5. Die Planungsebenen der Normalpraxis und ihre Erwartungswerte als Ausgangspunkte einer Erwartungswert-optimierenden Lernstrategie

1.
Es hat sich gezeigt: Eine Praxis kann nur normal sein im Mass, wie die Umgebung (oder Welt), in der sie stattfindet, sich als zuverlässig erweist. Vom innersten Kern unserer Reproduktion ausgehend, nämlich dem jederzeit Kontrollierbaren (den unmittelbaren Handlungsspielräumen), treffen wir, gewissermassen in den Aussenbezirken dieser Reproduktion, auf zunehmend Unsicheres, unbeeinflussbar Schwankendes, Unvorhersehbares, Selteneres, von dessen Beschaffenheit, genauer: Entgegenkommen, dieser innerste Kern leider weitgehend abhängt. Sehen wir dies Verhältnis von Praxis und Welt aus einer noch weiteren Perspektive, über längere Zeiträume, mit Möglichkeiten grösserer Variabilität beider, dann kann sich Unzuverlässigkeit der Welt auch einmal begründen durch Fehlangepasstheit einer Normalpraxis; die Welt würde einer anders gearteten, ihr mehr entgegenkommenden Praxis ihrerseits mehr entgegenkommen. Aber dann darf sie es den Änderungswilligen nicht zu schwer machen: Auch Erkennbarkeit, erfolgreiche „Erforschbarkeit“, Durchschaubarkeit, Erklärbarkeit tragen zum Entgegenkommen einer Welt bei. Ebenso aber auch das Mass, in dem in einer Praxis überhaupt gelernt werden kann – die Freiheit, mit der dies Lernen sich in seiner Umgebung umsehen darf, und nicht durch äusseren Druck auf nur ganz wenige Möglichkeiten der Anpassung fixiert wird; schliesslich: das Mass, in dem eine Praxis durch ihre Struktur sich in Nähe der für die jeweilige Umgebung optimalen Lösungen bewegt – auch das sind Parameter, die Zuverlässigkeit und Unzuverlässigkeit wesentlich mit bestimmen.

2.
In einer andern, bereits öfter angesprochenen Betrachtungsweise stellt sich unsere Welt dar als Inventar von Chancen und Risiken, mit je unterschiedlichen Graden, in denen sie von der spezifischen Art unseres Handelns abhängen: So mag es Chancen und Risiken geben, die sich uns aus unserer Umgebung heraus aufdrängen, ganz gleich, was im einzelnen wir tun (gerade eben, dass wir darauf reagieren müssen), und von da ausgehend andere Chancen und Risiken mit immer grösserer Bedingtheit durch das, was wir tun: Ein Entgegenkommendes mag etwa an einem bestimmten, schwer zugänglichen Ort sich befinden – die Art, wie wir dorthin und wieder zurück gelangen, ist dafür gleichgültig, aber IRGENDEINE dieser Arten davon müssen wir realisieren, um an das zu gelangen, was sich dort bietet; schliesslich gibt es Chancen und Risiken, die extrem stark von hochkomplexen Handlungsweisen oder Bedingungen abhängen, die wir genau so und nicht anders nacheinander ausführen, oder die erfüllt sein müssen, damit die Chance, oder eben auch das Risiko, sich überhaupt ergibt.
Diese Skala der Abhängigkeit von der Spezifik der je relevanten Zugangs- oder realisierungs-bedingenden Handlungen (grob zu beschreibende, unspezifische Vorgehensweisen, von denen jede ungefähr gleich gut ist wie andere, bilden das Mittelfeld) oder Bedingungen überlagert sich dann mit der oben genannten Skala der Zuverlässigkeit der Rand-Umstände (gut oder schlimm), die durch diese mehr oder weniger spezifischen Arten des Vorgehens von unserer Seite erschlossen werden.
Und ebenfalls darüber, als dritte Dimension, wenn auch nicht ganz unabhängig von den andern beiden, lagert sich etwas wie eine Skala der Anspruchsgrade: der Grade, in denen Welt-Umstände, um „sinnvoll“ bearbeitet und genutzt zu werden, unsere Ressourcen beanspruchen, und uns, durch ihre mehr oder weniger hohe Aufwendigkeit für den Fall, dass wir auf sie reagieren, vom raschen Wechsel zu anderen Formen, oder gar dem gleichzeitigen Betrieb verschiedener solcher Nutzungsarten ausschliessen.

3.
Wieder deuten sich, nur eben nun in der hier benutzten „Welt-bezogenen“ Betrachtungsweise, die früher (zB. in 4/6) bereits öfter angesprochenen „internen Verknüpfungen“ an:
– grosse Unzuverlässigkeit (grosse Schwankungsbreiten in Ausgangsbedingungen) erzwingt tendenziell hoch-spezifische Anpassungsleistungen, und schon dadurch oft kostenintensive, hochspezifische Investitionen (Festlegungen auf Optionen);
– unspezifische Möglichkeiten, also solche, deren Eintreffen von wenigen, oft nicht einmal hintereinanderzuschaltenden Bedingungen abhängt, können ihrerseits wiederum sehr zuverlässig (nur innerhalb sehr enger Grenzen schwankend) oder sehr unzuverlässig sein: das erste macht Aufwände für Kontrolle oder Prognosen (zumindest bezüglich dieser Bedingungen) überflüssig, das zweite lässt sie dafür u.U. so umfangreich ausfallen, dass aktives Eingreifen und Zurückgreifen auf diese Möglichkeiten für produktive Zwecke nicht lohnt; in beiden Fällen sinkt also der Aufwand für sinnvolle Bezugnahmen auf die betreffenden Möglichkeiten; grosse Anforderungen an die Kontrolle von Bedingungen oder ganzer Bedingungsketten bei der Bekämpfung von Schäden oder Nutzung produktiver Möglichkeiten (komplexe Fertigungsverfahren usw.) vergrössert normalerweise die Kosten durch grosse Schwankungsbreiten, oder neutralisiert den Vorteil aus engen Schwankungsbreiten, also hoher Zuverlässigkeit einzelner bedingender Umstände;
– hohe Aufwendigkeit der Gesamtpraxis oder umgekehrt, Mangel an Frei- und Spielräumen ist also normalerweise verursacht durch grosse Schwankungsbreiten (Unuverlässigkeit) und Bedingungstiefe (Anforderungen an Spezifik von Kontroll-Handlungen).
An der bis hierher entfalteten Betachtungsweise ist im Grund das einzig neue, dass wir bemerken, wie leicht wir entscheidungs-relevante Wissens-Inhalte als so gewusste oder erkannte innerweltliche Tatbestände besprechen können – wie geläufig jedenfalls uns der Übergang vom einen zum andern ist. Die Welt-Kategorien-Trias, die jetzt betrachtet wird, ist identisch mit der einfachen bisherigen Trias für „Mittel“, nur, dass wir die Gesamtheit der Chancen und Risiken unter anderen Gesichtspunkten betrachten, nämlich einmal
– dasjenige Ausmass an („(Un)Zuverlässigkeit“ = subjektiver (Nicht)Bekanntheit und (objektiver) (Un)Berechenbarkeit (Labilität, Veränderlichkeit)), in dem die Welt an einer Stelle, sei es ein Risiko, oder eine Chance, überhaupt regelhaft einem möglichen, darauf bezogenen und mit ihr arbeitenden Handeln entgegenkommt, und zum andern
– das Ausmass an „Spezifik“, oder auch Einfachheit, Kompliziertheit, in dem dies Entgegenkommen der Welt (gleich, ob Risiko oder Chance), wenn darauf sinnvoll reagiert werden soll, an Geformtheit und Besonderheit dieser Reaktion und die Randbedingungen, unter der sie allenfalls gelingt, Ansprüche stellt. (Aufwand als dritte Kategorie von Anforderungen, die Chancen oder Risiken an unseren Umgang mit ihnen stellen, bleibt gleich.)
Abgesehen von diesen Modifikationen könnte man die neue Betrachtungsweise zwanglos so umschreiben: Die Welt (der Inbegriff der Möglichkeiten im guten wie schlimmen), zumindest die uns zugängliche und umgebende, wird als ein Mittel gesehen, oder auf den Grad ihrer Nutzbarkeit oder „Bewältigbarkeit“ mit unseren Kontroll-Möglichkeiten und Ressourcen, aufgeteilt in die genannten drei Dimensionen, hin beurteilt. Oder man könnte auch sagen: Die Welt wird daraufhin beurteilt, inwieweit sie „entgegenkommendes“ Korrelat einer, oder einer bestimmten Normalpraxis ist; dabei bestimmen die Dimensionierung und die Kategorien der (oder besser: des Begriffs) Normalpraxis auch die Dimensionierung und kategoriale Unterteilung der zugehörigen Welt.

4.
Der Idealfall einer Normalpraxis – einer wirklich ganz „normalen“, die ihrem Begriff gerecht würde – wäre der, wo alles kommt wie erwartet – so schlecht, so gut, so mehr oder weniger erfolgreich, wie wir’s uns dachten, und nichts uns überrascht. Allein durch die Prinzipien der Aufteilung knapper Ressourcen, also Prioritäten-Bildung und Aufwands-Schätzung, enthält diese Normalpraxis zugleich eine zumindest implizite und obendrein themenbezogene Schätzung von Zuverlässigkeit und Spezifik ihrer Umgebung: Nämlich in Gestalt dessen, was für Versuche zum Zweck des Wiedergewinns von verlorener oder der Erschliessung neu sich anbietender Handlungskompetenz an Reservenbildung oder vorübergehender Ressourcen-Umlenkung „themenbezogen“, das heisst: in bestimmten, einzelnen Tätigkeitsbereichen, in ihr vorgesehen ist.
Die Klassifikation dieser sog. Tätigkeitsbereiche dürfte bereits der wesentliche Beitrag dieser Normalpraxis zu einer KATEGORIALEN ORDNUNG der in ihr stattfindenden Experimente (zu ihrer innovativen und reparativen Abwandlung) sein – und zwar überall dort, wo diese Ordnung den Versuch einer Präzisierung der allgemeinsten, „obersten“ Praxis- und Planungskategorien darstellt – mithin dieser Kategorien, wie man sich erinnern wird: Grenze der Reproduktivität (auf jedem Reproduktions-Niveau, Prinzipien seiner Bestimmung), also auch Überschuss (aktive/passive Robustheit); Optimum (Grenze des Lohnens); und: Wissenswürdigkeit (darin eingeschlossen: Erprobenswürdigkeit, Bestätigtheit, Dringlichkeit, Erfolgs-Wahrscheinlichkeit, Riskantheit fehlgeschlagener Experimente usw.)
Die diese allgemeinsten Kategorien präzisierenden Kategorien der „mittleren Stufe“ (vgl. 2/7) stellen das Material, durch das die allgemeinen, höchsten Planungs- und Praxis-Kategorien überhaupt eine Aufspaltung und, wie eben festgestellt, Zuordnung zu Teilbereichen der Gesamt-Reproduktion (Tätigkeitsbereichen, Branchen) erfahren: Reproduktivität-VON…; Überschuss-AN…, Optimum-FÜR, Wissenswürdig-FÜR usw.; derart dass Gesamt-Reproduktivität/ Überschuss/ Optimum/ Wissenswürdigkeit definiert werden kann als Summe der Einzel-Reproduktivitäten, -Überschüsse in einzelnen Tätigkeitsbereichen (von/ an/ für die sie formuliert sind); was freilich kein abstraktes Aufaddieren oder Abziehen abstrakter Grössen bedeutet (auch die Ressourcen-Inputs für einzelne Tätigkeitsbereiche, die quantitativ bestimmt sind, haben ja eine Qualität, lassen sich nicht zu abstrakten Index- oder Nutzen-Grössen zusammenfassen); sondern einen integrierten Gesamt-Plan voraussetzt, wo die Produkte der einzelnen Tätigkeitsbereiche in sinnvollen Quantitäten jeweils anderen Tätigkeitsbereichen „zur rechten Zeit, am rechten Ort“ zufliessen und zur Verfügung gestellt werden, so dass reproduktive Kreisläufe sich schliessen, oder produktive Effekte durch Zusammenbau und Zusammenwirken von Einzel-Momenten gelingen (durch letzteres müssen sich dann ganze Fortschrittspfade aus sinnvollen Erweiterungen, Produktivitätssteigerungen, Sicherungen durch Steigerung aktiver und passiver Robustheit ergeben).

5.
Dies – das Normalpraxis-System unserer Reproduktion und Produktion – ist die „Substanz“, oder das grundlegend Gleichbleibende – das riesige Global-Instrument unserer Reproduktion und ihrer Verbesserung, an dem wir quasi akzidentell sich verändernde Parameter (mit ihren Bedingungen) empirisch ermitteln, und das wir nur in einzelnen seiner Teile gewissermassen reparieren; das wir aber als ganzes, spätestens an den „Knoten-Punkten“ des Entscheidens (vgl. 1/10 und 1/13ff.), nur zugunsten eines ebenso kompakten anderen Ganzen, und dann meist eines deutlich schlechteren oder besseren, aufgeben können. (Und das ist dann auch der Grund für die „Dringlichkeitsfaktoren“, die die ersten und primitivsten, quantitativ spezifizierten Vorgaben für Versuchen „ausser der Reihe“, also beim Einbruch des Unerwarteten, liefern; des unerwartet Besseren (wo wir uns fragen, ob wir unsere Reproduktion so grundlegend abändern sollen, wie es nötig wäre, um ihm gerecht zu werden), wie des Schlechteren (wo wir uns fragen, ob wir zu einem deutlich schlechteren und pessimistischeren Plan übergehen sollen).
Mit anderen Worten: Es ist die Eigenschaft ihrer Vernetztheit und Integration (zu einem Reproduktionskreislauf, auch als Grundlage seiner eigenen produktiven Verbesserung), die eine Normalpraxis mit dieser und genau dieser Aufspaltung ihrer Tätigkeitsbereiche notwendigerweise zur qualitativ-kategorialen Vorgabe (oder zum gigantischen „Vorurteil“) für alle Experimente ihrer Reparatur, Abwandlung und Verbesserung macht; es ist die Tatsache dieser Integration, die es nicht anders zulässt, als dass wir allenfalls punktuell abwandeln, oder aber, bei allen grösseren Eingriffen, die meist sehr weit reichenden Folge-Wirkungen in ganz anderen Tätigkeits-Bereichen in den Griff bekommen müssen, auf die sich der Eingriff indirekt, durch die produktiven Verbindungslinien, die dorthin führen, auswirkt – derart, dass wir keine Wahl haben, als ein eben nicht mehr punktuell, sondern gleich sehr global geändertes, neues und neu in sich abgestimmtes System unserer Reproduktion, eine völlig neu strukturierte  Normalpraxis einzuführen – oder die Möglichkeit einer Änderung (zum deutlich Besseren (das wir nutzen könnten) oder Schlechteren (dessen wir irgendwie – wenigstens an EINER Stelle der alten Praxis – Herr werden müssten, wenn es im alten System weitergehen soll) zu ignorieren. Bevor wir solche Änderungen erwägen, lohnt es sich schon – eben aus Dringlichkeitsgründen (deren Intensität sich aus der Differenz des „Lohnens“ der zur Alternative anstehenden Normalpraxis, verglichen mit der aufzugebenden gegenwärtigen, ergibt) – , zunächst, im einen Fall, die neuen Chancen durch Versuche auszuloten, oder, im andern Fall, die Chancen einer reparativen Beseitigung oder Kompensation des neu sich zeigenden Schadens oder Risikos im Rahmen der alten Praxis zu erproben, die diese, verglichen mit erreichbaren nächstschlechteren Alternativen, noch lohnend erscheinen lassen.

6.
Der Wissenserwerb, den das notwendige Versuchen darstellt, wird im Rahmen der Planung und des Lernens aufgrund von Normalerwartungen somit notgedrungen den ökonomisch vorgegebenen Zielsetzungen untergeordnet – die Epistemologie der Ökonomie unterstellt. In unserer ersten Rekonstruktion dieses Vorgangs in 4/13ff. hatten wir bereits den ökonomischen Rahmen benannt, in den das Versuchen im Fall von Überraschungen eingeordnet wird, nämlich den Umgang mit qualitativ bereits bekannten Risiken (analog Chancen), die im Rahmen der jeweils gültigen „Knoten-Entscheidung“ für bewältigbar gehalten werden – derart, dass zumindest die Techniken (das Wissen-wie), wenn auch – bei quantitativen Überforderungen durch das Risiko bzw. die Chance – nicht immer die Ressourcen, zu ihrer Bewältigung als vorhanden unterstellt sind. Wohlgemerkt: Diese Analogie zur Risiko-Bewältigung ist durch die Vorgabe einer Normalpraxis ERZWUNGEN; einer Normalpraxis, bei der man weiss, dass sie unter Ungewissheit stattfindet, um dann so zu „tun als ob“ (dh. „hypothetisch“ sich so zu verhalten als ob) man bereits sicher sein dürfte, dass dieser Normalpraxis keine Überraschungen mehr drohen – dass man, weder zum Guten oder Schlechten, in ihr etwas versäumt hat.
Das „Risiko“ der Ungewissheit, das spätestens durch die nicht neutralisierte Überraschung enthüllt wird, KANN dann im Rahmen einer solchen (Versuchs)Praxis in letzter Instanz nur ökonomische Konsequenzen haben – nämlich die, dass die Knoten-Entscheidung, die Bestimmung des „Lohnenden“ oder Optimums, höher oder tiefer angesetzt wird, nicht anders, als es bei einem qualitativ bekannten Risiko wäre, das sich als quantitativ besser oder schlechter beherrschbar erweist als gedacht. – Unter den allgemeinen Gesichtspunkten, unter denen Planung, unserer Darstellung zufolge, stattfindet, nämlich als immer mehr verbesserter Schutz eines gefährdeten Selbst vor Gefahren und Gefahrdrohungen, also Risiken, kann dieser spezielle Umgang mit qualitativ, aber nicht quantitativ bekannten Risiken sogar tatsächlich als allgemeines Paradigma für den Umgang mit Überraschungen, und damit (im Rahmen der Praxis aufgrund von Normalerwartungen) Unbekanntem generell, aufgefasst werden. (Eine ausgelassene Chance ist nach dieser Logik so gross, wie die Risiko-Reduktion, die sie hätte herbeiführen helfen; von daher fügen sich auch Chancen in die Rangreihe oder Prioritätenliste der möglicherweise anzugehenden Risiken, oder „Risiko-Bewältigungschancen“ ein, und es ergibt sich eine homogen abzuarbeitende Agenda mit „Verbesserungs“-, dh. Risiko-Reduktions-Optionen, bis zur Grenze, die ausgehend von den Anfangs-Ressourcen eben noch für erreichbar gehalten werden.)

7.
Nun muss generell in jeder Praxis – nicht nur der auf Basis von Normalerwartungen geplanten – darüber entschieden werden, wieviel Anteile des Budgets auf Lernen, welche Art Lernen, und welche Themen verwendet werden soll (das sollte (1/16ff.) „Wissenspräferenz“ heissen). Aber in der Praxis unter Normalerwartungen werden solche Entscheidungen so getroffen, ALS OB man bereits eine ganze Menge über das zu Lernende gelernt hätte – und dies Tun-als-ob ist nur die Konsequenz der Tatsache, dass die Versuchspraxis sehr weitgehenden, ökonomischen Erfolgs-Ansprüchen zu genügen hat. – Anders als unter solchen Ansprüchen kann man sich, zumindest solang die Normalpraxis auch nur halbwegs normal ist (und nicht, beispielsweise, völlig in Stagnation verfallen ist, und sich an einem Punkt festgefahren hat, über den sie produktiv mit bekannten Mitteln nicht mehr hinauskommt; oder grosse Freiräume aufweist, weil die Handlungsspezifik und Aufwände der Gesamtpraxis tendenziell niedrig, und Zuverlässigkeit wie Unzuverlässigkeit sich eher in Extrembereichen bewegen), grössere Anstrengungen zu grundsätzlichem Wissenserwerb (nur aus Prinzip, und ohne „bestätigende“ Evidenz, dass dies zu etwas führen könnte) unter Normalerwartungen ohnehin schwer vorstellen. Schliesslich hat man in einer Normalpraxis  – zumindest normalerweise – meist Besseres zu tun; womit auch ganz ohne die epistemischen Motive des Normalpraktikers die Frage beantwortet werden kann: WANN man dort überhaupt experimentiert.
Ich sage: Man tut, ALS OB man sehr viel mehr über das zu Lernende wüsste, als man weiss – die ökonomische Einbindung der experimentellen, oder Versuchs- Praxis in die „normale“ Wirk- oder Routinepraxis hat nämlich einige vereinfachende und von daher durchaus angenehme epistemische Nebeneffekte:
ERSTENS. Der Begriff des Zwecks, oder zu lösenden Problems, ist eine weitgehende Einengung der Fragestellung (die von daher nie in Gefahr ist, begrifflich oder kategorial uferlos zu werden); zugleich werden mögliche „Mittel“ (unter den untersten, nämlich allgemeinst-handlungspraktischen Kategorien des Rezeptwissens) mit und aus der bereits vorhandenen Erfahrung („Beobachtung“) konstruiert, und thematisch eingeschränkt durch ihre Bezogenheit auf das Problem: technisches Verfahren oder Mittel-FÜR, Bedingung-FÜR, Anzeichen-FÜR, Fundort-FÜR…
ZWEITENS. Die Betrachtung der Experimente als Mittel der Problemlösung, nämlich als Fortsetzung einer produktiven oder reproduktiven Wirkpraxis bis zum Abbruch wegen Misserfolgs (auch Chancen nicht ausgenutzt zu haben, gilt als solcher), bloss mit ungewöhnlichen Mitteln, lässt die volle Übertragung der Mittel-Beurteilungs-Kategorien auf die denkbaren Experimente zu; von daher ergibt sich eine einfache Lösung des Problems, Kriterien für die HIERARCHIE DER EXPERIMENTE zu erfinden: Unter der Erwartung, dass „eins von dem, was wir ausprobieren, schon (minimal) erfolgreich sein wird, ansonsten würden wir’s ja ganz lassen“, können wir dann auch schon mal „hypothetisch“ anspruchsvoller sein: Jenseits des in jedem Fall erreichbar gedachten Minimums könnte man besonders einfache (leicht verfügbare, zugängliche, ausführbare (= wenig handlungs- oder bedingungs-spezifische), wenig aufwendige, und mutmasslich zuverlässige (bereits als einigermassen regelhaft bekannte: „bestätigte“) (wenn sie sich denn bewähren) hypothetische Mittel unter den überhaupt infragekommenden Kandidaten für vorrangige experimentelle Erprobung auswählen – das einzig verbleibende Problem wäre, die drei Kriteriensorten gegeneinander zu gewichten.
DRITTENS. Exakt dieselben Kriteriensorten liefern dann, angemessen gegeneinander gewichtet, auch die Grenzen der Aufwände, die im Rahmen des (in Gestalt von „Dringlichkeit“, s.o.) vorgegebenen Gesamt-Budgets für die einzelnen Experimente bis zum Abbruch und Übergang zum nächsten betrieben werden.
(Eine Regel spezifiziert, wie stark das Ausmass an Einfachheit, Sparsamkeit, Bestätigtheit die Dauer des Einzel-Experiments bis zum Übergang ins nächstschlechtere bestimmen soll.)

8.
Mit anderen Worten: Die Experimentalpraxis wird, wo immer es geht, der Routinepraxis angeglichen – wie eben gesagt: Eine Fortsetzung der Routinepraxis mit ungewöhnlichen, zuvor nicht oder nicht so eingesetzten Mitteln. Wir hatten bereits festgestellt, wie diese „Mittel“, nämlich die hypothetischen, möglicherweise innovativen, allererst experimentell zu erprobenden Reparatur- und produktiven Verfahren zunächst ihre eigenen Güte-Parameter (Ausmass ihrer mutmasslichen Einfachheit, Ressourcenverbrauch, Bestätigtheit als regulär) zur Entscheidung beisteuern; bei einer grösseren Vielfalt von Optionen heben sich dann die Prinzipien der Gewichtung zwischen diesen Parametern, die verschiedenen Arten, also Verfahren, Experimente durchzuführen (wofür? welche zuerst, wie lang?) gedanklich als EIGENE Tätigkeitsebene ab zwischen dem eigentlichen Versuchen, und der übergeordneten Tätigkeit, zu der durch den Versuchserfolg beigetragen werden soll. Es ist exakt an dieser Stelle, dass die verschiedenen „Arten“ oder Verfahren oder Strategien, mit denen man auf dieser Ebene (des Entscheidens über die Prioritäten beim Experimentieren) operieren könnte, da sie doch Mittel des Versuchserfolgs sind, spätestens, nachdem die „naive“ Ausgangs-Regel „überrascht“ worden ist (etwas hätte noch ein wenig länger probiert werden sollen, dann hätte es funktioniert; nie hätte man sich mit diesem Versuch solang aufhalten dürfen etc.), auf den Prüfstand geraten – „Beobachtungen“ werden verwertet, von welchen Bedingungen „erfolgreiche“ Arten des Prioritätensetzens beim Experimentieren abhingen, und nach welchen Prinzipien sie durchgeführt werden sollten (Versuche welcher Art; worin Anzeichen besonderen Gelingens oder Misslingens, entgegen dem ersten Anschein (also obwohl die vorliegenden Güte-Parameter andere Experimental-Praktiken nahelegen) bestehen usw.).
Und man gelangt zu einem erfahrungs-begründeten, technischen Wissen-wie der Versuchsgestaltung – Rezeptwissen bezüglich der Durchführung von Versuchen und der „geschickten“, situations-adäquaten Entscheidung darüber, wann woFÜR, mit welchem Gewicht der Güte-Parameter was unter dem überhaupt Infragekommenden wie lang probiert werden soll (im Rahmen des – aufgrund der bestehenden Rahmen-ERWARTUNG UND – AUFGABE angesetzten – Gesamtbudgets).

9.
Man muss sich klarmachen, dass diese Weiterungen nicht etwa höchst künstlich einem sinnvollen und rationalen Planungsprozess aufgepfropft werden; sie ergeben sich vielmehr völlig zwanglos aus dem Planen in einer Normalpraxis, oder besser: dem Planen mit der KATEGORIE Normalpraxis, als umfassender (eine alternative Ausdrucksweise für: Planen unter Normalerwartungen), selbst. Nämlich überall dort, wo diese Praxis primär überrascht wird – und sich ab dann (spätestens, wenn die Überraschung nicht ignoriert wird oder werden kann) bewusst mit einer zumindest vorübergehend GESTEIGERTEN Ungewissheit konfrontiert, primäre Massnahmen des Umgangs mit dieser Ungewissheit entwickelt, und mit diesen Massnahmen SEKUNDÄRE  Erfahrungen macht, die sie auf diese Massnahmen, als eigenen, abgehobenen Tätigkeitsbereich, der eigenen (erfahrungsbestätigten) Regeln und Rezepten zu folgen hat, bezieht: Erfahrungen, die ihrerseits überraschend sein können. Spätestens dann, wenn auf diese Überraschungen im Umgang-mit-(ursprünglichen, früheren)-Überraschungen reagiert wird, hat sich nicht nur die Versuchspraxis als eigener Praxis-Sektor oder eigene „Tätigkeitssorte“ im Bewusstsein der Planenden explizit etabliert – es wird damit vor allem die endgültige, kategoriale Angleichung dieses Praxis-Sektors an sein Gegenstück, die „eigentliche“ und ursprüngliche Normal-, nämlich Routine-Wirkpraxis, besiegelt. Erfahrungen mit Versuchen können dazu führen, dass Versuchen SELBST ZUM MITTEL wird; dass Bedingungen angebbar sind, oder Erwartungen begründet werden können, wann etwas AN SICH schlecht Bestätigtes, Zweifelhaftes, das eben allenfalls zur experimentellen Erprobung anstünde, sinnvoll und zweckmässig als Mittel eingesetzt werden sollte: Bedingungen, unter denen die Erwartung gerechtfertigt erscheint, dass die ENTSCHEIDUNG, ein solches, bloss hypothetisches („vielleicht“ nützliches) Mittel einzusetzen, ihrerseits ein Mittel sein könnte; und sie zu unterlassen RISKANT. (Hier könnte man den Ursprung von MAGIE sehen.)

10.
Ungewissheit und Überraschbarkeit sind nun aber, wie wir bereits oft genug feststellten, Randbedingungen JEDER normalpraktischen Planung. Insofern sie überraschbar ist (und diese Möglichkeit den Planern, als „erfahrene“ Unzuverlässigkeit, Unbekanntheit, Ungewissheit ihrer Gesamtsituation oder wichtiger Tätigkeitsbereiche darin bewusst wird), IST sie eine Versuchssituation; die in expliziten, echten Versuchs-Situationen gewonnenen „Verfahren“ zur Maximierung von Versuchserfolg (incl. beobachteter Bedingungen im Vorfeld) können, per horizontaler Übertragung, auf die gesamte Praxis ausgeweitet werden. Insofern die Erfahrungen mit „überraschenden“ Versuchs-Erfolgen und -Misserfolgen der gewählten Versuchs-Strategie zugeschrieben werden, und diese IMMER relativ abstrakt formuliert ist, gelingt gerade IHRE horizontale Verallgemeinerung auf alles und jedes, was „überraschbaren“ Umgang mit Ungewissheit (möglichen Überraschungen, möglichem „anders als erwartet“) enthält, besonders leicht. Über die Abstraktion, das Entscheiden und Planen von Versuchen (also letztlich ALLES Planen unter Ungewissheits- und „Überraschbarkeits“-Bedingungen) als eigenen Tätigkeitsbereich mit Erfolgschancen und Misserfolgsrisiken anzusehen, auf die man die jeweils zugehörigen eigentlichen Experimental-Handlungen (schlechter bestätigt usw.) mit all ihren Güte-Parametern, und den Aufwänden, die sie erfordern, beziehen kann – über diese Abstraktion, durch die Versuchen zum Universalmittel gerät, emanzipiert es sich zugleich von seiner Funktion als Lücken-Füller im Rahmen primärer Überraschung, und bietet sich als möglicherweise wertvolle Rahmen-Technik beim Umgang mit ALLEM Ungewissen (also eigentlich: allem) an, deren Nicht-Anwendung durchweg ein Risiko darstellt (das inkaufzunehmen man – versuchen könnte…?)
Und das im Mass, wie durch zunehmendes Herausfallen aus einer „bewusstlosen“ Routinepraxis der zunächst noch punktuelle und durch Rahmenerwartungen gebändigte Versuchs-Prozess sich „reflexiv“ abhebt, und mit dem einzig vorhandenen kategorialen Apparat ökonomisch und epistemisch bearbeitet wird, den die Planung unter Normalerwartungen kennt, und mit dem sie ihre Epistemologie (Lernen, Wissenserwerb) ebenso formuliert wie ihre Ökonomie (Planen), nämlich dem des Rezept-Wissens, dessen Erwartungen enttäuscht werden (derart dass man nach dem Irregulären im Vorfeld von Ausnahmen, und dem Regulär-Neuen oder gegenüber früherem Regulären Anders-Regulären im Vorfeld von sich häufenden Enttäuschungen fragen kann, und die Funde, die Antwort auf diese Fragen geben, in einer durch Lernregeln bestimmten Reihenfolge zum Ausgangspunkt von entsprechenden Experimenten nehmen kann); ein Rezept-Wissen, das jeweils angewandt wird im Rahmen eines vorgegebenen Plans, mit seinen Prinzipien für Knoten-Entscheidungen (Lohnen, Optima), der Festlegung von Grenzen der Reproduktivität, und Richtungen der Überschuss-Produktion.

11.
Versuche, oder „bestätigte“ Versuchsstrategien, als potentielle Technik (Wissen-wie, Rezept, mögliches Mittel) zu betrachten, gehört in die Planungs-Abteilung „produktive Innovation und ihre Verbesserung“. Im Mass, wie wir ernsthaft daran glauben, durch solche Versuchsstrategien wirkliche Optionen zu haben, wird ihr Einsatz im Rahmen der nächstanstehenden produktiven Verbesserungen unserer Reproduktion immer zwingender und verführerischer. Im Rahmen von Reparatur und Reaktion auf Überraschungen, wo das Versuchen sich ja zu dieser Art Technik entwickeln und empirisch bestätigen konnte, waren Versuchen und Experimentieren (jeweils in dem Spielraum, der ihm bis zur Aufgabe der je experimentell auszulotenden Planoption (zu reparierende, beschädigte Reproduktions-Abteilung, oder zu nutzenden produktiven Chance) gelassen war) immer schon zwingend; genauer: die Anwendung der Entscheidungs-Prinzipien zur Beantwortung der Fragen: woFÜR überhaupt, wie lang jeweilige Einzelversuche, welche Einzelexperimente mit welchen Zuverlässigkeits-, Spezifik- und Aufwandsprofilen als erste bzw. nächste usw. – An jeder Stelle oder Hinsicht, wo die Normalerwartungen (der Normalpraxis) überrascht werden können, setzen Versuche an; „soviele Hinsichten, in denen wir uns unsicher sind,…“ (spätestens, nachdem wir überrascht worden sind!) „…soviele Arten, wie es anders kommen könnte, sehen wir offenbar auch, und soviele Richtungen, in denen wir (lohnende, nötige, zu unterlassen riskante) Versuche anstellen könnten (4/11)“. So hat jede abgrenzbare Abteilung des Routine-Sektors, auf gleich welcher Ebene, eine ihr zugeordnete Abteilung des Versuchssektors: ausgehend von den einfachsten Einheiten des Wissens-wie, den Routine-Verfahren oder -Rezepten (die an verschiedensten Stellen zum Einsatz kommen können), bis hinauf zu den umfassendsten Unterabteilungen („Branchen“, „Tätigkeitsbereiche“ mit ihren Bereichserwartungen) der momentanen Reproduktion und Produktion, ja bis hin zu diesen höchsten Abteilungen der Normalpraxis selbst, soweit sie als Routine-Prinzipien, etwa Routine-Prinzipien der Risiko-, Lohnens- und lohnenden Wissenserwerbs-Bestimmung formuliert sind. Jeder Erwartung im Zusammenhang mit Routine-Aktivitäten gleich welchen Spezialisierungs- oder Allgemeinheitsgrades (bezogen auf jede, auch die speziellste Verfahrensroutine kann es mehrere verschiedene solche Erwartungen an ihr Funktionieren unter gegebnen Umständen geben, die enttäuschbar sind – vgl. nochmals das Zitat von 4/11) entsprechen dazu passende Versuchsanordnungen, im Falle der Enttäuschung – WENN wir, spätestens angesichts der unerwarteten Überraschung (oder der im Rahmen „bekannter“ Ungewissheit erwarteten) beschliessen (oder zuvor beschlossen hatten), zu versuchen – zumindest, bis das dafür vorgegebene Budget (Dringlichkeitsvorgaben etc.) ausgeschöpft ist; und WENN uns, in qualitativer Hinsicht,  Material, in Gestalt von zu erprobenden Abwandlungen und Ersetzungen der bisherigen Routine (Rückgängigmachen eines Verlustes oder einer Einbusse in einer Routine, Nutzung einer unverhofft sich anbietenden Verbesserung), als „Versuchsanordnung“ und denkbares Experiment, zur Verfügung steht; und WENN (was aber fast immer der Fall ist) wir über eine aktuelle Versuchsstrategie verfügen, die uns sagt, wie wir die Güte-Kriterien für die einzelnen möglichen Experimente gewichten sollen.

12.
Während nun die experimentellen Abwandlungen von einfachen technischen Verfahren einen durchaus rationellen, ja beinah wissenschaftlichen Charakter annehmen können – obschon auch sie nicht vor Aberglauben gefeit sind, der dann sogar, angesichts der völlig zweckmässigen und technisch ausgereiften Praxis, zu deren Gelingen er beitragen soll, besonders krass, weil „unnötig“ erscheint  (vgl. 4/18 Ende) – , nimmt das Versuchs-Verfahren, je mehr es in der Zweck-Hierarchie (UM ZU) nach oben steigt, auch immer mehr das wohlbekannte Aussehen abergläubischer Praktiken an – obschon es, umgekehrt, seinerseits durchaus von rationalen Motiven durchsetzt sein kann – weitsichtige Plan-Überlegungen zur Risiko- und Aufwands-Ökonomie, Ressourcen-Allokation, Nutzung oder „klugen“ Meidung von Chancen (da in Überforderung führend) sind ja zumindest Themen für Anwendung rationaler ökonomischer Prinzipien. Je mehr die zugehörigen Experimente dann auf deutlich niedrigeren, nämlich den Durchführungs-Ebenen (DADURCH DASS) gestaltet werden, desto mehr wird die Versuchspraxis einen rationalen Anstrich bekommen. Hingegen wird sie um so abergläubischer erscheinen, je mehr für das Versagen von weitreichenden, also „hoch“ in der UM ZU-Hierarchie angesiedelten Erwartungen der Normalpraxis (also vor allem überraschendes Versagen von Entscheidungsmaximen) die besonderen Inhalte dieser hohen, oder nur wenig tiefer gelegener Ebenen verantwortlich gemacht werden: bestimmte Arten zu entscheiden, oder darauf beruhende Ziele gehabt zu haben, soll nicht weniger URSACHE für Misserfolge sein, als möglicherweise unangemessene instrumentelle und rein zweckrational zu beurteilende Vorgehensweisen, „durch“ die das betreffende Ziel oder die Entscheidung umgesetzt werden sollte.

13.
Alles Planen und Entscheiden, also alles verantwortliche Ressourcen-Aufteilen auf Aufgaben, deren Lösung mit den zugeteilten Ressourcen dann auch gelingen muss, damit Reproduktion oder Produktion gelingen, geht mit Ungewissheit einher – die Realisierung der gewählten Pläne kann auf vielfältige Überraschungen stossen, derart dass man den Plan anders formuliert hätte, wenn man es vorher bereits gewusst hätte. In diesem Sinn also ist die Entscheidungspraxis, auch auf den „höheren“ Ebenen, wo die grundsätzlichen Aufteilungen unseres Gesamt-Ressourcen-Budgets stattfinden, selbst eine „überraschbare“, und muss dann in ein Versuchen übergehen.
Überraschungen ergeben sich natürlich immer zunächst auf tieferen, „Durchführungsebenen“; die Frage ist dann immer, Erwartungen auf welchen Ebenen durch diese Überraschung desavouiert sind; im allgemeinen wird diese „Desavouierung“ soweit nach oben reichen, wie Versuche auf der Ebene, wo die Überraschung auftritt, oder auf Ebenen darüber, entweder mangels „Material“ garnicht erst unternommen wurden, oder aber nicht in den ihnen eingeräumten Budget- und Zeitgrenzen zum Erfolg geführt haben – nämlich der Ausbildung einer neuen, „besser“ bestätigten Erwartung gleicher ökonomischer Wertigkeit, oder einer kompensierbar schlechteren (schlechter bestätigt, also ungewisser, oder ökonomisch aufwendiger) – derart, dass die Erwartungen, also auch Aufgaben-Festsetzungen und Ressourcen-Aufteilungen auf den Entscheidungs-Ebenen darüber intakt bleiben. Ist letzteres nicht der Fall, und schlägt (wie wir es schon öfter angesprochen haben) die „Überraschung“ somit nach oben durch, beginnt derselbe Prozess nun eben dort, auf der höheren Ebene, und die Maximen des Entscheidens, oder Ziele, aufgefasst als „zweckmässige Verfahren“ (SO zu entscheiden, diese Ziele oder Ziele dieser Art zu haben erscheint zweckmässig, dem Zweck Reproduktion oder Produktion angemessen usw.), die dort bislang galten, geraten, angesichts der eingetretenen Überraschung – überraschend andere Art von Zuverlässigkeit oder Unzuverlässigkeit, Handlungsabhängigkeit, Aufwendigkeit, als erwartet – auf den Prüfstand. Aber das sich anschliessende Versuchen (das hier, wie immer, erst ausgelöst wird durch eine Überraschung, also Nicht-Bewahrheitung von Erwartungen, an einer bestimmten Stelle der Realisierung eines Plans) wird, auch auf diesen höheren Ebenen, gedacht nach demselben Muster, wie Versuchen bisher auch: Eine Rahmenvorgabe oder Rahmen-Erwartung soll den Gesamtaufwand schätzen, den wir für Versuche dieser Art treiben; es soll Experimentier-Material dasein, in Gestalt von Alternativen zu der durch die (positive oder negative) Überraschung infragegestellten (Entscheidungs-)Praxis, die die neue Situation berücksichtigen, und darauf antworten; diese Alternativen werden bewertet mit einer dieser Ebene zugeordneten Lernregel und den speziellen Ausformungen, die der allgemeine Katalog der Güte-Kriterien für experimentell zu erprobende „Kandidaten“ hier annimmt (es sollte gesagt werden können, was es HEISST, dass eine alternative Art zu planen, wenn sie denn mit der neu eingetretenen „Überraschungssituation“ „erfolgreich“ fertigwürde, dies auf besonders „einfache“, absehbar „zuverlässige“ (bereits anderweitig in gewissem Umfang bestätigte) und verglichen mit andern weniger aufwendige Weise täte (welche der drei Kriteriensorten wie stark ins Gewicht fallen soll, sagt ebenfalls die Lernregel), weshalb es Sinn macht, sie als erstes zu erproben – allerdings nur bis zu einer gewissen Grenze, die definiert wird durch das Gesamtbudget für den betreffenden Versuchsspielraum („Dringlichkeitsvorgabe“), und den Anteil, den der betreffende „maximalgünstige“ Versuch daran haben soll. Ist dieser Spielraum erschöpft, müssen wir den Versuch, mit der „Überraschung“ durch Anpassungsmassnahmen auf dieser Ebene fertigzuwerden, aufgeben, und das Problem an die nächsthöhere weiterreichen.
Aber wie, wenn die höchste Ebene des Entscheidens oder Planens bereits erreicht war, und es darüberhinaus keine mehr gibt?

14.
Und welche Ebene wäre denn die höchste in einer Normalpraxis? Von rechts wegen kann eine Normalpraxis garnicht weiter reichen, als bis zur Besetzung der allgemeinsten Plankategorien mit Entscheidungsmaximen und Regelsystemen, wie in 2/9 beschrieben – wie differenziert diese Maximen und Regeln des die Normal-Praxis anleitenden „Normalplans“ auch immer sein mögen. Darin ex- oder implizit eingeschlossen ist
– eine Schätzung des als überhaupt erreichbar zu denkenden Optimums (soweit der Normalplan Entscheidungen in „Knoten-Situationen“ ermöglichen muss), und zwar nicht nur quantitativ und mit Bezug auf die vorhandenen Ausgangs-Ressourcen, sondern natürlich auch als Einschätzung der technischen Wege, die bei der produktiven Erweiterung und Absicherung der gegenwärtigen Reproduktion beschritten werden könnten (das Mehr oder Weniger des Lohnens, also ereichbaren Optimums, setzt immer qualitativ eine Vorstellung von denkbaren Fortschrittspfaden voraus, die begangen werden könnten, oder vorsichtigerweise eben auch nicht);
– eine Schätzung der Regeln zur Bestimmung der Grenze von Reproduktion und Überschuss für sämtliche zu erwartenden Zwischen-Reproduktions-Situationen (Eventualitäten, mit denen „gerechnet“ wird);
– eine Schätzung der Reihenfolge und relativen Aufwände (Anteile am dafür verfügbaren Gesamtaufwand) für „sinnvolle Versuche“ (qualitativ, und quantitativ: Gewichtung der Güte-Kriterien) angesichts bekannter oder überraschend eingetretener Ungewissheit auf bestimmten Gebieten, in bestimmten Situationen usw.; also die Formulierung von Lernregeln im Sinne des Abs.7,  Punkte Zweitens und Drittens.
Zwischen diesen Festlegungen bestehen Abhängigkeiten; denn das bestenfalls aus einer Ausgangssituation mit den dort vorhandenen Ressoucen erreichbare Optimum ist abhängig von den Fortschritten, die die verantwortbaren Reproduktionsniveaus dazwischen zulassen; ein festliegendes Optimum wiederum verpflichtet dazu, die zu seiner Erreichung, aber nicht unbedingt zur Reproduktion oder Fortschritt auf damit verglichen suboptimale Optima nötigen produktiven Kapazitäten zu erzeugen und vorbereitend mitzureproduzieren; welche Versuche zwischenzeitlich anfallen können, hängt dann thematisch völlig vom gewählten Fortschrittspfad zwischen Ausgangssituation und gewähltem Optimum ab; was von all dem freilich haltbar ist: die Risiko-Schätzung, die der Überschuss-Schätzung zugrundeliegt, die Chancen-Schätzung, die im Optimum enthalten ist, letztlich auch die Beurteilung, was wissens- oder erprobenswert ist, die in den Lernregeln und ihren Gewichtungen liegt: das zeigt sich erst unterwegs; Risiken und Chancen können, in verschiedensten Bereichen, zu hoch oder zu tief eingeschätzt worden sein, gerade das Falsche unnötig lange versucht, das Richtige deshalb zu erproben versäumt worden sein, und der ganze Plan sich als Verfehlung eines durchaus Möglichen erweisen.

15.
In ihren drei Abteilungen hat die Normalpraxis (verstanden als Regelsystem) notgedrungen ein Verhältnis zum VERBLIEBENEN Unbekannten: Risiken, Chancen, Wissenswerten; in dieser Hinsicht IST sie geradezu, oder ersetzt sie jene Lernregel, deren Fehlen in 4/4 moniert wurde, und die dort beiläufig als „Regel des Forschens“ bezeichnet wurde – jenes Teils der Gesamt-Lernregel, der sich auf Situationen bezieht, „in denen man einfach noch nichts weiss, also auch nichts bestimmtes erwarten kann“ (4/4) (statt: „nichts weiss“ könnte es auch heissen: „nicht genug weiss, um planen zu können“.)  Und dies ist dann auch der Ort, wo die in 4/4 angekündigte Diskussion zu führen ist; nämlich die Frage zu stellen: Kann eine Normalpraxis überhaupt eine solche Regel des Forschens sein – kann sie, spätestens mit den zusätzlichen Lernregeln, die wir neben ihr die ganze Zeit unterstellt haben, nämlich solchen, die sagen, was zu tun ist, „wenn etwas anders kommt als erwartet“, eine komplette, „oberste“ Lernregel sein, die eine rationale „Lern-, also Wissenserwerbs-Strategie“ für alle Fälle liefert?
Die Risiken, Chancen, Aufwände – entsprechend dem in früheren Kapiteln darüber Gesagten alles Qualitäten von MITTELN und VERFAHREN -, die den „ökonomischen“ „Schätzwerten“ der Normalpraxis, Optimum und Überschuss-Bestimmung, zugrundeliegen (im Gegensatz zu den „epistemischen“, den „zweckmässigen“ Lernregeln), sind allesamt BEKANNTE und HINREICHEND BESTÄTIGTE. – Es verwundert nicht, dass eine „(Un)Gewissheits“- oder (Un)Bekanntheits- und (Un)Berechenbarkeits- oder eben (Un)Zuverlässigkeits-Dimension mit variablen Werten, wie oben in den ersten Abss. angesprochen, im Zusammenhang mit „Mitteln“ oder „Verfahren“, die man in Reproduktion und Produktion einsetzen kann, nicht vorkam: ein unzuverlässiges Mittel oder Verfahren wäre ja garkeins; so, wie Mittel und Verfahren, deren Handhabung (bekanntermassen) zu kompliziert (= die Dimension Bedingungs-Spezifik oben in Abs. 2, Ansprüche des Mittels und Verfahrens an (technisch) zu erfüllende Voraussetzungen oder Handlungs-Schritte), oder deren Einsatz im Rahmen unserer Lebens- und Arbeitsbedingungen zu riskant ist, schlicht aus dem Mittel- und Verfahrensinventar (zumindest für bestimmte Zwecke und Situationen) herausfallen würden.
Die allererste Näherungsformel, deren wir uns früher bedienten, um Planung und Lernen unter Normalerwartungen zu charakterisieren, war: Plan- und Lernverfahren werden (fehlerhafterweise) behandelt wie die Mittel und technischen Verfahren, deren zweckmässig kombinierten und situationsgerechten Einsatz diese Pläne und Lernverfahren gestalten sollen. Und wie man jetzt sieht, lief das auf nichts andres hinaus als zu sagen: Pläne und Lernverfahren werden, unter Normalerwartungen, behandelt, als wären sie hinsichtlich ihrer Erfolgswahrscheinlichkeit so bekannt, bestätigt, handhabbar und zuverlässig wie die in ihnen zweckmässig kombinierten Mittel und technischen Verfahren (die andernfalls ihre Einordnung als Mittel und Verfahren nicht verdienten).

16.
Als wir wiederum oben in den ersten Abss. dieses Kapitels Bestimmungen einführten, die denen für „Mittel und Verfahren“ analog sein sollten, aber sich auf die Welt, als allgemeinstes Inventar aller Voraussetzungen für mögliche Mittel und Verfahren, guter wie schlechter, beziehen sollten: Da konnten wir nicht so gut von Chancen und Risiken DER Welt, als Ganzer, sprechen, wie es bei Mitteln der Fall war; die Welt hat eben nicht nochmal ein Verhältnis zu externen Randbedingungen, mit denen sie zusammenarbeiten könnte, derart dass sich ihre Gefährlichkeit (Risikoträchtigkeit) und Nützlichkeit (Chancenhaftigkeit) für diverse Zwecke, unter diversen solchen Randbedingungen, wie bei einem Mittel, erst ergäbe; die Welt HAT keine Randbedingungen, sie IST allgemeine Randbedingung unseres (damit „zusammenarbeitenden“) Mitteleinsatzes, allgemeiner gesprochen aber: unseres Handelns. Wir können die Welt auch nicht wechseln, höchstens unsere Aufenthaltsorte IN ihr; aber die Gesamtheit der Orte ist begrenzt, und nur EINE, eben DIE Welt. (Diese EINE Welt ist dann freilich auch so etwas wie die Gesamtheit der möglichen Mittel, mitsamt ihren Chancen, Risiken und Aufwänden – Gesamtchance, Gesamtrisiko, Gesamt-Anforderungs-Niveau – absolute Grenze unserer Reproduktion und ihrer möglichen Verbesserung, den wir allenfalls in dieser Welt erzielen können; eben diese Grenze wiederum versuchen wir ja im „Optimum“, wenigstens vorläufig, und bezogen auf unseren gegenwärtigen Ressourcen- und Wissen-wie-Vorrat, zu schätzen).
Unsere Pläne, die Normalpraxis scheinen, mit ihren Bestimmungen, irgendwie in der Mitte zwischen den analogen Bestimmungen für Mittel und Welt zu stehen: Sie sind irgendwie auch „gesamthaft“, wie die Welt – zielen ja darauf, das Gesamt der in der Welt uns begegnenden Gefahren und Nutzen, das „Mass des Entgegenkommens“, zu schätzen; aber auch variabel, wie Mittel; nur nicht so verlässlich, wie diese, aus begrifflichen Gründen, es sind. Die Welt wiederum ist zwar nicht „sicher“ oder „gewiss“, weil sie nicht nochmal Verhältnisse zu etwas Objektivem unterhält, sondern selbst dies Objektive IST. Wohl aber kann sie „unberechenbar“ sein, und „zu anspruchsvoll“ – hier „unterhält“ sie ein Verhältnis zu Subjektivem von uns, oder besser, wir, mit unseren Ressourcen (dem sicher verfügbaren, und vielfältig abwandelbarem Können) zu ihr: Unser Unwissen von ihrer Unberechenbarkeit kann die Welt noch unberechenbarer machen (aber auch berechenbarer erscheinen lassen), als sie objektiv ist; unsere ungeschickten Zugangsformen können sie anspruchsvoller (aber auch, umgekehrt, einfacher) erscheinen lassen (unserem Tun mehr, oder auch weniger, Bedingungen stellend), als es, bezogen auf den betreffenden Zweck, sein müsste. Ingesamt scheinen unsere Pläne, Normalpraxis, einschliesslich der Versuche, die wir machen, ein zweckmässig zu gestaltendes oder zu wählendes Mittel, unter dieser allgemeinen Randbedingung, die die vorhandene Welt (soweit sie uns betrifft: Umgebung) ist, die nächstliegenden objektiven Möglichkeiten zu Reproduktion und Überschuss, und auch alle sich daran anschliessenden, soweit auszunutzen, dass wir sie nicht über- oder unterschreiten, sondern exakt treffen. Dabei sind diese Pläne auch solche für Wissenserwerb und Wissensausweitung, sollen zugleich aber schon Wissens-Anwendung, und produktives Wirken in die „ungefähr richtige Richtung“ sein.

17.
Genau dies ist die Betrachtungsweise, die wir dem Planen unter Normalerwartungen, und seiner Lernstrategie, zugeschrieben hatten: Die Richtung kann sich nicht als GANZ verkehrt herausstellen; zusätzliche Information kann sie nur noch punktuell abändern und präzisieren; mit einem Wort: Vorhandenes Wissen, wie es sich in unserer Normalpraxis niederschlägt, bildet die Welt nicht nur – wenn auch nur grob und annähernd – tendenziell richtig ab, dh. stellt eine ungefähr angemessene Reaktion auf sie und Umgangsweise mit ihr dar – es macht, eben dadurch, auch eine VORGABE, in welche Richtung weiter zu suchen und zu versuchen ist. Kurz: Das vorhandene Wissen steuert den Erwerb des noch hinzukommenden; aus dem, was man weiss (und immerzu weiter dazu-erfährt, und dann weiss), lässt sich ungefähr abschätzen, was noch zu wissen sein wird; zumindest in gewissen Hinsichten, und die schlagen sich eben in den erfahrungsbegründeten Regeln nieder, wie und wie lang, entlang welcher Kriterien, wir Versuche anstellen wollen – also den Lernregeln unter Normalerwartungen – aus Erfahrung gelernten und verbesserten Regeln, wie und was (ab jetzt) (noch) am besten (dazu) zu lernen ist. Das „hypothetische“ Optimum, die hypothetischen Regeln der Gefahren-, also Überschuss-Schätzung für alle vorkommenden Situationen, und die „Lernregeln“ im oben angegebenen Sinn: Sie stellen die Gesamt-Lernregel, eine Art Momentan-Hypothese dar, wie man der (vorhandenen) Welt, sich reproduzierend, produzierend, und lernend, dies zu tun, am besten gerecht wird. Nicht nur wird alles Versuchen, das explizit in dieser Praxis vorkommt, wie sich in Kap.3 zeigte, qualitativ und quantitativ durch Erwartungen gelenkt (die sogar ihrerseits erfahrungsabhängig sein sollen); dasselbe gilt für den Versuch, den die komplette Praxis selbst, Routine- wie Versuchssektor zusammengenommen, notgedrungen darstellt. Sie IST ein Versuch; die obersten Prinzipien, durch die die Praxis bestimmt wird – ihre Optimum- und Überschuss-Bestimmungsregeln ebenso wie ihre expliziten Lernregeln – , SIND ZUSAMMEN DIE OBERSTE LERNREGEL, ODER LERNSTRATEGIE dieser Planungsweise; und zwar so, dass auch dieser Versuch, den die Praxis als ganze darstellt, als ein Probieren aufgefasst wird: ein Probieren, durch Erfolg und Misserfolg (gemessen an Bestätigungen und Nicht-Bestätigungen von Erwartungen) das Gesamt-Erwartungssystem einem Optimalwert, der der Welt angemessen wäre, immer mehr anzunähern. (Dies sind alles nur Erinnerungen an so ähnlich bereits Gesagtes.)

18.
Der Plan, die Normal-Praxis, der Fortschrittspfad, der sich daraus ergibt, mit ihrem integrierten Gesamtsystem von Erwartungen: all das wird behandelt wie ein Mittel – Inhalt eines „gewissen“ Könnens und Wissens-wie; das war, nochmals gesagt, die erste Annäherung an eine Fehlerformel für Planung und Lernen unter Normalerwartungen. Dies Können ist relativ perfekt, kann aber durch geschickte, „probierend-optimierende“ Erfahrungsauswertung auf Dauer einem Optimalwert angenähert werden: das war die zweite Näherungsformel. Jetzt rekonstruieren wir den Fehler, in dritter, noch präziserer Näherung, folgendermassen: Die Welt als Ganze wird als Korrelat eines optimalen normalpraktischen Erwartungssystems unterstellt; das gegenwärtige System verfehlt die idealen, dieser Welt maximal angepassten Werte, bewegt sich aber (sonst würde es ja nicht funktionieren) in ihrer Nähe; die Dimensionen, für die die Idealwerte gefunden werden könnten, und für die im gegenwärtigen Erwartungsystem bereits hypothetische Schätzwerte unterstellt sind, müssten dann etwa so beschrieben werden:
a) Mass der (Un)Zuverlässigkeit oder Regularität nicht kontrollierter (Rand)Bedingungen;
b) Mass der (Un)Spezifik oder Komplexität der Bedingungen, von denen Kontrollierbarkeit auf dem gewählten Fortschrittspfad bzw. der Reproduktion abhängt;
c) Mass der Ressourcen-Verbrauchsintensität oder Gesamtanforderung, die die Welt an bestimmte Aufgabenlösungen (seien es reproduktive oder produktive) stellt.
Wären die technischen Eigenschaften (Risiko-, Nutzbarkeits- und Aufwendigkeitsprofile) aller unserer Mittel und Verfahren für alle möglichen Umgebungen vollständig bekannt, und würden, umgekehrt, für alle nur denkbaren Aufgaben (objektive Chancen und Risiken: Liste 2 in 1/2) Problemlösungen in Gestalt von geeigneten Mittel- und Verfahrenskombinationen (Aggregate, Sequenzen usw.) existieren, dann wären Pläne allerdings nichts andres als riesige und weitverzweigte Verfahren und Mittelanwendungen zur Lösung dieser Aufgaben: Es käme nur darauf an, einen optimalen, den hypothetischen Umständen maximal angepassten, die bekannten Risiken unterwegs optimal minimierenden und vorweg sich bietende Chancen optimal nutzenden, alle Optionen optimal aufeinander abstimmenden und miteinander integrierenden Fortschrittspfad durch das dann sich vor uns ausbreitende Gelände an produktiven Möglichkeiten zu legen. Stattdessen müssen wir leider feststellen: Unsere Mittel und Verfahren können als solche nur annäherungsweise gelten; wir kennen ihr technisches Profil nicht vollständig, vor allem aber kennen wir die Umgebungsbedingungen nicht vollständig, mit denen diese Mittel und Verfahren in nutzbringender, möglichst zuverlässiger und wenig aufwendiger Weise zusammenarbeiten sollen.
Die im Planen und dem ihm untergeordneten Lernen unter Normalerwartungen implizit umgesetzte Auffassung des Versuchens als Probieren war nur unter Tricks (vgl. 3/9) aufrechtzuerhalten – der Trick bestand dabei im wesentlichen darin, die in der Normalpraxis enthaltenen Erwartungen für massgebliche, und dem Versuchen sinnvoll Grenzen ziehende (es, wie im eigentlichen Probieren, abkürzende) zu nehmen – oder aber gleich auf Reserve-Erwartungen überzugehen, die jederzeit, weit „nach oben“ gestaffelt, bereitstanden, wenn die nächstliegenden durch glückliche oder unglückliche Überraschungen oder Versuchsausgänge positiv oder negativ enttäuscht wurden. (In Gestalt der Gewichtung von Versuchs-Gütekriterien und Abbruch-Regeln, also der spezifischen Lernregel-Abteilung der Normalpraxis, wurde ein „Wissen(-wie)“ oder eine vorläufige Erwartung hinsichtlich der angemessenen Reihenfolge von Versuchen formuliert.)

19.
Aber diese Tricks helfen spätestens nicht weiter, wenn es um regionale oder globale Erwartungsparameter der HÖCHSTEN Kategorie geht: nämlich eben die Schätzwerte für a-c in der Welt bzw. relevanten Ausschnitten, für jeweils in ihr anstehende Mitteleinsätze und Verfahren. Aus den technischen Profilen können wir, angesichts unserer Unbekanntheit mit der Welt, diese Schätzwerte nicht erschliessen; die probierende Versuchspraxis schöpft nur implizit schon vorhandene Schätzwerte aus, solange wir ein nicht widerlegtes Ausgangsvertrauen in sie setzen. Aber wie, wenn diese Schätzwerte sich als änderungs- und anpassungsbedürftig erweisen? Das geschieht spätestens, wenn „untergeordnete“ Erwartungen sich nicht mehr halten lassen, und diese ihre Unhaltbarkeit „nach oben“ durchschlägt.
Die Absätze 5ff. oben zeigten, dass unser Planen sich nicht einfach mit dem mangelhaften Wissen um technische Profile der verfügbaren Mittel oder Chancenhaftigkeit und Riskantheit der Randbedingungen abfinden kann: Dies Planen muss ein Budget aufteilen, Gesamtaufwände für Einzelzwecke schätzen, die zusammengenommen den jeweils verfügbaren knappen Geamtvorrrat nicht überschreiten dürfen (es sei denn, er wird, wieder mit Rückwirkungen anderswohin, Zeitverzögerungen usw. produktiv ausgeweitet usw.). Unerwartete Misserfolge und Erfolge, die auf verschiedenen Gebieten GLEICHZEITIG stattfinden, können plötzliche kumulative Rückwirkungen für die Gesamtplanung entfalten, vor allem auch solche mit „Schwellencharakter“, die in keinem der beteiligten Einzel-Fälle bereits als Möglichkeit enthalten waren. Solche Schwellen für reproduktive und produktive Plan-Abteilungen waren beispielsweise die sich akkumulierenden, einzeln bewältigbaren Schäden des Abs. 1/5; oder die technischen Schwellen des Abs.1/11, jenseits deren ganz andere Aufgabenlösungen ins Auge gefasst werden müssen – was dann nicht nur für notwendige Schadensabwehr, sondern vielleicht auch für mögliche produktive Optionen gilt: Jenseits gewisser Grenzwerte für günstige Bedingungen, vor allem aber wieder: Kombinationen solcher Bedingungen, die nicht vorhersehbar waren, eröffnen sich unter Umständen gänzlich neue und andere technische Optionen, mit unübersehbar weitreichenden direkten und indirekten Rückwirkungen für Aufgabenlösungen der verschiedensten Art.

20.
Wir MÜSSEN planen; aber die Vielzahl der Mittel- und Verfahrenskombinationen, ihre wechselseitige Abhängigkeit in produktiven Kreisläufen, die Unzuverlässigkeit und vielfältige Bedingtheit des nützlichen und schädlichen Zusammenwirkens der Mittelanwendungs- und Verfahrensaggregate und -Sequenzen mit entgegenkommenden und hinderlichen Umgebungsumständen überfordert unsere Prognosefähigkeit – selbst, wenn wir relativ gut über technische Gebrauchseigenschaften der meisten unserer Mittel und Verfahren Bescheid wissen.
Die Eigenschaft der INTEGRIERTHEIT, Wohlabgestimmtheit der (re)produktiven Handlungen unseres Gesamtplans untereinander und mit der Umgebung (sofern sie bleibt, wie sie war) ist dann eine keineswegs selbstverständliche Errungenschaft, in die man nicht ohne gute Gründe eingreift. In gewissem Sinn ist sie eine SELBSTÄNDIGE technische Grösse, deren Beschaffenheit hinzunehmen ist, und von der wir wissen, dass sie im Grund in Einzel-Tatbeständen verankert ist, über die wir in vielfältiger Weise Kontrolle ausüben, oder die wir kennen; nur eben das Zusammenwirken und die Art ihrer Bedingtheit durch unübersehbar viele Einzel-Momente überblicken wir nicht. Mit anderen Worten: Der Zusammenhang verschiedener Ebenen unserer Planung entzieht sich unserer Kontrolle; das UM-ZU bzw. DADURCH-DASS ist nur im Prinzip durchschaut und erklärt, nicht aber im einzelnen. Das aber heisst: Die Handlungsabhängigkeit und Kontrollierbarkeit gerade der lebenswichtigsten Plan-Ziele: Reproduktion als Ganze, Fortschritts-Geschwindigkeit, Aufwands-Verteilung steht in Frage; die Handlungen und Verfahren der Durchführungsebene sind gewiss NOTWENDIG; aber um hinreichende Auswirkungen unseres Handelns auf die eigentlich existenziellen Globalparameter zu bestimmen, reicht unsere Kontrolle über dieses Handeln als ganzes nicht aus, vor allem, wo es in komplexe Interdependenzen einzelner seiner Abteilungen untereinander und mit der Umgebung verstrickt ist – die ihrerseits vielerlei Zusammenballungen von komplexen Randbedingungen (sowohl günstiger als als ungünstiger Art) aufweisen kann, von deren besonderer Gestalt im einzelnen sehr viel abhängt.

21.
Und doch muss der um die Erhaltung des ihm Wichtigsten (dessen, was wir provisorisch als „Selbst“ bezeichnen) Besorgte und dafür Planende immer wieder sein Budget aufteilen, und existenziell bedeutsame Entscheidungen treffen: Soll er dies tun, dadurch jenes unterlassen müssen; soll er jenes unterlassen, der Risiken wegen, oder es wagen, um sich die Chance nicht entgehen zu lassen? Immer wieder muss er, angesichts von Unsicherheit, den Versuchscharakter seines Tuns bedenken, den dafür nötigen Aufwand kalkulieren – abgesehen von Überraschungen, abgesehen von jenem Aufwand an Ressourcen, der schon für seine Routine-Reproduktion benötigt werden mag, und der ihm umfangreich genug erscheint; dazu kommt der Aufwand für nicht hinreichend bestätigte Verfahren und Vorgehensweisen; für nicht hinreichend bekannte Risiken, aber auch Chancen, aufgrund der Irregularität von Randbedingungen; Aufwand für undurchschaubar komplexe Bedingtheiten, auch Durchführungsbedingungen, und Abhängigkeiten seines Handelns. Darum die Wichtigkeit von möglichst niedrigen Routine-Anforderungen einer Umgebung an das Ressourcen-Budget, möglichst hoher Regularität, möglichst grosser Einfachheit der Verfahren und somit geringer Anfälligkeit (Abhängigkeit von möglichst wenig günstigen oder auch vielen alternativen (Überraschbarkeit!, Substituierbarkeit!) Randbedingungen, Vorbereitungen, Vorprodukten, Schritten der Durchführung usw.). Diese Eigenschaften mögen durch technische Profile einzelner Verfahren und Mittel ebenso wie einzelner Umgebungsumstände, die wiederum mit diesen Mitteln zusammenarbeiten, begünstigt werden; reichen aber weit über solche Einzel-Effekte hinaus, denn hier sind Chancen, dh. Erfolgs-, und Risiken, dh. Misserfolgs-Bedingungen, schliesslich auch Anforderungen an das Gesamtbudget angesprochen, die sich mit grösseren Abteilungen seiner Gesamtpraxis verbinden, und mit den ganzen Synergie- und Bedingtheits-Zusammenhängen, durch die eine solche Praxis sich, selbst wenn sie als komplexes „Instrument“ gedacht wird, vom Einsatz einzelner Mittel und Verfahren, gewissermassen Praxis-Fragmenten, unterscheidet. Ein solcher Mittel- und Verfahrenseinsatz ist in der Tat unter variablen Randbedingungen variierbar; eine Gesamtpraxis-Abteilung oder gar die Gesamtpraxis selbst hingegen, ihr Ressourcen-Budget und seine Aufteilung, die (kumulative) Risikoträchtigkeit (angesichts von Interdependenz), die Frage der Reichweite von Chancen und ihrer Erprobung, und die Frage der mit ihnen verbundenden Erfolgs- und Misserfolgsbedingungen, sowie wiederum deren Anforderungen an das Gesamtbudget, Regularität, Komplexität, lassen sich nicht so einfach auf jenen Grad relativer Überschaubarkeit zurückführen, wie er auf der Ebene der Gütekriterien von Mitteln und Verfahren, oder der Schwankungsbreiten, Verteilungen, Häufungen von Chancen, Risiken, Vor- und Anzeichen sowie (nicht selbst erzeugbaren) Bedingungen der Beeinflussbarkeit herrscht.

22.
Ein im vorgesehenen Rahmen auch durch Versuchen nicht beherrschbares Versagen von Erwartungen auf einer handlungs-nahen, „tieferen“ und darum überschaubareren Ebene, wenn es „nach oben durchgereicht“ wird, ist insofern einordenbar, und hinsichtlich der ausgefallenen Parameter bekannt; es kann auf der „höheren“ UM-ZU-Ebene kompensiert werden, indem die zugehörigen Pläne und Fortschrittspfade unter Verwendung alternativer, spätestens nach der neuen (besser, schlimmer als erwarteten) Erfahrung sich anbietender oder gebotener Optionen   so weiträumig umgebaut werden, dass auf der Durchführungs- oder DADURCH-DASS-Ebene eine neue reproduktive oder Fortschrittspraxis entsteht, die mit der hereingebrochenen neuen Erfahrung vereinbar ist. Aber daneben gibt es, wie sich nun zeigt, auch die unerwarteten Entwicklungen auf der UM-ZU-Ebene selbst: Jene, die durch unübersehbares Zusammenwirken und unauflösliche Bedingtheiten auf der DADURCH-DASS-Ebene entstehen. Auch in solchen Komplex-Verläufen könnten Regularitäten (zB. Zyklen, Verteilungen) und Bedingtheiten (Anzeichen, angezeigte Chancen der Beeinflussung, Kontrollmöglichkeiten) verborgen sein, die durch langfristige Beobachtung aufgedeckt werden könnten (Wetterkalender; astronomische Konstellationen, wie Sonnenfinsternisse). Man könnte diese Eingriffsmöglichkeiten zweiten Grades als solche bezeichnen, durch deren Nutzung man „sicherstellt, dass die auf der eigentlichen Handlungsebene (DADURCH DASS) angestrebten Effekte auch wirklich eintreten“; sodass sich die unspezifischen Faktoren auf der Komplex-, also UM-ZU- oder „Gelingens“-Ebene darstellen wie allgemein begünstigende, oder Stör-Faktoren für das Geschehen auf der untergeordneten Durchführungs- und Handlungsebene, die sich dort auf eine Weise auswirken, die man im einzelnen nicht nachvollziehen und erklären kann. Mit solchen Faktoren zu rechnen, bedeutet, sich zu einer selbst bei weitestgehender Durchschaubarkeit der Vollzüge auf der technischen oder Handlungsebene weiter bestehenden Rahmen-Ungewissheit zu verhalten; nur dass die Auswirkungen dieser Ungewissheit (und der durch sie versteckten Bedingungen) nicht weiter auf der Handlungsebene gesucht werden, sondern gleich unmittelbar auf der UM-ZU-Ebene, wo sie sichtbar sind; und das, weil die in der Untergliederung der Normalpraxis in ihre technischen Vollzugsabteilungen enthaltenen kategorialen Schemata, um Erfolg oder Misserfolg auf der UM-ZU-Ebene durch Vorgänge auf der DADURCH-DASS-Handlungsebene zu erklären („dies ist so gekommen, oder könnte so gekommen sein, weil… oder dadurch, dass wir soundso gehandelt haben; wir könnten stattdessen…), erschöpft sind.

23.
In dieser Denkweise tritt die höhere Ebene als eine, auf der Beobachtungs-, Versuchs- und Wirk-Operationen im Rahmen des Rezeptschemas ansetzen können, NEBEN die im engeren Sinne technischen, Handlungs- und Durchführungsebenen. Die Art des Operierens, oder auch die Art der Ereignisse, Beobachtungen, Versuche, Wirkhandlungen und vor allem auch das noch bestehende Unwissen auf der DADURCH-DASS-Ebene erklären alle nicht vollständig Erfolg oder Misserfolg auf der UM-ZU-Ebene, und sind insgesamt nur notwendige, nicht notwendig-hinreichende Bedingung. Die erfolgs-bezogenen Aktivitäten nach dem Rezeptschema auf der DADURCH-DASS-Ebene und ihre Rezepte müssen dann ergänzt werden durch die eigenen Schwankungsbreiten, Häufigkeiten und Verteilungen, An- und Vorzeichen, Chancen und Kontrollvoraussetzungen für Erfolg bzw. Misserfolg dieser UM-ZU-Ebene, die zusätzlich, im radikalsten Fall sogar unabhängig von denen der DADURCH-DASS-Ebene (wenn dort die Rezeptvorschriften befolgt werden „so wie immer (bisher)“), einzuhalten und im Handeln zu berücksichtigen sind.
Hierbei nun haben wir es, im Gegensatz zu der Strategie des vorgehenden Abs., mit einer echten, „nach oben durchgereichten“ Problem-Bewältigung zu tun: Das Problem der relativ unbefriedigenden Erfolgskontrolle auf der eigentlich technischen Ebene, also auch das Problem der Ungewissheit dort, soll, durch Anwendung der bekannten einfachen, qualitativen Such- und Versuchs-Strategien, wie in 4/20 beschrieben, auf der nächsthöheren Ebene gelöst werden.
Das Resultat sind Erwartungen, oder – im Fall von, aus solchen Beobachtungen und Versuchen sich ergebender vermeintlicher Kontroll-Möglichkeiten – sogar Techniken (Mittel, Verfahren), die unmittelbar unserem intuitiven Begriff abergläubischer Prognosen und Erwartungen bzw. magischer Wirk-Handlungen entsprechen.

24.
Diese Beobachtungs-, Verwertungs-, Forschungs- und Versuchs-, also Lernstrategie, und mithin, wenn sie vermeintlich erfolgreich ist, auch Wirk-Strategie beruht, wie man sieht, auf einer praktischen Gleich-Behandlung, und gedanklichen NEBEN-Ordnung von Kategorien, die – zumindest theoretisch – eigentlich ein striktes Über/Unterordnungs-Verhältnis unterhalten; oder, wie man auch sagen könnte: es behandelt als unabhängig (nämlich die höheren Ebenen, jenseits der rein technischen), was eigentlich von anderem abhängt – nur, dass man eben nicht weiss, wie. Der Rahmen, worin diese Gleich-Behandlung sich vollzieht, war bisher, in der Darstellung des Abs.23 eben, ein reparativer; es mussten Erwartungen positiv oder negativ auf der DADURCH-DASS-Ebene enttäuscht werden, und dazuhin die Möglichkeiten, Erfolg und Misserfolg auf der DADURCH-DASS-Ebene zu erklären, sich erschöpft haben (oder Nachforschungen und Versuche zur Erprobung der Konsequenz solcher (Versäumnis-)Erklärungen waren zu aufwendig), damit das Bedürfnis nach zusätzlicher Bewältigung auf der UM-ZU-Ebene entsteht. In einem nicht nur reaktiv-reparativen, sondern „produktiven“ Sinn kann diese Entwicklung vorweggenommen, und das bereits bekannte (Unzufriedenheit erregende) Ausmass an Nicht-Bewältigung auf der DADURCH-DASS-Ebene zum Ausgangspunkt für Gegenmassnahmen oder „lohnender“ Versuche (Nachforschungen, Beobachtungsverwertungen) genommen werden. Auch hinter dieser Einstellung stehen Erwartungen, und zwar solche, die offensichtlich ein „Normalmass“ an Gesamt-Bewältigung auf der mittleren Ebene (eines ganzen Tätigkeitsbereichs) unterstellen, welches durch die vorhandene Durchführungspraxis (auf der untersten, technischen Ebene) in Besorgnis erregender Weise unter- oder überschritten wird:
Die Durchführung ist (im Zuge von Überraschungen) insgesamt „zu leicht“ geworden – „das alles geht zu gut, als dass es ewig so weitergehen könnte“ – man argwöhnt Rückschläge; oder „zu schwer“ – „das alles war doch früher schon wesentlich leichter, und könnte oder sollte wenigstens annähernd wieder so werden“. Schliesslich könnte es sein, dass horizontal (durch Analogie mit anderen, für gleich oder ähnlich gelagert wie der vorliegende  erklärte Tätigkeitsbereiche), oder durch Berechnung eines „Normal“-Erwartungswerts von einer noch höheren Ebene her, solche Missverhältnisse zu den tatsächlich bestehenden Erfolgs- oder Misserfolgsraten der gegebnen Ebene (des vorliegenden Tätigkeitsbereichs) bestehen, dass sich die Planenden dazu entschliessen, die Erwartungswerte ihrer Praxis dem vorgegebenen (und „angemessen“ erscheinenden) Wert anzunähern. – In den Mass-Begriffen:
– Gesamt-Aufwendigkeit (1)
– Bewährtheit (2) =subjektive Bekanntheit/Bestätigtheit+objektive Berechenbarkeit/Kontrollierbarkeit von Randbedingungen
– Spezifik (3) = Zahl der Rand-Bedingungen, von denen Teile der Gesamt-Praxis oder diese selber abhängen ((Gesamt-Bewältigungsfähigkeit= (2) + (3), „Vorteilhaftigkeit“= (1)+(3) ))
liegen Dimensionen vor, in denen sich nicht nur diese Missverhältnisse formulieren, sondern auch die Beiträge einzelner „Anpassungsmassnahmen“ zu ihrer Reduktion quantitativ abschätzen lassen; und das sowohl auf der technischen, als auch auf der eigentlich zu beurteilenden (und auf nicht ganz durchschaubare Weise von den in ihrer Durchführung angewandten Techniken abhängigen) Tätigkeitsbereichs-Ebene, wo diese Massnahmen (wie das Ausnutzen vermeintlicher Bedingungen, Anzeichen, Schwankungsbreiten von Gesamt-Aufwendigkeit und Gesamt-Bewältigbarkeit der Tätigkeitsbereichs-Ebene, oder darauf bezügliche Versuche), auch wenn sie „produktiv“ sein sollen, einen notwendig abergläubischen und magischen Charakter annehmen, nicht anders als zuvor in der reparativen Version.

25.
Technische Chancen-, Risiko- und Anforderungsprofile von Mitteln und Verfahren einerseits, objektive Randbedingungen (von Schwankungsbreiten bis Kontrollierbarkeits-Bedingungen; sie können ebenfalls als Chancen, Risiken und (objektive) Anforderungen für mögliche, in und mit ihnen arbeitende Praktiken betrachtet werden) andererseits sind – in gewissen Grenzen – dauerhafte Dispositionen, und begründen (im Rahmen des Rezeptwissens, in dem sich die Kenntnis von ihnen niederschlägt) bedingte Erwartungen, die viel Freiheit zu verschiedensten Arten ihrer Nutzung eröffnen. Verschmelzung von Mitteln und Verfahren mit konkreten Randbedingungen in einer „Anwendung“, und Integration vieler dieser einzelnen Anwendungen in konkreten, technischen Plänen und Durchführungen lässt das hinsichtlich Chancen, Risiken und Anforderungen bestimmte einzelne Profil zurücktreten zugunsten der genannten Globalparameter, die die Leistungsfähigkeit der komplexen Lösung einer übergreifenden Aufgabe (der konkreten Art der Umsetzung oder Durchführung in einem „Tätigkeitsbereich“), auch bezogen auf eine Gesamtreproduktion, misst: Aufwendigkeit (gemessen in Verbrauchsraten hinsichtlich – im Rahmen der Gesamtreproduktion knapper – Ressourcen) und Bewältigbarkeit.
In diesen Grössen kann dann unterschiedslos gemessen werden:
– der Einfluss der technischen Profile einzelner Anwendungen oder sogar von Verfahren und Randbedingungen in ihrem Einfluss auf die Globalparameter des Tätigkeitsbereichs, in dem oder für den sie eingesetzt werden (viele Einzel-Techniken und Verfahren sind allerdings nicht nur einem Tätigkeitsbereich oder -Zweck zugeordnet!); ebensosehr aber auch
– der Effekt umfangreicherer Umstellungen von ganzen Plänen und Produktionslinien, oder eben auch
– der Effekt der (in abergläubischer oder magischer Weise auf die betreffenden Globalparameter zielenden) „unmittelbaren“ Anpassungsmassnahmen auf der Ziel-, also Tätigkeitsbereichs-Ebene selbst (Schwankungsbreiten bis hin zu Kontrollbedingungen für erfolgreiche Durchführung der Aufgabe dieser Zielebene).
In den Global-Aufgaben-bezogenen Parametern hat man also Grössen, deren Annäherung an den der jeweiligen Umgebung maximal angepassten Zielwert bei Massnahmen oder Versuchen der verschiedensten Art durch die immer gleichen Messgrössen bestimmt werden kann. Wie bei den Gewissheits- und Wahrscheinlichkeits-Werten der Erwartungen in technischen Verfahrens-Profilen, äusseren Randbedingungen, und den daraus sich ergebenden Erfolgs- und Aufwands-Erwartungen für Anwendungen, ergeben sich – mehr oder weniger grob oder fein kalibriert – quantitativ variable, und zugleich qualitativ unterschiedene Summen- und Global-Erwartungen für verschiedene Arten von Erfolgs- und Misserfolgsquellen (Aufwendigkeit, Bewältigbarkeit= Grad der Gewissheit, Zahl und Vielfalt der relevanten Randbedingungen) auf der „mittleren“ Stufe der Aufgabenlösungen und Tätigkeitsbereiche, die dem „richtigen“ und der bestehenden Umgebung dauerhaft angemessenen Wert angepasst werden, und im Mass, wie Effekte auf der UM-ZU-Ebene nicht mit dem Zusammenwirken von Handlungen und Kausalfaktoren (Mitteln, Randbedingungen) der darunter liegenden DADURCH-DASS-Ausführungsebenen erklärt werden können, auch nicht aus den technischen Erwartungs-Werten aller beteiligten Anwendungen allein (wohl aber aus ihnen mit-) errechnet werden können.

26.
Der Sprung von Erwartungen des „unteren“, „technischen“ Typs zu Erwartungen des „mittleren“, „Bereichstyps“ grenzt unter Umständen nicht nur zwei Erwartungsebenen voneinander ab, von denen die eine dem einen, die andre dem andern Typ angehört – es können auch zwei „Stapel“ jeweils „übereinander“-liegender solcher Ebenen, vom gleichen Typ sein. Die oberste noch technisch bestimmte Ebene grenzt dann an die unterste Bereichsebene. Innerhalb der „Stapel“ sind die Erwartungswerte verschiedener übereinander liegender und durch DADURCH-DASS- bzw. umgekehrt UM-ZU-Beziehungen verbundenen Ebenen dieselben, derart dass sich die Werte der höheren Ebene durch die der nächsttieferen bestimmen: Profile höherer technischer Ebenen ergeben sich aus denen der „unter“ ihnen liegenden Durchführungsebenen, Erwartungswerte für Aufwendigkeit und Bewältigbarkeit höherer Bereichsebenen aus denen der unter (per „DADURCH-DASS-“) ihnen liegenden und durch UM-ZU-Beziehungen auf sie zuarbeitenden „Teilbereichs“-Ebenen.
Ein anderer „Sprung“ trennt dann wiederum den Stapel der „Bereichs“-Erwartungen vom mittleren Typ (Aufwendigkeit, Bewältigbarkeit) von den Erwartungen vom „obersten“ oder „Rahmen“-Typ (die allerdings nur noch eine einzige Ebene bilden – keinen „Stapel“): Erwartungen, wie weit wir auf den überhaupt konstruierbaren (vorstell-, denkbaren) Fortschrittspfaden mit unseren produktiven Bemühungen in der gegebnen Umgebung, mit den gegebnen Ressourcen, bestenfalls kommen können (Bestimmung des „Optimums“); wie vorsichtig wir mit den überhaupt in Rechnung zu stellenden, mit unsern Mitteln bewältigbaren Bedrohungen gegebner Reproduktionsniveaus umgehen sollen (Bestimmung des jeweiligen „Überschusses“); wieviel Aufwand wir für (welche?) Versuche und Wissenserwerbe treiben sollen (Bestimmung des „Versuchs“-Anteils am Gesamt-Budget – reparativ oder produktiv, nach unerwarteten Besserungen oder Verschlimmerungen im reproduktiven, oder auch Überschuss-Verwendungsbereich). – Die Rahmen-Ebene scheint sich, gegenüber dem Typus „(Tätigkeits-)Bereichsebene“, noch mehr auf bloss quantitativ bestimmte Festlegungen zu beschränken, nämlich auf das Ziehen von Grenzen innerhalb vorgegebener Skalen von möglichen Teilungen zwischen Reproduktionsnotwendigem und Überschuss, oder zwischen noch für erreichbar und nicht mehr erreichbar gehaltenen Fortschrittsoptionen, oder lohnend und nicht mehr lohnend erscheinenden Experimenten. Die Skalen selbst, nämlich letztlich nur diese beiden: „Schalenfolge“ der Reproduktionsniveaus, also die möglichen „gewissen“ Fortschrittspfade (qualitativ konzipierte Abfolgen, in welche Richtungen ein jeweils bestehendes Reproduktionsniveau als nächstes abgesichert, oder produktiver gemacht werden könnte), einerseits, und die neben ihnen herlaufenden „experimentell auszulotenden“ alternativen Fortschrittsmöglichkeiten, andererseits, müssen – integriert, unter Einbeziehung ALLER Tätigkeitsbereiche, und ihrer „Bereichserwartungswerte“ – schon konstruiert sein; erst dann kann eine Operation stattfinden, die das Gesamtbudget, für jede Fortschritts-, also Reproduktionssituation (-niveau) zwischen Real- und Experimentalsektor (oder einer Hierarchie von solchen Sektoren, mit Regeln, wann zum nächsten überzugehen ist) verteilt, und für jede dieser beiden Skalen Grenzmarken, die an diesen Skalen entlang nach oben oder unten wandern können, an bestimmten Stellen fixiert.

27.
Die Bereichserwartungswerte waren solche, in denen die technischen Profile der in einem Bereich eingesetzten Anwendungen mit nicht unmittelbar aus Einzelanwendungen, sondern aus unüberschaubaren synergistischen und antagonistischen kumulativen Entwicklungen  resultierenden Globaleffekten kommensurabel gemacht, und dadurch etwas wie der „Beitrag“ der Einzelanwendung und ihrer Parameter zum Gesamterfolg oder -misserfolg gemessen werden konnte. Analoges gilt jetzt für die neue Stufe der Gesamt-Praxis, in der alle Tätigkeitsbereiche, ihr „Wachstums- und Fortschrittspotential“, insbesondre aufgrund darauf bezogener Wissenserwerbe, integriert zusammenwirken, um Reproduktion zu sichern, zuverlässig optimal nutzbare Überschüsse zu erzeugen, und für maximale Produktivitätssteigerung, speziell nutzbare Wissenserwerbe (Experimente) einzusetzen. Aufwendigkeit und Bewältigbarkeit in jedem einzelnen Produktions-Bereich werden dann einzeln hinsichtlich ihres Beitrags zu reproduktivem Gesamt-Nutzen, Gesamt-Risiko und (nützlichem) Gesamt-Überschuss, zum andern zu Fortschrittsmöglichkeiten, den gewissen wie den möglicherweise erwartbaren, beurteilt: Aufwendigkeits- und Bewältigbarkeitsprofile stehen dabei im selben Teil-Beitrags-Verhältnis zum globalen Optimum, Überschuss, lohnenden Versuchen, wie die technischen Profile zuvor zu ihnen. Die Transformation eines Werts der Rahmenebene in „als ihm angemessen empfundene“ Aufwendigkeits- und Bewältigbarkeitswerte der einzelnen (Re)Produktions-Bereiche setzt eine Bewertung der Wichtigkeit des Beitrags dieser Bereiche zum erreichbaren Gesamtfortschritt (im Rahmen der vor-konstruierten Fortschrittspfade), zum Risiko auf bestimmten Niveaus und umgekehrt zum Freimachen von relevanten Überschüssen für den geplanten Fortschrittspfad (real wie experimentell) in diesem Bereich voraus. Tiefersetzen eines Rahmenwerts (pessimistischere Einschätzung von Gesamt-Fortschritt, Risiko, Wissenserwerb; je auch für sich) oder Höhersetzen (dasselbe, „optimistischer“) setzt sich dann um in entsprechende Vorgaben für die Einzelbereiche: Man muss besorgter sein wegen relativ zu hoher Aufwendigkeit und zu geringer Bewältigbarkeit, entweder wegen einer angespannteren Risikosituation, oder einer chancenreicheren, aber eben darum auch anspruchsvolleren Gesamtplanung (Optimum höhergesetzt), oder kann, umgekehrt, gelassener sein, womöglich mehr für unsichere Wissenserwerbe einsetzen usw. – Dieselbe Rückwirkung, nur in umgekehrter Richtung, haben dann „nach oben durchgereichte“ Erwartungswert-Änderungen einzelner Bereiche: Sie ändern unter Umständen dramatisch die Gesamt-Fortschritts- und -Risiko-(Bewältigungs)-Schätzung, natürlich auch die inhaltliche Konstruktion des Fortschrittspfades selbst.
(Wieder muss daran erinnert werden, dass die Global-Schätzung der integrierten Auswirkung aller Bereiche mit ihren jeweiligen Bereichswerten auf Optimum, Risiko und Versuchsaufwand, wegen Unübersichtlichkeit hinsichtlich Synergismen und Antagonismen, nicht ausschliesslich in diesen Bereichswerten fundiert sein, umgekehrt nicht einfach mechanisch auf sie zurückwirken kann. Das Mass der Abhängigkeit der Rahmenebene von bestimmten Bereichswerten ist vielmehr, ähnlich wie das einzelner Bereichswerte von den in ihnen eingesetzten Anwendungen, ein Gegenstand empirischer Beobachtung und Experimente – unter diversen Einflussbedingungen, die ihrerseits zu ermitteln wären…)

28.
In dieser dreistufigen Architektur von Erwartungswert-Arten hat jede Etage ein ihr besonders zugeordnetes Versuchsprogramm, eigene Arten von (möglichen) Ungewissheiten, Überraschbarkeiten, Bedingungen der Kontrolle, die allesamt auf der mittleren und oberen Ebene nur teilweise (und auf empirisch erst zu ermittelnde Weisen, wie zuletzt im vorhergehenden Abs. gesagt) mit den Kontrollbedingungen usw. der nächsttieferen Ebene verknüpft sind. Aber ALLEN Erwartungen auf allen diesen Ebenen ist die kategoriale Rezept-Struktur gemeinsam, die macht, dass Bedingungen verschiedener Ebenen zu komplexen Summen-Voraussetzungen von ebenso komplexen Summen-Handlungen und daraus resultierenden Erwartungen zusammengefasst werden können.
Es versteht sich aber, dass an den „Sprüngen“ oder „Brechungs“-Übergängen zwischen den Erwartungswert-Arten die „höheren“ (oder wie sie früher hiessen: Bereichs-Erwartungen, vgl. 4/17, „drittens“ (was dort „themenbezogene“ Bereichs-Erwartung hiess, ist, was in diesem Kap. unter mittlerer, oder Bereichserwartung im engeren Sinn verstanden wird; die generellen Erwartungen für ganze „Praxis-Abteilungen“ in 4/17 sind die höchsten oder „Rahmen-Erwartungen“ im jetzigen Kap.) nicht so ohne weiteres mit ihren Vorgaben die Versuche der nächsttieferen Erwartungswert-Art begrenzen können, wie das in Kap.3 und 4 zur Vortäuschung eines „Probierens“ unterstellt war. An dem unteren der beiden Sprünge oder „Brechungsgrenzen“, zwischen Mittel-Erwartungen und („mittleren“) Bereichs-Erwartungen hatten wir eben, in Gestalt der Dimensionen Aufwendigkeit, Bewältigbarkeit (Grad der (Un)Gewissheit und Bedingtheit), eine Art Kommensurabilität zwischen den beiden verschiedenen Erwartungsarten sich ergeben sehen – mit der Konsequenz, angesichts des „Sprungs“ zwischen den beteiligten Erwartungs-Qualitäten, dass die höheren, nämlich „mittleren“ Bereichserwartungen nur noch mehr oder weniger grobe (und allenfalls empirisch zu präzisierende) Richtungs- und Tendenz-Vorgaben für die Versuchs-Ökonomie auf den „unteren“ technischen Ebenen machen, und so verhält es sich an der anderen Sprung- oder Brechungs-Grenze, zwischen Rahmen-Erwartungen und der Übersetzung in Bereichserwartungen (hinsichtlich dazu passender Aufwendigkeit und Bewältigbarkeit) der verschiedenen, zur Gesamt-Reproduktion, Produktion und Wissensermittlung beitragenden Tätigkeitsbereiche. Analog für „nach oben“ durchschlagende untere Erwartungen: Dies Durchschlagen kann jenseits einer Erwartungsgrenze nur noch Tendenz-Charakter haben.
In dieses Gefüge von allenfalls tendenziellen Zusammenhängen zwischen Erwartungen verschiedener Ebenen greifen dann, ebenso tendenziell, die selbständigen Erfahrungen ein, die man hinsichtlich der Bedingungen für („Gesamt“)-Erfolg oder Misserfolg auf einer der Bereichs-Ebenen oder der Rahmen-Ebene gemacht haben will: Präzise kann ja garnicht gesagt werden, welche Anwendungen oder Bereichs-Resultate im einzelnen durch eine solche (Miss)Erfolgs-Bedingung der höheren (Bereichs- oder Rahmen-)Ebene verbessert oder verschlechtert wurden. „Oft, wenn sich „etwas“ (wodurch, auf der technischen Ebene, kann im einzelnen nicht gesagt werden) (auf der Bereichs- oder Rahmen-Ebene) verbessert, verschlechtert hat, ging dem diesunddies (u.U. auch eine Handlung) voraus…“: So ungefähr sehen die „Beobachtungen“ aus, die zu abergläubischen Prognose-Regeln (dh. Erwartungen) führen; und diese Erwartungen gehen in die „Tendenz“-Vorgabe für die untere Ebene ein, oder die Art, wie diese „tendenziell nach oben durchschlägt“.

29.
Mit all diesen Modifikationen, die sich aus der groben Binnen-Gliederung jeder Normalpraxis ergeben (vor allem: den drei Ebenen aus 2/7!), bleibt die frühere, erste annäherungsweise Rekonstruktion des Fehlers des Lernenwollens entlang von Normalerwartungen gültig: Alle Wissenserwerbe in diesem Lernen, die von Voraussetzungen aus gestartet werden, die allenfalls ein Versuchen zulassen, werden mit Tricks (3/8ff.) in ein vermeintliches Probieren überführt, mit Erwartungen bezüglich der Erfolgsträchtigkeit und erfahrungsgesteuerter Optimierung der Einzelexperimente dieses Probierens hinsichtlich eines unterstellten, maximal angemessenen Zielwertes. – Auf der untersten, technischen Ebene waren diese Tricks ALS Tricks erkennbar; wie wir aber jetzt, nach Durchleuchtung der andern Ebenen der Normalpraxis, sehen, ergibt sich, mit Blick auf die dort aufgeworfenen Probleme, fast von selbst, dass der Wissenserwerb den Charakter eines Probierens annimmt: Indem die qualitative Seite der Versuche (obwohl sie existiert; sogar, wie wir sahen, auf den betreffenden beiden höheren Ebenen selbst) vernachlässigt wird zugunsten der integrierten und den integrierten Erfolg vieler verschiedener Einzel-Massnahmen messenden, rein quantitativen Parameter, die man, entlang einer Rangskala, herauf- oder heruntersetzen kann – wobei der Zusammenhang, speziell in den einzelnen Tätigkeitsbereichen, mit dem eigentlichen, technischen Versuchen, oder versuchten Neu-Anordnungen von Produktions-Prozessen, nie völlig verlorengeht, sondern sich mit diesen Parameter-Skalenwerten, wie sich im vorhergehenden Abs. zeigte, tendenzielle Anweisungen für Versuchs-Durchführung oder Abänderung von Erwartungswerten aufgrund von Erfahrungen auf der tieferen Ebene verbinden. Am stärksten ausgeprägt ist diese Struktur aber natürlich auf der obersten Ebene: Hier scheint es ja kaum noch etwas andres zu geben als Skalenwerte, die man probierend (in der Art, wie es bereits in 2/16 beschrieben wurde) herauf- oder heruntersetzen kann: das Optimum, die Riskantheit und der riskierbare Überschuss, der Aufwand für lohnende Wissenserwerbe und Versuche; oder auch die „Optimalität“ der Optimalerwartungen, die zu grosse oder geringe „Riskantheit“ (Risikofreudigkeit) der Risikoerwartungen und Überschussbildung, die (zu grosse oder geringe) „Aufwendigkeit“ der eingeplanten Versuchsaufwände; jeweils gemessen an einem unterstellten Ziel- und Idealwert, den man verfehlen, dem man sich aber gerade durch das im nachhinein sich zeigende Ausmass des Verfehlens (und die Richtung der Abweichung) auch immer besser annähern lernen kann.

30.
Aber dies Herauf- und Heruntersetzen von Erwartungswerten geschieht dennoch nur im Rahmen des falschen Probierens, bei dem man (vgl. den ersten bzw. zweiten Trick in 3/9) in Abhängigkeit von Erfahrung die Probier-Ziele verändert, um weiter dem Versuchen ein UM-ZU-Ziel, eine Grenze (an der sie zugunsten anderer Versuche aufgegeben werden), und eine Art Regel vorzugeben, welche Konsequenzen (in Gestalt des Übergangs zu anderen, „besseren“ Versuchen) aus den laufenden Versuchsresultaten gezogen werden sollen. – All diese Versuche spielen sich ja normalerweise ausschliesslich auf der untersten, technischen Ebene ab. Und wenn überhaupt auf den höheren Ebenen etwas im engeren Sinn „Technisches“ versucht wird, dann allenfalls etwas in der Art von möglichen Anzeichen oder Bedingungen für Erfolg und Misserfolg auf diesen Ebenen (wie am Ende des vorletzten Abs. beschrieben) – abergläubische Anzeichen, die (versuchsweise) zu beachten, (Kontroll- und Beeinflussbarkeits-) Bedingungen, die (versuchsweise) zu benutzen sind; das aber nur, um, als flankierende Massnahme, Erfolge herbeiführen, und Misserfolge vermeiden zu helfen, die ohne Anstrengungen auf der untersten Ebene selbstverständlich nicht zustandekommen können. Sämtliche sonstigen, auch nur versuchsweisen Änderungen und Experimente spielen sich dort unten, auf der technischen Ebene, ab; auf der Bereichsebene hingegen kommen sie nur vor als veränderte Vorgaben für die integrierten Parameter (grosszügiger oder sparsamer bei Aufwendungen; Bewältigbarkeit des Bereichs erhöhen, oder auch geringe Bewältigbarkeit kann toleriert werden usw.) der beteiligten Einzel-Tätigkeiten des Bereichs, somit auch als indirekter Anstoss oder Begrenzung von Versuchsprogrammen auf der Ebene dieser Einzel-Tätigkeiten; auf der Rahmen-Ebene schliesslich stellt sich der aus Erfahrung „probierend“ dem „wahren Wert immer besser angenäherte“ Global-Parameter (was ist noch lohnend? wie vorsichtig? wieviel Aufwand für Versuche welcher Art?) überhaupt nur dar als Entscheidungsmaxime, die allenfalls so weit angewandt werden kann, wie es (produktive und reproduktive) Plan-Alternativen oder Versuchspläne gibt, zwischen denen man sich entscheiden muss, und die sich aus der Normalpraxis mit dem in ihr vorhandenen Wissen heraus bereits konstruieren lassen.
Denn die Normalpraxis ist ein höchst konservatives Unternehmen (und lässt sich zu gewagteren Innovationen und Experimenten allenfalls durch entsprechend überzeugende Glücks- und Erfolgserfahrungen verleiten); wenn es anders wäre – wo sollte denn das Abwandeln eines Tätigkeitsbereichs, oder der Normalpraxis als ganzer (als Antwort auf die Frage, welche in ALLEN Hinsichten veränderte Normalpraxis, in der gegebnen Umgebung, an ihre Stelle gesetzt werden sollte) ein Ende haben? Nicht nur, dass man nicht wüsste, wo und wie man mit dem potentiellen Abwandeln und Neu-Kombinieren auch nur der aufgrund bekannten Wissens bereits möglichen Alternativen beginnen soll – der Charakter STARK abgewandelter Handlungssysteme, überhaupt die integrierte Bereichs-Leistung, oder gar durch angemessene Integration aller Teil-Bereiche, Reproduktion und Fortschritt sicherzustellen, also Normalpraxis zu sein, steht ja keineswegs von vorneherein fest.
(Dieser Charakter wird, in der probierenden Versuchspraxis aufgrund von Normalerwartungen, genau dadurch halbwegs gewahrt, dass man sich von der vorhandenen Normalpraxis beim Versuchen nie sehr weit entfernt: Je punktueller eine ihrer Abwandlungen ausfällt, und je ähnlicher sie somit der Ausgangspraxis ist, desto sicherer darf man sein, dass sie ebenfalls normal, und Normalpraxis ist. – Wer überleben, also sich reproduzieren will, kann sich nun mal kein wildes Herumexperimentieren mit seinen Existenzgrundlagen leisten.)

31.
Die sehr zurückhaltende und konservative Experimentier- und Innovations-Strategie des Lernens aufgrund von Normalerwartungen scheint somit eher darauf orientiert, sich das Unbekannte und Ungewisse vom Leibe zu halten, und die Einbrüche des Irregulären in die Normalität einzugrenzen und zu integrieren, als dass sie eine offensive, diesem Unbekannten ständig zugewandte Forschungsstrategie darstellt (oder für eine solche Forschungsstrategie von vorneherein einen Anteil des Gesamtbudgets abzweigt). Leider ist eine solch defensive, und allenfalls punktuell „mutwillig“ risiko- und experimentierfreudige Strategie auf Dauer nicht imstande, allen Situationen aus dem Weg zu gehen, in denen sie auf mehr oder weniger dramatische Weise daran erinnert wird, dass ihre Normalität nichts ist als ein winziges, gerade eben (durch integriertes Zusammenwirken seiner Praktiken untereinander und mit der Umgebung) Reproduktion und vielleicht Fortschritt auf sehr prekäre Weise gewährleistendes Stückchen Berechen- und Kontrollierbarkeit in einem Meer von ungekannten Chancen wie Risiken und somit (angesichts der allgegenwärtigen Bedrohtheit unseres Selbst) Versäumnis-Möglichkeiten.
Die Formen, in denen sich die Konfrontation mit dem umgebenden Unbekannten und Ungewissen abspielt und unter Umständen dramatisch zuspitzt, dürften sich im wesentlichen auf folgende drei Grundmuster reduzieren:
a) Die auf Dauer erwartete Konvergenz, vor allem der rein quantitativen Parameter der Rahmen-Ebene, bleibt auch bei immer länger sich erstreckender Erfahrung mit Höher- oder Tiefersetzen, aus. Mit andern Worten, die für das Probieren grundlegende Erwartung, dass es für diese Parameter „richtige“ und „beste“ Werte gibt, die es zu ermitteln gilt, wird enttäuscht.
Daran ändert sich auch nichts, wenn man an eine Abhängigkeit der „richtigen“ oder „besten“ Werte von Anzeichen- und Bedingungs-Konstellationen glaubt, und sich an die Erforschung solcher Zusammenhänge macht: Je komplexer das solche Abhängigkeiten beschreibende Modell, desto undurchführbarer die experimentellen Programme, mit denen man die hypothetischen Erwartungen dieses Modells testen könnte.
b) Die andere Variante des Versagens von Normalpraxis als Basis einer Lernregel besteht in Unglücken, oder auch Versäumnissen von solchen Ausmassen, dass die davon Betroffenen sich unweigerlich die Frage nach den Grundlagen ihrer Erwartungsbildung stellen: Hätte man von etwas so Eingreifendem nicht schon vorher etwas ahnen sollen? Warum hat man mit derartigem nicht gerechnet? Und wie hätte man, im Rahmen der früheren Praxis, darauf kommen sollen?

32.
Ein Versäumnis zeigt sich natürlich am eindrücklichsten in einem unerwartet schwerwiegenden Absturz des Reproduktionsniveaus, bis in die Nähe der Grenze der Reproduktivität. Wenn dies aus einer relativ fortgeschrittenen, gut bewältigbar erscheinenden Situation heraus geschieht, wird – und deshalb sind die Klagen der so Überraschten berechtigt – jenes Kern-Versprechen jeder Normal-Erwartung gebrochen, das wir die ganze Zeit so ausgedrückt haben: Die gegenwärtige Normalpraxis bewegt sich annähernd bereits in der Nähe der „richtigen“ Werte; und: Sie ist das Resultat einer Anwendung derselben Lernstrategie auf bereits in der Vergangenheit angehäufte Erfahrung (und kann nur deshalb so vollständig erscheinen!), wie wir sie auf neu hinzukommende Erfahrung anwenden, um die Normalpraxis zu verbessern. Hinter dieser Formulierung scheint aber ein weitergehendes Versprechen auf, nämlich: Gerade die grundlegendsten, unsere Reproduktion am meisten bedrohenden Ereignisse müssten irgendwie schon bekannt sein. Denn es darf und kann nicht sein, dass solche Versäumnis-Drohungen existieren, deren Bestehen unsere Global-Parameter, wie wir jetzt, nach ihrer Realisierung, feststellen müssen, entscheidend verändert hätten, wenn sie bereits früher bekannt gewesen wären; es darf deswegen nicht sein, weil dieser latente Einfluss der Drohung sich, wenn diese Global-Parameter auch nur annähernd das Gesamt-Erwartungs-Niveau abbilden, auf dem wir operieren dürfen, sich in anderen als den tatsächlich die ganze Zeit von uns benutzten Werten hätte niederschlagen müssen. Mit anderen Worten: Überraschungen dürfen nicht so gross sein wie die vorliegende, wenn an die auch nur annähernde Angemessenheit unserer Erwartungen an die Verhältnisse in unserer Umgebung weiter geglaubt werden soll.

33.
c) EIN Ausdruck der Verzweiflung der in ihren Normal-Erwartungen Getäuschten lautete eben: Wie hätten wir darauf kommen sollen? – Zu ergänzen ist: Im Rahmen unserer Lernstrategie. Die Frage lässt sich dann auch so stellen: Welche andere, bessere Lernstrategie hätte uns rechtzeitig darauf kommen lassen? – Fälle der Art c) unterscheiden sich von den vorhergehenden b) dadurch, dass in einer wichtigen (und sogar weniger entscheidenden, als in b-Fällen) Hinsicht etwas vorher hätte gewusst werden können, wenn man es nur gesucht und versucht hätte.
Während maximal einschneidende (schlimme) Überraschungen also gleich das ganze globale Erwartungs-System der Normalpraxis selbst infragestellen, werfen die minder schweren Fälle dieser Art dieselbe Frage hinsichtlich der Lernstrategie auf; mit derselben, ökonomisches Gewicht mit epistemischer Vorrangigkeit verbindenden Logik, die wir bereits mehrfach beim Umgang mit Normalerwartungen am Werk gesehen haben. Die ausgebliebenen Erwartungen quasi der zweiten Reihe waren dann nicht von jener Wichtigkeit, die ihre (oder „ähnlich gelagerter – solcher dieser Art“) Aufnahme in das Erwartungs-Inventar der Normalpraxis erzwungen hätte; aber eben doch wichtig genug, dass sie der Lernstrategie nicht hätten entgehen dürfen – einer Lernstrategie, deren Versprechen gerade darin besteht, dass mit ihr solche nötigen Wissensinhalte rechtzeitig am rechten Ort bereitgestellt werden. Daher die besonders gegen die Lernstrategie gerichtete Enttäuschung, wenn man „es sehr wohl hätte wissen oder kommen sehen können, wenn man rechtzeitig mit etwas dieser Art gerechnet (und also geforscht, experimentiert usw.) hätte.“

34.
Am schlagendsten aber zeigt sich das Versagen ihres gesamten Planungs- und Lern- also letztlich: kognitiven Systems für die Betroffenen in einer weiteren Klage: NICHTS HAT VORHER DARAUF HINGEDEUTET!
In diesem Satz manifestiert sich die enttäuschte Hoffnung, dass, was der (bisherigen) Normalpraxis (noch) entgangen wäre, spätestens durch die Lernstrategie (rechtzeitig) ermittelt, und als weitergehende, modifizierende, differenzierende, eventuell bisherige Erwartungen nach Bedingungen aufspaltende Erwartung der Normalpraxis hätte angefügt werden können. Voraussetzung wäre aber eben gewesen: Dass es im Erfahrungsverlauf einen Anlass gegeben hätte, der die durchaus vorgesehene Versuchspraxis zur Abwandlung der ursprünglichen, und, wie man jetzt weiss, in dieser Form unangemessenen Normalpraxis rechtzeitig in Gang gesetzt hätte – in Richtung auf eine auf den überraschenden Versäumnisfall besser vorbereitete Variante dieser Praxis. – Hinter dieser Enttäuschung steckt natürlich jene Erwartung, die wir bereits am Ende von Kap.4 als innersten Kern der Lernstrategie des Lernens auf Basis von Normalerwartungen erkannt hatten: Die Welt selbst werde den Weg zu ihrer Erforschung (in Zusammenarbeit mit den Prioritäten, wie sie die gegenwärtig gültigen Lernregeln setzen) angeben – möglichst rechtzeitig; und: Dieser Weg wird über keine andern Zwischenstationen führen als über der Welt immer besser angepasste Varianten der ursprünglichen Normalpraxis.
Es war das Ziel der sämtlichen umständlichen Analysen dieses letzten Kapitels, zu zeigen, dass hinter diesem Anspruch nicht, wie man am Ende von Kap. 4 noch hätte denken können, Mutwille, sondern die blanke Not und Notwendigkeit steht – die Notwendigkeit nämlich, eine vorhandene und nur sehr prekär integrierte Normalpraxis entlang von Erfahrungen, die man IN ihr macht (weil man garnicht Musse genug hat, sehr viel AUSSERHALB ihrer zu tun), in eine Praxis zu überführen, die den Umständen besser angepasst ist als die ursprüngliche, und doch ihren Charakter wahrt, integriert und mit den vorhandenen Ressourcen ohne Absturz unter die Grenze der Reproduktivität, und unter Wahrung von Fortschrittschancen (also Meidung von Stagnation), bewältigbar zu sein (in dem Sinn, den wir mit diesem Begriff im Verlauf dieses Kapitels verbunden haben).

35.
Das Lernen aufgrund von Normalerwartungen kannte zwei Fälle: Entweder, etwas sollte vorher schon bekannt sein – dann musste es eigentlich bereits als „etwas von der Art“ im Rahmen der bisherigen Normalpraxis erwartbar sein; oder, man musste es lernen, und die bisherige Normalpraxis, durchaus im Rahmen von Versuchen, daraufhin abwandeln – aber dann musste es einen vorausgehenden Hinweis in der Erfahrung geben. JETZT stellt es sich so dar, dass man etwas Wichtiges VORHER HÄTTE LERNEN SOLLEN UND KÖNNEN; aber ohne speziellen Erfahrungs-Anlass: Dass man es hätte lernen sollen und können, hätte also gewissermassen auch so, ohne solchen Anlass, schon „bekannt“ sein müssen – dass man es hätte lernen (suchen, versuchen) sollen, aber auch können, hätte selbst ein Bestandteil der bisherigen Normalpraxis sein sollen. – An eindrücklichen Erfahrungen dieses Typs wird denen, die mit Normalpraxis und einer Lernregel der Abänderung dieser Praxis eine komplette Lernstrategie bestreiten wollten, der entscheidende Mangel dieser Art, den Wissenserwerb zu organisieren, bewusst, nämlich das Fehlen einer kategorischen, von Anstössen unabhängigen Forschungsstrategie, und die fehlende Antwort auf die Frage, wann wieviel unsrer immer knappen Ressourcen auf dies „bedingungslose“ Forschen zu verwenden wären.
Von „Forschen“ (Suchen, Versuchen, Hypothesentesten usw.) ist hier auf einmal darum die Rede, weil die Lernstrategie aufgrund von Normalerwartungen das implizite Versprechen enthält, einem dies uferlose Forschen entweder gleich ganz zu ersparen (indem alles zu wissen Wichtige bereits bekannt und in der Normalpraxis umgesetzt ist), oder aber höchst dosiert, ausschliesslich bei gegebenem Anlass in Gang zu setzen, sodass kein überflüssiger, oder auch nur „grundloser“ Wissenserwerb stattfinden braucht – also einer, der die Frage, in verschärfter Form, aufwirft: was in welcher Reihenfolge wie lang zu erproben wäre.

36.
Die drei Fälle a-c sind drei Formen des Scheiterns, die sich zwar an allen drei Formen des für alles Planen nötigen Prioritätensetzens zeigen können, am häufigsten aber scheitert jede der drei Prioritätenbildungs-Bildungsarten an je einer ihr zugeordneten der drei Formen des Scheiterns:
Die Form des Scheiterns c) zeigt sich natürlich vorrangig im Zusammenhang mit dem Versuch, eine „Wissenspräferenz“ zu bilden – also eben genau die Frage am Ende des letzten Abs. zu beantworten: Was in welcher Reihenfolge wie lang versuchen, erforschen etc.?;
die Form des Scheiterns b) zeigt sich am eindrücklichsten im Zusammenhang mit Risiko-Schätzungen oder der Bildung von Risiko-Präferenzen (im Sinn von Kap. 1), also letztlich den Regeln der Bestimmung von Grenzen der Reproduktivität und Überschüssen für die zu durchlaufenden Reproduktionsniveaus;
die Form des Scheiterns a) aber betrifft die Einschätzung des möglichen Optimums.
Auf die Weisen b) und a) zu scheitern, also anders als erwartet, keine Konvergenz auf die relevanten Risiko- und Optimalwerte (oder auch Regeln zu ihrer Bestimmung, die von „realen“ Werten immer weniger abweicht) zu beobachten, heisst umgekehrt: Diese Werte belegen, ohne an irgendeiner Stelle besondere Dichte oder Häufung aufzuweisen, eine im Laufe der Zeit  immer grössere Skala von Ausprägungen: Auch unwahrscheinlichste Glücksfälle kommen vor – solche, die man nie für möglich gehalten hätte; ebenso aber auch unwahrscheinlichste Schadenshäufungen und vernichtende, anhaltende, sich in geradezu absurder Weise steigernde Schicksalsschläge. Mit anderen Worten: Wir müssen mit immer grösseren Schwankungsbreiten hinsichtlich dieser Werte rechnen; und das heisst: die möglichen „Entfernungen“, die wir auf unsren Fortschrittspfaden zurücklegen, werden immer länger: Aus tiefstem, unvorstellbarem Elend kann man zu höchstem Wohlstand und Glück gelangen. Unsere Risikovermeidung muss sich auf unvorstellbar Schlimmstes einstellen, also es eben doch vorstellen; unsere Optimal-Festlegung sich auf ebenso unvorstellbar beste Fälle vorbereiten; es nicht zu tun, kann jedesmal ein Versäumnis sein; es zu tun, nach allem, was wir gesagt haben, leider auch.

37.
Und das gilt um so mehr, je mehr wir in die Konstruktion von Fortschrittspfaden die Möglichkeit des Gelingens schlecht oder sehr schlecht bestätigter, aber im Erfolgsfall dafür um so weiter reichender Techniken einbeziehen, und ebenso die Möglichkeit der Bedrohung durch ebenso schlecht bestätigte (oder auch nur durch Extrapolation und Generalisierung bereits erlebter Schadereignisse denkbare) Gefahren. Die Erfahrung der Nicht-Konvergenz oder Kontingenz, je mehr sie zur Erfahrung der Nicht-Eingrenzbarkeit von schlimmsten Risiken und maximalen Chancen wird, hat zur Konsequenz, dass auch der Einsatz dieser Techniken immer uferloser wird – dass wir, je länger, desto weniger Grund finden, auf den versuchsweisen Einsatz einer denkbaren Technik (vor allem, wenn sie „einfach“ und unaufwendig ist) zu verzichten.
Die Maxime, dass aufgrund der Rezeptlogik („was man erwarten muss oder darf, wenn man in bestimmten Situationen Bestimmtes tut“) beobachtete empirische Zusammenhänge, erst recht nach entsprechenden Generalisierungen, vorrangig verwertet werden müssen nach Massgabe ihres möglichen Nutzeffekts, begünstigt die Selektion abergläubischer Global-Rezepte und -Ängste – zumindest, solange Kontingenz-Erfahrungen gedeutet werden als Ausweitung des Optionen-Spektrums.
Aber was macht uns hier eigentlich so sicher? Warum nur sollen NICHT, entsprechend lange Beobachtung und Aufzeichnung vorausgesetzt, die Optimalwerte konvergieren? Warum NICHT sich die beobachteten Schadens-Ursachen eingrenzen lassen (und NICHT immer wieder neue und andere auftauchen)? Warum ist es AUSGESCHLOSSEN, dass es – immer entsprechend lange Beobachtungszeiträume und „sinnvolle“ Generalisierung von beobachteten Zusammenhängen vorausgesetzt – Parameter gibt, an denen man die relative Erfolgsträchtigkeit von Wissenserwerben (Forschungs-Vorhaben, Hypothesen) abschätzen lernen, und so Wissens-Präferenzen immer besser bilden lernen kann?
Wieso MUSS die Zahl der Versuchs-, also Wirkoptionen unter der beschriebenen Lernstrategie immer mehr zunehmen, wieso KANN sie sich NICHT durch entsprechende Präferenzenbildung wieder reduzieren und auf eindeutig vorzuziehende Pläne eingrenzen lassen?
Wieso MUSS am Ende das Chaos widersprechender Rezeptanweisungen stehen – wieso KANN NICHT die auf immer weitergehende Beobachtung sich stützende Ausdifferenzierung der Normalpraxis solche vorübergehenden Knoten und widersprüchlichen Anweisungen auf verschiedenen Ebenen auch wieder entwirren?
Wieso, kurz gefasst, sind die genannten Verlaufsformen nicht einfach nur kurzfristige, oder vielleicht auch seltene unglückliche Zuspitzungen eines Lernens, das sie aber insgesamt, auf längere Fristen gesehen, letztlich überwinden wird? Und überwinden können MUSS; weil es nun einmal anders nicht zu machen ist – weil es zur Lernstrategie unter Normalerwartungen keine Alternative zu geben scheint.
Es gibt aber sehr wohl eine; und mit ihr wollen wir uns jetzt beschäftigen.