Ebene (die in ihrer Eigenleistung durchaus wichtig und nützlich sind) für Erfolg und Misserfolg in jeder Hinsicht auf den untergeordneten Ebenen verantwortlich zu machen, und würden davon in überraschend-falsifizierender Weise, eben der „von unten nach oben durchschlagenden“, berührt.
19.
Wir wollen aber nun nicht vergessen, dass das Lernen im Rahmen von Normalerwartungen, abgesehen von dieser quasi quantitativ-dynamischen, in qualitativer Hinsicht noch auf zwei weiteren Fundamenten ruht: Einmal, als dem gewissermassen statischen Ausgangs-Moment, auf der Ausgangs-Normalpraxis, die die für das gesamte nachfolgende Versuchen ihrer punktuellen Verbesserung und Reparatur entscheidende Vorgabe macht (indem sie diesem Versuchen überhaupt eine materiale Richtung vorgibt, und die unendliche Zahl möglicher Experimente auf verglichen damit relativ wenige Anlässe und Durchführungsformen beschränkt); zum andern, als dynamisch-qualitativem Element, bei Anlässen zu Experimenten in Gestalt der positiven oder negativen Überraschungen („besser, schlimmer als erwartet“), vor allem mit Blick auf Reparaturbedürftigkeit, beruht dies Lernen auf denkbaren Praxis-, also Experimentalplänen und Durchführungsentwürfen, die sich ausschliesslich ergeben aus einer praktischen Verwertung der bereits vorhandenen und allgegenwärtigen „Dunstkreis“-Beobachtungen dessen, was sich vor Unerwartetem und Neuem zugetragen hat an Handlungen, Ereignissen und Verläufen, und deren horizontaler Verallgemeinerung. Aber diese wichtigen Elemente des Lernens unter Normalerwartungen werden doch in den entscheidenden Hinsichten reguliert von den Lernerfahrungen, die sich hinsichtlich der Rahmenwerte ergeben: Das qualitative, sei es in Gestalt des statischen Elements der Ausgangspraxis, sei es in Gestalt der vielfältigen Abwandlungen, Ausdifferenzierungen und Verbesserungen auf der technischen Ebene, trägt zur DEFINITION des endgültigen Lernziels und Lernerfolgs garnichts bei; ausser, dass es sich bei dem Ziel-Zustand des Normalerwartungs-Lernens um eine, aus der Ausgangspraxis durch empirisch ausgelöste Abwandlungen hervorgehende Normalpraxis handeln wird; und dass diese Normalpraxis empirisches Lernen, Versuchen, und Fortschreiten AUF UNTERGEORDNETEN EBENEN mitenthalten wird, die durch die endgültigen Rahmenwerte begrenzt und reguliert werden – allerdings so (denn so lautet die hypothetische Utopie dieses Lernens nun einmal), dass man dabei – zumindest mit Blick auf die Rahmenwerte – nicht mehr überrascht werden kann.
20.
Aber was an dieser Utopie ist eigentlich so attraktiv? Immerhin scheint sie, anders als das anfangs in diesem Kap. beschriebene Optimalhypothesen-Bilden, sich nicht von Maximalwünschen leiten zu lassen, verzichtet sogar ganz bescheiden darauf, über ein relatives Optimum hinauszugehen, das sich – verglichen mit denkbaren Maximalforderungen – als durchaus „suboptimal“ darstellen mag: Der Lernende unter Normalerwartungen ist eben, ganz realistisch, zufrieden, das in der vorhandenen Welt Mögliche für sich auszuschöpfen.
Wenn die Normalerwartungspraxis anspruchsvoll ist, dann in der Ökonomie ihrer Budget-Verwendung. Anders als das Optimalhypothesen-Planen, stellt sie nicht starr auf Sicherheit und Vorsicht ab, sondern auf „angemessene“ Risiko-Bereitschaft; anders als jenes will sie das erreichbare Optimum aus signifikanten Erfahrungen mit Entscheidungen in „Knotensituationen“ ermitteln; schliesslich die Anlässe, Richtung und Ausmasse von „nützlichen“ Wissenserwerben im Rahmen der vorgegebenen Erfahrung und Praxis bestimmen können. Genau besehen, ist sie also in allen drei Hinsichten durchaus anspruchsvoller als die – verglichen damit – „resignativer“ verfahrende Optimalhypothesen-Strategie. Auch wenn der hypothetisch unterstellte Ziel-Zustand ein „suboptimaler“ sein mag, verglichen mit den verstiegenen Optima, die sich der Optimalhypothesen-Bildner ausdenken mag (eine Sub-Optimalität, die vom Standpunkt der Normalerwartungspraxis keinen Verlust bedeutet, weil sie ja das in dieser Welt nur Mögliche ausschöpft, das eben durch keinerlei Anstrengung überschritten werden kann, selbst wenn man noch so schöne Optimalhypothesen hätte!) – die Budget-Verwendung in jedem Augenblick, und spätestens im Zielzustand, ist es nicht: Dass man insgesamt nichts zuviel, sondern immer gerade das Richtige, für die richtigen Ziele (aufgeteilt nach Reproduktion und Fortschritt, Routine und Versuch) verausgabt – das glaubt der Normal-Praktiker auf Dauer lernen zu können.
21.
Er will lernen, nicht enttäuscht zu werden. – Was folgt aus dieser spezifischen Ausdrucksweise, mit der die Lernenden unter Normalerwartungen die spezielle Art ihres epistemischen Scheiterns beschreiben – das, was SIE unter „Falsifikation“ ihrer Hypothesen verstehen („Hypothese“ ist übrigens ein Wort, das sie eben gerade NICHT verwenden!)? Warum, andererseits, erscheint uns die Strategie der Optimalhypothesen-Bildner so „resignativ“? Und wofür eigentlich steht hier „Budget“ und seine optimale (nicht enttäuschbare, keine Versäumnisse offenbarende) Verwendung GENAU?
Es sind normalerweise nicht „Prognosen“, von denen man sagt: Sie werden ENTTÄUSCHT; Prognosen bewahrheiten sich nicht, werden falsifiziert, oder es kommt einfach nur ANDERS, als vorhergesagt. All dies ist affektiv höchst indifferent – es ist uns dabei letztlich egal, wie es kommt; das einzige, was uns nicht kaltlässt an Prognosen, ist, DASS es irgendwann mal so kommt, wie wir es vorhersagen – darum, weil es uns Kontrolle ermöglicht, wenigstens in dem Sinn des Vorbereitetseins, wenn wir schon nichts ausrichten können.Von Prognosen, die in jeder Hinsicht indifferent sind, ausser dieser letzterwähnten, unterscheiden sich alle Erwartungen, die mit Affekten einhergehen: In ihnen geht es nicht nur um dieses und solches, das auch anders ausfallen könnte (es macht keinen Unterschied, ist INDIFFERENT); sondern um GUTES UND SCHLECHTES, ERFOLG UND MISSERFOLG, ERHOFFTES UND GEFÜRCHTETES. Lernen zu wollen, in DIESEN Hinsichten nicht mehr enttäuchbar zu sein, also die „richtigen“ Erwartungsaffekte, „berechtigte“ (Rahmen-)Hoffnungen und (-)Ängste zu haben, heisst zu verlangen, dass in der Welt etwas existiert, was diesen affektiv besetzten Erfahrungen verlässlich korreliert (vgl. 4/21: „Es muss nicht die Normalpraxis sein, von der wir ausgehen, die die richtige ist; nur IRGENDEINE Normalpraxis muss möglich sein; und die vorhandene Welt ihr Korrelat…“).
22.
Es geht bei den Rahmenwerten der Normalerwartungspraxis um nichts weniger als Indifferentes; sondern um solche Fragen wie: Was dürfen wir hoffen? (Was müssen wir fürchten, und darum in unserem schadenvermeidenden Tun unbedingt berücksichtigen:) Was sollen wir tun? Was können (und sollten darum) wir (dafür Lohnendes) wissen? – Die Lernstrategie dieser Praxis lässt sich (und das ist die bislang fortgeschrittenste Formel für ihren Fehler) daher so beschreiben: In ihr wird danach gesucht, welches das VERLÄSSLICHE VERHÄLTNIS zwischen der uns umgebenden Welt und unseren Interessen ist; und das kann eben auch so ausgedrückt werden: es wird empirisch nach den „richtigen“, „objektiv berechtigten“ und darum VERLÄSSLICHEN (dh. endgültig nicht, unter keinen Umständen mehr „enttäuschbaren“) ERWARTUNGSAFFEKTEN (Hoffnungen, Ängsten; darauf bezogenen Wissenserwerbs-Hoffnungen) und ihrem „richtigen“ Mass gesucht. Denn was sind Erwartungsaffekte andres als Ausdruck des geschätzten (und in diesem Sinn: prognostizierten) Masses, in dem die Welt unseren Interessen (an Reproduktion und deren Bewältigbarkeit mit den uns verfügbaren Mitteln) entgegenkommt? Zu sagen, dass man ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr enttäuschbar sein will, heisst nichts andres als: dass man dieses Mass ein für allemal (u.U. aufgeschlüsselt nach Bedingungen) kennen will – EGAL, was sich noch ereignet; das heisst, man begibt sich lieber der Möglichkeit, noch dazuzulernen; oder an diesem Mass zu seinen Gunsten etwas ändern zu können; wenn es nur sicher ist. AFFEKTIVE SICHERHEIT – Normalität, in der man sich affektiv einrichten, und auf die man sich AFFEKTIV verlassen kann (und von der man, in diesem Sinn, nicht mehr enttäuscht wird): das ist die Utopie der (Lern)Praxis unter Normalerwartungen – sie, zusammen mit gewissermassen der Garantie gelingender Reproduktion auf dem Weg „von jetzt an“ bis hin zu ihr. Wenn am Ende allen Lernens dieses Optimum erreicht ist, muss man zwar immer noch alle dann bekannten Rezept-Vorschriften einzuhalten und auszuführen – aber das genügt dann auch: Das darf erwartet werden.
23.
Indem es seine Lernstrategie wesentlich ausrichtet auf die Suche nach dem tatsächlichen Wert, den dieses Mass in der realen Welt (oder wenigstens näheren Umgebung) hat, und es versucht UNMITTELBAR zu ermitteln, erklärt das Lernen aufgrund von Normalerwartungen dies Mass zu einer objektiven, nicht aus anderen abzuleitenden Kategorie. Was dazu führt, dass sämtliche logisch-kategorialen Beziehungen, in denen dies Mass des Entgegenkommens der Welt (aufgeschlüsselt allenfalls nach einfachen Randumständen, die ihm jeweils unterschiedliche Werte geben) nun einmal notgedrungen zu andren Praxis-Kategorien steht, auf einmal ihre Richtung umkehren: Anstatt dass das Mass von andern Grössen abgeleitet wird, und mit ihnen wechselt, wird es festgeschrieben („verlässlich“), und beeinflusst (über die bekannten Wege „von oben nach unten“) diese andern Grössen: Erfolge und Misserfolge auf den Durchführungsebenen. Es liegt ganz in der Logik dieser kategorialen Vorgabe, dass die Mess-Grössen und entscheidungsrelevanten „Masse“ (zB. Bewältigbarkeit, Aufwendigkeit, speziell Aufwendigkeit von Versuchen usw.) auf diesen Durchführungsebenen nur noch in ihrer integrierten Summen-Wirkung interessieren – also so, wie sie letztlich für die alle Aufwände integriert betrachtende Rahmen-Erwartung und Chancen-Schätzung allenfalls infragekommen; gänzlich abgesehen wird in dieser Betrachtung von der QUALITATIVEN Seite, den materialen GRÜNDEN für Erfolg und Misserfolg: Sie sind tatsächlich das – mit Blick auf Hoffen und Bangen – schlechterdings Indifferente, es gleich lassende, wenn es denn feststeht – es ist uns EGAL, WODURCH ein bestimmter Grad an Hoffnung verlässlich gewährleistet wird, wenn nur feststeht, DASS er gewährleistet ist. – Dass ein solches, empirisch ermittelbares objektiv gewährleistetes Hoffen (und „sinnvolles“ Fürchten und Wissenwollen) existiert: Das ist die bis zum Beweis des Gegenteils, also der Falsifikation, dem Handeln zugrundezulegende Optimalhypothese des Planens und Lernens aufgrund von Normalerwartungen. – Was unterstellt sie so Schlimmes, dass man geradezu ihr Gegenteil, also ihre Falsifizierbarkeit als Notwendigkeit und quasi als Bedingung jeder rationalen Optimalhypothese vorweg unterstellen muss?