1.
Die VIER STANDUNKTE stellen sich, genauer, dar als geradezu verzweifelte Versuche, Bildungsregeln für Lebensentwürfe zu denken, derart dass die tatsächlich und massenhaft in modernen Verhältnissen zustandekommenden Lebensentwürfe als Resultat der Anwendung dieser Regeln auf individuell (durch Bildung) und gesellschaftlich erworbene Wissens- und Erfahrungsstände VERSTANDEN werden können, in Ergänzung dazu moderne arbeitsteilige Verhältnisse als entsprechend gedachte Lebensformen, in denen diese Lebensentwürfe sich produktiv miteinander, füreinander organisieren; beides zusammen wieder als diejenige Komplettierung oder Art ihrer Umsetzung in jedem Augenblick, die die übergreifend formulierte moderne Individualität als empiristische Wissensverarbeitung in jedem Moment benötigt, um nicht sinnlos zu werden.
Indem, eins nach dem dem andern, die vier Verständnisse moderner Individuen ihrer selbst als Urheber eines (Zeitpunkt für Zeitpunkt in eine zu ihm passende, gesellschaftlich-arbeitsteilige Lebensform eingebundenen) Lebensentwurfs (der den Sinn-Anforderungen genügt, die das empiristische also moderne Lern- und Wissenserwerbs- oder Erfahrungsverarbeitungsprogramm (die 6 transzendental-ökonomischen Prinzipien als hinreichende, nicht nur notwendige) zu seiner Anwendung benötigt) scheitern, gerät auch der Sinn der modernen Wissensanhäufung (also die moderne Individualität) wieder und wieder in die Krise.
Im VIERTEN STANDPUNKT aber scheint dieser Sinn zu einer gewissen Stabilität und Haltbarkeit auf Dauer gelangt; daher das Selbstbewusstsein dieses Standpunkts als dauerhaftes Legitimitionsprinzip der durch ihn begründeten Lebensform.
Im Bewusstsein derer, die die jeweiligen Krisen durchleben, müssten sie sich dann darstellen in der allgemeinen und sich so jeweils in jeder Einzelkrise wiederholenden Form: „Angesichts dessen, dass diesunddies unmöglich ist – wozu sammeln wir all dies Wissen, schaffen wir rastlos neue Techniken, produzieren wir wie verrückt, und suchen und erschaffen all die Kunstwelten jenseits des Alltags, ohne die uns bislang das andre sinnlos vorkam?“
Das Versprechen, dass das empiristische, nämlich sich vom so gewonnen Material her selbst je und je seine Bestimmungen und Inhalte geben lassen wollende Lernprogramm SINN machen wird, indem Lebensform und Lebensentwürfe, die unter ihm zustandekommen, ihm passende Angriffspunkte für seine drei relativ inhaltsleeren, formellen Prinzipienpaare liefern – dies Versprechen scheitert; und zwar genauer darum, weil die Voraussetzung der Anwendung der Prinzipienpaare immer wieder zusammenbricht: nämlich das gelingende Zusammengeschlossensein und -bleiben auf Dauer der vier modernen Wertsphären an ihren drei Nahtstellen, auf der Ebene der Lebensentwürfe aller am modernen Projekt der Verarbeitung expandierenden Erfahrungswissens arbeitsteilig Beteiligter.
Dabei schreibt die Logik der Kategorien der drei Prinzipienpaare klar vor, wo der Zusammenschluss gelingen muss – wenn er gelingt, dann massenhaft in Einzelleben, mit wenig Spielraum für Korrekturen durch arbeitsteiliges Vorgehen, dessen Resultate dann aber sich in den in der Lebensform verbundenen Einzelleben so auswirken müssen, dass letzte Sinnlücken geschlossen werden. In den modernen Einzelleben scheitern denn auch die jeweiligen Selbstverständnisse, und mit diesem Scheitern sieht sich das moderne Projekt als ganzes wieder und wieder infragegestellt, wieder und wieder aber auch im je nächsten Selbstverständnis zunächst rehabilitiert.
2.
Die empiristische Lernregel ist an die Einzelperson gebunden (und nur über sie ans arbeitsteilig in der Lebensform sich zusammentuende Kollektiv), weil nur durch die Einzelperson und in ihr und ihrem Leben (Biographie; als verwirklichter, gelingender Lebensentwurf) der Anschluss des bloss Technischen (MachBAREN) an Zwecke, Bedürfnisse usw. gelingt (also seine Ökonomisierung; seine Auswahl und Überführung in ein „Können“). Aber anders als in der traditionalen Lebensform der Vormoderne ist DIESER Zusammenschluss dann auch noch belastet durch die Anforderung, Sinn-Bestimmung (und damit die Entscheidung über Sinn-Erfüllung oder Nicht-Sinnerfüllung) und Weltbegreifen, wenn auch maximal voneinander getrennt, in diesem Leben unterzubringen; indem dem Welterklären und Weltbegreifen seine LETZTE Legitimation nur verliehen wird durch seinen Bezug via Technik, der es zuliefert, auf unser Selbst, freilich als blosses Mittel (das die Wissenschaft freilich dann auch wieder nicht sein will, quasi ancilla technologiae, ausschliessliche Dienerin der Technik; sie will mehr sein, weil wir uns (angeblich) von ihr mehr versprechen als das). Umgekehrt soll Teilhabe am ästhetischen Erleben dem mit dem Wissensfundament mitwachsenden Sinn(kompensations?)-Bedürfnis ständig genügen. Und all dies auf der Einzel-Lebensebene; der gigantische Ausschluss der Einzelnen von Wissen und Material, der mit Fortschreiten der Wissens- und Materialexplosion in der Moderne für diese Einzelnen sichtbar wird, ist immer wieder ein EINWAND, auf den das kulturelle Programm der Moderne, wenn es weiter durchgehalten werden soll, eine Antwort finden muss.
Dabei beginnt alles mit dem naivsten Optimismus, der sich vorstellen lässt, nämlich als schlicht so gedachte VEREINBARKEIT von Einzelexistenz und expandierendem Materialgehalt, den die versammelte Produktivkraft der arbeitsteilig vorgehenden modernen Spezialisten auf ihren Gebieten erzeugt: Genau das ist der ERSTE STANDPUNKT, wonach die moderne Welt dem, der sich in sie hineinwirft, offensteht, und von ihm zu fassen ist, wenn er nur beherzt zugreift; niemand zögert, diese ungeheuerliche Lüge, die sie heute ist, Kindern und Jugendlichen aufzutischen als ernstzunehmende Botschaft und Motiv für lohnend zu investierende Einsatzbereitschaft auf dem Weg zum Spezialistendasein. Von Ausschluss ist da nie die Rede, und nicht von Überfluss, der in monströser Weise die Fassungskraft einzelner übersteigt. Spätestens in REPRÄSENTATIVEN Auswahlstoffen lernen Schüler heute (so das Versprechen) das für ihr LEBEN Wesentliche (Vorstellung eines Kanons und sinnvollen Curriculums) der modernen Welt kennen; Kritik der Schule geht nur dahin, alternative Curricula zu benennen, die dies Wesentliche dann wirklich bereithielten. Wer zur modernen Schule irgendein positives Verhältnis hat, muss an diese Lüge noch irgendwie glauben; er steht, dem Inhalt nach (ob der Form nach, ist die Frage: der Inhalt kann in REL- und OPP-Analoge zurückgeglitten sein, was im Normalfall zu erwarten ist), auf dem ERSTEN STANDPUNKT. MaW Symptom dieses ERSTEN STANDPUNKTES ist, mit der Formulierung eines Bildungsprogramms auch angesichts expandierter Materien und Stoffe kein Problem zu haben. Das kann nur glauben, wer ernsthaft (heute schier nicht fassbar) erwartet, dass auf der Ebene der Lebensform, der gesellschaftlichen modernen Produktion, nur stattfindet, was ins Leben (Gesamt-Biographie) aller beteiligter Einzelpersonen irgendwann zurückfindet: die Kunst und Literatur, die Filme und Sportereignisse von ihnen im wesentlichen (nur indifferente Varianten auslassend) rezipierbar; die Lebensstile ihre Besonderheiten im wesentlichen austauschend und einander mitteilend, die Techniken im wesentlichen allen (und nicht etwa nur dem endlosen tehnischen Fortschritt, auf Dauer) zugutekommend, die Erkenntnisse der Wissenschaft von allen nachvollziehbar.
Aber wurde nicht im 17. und 18.Jahrhundert tatsächlich so gedacht, und später in allen Aufschwung- und Anfangsphasen der Modernisierungen aller Territorien und Gesellschaften, wo solche stattfanden?
So alt die Hoffnung, so alt die Klage über ihre (vorläufige) Nichterfüllung; sie zur Utopie erklären, der man entgegenarbeite, ist dann die Normalform ihres Bestehens.
Sofern dieser Glaube sich eines Besseren belehren lässt, also sich als falsifizierbar erweist, ist er nicht ins Religiös-Unbestimmt-Optimalhypothetische zurückgeglitten, muss dann freilich auch ab einem bestimmten Expansionsgrad der modernen Materialakkumulation die Sinnfrage stellen. Die nächste Lüge steht an.
3.
Diese Lüge (aus heutiger fortgeschrittener Perspektive; es gab eine Zeit, und gibt sie im Leben sich modernisierender Gesellschaften, wenn auch kurz, noch heute, wo dies redlich geglaubt werden konnte; später auch im Sinn der „Lebenslüge“ aufrechterhalten und zäh verteidigt) ist der ZWEITE STANDPUNKT.
Er besagt: Wir sind, durch unsere Natur, als Menschen, Personen, was immer, vierfach begabt, veranlagt, disponiert. Die vier Dispositionen enthalten jede das Hauptelement der andern drei schattenhaft mit, stehen aber jede für sich als Hauptquelle des Handelns moderner Menschen in der jeweiligen Wertsphäre da:
die REAKTIONSFORM „intelligente Erfahrungsverarbeitung“ (als Leitkategorie für alle andern stehend, daher „kognitive Struktur; die sich hier zur psychischen Struktur erweitert);
die FÄHIGKEIT „Werkzeuggebrauch und -erfindung“;
das vielfältig in sich differenzierte Spektrum der BEDÜRFNISSE, auch (drohenden) Drangzustände (die zu verhindern wären) und Leistungsparameter (Erschöpfungsgrenzen usw.);
die unerschöpfliche Fülle der WÜNSCHE, Sehnsüchte und „Geschmäcker“ (die sich erst im Moment ihrer Erfüllung zeigen).
Diese vier Gruppen innerseelischer Sachverhalte, nämlich des Vorhandenseins von Gebilden, die dem jeweiligen Typ angehören, in Einzelpersönlichkeiten, lassen sich wiederum nach zwei Ordnungskriterien zusammenfassen, die sie zu zweimal zwei Paaren zusammentreten lässt:
EXOGEN-AUSGELÖST, provoziert sind die Aktivitäten von Forschung, also (reaktive) Betätigung von Intelligenz angesichts begegnender Fakten, und die Problemlöse-Anstrengungen von Technik, die (aktive, spontane) Betätigung der Problemlösefähigkeit im Angesicht faktisch bestehender Probleme und zugleich bekannter Kontrollchancen (Anwendungen, Anzeichen).
ENDOGEN-GETRIEBEN sind die Bedürfnis-befriedigenden Aktivitäten, unmittelbare Genuss-Befriedigung ebenso wie alles, was für sie und unmittelbar auf sich bezogen gearbeitet wird, ebenso die Neugier-befriedigenden Tätigkeiten des Suchens nach immer wieder (aktuell interessantem) Neuem und/oder Rezipierens (als abgekürzter Form des Suchens) erwartbar befriedigender Erlebnismöglichkeiten.
Zum andern lassen sich Intelligenz und Geschmack einerseits, Bedürfnis und Erfindergeist andererseits je unter dem Gesichtspunkt zusammenfassen, dass sie (die ersten beiden) ihrem Inhalt nach durch EXOGEN Widerfahrendes bestimmt werden, also auf Reize im weitesten Sinn, äussere Gegenstände (selbsterzeugte wie begegnende) angewiesen sind, um sinnvoll betätigt werden zu können – sie sind also beide aussen-bedingt dem Inhalt nach, nicht aber beide dem Zeitpunkt ihrer Betätigung, ihres aktuellen Wirkens und Auftretens als Abfolge realer psychischer Akte, nach – denn die Neugier wirkt ständig, Intelligenz aber soll (nach dieser Psychologie zumindest) nur als provozierte, ausgelöste, reaktiv tätig werden. Wohingegen die zweiten beiden ihre Inhalte nicht von aussen bekommen, sondern teils widerfahrend, teils ihn aktiv erzeugend, aus sich und ohne weitere Material- und Reizzufuhr von aussen (das Technische spätestens, nachdem ihm Probleme und Basis-Technologien vorgegeben wurden) selbst hervorbringen, also ENDOGEN..
So gibt es also zwei Merkmale, die beide auf eine ihnen äusserliche Bedingtheit oder Unbedingtheit der jeweiligen Klasse psychischer Gebilde bzw. Eigenschaften hinauslaufen:
(Un)abhängigkeit vom äusseren Verlauf dem Inhalt (oder der Qualität) nach, (Un)abhängigkeit vom äusseren Verlauf dem Auftreten nach.
Was, wenn diese beiden Unterscheidungen erschöpfend sein sollten, zu einer sehr formellen Definition der vier Psychischen-Eigenschafts-Klassen umgearbeitet werden könnte:
„Erkenntnisbezogen“ (und in diesem Sinn gleichbleiben-könnende Reaktionsform, apriorisch, Vernunfts-artig) sind alle Vorgänge, Zustände und Dispositionen, die ihrem Inhalt nach vorgegeben sind, und zusätzlich für ihr In-Erscheinung-Treten einen Anlass (Gegenstand, Auslöser; Problem etc) benötigen.
„Erfindungsbezogen“ (und in diesem Sinn Fähigkeit, die aber anlasslos, nur durch ihre eignen schon vorhandenen Erzeugnisse (erfolgreiche und noch nicht erfolgreiche Problemlösungen) limitiert, weiterwirken bzw. betätigt werden könnte) sind alle Vorgänge usw., die zwar, um überhaupt starten, also dasein zu können (oder einen jeweiligen Grad an Start-Umfangsbedingungen zu haben), auf Materialvorgaben von aussen angewiesen sind, andererseits damit und dann selbständig weitermachen können und nicht konstitutiv auf Anlässe oder Materien von aussen als Stoff angewiesen sind, um als Projekt oder Programm formuliert und durchgeführt zu werden. (Technologie hat, im Fall fehlschlagender Problemlösungen oder auch denkbarer Anwendungs-Entwicklungen, zur Not ihr eignes epistemisches Programm, das sie auf die Suche schickt, unabhängig davon, ob die Wissenschaft ihr entgegengearbeitet hat und der Technik aus Wissenschafts-eigenen Zwecken heraus verwertbares Material bereitstellt oder nicht.)
„Bedürfnisartig“ hingegen ist alles Psychische, das dem Inhalt und dem Vorkommen nach rein endogen verursacht zu sein scheint.
„Geschmacksartig“ ist jenes Psychische, das dem Inhalt nach sich an einem anwachsenden Stoff (den es nicht rein aus sich selbst heraus, von einem Start-Material ausgehend, von dem aus ihm die weitere Materialsuche nach ganz eigenen Regeln vorgegeben wird) orientieren muss, von dem ihm immer wieder neu und ohne sein Zutun Stücke zufliessen müssen, damit daran weitergearbeitet werden kann; hingegen ist die Unruhe und der Antrieb, solchen Stoff zu haben und an ihm zu arbeiten, ständig da und kann schmerzlich unbefriedigt bleiben.
4.
Das Problem moderner Individuen ist, ich wiederhole es, dass sie nur durch einen aufrechterhaltbaren Lebensentwurf, spätestens durch seine Einfügung in den Entwurf einer arbeitsteiligen Lebensform (unter prinzipiell Gleichen; mit gleichartigen, vergleichbaren Lebensentwürfen) eine INDIVIDUALITÄT also Kultur oder Lern/Wissenserwerbsregel haben können.
Um die zu haben, müssen sie sagen, was vor aller Erfahrung feststeht und durch sie hindurch gleichbleiben soll; der Lebensentwurf muss überboten werden durch eine Regel, ihn angesichts wachsender Erfahrung immer wieder neu zu justieren, und das in Verbindung mit den andern Trägern der arbeitsteiligen Lebensform.
In ihrem Lebensentwurf, spätestens in der seine noch bestehenden Mängel schliessenden Lebensform, müssen die modernen Individuen mindestens drei Zusammenschlüsse zustandebringen: Sinnerfüllung (oder -definition) und Bedürfnis/Reproduktionssphäre; Bedürfnis und Technologie zu einem Reproduktionszirkel, wie in einer traditionalen Lebensform, nur jetzt unter der Vorgabe ständig wachsenden Wissens; und (technologische) Weltbeherrschung und (wissenschaftliche) Welterklärung.
Die naiv-optimistische Anfangssicht des ERSTEN STANDPUNKTS war: Dass sich dieser Zusammenschluss SOWOHL aus der Innenwelt des Einzelnen (als anthropologische Konstante) ALS AUCH der Aussenwelt ergibt, in die hinein die moderne oder sich modernisierende Lebensform sich vorarbeitet.
Beides passt zusammen: Die zunehmende (und für ihre eigne Erklärung auf Dauer sorgende, diese aufschliessende) Weltkenntnis werde sich (man weiss nicht wie; abgesehen von dem empiristischen Prinzipienpaar für den Umgang mit Restunbekanntem) von selbst in Weltbeherrschung (ein immer mehr Können) verwandeln; dies müsse sich ganz von selbst auf Dauer (wieder unbestimmt, wann und wodurch) als für uns nützlich und nutzbar erweisen.
Hier also wieder die Gleichsetzung von Notwendig-sein zB. der Welterforschung mit ihrem Hinreichen, Notwendigkeit des Weltverstehens und Erklären-könnens gleichgesetzt mit deren Hinreichend-Sein zur Erschliessung unseres Weltbeherrschens. Hingegen die ontologischen Sinn-Bedingungen (wie die Welt dafür sein müsste, die aber real auch nicht erfüllt sein könnten), die experimentell bis auf weiteres als erfüllt unterstellt sein müssten, damit dies Hinreichen auch tatsächlich stattfinden kann, sind nicht bewusstgemacht.
Nur das Prinzipienpaar, das (für jedweden Lebensentwurf, wenn er denn vorliegt) die Vereinbarkeit von Reproduktion (Risikotoleranz) und Fortschritt (Stagnationsverbot) als Minimalbedingung fordert, sieht für diesen Zusammenschluss Regeln vor, aber solche, die ihn lang nicht bestimmen und ihm unendliche Freiheitsgrade lassen.
Schliesslich der Zusammenschluss von mit zunehmendem Stoff zunehmender Sinnerfüllung und Einhaltung der gefühlten Reproduktionsbedingungen unserer Existenz (Alltagsbedürfnisse, Leistungsgrenzen) soll bereits gewährleistet sein durch Anwendung des auf das Kernselbst bezogenen Prinzipienpaars; als ob da schon eine Routine und ein Alltag als haltbarer ausgezeichnet wäre und nicht dafür allererst gesucht und erprobt werden müsste. Es war ja der Vorwurf an die Moderne, auch völlig entgleiste Alltage, die mit wer weiss welchen Kompensationen nur funktionieren, als mögliche und haltbare anzusehen.
Die Art und Weise, wie dieser ERSTE STANDPUNKT zu sich und andern überhaupt zustandekommt, ist die denkbar einfachste überhaupt: Moderne Individuen, nachdem sie den traditionalen Lebensstil definitiv aufgegeben haben, und sich das empiristische Prinzip des Lernens aus Erfahrung, gleich welcher, als ob jede dafür geeignet wäre, zueigen gemacht haben, schliesslich ihren Bedarf nach Welterklärung und Sinn-Vorstellung (Sinn-Bestimmung, dann aber auch Sinn-Erfüllung) einfach an ihre prekäre und vorläufige Reproduktion (als Einzelne oder Lebensform-Träger-Gemeinschaft) anlehnen, haben für das alles nichts andres leisten müssen als sich auch nach Verlust der übergreifenden religiösen Optimalhypothese (des Glaubens) bei all ihrem Tun auf die platte Rationalität der 6 transzendental-ökonomishen Minimal-Prinzipien zu berufen. Und sie damit (da sie nichts weiter anführen) für offenkundig hinreichend erklären – hinreichend, das Vakuum, das der Glaube hinterlässt, auszufüllen.
Genau diese implizit betätigte Überzeugung ist faktisch ihre Optimalhypothese.
5.
Der Übergang vom ERSTEN STANDPUNKT zum ZWEITEN STANDPUNKT bestünde dann darin, dass erstmals Zusatzannahmen, im Sinne einer Selbstinterpretation, eines Selbstverständnisses, für erforderlich gehalten werden, um die eigne Stellung als Individuum in der arbeitsteiligen Gesellschaftswelt (und der mit den andern Angehörigen dieser Gesellschaft geteilten modernen Lebensform) zu bestimmen – so, dass sie Sinn macht, und es weiterhin zulässt, dass man die empiristische General-Perspektive (als seine Individualität) und die Anwendbarkeit der 6 minimal-suboptimalen, aber transzendental-ökonomischen Prinzipien für hinlänglich sinnvoll hält.
Beim Absolvieren dieses Übergangs wurde das Individuum in eine Sinnkrise gestürzt, weil es die überbordenden Materien der vier Sphären mit SEINER Vorstellung von deren Verknüpfbarkeit oder Nachvollziehbarkeit auch in SEINEM Leben(sentwurf) nicht mehr vereinbaren konnte: die Zusammenschlüsse der vier Sphären an ihren drei Nahtstellen zu einer gesteigerten (auf den Erfahrungszuwachs antwortenden) Version seines Ausgangslebensentwurfs wurden undenkbar.
Die erstmalige Bestimmung eines Selbst, die der ZWEITE STANDPUNKT nun versucht, soll diesem Mangel abhelfen. Wie und vor allem wodurch tut er das?
Das moderne Individuum, das sich eine Vorstellung einer gelingenden Biographie, im Rahmen der mit andern geteilten modernen Lebensform macht (ab jetzt wird dies Individuum kurz MOD genannt, Träger des modernen Standpunkts) schliesst zwei Paare von insgesamt vier Klassen unterschiedlicher psychischer Zustände, die es in sich vorzufinden glaubt, zusammen – sie waren oben in ihrer (für diesen Zusammenschluss so benötigten) Abstraktheit charakterisiert als von aussen dem Inhalt bzw. dem Auftauchen nach abhängig oder unabhängig von „äusserem“; nur unter diesem Gesichtspunkt interessiert sich MOD in diesem Zusammenhang für sie.
Der Zusammenschluss geschieht, indem das der Technologie ihre Existenz, als Ausgangsbedingung, überhaupt errmöglichende Wissen als Teil des von den Wissenschaftsmotiven (Reaktionsbereitschaft, die auf Neues mit Aufklärungs-, Versuchs- und Vervollständigungs-, also Forschungsprogrammen antwortet) erzeugten Wissens gedeutet wird; das Technische ist damit als seinem DASEIN nach nicht endogen motiviert verstanden, sondern EXOGEN als Teil von unser aller Verarbeitungs-Disposition im Angesicht einer unbekannten und Chancen wie Risiken eröffnenden Welt. Umgekehrt werden die ästhetischen Bedürfnisse als Teil der gesamten Reproduktions-leitenden Bedürfnisse gedeutet: Das ist der ENDOGENE Grund ihres DASEINS und dauernden Vorhandenseins, sie sind (nach dieser Deutung) in unserer Natur verankert. Die speziellen INHALTE aber unserer ästhetischen Interessen entspringen dem, was wir gesehen und vielleicht auch, was wir noch nicht gesehen haben (während wir des Bekannten schon überdrüssig sind, und uns von ihm wegwenden) – also EXOGEN, von aussen. Umgekehrt arbeitet das Technische mit den Ausgangs-Effekten (Anwendungen, Anzeichen), die es weiterverwerten kann in Problemlösungen, ohne noch sich an weiter hinzukommendem Wissensstoff zu orientieren: Dieser sein INHALT ist somit ENDOGEN motiviert.
Damit werden, für fortgesetzte Anwendbarkeit der naiv-empiristischen Prinzipienpaare des modern-kulturellen Individualitäts-Paradigmas (dessen konkreter Inhalt mit anwachsenden Materien sich erst spezifiziert, von Augenblick zu Augenblick), an die arbeitsteilige Produktionsweise im Rahmen der (gemeinschaftlich dies Paradigma durch Sinn machende Verknüpfung individueller Lebensentwürfe umsetzenden) gesellschaftlichen Lebensform Sinn-Anforderungen gestellt, die die ursprünglich frei wuchernde Produktivität einschränken: Wissenschaft muss und wird (so wird gehofft) ein Wissen liefern, das immer AUCH noch technisch Verwertbares bereitstellt, sie ist nicht NUR reine Wissenschaft und Grundlagenforschung; ebenso ästhetisches Erleben WIRD das ungelebte Leben der Alltagssphäre kompensieren und das ungestillte Bedürfnis nach IN den tatsächlichen Alltags- Leben der Angehörigen der Lebensform als Sinn-erfüllend, Sinn-definierend und Sinn-Horizonte, über bestehende Routinen hinaus, Erlebbarem befriedigen.
Wenn und soweit sie diesen Anforderungen gerecht werden, sind die Produkte der beiden Paare Ästhetik (Sinndefinition und -erfüllung) und Alltag (Ökonomie) einerseits, Wissenschaft (Welterklärung) und Technik (Wissen-wie) einer Einschränkung unterworfen, die, im Fall dass ihr genügt wird, die Produktion der Gemeinschaft als den inneren Anforderungen der Psyche jedes (oder der meisten, weitestgehend) der ihr Angehörigen gerechtwerdend erscheinen lässt; der Einzelne darf sich somit darauf verlassen, dass seine Teilnahme an der gesellschaftlichen Produktion auf IRGENDEINER Stelle AUCH ihm die entsprechend dem modernen Programm immer weiter sich steigernden Erfüllungen seiner ganz persönlichen Sinn-Anforderungen liefern werden; und indem das massenhaft hinlänglich geschieht, darf dies Programm sich selbst als gerechtfertigt ansehen, bis auf einen Punkt: die Zusammenschlüsse von Techniken und den aus IRGENDWELCHEN Alltagen resultierenden Bedürfnissen sind völlig willkürlich – weil die Wahl dieser Alltage es ist. Diese Willkür wird der Psyche des Einzelnen zugewiesen, der in Freiheit seinen Lebensentwurf gestaltet und festsetzt.
Eine BEGRÜNDUNG oder gar ein vernünftiges Prinzip zur Rechtfertigung des modernen kulturellen Paradigmas (das unabhängig davon immer schon vorher feststand) ist so aber nicht zu finden.
6.
Doch dieser Mangel ist schlimmer, als er auf Anhieb erscheint; denn er beschädigt die Geltung der beiden Prinzipienpaare KS und RU gleich mit – das Paar ES, das das Verhältnis von Reproduktions-Routine und versuchtem Fortschritt zu bestimmen versucht, ist sogar ganz unmittelbar nicht anwendbar, solang nicht einmal klar ist, von welcher Reproduktion und ihrer maximal vorsichtigen Ausweitung bzw. Verbesserung die Rede ist. Wenn hier Willkür herrscht, dann auch in der Anwendung der KS- und RU-Prinzipien; die nämlich dem Inhalt nach feststehen, dh. man weiss was es HIESSE, Experimente zur Verbesserung der Reproduktion in Gestalt von Sicherung der Gesundheitsbedingungen zu erfinden, wenn nur feststünde, worin Gesundheit (Kernselbst-Anforderungen) besteht; aber genau das weiss man nicht.
Die sinnlose Vielfalt holt dann die modern Vergesellschafteten auf die Weise wieder ein, dass ihnen nicht einleuchtend erscheint, warum alle Lebensentwürfe (auch die ihnen fremden) in gleicher Weise wie die ihnen nahestehenden von den flankierenden Abteilungen – Ästhetisches Erleben und Wissenschaft – profitieren sollen. Ohne einschränkendes Prinzip für die Bestimmmung der Lebensentwürfe wird der Sinn machende Begriff von sich und seinesgleichen als allgemein-menschlich, verständlich auf objektive Umstände und innere Anforderungen Reagierende, und dabei arbeitsteilig Vergesellschaftete und füreinander Arbeitende, zerstört.
Die Überforderung des gesamten Sinnsystems wird augenfällig durch die explodierende Vielfalt möglicher Lebensentwürfe, die durch die vereinigte gesellschaftliche Potenz der beiden zusammengeschlossenen Abteilungen Technik/Wissen und Beruf/Ästhetik und ihre hemmungslose Fruchtbarkeit ermöglicht werden. Welche dieser Möglichkeiten sollen ergriffen – wie die betreffenden Lebensentwürfe in die gemeinsame Lebensform integriert werden?
Bevor ich die Antwort zu rekonstruieren versuche, die der ZWEITE STANDPUNKT auf diese Krise seines Vorgängers gibt, möchte ich noch eingehender, indem ich sie vergleiche, klären, wie diese beiden Standpunkte eigentlich jeweils strukturiert sind. Und, welcher Gewinn an Ausdifferenzierung durch den Fortschritt vom ersten zum zweiten erzielt wird.
Das Naive des ERSTEN STANDPUNKTS besteht im Glauben an die grundlegende Isomorphie von individuellen Lebensentwürfen einerseits, und ihrer arbeitsteiligen Verknüpfung in einer gesellschaftlichen Lebensform, in der diese Lebensentwürfe eine grundlegende Gleichartigkeit aufweisen und die Varianten zwischen ihnen für indifferent erklärt werden.
Dieser naiven Überzeugung zufolge kann man Motivgruppen, die im Leben der einzelnen jeweils bestimmend sind (die vier Hauptantriebe, die zu den modernen Wertsphären gehören (Untersuchen/Versuchen/Erklären; Erfinden/Problemlösen, Berufstätigen-Alltag/Reproduktion; ästhetische Sinndefinition/-erfüllung), unberührt durch all die Varianten, die sie in den verschiedenen Lebensprojekten der Angehörigen der modernen Produzentengemeinschaft annehmen, aggregieren zu Plänen und Agenden der vier gesellschaftlichen Grossdomänen (DIE Wissenschaft, Technik, Produktion, Kunst+Unterhaltung), die versprechen, den einzelnen in seiner Besonderheit am Wachstum der gesellschaftlich erzeugte Materien dauerhaft teilhaben zu lassen.
Was in diesen Grossdomänen produziert wird, kehrt somit, sinnvoll verwertbar, ins Einzelleben aller Produzenten und -Haushalte zurück und wird dort eingebaut.
Anders gesagt, gesellschaftlich Sinn machende Produktion ergibt sich aus einfacher Aggregation des in einzelnen Lebensentwürfen Sinn machenden, umgekehrt, besteht gesellschaftlich Sinn Machendes aus Einzel-Elementen, die so, wie sie sind, unmittelbar ins Einzelleben passen. Daraus ergeben sich DREI ÄQUIVALENZEN:
ERSTENS: die Motive der einzelnen bestimmen zunächst, einfach zusammengetan und aggregiert, das, was in den Domänen geschieht (und zwar, dies das naivste überhaupt, die Motive und Interessen ALLER Einzelner in ALLEN ihren vier Motiv- und Interessensphären) und die Vorhaben begründet (als hätten die Domänen nicht bald schon ein Eigenleben, das sich von dem, was irgendein sich darauf Beziehender und darauf bezüglich Motive Entwickelnder auch nur überschauen und bedenken könnte, vollkommen abgelöst hat).
ZWEITENS: Im zweiten Schritt geschieht das Umgekehrte, die Ströme an Materien, die die gesellschaftliche Spezialisten-Arbeit (jeder und jede Arbeitsgruppe an ihrem Platz) entlässt, zweigen sich in immer feinere Zuflüsse in all die Einzelexistenzen hinein auf, die zu ihrem Zustandekommen beigetragen haben und liefern ihnen das genau zu IHNEN und ihrem Bedarf je passende. Die Aufzweigung soll aber, seltsamerweise, nicht mit Selektion und Materialverlust verbunden sein, sondern die Zuflüsse sind alle gleich gut, das in ihnen nicht Mitenthaltene wird erst einmal für indifferent erklärt.
Hauptsächlich darum, weil sich die Akteure der jungen Moderne einreden, an den WESENTLICHEN Entwicklungen ihrer Gesellschaft immer beteiligt zu sein; nichts wirklich Wissenswertes wird ihnen entgehen, nichts wirklich Nützliches ihnen vorenthalten, keine Lebensmöglichkeit, die ihr Leben BEREICHERN statt einfach nur indifferent abwandeln würde, wird ihnen unentdeckt bleiben, kein ästhetisches Erlebnis, das auf ihr lebhaftes Interesse stossen könnte, an ihnen unbemerkt vorübergehen.
Also aus dem Leben heraus und wieder zurück geht alles ganz einfach, durch die naiv behauptete Analogie.
DRITTENS. Die dritte naiv unterstellte Äquivalenz betrifft die Art der Zusammenarbeit zwischen den Sphären: Wie die Wissenschaft der Gesellschaft Technik liefert, ist sie eine ERFÜLLUNG der Art und Weise, wie sich Wünsche nach Kontrolle, technischem und prognostischem Können (Bewältigen, Naturbeherrschen), als technischer Fortschritt aus dem generellen Wissen- und Erklärenwollen modern gewordener Individuen ableiten; Wissen soll Möglichkeiten erzeugen, Möglichkeiten (schlechte und gute) sich in faktische Praxis (Alltag, Routinen) umsetzen, die Auswahlkriterien der Einzelnen geben dabei unmittelbar das Muster vor für die Wahl, die „die Gesellschaft als Ganzes“ trifft aus der Gesamtheit der ihr ständig zuwachsenden technischen Errungenschaften, und die sie in ihre tatsächliche Reproduktion und Ökonomie (die Verteilung nicht mehrfach einsetzbarer Mittel auf sinnvoll, bewährtermassen bewältigbare Möglichkeiten (schlechte, gute; Risiken, Chancen) eingehen lässt (während andere ungenutzt bleiben); schliesslich die Art, wie sich das Ästhetische als „Anderes“ und allererst Sinn-gebende und Sinnerfüllung liefernde Ergänzung zur Alltagssphäre hinzugesellt, ist im Leben der Einzelnen keine andre als im „Leben“ der „Gesellschaft“.
RESULTAT: Die Gesellschaft, so lässt sich zusammenfassend sagen, ist nichts als EIN riesiges, durch Aggregation der Einzelbewusstseine der ihr Angehörigen entstehendes Individuum; sie hat einen Lebensentwurf, ja ein Leben, nicht anders als die Einzelnen, und ihr Leben und alles ihm zugehörige (Motive, Motivverbindungen, Produkte, Produktverwendung) ZERFÄLLT einfach in die entsprechenden Teilmengen (die sich überschneiden können) der Einzelleben(sentwürfe). Oder kurz, die Lebensform ist ein durch Summation der relevanten Elemente aller Mikro- und Einzellebensentwürfe entstehender Makro-Lebensentwurf. Die Frage, welches von beiden an bestimmten Stellen bestimmend für das je andere werden und somit Vorrang haben könnte, stellt sich garnicht. Und dieser Makro-Lebensentwurf wiederum ist nichts andres als das Ideal und Maximum oder Optimum, auf den jedes einzelne Leben zustrebt: Was nur je sinn-machend, nützlich, interessant, erlebenswert, erhellend, wissenswert im Leben der gesamten Gesellschaft vorkommt, passt auch ins Einzelleben; es muss nur aus dem kollektiven Sammelbehältnis ins individuelle übertragen werden. Vermittlungs-, Publikations- und Zugangsfragen zum kollektiven Material scheinen die einzig noch interessanten Themen zu sein: Wie man Bibliotheken organisiert, welche Zeitungen zu lesen hat, um nichts zu versäumen, in welche Kinos gehen usw. – die schiere Masse wird dabei nur vorübergehend verkleinert durch Anspruchshaltungen und Kanons: Natürlich nur das WIRKLICH Wissenswerte, Nützliche, Sehens-, Erlebens- und Lebenswerte verdient es, verbreitet und erworben zu werden. Wichtig ist, an es heranzukommen, wichtig ist, nichts zu verpassen, wichtig ist, raffiniert bei der Wahl des Richtigen und Aufmerksamkeit Verdienenden zu sein.
Aber das alles letztlich nur darum, weil sich die Angehörigen der früh-modernen Gesellschaften einreden können, die Verbindungen der Materien im Rahmen der gesellschaftlich organisierten Produktion (speziell das für Technik mobilisierte und rekrutierte Wissen; das für Berufe und Routineproduktionen ausgewählte prognostische und instrumentelle Know-how; das zu bestehenden Routinen komplementär und sinnvoll-wachsend gestaltete ästhetische Erleben) in ihrem Leben grundsätzlich nachvollziehen zu können.
Aber das Wuchern und Wachsen eben dieser Materien, die aus der gesellschaftlichen Arbeit hervorgehen, steht in einem monströsen Missverhältnis zu dieser Erwartung.
Der gesellschaftliche Prozess und SEINE Eigenlogik und Rationalität ist durch die des Einzellebens nicht einzuholen.
7.
Eine andre Formulierung für den ERSTEN STANDPUNKT lautete: Es entsprechen sich OBJEKTIVE (= der Lebensform (dahinter steht letztlich das MOD Kulturpogramm) entstammende) und SUBJEKTIVE (=dem Lebensentwurf der Einzelnen zugeschriebene) Versionen der Elemente aller vier modernen Kultur-Domänen oder Wertsphären:
wissbare/gewusste Sachverhalte (Arten von Dispositionen, ihre Verteilungen im Raum und Zusammengesetztheit auseinander usw) und Wissens-Antriebe/Bereitschaften;
objektive Möglichkeiten (schlechte, gute; prognostische (nicht unserer Kontrolle unterliegende) und instrumentelle (grundsätzlich kontrollierbare), auf unser Wohl und Wehe bezogene Risiken und Chancen) und Problemlöse-Antriebe/Bereitschaften;
Produktionsroutinen bzw. Alltagseinrichtungen, Lebens-Gewohnheiten (dass und wie sie objektiv „fiunktionieren“) und subjektiv ineinandergreifende Bedürfnisse, gewohnte Routine-Handlungen, Befriedigungen; schliesslich
ästhetische Erlebnisinhalte aller Art und die subjektiven Wunschwelten, die sie ausdrücken helfen, indem sie sie (exemplarisch), dabei immer weiter sich entwickelnd, befriedigen.
Also:
Objektiv:
UTOPIE/ ROUTINEN/ RISIKEN+CHANCEN/ FAKTEN
Subjektiv:
WÜNSCHE/ BEDÜRFNISSE/ PROBLEMLÖSEBEREITSCHAFTEN/ NEUGIER+VERSTEHENWOLLEN
Die gesellschaftliche Lebensform wird weiter von diesen objektiven Inhalten handeln; aber ihre fraglose Anschliessbarkeit an die subjektiven Gebilde, deren Korrelate sie sein sollen, geht in der Krise des Übergangs zum ZWEITEN STANDPUNKT verloren.
Zusammengeschlossen durch Sinn- und Zweckhaftigkeits-Verbindungen je eigener Art sind objektive Sachverhalte und Möglichkeiten einerseits, Routinen und ihre idealen ästhetischen Gegenstücke („Andere“) andererseits; alle vier sind Gegenstand, Inhalt, Resultat GESELLSCHAFTLICHER (der Lebensform zugeschriebener) Aktivitäten – wie immer die in sich zusammenhängen. Die betreffenden Sinn-Zusammenhänge (Zweckmässigkeit, Begründung eines durch das andre) beziehen sich nur noch auf dieses gesellschaftliche Material (das „objektiv“ ist nur noch durch seine Eigenschaft, dass der jeweils aktuelle gesellschaftlich eingeholte Stand in der Zeit danach durch produktive Tätigkeit der Gesellschaft als ganzer überboten, die ausstehenden Inhalte usw. dadurch dem Bestand des Gekannten, Erfundenen, Gewohnten/Eingerichteten und „Entdeckt-Erschaffenen“ einverleibt werden). Der Einzelne aber hat sich, in seinem Leben, zu all diesen Materien allererst zu stellen, vor allem, indem er WÄHLT (dh. ausschliesst): einen Beruf, ein Fach, ein Thema, eine Aufgabe, Material für das er sich daneben noch interessiert usw.
Aber diese Ausschluss- und Wahl-Tätigkeit wird auf einmal ganz konstitutiv auch für den gesellschaftlichen Prozess, da wo die vielen Einzelnen ihre Entscheidung darüber treffen, welche möglichen Prognosen zur Kenntnis genommen, und die tatsächlichen Verwendungen beschränkter Mittel (ökonomisch) bestimmen sollen – welche Teile des insgesamt verfügbaren instrumentellen oder Kontroll-Know-hows ins tatsächlich mit vorhandenen Mitteln umzusetzende (und zu reproduzierenden) KÖNNEN (vgl. Normalität, Kap1/Abs2, Ende) aufgenommen werden sollen. Erst an DIESE massenhaft getroffenen Entscheidungen können sich dann wieder Alltagseinrichtungen und sie komplettierende Sinnprojekte anlehnen, umgekehrt als auf SIE zulaufend Technik und Wissenschaft gerechtfertigt erscheinen.
Die unerhörte und letztlich durch keine rationelle Strategie bändigbare Vielfalt also WILLKÜR dieser Wahlen überträgt sich dann auch auf die der angelehnten Doppelsphären: der Sinn von Wissenschaft und ihr sich durchaus rationell (auf gesellschaftlicher Ebene rationalisierbar) anschliessender Technik steht und fällt mit der Sinnhaftigkeit der massenhaften „subjektiven“ Entscheidungen an der Nahtstelle von Technik und Alltag; dasselbe gilt für die Sinnhaftigkeit der faktischen Berufe und der auf die in ihnen bemerkbaren Mangelzustände zielenden ästhetischen Kompensationen.
Für sich genommen stellen die beiden Doppelsphären Technik/Wissenschaft und Alltag/Ästhetik kompakte Massen aus „objektiven“ bzw. gesellschaftlich bearbeiteten (erzeugten usw.) Materien dar. Was IHNEN subjektiv entspricht, ist nicht so ganz klar; irgendwie hat dies Subjektive aber mit den Entscheidungen an der Verknüpfungsstelle der beiden Sphären zu tun, und strahlt von dort nach beiden Seiten aus. Die Meinung des Einzelnen bezüglich Wissenschaft oder Ästhetik hängt ab von seiner Art, indirekte Wissenschaftsresultate in Gestalt von technischen Möglichkeiten mit Bedürfnissen (die er befriedigen muss) und Wünschen (die er sich erfüllen möchte) zu verbinden; sie erst ergeben, auseinander hervorgehend, Sinn: Die Wissenschaft hat FÜR IHN grade soviel Sinn, wie sie Sinn macht und Resultate liefert für diesen seinen Entwurf; andere gehen ihn nichts an. Ebenso die Ästhetik usw.
Aber den vielen subjektiven Entwürfen dieser Art korrespondiert NICHTS, das den „objektiven“ oder „gesellschaftlich bearbeiteten“ Materien entspräche; die Lebensentwürfe der Einzelangehörigen einer modernen Gesellschaft sind keine gesellschaftliche Materie, haben keine gesellschaftlich explizierbare Rationalität oder Begründung. Sie sind nicht nur subjektiv in DIESEM Sinn, sondern Quelle aller andern subjektiven Korrelate (nämlich Sinn-Deutungen, Interpretationen als „soundso weit nützlich für mich, im Rahmen meines privaten, persönlichen Sinn- nämlich Lebensentwurfs) für objektive Materien: Wie sonst soll denn der Einzelne zum Wachstum DER WISSENSCHAFT, oder der Ausdifferenzierung DER gesamten arbeitsteiligen Produktionssphäre und Ökonomie, oder DER Kunst und DER Technik usw Stellung nehmen, wie sich darauf beziehen, oder besser, es auf SEIN Interesse (also sein Leben) beziehen?
8.
Die Frage ist aber dann: woher SONST Wissenschaft und Technik, Reproduktion und Ästhetik ihren Sinn beziehen sollen? Was leistet dann überhaupt die Legitimation, die der ZWEITE STANDPUNKT der vier Wertsphären in ihrer gesellschaftlichen Version, also als gesamte gesellschaftliche moderne Lebensform, sein sollte? Die Deduktion des Sinns moderner Kultur aus Anthropologie, der Subjektivität des Einzelmenschen und den (allgemeinsten) Kategorien(gruppen), in die sie zerfällt (bzw. die in ihr zusammenarbeiten, um seine Absichten und Pläne, in Summe: seinen Lebensentwurf zustandezubringen) ist noch nicht erschöpft. Denn die Einzelmenschen sind ja diejenigen, die sich als Produzenten auf den Aufgaben- und Arbeitsfeldern der vier Kultursphären betätigen; auf das Material, das sie dort vorfinden, gehen sie los mit denselben anthropologisch ihnen zugeschriebenen Basiseinstellungen wie auf das genuin auf ihren tatsächlich eigenen Lebensentwurf Bezogene darin.
Nur dass das meiste mit ihrem speziellen Leben garnichts zu tun hat; wohl aber mit IRGENDEINEM Leben, unter den je zeitgenössischen Lebensumständen.
Dies „irgendeine“ oder auch mehrere Leben, auf die die grade betriebene Tätigkeit abzielt, muss garnicht tatsächlicher Lebensentwurf sein; bloss möglich.
Da mag es noch Abstufungen geben hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit oder Relevanz, mit der diese möglichen IRGENDWELCHEN Entwürfe von den Resultaten der je betriebenen Einzeltätigkeit betroffen sind und von ihr profitieren; oder wieviele: Grösstes Glück der grössten Zahl. Aber die Abstraktionsleistung, die hier erbracht werden muss, um dem ABSEHEN vom EIGENEN dennoch Sinn zu geben, bleibt dieselbe. Problematisch sind dabei die gemischt-innen/aussen motivierten Sphären des Technischen und Ästhetischen; Wissenschaft hingegen und Alltag nehmen ihren Ausgang von Vorhandenem, das sich zwingend aufdrängt, der einen von aussen, dem andern von innen. Hinsichtlich dessen, was hier zu tun ist und wie zu reagieren wäre angesichts bekannter Sachlagen, gilt nach Voraussetzung der vier anthropologischen Dimensionen als ausgemacht: Jeder kann hier jeden vertreten und wird dasselbe tun – die aus diesen beiden objektiven Sphären ableitbaren subjektiven Gründe sind intersubjektiv identisch (idealerweise; es darf grundsätzlich erwartet werden, diesem ZWEITEN STANDPUNKT zufolge) – wie zu reagieren ist, wie zu befriedigen wäre (wenn etwa der Bedürftige sich nicht selbst helfen, nur seine Bedürfnisse (glaubwürdig) benennen kann). Und genau das ist so ohne weiteres, aufgrund der in diesem Begriff oder Verständnis des allen Personen als Personen Gemeinsamen enthaltenen Behauptungen über das objektive wie subjektive Substrat des Ästhetischen und Technischen, in diesen beiden Wertsphären NICHT der Fall: Wie Stellvertretung, Arbeitsteilung hier stattfinden soll, ist erst einmal höchst prekär.
DASS sie stattfinden muss, DASS irgendwie die Fülle der Materien nur durch arbeitsteilige Verarbeitung aus den Einzelleben(sentwürfen) und ihren Umsetzungen in eine Lebensform und von dort wieder zurück in die Einzellebensentwürfe gelangen kann, ist seit dem Scheitern des ERSTEN STANDPUNKTES klar: Niemand kann in der Moderne seine ganz ureigene Technik, eine Technik für ihn und seine speziellen Zwecke ganz allein, erfinden – er überblickt ja nicht einmal die Wissenschaft im Ansatz, geschweige denn, dass ihm Zeit und Mittel zu Gebot stehen, oder auch nur die Ideen, um seine Projekte mit angemessenen technischen Erfindungen zu unterstützen, die er selbst baut und erprobt; niemand (es sei denn, er wäre selbst ästhetisch produktiv) kann neben seiner produktiven Tätigkeit auch noch die Chancen auf ästhetische Erfüllung ausloten, die seine nähere oder weitere Umgebung oder Phantasie bereithalten – nicht einmal, wenn sie ihm von einem andern ästhetisch Kompetenten unmittelbar vorgeführt würden. Denn das wäre immer noch nur ästhetisches Rohmaterial für ihn – anschliessbar ans Leben des ANDERN, an seines nicht unbedingt.
Aber noch mehr als im stellvertretenden ästhetischen Erleben (und der Reproduktion solcher Erlebnisse) stellt sich die Frage der arbeitsteiligen Verflechtbarkeit von Lebensentwürfen zur Lebensform beim technischen Fortschritt. Auch er ist ja anzuschliessen an einen erreichten Stand der Mittel; und selbst wenn nirgendwo Endzwecke auch nur eines einzigen Lebensentwurfs zu sehen sind, auf die die Technik zulaufen würde – so können doch die Einzel-Schwünge der Fortschrittsspirale in sehr unterschiedliche Richtungen weisen, die Prioritäten und Zwischenstationen – welche Technologie, die aus dem vorhandenen Mitteln heraus denkbar wäre, sollte zuerst entworfen, erprobt, realisiert werden? welche kommt später? – könnten höchst unterschiedliche sein. So wie man im Ästhetischen fragen kann: Will ich (wollen wir) das (jetzt) erleben? so im Technischen: Will ich (wollen wir) das (jetzt) können? Ähnlich: Will ich das (jetzt) wissen? Will ich das (jetzt) machen?
In unserem Selbstverständnis, wie wir es im ZWEITEN STANDPUNKT entwickelt haben, haben wir uns alle so gedacht, dass wir auf Bedürftigkeit und Sachverhalte, die sich uns (als Vorhandenes) aufdrängen, gleich reagieren, und uns dabei darum vertreten können. Beide sind rein innere oder äussere; aber (technische) Möglichkeiten und (ästhetisch dargestellte, realisierte) Wünsche, bzw. die Motive, die diesen beiden Mustern entsprechen, verknüpfen eine innere mit einer äusseren Quelle, und verlangen eine Integration der Beiträge, die beide Ursach-Arten (für Dasein bzw. Inhalt des Motivs) zur Qualität des resultierenden Motivs leisten. Dabei zeigt je eine der beiden Motivquellen auf eine INDIVIDUELLE, nämlich einem speziellen Lebensentwurf zuzuschreibende Anforderung: die EXISTENZ des ästhetischen Motivs ist motiviert durch eine spezifische MANGELERFAHRUNG im Leben Einzelner (aber nicht aller), der INHALT nämlich die Zweckmässigkeit einer Technologie leitet sich letztlich her aus der Rolle, die sie zur Unterstützung (Verbesserung, Erleichterung, Ermöglichung) einer speziell reproduktiven Tätigkeit, also im Rahmen eines Lebensentwurfs Einzelner, spielt.
Der Anlass zur Existenz des ästhetischen Motivs zielt auf ein genau zu DIESEM (also: welchem?) Individuellen Passendes, er wird gewählt aus einem viel grösseren Inventar möglicher solcher Inhalte; ebenso wurzelt die Möglichkeit, DIESE Technologie zu entwickeln (und diesem Zweck zu genügen), in der gegenwärtigen Wissensbasis für ALLE Technologie. Die Frage der VERKNÜPFUNG von Materien mit einem bestimmten Lebensentwurf (das Zuarbeiten von den Enden der Reihe moderner Kultursphären: Ästhetik-Berufstätigen/Routine-Reproduktionsalltag-Technikentwicklung-Wissenschaft auf den mittleren Bruchspalt zu, an dem die Reihe eigentlich sich schliessen soll) wird damit aufgeworfen, aber damit, wenn es um Arbeitsteilung geht, die Frage, was den Lebensentwurf, der es, produktiv, mit der (technischen, ästhetischen) (Ausgangs-)Materie zu tun hat, mit demjenigen verbindet, dem sie zugute kommen soll. Und wo und wie hier noch Gegenseitigkeit möglich sein soll, ist schwer zu sehen, und sei es über noch soviel Zwischenstationen (denn so ist ja Arbeitsteilung gedacht, s.o.: von der Masse der Lebensentwürfe in die arbeitsteilige, gesellschaftliche Produktion, von dort zurück in die Masse der Lebensentwürfe; die erste Masse durch ein unendliches Gewirr an Liefer-Beziehungen über Zwischenstationen mit der zweiten verbunden).
9.
Die Frage, die im ZWEITEN STANDPUNKT am meisten aufgeworfen wird, ist die nach der arbeitsteiligen Vertretbarkeit.
Das Unvertretbare schlechthin, nach diesem zweit-naivsten modernen Selbstverständnis, ist die Wahl des Selbst – der hochindividuelle Zusammenschluss aus Können und Müssen, Techniken und Bedürfnissen, durch die ein MOD Individuum (oder „Haushalt“) sich einen Lebensentwurf wählt unter den möglichen oder verfügbaren, im Rahmen der modern-gesellschaftlichen Lebensform; tatsächlich wählt es sich einen oder seinen Platz in dieser arbeitsteiligen und durch regelmässige Zulieferbeziehungen verbundenen Reproduktionsgemeinschaft, die sich – durch strukturelle Vergleichbarkeit der (aus ihren Lebensentwürfen sich ergebenden) Anforderungen an die arbeitsteilig zu betreibende Produktion – vergesellschaftet glaubt. Der Aufbau der gesellschaftlichen Lebensform aus den Lebensentwürfen einzelner, das Hin und Her zwischen den Andern und den Einzelnen, bis alles zusammenpasst, ist freilich das KERNSTÜCK dessen, wovon dieser ZWEITE STANDPUNKT als anthropologischer Konstante handelt: Das Zusammengehen von subjektiven, innerpsychischen und dem Einzelnen angehörigen Zuständen, Einstellungen, Dispositionen, und den ihnen gruppenweise ensprechenden objektiven (im Organismus des Betreffenden und in der Umgebung anzutreffenden) Umständen, (technisch bewältigbaren) Möglichkeiten und (bekannten) Zwängen/Risiken, erschlossen aus hinlänglich bekannten Sachverhalten/Gesetzmässigkeiten; schliesslich: angeschaute oder kreativ hervorgebrachte Wunscherfüllungs-Situationen (Anschauungs- und Erlebnismöglichkeiten).
Obwohl nichts weniger selbstverständlich ist als das Zustandekommen einer stabilen und funktionsfähigen arbeitsteiligen Lebensform als Resultat von unbeschränkten Wahl-Entscheidungen im Leben einzelner (und, in zweiten, dritten… Schritten aufgrund der Annahme von zugewiesenen oder angebotenen Positionen, im Rahmen der Lebensentwürfe aller Beteiligter) – obwohl also nichts weniger selbstverständlich ist als dieser massenhaft individuell (und doch gesellschaftlich) vollzogene Zusammenschluss von Elementen der technischen mit solchen der Bedürfnis- ud Lebenseinrichtungssphäre (und damit: massenhaftes Schliessen des Bruchspalts in der Mitte) – wird dieses massenhaft individuelle Wählen und seine Möglichkeit in diesem Selbstverständnis moderner Menschen von sich und ihrem Platz in der modernen Arbeitsteilung fortwährend als Ausgangspunkt unterstellt für die nachfolgenden Schlüsse und Schritte.
Hier finden also zwei Verknüpfungen gleichzeitig statt (zumindest wird das so angenommen auf diesem STANDPUNKT), nämlich der (massenhafte) Zusammenschluss von Techniken bzw. Prognostiken mit Bedürfnissen zu (hoffentlich) funktionierenden, nämlich auf Dauer sich reproduzierenden Einzel-Alltagen; und die An- oder Einbindung all dieser Einzelzusammenschlüsse an und in den sinnvoll arbeitsteiligen Verbund, der die für Erbringung der Einzelleistung nötigen Mittel an die betreffende Stelle liefert und die erbrachten Leistungen abruft und an die richtigen nächsten Stellen des gesellschaftlichen Reproduktionszirkels verteilt: Lebensform, wie sie nach dem Konzept des ZWEITENS STANDPUNKTES sich notwendig ergeben muss. – Der ZWEITE STANDPUNKT, das sollte betont werden, enthält nichts als ein anthropologisches Konstrukt, in dem sich alle modernen, also am modernen Kulturentwurf (Individualität) mitwirkenden Individuen sollen wiedererkennen können. Das Konstrukt sagt über diese Individuen nur: Dass ihr Inneres, ihre Subjektivität oder Persönlichkeit, genau den vier modernen Kultur-Wertsphären entsprechende Funktionen oder Abteilungen enthält, denen korrespondierend, in der umgebenden (spätestens gesellschaftlich, gemeinschaftlich hergestellten) Realität, zu ihnen passend Objektives gegenübertritt; dabei lassen sich die betreffenden psychischen Funktionen (welches immer auch ihre spezielle Färbung, im Sinne der Alltagspsychologie sein mag) geradezu reduzieren auf ihre Relation zu diesem Objektiven, ob sie der Existenz oder ihrem Inhalt nach dadurch bedingt sind oder eben nicht. (Aus den vier möglichen Fällen von (Nicht)Bedingtheit, die sich daraus ergeben, lassen sich die vier Funktionsgruppen ableiten, s.o. Abs.3.) Was der ZWEITE STANDPUNKT dabei kaum für zu denken nötig hält, ist die Verknüpfung der vier Sphären – ob nämlich zu der Subjekt/Objekt-Verknüpfung, die zu definieren er zur Formulierung seines Selbstverständnisses für nötig hält, noch weitere hinzutreten, die er nicht beachtet, die aber Bedingungen der Möglichkeit einer oder mehrerer der Abteilungen des subjektiven bzw. objektiven Quartetts sind.
Dass es solche Verknüpfungen gibt bzw. geben muss (damit alle 8 Abteilungen, 2 Quartette (subjektiv, objektiv) und 4 Paare aus Zuordnungen zustandekommen), zeigt sich in den jetzt angefangenen Betrachtungen schlagend:
Nur im gesellschaftlichen Verbund, nur im Sich-Verlassen-Dürfen auf Arbeitsteilung und Aufrechterhaltung ihrer Voraussetzungen auf Dauer, macht der moderne Einzel-Lebensentwurf Sinn. Aber dieser Verbund existiert nicht einfach als subjektive Beziehung auf ein unabhängig von anderm gegebnes Objektives (allenfalls die potentiellen Gegenstände der Wissenschaft sind so da; dass und welche von ihnen erforscht werden, ist freilich schon nicht mehr selbst-gegeben), er wäre, wenn er denn je zustandegebracht wird, unendlich komplexes Produkt komplexer Verhandlungen aller Beteiligter, die ihre Lebensentwürfe, in denen sie alle FÜREINANDER das Objektive der Andern produzieren, aufeinander abstimmen müssten.
Sollten sie annehmen, dass ihnen das auf prekäre, immer gefährdete Weise gelungen ist: Dann droht ihnen immer noch weiterer Sinnverlust; denn der Rest der Verknüpfungen ergibt sich daraus keineswegs von selbst.
10.
Der ZWEITE STANDPUNKT ist Resultat des Scheiterns des ERSTEN, der scheiterte an der schieren Masse an nutzbarem Material, das die nur durch Teilnahme am modernen Kulturprogramm (Wissenschaft, Technik, Spezialisten-Routine, Ästhetik) und „Veröffentlichen“ ihrer individuellen Errungenschaften miteinander Verbundenen in ihrer jeweiligen Lebenstätigkeit, unkontrolliert, unabgestimmt, anhäuften. Indem es diese Produktion nicht mehr auf sich und seine Existenz beziehen konnte, wusste das moderne Einzelwesen nicht mehr, ob es sich der individuellen Vervollkommnung widmen sollte (und die damit nötige Verarmung seiner Möglichkeiten inkaufnehmen), oder weiter objektiven (Expansions-) Ansprüchen hinterherjagen sollte (bzw. an dem gesellschaftlichen Projekt eines solchen Hinterjagens sich beteiligen), unter Inkaufnahme des Risikos, von Lebensmöglichkeiten, die sich durch Nutzung irgendwo produzierter Materien ergäben, ausgeschlossen zu sein. Wenn aber keiner objektive Ziele verfolgte, würde die bislang unkontrollierte Produktion auf eine Reihe reduzierter Lebensentwürfe schrumpfen (das ist die andre Seite des Verlassens des ERSTEN STANDPUNKTS – der ja auch einen Arbeitsteilungs-Anspruch, ein Lebensform-Konzept mitenthielt); daher der Gedanke, Lebensentwurf und Anspruch (also „Wachstumsorientierung“) im Sinne des modernen Kulturprogramms zu vereinbaren, indem man Lebensentwürfe sinnvoll, nämlich spezialisiert-arbeitsteilig, miteinander verknüpfte. Der ZWEITE STANDPUNKT setzt DAUERHAFT SPEZIALISIERTE Arbeitsteilung (und nicht nur das schlichte Nacheinander-Übernehmen von Einzelaufgaben durch Einzelne, die die Resultate andern zugänglich machen), darum Aufarbeitung bzw. Abstimmung der Produktion der Kultur-Materien (Wissen, Techniken und Prognostiken, Berufe, ästhetische Erlebnismöglichkeiten) voraus, durch eine einfache Zusatzannahme: Nämlich, dass jedes (Einzel)Subjekt in den Besonderheiten seines Psychische-Funktionen-Quartetts die ihm momentan entsprechenden Materien in den gesellschaftlich erzeugten Haufen finden wird, und dass das für es Passende in jedem Fall dort bereitgestellt sein wird.
Dabei sind zwei weitere Vorgaben unmittelbar klar: Die Gemeinschaft kann den Einzelnen die Entscheidung, welchen Lebensentwurf sie letztlich wählen, nicht abnehmen, nur flexibel ihnen Möglichkeiten, sinnvoll sich ins Ganze einfügende solche Entwürfe anzubieten versuchen (allerdings bei Ablehnung solcher Angebote durch massgebliche Minderheiten der in der modernen Lebensform vergesellschafteten MOD Individuen bricht die Möglichkeit sinnvoller Arbeitsteilung erst einmal wieder zusammen, damit auch die Chance des Einzelnen, an der Expansion der Materien immer weiter teilzuhaben und sinnvoll auf sein Lebensprojekt zu beziehende Produkte sich aus der Masse des gemeinschaftlich Erzeugten herauszugreifen. Darum müssen die Wahlmöglichkeiten hinsichtlich Vor- und Nachteilen einander immer äquivalent, indifferent gedacht werden). Es ist, zweitens, auch klar, dass die Belieferung von Technik mit Wissen (die Selektion der technisch zu verwertenden Wissensstücke) und umgekehrt die der restlichen Produzenten mit Erzeugnissen der ästhetischen Sphäre nicht allein durch Wahlakte von deren Seite (nämlich ALLER Betroffener) zustandegebracht werden kann – daran war ja der ERSTE STANDPUNKT gescheitert; um aus den riesigen Wissens- und Genussmöglichkeiten überhaupt wählen zu können, müsste der Einzelne über sie als Ganzes verfügen, genau das kann er ab einer bestimmten Grössenordnung der Fortgeschrittenheit der jeweiligen Sphären nicht mehr. Spätestens hier also muss er sich darauf verlassen können, dass die GLEICHARTIGKEIT der anthropologischen Konstitution die Entscheider an den jeweiligen Nahtstellen von Technik und Wissenschaft bzw. Ästhetik und (einer Unzahl von) Alltag(en) zu genau den Ergebnissen wird kommen lassen, die er selbst befürworten würde. Hier zeigt sich dann: Das Objektive, das der Technik-bezogenen subjektiven Funktion (Fähigkeiten) gegenübertritt, jener Motivart also, die dem INHALT nach unabhängig von Äusserem wirkt, in ihrer EXISTENZ aber von äusseren Möglichkeiten abhängt – es ist darauf angewiesen, dass längst eine andere psychische Funktion auf gesellschaftlicher Stufenleiter betätigt wurde, und diese äusseren Möglichkeiten zum Inhalt verfügbaren WISSENS gemacht hat. Ebenso ist der Zugriff aus einer Alltagsexistenz heraus auf zu ihm passendes ästhetisches Erleben und Befriedigung dieses Teils der Bedürfnisse, die im betreffenden Alltag gewachsen sind, nur möglich, wenn gezielt solche Erlebnisse, bereits aufbereitet für die entsprechenden Bedürfnisgruppen, bereitgestellt werden.
Aber in genau diesen Hinsichten wären die betreffenden Funktionen durchaus noch vertretbar: Ein anderer konnte an meiner Stelle nicht nur auf die objektive Herausforderung reagieren, nicht nur die „intelligente“ Wissensverarbeitung hat intersubjektiven (eben objektiven) Charakter. Sondern er konnte auch im Sinne der aktuellen technologischen Verwertbarkeit seine „Überwältigtheit“ durch die ihm sich darbietenden empirischen Sachverhalte und Rätsel unterdrücken, und die Forschung konzentrieren auf vielversprechende oder technisch-prognostisch aktuell relevanten Sachverhalte. Jeder von uns konnte, stellvertretend für alle, den Bestand des überhaupt ästhetisch Ansprechenden erweitern, und wir alle können (fortgeschrittene Geschmacksbildung vorausgesetzt) diesen Tatbestand würdigen – sogar ohne selbst dieser Ansprechbarkeit zu unterliegen; wir können uns Umstände denken, unter denen das Betreffende ansprechend wirkt: ebenfalls ein intersubjektiv, objektiv erhebbarer Befund. Auf diese Weise arbeiten Reisen/Erzählen/Kunst/Spiel/Unterhaltung und Forschung gezielt auf die massenhaft (aus ähnlich gerichteten Einzel-Lebensentwürfen) an sie herangetragenen Anforderungen der Nachbarsphäre zu.
Speziell nun aber die „gemischt“ auftretenden psychischen Funktionsgruppen, die sich auf Technik und Ästhetik beziehen, haben noch einen andern, nicht objekt-bezogenen sondern „innen“-motivierten Anteil: Im Fall der Technik: das, woraufhin Nützlichkeit vorangetrieben wird (in einer bornierten traditionalen Produktionsweise war das festgelegt durch die beschränkte Anzahl überhaupt benutzter Technologien, die zu verbessern waren). Im Fall der Ästhetik: die individuellen Alltage und Lebensführungen, in die ein ästhetisches Produkt hineinwirken und an deren Erfahrungsbestand ein ästhetisches Erleben anschliessen soll. Beide sind subjektiv und darum, unter Bedingungen der explodierten Vielfalt moderner Lebensentwürfe und Lebens-Stellungen in der gemeinschaftlichen Lebensform, weder vertretbar noch in irgendeine Prioritätenreihe und Rangfolge zu bringen. Vielmehr dürfte es da soviele Rangreihen wie Lebensentwürfe geben. Mit dieser jeweiligen Motivhälfte also ist Vertretbarkeit nicht ohne weiteres zu gewährleisten.
Im Nebeneinander von Innen- und Aussen-Motiviertheit zeigt sich, speziell am Ästhetischen und Technischen, der Bruchspalt an, der (als wiederum Symptom, das auf ihn verweist) Prioritätenfragen aufwirft (etwa in Gestalt von Verteilungsfragen: für WEN also wessen Lebensentwurf sollen Techniken entwickelt und Erlebensformen gesucht und gestaltet werden?). Noch stärker aber wird dieselbe Frage aufgeworfen in der Alltagssphäre selber – vertretbar mag das produktive Handeln FÜR Andere ja sein (und dann ins Leben des Produzenten einfügbar) – aber FÜR welche Andere soll hier überhaupt gearbeitet, welche Routine-Bedürfnisse wessen sollen in welcher Reihenfolge zum Zuge kommen? Hier können wir nicht auf die Intensität der Bedürftigkeit alleine achten, es bedarf anderer, objektiver Kriterien wir müssen kühl die Folgen jeder Prioritätensetzung für künftige Alltage, die Fortschrittschancen (umgekehrt die Stagnationsdrohungen), die sich aus bestimmten Verteilungsentscheidungen ergeben, abschätzen, und dürfen Bedürfnisse nicht mehr unmittelbar gelten lassen. Schliesslich ist die (eben noch im vorhergehenden Absatz so dargestellte) vermeintlich vertretbare Entscheidung zugunsten irgendwelcher Forschungsthemen eine Ausdehnung technologischer Fragestellungen (die bereits erworbenes Wissen voraussetzen) ins Feld der Wissenschaft; Wissenschaft aber kann solche Voraussetzungen nicht machen, sondern nur einfach unspezifisch und ungezielt, ihrer EIGEN (statt der Nutzen-)Logik folgend, beschleunigt werden: Sie muss den sie Vorwärtstreibenden zum GENERELLEN (unspezifischen) BEDÜRFNIS werden.
Und genau diese Erweiterungen der ursprünglichen Anthropologie (die den ZWEITEN mit dem ERSTEN STANDPUNKT verband), also des Selbstverständnisses der in die jeweiligen Rollen und Stellen im gesellschaftlichen Produktionsprozess Festgebannten, finden tatsächlich mit sich ausweitender Produktion, und somit Arbeitsteilung, statt.
Nur: es hilft ihnen nicht weiter.
11.
Von dem ERSTEN STANDPUNKT kann man nicht gut sagen, dass er zwischen modernem Lebensentwurf und moderner Individualität trennt; sein an Irrwitz grenzender Optimismus (realitätsgerecht allenfalls in ganz frühen Stadien von Modernisierung und Modernität denkbar) besteht doch darin, dass jeder modern Eingestellte sich jederzeit auf der Höhe des von ihm selbst wie andern Erarbeiteten bewegen kann, und das in ALLEN vier Wertsphären sowohl als ihren Verbindungen; Vertretbarkeit besteht hier nur darin, dass die kreativen Geister, die hier am Werk sind, einander überflügeln und überbieten und dem zuvorkommen, was der je andre kurz davor stand selbst zu entdecken oder zu erschaffen.
(Wohingegen die Idee einer unvertretbaren und unverwechselbaren Originalität und Genialität eine wenigstens ins Religiöse abgesunkene Modernität unterstellt: Das besondere Talent als unbestimmt wie, aber doch optimalerweise bis auf weiteres zu unterstellende Quelle von unerhörten BESCHLEUNIGUNGEN moderner Produktivität durch (man weiss nicht wodurch begründete, aber dennoch) „geschickte“ Wahl von Forschungsgegenständen, Problemlösungen, Produktions-Entscheidungen, ästhetischen Projekten, die zugleich ein maximal grösstes Interesse einer grössten Zahl bedienen), oder auch uneinholbarer Intensitäts-Steigerungen; dies von andern Subjekten nicht einholbare, aber offenbar beliebiger Steigerungen für fähig erklärte Geschicktheits- und Motivations-Niveau, womöglich ein in seinen Qualitäten, seinem Zustandekommen nicht einmal ganz Begreifliches („Wie hat er das nur gemacht? Wie konnte er nur darauf kommen?“), ist dem genuin modernen Denken fremd.)
Die Kategorie Lebensentwurf (und die ihr korrespondierende: gemeinschaftliche Lebensform) trennt und hebt sich ab von „Individualität“, dem leben-übergreifenden Lern-, Forschungs- und Fortschrittsprogramm einer Mentalität (oder Kultur; zur Not: Individualkultur, individuellen Wertewelt), indem die Materien, und das geht schnell, die in den einzelnen Wertsphären angehäuft werden (incl.Vielheit der Alltage, Spezialisten-Existenzen) das Mass des in einem Leben Bewältigbaren und auch nur zur Kenntnis zu Nehmenden grotesk übersteigen. Aber damit bleibt nicht etwa EIN geteilter kollektiver Lebensentwurf hinter dieser rasch anschwellenden Kulturgutmasse zurück, sondern viele – jeder auf SEINE Weise von allerdings dem meisten ausgeschlossen, das an sich frei zugänglich („veröffentlicht“) und verfügbar wäre. Also Vielheit und Vervielfachung der Lebensentwürfe im selben Schritt; und damit ganz von selbst die Frage: Wie überwinden sie ihre GEMEINSAME Ausgeschlossenheit vom meisten, indem sie das JEDEM von ihnen immerhin Zugängliche an andre oder sogar möglichst alle andern gelangen lassen – soweit dafür in deren Leben Platz ist; was bedeutet, dass es irgendwie auf deren Interessen, deren verbliebene Fassungsfähigkeit oder bedingte oder selektive Interessiertheit (aus ihrer Besonderheit und besonderen Beschränktheit heraus) zugeschnitten wird: Die Fragestellung von ARBEITSTEILUNG.
Deren Fragestellung engt sich gleich nochmal ein auf die: Wie können die Kenner ihrer Materie Entscheidungen im Sinne der Nichtkenner und Nichtexperten treffen, da wo die moderne Individualität ganz selbstverständliche ÜBERGÄNGE und Zuflüsse von Materien von einer Wertsphäre in die andre unterstellt? Also etwa: Die Wissensbasis der Technologie, die (ständig verbesserte) technologische Basis der Spezialisten- und Produzenten-Existenz (auf die Bedürfnisse und Leistungsvermögen abgestellt werden müssen), die Entbehrungen der Spezialisierten aller Fächer als Basis dessen, was als ästhetisches Erleben gelten könnte.
Arbeitsteilige Vertretung aller durch alle wirft dort keine Probleme auf, wo Aufgaben entweder durch ihre völlige Subjektivität individuiert sind, wie etwa in der Art und Einrichtung eines Spezialistenalltags: Da können andere Ratschläge erteilen und helfen beim Einrichten maximal entgegenkommender Arbeits- und Lebensumstände, spätestens wenn der Betroffene authentisch und ungezwungen sagen darf und kann, was er braucht (ergonomische Arbeitsplätze, Urlaubsplanung, Erleichterungen der Lebensführung usw.). Die Frage, ob DIESE Spezialisten-Existenz in der Gesamt-Produktion gebraucht wird, ist damit nicht beantwortet. Und… sie wird (in gewissem Sinn, im Kreis herum) weitergereicht an die Versorger des Spezialisten nicht weniger als an die, für die er hätte arbeiten sollen. Was davon soll sein, was nicht – was ist nötig, was nicht? WoFÜR?
In der Forschung ist es fast umgekehrt: Da macht sich der moderne Indifferenz-Gesichtspunkt gegen die Bereitschaft der Spezialisten geltend, sich zu bornieren und die Entwickung ALLER Fächer und Gegenstände zugunsten bestimmter, ihnen aber auch nur ihnen „vielversprechend“ erscheinender aufzugeben. Aber dieses Sich-Mehr-Versprechen von einer Hypothese, einem Thema als von andern widerspricht dem Geist der modernen Wissenschaft zutiefst. Prinzipiell ALLES Vorhandene ist zu registrieren und als Elementkomplex zu erklären (Ökonomie in der Darstellung unterstellt, versteht sich; dies aber mehr ein Aspekt der Technik der Wissens-Verwaltung und -Organisation). Die moderne Wissenschaft als Wissenschaft muss unbehelligt bleiben von Nutzen-Rücksichten, denn genau so, als ungerichtete, stiftet sie ja den grössten Nutzen, indem sie das aus dem Bestehenden nicht Ableitbare, Unvorhergesehene, Überraschende vorurteils- (leider auch kategorien)los erschliesst.
Die Frage nach der Nutzbarkeit von unstrittig Vorhandenem ist genuin technologisch, aber sie wirft dann auch die Frage des WoFÜR? auf. Insofern sie ABZÜGE von ALLEM gezielten WoFÜR? und Absehen davon beansprucht, und beliebig beschleunigt, also ausgedehnt werden könnte, wirft Forschung diese Frage von der andern Seite her auf, und stellt sie jedem einzelnen Projekt: Wieviel an und in ihm, wieviel fühlbare Verlangsamung, Beschneidung, Behinderung soll in diesem Projekt für ihre Beschleunigung, Ausdehnung, Entgrenzung geopfert werden?
In leicht abgewandelter Form gilt dies alles aber auch (wie bereits gesagt) für die andern beiden Sphären: Im Prinzip sollte jeder befähigt sein, zwischen etwas ohne jedes ästhetisches Interesse (das keine weitergehende Aufmerksamkeit verdient) und einem grundsätzlich ästhetisch anmutenden Erlebnisinhalt zu unterscheiden, also Erlebnisse auf diesen unterschiedlichen Effekt hin zu bewerten und zu beurteilen; Vergleichbares gilt für die Frage, ob etwas, eine Vorrichtung, ein Gerät, unser Können in IRGENDEINER Hinsicht erweitern würde und in DIESEM Sinne nützlich für etwas, und zur Hervorbringung irgendwelcher irgendwo möglicherweise einsetzbarer und benötigter Effekte tauglich sein kann. (Allerdings: Hier ist bezeichnenderweise nur noch von bedingten Beurteilungen die Rede, in denen sich alle vertreten könnten. Die Entscheidungen und Prioritätensetzungen hingegen können die Vertreter den Vertretenen nur ABnehmen in dem Sinn dass sie sie ihnen WEGnehmen, und das heisst: Zeit, Ressourcen, Optionen.)
12.
Diesen vier quasi intersubjektiv gedachten Stellungen entsprechen dann vier anthropologisch konstante, allen Menschen (Personen) als solchen eigen sein sollende Hauptabteilungen ihres Innenlebens (die man in gleicher Weise als Bedürfnis, Disposition, erlebtes Empfinden/Gefühl, Motiv/Reaktion/(provozierte) Praxis deuten könnte).
In unserer Stellung zu den Materien, mit denen wir in den vier Hauptabteilungen moderner Kultur-Tätigkeit überhaupt konfrontiert werden könnten (sei es im ursprünglich eigenen Leben, sei es in dem der andern), verhalten demnach, so steht zu erwarten (gemäss anthropologischer) Selbst-Interpretation bzw. Selbstverständnis des ZWEITENS STANDPUNKTES), „wir alle“ uns völlig gleich.
Nur dass das nicht genügt.
Denn die Materien bilden, gemäss den die Epochen-Kultur begründenden Prinzipien (6 minimal-suboptimale, transzendental-ökonomische Regelgruppen) einen durchgehenden Sinnzusammenhang (wobei die Wissenschaft, neben ihrer Zulieferfunktion für Technik, einen gewissen Selbstzweckcharakter behalten soll; es war eben schon zu sehen, wie sehr sie genau dadurch in die Ökonomie der andern Abteilungen eingreift).
Und genau an den Nahtstellen zwischen den Sphären endet dann die Vertretbarkeit.
An der mittleren Nahtstelle scheiterte die Expansion (Fortschritt) von Lebensentwürfen auf dem ERSTEN STANDPUNKT an der Vielzahl von MÖGLICHKEITEN – Möglichkeiten der Handlungsspielraumerweiterung, also des tatsächlich Gekonnten durch Verwendung aller verfügbaren Techniken; Möglichkeiten der Lebens-Neugestaltung angesichts sovielen Könnens – und der Vielzahl von NOTWENDIGKEITEN – Notwendigkeiten, neuen Anforderungen und Risiken durch entsprechende Einrichtungen zu begegnen; Notwendigkeiten, aufreissende Lücken in der bisherigen Lebensführung zu schliessen und neuartige Bedürfnisse zu befriedigen.
Das war allein nicht zu bewältigen.
Und doch musste alle mögliche Bewältigung durch IRGENDEINEN Lebensentwurf hindurch stattfinden, also IN irgendjemandes Leben; und es musste gelingen, die Lebensentwürfe in der gemeinschaftlichen und jetzt unendlich arbeitsteiligen Lebensform so aneinander zu schliessen, als wäre es EINE – die Arbeitsresultate der einen müssen den andern zugeleitet werden, die sie sinnvoll verwerten können, und so im Kreis (vielfältig verzweigt) herum; denn so nur ist diese Arbeitsteilung, nur so aber auch auf ihr beruhendes FORTSCHREITEN und Verarbeitung des ständig neu zufliessenden Wissens der Wissenschaft und Technologie zu denken.
Auch in der traditionalen Gesellschaft gab es Arbeitsteilung und Spezialisierung; die moderne Arbeitsteilung (als wäre die aufzuteilende Arbeit festgelegt) tut so, als wäre sie die bruchlose Fortsetzung dieser vormodernen, „traditionalen“, in der so wenig Entscheidungsbedarf war, weil alle Entscheidungen meist längst getroffen waren und Neues immer wieder nur geringfügige Eingriffe nach sich zog, wie stark auch in grösseren Zeiträumen die Lebensweise sich verändern mochte. In der angeschobenen Moderne (derart dass ihre Träger über den ERSTEN STANDPUNKT hinausgekommen waren) hingegen war und ist eher Stabilität die Ausnahme – ständig wachsen den Akteuren ja neue Kenntnisse über die möglichen Bedingungen und (Neben)Folgen ihres Tuns oder Lassens zu; ständig ist zu entscheiden, welche dieser Möglichkeiten aufgegriffen oder ignoriert, genutzt, bewältigt, unterbunden werden sollen. Entscheidungen, die den erklärtermassen Einzelnen überfordern, sollen nun getroffen werden ohne Abstimmung, als würden sich die kognitiven Potentiale aufaddieren so wie die Handlungsspielräume der Beteiligten; aber das tun sie nicht. (In einer traditionalen Lebensform waren die zu erledigenden Aufgaben so sehr noch auf Gebrauchsgegenstände gerichtet, die im Leben aller oder Nahestehender benötigt wurden, dass allein die Charakterisierung der Branchen und Tätigkeiten schon erledigt war durch die Art des Gebrauchsgegenstands, der da erzeugt oder repariert werden sollte. Der BEDARF regulierte die Produktion, und definierte die Spezialität. Moderne Berufe sind technologisch, als unspezifische Kompetenz im Umgang mit Werkstoffen und Aufgabenarten, Themenbereichen, definiert. Darum gilt NUR in der Vormoderne: Die GETEILTE Lebensweise, im Sinne der (wechselseitig anerkannten) Bedürfnisse und (begrenzten) (Spezial-)Fähigkeiten, definiert bereits die (dann „ständische“, im grossen ganzen dauerhaft stehen-bleibend-stabile) Lebensform.)
Wie soll also nun definiert werden, was zu arbeiten wäre – wer was macht, sodass Möglichkeiten und Notwendigkeiten nicht verfehlt werden, und gleichzeitig ein für ihn (und so jeden) vollgültiger Lebensentwurf herauskommt – einer, der nicht nur für den einzelnen Sinn macht, sondern der sich in die unendlich verzweigten Branchen der modern spezialisierten Arbeitswelt einfügt? Nur wenn MASSENHAFT Lebensentwürfe festehen, lassen sich die sechs Prinzipienpaare anwenden, lässt sich das kulturelle und Lernprogramm der Moderne halten. Aber sie stehen eben nur fest und machen nur Sinn, wenn sie sich zu reproduktiv-arbeitsteiligen Lebensformen verknüpfen lassen. Lebensform und Masse der in ihr zu verknüpfenden Lebensentwürfe treten in ein unendliches Wechselverhältnis zueinander; erst recht dann und darum, sobald und weil dies Verhältnis zu ergänzen ist durch das Aussenverhältnis der Lebensform, die mit einem ständigen ANWACHSEN (also nicht einmal nur einem ständigen Wechsel) konfrontiert ist; sie gerät unter Dauer-Differenzierungsdruck.
Spätestens, indem die Einzelnen diesem Druck standhalten und auf jeden Innovationsbedarf mit einer Neueinrichtung (als wäre es eine traditionale) ihrer Lebensform, als Ensemble sinnvoll verknüpfter Lebensentwürfe, zu antworten versuchen, werden sie von der selbsterzeugten Unendlichkeit ihrer Materien, Lebens- und Arbeitsmöglichkeiten eingeholt. Eine aus koordinierten Einzelentscheidungen (in Kenntnis des Platzes, den man im Ganzen einnimmt) erwachsende Abstimmung und Übereinstimmung im traditionalen Sinn zu erreichen wird unmöglich (es gibt keine gruppenweise massenhaft sich wiederholenden gleichartigen Referenz-Lebensentwürfe, die sich zur Lebensform einfach addieren, und die sich koordinieren im wesentlichen durch ihr Nebeneinanderverlaufen und zusammen Hinreichen zur Belieferung der gesamten Gesellschaft mit den betreffenden Gütern).
13.
Vertretbarkeit von Entscheidungen ist spätestens hier nicht mehr zu denken; denn die Aufgabe ist so definiert, dass jeder Entscheider, der sie zu lösen versucht, sich zu dem riesenhaft angeschwollenen GANZEN der zeitgenössischen Produktion stellen muss. Die Denk-Figur der Arbeitsteilung, nämlich des „jeder an seinem Platz, für die andern mit, die er beliefert, und von denen er beliefert wird“ versagt an dieser Aufgabe eines Entwurfs des GANZEN oder einer Stellungnahme zu ihm; die Arbeit an dieser Aufgabe lässt sich per definitionem nicht teilen. Vertretbarkeit (also Aufgaben- und Arbeitsteilung) würde hier nur wieder möglich, wenn Prioritätensetzungen objektiven Notwendigkeiten gehorchten, die ähnlich intersubjektiver Natur wären und ähnlich gültige Bewertungen und Beurteilungen, also Stellungnahmen, zur Folge haben würden, wie es bei Wissenschaft (dem Paradigma der Intersubjektivität in der zu erwartenden Reaktion jedes überhaupt Vernünftigen“ schlechthin), aber auch im Ästhetischen (jeder Geschmacks-Gebildete würde dasselbe Urteil fällen) vorkommt, und ähnliche Weisen des „Wissens was zu tun ist“, wie im Fall der Bedienung von bekannten, authentisch verspürten und geäusserten Bedürfnissen (dem Paradigma der praktischen Vertretbarkeit schlechthin: tun können, wenn gewusst wird, was), aber auch im Falle technischer Problemlösungen im Vorfeld bekannter Aufgabenstellungen, die sich aus solch klaren Fällen von Bedürftigkeit ohne irgendwelche Zweifel ergeben.
Aber dass die Aufgabe für Entscheider auf dem ZWEITEN STANDPUNKT ohne Rückgriff auf solche objektive Notwendigkeiten unlösbar ist – die Aufgabe, Lebensentwurf und mit allen andern Lebensentwürfen abgestimmte Lebensform zu finden und somit ARBEITSTEILUNG zu gestalten – ist damit noch nicht bewiesen. Das Handeln IN jedem der von der modernen Individualität, also kulturell, den Lebensentwürfen der sich in dieser Individualität Einrichtenden aufgezwungenen Lebensentwürfe ist in der Tat vertretbar – das anthropologische Konzept, das nach dem ZWEITEN STANDPUNKT für alle Personen ohne Ausnahme und in gleicher Weise gilt, verbürgt, dass sie in all diese Tätigkeiten füreinander eintreten können. Aber das Zusammenarbeiten der Sphären, das wechselseitige Sich-Zuliefern von Daten, Anforderungen, nutzbaren Errungenschaften funktioniert so nicht, weil dabei immer eine gezielte Auswahl (für den jeweiligen Einzelzweck der EINEN Sphäre) aus dem Ganzen (der Nachbarsphäre) stattfinden muss. Und selbst wenn zwei einander benachbarte Sphären (etwa das Technische und das Reproduktive), auf welche Weise auch immer (ein Sich-Wechselseitiges Anpassen von Lebensform und Lebensentwürfen aller Beteiligter, wie eben in 12 erwogen) kollektiv zusammengeschlossen wären, und somit an dieser Stelle die Voraussetzung für eine arbeitsteilige Lösung des Problems geschaffen wäre, wie man die riesigen Materialmengen, die die Produktion jeder der von andern getrennten Sphären auswirft, gezielt in und auf die Anteile verteilen soll, die im Einzel-Lebensentwurf für Umsetzung des Werts der andern drei Sphären genutzt werden könnten oder müssten – selbst dann also stellt sich das Problem für die verbleibenden anderen beiden Sphären um so dramatischer. Für das Zusammenbringen von massenhaften Lebensentwürfen in eine kollektive, arbeitsteilig reproduktive Lebensform wurde das eben in 12 gezeigt: In dieser kollektiven Lebensform (einer ganzen grossen Produzentengesellschaft) sind derart viele objektive Interessen angelegt, die von dem oder jenem Befund der fortschreitenden Wissenschaft betroffen sein könnten (im Sinn einer Gefährdung oder nutzbaren Chance), dass sich diese Gesellschaft nie anders denn als ganze zum Ganzen der wissenschaftlichen Resultate verhalten kann; aber verbunden, wie all die Einzelstationen der gesellschaftlichen Aufgaben-Aufteilung und vor allem VERteilung von Aufgaben und Errungenschaften auf die Lebensentwürfe der Einzelnen sind, gibt es kaum ein IRGENDWO relevantes Datum, das sich nicht indirekt auf beinah ALLE andern Stationen, also Lebensentwürfe, auswirken würde; vielleicht nicht viel, aber in der Summe. Wie sollen die Einzelnen aber sich auf diese sich womöglich addierenden oder plötzlich kumulativ sprunghaft Wirkung zeigenden Effekte einstellen, wie darüber entscheiden und sich dazu stellen (ablehnend, zustimmend)? Wie liessen sich Prinzipien und Maximen denken, die sie den Entscheidern an jeder Grenzstation übermitteln könnten (wie diese Maximen abzustimmen sind, wenn sie unterschiedlich ausfallen, ist ohnehin ein Frage), derart dass die klare Vorgaben haben, wie sie mit neu hereinkommenden, technisch durch die Produzentengemeinschaft verwertbaren Informationen verfahren sollen: Sollen sie Risiken ignorieren oder angehen? Sollen sie neu entdeckte Effekte auf ihre Verwendbarkeit hin prüfen und durchdenken oder das lassen? Umgekehrt, sollen Aufträge der Gesellschaft an die Wissenschaft gegeben werden, gezielt Aufwand zu treiben, um bestimmte Problemlösungen durch technologisch orientierte Forschung zu finden und auszuprobieren (das wäre dann Umverteilung von Wissenschaft des Vorhandenen auf Technologie; ein klarer Prioritäten-Konflikt)? Wie, nebenbei, ist eigentlich die Verteilung von Gesellschaftsangehörigen auf die betreffenen beiden Sphären (die sich so herauskristallisieren) reguliert – wer darf, muss, kann – oder auch nur: wieviele dürfen, können, müssen Wissenschaft treiben, technisch entwickeln, routine- und ästhetisch produzieren und sich darauf jeweils einrichten? Die nicht ganz unerhebliche Frage, wieviel Wissenschaft und schnellen Erkenntnisfortschritt, wieviel Technik-Entwicklung, wieviel Ressourcen-Überschüsse, wieviel vorläufige Erfüllung sich die jeweilige Restgesellschaft leisten kann und will, ist dann noch garnicht geklärt – also die Frage, wieviel einer eventuellen Prioritätenliste, selbst wenn man sich auf sie hätte einigen können, in welchen Zeiten, also wie schnell, abgearbeitet werden soll – wie SCHNELL das in Proportionen geteilte Budget der Gesellschaft wachsen soll (und u.U. aus genau dieser Rücksicht noch einmal neu verteilt werden sollte). – Und natürlich stellen sich ganz ähnliche Fragen auf der Gegenseite – da, wo ästhetisches Erleben bestimmt werden soll durch die NICHT von aussen kommenden, die Erlebens-Intensität des Künstlers und generell Erlebenden (und Geschmacks-gebildeten Spezialisten) steigernden, stattdessen aus den vielen einzelnen Lebensentwürfen an diese Sphäre ständig herangetragenen und ihre EXISTENZ dauerhaft begründenden Interessen oder Gefallens- und Missfallensäusserungen des „Publikums“: Ihnen soll von seiten des eigentlichen Erlebnis- und Einfalls-Materials etwas entgegenkommen, ein – gröbst-mögliche, allererste Feststellung überhaupt! – SELEKTIONSPROZESS, der die Ursprungsmaterien den Interessen gemäss verarbeitet und für sie, im Rahmen von deren Aufmerksamkeits-, Intensitäts- und Musse-Kapazitäten bzw. -Bedürfnissen, zurechtmacht.
14.
Was bislang besprochen wurde, ist die klassische, nämlich REIN PRODUKTIVE Form der Arbeitsteilung – sie stellt eine Vereinigung dar von Materien der beiden mittleren Wertsphären, Reproduktion(Bedürfnisorientierung) und (mit Blick auf sie, als gesellschaftlich beherrschtes, unterrichtetes, eingeübtes, eingerichtetes und reproduziertes usw.“Können“, ausgewählte) Techniken, deren Masse und reproduktiv funktionierende Verteilung auf grosse Mengen von Menschen mit ihren Bedürfnissen und (Spezial)Fähigkeiten (beruflichen Kompetenzen) arbeitsteilig funktioniert. Aber auf diese Weise reisst die Verbindung mit den andern beiden Wertsphären um so mehr ab – die arbeitsteilig mit Technik, nämlich auf der Ebene zahlloser arbeitsteilig miteinander zur Lebensform verknüpfter Lebensentwürfe, verbundene Reproduktions- und Bedürfnis- und Fähigkeitensphäre – hat zum Wissen der Wissenschaft und zu den Erlebensangeboten der ästhetischen Sphäre ein Aussenverhältnis, sodass sie mit den von dort (den beiden flankierenden Sphären) her angebotenen Materiemassen erst einmal nicht das geringste anfangen kann, dadurch vielmehr so überfordert ist wie der Einzelmensch, und Filter- und Verteilungsmechanismen benötigen würde, die sie aus sich heraus, mit den Mitteln, mit denen Verteilung und Auswahl innerhalb ihrer selbst bewerkstelligt werden, niemals bereitstellen kann.
Von diesem ersten Fall lässt sich die Figur auf die beiden andern denkbaren Vereinigungsfälle verallgemeinern (nur jeweils benachbarte Sphären lassen sich arbeitsteilig vereinigt denken, der Bruch zwischen ihnen durch Verteilung auf verschiedene Lebensentwürfe, planmässig arbeitsteilig verknüpft, überbrücken: Wissenschaft liefert der Bedürfnissphäre Erkenntnisse (Wissen-wie bzw. Können) nur unter dem Gesichtspunkt technischer Kontrollierbarkeit, Bewältigbarkeit mit vorhandenen Mitteln und zuverlässiger Erprobtheit, also Bewährtheit; Technik wiederum hat der ästhetischen Sphäre wenig bis nichts anzubieten. Umgekehrt werden an die ästhetische Sphäre Anforderungen nicht von seiten der Technik und Wissenschaft gestellt (höchstens von seiten derer, die dort leben; aber dann im bezug auf ihre Lebensführung, nicht im bezug auf das, was ihnen an ihrem Tun zweckmässig erscheint), sondern von seiten des Alltags; Ästhetik will nichts von oder kaum etwas von Technik, Alltag hingegen schon usw. Und in all diese Beziehungen kommt die Vielfalt der Lebensformen und -entwürfe hinein, die sich im Alltag entwickelt. Also auch hier ein Masse-Problem…)
Denken wir uns also die beiden andern (auf Basis des kulturellen Programms (der Individualität) der Moderne durch Anforderungs- und Lieferbeziehungen verknüpften) Paare aus Nachbarsphären arbeitsteilig zu einer verschmolzen: Ästhetik und produktive Routine-Bedürfnisbefriedigung einerseits; Technik und Wissenschaft andererseits.
Was muss geschehen, damit das Problem gelöst werden kann, die Massen an Erlebbarem in sinnvoller Reihenfolge auf EINEN Lebensentwurf unter den vielen zu beziehen? Und was, um zu entscheiden, zu welcher Art Lebensentwurf unter den massenhaft in der modernen Lebensform vorkommenden ein gegebnes Erleben (sein Inhalt) passen könnte, also wem ausser dem Erst-Erlebenden (zu dessen Leben er als augenblickliche Sinn-Erfüllung, weil die grössten Sehnsüchte virtuell befriedigender, also ausdrückender, am präzisesten passt) dieses Erlebnis sinnvollerweise (wenn auch mit Abstrichen) noch zugänglich gemacht werden könnte, oder an wessen (Mangel-)Erfahrung es noch sinnvoll kompensierend angeschlossen werden könnte…
Also was muss geschehen?
Wir kommen einer Rekonstruktion dessen, was Berufstätigkeit und Arbeitsteilung durch SPEZIALISIERUNG, Professionalisierung ausmacht (denn das sind die Zentralbegriffe des ZWEITEN STANDPUNKTES), wenn auch nur sehr mühsam, näher. Dem modernen Individuum auf dem ERSTEN STANDPUNKT, das sich des von ihm und seinesgleichen erarbeiteten Wissens und der Erlebensmöglichkeiten aus dem Stand heraus bemächtigen zu können schien, hätte dafür eine Integrationsleistung gelingen müssen, die an der Fülle des zu bewältigenden Stoffs scheiterte; der ZWEITE STANDPUNKT will diese Integrationsleistung erbringen, und sieht die zusammen, arbeitsteilig vergesellschaftet, dazu antretenden modernen Individuen in seinem Verständnis ihrer subjektiv-psychischen Dispositionen und der objektiven Gegebenheiten, denen sie sich stellen sollen, gut gerüstet. Die Art ihrer Vergesellschaftung (die der ZWEITE STANDPUNKT seltsamerweise garnicht für thematisierungsbedürftig hält) wird das Fülleproblem lösen, an der die unmittelbar der Fülle ausgesetzten Einzelnen des ERSTEN STANDPUNKTS scheiterten. An den drei Grenzen aller vier modernen Wertsphären, hintereinandergeschaltet in der Art, wie die modern-kulturelle Individualität es verlangt, findet die Übergabe der Errungenschaften jeder Sphäre an die nächste statt, aber so, dass eben hier kein die Sphären trennendes Wuchern ihrer jeweiligen Materien eintritt, das jedem Versuch spottet, es in einem Leben zusammenzubringen, sondern so, dass der Stoff auf die einzelnen Bearbeiter in den Sphären verteilt wird derart, dass das Resultat ihrer getrennten Arbeiten sich ausnimmt wie die Verarbeitung durch EINEN einzigen Bearbeiter. – Zumindest ist dies das Programm von Arbeitsteilung.
Spezifisch zum Lob der Spezialisierung gehört im ZWEITEN STANDPUNKT ein Gedanke, mit dem alle Prioritäten-Konflikte erledigt werden sollen: das Wuchern der Materien selbst löst sie. Wo prinzipiell ALLES geht, geht eben auch alles Spezielle, gleichzeitig. Die Widersprüche durch Knappheit und Ausschluss sind schlichtbar durch schlichtes Nebeneinanderstellen und Nebeneinander-Möglichwerden aller Optionen. Die Prioritätensetzung erfolgt dann durch eine bloss subjektive WAHL – ohne schmerzliche Konsequenz. Wieviel Anstrengungen und Opfer die Gesellschaft als produzierende (von Rückwirkungen auf ihre nicht von ihr produzier- und reproduzierbare Ressourcen-Umgebung ganz zu schweigen) für diese ihre Konsumenten-Souveränität bringen muss, wird im ZWEITEN STANDPUNKT schlicht vergessen. Von ihm aus gesehen, hat die Gesellschaft ohnehin keine andere Wahl als diese Herstellung absoluter Freiheit – sie ist, angesichts der Not der Beschränkung schlichte NOTWENDIGKEIT. Wahlfreiheit ist nicht Ziel, sondern Abfallprodukt der Bemühung, dieser Not gerecht zu werden.
Doch genau dieses aus Prinzip propagierte Wuchern führt dann, aus Notwendigkeiten der Produktion heraus, über den ZWEITEN STANDPUNKT hinaus: Denn die Nachbar-Produzenten können sich in der wuchernden Masse nicht mehr zurechtfinden, die konsumtiven Anteile der (Re)Produktion selbst verlangen eine Beschränkung der Produktion durch Rücksicht auf die Aufgabe, die an die (produktiven) Konsumenten zu liefernden Güter auf deren Bedarf abzustimmen und sich entsprechend seleltiv zu den Produktionsaufgaben der eigenen Sphäre zu verhalten.
15.
Im Rahmen des ERSTEN STANDPUNKTS wurde das Ergebnis von Arbeitsteilung, die Fähigkeit zur Verarbeitung riesiger Materie-Massen an Erfahrung und kreativen Einfällen, Bedürftigkeits-Situationen, Optionen (Risiken, Chancen) durch einen einzigen Bearbeiter (nämlich jeden) einfach unterstellt, mit dem Resultat, dass das schnell an sein Ende kam. Nun wird immerhin zugegeben, dass die Einzelnen nicht alles können, aber die Art ihrer Anordnung und des sich wechselseitig Zuarbeitens, die Verteilung der Materien auf sie und das Wieder-Zusammenführen, werde ihnen die Bewältigung der Massen erlauben, und zwar genau mit den ihnen von Anfang her im ZWEITEN STANDPUNKT (als allgemeines anthropologisches Substrat) unterstellten psychischen Befähigungen. Das ursprüngliche Substrat ist aber nur grade imstand, die Verarbeitungsfähigkeit jedes Einzelnen, getrennt von Andern, für grosse Massen von Materien IN einer Sphäre zu erklären (für die Alltagssphäre stimmt nicht einmal das: dort arbeiten ja alle im wesentlichen für andre als sich selbst, oder hoffentlich alle für alle – jedenfalls nicht getrennt von andern); aber spätestens an jedem Sphären-Übergang werden Aufgaben unterstellt, deren Lösung jeweils nicht vertretbar ist, die also nur individuiert zuschreibbar sind, und die Frage aufwerfen, FÜR wen, in welcher besonderen individuierten Lage, die jeweilige allgemeine anthropologische Disposition wirken soll: ZB. die erlebens-würdigen Aussenverhältnisse (künstlich oder natürlich) müssen auf einen subjektiven Erfahrungsstand bezogen werden, in dem es Bedarf nach ihnen gibt; und diese einschlägige Bedürftigkeit begründenden Erfahrungsstände sind bei allen Arbeitern anderer Sphären spezifisch zu bedienen, erben also die ungeheure Vielfalt der speziellen Lebens- und Arbeitssituationen. Ebenso wird alles überhaupt Wissenswerte noch einmal bezogen auf technische Verwertbarkeit (unmittelbar), dann aber auch auf Interessen; erst recht gilt dies für Technologien selber, die die Kategorie Nutzen und Nutzbarkeit ja nicht einzig durch ihre prinzipielle Machbarkeit, Handhabbarkeit usw. unter IRGENDWELCHEN Umständen bekommen, sondern durch ihren Bezug zur Lösung möglicher Probleme möglicher Anwender unter DEREN Produktionsanforderungen. Die Outputs der reproduktiven Beiträge jeder einzelnen (im Bedürfnis- und Leistungsgrenzen-Rahmen der jeweiligen Betreiber liegenden) Station des gesellschaftlichen Reproduktionszirkels schliesslich müssen nach Qualität und Menge sich auf den Input-Bedarf irgendwelcher anderer solcher Stationen (nämlich der „nächsten“) so verteilen lassen, dass alle zusammen weitermachen können (und sich noch Überschüsse zum Unterhalt der ausserhalb des Zirkels Agierenden, Technologen und Wisenschaftler, Unterhalter und Künstler auf der andern Seite, ergeben). Die eintönige Antwort, die die Anthropologie des ZWEITEN STANDPUNKTS auf all diese Bezüge des FÜR andre Produzierens zu geben hat, lautet immer wieder nur: Aber ihr KÖNNT euch spezialisieren, jeder von euch KANN den Anforderungen einer Spezialsphäre genügen! Über die Verteilung und Verknüpfung der Sphären sagt der STANDPUNKT nichts; es gibt keine in SEINER Anthropologie begründete Weise, wie und warum die jeweiligen Bearbeiter aufgrund ihrer speziellen Situation im Zusammenwirken mit ihrer allgemeinen personal-mentalen Ausstattung, die Verteilung ihrer Stoffmassen auf die andern zustandebringen könnten.
Aus der Tatsache ihrer Spezialisiertheit allein folgt sie nicht.
Mit anderen Worten, der ZWEITE STANDPUNKT gibt uns eine maximal simple Antwort auf die Frage, wie die anthropologische Ausstattung aller aussehen muss, damit sie überhaupt mit Arbeitsteilung BEGINNEN können, nämlich sich als „Spezialisten“ auf die einzelnen Sphären verteilen können; ihre psychische Ausstattung muss höchst abstrakt dann so sein, dass sie jeweils alles, was dort stattfindet, bewältigen können, die extrem abstrakte Qualität dieser Anthropologie wurde oben ja bereits ausgesprochen (der Existenz und dem Inhalt nach aussen/innen-abhängige Erfahrungsinhalte verarbeiten können).
Aber schon die zweite Station all dieser Produktions-Beziehungen nach der ersten in einer Sphäre, jeder Grenzübertritt zwischen zwei Produktionssphären, ist durch nichts in der Anthropologie des ZWEITEN STANDPUNKTS Liegendes erklärt; die so Ausgestatteten sind vielmehr hilflos angesichts dieser Aufgabe.
Sie scheitern daran, oder würden es tun, wenn nicht in ihrer mentalen Grundausstattung sich weitere Dispositionen finden, die ihnen die Überbrückung der Sphärengrenzen in der gesellschaftlichen Zusammenarbeit EINER Lebensform (als wären sie nach wie vor der EINE Bearbeiter des verfügbaren Wissens, wie der des ERSTEN STANDPUNKTS) gestatten, also Lösung der Aufgaben des Verteilungsproblems (und dieser zweiten Abteilung von Arbeitsteilung neben dem Auf-TEILEN: das TEILEN und Gemeinsam-Haben von Produktionslinien und den Zielen, auf die sie zulaufen, oder die durch sie verbunden sind).
Die Dispositionen, die ihnen hierzu zugeschrieben werden müssen, sind genau die der Anthropologie des DRITTEN STANDPUNKTS, nämlich die folgenden.
16.
Die Besitzer ästhetischer (ästhetisch für bestimmte Interessenten erlebenswerter) Inhalte gleich welcher Art müssen diese Gehalte ihrer individuellen Bedeutung entkleiden, sie müssen sie sekundär bearbeiten und, ohne die Essenz des Gehalts zu vernichten, sie anschliessbar machen an fremdes aber dazu passendes Erlebensbedürfnis. Ein Teil dieser Bearbeitung besteht in der Wahl und dient der Zurichtung auf die Anforderungen einer GATTUNG, in der der Gehalt seinem Publikum präsentiert werden soll; die Gattung ist das Feld, auf dem (Einzel-)Anbieter und (viele) Abnehmer zusammenkommen, und wo Erwartungen ausgebildet worden sind, Gehalte welcher Art man in etwa antreffen wird; in den Stilen und dem Hereinspielen von Genre-Elementen sind weitere Anteile eines historischen, also Zeitgeschmacks zumindest von Teilen des Publikums, berücksichtigt. (Unter Genre-Elementen verstehe ich solche Anteile der sekundären Bearbeitung, die inhaltliche Erwartungen an die Stoff-Bearbeitung stellen, unter Stil solche, die formalen Erwartungen genügt. In beiden Rücksichten wird das rein ästhetische Element, nämlich das Originelle und überraschend Einzigartige des sekundär bearbeiteten Werks zurückgedrängt zugunsten von Wiederholungen und blossen Variationen – beides kann sich eng ineinanderfügen, wenn etwa gefragt werden kann, wie Autoren Stil oder Genre-Muster mit ihrem Stoff umsetzen oder mit ihm als einem den Mustern auf den ersten Blick widersprechenden versöhnen. Es ist dann keineswegs unangebracht, wenn man für diese sekundären Bearbeitungen im Reden über Ästhetisches das Wort „Technik“ vorsieht, genau diese Parallele sehe ich ja auch. Technologie und ästhetisches Produzieren schliessen Lücken oder bahnen Wege durch eine vergleichbare Pyramiden- oder Kegelstruktur, die ein oder mehrere quasi singuläre und dem produzierenden Subjekt ganz individuell angehörende, einleuchtende, bedeutsame und verfügbare Gebilde
– (die ganz besondere einzelne Technik, das Verfahren, die Anlage, die ganz speziellen Zwecken in einer ganz speziellen Umgebung gerecht werden soll; den Einfall, das Sujet, den Stoff, Story, Melodie/ speziellen Rhythmus usw.) – im Fall des Ästhetischen gehören sie ihm faktisch; im Fall des Technischen sollen sie einem (hinsichtlich seiner Nutzungswünsche individuierten) gehören –
mit etwas Multiplem, mehrfach verwendbarem, mehrfach Anschliessbaren verbindet: den Werken, die auf verschiedene Rezipienten stossen, und durch deren spezielle Rezeption in deren Lebens- und speziell ästhetischer Vorgeschichte individuell ästhetischen Sinn entfalten sollen; die technischen Elemente (Anwendungen, gestaltet aus ursprünglichen Roh-Effekten und deren sinnvoller Kombination mit anderen ihresgleichen), auf die sich jedwedes technische Problem (besondere Nutzungswünsche) am Ende soll reduzieren lassen als (allerdings sehr spezielle – das ist die individuelle Zutat der Anlage, der Problemlösung!) Zusammensetzung aus ihnen. Die Tatsache, dass die „Singularitäts-Seiten“ der beiden „Kegel“ in dieselbe Richtung weisen (wohingegen die Bearbeitungsrichtungen entgegengesetzt sind, ästhetisches Produzieren arbeitet zur Multipel-Basis, Technologie von dort zur Singularitätsspitze), könnte dazu verleiten, sie für unterschiedliche Niveaus ein und derselben Kegelstruktur zu halten, mit Technologie als Basis und Ästhetik als eigentlicher Spitze; unter der Technologie das Wissensfundament (noch breiter), zwischen Ästhetik und Technologie eingezogen, Reproduktion und Alltag, mit seinen zwei Seiten – der technisch-nüchternen, auch einfach genuss-orientierten, und der andern, dem eigentlich sinnerfüllenden Zug zum Höheren. – Tatsächlich aber und in Wahrheit BRICHT sich diese Sinn-Kegelstruktur in der Alltagssphäre an der Doppelung aus Routine-Appetiten und deren Routine-Bedienung einerseits, und dem Verlangen nach Wachstum des Erlebens, Neuem, und zwar (im Rahmen des bereits Gewussten) Sinn-machend Neuem. Die Art, wie Berufstätige diese Elemente ein Leben lang immer wieder auf prekäre Weise in einer spezifisch modernen Weise der Lebenseinrichtung miteinander in Einklang bringen, und die ihre ganz spezifische Leistung ausmacht, wird dabei schlicht übersehen; die Notwendigkeit dieser Leistung, das Gelingen wird ignoriert, viel mehr aber noch die Möglichkeiten ihres Scheiterns, der Absturz moderner Berufstätigenalltage in beide Richtungen, Überforderung durch nicht mehr verarbeitbare Überfülle und Langeweile, Unterforderung durch Wiederholungs- und Routine-Öde; es erweist sich dann immer mehr als eigenständige Leistung der Reproduktionssphäre, die hereindrängenden technischen Optionen, die an sich nur Könnens-Möglichkeiten sind, zu einem spezifischen Wachstums- und Fortschrittsplan zu vereinigen, der die von der andern Seite her verführerisch winkenden Sinnerfüllungen optimal erschliesst. (Für wen? Wessen? Es sind ja verschiedene für jeden…)
Diese Leistung, die wohl den Kern aller Professionalität ausmacht, erfordert die spezielle Ergänzung der einfachen Bedürfnisorientierung (und genauen Kenntnis von Bedürfnissen!), wie sie der ZWEITE STANDPUNKT den Produzenten der Reproduktionssphäre sowohl (als anthropologisch verfügbare Ressource) zuschrieb als auch (als deren einseitige Kultivierung) abverlangte: diejenige nämlich durch unmittelbare Distanzierung von jedem Bedürfnis als empfundenem, im fast wörtlichen Sinn, nämlich als Vermeidung von unmittelbar empfundener, unvermittelt zu befriedigender BEDÜRFTIGKEIT. Die Disziplinierung, die dem professionellen Selbst und seiner Bedürfnis-Ökonomie als Aufgabe auferlegt ist, bringt die Bedürfnisse, als abzuarbeitende Zweckreihe, in eine Ordnung, wo alles seinen Platz, nämlich Zeitpunkt hat: Alltagseinrichtung, Wochenplan, Terminplan, Urlaubs- und Lebensplanung – mit denen anderer abgestimmt. Das Innenleben, immer in Gefahr, in Bedürftigkeit und unerwarteten Leistungsabfall abzugleiten, muss genauestens gekannt sein, nicht anders als ein Feld technischer Effekte; nicht zuletzt, weil das Produzentenleben sich dem Eigenleben der Apparate und Automaten, mit denen und an und zwischen denen es arbeitet, sich anzupassen hat. Bedürfnis verwandelt sich in Sorge – SELBSTSORGE. Vorsorge, aber auch auch Furcht vor Zwischenfällen, Leistungseinbussen, VORZEITIGEM Reservenverschleiss usw. Dieselbe Sorge ums Selbst breitet sich nach ihrem eigentlichen Fundament, der Quelle aller Bedrohungen, dem unbekannten AUSSEN hin aus: Wissenschaft wird andauerndes Bedürfnis, die Welt kennen also beherrschen zu lernen, wird stärkstes Bedürfnis. Von Neugier keine Spur mehr, von Staunen und Überwältigtheit freilich auch kaum noch.
17.
Zur Wissenschaft wird wohl noch einiges zu sagen sein – dazu, welche Änderungen sie durchläuft, wenn sie auf diese Weise als Sorge-getrieben aufgefasst wird. – Aber zunächst sollen die angesprochenen Erweiterungen der anthropologischen Grundausstattung, die der ZWEITE STANDPUNKT modernen Individuen (und allen andern) zuschrieb, zum Menschenbild des DRITTEN STANDPUNKTS ein bisschen im Zusammenhang erörtert werden.
Der ERSTE STANDPUNKT war schlicht davon ausgegangen, dass die einzelnen Produzenten jeder der modernen Wertsphären im Rahmen ihres eigenen Lebens- und BILDUNGS-Prozesses sich das ihnen Fehlende einfach aus dem allen Verfügbaren würden herausziehen können, die Masse an Produziertem machte diesen Standpunkt alsbald unmöglich. Das Versprechen, das ihnen der ZWEITE STANDPUNKT dann dachte machen zu dürfen, lautete, dass sie die Materie-Massen durch arbeitsteilige Organisation des Gesamtprozesses würden bewältigen können. Der Fehler dabei ist: Dass die Gesellschaft als ganze, die sich so organisiert, ihren Reichtum an Lebens-Stoff aller Art im Sinne des modernen Kulturprogramms bearbeitet, dass aber nach wie vor die Inhalte den Einzelnen nur in winzigen Ausschnitten zugänglich sind, und niemand den gesellschaftlichen Produktionsprozess auch nur im Ansatz überblickt. Der DRITTE STANDPUNKT sagt uns dann: dass das ja auch nichts macht; denn er enthält genau jene Einstellungen, Kombinationen aus den allgemeinmenschlich grundsätzlich als allgemein vorhanden unterstellten Antrieben und Dispositionen, die schon der ZWEITE voraussetzen musste, um die Verteilung der Einzelnen auf die vier Wertsphären rechtfertigen und erklären zu können. Die Kombinationen befähigen die damit Ausgestatteten, nicht nur in ihrer jeweiligen Sphäre sich produktiv zu verhalten, sondern die Übergabe ihrer partiellen Resultate an die entsprechenden Produzenten oder Rezipienten der Nachbarsphäre angemessen zu bewerkstelligen; während der ZWEITE STANDPUNKT sich um dieses notwendige Zusammenarbeiten der Arbeiter verschiedener Sphären garnicht gekümmert hatte, und in seiner äusserst schlichten Anthropologie dafür garnichts vorgesehen hatte.
Freilich erbt der DRITTE STANDPUNKT mit der durch ihn positiv erledigten Problemstellung, wie man arbeitsteiliges ZUSAMMENWIRKEN der fundamentalen Branchen moderner gesellschaftlicher Produktion (die damit implizierte produktive Konsumtion) mit einem (spezifisch MODernen) Menschenbild (Begriff von erfülltem Einzelleben, Individuum) vereinbar machen könnte, die Frage: Was eigentlich mit den Rest-Antrieben eines Produzenten geschieht, der eins seiner Ressourcenpaare auf Kosten des je andern ausbilden soll; die Antwort, die der DRITTE STANDPUNKT hierauf gibt, ist bekannt, sie lautet dahingehend, dass „wir alle“ und „als Gesellschaft“ unser Tun zerlegen müssen in einen uns aufgezwungenen und in diesem Sinn „determinierten“ NOTWENDIGEN Anteil, den wir allenfalls reduzieren können (und von dem ausgeschlossen zu sein keine grosse Last darstellt), und einen FREIEN oder KREATIVEN, worin wir (Sinn)Erfüllung finden können, und von dem allerdings Anteile in unserem Leben nicht fehlen dürfen.
Der DRITTE STANDPUNKT ergibt sich NOTWENDIG aus dem Versagen des ZWEITEN an der (beiden Standpunkten sich stellenden) Aufgabe..
– die Masse der modern wuchernden Materien (die der ERSTE STANDPUNKT noch dachte ignorieren zu dürfen)
– Arbeitsteilung (die der ERSTE als etwas Punktuelles, garnicht eigener Einrichtung Bedürftiges glaubte behandeln zu dürfen: die modernen Individuen sprangen einfach in ihrer Biographie genialisch zwischen den einzelnen Wertsphären hin und her und produzierten die Massen an Materien ungezielt, nahmen sie einander beliebig und nach Lust und Laune ab, um sie weiterzubearbeiten, und sollten doch dabei nichts versäumen).
– sinnvolle Verteilung und Weiterleitung der Resultate von Einzelarbeiten an die richtigen Adressen in anderen Wertsphären,
durch ein und denselben Begriff von vernünftiger Einzelperson (oder dem, was allen solchen Personen als solchen gemeinsam ist) als für jede beteiligte solche Person sinnvoll durch Betätigung in einer Gesellschaft solcher Personen bewältigbar denken zu können.
Mit anderen Worten, der ZWEITE STANDPUNKT schafft es nicht, „Einzelperson“ so zu denken, dass auf seiner Grundlage allen an moderner Kulturtätigkeit in Gesellschaft, als ihrer gemeinschaftlichen Lebensform, beteiligten solchen Personen ein Sinn machender Lebensentwurf zuzuschreiben wäre:
Der ZWEITE STANDPUNKT kann nur grade eben das Problem von ArbeitsTEILUNG als lösbar denken, weil er die vier Wertsphären in ebensoviele allgemein-menschliche (anthropologische) Dispositionen verwandelt, durch die jede Einzelperson, spätestens wenn sie DARF oder MUSS, angesichts objektiver Verhältnisse, eine den Anforderungen einer der vier Wertsphären genügende Tätigkeit beginnt, welche sie als Erfüllung eines ihr sinnvoll erscheinenden Lebensentwurfs, im Rahmen der Tätigkeit der Gesamtgesellschaft (also Lebensform) ansehen kann. (Er muss dann noch hinzsetzen, dass sie durch diese ihre psychische Struktur das Ausgeschlossenwedren durch ausschliessliche Konzentration auf eine Aufgabe in einer der Wertsphären nicht bemerkt. Sie vergisst diese ihre anderen Begabungen und Neigungen völlig, solange sie arbeitet – in der Freizeit wird sie dann freilich, spätestens durch den Anblick der Materien jenseits ihrer Fachgrenzen, schmerzlich daran erinnert.)
18.
Einmal mehr: Die Misere der gesamten modernen Begründungsweise (Mentalität) oder Kultur (Lern(en, sich zu reproduzieren)-Regel; Individualität) ist: dass sie sinnvoll, Sinn machend umgesetzt werden kann nur auf der Ebene des Lebensentwurfs: Nur dort ergibt sich jene durchgehende Verknüpfung einer aktuellen Reproduktion (Verknüpfung von Technik oder Wissen-wie mit dazu passenden, durch die Tätigkeit angemessen reproduzierten Bedürfnissen und Leistungsgrenzen) mit einer daVON ausgehenden optimalen weil sukzessive Sinn-erfüllenden Fortschritts- und Erlebensperspektive, und einer daFÜR nützlichen Erweiterung des Weltwissens; mit den beiden Anschlüssen VON und FÜR sind dann nicht nur die beiden transzendenten Wert-Sphären Welterklärung (warum etwas daist) und Sinn-Definition oder -Erklärung (warum bzw. dass etwas, oder alles auf Dauer, am Ende gut ist und wird, wie es ist und wird) auf die welt-immanente Ebene von Reproduktion und Lebensführung heruntergebracht und mit ihr verbunden (wenn auch um den Preis ihrer Trennung); es wird auch die moderne Version einer Optimalhypothese nur so überhaupt ans Handeln angeschlossen, wonach die Welt derart ist, dass die 6 minimal-suboptimalen Prinzipiensysteme auf sie anwendbar sein sollen, um sie zu erschliessen, und dafür hinreichen.
Unter den Annahmen des ERSTEN STANDPUNKTS musste jeder Einzelne sein Leben als Entwurf so organisieren, dass es funktionierte, aber dann stand dem VON und FÜR und somit der Anwendbarkeit der 6 Prinzipien nichts mehr im Wege: SEINE Forschungsinteressen, SEINE Sinnbedürfnisse waren damit artikulierbar. Was immer die frühmoderne Gemeinschaft dieser (sich selbst so verstehenden) Forscher-Individuen an Wissen erarbeitete, konnte so jeder auf sich und seine Interessen beziehen (angefangen bei seiner Entscheidung, in welche Richtung er dies vorgefundene und ihm von andern zugänglich gemachte Wissen ausweiten wollte; und weiter, wofür er es nutzen, oder welchen (dabei noch unerfüllten) Sinnbedarf er in seinem Anschauen und Erleben darüber hinaus zu stillen hatte.)
Die simple Art, wie all diese Forscher-Individuen beim blossen Anhäufen von (Erfahrungs-)Wissen einander vertreten konnten, wenn sie es nur der „Öffentlichkeit“ per „Publikation“ zugänglich machten, lässt sich durch keine der nachfolgenden (diese erste durch Einschränkungen ergänzenden) Neu-Definitionen modernen Individuum- und Selbstseins mehr zurückholen. Die Ökonomie dieser Forscher und Kreativen, ihre Prioritätensetzungen und Lebensgestaltung war ihre ureigene Sache (nicht als Einzelpersonen, aber des „Haushalts“ an dessen Spitze sie standen, oder den sie bildeten), sie waren Entwerfer und Urheber ihrer Existenz – einzig auf Basis des von allen geteilten Wissens, das sie in nebeneinander ablaufenden Forschungsprozessen erarbeiteten.
Ganz anders in den nachfolgenden STANDPUNKTEN, die Anpassungen dieses naiven ersten Selbstverständnisses an die erfahrbare Tatsache des Wucherns der gemeinsam erarbeiteten Materien darstellen – genauer, an deren Unbewältigbarkeit in einer Weise, die noch irgend Sinn machen könnte, durch Einzelne. Alle Wissens- und Erfahrungs-verarbeitenden Schritte, die sonst, im Leben unter dem ERSTEN STANDPUNKT, vom Einzelnen hätten absolviert und gestaltet werden sollen, sind hier vergesellschaftet, also zerlegt, und gehören verschiedensten Instanzen an; bis ein Produkt „in Sinn machender Weise“ in ein Einzelleben eingebaut werden kann, hat es verschlungene Wege durch mannigfache gesellschaftlich verknüpfte Bearbeitungsprozesse zurückzulegen. Und auch sie sollen ja Sinn machen, in den Einzelleben, in denen sie vorkommen… Dafür hat der ZWEITE STANDPUNKT sich ja die Vier-Dimensionalität der menschlichen Psyche, diese ihre Wohl-Angepasstheit an die Erfordernisse der modernen Kultur (und Lernregel) zurechtgelegt.
Und ganz anders als die einfache Konstruktion eines Wissensverarbeiters und Forschers, als der sich das moderne Selbst dem ERSTEN STANDPUNKT zufolge verstand, sieht die des ZWEITEN STANDPUNKTS nicht nur drei weitere Rollen vor, in denen moderne Selbste sich und ihre Anlagen verwirklichen können – sie beziehen sich dabei auch je auf verschiedene objektive Materien, nicht etwa die unbekannte und nach Prinzipien des Umgangs damit zu erforschende Welt (der ZWEITE STANDPUNKT sieht das von ihm rekonstruierte Selbst an dieser Stelle von der Welt herausgefordert und geradezu überwältigt, sodass es seine INTELLIGENZ bespricht als geradezu immer nur reaktives, als quasi defensiv das Unbekannte Erkennen-Müssen, da wo das Unbekannte sich zeigt (REAKTION-AUF die Herausforderungen des in der Erfahrung angetroffenen, gefundenen Unbekannten). Sondern eben auch: Technisch verwertbares Wissen über die Welt (damit arbeitet die technologische Problembewältigungs-FÄHIGKEIT), Umgang mit einer schier unfassbaren Vielfalt an Bedürfnis/Leistungsbereitschafts-Formen (in Kombination) (aufgefasst als je spezifisch, von Situation zu Situation neu sich darstellendes ANTRIEBsprofil), schliesslich als Wunschvorstellungs-, also Sinnerfüllungs-Konzept darstellende und erschaffende kreative TÄTIGKEIT, speziell Geschmacksbetätigung.
Also die vier Grund-Dimensionen des Psychischen, die den Menschen im allgemeinen zur Teilhabe an der modernen gesellschaftlichen (!) Kulturtätigkeit, in einer ihrer vier Wertsphären, bereitmachen – sie stellen vier Arten SUBJEKTIVER Einstellungen zu ebenso vielen Gruppen von OBJEKTIV dem Einzelnen in jeder Sphäre gegenübertretenden Materien dar, die längst nicht mehr sein eigenes Produkt ist, sondern eben das von gesellschaftlich verschlungener Tätigkeit – verschlungen und dabei verbunden wie Tätigkeiten eines Einzelnen nach dem Selbstverständnis des ERSTEN STANDPUNKTES – aber WELCHES Einzelnen? Die Gesellschaft, die sich hier in einer hoffentlich EINZIGEN Lebensform verbindet – sie IST kein solcher Einzelner, zerfällt vielmehr in unendlich viele solche, die aber das Sinn-Machende von ihrer aller Tätigkeit einzig dadurch erreichen, dass alle (oder, nun ja, doch die meisten… soweit, nun ja, möglich…) in ihrem Leben ihre Stellung als PRODUZENTEN an einer Stelle des weitverzweigten und verschlungenen Netzes an Wissensverarbeitungsvorgängen nicht nur gerne und dauerhaft ausfüllen (und genau diese Vereinseitigtheit nicht als Mangel empfinden), sondern obendrein aus den ihnen sich darbietenden Materie-Haufen sich das von ihnen für sich selbst niemals in Eigentätigkeit Herzustellende nehmen, als KONSUMENTEN, und mit den in ihrer produktiven Tätigkeit anfallenden Erlebnissen zu einem Sinn-machenden ganzen Lebensentwurf zusammenbinden.
19.
Die eigentliche Pointe aber ist, dass sie immerzu nur PRODUKTIVE Konsumenten sind. Die gesellschaftliche Tätigkeit fliesst durch sie hindurch, sie sind Stationen in diesem Fluss mit seinen Mäandern, Schleifen, Verschlingungen, in dem alles fliesst; das Fluss-System expandiert auch, in dem Sinn, dass es mehr Arbeitskräfte sich einverleibt, mehr Materien braucht und verbraucht; und: es verarbeitet an seiner Eingangsseite immer mehr Wissen. Irgendwie. Aber WOHIN fliesst das alles? Wessen Zwecke werden hier verfolgt, welche Pläne umgesetzt, welche Prioritäten haben Vorrang? Die Antwort ist: Die von niemand Bestimmtem. DASS arbeitsteiliger Fluss, Expansion, Wissensverarbeitung überhaupt stattfindet, ist den Inhabern des ZWEITEN STANDPUNKTS genug; sie konfrontieren diese aus ihrer Sicht erfreulichen (qualitativ definierten) Tatsachen mit deren negativen Gegenstücken, Stockung, Stagnation oder gar Schrumpfung, und Forschungsabbruch (sie zu vermeiden ist die Notwendigkeit, deren blosses Nebenprodukt der Freiheiten eröffnende Überfluss darstellt: vgl. das „Wuchern der Materien“ in Abs. 14 oben). Im unendlichen Prozess der Moderne ist demnach alles nur Durchgang, alles nur Mittel zu weiterer Steigerung und Fortschritt, Stillstand wäre die Katastrophe, denn das Ziel liegt immer vorne und entzieht sich mit jeder Drehung der Fortschrittsschraube aufs neue. – Fortschrittsschraube. Das Bild will zu dem davor (dem auch nicht gerade originellen vom Fluss-System) nicht recht passen; dies Nicht-Passen ist deutliche Anzeige, dass Kriterien für die Expansion, die hier stattfindet, oder gar deren Sinnhaftigkeit, nicht allzu zahlreich sind: Ist Wachstum der MASSE von IRGENDWO berücksichtigten oder verwertBAREN Wissensbeständen schon ein Erfolg, und Lohn der gesellschaftlichen Mühen? Ist das Ausmass des Zugriffs auf die Stoffe und Energien der Welt, die verbraucht, ausgeschieden oder im Fluss-System zirkuliert (recycelt) werden, ein solches? Sind es freiwerdende Kapazitäten aller Art, die vorher feststeckten in Produktionen, die man nachher mit soviel weniger, und doch als dieselben, betreiben kann? Welchen Fortschritten sollen diese Überschüsse dienen – wessen Fortschritten?
Der mit dem Wissen und Geräten seiner Epoche ausgestattete Künstler-Forscher-Unternehmer des ERSTEN STANDPUNKTS konnte in der Tätigkeit von Seinesgleichen einfach eine Vervielfachung seiner eigenen Aktivitäten sehen – ganz gleich, in welcher der vier Wertsphären die grade stattfand: Ihm schien alles IRGENDWO Produzierte verwertbar, so wie von IRGENDWEM unter den modernen Leitwerten verfolgten Ziele seine waren. Der von modernen Kulturwerten angeleitete Lebensentwurf jedes anderen Seinesgleichen machte denselben Sinn wie sein eigener, und würde durch Aufnahme des von ihm Geleisteten bereichert werden so wie sein Lebensentwurf durch die Materien aus den anderen. Die Tatsache, dass moderne Individuen Wissen verwerteten, Techniken in Tätigkeiten nutzten, und sich für ästhetische Erlebnisse empfänglich hielten, schien dies alles unmittelbar ins Leben jedes anderen solchen Individuums passen zu lassen, die Frage war immer nur und allenfalls, ob dies Leben gerade aufnahmebereit war dafür. Die Sinnverbindungen waren garantiert dadurch, dass das moderne Kulturprogramm je IN EINEM LEBEN umgesetzt wurde, dass da einer es für SEIN Leben sinnvoll hielt, aus dem allgemein zugänglichen Gesamtwissen dies herauszugreifen und für Anwendungen zu präparieren, diese Anwendungen zu Routine-Produktionsverfahren zusammenzustellen und einzurichten, und all diese Lebenssituation durch jene ästhetischen Erlebensformen aufzuwerten. Die (schöpferische Einzel-)PERSÖNLICHKEIT (und noch keine Gesellschaft) ist den Trägern des ERSTEN STANDPUNKTES daher auch so wichtig: Das authentisch Eigene eines Einzelnen bot Gewähr für die Übernahme dieses Eigentums ins Leben anderer, und so von allen für alle: Auf die Weise flossen die Produkte der uneinholbaren, unvorgreiflichen Lebensprojekte der modernen Original-Individuen in die Biographien aller anderen – alle würden alle immer reicher an Inhalt machen; würde etwas irgendwo bereits Entdecktes, Gedachtes, Gemachtes im Einzelleben nicht vorkommen, dann nur, weil der Betreffende es noch nicht kannte, und sich ihm noch nicht zugewendet hatte. In einem eigentlichen Sinn war hier also von dauerhafter Arbeitsteilung garnicht die Rede, allenfalls von Zeitunterschieden und Vorweg-Entwickeln von etwas, das dann, vervielfältigt und verbreitet, Einzug ins Leben aller halten konnte.
20.
Jetzt wird es langsam möglich, ein genaueres Bild von der Art zu liefern, wie ERSTER und ZWEITER STANDPUNKT jeweils die vorab feststehende moderne Individualität in Lebensentwurf/form übersetzen. Freilich ist bereits diese erste Formulierung fragwürdig, es bleibt zu prüfen, ob MOD Individuen in ihren ersten Ansätzen, also dem ERSTEN STANDPUNKT, den sie zu anderen einnehmen, überhaupt zwischen den beiden genannten Kategorien unterscheiden – was genau den Mangel dieses Standpunkts auszeichnet (und, umgekehrt, tatsächlich die Reihe der STANDPUNKTE als eine Differenzierungsreihe (der Selbstverständnisse) kenntlich werden lässt.
Die Naivität des ERSTEN STANDPUNKTS bestünde demnach darin, dass sich die LEBENSFORM, die er vorsieht, schlicht daraus ergibt, dass Stoff aus JEDEM unter modernen Werten erfolgreich geführten Leben in JEDES ANDERE solche Leben hinein übernommen werden darf, ganz gleich, auf welcher Bearbeitungsstufe
-ausgehend von Wissen-dass, das irgendwo erworben wurde und in diesem Leben verfügbar war; von da ausgehend: weiterer Wissenserwerb (motiviert durch dies erste Wissen), technische Verwertung, Umsetzung in eine reproduktive Routine, passende ästhetische Erfüllung –
er steht, und ganz gleich, an welches Material dieser Stoff in der modern-kulturellen Bearbeitungsrichtung (Ästhetik<-Alltag<-Technologie<-Wissenserwerb) dieser Stoff ursprünglich anschliesst.
Das Prinzip, das dem naiven Optimismus dieses STANDPUNKTS zugrundegelegt wird, lautet: Was im Leben IRGENDEINES MOD Individuums Sinn zu machen schien, und zu einem gelingenden Leben(sentwurf) beitrug, passt auch im Prinzip, als Material, ins Leben aller andern. In dieser Eigenschaft, unter (geteilten; daher Lebensform) modernen Werten aus primärem Stoff (Wissen) und sekundärem (von andern sinnmachend-erzeugtem) Stoff im eigenen Leben Sinn zu machen dadurch, dass man solchen Stoff für einen selber sinnmachend bearbeitet: in dieser Eigenschaft und in dieser Position scheinen alle MOD Individuen einander vertreten zu können. Der Gedanke lässt sich so präzisieren: MOD Individuen beginnen mit der Anhäufung einer Wissens-Masse (die gewissermassen zunächst einmal sekundäre und tertiäre Motive zu ihrer eigenen Vertiefung und Erweiterung liefert). Von da ausgehend, beginnen einzelne, in ihren Leben technische Errungenschaften auszubilden, von da aus weitergehend reproduktive Routinen, die mit diesen Techniken arbeiten, schliesslich ästhetisches Erleben, das den mit diesen Routinen gebildeten Alltag sinnvoll ergänzt. Ob es dieselben Individuen sind, die diese Reihe fortsetzen, oder verschiedene, macht keinen Unterschied: Wenn es nicht alles überhaupt durch EIN Individuum absolviert wird, dann nur darum, weil das Leben moderner Individuen aus ihrer Sicht immer vorzeitig endet, und das von nachfolgenden dazu bestimmt ist, den früheren Stoff aufzunehmen (in diesem Sinn: das Leben der Vorgänger nachzubilden, beschleunigt zu wiederholen: Stoff muss hier nicht mehr erarbeitet, sondern kann aufgenommen werden) und durch weiterführende Schritte reicher zu machen. Wichtig ist: Nicht nur kann jedes MOD Individuum den Stoff, den ein anderes bis zu einem gewissen Bearbeitungsgrad in der betreffenden Reihe vorangetrieben hat, aufgreifen und weiterentwickeln (im Sinne der MOD Kulturwerte) – der Stoff kann auch, ohne solche Barbeitungs-Absicht, an alle andern gegeben und von ihnen genossen, verwertet, verwendet usw werden. So breitet sich der Reichtum an Stoffen aus den vier Wertsphären, ausgehend von den kreativen Lebensläufen ihrer Erst-Entwickler, in die Lebensläufe ALLER MOD-artig Lebenden und kreativ Reihen der genannten Art aus Wissens-Kernen heraus Vorantreibenden aus.
Die Naivität und der Optimismus des ERSTEN STANDPUNKTS lautet also: MOD Individualität ist eine, die nur kontingenterweise nicht in EINEM Lebensentwurf, von nur EINEM Individuum, umgesetzt wird; prinzipiell aber soll sich jedes MOD Individuum als dieses eine betrachten und betätigen, als WÄRE es dieses, und könne den gesamten Reichtum der Moderne in seinem Leben (Reihen der genannten Art bildend) nicht nur kreativ ausbilden, sondern auch Sinn machend verwerten (durch Anschluss-Explorationen beim Wissenserwerb, technisches Verwerten, reproduktives Verwenden, ästhetisches Komplettieren).
Ideal dieses STANDPUNKTS, das grundsätzlich jedem MOD Individuum erreichbar scheint, ist die grösstmögliche Annäherung des eigenen Lebens(entwurfs) an das Leben eines solchen „ideellen Gesamt-Individuums“, Ausfüllung der eigenen Lebenszeit mit soviel Stoff, wie er in der betreffenden Gesellschaft verfügbar ist, kreative Weiterbildung von soviel Reihen auf Basis solchen Stoffs wie möglich; und, nach Möglichkeit, Verfügbarmachen des kreativ entwickelten Stoffs für Andere, vor allem Nachwachsende, um damit mitzuhelfen, dass der Reichtum des eigenen Lebens in das aller anderen beschleunigt einfliessen kann, und ihr Leben noch reicher und reichhaltiger, womöglich auch produktiver machen kann als das eigene.
Sehen wir uns jetzt im Vergleich damit den ZWEITEN STANDPUNKT an.
21.
Wenn unter dem ERSTEN STANDPUNKT etwas als sich aufhäufend gedacht wurde, dann potentielle Lebensentwürfe – bestehend aus Anhäufungen ganzer Material-Reihen, ausgehend von einem (dafür je relevanten) Teilwissen, umgesetzt in Technik und produktive Verfahren, sinnvoll ergänzt durch ästhetische Erlebnisse; eine Reihe dieser Art sollte über die frühere gelegt werden, soviel als möglich. All das war, verdichtet, beschleunigt, unverändert in andere Lebensläufe zu übernehmen und tendenziell in alle.
Durch den Zusammenhang, den die betreffenden Materien im Leben des Urhebers hatten, war ihr Sinn-Zusammenhang im Sinn des modernen Kulturprogramms bewahrt; aggregierbar und integrierbar aber waren die Sinn-machenden Lebensstränge ihrer Urheber, spätestens im Leben anderer, dadurch, dass der Wissens- und Erfahrungskern, der jeweils ihren Ausgangspunkz bildete, ins Leben der andern gelangte: durch Bildungsprozesse, die sie verdichtet, verkürzt und beschleunigt, nachvollzogen – so wie auch die daraus zu ziehenden Konsequenzen. Dieser Zusammenhang ist völlig zerbrochen, wenn Arbeitsteilung auf Basis der Anthropologie des ZWEITEN STANDPUNKTS neu konzipiert wird: Nämlich als ein Zusammenhang von produktiven Sphären, die jeweils, sei es mit objektiven, sei es subjektiven Antrieben, allgemein-menschliche Leistungs-Dispositionen in Gang setzen, derart dass sie in der jeweiligen Sphäre, an einer der Stellen darin, die sie besetzen, neben andern, die für die Sphäre typischen Materien aufhäufen – und dabei auf die benötigten Anfangsmaterialien aus der Nachbarsphäre, im Falle der Wissenschaft ist das die Natur, zugreifen – genauer, hier werden den Produzenten die Vorgaben, unabhängig von deren Willen, sowohl dem Vorkommen (Anlass, Existenz) nach als dem Inhalt nach, von aussen, also der umgebenden Natur, gemacht – in gewissem Sinn (da der Wissensantrieb des DRITTEN STANDPUNKTES hier noch nicht unterstellt ist) werden sie geradezu den Wissens-Erarbeitern aufgedrängt. Die gemäss moderner Individualität, also Kulturwerten, Sinnentwurf, und Lernprogramm von „rechts nach links“ verlaufende Reihe „Ästhetik<reproduktiver Alltag<Technik<Wissenschaft“ besteht dann aus ungezügelt anwachsenden Materie-Haufen – Erkenntnissen, Techniken/Verfahren, Produktionseinrichtungen, Erlebbarem und Werken aus allen Kunst-, Spiel-, Unterhaltungsgattungen und Erlebnis-Möglichkeiten. Eine „vertikale“ Integration und Aggregation, entsprechend den Möglichkeiten des Zusammenhangs nach Eigenlogik der jeweiligen Sphäre (Wissen; Technologien; Lieferbeziehungen; verwandte Stoffe und Genre-Gattungsmerkmale) mag dabei sowohl die Ausweitung des Stoffs der Sphäre in Richtung dieser „naheliegenden“ Nachbarschaftsbeziehungen, als auch die Nutzung von Errungenschaften der Nachbar-Produzenten begünstigen. Aber der („horizontale“) Zusammenschluss von Stoffen benachbarter Sphären kommt allenfalls punktuell zustande, und wenn, dann ausschliesslich zu PRODUKTIVEN Zwecken: Produzenten holen sich von der je davor liegenden Sphäre (Wissensproduzenten bekommen, als einzige, aus der Natur sich ihnen als empirischer Gegenstand anbietend oder gar sich aufdrängend), was sie benötigen.
Ob nun diese beiden Arten, Stoff zu organisieren und zu verbinden, vertikal (Wertsphären-immanent) und horizontal (Wertsphären-Grenzen-überschreitend), bereits in Widerspruch zueinander treten, soll hier nicht an erster Stelle erörtert werden. Denn viel wichtiger ist: dass die Integrationsleistungen, die auf diese Weise erbracht werden, also Übersicht über und die Vergleichbarkeit verschiedener produktiver Alternativen und ihre Bewertung für Präferenzenbildung usw., sich nicht über die Grenze der jeweiligen Organisationsweise hinaus fortsetzen lassen: Der immanente Aufbau und die Übersicht über bestehende Wissensbestände weist nicht hin auf die Art, wie und wo diese Bestände genutzt und technisch umgesetzt werden können; der „Werkzeugkasten“ der Technologien und Verfahren ordnet sie nicht mit Blick auf eine aktuell eingerichtete Produktion, und erspart keine Entscheidungen, in welche Richtung man diese Produktion technisch verbessern könnte (ganz im Gegensatz zur freilich bornierten traditionalen Produktionsweise, wo die eingeführten Techniken die Orte vorgab, an denen punktuelle Verbesserungen ein- und angreifen konnten) – welche „Probleme“ man mit gegebner oder zu entwickelnder Technik lösen möchte – wie man produzierend leben möchte; schliesslich enthält die eingerichtete arbeitsteilige Reproduktion keinerlei Hinweis darauf, was ihr noch fehlt und, sie in Gestalt ästhetischer Anschauung komplettierend, als erlebbare Wunschvorstellung, hinzugefügt werden sollte. Der alternative, nämlich ästhetische Werkzeugkasten, Inhalt des Wissens von Kennern und Könnern, weist keinerlei Bezug zum Bedarf nach ästhetischen Erlebnissen einer bestimmten Art auf – er wird punktuell, für bestimmte Gruppen oder Einzelne, ermittelt. Und so weiter nach „rechts“ in der Reihe – der Bedarf nach Technik oder Wissen wird, ausgehend von Einzelentschlüssen und Einzelprojekten innerhalb der je als nächste linkerhand in der Reihe stehenden Wertsphäre, punktuell gestillt, und im (autonom organisierten) Bestand der Wertsphäre rechterhand solang gesucht, bis er gestillt ist.
22.
So mag es sein; aber was daran ist so schlimm?
Die „vertikale“ Organisation, Übersicht, Beherrschung und Aneignung des Stoffs einer Wertsphäre ist die durch die Fachleute – wenn es ihnen denn gelingt, ihr Fach und ihre Sphäre ganz zu überblicken; die „horizontale“ punktuelle Verbindung der Stoffe zweier Wertsphären ist die der „produktiv“ Tätigen der „linken“ Seite. Daraus entstehen drei Blöcke aus Aggregaten von derart „horizontal“ verbundenen Stoffen. Die Art von deren Verbundenheit miteinander ist allerdings je maximal wenigen Produzenten bewusst und bekannt. Sofern nun der Einzelne dasselbe versuchen wollte wie unter dem ersten Standpunkt, und er kann ja unter den modernen Kulturvorgaben anders nicht sinnvoll sein Leben entwerfen, als indem er einen solchen Versuch macht -, findet er an den Integrations- und Stoff-Ordnungsprinzipien, weder derjenigen der Experten für die vier Wertsphären-Blöcke, noch derjenigen der Produzenten von Stoffen in den drei Verbund-Blöcken (die eigentlich schon kaum noch Organisation aufweisen und eher Aggregate darstellen) – eine für ihn nutzbare Vorgabe; für die Einordnung in ein LEBEN ist die mittlerweile zu völliger Unübersichtlichkeit herangewachsene Stoffülle der modernen Gesellschaft nicht einmal im Ansatz geeignet. Die Angehörigen solcher Gesellschaften haben somit keine Chance, also nutzen sie sie – heroisch stellen sie sich ihre individuelle Bildungs-, Kompetenzen- und Erlebens-Sammlung als winzigen individuellen Verbund aus wenigen Stoffen unter den verfügbaren zusammen – soweit er in ihre Freizeit hineinpasst; denn die meiste Zeit und die meiste Kraft in ihrem Leben wenden sie ja auf für ihre Existenz als Experten und Produzenten. In der Freizeit aber sind sie unterwegs als nur SELBST ihr Leben entwerfende und dafür frei sich die geeigneten Materien Suchende – als KONSUMENTEN, und dilettantische, nicht auf der Höhe der gesellschaftlich verfügbaren Spezialisten-Produktivität sich bewegende Freizeit- und Hobby-Produzenten, die den Experten nicht das Wasser reichen können.
Leider ist an dieser Stelle der erste Satz des Abs.18 oben nicht ausser Kraft gesetzt, er ist von zentraler Bedeutung und darum ist erneut an ihn zu erinnern: „Die Misere der gesamten modernen Begründungsweise (Mentalität) oder Kultur (Lern(en, sich zu reproduzieren)-Regel; Individualität) ist: dass sie sinnvoll, Sinn machend umgesetzt werden kann nur auf der Ebene des Lebensentwurfs: Nur dort ergibt sich jene durchgehende Verknüpfung einer aktuellen Reproduktion (Verknüpfung von Technik oder Wissen-wie mit dazu passenden, durch die Tätigkeit angemessen reproduzierten Bedürfnissen und Leistungsgrenzen) mit einer daVON ausgehenden optimalen weil sukzessive Sinn-erfüllenden Fortschritts- und Erlebensperspektive, und einer daFÜR nützlichen Erweiterung des Weltwissens.“
Die moderne Utopie, das moderne Versprechen und Lebensziel lautet: In einem Lebensentwurf (unterstützt durch die arbeitsteilig (wie auch immer) organisierte Mitwirkung der Gesellschaft aller nach demselben Ziel strebenden Anderen) soll die Verbindung hergestellt werden zwischen dem möglichst vollständig erfassten Stand des gesellschaftlich aktuell verfügbaren Wissens über die Zwischenstationen der Techniken und Alltagsverfassung, bis hin zur auf diesem Stand und zu ihm gehörenden möglichen und vor allem auch nötigen (vorläufigen) (ästhetischen) Erfüllung. – Um aber DAS zu leisten, müsste das MOD Individuum als Konsument und dilettantischer Produzent Leistungen erbringen, die sich in der gesamten Gesellschaft niemand Einzelnes mehr zutraut, nämlich: über die („vertikal den Stoff organisierende“) Expertenkenntnis aller vier Wertsphären zu verfügen, zumindest aber über die Wahlmöglichkeiten, die sich ihm in den drei („horizontal den Stoff organisierenden“) (bzw. vier, vgl. Anm.) Sphären-Verbund-Blöcken, in Gestalt einzelner (sphären-spezifisch) produktiver Zugriffe auf Einzelerrungenschaften des „rechts“ stehenden Blocks, darbieten.
((Anm: Sagen wir: Das MOD Individuum bedient sich je vorhandenen Wissens, dann gibt es nur drei produktive Verbünde, hingegen, wenn auch das Wissen selbst noch von ihm soll ausgeweitet weren können, um seinen Lebensentwurf zu vollenden, dann greift es vom vorhandenen Wissen nach „rechts“ auf die rest-unbekannte Natur zu. Gleiches gilt auch für die Produzenten: Wissenschaftler greifen zur Ausweitung vorhandenen Wissens auf Unbekanntes in der Welt zurück – dies Unbekannte stellt gewissermassen eine weitere, nämlich objektive oder „Gegenstands“- Sphäre potentieller Wissensinhalte dar, rechts vom vorhandenen Wissen.
Zu den Inhalten dieses Wissens gehört auch das Wissen um die eigene Bedürftigkeits-Natur – Zusammenhänge, in denen Bedürfnisse auftauchen und verschwinden (speziell, zyklische Appetite und Bedarfs- oder Drangzustände, Leistungs- und Erschöpfungs-Parameter usw.) – sie, und ihre quasi technische Verwertung zumindest als prognostisches Wissen-wie. Ob dies dann, und in welchen Reihenfolgen, in der reproduktiven Arbeitsteilung (Alltagssphäre) berücksichtigt wird, ist der arbeitsteiligen Einrichtung dieser Sphäre überlassen. Zu jeder speziellen Art der Einrichtung kommen dann noch die Erfahrungen mit den „Gesundheits(erhaltungs)bedingungen“ dieser Einrichtung hinzu. Ende der Anm.))
Genauer, lautet die Aufforderung unter dem ZWEITEN STANDPUNKT an ALLE MOD-Individuen, die sich unter den MOD Sphären-Idealen (also im Rahmen einer, womöglich DER MOD-Individualität (kann es von ihr mehr als eine geben?) arbeitsteilig zu einer MOD Lebensform zusammengeschlossen haben: dass sie ihre professionelle, nämlich Produzenten- und Experten-Stellung innerhalb der arbeitsteiligen Lebenform als FRAGMENT einer Lebensform, wie sie konstitutiv gewesen wäre für die Forscher-Entdecker des ERSTEN STANDPUNKTS, ansehen sollen – und, dass sie sich, OHNE Experte oder Produzent zu sein, die dazu fehlenden Stücke aus den vorliegenden Materie-Haufen in Ästhetik, Alltagseinrichtung Technik und Wissenschaft zusammensuchen sollen. Aber nicht nur das: Analog zu den Anreicherungen der eigenen Biographie mit Stücken aus fremden Leben, sollen sie die sinnmachende Lebens-Erfüllung auch noch um solche Materien erweitern, die ursprünglich garnicht im Horizont ihres professionellen Daseins, und seiner „konsumtiven“ Freizeit-Aufrüstung zum Bestandteil eines durchgehenden Sinn-Zusammenhangs lagen: Mit anderen Worten, sie sollen der Gesamtheit an vorliegendem, nach Sphären-spezifischen Ordnungsgesichtspunkten organisierten Expertenwissen sowie der Gesamtheit an punktuellen Verbund-Beziehungen zwischen Bestandteilen zweier Nachbarsphären nachträglich soviel Sinn, im Sinne der modernen Werte, wie möglich geben – und das heisst, soviel sinvoll von rechts nach links organisierten Stoff in ihr Leben hineinzwängen wie möglich. Und das in ihrer Freizeit, nachdem sie ihre beste Lebenszeit mit dem monströs aufgeblähten PRODUZIEREN ORGANISIEREN KENNENLERNEN solchen Stoffs an einer isolierten Stelle der Gesamt-Arbeitsteilung, zugleich ein blosses Sinn-Fragment im Sinne ihres Lebensentwurfs-Ideals, verbracht haben.
23.
Das „Organisieren“ des gesamten vorhandenen Produkt-„Stoffs“ „von rechts nach links“ ist allerdings auch Inhalt der gesamtgesellschaftlich arbeitsteiligen Aktivitäten; so wie unter dem ERSTEN STANDPUNKT, als das Tun der Gesellschaft, im Rahmen der allen gemeinsamen Lebensform, nichts war als die Summe der Lebensleistungen der in ihr und unter den Anforderungen des modernen Kulturprojekts sich abarbeitenden Einzelnen. Diesen Leben (die automatisch und im Prinzip so strukturiert waren wie sein eigenes) konnte und sollte jeder Einzelne, als seinen Vorbildern, entnehmen, was zur Auf- und Ausfüllung SEINER Biographie grade nötig war; der Platz, von dem er es nehmen würde, war dem Platz, wohin er es tragen und einfügen würde, analog: Erlebnisse im Leben des Vorbildes würden Erlebnisse sein im Leben des Nachfolgenden (wenn auch in anderer Reihenfolge), Technologien, die die einen entwickelten, würden übernommen von solchen, die sie hätten entwickeln müssen und können, nun aber nicht mehr entwickeln mussten; Produkte, die die einen nutzten, wurden übernommen von andern (Einzelheiten wie die, dass sie nicht als Einzelne, sondern als Repräsentanten eines Unternehmens wirkten, werden hier noch vernachlässigt!), die sie nun eben nicht produzieren mussten; zumindest, wenn man sie ihnen zukommen liess.
Die Formel für Arbeitsteilung, die den ERSTEN STANDPUNKT charakterisiert: Von einem Leben in das (möglichst) Aller (in die es passt, denen es passt, WENN es passt) – trifft hier also auf die faktische Praxis (einer Schicht, eines Netzwerks von Produzenten, oder mehrerer solcher) eine zeitlang tatsächlich zu.
Unter dem Regime des ZWEITEN STANDPUNKTS verändert sich das einerseits gründlich; andererseits geriert sich dieser Standpunkt gerne als einer, der versucht, den Forderungen des ERSTEN unter Bedingungen gesteigerter Produktivität und Materie-Massen weiter gerecht zu werden: Damit alles, wie ursprünglich, von einem Leben in das passender anderer hineinfindet (also das Problem der angemessenen VERTEILUNG gelöst wird), muss erst einmal die PRODUKTION organisiert werden; die aber verläuft (im ERSTEN STANDPUNKT fand das unter derselben Formel statt wie die Verteilung) aus der Gesellschaft in die Gesellschaft; und schaltet sich zwischen die kreativen und reproduktiven Beiträge der Einzelnen. Die aber verändern dadurch ihren Charakter völlig.
Denn… die produktivitäts-förderne und den Massen an Materien gerecht werdende „Organisation der Materien von rechts nach links“ ändert ihren Charakter, und zwar notgedrungen, wenn sie gesellschaftlich wird; freilich nicht darum, WEIL sie gesellschaftlich wird (denn das war sie objektiv unter dem ERSTEN STANDPUNKT ja auch). Sondern, weil an jedem Übergang sich das Verhältnis der die jeweilige Übergabe „gesellschaftlich“ und nicht nur innerhalb ihrer ganz besonderen Biographie organisierenden Produzenten zum Stoff, der da durch ihre Köpfe und Hände fliesst, völlig anders darstellt, als wenn sie privat und für sich unterwegs wären – nämlich völlig ohne Bezug zu nehmen auf ihre besonderen Geschmäcker und Interessen, wie es die so überaus schöpferischen Geister der ersten Phase, des ERSTEN STANDPUNKTES, sich noch leisten konnten – denn DIE arbeiteten für die Gesellschaft, indem sie FÜR SICH arbeiteten. Genau das können die Agenten der gesellschaftlichen ArbeitsTEILUNG, die jetzt vorherrscht, von sich nicht mehr sagen – darum, weil sie Verantwortung dafür tragen, dass die wachsende Masse der Materien in Bewegung bleibt und immer weiter fliesst (nämlich produktiv verteilt wird). Während unter dem ERSTEN STANDPUNKT das Liegenbleiben einer Idee, Erkenntnis, Produktart usw. kein Problem darstellte – über kurz oder lang würde sich eben ein anderer kümmern – muss dies Kümmern um Materien in der arbeitsteiligen Lebensform des ZWEITEN STANDPUNKTES planmässig stattfinden und eben – arbeitsteilig; weil der Auswurf der Produktion, der längst unüberschaubar geworden ist für die Einzelproduzenten, durch biographische Zufälle, Entscheidungen und Einsatz-Bereitschaften nicht mehr in Bewegung zu halten ist. (Genau da liegen auch die Rechtfertigungen für die Notwendigkeit dieser Art der Arbeitsteilung, wie sie typisch sind für den ZWEITEN STANDPUNKT).
Die Produzenten, die den Materiefluss für die Gesamtheit aller verwalten, müssen, etwa, die Erkenntnisse der Wissenschaft daraufhin durchmustern, ob sie sich für technische Verwertung, als technische oder prognostische Anwendung, eignen. Ihre persönlichen Erkenntnisse oder Interessen, wenn sie überhaupt noch welche haben, kommen dabei nicht in Betracht, ihre ganze Tätigkeit hat nichts Persönliches, auf IHR Leben, IHRE Erkenntnisstände und daraus entstehende Fragestellungen Bezogenes.
Das gehört, wenn da noch etwas möglich ist, in die „Freizeit“.
Nicht sehr anders verhält es sich mit den in der Wissenschaft selber Tätigen: als Experten müssen sie sich zum GEFÄSS der Forschungsresultate ihrer Kollegen machen, als Forscher immerhin auf dem erreichte Stand der Wissenschaft sich bewegen, und von DA aus ihre Interessen formulieren; diese sind im Zweifel nicht ihre eigenen (was, wenn sie darauf beharren, sie im besseren Fall zu „kreativen Querdenkern“ oder, im Erfolgsfall, „Pionieren“ macht, im schlechteren und Normalfall aber zu Aussenseitern und Sonderlingen, die isoliert oder gleich aus dem Kreis der ernstzunehmenden Fachkollegen ausgeschlossen werden. Wie sich unter diesen Umständen Gesichtspunkte ergeben, unter denen ein Forschungsansatz, eine Fragestellung oder Hypothese wichtig oder unwichtig ist, kann dann (anders als die unmittelbar Beteiligten es wahrhaben wollen) in vielen Fällen nicht mehr rational rekonstruiert, sondern allenfalls noch von Wissens- und Organisationssoziologie empirisch auf Regeln gebracht werden. (Die Frage, was das für eine Wissenschaft und was für ein Milieu sein muss, die sich notwendig immer wieder in Seilschaften und Klüngeln, mit Führern und Gefolgschaften bewegt, bleibt nach wie vor zu beantworten.)
24.
Die Entscheidung, ob überhaupt, und wenn, welche der immer neu entwickelten Technik-, Verfahrens- und Prognostik-Angebote in welchem Umfang und welcher Reihenfolge genutzt werden könnten, um eine der unübersehbar vielen Stationen (oder Branchen) des modern- industriellen Reproduktionsprozesses produktiver zu machen (Spezialfall: um eine Produktionsstätte für etwas wünschenswert Neues einzurichten), muss von Produzenten aus dieser Sphäre getroffen werden – sei es den Produzenten der zu verbessernden Branche, in Abstimmung mit andern; sei es Agenten der ganzen Sphäre, die zwischen ihr und den technischen Erfindern und Entdeckern vermitteln. Zwischen diesen beiden genannten Funktionen gibt es mannigfache Übergänge (bis hin dazu, dass Betriebe einzelner Branchen ihre eigenen Techniker und Entwickler haben). Aber immer müssen diejenigen, die hier Konzepte für mögliche Anwendungen einer Technik entwickeln, oder Probleme an Techniker herantragen und nach Lösungen suchen, Prioritäten setzen – nicht alle Fortschritte können gleichzeitig mit den vorhandenen Überschüssen ihrer Sphäre bestritten werden. DASS sie so bestritten werden müssen, ist ausser Frage – denn nur diese Sphäre ist es, aus der massenhaft produktive MITTEL kommen, oder die die Möglichkeiten zur Masssenproduktion hat. Und die muss sie nicht nur für den Erhalt ihrer eigenen Produzenten aufwenden – Techniker, Wissenschaftler und Produzenten aus dem ästhetischen Bereich müssen unterhalten und ihrerseits mit Mitteln ausgestattet werden; die Frage ist, in welchem Umfang. Diese Frage stellt sich natürlich auch für die Verteilung von Einzelprodukten auf verschiedene Sphären, in denen sie benötigt werden – angefangen bei Rohstoffen, Energie… Spezialisten usw – also allem, das relativ zu einem möglichen Bedarf verschiedener Branchen oder Produktionsstätten (der noch nicht mit Produktivitätssteigerungen verbunden sein braucht, sondern einfach nur aus proportionaler Ausweitung bestehender Produktion (allerdings: Skalenvorteile, Sprungkosten!) entstehen kann) aktuell in zu geringem Mass verfügbar ist. Nicht zuletzt ist die Frage der Produktivitätssteigerung zentral im Zusammenhang mit Arbeitszeit, die aufgewandt werden muss, um bestimmte Produkte für alle verfügbar zu machen. Aber nicht nur; knappe Ressourcen aller Art schneller oder langsamer, nachhaltig oder mit dem Risiko ihrer Erschöpfung, zu handhaben – das sind immer konfliktträchtige Optionen. Es versteht sich, dass solche Konflikte sich ebenso entlang alternativer technischer Entwicklungsmöglichkeiten und/oder Problemlösungen, oder Hypothesen oder Fragestellungen in der Wissenschaft entzünden können – inner-wissenschaftlicher primär, sekundär solcher, in denen es um die Verwendung technischer Ressourcen zur Ermöglichung von Experimenten oder Datenerhebung geht (Forschung kann da schnell unersätttlich werden in ihren Ausblicken und Versprechungen); schliesslich geht es natürlich um die Abzüge, die technische Entwicklungen (unbeschadet der Frage, welche) gegenüber anstehenden Produktivitätsverbesserungen mit bekannten Mitteln, Produktionsausweitungen oder schlicht Einschränkungen der Produktion und Rücknahme von Ressourcen-Vernutzung, angefangen bei der von arbeitenden Produzenten, in der (Re)Produktionssphäre darstellen.
Sehen wir zuletzt auf die ästhetische Sphäre. Auch sie ist mit sich selbst beschäftigt, mit Verwaltung und schlichter Organisation ihres Stoffs; auch in ihr wird produziert, aber in ihr geht es, fast noch mehr als in allen andern Sphären, um ständige Abwandlung und Innovation. Gewiss noch mehr ausgebildet als in allen anderen Sphären ist die Orientierung auf die Nachfrage nach Produkten der Sphäre – genau darauf hin werden sie ja gewählt und ausgewählt. So muss also der Bedarf der Nachbarsphären nach Sinn-Ergänzung aus dieser Sphäre genau gekannt sein, damit darauf angemessen reagiert werden kann; gleichzeitig müssen die Produzenten dieser Sphäre in Ansätzen den Geschmack, den sie bedienen, teilen; insofern ähnelt das Vorgehen und die Rollenverteilung in dieser Sphäre noch am ehesten dem, wie unter dem ERSTEN STANDPUNKT generell „kreatives Leben“ und Übernahme von dessen Errungenschaften (ohne die Kosten der Produktion) in das Leben anderer stattfand.
In etlichen Hinsichten scheinen sich somit die vier Sphären zu gleichen in der Art ihrer Aufgabenstellung unter Bedingungen des rasanten Anwachsens der von ihnen zu bewältigenden eignen wie fremden Materien:
Die allen gemeinsame erste und wichtigste Aufgabe ist die Verwaltung und Organisation des BESTANDS an Materien der jeweiligen Sphäre.
Eine spezielle Version dieser Aufgabe ist Untergliederung und Aufbereitung des verfügbaren Stoffs in sinnvollen Themenblöcken für Ausbildungsgänge.
Das Wissen-wie der Sphäre ist am meisten routine-artig in der Reproduktions-, also Berufs- und Alltagssphäre; an nächster Stelle folgt hier die Wissenschaft, deren lehrbare Bestände (anders, als es die Sprüche von ihrer angeblich alle 5 Jahre stattfindenden völligen „Umwälzung“ und Neu-Gestaltung behaupten) sich zwar erweitern, aber aus den immer gleichen (vervollständigten) Wissens-Fundamenten hervorgehen; es wäre schlimm, wenn dieses Wissen, statt zu wachsen, auch noch mit ÄNDERUNGEN (also Korrekturen) zurechtzukommen hätte.
Tatsächlich ist die Rede von der Umwälzung des Wissens Ausdruck einer Angleichung der Wissens-dass an das Wissen-wie der technischen Sphäre: Dort können Anwendungen mit bestimmten Aufgaben tatsächlich korrigiert werden, in dem Sinn, dass sie durch in verschiedensten Hinsichten günstigere Versionen, Abwandlungen, Neu-Entwicklungen ersetzt werden. (Dass die Angleichung von Wissen-dass ans Wissen-wie überhaupt denkmöglich ist, beruht auf der grundsätzlich technomorphen Verfasstheit der „Naturwissenschaft“ – speziell in ihren biologischen Abteilungen, wo das „Wissen-dass“ oft genug sich reduziert auf Abschätzung der Folgen von techischen Eingriffen in ökologische und Organ-Systeme.)
„Bestandswahrung“ stellt sich also noch einmal anders dar in den technischen Branchen der Gesamtproduktion: Was hier gleich bleibt und zu kennen oder kennenzulernen ist, sind vor allem die Aufgabenstellungen, die zu lösen sind, ihre Elemente und möglichen Zusammensetzungen, und ihnen zugeordnete Anwendungen und Verfahren (bei denen wiederum die Rücksicht auf ihre Kombinierbarkeit und/oder Unvereinbarkeit miteinander oder Randbedingungen ihres Einsatzes zu berücksichtigen ist).
25.
Das ambivalenteste Verhältnis zum „Bestand“ freilich haben die ästhetischen Disziplinen. Nicht, dass nicht auch hier ein Wissen-dass von der Entwicklung des eigenen Fachs Grundlagen lieferte für ein mögliches Wissen-wie – Entwicklung des nötigen Handwerkszeugs; dazu tragen die vergangenen Epochen dieser Entwicklungsgeschichte meist Entscheidendes bei, das nicht vergessen darf, wer später kommt. Andererseits gibt es hier, mehr als sonst, das „Veralten“ des früher Geschaffenen, dem ein zumindest subjektives FORTSCHREITEN und Weiterkommen der Restgesellschaft gegenübersteht, die aus dieser Sphäre heraus ständig, auf IHREM jeweils neuesten und letzt-erreichten Stand bedient werden will. Nirgendwo sonst aber hat die Selbstüberholung und Selbstüberbietung im Fortschreiten so sehr den Charakter der Verwerfung und Ablehnung vormals höchst zeitgemässer Hoch- und Hochstleistungen. (In der E-Kultur, wo diese Bewegung längere Zyklen aufweisen, und wo Kanon-Bildung geläufiger ist, scheint sich dieselbe Bewegung, freilich mit charakteristischer Langsamkeit und Langatmigkeit, als Wechsel der je zeitgeist- und zeitkulturbestimmend massgeblichen Leit-Kunst abzuspielen. (Eine – bezeichnenderweise – eher akademische (also Wissenschafts-orientierte) Frage wäre: Ob es die „immergleichen Gesetze des Dramas/Epos“ usw. gibt (gibt es solche Gesetze für Skulpturen? Architekturen? Komisches? Wenn nein – sind diese Disziplinen historisch nur noch nicht reif genug?)
Aber es ist nicht meine Aufgabe hier, die Konsequenzen der von mir behaupteten Grundzüge der vier modernen Wertsphären für eine materiale Erörterung ihrer möglichen Ausprägungen zu nutzen; denn hier geht es um die Frage, wie sich diese Strukturen auf Lebensführung, Lebensentwurf und gesellschaftliche Lebensform derer auswirken, die sich – zur Umsetzung des von ihnen befürworteten MOD Kulturprogramms – unter der bisher vorausgesetzten Anthropologie (und mit nicht viel mehr) auf diese Lebensform einlassen, an welcher der in ihr vorgesehenen Positionen auch immer.
Wir entdecken (das klingt nun fast schon nach Selbstähnlichkeit; vielleicht nicht ohne Grund) also in der praktischen Organisation jeder der vier Sphären eine wiederum vierfache Aufteilung – freilich mit charakteristisch unterschiedlichen Graden der Ausgeprägtheit und Wichtigkeit:
erstens, jede Sphäre verfügt über einen BESTAND aus vorhandenen Errungenschaften (Regularitäten, Techniken und Prognostiken, (Re)Produktionseinrichtungen, reproduzierbaren ästhetischen Gehalten/Werken/Erlebnismöglichkeiten), der gekannt und Nachwachsenden vermittelt, zur möglicherweise erneuten Verwertung abrufbar gehalten, (mit seinen eigenen Mitteln, oder anderen) reproduziert und konserviert, schliesslich auf seine Brauchbarkeit für aktuelle und zukünftige Zwecke hin beurteilt werden muss (also schon wieder vier Unterabteilungen!);
zweitens, jede Sphäre WÄCHST ständig aufgrund der gefilterten Hereinnahme neuer Materien von der in der Reihe Ästhetik<Alltag<Technik<Wissenschaft(<Natur, Rest-Unbekanntes) je rechts von ihr stehenden Nachbarsphäre; diese Filterung von EINER (der „links“ stehenden) Seite setzt aber Kenntnis des Stoffs der ANDEREN Seite voraus, also Sphären-übergreifendes Wissen; bedarf aber auch Übersicht über das, was schon da ist in der eigenen Sphäre, schliesslich eine Schätzung dessen, was in welcher Reihenfolge gemacht werden könnte, was gebraucht wird, und welche Ressourcen dafür mobilisiert werden können;
drittens, jede Sphäre PRODUZIERT (und, in gewissem Umfang, reproduziert, wendet an, vervielfältigt) die ihr zugeordneten Materien, und sie produziert MIT ihnen (setzt zusammen, fügt an, wandelt ab für besondere Umstände, lotet Analogien zum schon Vorhandenen aus etc); aber damit bezieht sie sich ständig auf das bereits Produzierte und den Bestand: teils, indem sie daran das noch nicht Produzierte (nach dem also Bedarf besteht) bestimmt, teils, indem sie die bestehenden Materien als das (Eingangs-)Material für die je nächsten Produktionen und Produktionsstufen nutzt; all diese Produktion wäre keine moderne, wenn nicht in jeden ihrer Schritte die Rücksicht auf ihr eigenes Fortschreiten, Sich-Verbessern und Wachsen (in diesem Sinn) einginge; und sie unterliegt einer permanenten Prüfung, ob sie angesichts des derzeit erreichten Standes (der im einfachsteh Fall definiert ist durch eine Reihe von Wiederholungen und einfachen Anpassungen oder Abwandlungen) noch ihrem Zweck und Sphärenwert gerecht wird;
viertens, stellt jede Sphäre einen WERT oder ein Wertesystem dar, an dem und mit dem alle Materie, die in dieser Sphäre anfällt, geprüft und bewertet wird: Der Ist-Zustand und sein Abweichen vom Soll wird bestimmt, der Fortschrittspfad und die Rangstufenreihe der nächsten und übernächsten Entwicklungsschritte entworfen, angesichts bestehender Optionen und Möglichkeiten; und das nicht nur abstrakt, sondern die Weiter-Entwicklungen müssen, als Teil jeder Neu-Produktion, buchstäblich konstruiert, geplant und projektiert werden.
Mit anderen Worten: Auf gespenstische Weise kehren alle drei jeweils übrigen Wertesphären in der Aufgabenstellung jeder einzelnen der vier wieder, sie, die doch voneinander (arbeits)GETEILT und abgetrennt sein sollten, vereinigen sich wieder unter dem Druck unbekannter Kräfte, wie Öltropfen, die immer wieder zu EINEM zusammenfliessen, wie oft man auch versucht, sie zu zersprengen.
Oder ist es anders – eröffnen sich unterhalb der Sphäre neue Untersphären, die dann doch nichts miteinander gemein haben – darum, weil ein wissbarer, kennbarer Bestand an erlebter Befriedigung im Ästhetischen einen ganz andern Status hat als erfolgreich, wieder und wieder, absolvierte Reproduktion – die eigentlich eher ein ständig aufrechterhaltener Fluss und Durchfluss von Energien, Materien, Zwischenprodukten durch den vielfältig verzweigten Kreis der Produktionsstätten ist; diese beiden unterscheiden sich, jedes für sich, wieder vom Bestand an Technologien, die das Ausgangsmaterial für Abwandlungen und Neuzusammensetzungen liefern könnten, sowie vom Bestand an Wissenswertem, der, so ergänzungsbedürftig er sein mag, doch nicht vergessen, sondern sorgfältig aufbewahrt und für jederzeitige technische Anwendung bereitgehalten werden muss. (Das grundsätzlich nicht Kontrollierbare und allenfalls die wissenschaftliche Neugier Befriedigende und die Gegenstände des ERKLÄRENS seines So- und Daseins mit bekannten Gesetzmässigkeiten (als deren Überlagerung bzw. aufgrund seiner Zusammensetzung) hingegen ähneln dann wieder stark den ästhetischen Gebilden… usw.)
26.
Aber jetzt wird wohl langsam die Frage zu stellen sein, wohin dies Überlegungen eigentlich gehören. Denn natürlich erinnern sie an die anthropologischen Konzepte, die dem VIERTEN STANDPUNKT zugeschrieben wurden; nur dass hier von Werten oder Aufgaben, aber nicht in Gestalt anthropologischer Konstrukte über die allgemeine Menschennatur, gesprochen wurde. Folgt diese Anthropologie den Aufgabenstellungen der arbeitsteiligen Umsetzung des modernen Programms so direkt?
Tatsächlich bringt, was da gerade entwickelt wurde, die bisherigen Behauptungen über die STANDPUNKTE durcheinander. Ich hatte behauptet: Diese Standpunkte stellen eine Abfolge von Menschenbildern (Anthropologien) dar, aber es zeigt sich, dass das nicht ausreicht. Zwar ist das Menschenbild im ZWEITEN STANDPUNKT geradezu die Leitkategorie, mit der die gesamte Begründungsleistung dieses STANDPUNKTS für die arbeitsteilige Lebensform und ihre Vereinbarkeit mit dem privaten Lebensentwurf bestritten wird. Aber es zeigte sich, dass da noch Platz ist für weitere Anthropologien (den beiden folgenden STANDPUNKTEN zugeordnet). Als diese Anthropologien (die geradezu mit den STANDPUNKTEN identifiziert wurden) eingeführt wurden im ersten Kap., wurde als Grund der ganzen Entwicklungsdynamik nur eine diffuse Wachstumstendenz des Materials angegeben, auf die im weiteren Fortgang die je nächste Anthropologie antwortet (um der Vervielfachung der Materien weiterhin gerecht werden zu können).
Aber das lässt sich jetzt so nicht aufrechterhalten, bzw. bedarf der Präzisierung.
Es geht um die Frage: Was begründet die Übergänge zwischen den Standpunkten? Nicht-Bewältigbarkeit der expandierenden Massen an Materien ist gewiss immer involviert; aber es geht eben auch um ihre sichtliche Nicht-Bewältigbarkeit mit den Mitteln des je letzten Entwurfs – oder Lebensentwurfs, im Rahmen der je vorgesehenen Lebensform (Konzept von Arbeitsteilung aufgrund geteilter Werte), in der Umsetzung des modernen Kulturprogramms (Individualität; sie ist, was die Angehörigen der Lebensform teilen) als ganzes.
An seiner viel zu einfachen Anthropologie sahen wir den ZWEITEN STANDPUNKT scheitern bei seinem Versuch, beim Legitimitieren der arbeitsteiligen Zerfällung der im ERSTEN STANDPUNKT fraglos mit dem modernen Kulturprojekt selbst identifizierten Lebensentwürfe in professionelle Spezial- und Spezialistentätigkeiten auf eine anthropologisch fundierte Zuschreibung von allgemein verfügbaren FÄHIGKEITEN UND BEREITSCHAFTEN zurückgreifen zu können – wir sahen ihn scheitern bereits bei der Begründung, wie Transfers von Materien einer Abteilung in die nächste auf diese Weise bewerkstelligt werden könnten; sollte eine entsprechende Korrektur auf rein anthropologischer Grundlage stattfinden, so war hier der Übergang zur Anthropologie des DRITTEN STANDPUNKTES (wie gezeigt) erforderlich.
Schon damit aber liess sich das Konstitutionsprinzip für das Menschenbild des ZWEITENS STANDPUNKTS nicht mehr halten: Alle Menschen als Menschen reagieren auf objektive Sachverhalte mit „intelligenter“ Erfahrungsverarbeitung (und entsprechenden Reaktionsbereitschaften); auf technische Chancen und Risiken (die sie freilich selber als solche beurteilen müssen) mit kreativen Problemlösungen; auf Bedürfnisse mit Befriedigungs-orientierter (Reproduktions)Arbeit, auf ästhetische Erlebnismöglichkeiten (die sie freilich als solche erkennen müssen) mit deren Konservierung, Abwandlung, Vervielfältigung usw. – und dass sie sich darin grundsätzlich VERTRETEN können müssten, wenn denn die Materiefülle, die den ERSTEN STANDPUNKT unmöglich gemacht (und die ihm zugehörenden Praxisformen in die Freizeitsphäre der Einzelexistenz verwiesen, aus der nichts arbeitsteilig Verwertbares mehr zuverlässig hervorgehen würde) hatte, weiter unter dem modernen Kulturprogramm bewältigt werden sollte; und zwar durch Arbeitsteilung und arbeitsteilige Organsiation der unter diesem Programm und durch es vereinigten Angehörigen der modernen Lebensform.
Als Spezialisten wurde ihnen zugesprochen, in einem fort und dauerhaft entsprechend dem allgemein menschlichen Substrat in ihnen weiter mit den Materien, die sie in ihrer jeweiligen Sphäre antreffen würden, umzugehen. Sie würden es tun, wie jeder andere an ihrer Stelle; das Problem war freilich, dass die Spezialisten auf diese Weise nur als PRODUZENTEN den Herausforderungen ihrer einseitigen Beanspruchung sich würden gewachsen zeigen. Hingegen sah die Anthropologie nicht das allergeringste vor für Bewältigung der Aufgabe, dass die Materien nicht nur in einer Sphäre erzeugt, sondern in dieser Massenhaftigkeit auch den Angehörigen der nächsten Sphäre (die schon genug zu tun hatten, sich der Masse IN ihrer Sphäre zu stellen; vgl. den voraufgehenden Abs), für deren Aufgabenstellung (unter der MOD Kultur-Aufgabenstellung generell) aufbereitet und überschaubar gemacht werden mussten.
Aber damit hatten sie die Masse ihrer eigenen Sphäre tendenziell auf etwas duchaus massenhaftes und wachsendes der jeweiligen Nachbarsphäre zu beziehen.
Die dem DRITTEN STANDPUNKT zugeschriebene Anthropologie antwortete darauf, indem sie die Einstellung zu jeder der vier Materie-Arten derart veränderte, dass Rücksicht auf die Eingangs-Stoff-Anforderungen der Nachbarsphäre gewährleistet war. Mit einer Nebenfolge: Damit fiel nämlich das die Anthropologie des ZWEITEN charakterisierende Modell menschlicher Existenz und Sinn-Erfüllung durch subjektive Stellung (teils aussen-geleitet, teils innen-begründet) zusammen: Alle vier neuen anthropologischen Paar-Standpunkte, wie sie jetzt gedacht wurden, enthielten bereits im Ursprung SOWOHL subjektiv WIE objektiv begründete Handlungs-Dispositionen.
Der Unterschied subjektiv-endogen vs. objektiv-exogen determiniert/indeterminiert begründete somit nicht mehr vier ganz unterschiedlich (abstrakt) zu charakterisierende menschliche Standpunkte zur Welt, sondern nur noch zwei: determiniert, und frei sein in seinem Tun.
27.
Und jetzt gibt es eine Erweiterung der Aspekte, die den DRITTEN STANDPUNKT ausmachen; nämlich eben nicht nur die ihm bislang zugeschriebene Anthropologie.
Der Übergang auf seiten der Anthropologie, also des Menschenbildes, vom ZWEITEN zum DRITTEN STANDPUNKT sollte erzwungen sein durch das Anwachsen der Materien; dies Wachstum machte ein routinemässiges Entgegenkommen auf seiten der Produzenten der je Ziel-definierenden (im Sinne des modernen Kulturprogramms) Nachbarsphäre erforderlich (ein der Reproduktion und ihren Problemstellungen Entgegen-Entwerfen auf seiten der Technologen; ein Sich-Selbst der eigenen Bedürfnisse in ihrer Vollständigkeit Bewusstwerden und bewusstes Organisieren des eigenen Alltags; ein Wissen auf seiten der ästhetisch Kreativen um das, was an sekundärer Bearbeitung nötig ist, um das ästhetisch Singuläre allgemein rezipierbar zu machen; und in der Wissenschaft: eine aktive Stellung des Forschens und Suchens ohne besonderen Anlass und Herausforderung in der begegnenden Umwelt). All das sollte in der Anthropologie verankert erscheinen, und machte aus blossen Produzenten sinn-bestimmte. Mit der Folge (um es nochmal zu sagen), dass die Subjekt-Objekt-Orientiertheit („aussen-bedingt“ vs. „innen-bedingt“ der Existenz oder dem Inhalt nach) der gesamten Anthropologie aufzugeben war zugunsten eines neuen Gegensatzpaares, in dem die Innenbedingtheit und Aussenbedingtheit neu gefasst wurde als (innen/aussen-bezogen) frei vs. (innen/aussen-bezogen) determiniert.
Vom ERSTEN STANDPUNKT unterschied sich der ZWEITE nur dadurch, dass er eine gegenüber dem Kulturprogramm (der quasi ersten Version einer Anthropologie) präzisierte These über das allen Menschen Gemeinsame behaupten musste, das sie für Teilhabe in einer Spezialisten-Position an der arbeitsteiligen Verwirklichung der von allen (als Person, Vernünftige, Aufgeklärte) geteilten modernen Individualität prädestinieren sollte, und sie Universalitäts-Ansprüche im Sinne des ERSTEN STANDPUNKTS in ihre Freizeitsphäre (wenn überhaupt) verschieben liess.
Aber eine Verteilung der so verstandenen MOD Individuen auf die produktiven Branchen der arbeitsteilig organisierten gesellschaftlichen Realisierung des MOD Kulturprogramms würde darüberhinaus keine weiteren Bestimmungen erfordern – so die Erwartung; in der Beschaffenheit des Einzelmenschen (und zwar jener, die ihn zum Stellvertreter aller in anderen Branchen Tätigen machte und geeignet, für sie mitzuhandeln) sollte bereits alles liegen, was für Einrichtung der gemeinsamen Lebensform erforderlich war.
Genau diese Überzeugung wird nun, gleichzeitig mit der Bewegung auf der Ebene der Anthropologien, beim Übergang zum DRITTEN STANDPUNKT fragwürdig.
Denn selbst MIT Unterstützung durch eine entsprechende Bereitschaft, wie das neue Menschenbild sie den Beteiligten zuschrieb (und zugleich für erforderlich erklärte, damit sie weiter ihren Aufgaben in den wachsenden und sich immer weiter differenzierenden Unterbranchen der gesellschaftlichen Gesamttätigkeit gerecht würden), war eine Schwäche der Lebensform, wie sie auf Basis des ZWEITEN STANDPUNKTES vorgestellt wurde, nicht beseitigt, nämlich die folgende:
Selbst bei optimaler Verknüpfung, ja gerade dann, aller Unterabteilungen der gesellschaftlichen Gesamtproduktion stellten sich die Einzelstationen, an denen jeder beteiligte Produzent tätig war, ausschliesslich dar als DURCHFLUSSTATIONEN eines Prozesses, der, obschon wachsend, nur aus solchen Durchfluss-Stationen bestand; der Fluss wuchs und wurde breiter; aber er wuchs nicht auf ein Ende zu.
Ein solches Ende gab es, als vages Versprechen an die in der gesellschaftlichen Produktion sich Vereinseitigenden und dadurch füreinander (einander vertretend) Opfernden: Nämlich, dass der in die Freizeit abgedrängte Sinn-Erfüllungsanspruch des ERSTEN STANDPUNKTES durch wachsende Produktivität der Gesamtgesellschaft immer leichter und reibungsloser, auch mit immer mehr Mitteln, doch noch zu erfüllen sein würde. Arbeitsteilung sollte ja nur ein MITTEL sein, grundsätzlich war der ERSTE STANDPUNKT ja nie aufgegeben worden.
Doch durch die anthropologische Zusicherung an die arbeitsteilig vergesellschafteten MOD Produzenten, zur Arbeitsteilung BEFÄHIGT zu sein, ergab sich keinerlei Bestimmung hinsichtlich der Frage, wie lange wachsende Materiemassen im arbeitsteiligen Mittel-Sektor der Gesellschaft zu zirkulieren hatten, bevor die Ernte in Gestalt produktiver, reicher und erfüllter FREIER Aktivitäten eingefahren werden durfte.
In den Zeiten, als der ERSTE MOD-STANDPUNKT die gesamte Art der Vergesellschaftung bestimmen durfte, gab es keinen Zweifel daran, dass die Eigentätigkeit der MOD Individuen, Realisierung IHRER speziellen Wissens-Interessen, Erfindungen, Unternehmungen, ästhetischen Kreationen unmittelbar sich als Bereicherung ins Leben der Andern würde integrieren lassen; und dass zwischen all diesen Leben kein Unterschied bestand hinsichtlich dieser Teilhabe am „Eigentlichen“.
Wohingegen Eigentliches und Uneigentliches plötzlich sehr getrennt erschienen, indem zwei Gesichtspunkte hart und unverbunden auseinandertraten: Die NOTWENDIGEN und Mittel-vermehrenden Tätigkeiten waren angesiedelt in der EIGENTLICH produktiven Tagesarbeit; hingegen das erfüllend Zweckhafte, dem doch, im Leben jedes Einzelnen, die ganze Anstrengung und Aufopferung (zusammen mit Anderen) dienen sollte, war in die Freizeit-Sphäre abgedrängt – dort agierte man FREI und selbstbestimmt, aber unernst, das Tun dort war blosses Spiel, „Hobby“, unprofessionell, dilettantisch, kurz. UNEIGENTLICH.
Das Ernste und EIGENTLICHE, das, was auf Verwertung des gesamten der Gesellschaft aktuell zur Verfügung stehenden Materials an Wissen, technischen Möglichkeiten, Reichtümern, ästhetischen Erlebnismöglichkeiten beruhte, hatte nicht einmal im Ansatz (allen Anstrengungen von seiten der produktiv Tätigen zum Trotz, es für eine solche konsumtive Verwertung zuzubereiten) die Chance, je auch nur in winzigen Bruchteilen in diese FREIE, eigene und dabei die Sphären zu erfüllenden Sinn-Zusammenhängen verbindende Domäne der Vollendung von Lebensentwürfen und gelungenen Biographien einzudringen; und damit der mittel-erzeugenden, bloss zweck-MÄSSIGEN, entsagungsvollen, zumindest vereinseitigenden und von Lebensmöglichkeiten permanent ausschliessenden Alltags-Tätigkeit der MOD-Individuen einen individuell wie gesellschaftlich als erfüllend und Sinn machend empfundenen Anschluss zu geben.
28.
Die Anthropologie des ERSTEN STANDPUNKTES hatte es sich, wie oft genug ausgeführt, so einfach wie möglich gemacht: In ihr waren Lebensentwurf, Lebensform, Individualität durch EIN Menschenbild zugleich abzudecken – es war schlicht identisch mit dem modernen Kulturprogramm, das mit den unmittelbaren Lebens-Interessen eines jeden gesunden Menschen ineins gesetzt war. Darum konnte so ohne weiteres, im Vollzug dieses Kultur- und somit Lebensprogramms, Stoff zwischen den Leben hin- und hergehen und sie sich wechselseitig ohne grosse Umstände bereichern; steuernd griff hier nur das je unterschiedlich verlaufende biographische Interesse ein, das (so, man fasst es kaum, die Fiktion, die dazu herangezogen werden muss) allenfalls die Reihenfolge der Gegenstände verändern würde; im Fall aber, dass nicht alles kulturell Erzeugte in EINEM Leben Platz finden wurde, lag es wohl daran, dass die Betreffenden aus dem dargebotenen Stoff (und eventuell noch den daran sich anschliessenden Frage- und Aufgabenstellungen) eine AUSWAHL getroffen hatten, die ihrer ganz besonderen „Persönlichkeit“ entsprach (die sich genau darin und nichts anderem zeigte). Was sich im Leben als Beschränkung (und zwar um so grössere, je mehr Stoff gesellschaftlich angehäuft wurde) darstellte, wurde so zurechtgelogen zu einer ERRUNGENSCHAFT: O wie reich war doch nun die Gesellschaft an ganz besonderen Zusammenstellungen aus der verfügbaren Masse, welche Vielfalt möglicher Lebensläufe stellte sich da nicht her! Diese Lüge war definitiv nicht mehr aufrechtzuerhalten, als für alle Beteiligten fühlbar wurde, dass ihre Beschränkungen sich zum allerwenigsten ihrer souveränen Zurückweisung von Lebensmöglichkeiten oder Verzichten darauf verdankten, geschweige denn positiven Wahlentscheidungen; sondern vielmehr erzwungene Bornierungen auf eine der hunderte und tausende spezialisierten Tätigkeiten im Getriebe der modernen Gesamtproduktion darstellten, denen sie mit Mühe in ihrer Freizeit noch etwas entgegensetzen konnten in Gestalt von Freizeitinteressen und Steckenpferden (nicht zuletzt bestritten aus dem Fundus des vervielfältigt-konsumierbar gemachten ästhetischen Erlebens), das von ferne an die Utopie der Erfüllung erinnerte, die der ERSTE STANDPUNKT kultiviert hatte.
(Die Behauptung, dass man mit einer Berufsausbildung und einer Berufstätigkeit eine gegen alle anderen Möglichkeiten indifferente FÜLLE wählt, ist die Form, mit der das Wissen um die Wahrheit, das den ZWEITEN STANDPUNKT ausmacht, in den ERSTEN zurückrutscht und zu dessen Verlogenheit degeneriert.)
Der Übergang, den der ZWEITE STANDPUNKT in seinem Menschenbild macht, besagt dann lediglich: Dass Menschen nun mal, wenn sie denn mit technischen und ästhetischen Möglichkeiten, Herausforderungen und Problemen, Bedürfnissen, Erfahrungsverläufen konfrontiert sind, in einer bestimmten Weise reagieren – und das ist genau die, im grossen ganzen, mit der die in die Hauptbranchen des modernen Einsortierten auf ihre beruflichen Aufgaben antworten. Aber diese Bestimmung behauptet, bei näherem Hinsehen, allenfalls etwas NOTWENDIGES; warum Menschen, warum gerade diese diesen objektiven Aufgabenstellungen ausgesetzt werden sollen, auf die sie so menschengemäss antworten, wird hier nicht beantwortet. Die jeweils aus der entsprechenden Nachbarabteilung hervorquellenden Stoffmassen (Wissen (das teilweise selbst die nächsten Aufträge zur Weiterforschung verschafft), technische Verfahren und Anwendungen, Produkte und ihre Überschüsse im Reproduktionskreislauf, ästhetische Angebote, werden von den je passenden Produzenten wie von selbst ergriffen; der Schritt zur nächsten anthropologischen Weiterung trägt nur der zunehmenden Komplexität des ganzen Prozesses Rechnung, indem zur menschengemässen Produktion auch die ZURICHTUNG der eigenen Produkte für Aufnahme in die produktive Konsumtion der Nachbarsphäre hinzutritt: Menschen sind so gestrickt (sagt die Anthropologie des DRITTEN STANDPUNKTS), dass sie sich, mit wachsender Komplexität ihrer Produkte, diese Aufgabe ganz von selbst stellen.
(Nämlich: Forschung nicht mehr abhängig machen von interessanten Beobachtungen, über die sie stolpern, sondern dauerhaft und systematisch betrieben, als wärs ein Bedürfnis; Technik nicht mehr unspezifisch-verspielt auf beliebiges Können und dessen Erweiterungen hin ausweiten, sondern auf bestimmte Problemlösungen hin entwerfen, mit allen dafür dann nötigen Innovationen; Reproduktion und die Verwendung von Überschüssen nicht mehr von gefühlten und erlebten Bedürftigkeiten abhängig machen, sondern geplant, als Sorge um den Fortschritt der Selbsterhaltung und Versorgungssicherheit, stattfinden lassen; auf das Einzelleben des Künstlers bezogene Sinn-Erfüllung durch ihre Aufbereitung in geeigneten Werken generalisierbar, vervielfältigt, rezipierbar und unter den Bedingungen beschränkter Erlebensfähigkeit (nach Zeit, Kraft, Musse) der Alltags- und Berufsmenschen doch noch erlebbar machen.)
Wie seltsam, dass aus all diesen so menschengemässen Tagesgeschäften dann am Ende doch nicht der Sinn erwächst, der mit dieser ihrer Menschengemässheit behauptet ist.
Denn auch nach den Erweiterungen, die zur einfachen Anthropologie des ZWEITEN STANDPUNKTS hinzutreten, wonach die in den Branchen Tätigen nur einfach den in ihnen bereitliegenden Dispositionen folgen, wenn sie beginnen, mit den objektiven Gegebenheiten ihrer Sphäre zu arbeiten (nachdem sie durch Zufall sich auf diese Sphären verteilt haben, und, man weiss auch nicht wie, sich von einem Thema oder Gegenstand haben einfangen lassen und so gefesselt sind, dass sie ein Leben lang nicht mehr loskommen) – Erweiterungen, die, wie gesagt, nur den Anforderungen der immer komplexeren Produktion in den Hauptbranchen der modernen Kulturtätigkeit Rechnung tragen (nämlich denen, die aus der bis dahin verfehlten Notwendigkeit einer ÜBERGABE der zahllosen Produkte der einen an die Nachbarsphäre herrühren) – stellt sich die Frage, wer warum wo tätig werden soll, und welchen Sinn dies ganze arbeitsteilig auf Höchstleistung getrimmte Getriebe haben soll, nach wie vor. Sie stellt sich sogar verschärft. Denn die Optionen einer anderen Art der Lebenseinrichtung und des Menschseins, die mit fortdauernder Moderne zunehmend veralten, stellen doch zugleich fortdauernde Versuchungen dar: Die ursprünglichen Menschenbilder sind zugleich die attraktiveren, weil lebbareren und einfacheren, man trauert den guten alten Zeiten einer Früh- und frühen Hochmoderne nach, als Lebensentwürfe unmittelbar, ohne Einbusse, kulturell produktiv waren, und wie vielseitig!, oder als Branchen sich ganz auf sich selbst konzentrieren konnten, Tüftler, Künstler, Forscher, Gründer unbekümmert um Folgen einfach ihren Intuitionen, ihrem Spieltrieb, Neugier, Schaffensdrang, innovativen Ideen nachgeben und nachgehen durften.
Als Möglichkeiten, AUCH Mensch zu sein, anders, als es die fortgeschritten-disziplinierte Industriekultur der Hochmoderne (in der man mit dem letzten Übergang angekommen ist) erfordert, also letztlich: als permanente Regressions-Wünsche suchen diese beiden ursprünglicheren Gegenentwürfe die unter dem Verantwortungs-, Komplexitäts- und Anforderungsdruck ihrer expandierten Kultur leidenden „Töchter und Söhne der Moderne“ heim; und verführen zu kleinen und grösseren Fluchten, am Feierabend, Wochenende, Urlaub, im Alter, oder auch zur plötzlichen „Neuerfindung seiner selbst“ in einer Midlife-Crisis. Nur nie zur Neu-Erfindung ihrer Professionellen-Kultur. Die bleibt unberührt.
29.
Im nostalgischen Blick zurück (der wesentlich die „unentfremdet“ kompensatorischen Bemühungen der Freizeitsphäre inspiriert, während die Bewegung zum DRITTEN STANDPUNKT hin sich vollendet) scheinen Technik, Wissenschaft, Reproduktion und ästhetische Produktion zu den Hochzeiten der Umsetzung des ZWEITEN STANDPUNKTS unmittelbar menschliche Ur-Reaktionen und -Bedürfnisse realisiert zu haben – verglichen mit den disziplinierten Anstrengungen unter dem Regime des DRITTEN STANDPUNKTS, wenn Technik nicht mehr verspielt sein darf, sondern auf Nutzen zuarbeiten muss; Wissenschaft systematisch und, aus sich selbst heraus ihre Fragestellungen entwickelnd, betrieben werden soll; Reproduktion sich nicht mehr an Bedürfnissen, Wünschen und dem Machbaren allein entlang gestalten darf, sondern immer mehr Zielkonflikte, Nebenfolgen, Alternativen, Prioritätensetzungen zu beachten hat, die jede Spontaneität, jeden Anfangsschwung in langen technokratischen Planungsphasen verbraucht und erschöpft; jeder Einfall, jede beobachtete, erlebte, erschlossene Vollkommenheit sich sofort auf ihre Verwertbarkeit fürs Publikum hin befragen lassen muss.
Aber genau diese bemühte Leistungsbereitschaft erklärt die Anthropologie des DRITTEN STANDPUNKTS zur menschlichen Grundausstattung – konfrontiert mit entsprechenden AUFGABEN (denn all diese Vorgaben lassen sich ohne den gesellschaftlichen Zusammenhang, das Produzieren für andere aus anderen Branchen, garnicht denken) – werden Menschen (ihrer Natur gemäss) garnicht anders können, als ihnen zu genügen. Dass sie in ihren wenigen Mussezeiten (wenn sie sich noch welche gestatten) den Zeiten nachtrauern, in denen die im ERSTEN STANDPUNKT noch verbundenen vier Lebensmöglichkeiten wenigstens alternativ, jede für sich, aber dafür doch noch immer, als wären sie die des ERSTEN STANDPUNKTS, ausgelebt werden konnten – man Techniker, Forscher, Planer und Geschmacksgebildeter jedweder Erlebensart sein konnte und sich dabei ohne Rücksicht der SACHE widmen und sich in ihr verlieren durfte – dies Trauern und Vermissen der vormaligen Hingabe an die Dinge ist im avancierten modernen Leben nicht vorgesehen, und wird als regressive Rückfalltendenz in überwundene Frühstadien der eigenen Entwicklung (hoch- und wehmütig zugleich) belächelt. Aber das Bedürfnis lässt sich nicht weglächeln, mit welcher Färbung auch immer: Das nämlich danach, dass das kulturelle Programm der Moderne auf Dauer nur Sinn macht, wenn das dabei (wie arbeitsteilig immer) erarbeitete Material ins Leben aller Einzelnen Eingang findet. Vom Glauben, dass ein Höheres an ihrer Stelle (dafür intensiver) für sie leben könnte, haben sich die unter modernen Vorgaben Lebenden mit der Religion verabschiedet; diese Art Arbeitsteilung verbeten sie sich, und lassen nur noch die eine zu, wo MATERIAL für mögliches Leben von allen getrennt produziert, aber dann auch an alle verteilt werden muss.
Genau dieser Begriff von Arbeitsteilung schliesst Errungenschaften der einzelnen Produzenten ein, von denen ausgeschlossen zu sein (anders würde die Teilung ja keinen Sinn machen) für den Rest keinen Nachteil darstellt: Sei es, weil diese Errungenschaften nur indifferent voneinander abweichen, ihr Fehlen in einem Leben dies Leben nicht ärmer macht; sei es, weil es sich ohnehin um blosse Mittel zu Zwecken handelt, die allerdings generalisiert werden müssen – nur, dass die Art ihrer Erarbeitung dabei ohne weiteres vergessen werden darf, sie ist nur Entbehrung und Entsagung, geachtet werden muss allenfalls darauf, dass das Mass dieser Entsagung, bei gleichem Gewinn, auf allen Leben gleich aufgeteilt wird.
Hiermit ist man schon sehr nah an die Deutung der eignen modernen Existenz herangerückt, wie sie der DRITTE STANDPUNKT entfaltet: Das Leben teilt sich in Zonen, die von NOTWENDIGKEIT bestimmt sind – Notwendigkeit nicht nur der Selbsterhaltung in einer (modern gedacht) feindseligen, von uns (noch) nicht hinreichend kontrollierten Welt; sondern auch Notwendigkeit zur Erzeugung der Mittel des Genusses, mit denen dann anschliessend, im Reich der Freiheit, geschwelgt werden darf: Wobei die Schwelgereien weniger prassend-kulinarisch ausfallen, als Sinn-komplettierend – im Sinne nämlich der Ein- und Rückholung des in den Notwendigkeits-Phasen Aufgeschobenen, Versäumten, Versagten.
Aber das ist nicht einfach individuelle Reproduktions-Bedingung und Erholungsnotwendigkeit; sondern mit dem massenhaften Gelingen (oder auch nicht) dieser Komplettierung steht und fällt die Sinnhaftigkeit auch des Notwendigen im Leben aller – DAFÜR wird schliesslich die Entsagung toleriert (zu der es, Gelingen hin oder her, freilich keine Alternative gibt, zu der man im Misserfolgsfall übergehen könnte: Zurück zu einer eigensinnig-trotzigen frühmodernen Kreativen-und Dilettanten-Existenz, die sich um mittlerweile allüberall stattgefundene Übersteigungen und Überbietungen des in individuellen Biographien Erreichbaren nicht kümmert? Zurück in eine verrückt selbst- und weltvergessene Spezialistenexistenz, die so tut, als fehle nichts zum Glück, wenn man sich an eine und nur eine Sache verliert und darüber alles andre vernachlässigt? Zurück also zu den zwar angenehmeren, weil der Erfüllung näheren, aber mittlerweile unproduktiv erscheinenden Idyllen des ERSTEN und ZWEITEN STANDPUNKTES?)
Die Lösung der Träger des DRITTEN STANDPUNKTES lautet: Die Gesellschaft, und das sind sie alle zusammen, selber, niemand sonst – sie solle und müsse sich in ihrer Einrichtung, in der Planung der Aufgabenverteilung, als GANZE um das Faktum der Zerrissenheit des Tuns der ihr Angehörigen in notwendiges einerseits und erfüllendes andererseits kümmern.
Was bislang durch die Fortschritte über die Naivität des ERSTEN STANDPUNKTS hinaus erreicht wurde, ist doch nur: Dass ein Menschenbild existiert, das behauptet, der (dem modernen Kulturprogramm) angemessene Übertrag von Materien von einer Sphäre in die passend nächste und überhaupt die ständige Mehr-Erzeugung solcher Materien seien nichts als Äusserungen allgemein-menschlicher Dispositionen; dadurch ist zwar garantiert, dass der ständige Fluss der Materien, auch derjenigen, deren die fortschreitende Mehrproduktion in anderen Sphären bedarf, ständig fortdauert – nicht anders, als es in kreativen Existenzen nach dem ERSTEN STANDPUNKT geschehen wäre, wenn diese Existenzen die Stoffmassen hätten aufnehmen können; was aber ihnen genauso unmöglich ist wie irgendeinem der an einer der unzähligen Stätten der gesellschaftlich-arbeitsteiligen Produktion eingesetzten Produzenten. Noch immer ist die Frage völlig offen, wie die wachsende Masse an Ergebnissen der einander Anforderungen und Eingangsmaterien liefernden Produktionen ins Leben der Produzenten hineinfinden sollen, und dort zu Sinn machenden Erweiterungen von deren Lebens-Möglichkeiten führen könnten; noch weniger ist die Frage beantwortet, wie diese Anforderung die Produktion lenken und bestimmen könnte; freilich ist ebensowenig klar, wie Teilhabe an der Produktion (in einer ihrer extrem spezialisierten Positionen) bei irgendeinem der Beteiligten definierte Wünsche oder Bedarf nach bestimmten Materien wecken könnte. Die Produzenten erfahren ihre Teilhabe-Stellung ja vor allem als Ausschluss von so gut wie allem andern, was die Gesellschaft tut, weiss, kann, anbietet, auch an Erlebbarem, Wünschbarem…
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Der ERSTE STANDPUNKT hatte den Austausch zwischen Produzenten dadurch erleichtert, dass deren Produkte allesamt dimensioniert waren nach dem Ort ihrer Entstehung: Dem kreativen Einzelleben. Dem konnten andere folgen, und Teile oder Ganze in ihr Leben aufnehmen. Die Einzelleben bewältigten aber die von ihnen in ihrer Gesamtheit erzeugten Stoffmassen nicht (erster Ausdruck ihrer Bornierung und Spezialisierung; aber auch Wegwendung von den integrierten Anforderungen einer gelungenen Lebensführung – zugunsten des Versuchs einer Bewältigung der Sachen); die Produzenten produzierten allenfalls noch so, dass andre Produzenten ihre Erzeugnisse aufgreifen und daran oder damit weiterarbeiten konnten – in endlosen Schleifen und Spiralen ohne Sinn (selbst da, wo etwa ästhetische Erlebnisse herangezogen wurden, um Alltage anderer Wertsphären zu komplettieren und aushaltbar zu machen). Darüber lagerte sich, nicht anders als zuvor, die Ebene der „eigentlichen“ Leben, die freilich von allem Wesentlichen, das in der Produktion stattfand, ausgeschlossen war.
Nur, dass in ihr Erfüllung stattfinden sollte, von ihr aus letztlich Sinnhaftigkeit und Zweckmässigkeit alles andern definiert werden sollten. Dass man von dieser auf mickrige Kompensationen und illusionäre Utopien reduzierten Sinnquelle nichts gesagt bekam, machte sich erst einmal nicht bemerkbar, denn die Produzenten unter dem ZWEITEN STANDPUNKT konnten sich noch lange einreden, dass sie ja im Kampf mit Widrigkeiten standen, die bei egal welchen Fortsetzungen erst einmal zu erledigen waren. Aber der Kampf war dann immer erfolgreicher, und sollte doch immer weitergehen; die Leere der Zielstruktur (und das ewige Verschieben der Belohnung für all das Kämpfen von einem Leben ins nächstfolgende) und die Nichtigkeit dieser freien Zeit, die mit nichts wirklich Sinnvollen zu füllen war, machten sich quälend bemerkbar.
Die Gesellschaft verordnet sich nun also selbst, ihre Produktion auf diese Sinnebene auszurichten; aber dieser Entschluss, nur weil er ein Bedürfnis anerkennt, schafft sich noch keinen Inhalt. Was fehlt euch denn? möchte man fragen; aber das können die erschöpften Produzenten nach getaner Arbeit eben nicht auch noch sagen. Mancherlei fiele ihnen vielleicht ein, das sie im Lauf ihres Lebens gestreift haben, dies würden sie gern vertiefen, jenem nachgehen; all diese liegengebliebenen Projekte – blasse Abbilder eines im modernen Sinne „erfüllten“ Lebens, das vor Vielfalt, Originalität, Produktivität in allen erdenklichen Hinsichten strotzen sollte. Es gibt kein Programm, das sich die versammelten Produzenten verordnen könnten; ihre hoch effiziente Arbeitsteilung und Kooperation versagt, wenn es um die Produktion von Sinn und Erfüllung und nicht nur um notwendige Voraussetzungen dafür geht. Also wenden sie ihre Ratlosigkeit ins Positive: Niemandem werden hier Vorschriften gemacht, die bornierenden Zwänge (mit ihnen die Gemeinsamkeit) sollen an der Grenze zu dieser neuen Sphäre enden. Es ist die Sphäre der FREIHEIT, freien Tätigkeit, rein negativ formuliert durch ihren Gegensatz zu jener anderen Sphäre der Notwendigkeit, aus der sie herauswollen. Als „freie“ werden die Produzenten die in der Produktion zirkulierenden oder auch liegengebliebenen Materien nach eignem Gutdünken aufgreifen und nun ganz für SICH nutzen; der Sinn des Abbaus von Notwendigkeit besteht darin, dieser abstrakten Wahl-Freiheit und freien Zeit (disposable time) wachsenden Raum zu schaffen, und den willkürlich gewählten Aktivitäten darin Material zu ihrer Entfaltung – Möglichkeiten, Chancen der „Selbstverwirklichung“. Aber welches neue und ganz andere Selbst könnten sie denn am Ende sein und verwirklichen wollen? Andere als die bislang durch Notwendigkeiten und immer anspruchsvollere Produktionsziele zurückgedrängten Lebensmöglichkeiten des ERSTEN und ZWEITEN STANDPUNKTS haben sie doch nicht. Die Bebilderung dessen, was in der abstrakten Freiheit möglich sein soll, nimmt aus diesen abgelegten Lebensweisen ihr Material.
Die freie Zeit dient zu nichts anderem, als in EINEM Leben nachzuarbeiten, was die gesellschaftliche Produktion an Lebensmöglichkeiten (Anschluss- und Fortsetzungsmöglichkeiten; Vereinseitigungs-, Perfektionierungs-, Intensivierungs-Möglichkeiten) geschaffen hat. Es ist der Versuch, mit den Einstellungen, die ERSTER und ZWEITER STANDPUNKT als menschengerecht und menschen-befriedigend vorstellten, sich zur Produktion und ihren Materiemassen zu verhalten, die der DRITTE STANDPUNKT ermöglicht. Was sonst sollten sie denn unter modernen Vorgaben mit ihrer freien Zeit anfangen?
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Tatsächlich spricht sich in diesem abstrakten Projekt einer endlich erfüllten und füllbaren Lebenszeit nur die massive Kritik an der eignen erzwungenen Lebenseinrichtung aus; aber ohne Einsicht. Diese Kritik besagt soviel: Man kommt dem, was auf gesellschaftlicher Stufenleiter geschieht, nicht hinterher, kann nicht nachvollziehen (und hat keine Mittel in der Hand, um im vorhinein zu entscheiden), wo Tätigkeiten und Wissenserwerbe indifferent sind, ebenso gut wie andere, oder aber einen Unterschied machen. Womöglich wäre die disposable time dafür gut, dem einmal nachzugehen. Aber damit stünden die MOD Produzenten einmal mehr, nur diesmal vor noch einmal um Grössenordnungen gewachsenen Materie-Haufen, die sie durch ihre Arbeit an Notwendigkeiten und gegen Widrigkeiten erschaffen haben, und müssen sich fragen: Wie kommt das alles in unser Leben hinein? Und diese Leben starten ja nicht jedes im Nullzustand; ihre Interessen, ihre Material-Bedürfnisse gehen doch darum so sehr auseinander, weil sie alle längst als Produzenten gelebt haben und sich darauf einrichten mussten, bevor die erste Minute freier Zeit anbricht; die Frage lautet also eher: Wie lässt sich all das an unser ohnehin schon (wenn auch bei jedem anders) gefülltes und übervolles, wenn auch nicht erfülltes Leben anschliessen? Wie soll es aus einem – mit wieviel disposable time auch immer zu streckenden und verlängernden – an blossen (Produktions)Notwendigkeiten orientierten Produzentenleben heraus weitergehen?
Was sollen und wollen sie bloss in ihrer disposable time tun, das über die Erfahrungswelt eines Produzentenlebens hinausginge?
Denn: Da ist doch nichts, das sie an Stoff ergreifen könnten, das nicht bereits das Leben anderer, seiner eigentlichen Produzenten, durchlaufen hätte: als Wissen, Technik, Berufstätigkeit, ästhetisches Erleben.
Soweit dieser Stoff unter Notwendigkeitsgesichtspunkten an andere gelangt (und das tut er sogar, der Anthropologie des DRITTEN STANDPUNKTs zufolge, als Ausdruck eines allgemein menschlichen Antriebs), geschieht ja dieses aufgreifend, abnehmend, konsumierende Hinzutun zum Eigenen schon längst an hunderttausend Nahtstellen: ästhetische Erlebnisse gelangen ins Leben von allen; und so Lebensmittel ins Leben von allen; Techniken und Verfahren werden bereitgestellt, weitergegeben an solche und beigebracht solchen, die sie benötigen; Wissen gespeichert und verfügbar gemacht für oder verbreitet an alle, die Interesse haben, aus welchen Gründen auch immer.
Die Erst-Nutzer, Erfinder, Finder, oder sich in einer Materie und mit ihr Aufhaltenden haben daran freilich so wenig Befriedigung, dass sie ständig über die Grenzen ihrer Tätigkeit hinausschauen; warum wollen sie denn disposable time?
Aber was finden sie, andererseits vor, das je eine andere Rolle gespielt hat als diese: Materie, neue oder routiniert eingesetzte, im Leben eines Produzenten (Nutzers, Erfinders, Finders, Schöpfers) gewesen zu sein? Und zwar jemandes, der dabei ständig bereits an Verwertbarkeit durch andere zu denken hatte, und in seiner Produzententätigkeit damit unter Druck gesetzt war – Beschleunigungsdruck vor allem. Die Beschleunigung, der er dabei versuchte gerecht zu werden – beschleunigte Beantwortung der Frage: Wie kann dies den durch Arbeitsteilung von mir und meinem Produkt Getrennten zugänglich und verfügbar gemacht werden? – nimmt in einem winzigen Ausschnitt der gesellschaftlichen Tätigkeit vorweg, womit, aber dann als Einzelpersonen, die in ihrer freien Sphäre demselben Stoff als GANZEM Gegenübertretenden sich zu stellen haben, aber nur, um daran zu verzweifeln: Wie mache ich mir all diesen Stoff zugänglich und verfügbar? Wie kommt er in mein Leben hinein? Die Antwort ist klar: Im Leben nicht; ein Leben reicht sowenig wie zehn oder hundert, tausend, um nachzuleben, was hunderte von Millionen Produzenten getan, erlebt, erfahren, erfunden haben.
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Nur: Wozu auch sollte man das?
Denn man könnte, erstens, natürlich zunächst einmal ein riesiges Kontingent dieser Lebensmöglichkeits-Massen für schlicht INDIFFERENT erklären – anders, aber nicht besser, blosse Varianten, zusammen sehr zweckdienlich, ohne dass Übernahme von Stoff aus einem andern Leben ins eigne irgendeinen Zugewinnn darstellte.
Man könnte, zweitens, darauf verweisen, dass vieles in diesen Leben selbst tun zu müssen und ebenfalls durchzumachen, nichts weniger als Gewinn sondern eher VERLUST an Lebensqualität darstellte, Nicht-Teilhabe an diesen Existenz-Möglichkeiten also eher ein Vorteil sei; man wird dann allenfalls auf gleiche und gerechte Verteilung dieser Lebens-Belastungen auf alle drängen.
Schliesslich könnte man, drittens, von einem grossen Teil dieser Belastungen auf den ersten Blick sagen: sie seien doch gar NICHT ZWECKDIENLICH (und in diesem Sinn nicht notwendig) – nicht jedenfalls für die Art Fortschritt, die man selbst für sich und seinesgleichen, oder die gesamte Produzentengesellschaft als ganze befürworten würde.
Ein letzter Teil könnte, viertens, als BEDINGT ZWECKDIENLICH oder nützlich angesehen werden – nützlich für (die dadurch beschleunigte, sicherere, oder allererst mögliche) Entwicklung, das Da- und Sosein derjenigen Materien, die der hier Stellung nehmende Einzelne glaubt für seinen Lebensentwurf (oder die derer, für die er mit-sorgen möchte) benötigt.
Hier tun sich also einige Entscheidungslinien auf, die, sobald Produzenten an ihnen entlang auf verschiedene Seiten treten, zu ebensovielen Konfliktlinien und Fronten ihres Streites um Prioritätensetzungen werden (und das fast immer so, dass zusätzlicher Reichtum und Mittel den Streit eher verschärft, weil sie auf BEIDEN Seiten der Konfliktlinie die (sich ausschliessenden) Optionen vermehrt.)
Die vier genannten Wert-Kategorien, mit denen solche Konflikte an beliebigen Stellen der gesellschaftlichen Produktion ausgetragen werden können, zerfallen, dann in zwei grosse Abteilungen (über die gestritten werden kann), das FÜR ALLE NOTWENDIGE, und das NUR AUF BESTIMMTE ZWECKE BEZOGEN NOTWENDIGE. In der ersten Abteilung kann man verschiedener Meinung sein darüber, wieviel Opfer für die allgemeine Sicherheit und Risikominderung für gleich welche Zwecke erforderlich sind; dann aber auch, ob diese Opfer tatsächlich gleich verteilt sind, sodass tatsächlich allgemeine und für jeden nachvollziehbare Indifferenz der Stelle, wo man entsagt, auch eintritt. Genau diese beiden Streitdimensionen, wieviel und welches Nicht-Indifferentes ist für Umsetzung des Zwecks der Beteiligten (in welcher Geschwindigkeit) notwendig, muss keiner am Ende mehr dazu beitragen oder opfern als andre, tauchen auch in den Debatten ums Zweckdienliche der unter einem gemeinsamen Zweck Zusammenarbeitenden auf. Das sind ihre Binnenstreitigkeiten, dazu kommt der Streit mit allen andern um Fremdleistungen und fremde Zugriffe auf knappe Produktions-Kapazitäten (durch Leistung und Kapazitäts-Nutzung vermehrbare wie nicht vermehrbare) – der VERGLEICH der Belastung und damit Kompensationsbedürftigkeit durch Entsagung-für-Andre (immer gedacht im Rahmen der eigenen Pläne) wird hier immer prekärer, um nicht zu sagen: begrifflich bodenlos (und damit kaum noch rational austragbar): Hier sollen nämlich nicht nur Dimensionen der Aufopferung selbst (wieviel ist weg von einer Kapazität, wieviel Leistung wird erbracht) „gemessen“ werden für Vergleichszwecke (die Ent-Quantifizierung der Vergleichs-Güter durch ihre Gestaltung als Prioritätenliste ändert daran nicht viel) – sondern ein abstraktes Mass der Gleich-Lohnendheit eines Opfers für verschiedenste Zwecke.
Diese auf rationalen Grundlagen kaum lösbare Frage handeln sich die arbeitsteilig verbundenen Produzenten nicht durch eine entbehrliche Gerechtigkeitsobsession ein; sondern dadurch, dass im DRITTEN STANDPUNKT ihre ZWECKE (die leider nicht dieselben sind) in die unendlich sich verschlingende Kette der (Re)Produktions-Stationen eingeschaltet werden und für eine neue Sorte möglicher VERZWEIGUNGEN dieser Linien sorgen, zwischen denen nicht mehr mit den Anforderungen der diversen überhaupt anschliessbaren nächsten Produktionsinstanz nach reinen Effizienzkriterien entschieden werden kann.
Anm1. Diese Denkweise gehört vielmehr dem ZWEITEN STANDPUNKT an, der freilich allein schon auf der Ebene der Anthropologie über sich hinausgetrieben wurde, insofern als die Übernahme von Verantwortung für das Gelingen des Zusammenschlusses mit den Abnehmern des eignen Produkts hier mit zur anthropologischen Konstante und dauerhaft wirksamen Motiv erklärt werden musste; dass Wissenschaft dauerhaftes Bedürfnis wird, sodass sie systematisch betrieben werden kann, dass Technik auf verwertbare Problemlösungen zuzuarbeiten hat (und in diesem Sinn nicht nur systematisch Anwendungen häufen darf), dass (Re)Produktion sich nicht am Vorhandenen (und daraus entspringenden Bedürfnissen) orientieren darf, sondern mit Blick aufs Ganze und die je neu hinzukommenden Optionen zu planen ist), dass ästhetisches Erleben der Produzenten nur als Rohstoff für ihre Aufbereitung dient, die sie einem (als Gruppe mit (in Gattungs- und Genre-Merkmalen gerinnenden) Rezeptions-Anforderungen charakterisierbaren) Publikum aus Rezipienten zugänglich macht – all dies war erzwungen dadurch, dass die (dem modernen Kulturprogramm entsprechenden) Empfänger der Leistungen einer Sphäre sich nicht soweit Kenntnis der Produktion in dieser Sphäre mehr verschaffen konnten, dass von ihnen erwartet werden durfte, dass sie aus dem Produkthaufen der Sphäre (sofern er überhaupt „öffentlich“ (eine wichtige Voraussetzung der Moderne) zugänglich wäre) sich das von ihnen Benötigte von alleine heraussuchen würden. Die Produktion-FÜR die Empfänger muss somit, sofern man die Eignung von Menschen für diese Produktionsweise (oder besser andersherum, die Abweisung der Kritik, dass moderne Produktions- und Lebensformen für Menschen auf Dauer unerträglich sind) behaupten will, ins anthropologische Grundprogramm aufgenommen werden; dieser Schritt in der anthropologischen Konstruktion oder dem Selbstverständnis modernen Menschen (ihremSelbstverständnis) muss notwendig auf dem Weg vom ZWEITEN zum DRITTEN STANDPUNKT absolviert sein, als Voraussetzung alles weiteren; er ist aber nicht mehr als ein notwendiges Element, hinreichend zur Erzeugung einer wirklichen Neu-Bestimmung der gesellschaftlichen Lebensform als einer, in der alle vorkommenden und möglichen Lebensentwürfe Einzelner ihren Platz haben, sind erst Bestimmungen in einer Dimension, die ausserhalb der Anthropologie liegen, und die hier erstmals überhaupt mit bestimmten Ausprägungen in Erscheinung tritt. Es sind erstmals Bestimmungen über die Lebensform im engeren Sinn, in denen sie nicht nur als Wirkung einer ganz von selbst stattfindenen Selbstsortierung, Selbstverteilung und Selbstzurichtung anthropologisch ursprünglich gleicher Individuen (Lebensentwürfe) für Zwecke verschiedener Produktions-Sphären erklärt wird, sondern eigenen Anforderungen zu genügen hat, um die sich die vereinigten Produzenten, von gleich welcher Stelle im Gefüge des Gesamtprozesses sie operieren, zu kümmern haben.
Anm.2 Vielleicht sollte noch drauf hingewiesen werden, dass von der (wie umstritten auch immer sie sein mag) „Notwendigkeit-für-alle“ bis hin zur „Notwendigkeit-ausschliesslich-für-diese“ ein breites Spektrum an abgeschwächter „Befürwortung“ von Massnahmen existiert, wo Produzenten die von andern als für IHR Leben erstrangig wichtigen Ziele teilen, aber eben mit anderer Priorität. Das gilt dann natürlich auch zum Beispiel für Sicherheits- und Risikominimierung, die garnicht auf Einzelne allein bezogen sein braucht, um schrille Prioritätenkonflikte auszulösen: Etwas, das „uns allen“ zugute kommt, kann bekanntlich dem Einzelnen in ganz unterschiedlichem Ausmass wichtig sein.
33.
Es war die Sinnlosigkeit eines arbeitsteiligen Produktionsgetriebes und seines Wachstums, in dem Produkte zwar ihre je nächste Abnahmestationen hatten (wenn es gut ging), FÜR die sie gut waren; aber kein einziger beteiligter Produzent noch die Bezogenheit dieser ewig sich in sich selber weiterschiebenden und entlang aus ihr selbst sich ergebender Fortschrittsperspektiven wachsenden Produktionsspirale auf seinen Lebensentwurf erkennen konnte – ausser in der Hinsicht, dass darin, wenn überhaupt, AUCH das Seine irgendwie mit abfiel, das er an seiner Arbeitsstätte, sei es (oft genug nur mit kompensatorischen Effekten) in seiner Freizeit, im Sinne seines Lebensentwurfs verwerten konnte.
Auf diese Kritik am ZWEITEN STANDPUNKT antwortet die moderne Lebensform, indem sie sich das Programm des DRITTEN STANDPUNKTES verordnet: Produktion mit ihren NOTWENDIGKEITEN muss auf die jenseits dieser Notwendigkeiten beschlossenen ZWECKE (und Prioritäten) der Produzenten für diese nachvollziehbar bezogen bleiben. Diese gute Absicht ist freilich bodenlos; denn was die Produzenten für Lebensentwürfe haben (die immer noch, mit Modifikationen, dem Ideal des ERSTEN STANDPUNKTES folgen: dass die Masse der Erzeugnisse im Sinne des gemeisnchaftlich betriebenen modernen Kulturprojekts ins Leben jedes Einzelnen Einzug halten sollen und auch können), und was für Prioritäten sie sich darin setzen, hängt ja unmittelbar von ihrer Stellung auf der notwendigen Seite der Produktion, und daneben (wie zuvor schon) Zufällen ihres Bildungsgangs in Vorbereitung auf diese Stellung bzw. in ihrer Freizeit ab.
Mit anderen Worten, jeder korrigierende Eingriff auf der (wofür immer) „notwendigen“ Seite der gesellschaftlichen Produktion ändert die Position einiger darin, und macht neue Eingriffe erforderlich. Die Hoffnung besteht dann nur darin, dass die Sekundär-Folgen solcher Eingriffe irgendwann abklingen. Aber eine Gesellschaft, die ihre grundlegendsten Zielsetzungen und Lern- und Versuchsprogramme gewissermassen von einem Moment zum nächsten ändern kann oder sogar muss, wenn sie ihrem wachsenden Wissensstand hinterher-entscheiden und -gestalten möchte: die darf mit einem solchen Abklingen und Sich-Abschleifen von Gegensätzen nicht rechnen. Sie könnte sich vornehmen, die möglichen Effekte von Umgestaltungen der Produktion für immerhin „das grösste Glück der grössten Zahl“ auch in ihren Sekundär-, Tertiär- usw Auswirkungen zu berechnen; oder für mögliche Neuerungen mögliche Strategien paratzuhaben. Aber die Planungskapazitäten für solche Fälle sind schnell erschöpft; und das blosse ZUFRIEDENSTELLEN von hinlänglich vielen Produzenten, derart dass sie das Weiter-Mitmachen an der für sie vorgesehenen Stelle hinlänglich lohnend finden, erinnert zu sehr an einen Rückfall in die Denkweise des ZWEITEN STANDPUNKTES, wo „Zufriedenheit“ des Produzenten nichts war als eine spezielle Anforderung eines Elements der Produktion an dieser Stelle der Gesamtproduktion, die sicherzustellen war, damit die unendlich sich vorwärtsschraubende Bewegung der Geamtproduktion an dieser Stelle nicht hängenblieb; mit dem Effekt, dass Teilnahme an der Produktion und vor allem ihrem Wachstum immer mehr Produzenten sinnlos erscheinen musste im Lichte ihrer eigenen Vorstellung von dem, was sie im Leben erreichen wollten und mit welchen Ausschlüssen sie sich „notgedrungen“ abfinden wollten.
Nun soll also Produktion auf diese ihre Bezogenheit auf Produzentenzwecke hin ständig überprüft werden; wenn auf die irgendwelcher Einzelner, dann natürlich die aller. Aber schon die eben angeführte Instabilität der momentanen Präferenzen und die allfälligen Rückwirkungen jeder Änderung zugunsten von Präferenzen auf diese Präferenzen selbst sind nicht bewältigbar. Die unauflöslichen Schwierigkeiten dieses STANDPUNKTES beginnen freilich noch früher, wie im vorigen Abs. bereits angedeutet, nämlich da, wo im Ernst qualitativ unterschiedene Zwecke und produktive Fortschritte (auch Produktivitätserhöhungen, Risikominderungen) im Lichte dieser Zwecke miteinander verglichen werden sollen. – Was soll das Mass der Vergleichbarkeit sein? Woher sollen die Motive kommen, dem Andern hier Konzessionen zu machen? Umgekehrt: Woher rührt denn das unnachgiebige Beharren auf diesen Zwecken, und gerade DIESER Präferenz? Alle denkbaren Zwecke, denen sich moderne Individuen verschreiben könnten, sind doch nur Auswahlen aus den möglichen Lebensentwürfen, die aus dem modernen Kulturprojekt heraus, bei einem bestimmten Stand seiner gesellschaftlich-arbeitsteiligen Umsetzung (Wissen, Technik, Produktion, Genuss- und Erlebensmöglichkeiten), gewählt ud zusammengestellt werden können. Hier gilt doch grundsätzliche Indifferenz aus PRINZIP: Den besseren Entwurf gibt es da nicht, höchstens den reicheren als einen andern; aber ein qualitativer Widerspruch ist das nicht.
Ein indifferent Notwendiges (wie das end- und sinnlos wachsende Produktionsgetriebe, das der ZWEITE STANDPUNKT zur Folge hatte) tritt also einem nicht wirklich notwendigen Differenten (Willkürlichen) gegenüber. Beide sind ungefähr gleich schlecht.
Solche zwei aufeinander zu beziehen, im Bewusstsein, dass sie so sind, wie sie sind, macht keinen Sinn. Der einzige Schein von Notwendigkeit, der hier hereinkommt, ist die zufällige Stellung eines Produzenten in der Produktion, das Wissen, die Kompensationsbedürfnisse und Ausschlüsse, mit denen sich diese Stellung verbindet; als zweites waren oben Zufälle seines Bildungsganges genannt. Gewiss könnte er daraus etwas machen, aber warum soll er sich darauf versteifen? Wenn er aber nicht darauf beharrt – welches Interesse soll er dann verfolgen, welche Lebensentwurf unter den möglichen wählen? Es gibt schlechterdings auf den Grundlagen des DRITTEN STANDPUNKTS keinen Grund. Und damit keine wirklichen Vorgaben für die (an sich auf diesem STANDPUNKT für notwendig angesehene) nähere Bestimmung der Gesamtproduktion, damit ihre Einrichtung bei gegebnen Möglichkeiten, Wissen usw und ihr Wachstum (Fortschritt) einen Sinn erhält.
34.
Eine etwas trockene Angelegenheit, aber vielleicht notwendig ist die folgende Bemerkung im Anschluss an das Gesagte.
Der Übergang im Selbstverständnis, mit dem Träger des ZWEITEN STANDPUNKTES auf die immer noch weiter wachsende Vielfalt und Unübersichtlichkeit der Materien in jeder der vier Sphären reagierten, indem sie das im modernen Programm vorgesehene Zuarbeiten entlang der Verbindungslinien zwischen den Sphären zum Inhalt eines entsprechenden Motivs auf seiten der „Zuarbeits-Verpflichteten“ machten, hat hinsichtlich des allgemeinen Musters, dem diese Selbstcharakterisierungen als „Mensch im allgemeinen“, der als solcher AUCH den speziellen Anforderungen jeder der Sphären genügen kann, nichts geändert. Dies Muster war das eines vierfachen VERHÄLTNISSES zwischen Gruppen von (exhaustiv einer der Gruppen zuzuordnenden) möglichen Gegenständen der Aufmerksamkeit für diesen Menschen-im-allgemeinen, und inneren Dispositionen, sich dazu oder angesichts ihrer zu verhalten.
Schon im ersten Kap. war es angedeutet worden: Beim Übergang zum DRITTEN STANDPUNKT fällt die Aufteilung aller denkbaren Motive nach den Kriterien aussen-determiniert/nicht-aussen-determiniert nach Da- und Sosein in sich zusammen, weil in der neuen Anthropologie alle Motive sowohl innen- als auch aussen-bezogen sind, und das in ihrem Da-wie Sosein. Allerdings ergibt sich durch die Zusammenstellung etwas, wodurch die neue Anthropologie dem neuen Dualismus von Notwendigkeit und Freiheit, in dem die Gesamtproduktion sich organisiert, entgegenarbeitet: Denn auch, wenn jedes Motiv einen Innen-wie Aussenbezug hat, so sagt das doch nichts über die Art dieses Bezugs; einmal ist es ein Eingeschränkt-werden und Sich-Fügen-müssen: den Bedürfnissen, den beschränkten Möglichkeiten (Risiken und Chancen); ein andres Mal aber ein Etwas-kreativ-darauf-Machen und sich souverän über Beschränkungen und Einschränkungen hinausarbeiten.
Letzeres assoziiert sich mit Technik und Ästhetik; ersteres mit Wissenschaft und Reproduktionsalltag.
Aber freies und befreiendes Tun, in diesem Sinn, ebenso wie beschränktes ist in BEIDEN Sphären anzutreffen: Der notwendigen, gesellschaftlich-arbeitsteilig zum Gewinn aller Einzel-Leben betriebenen; und der privaten (oder in kleinen Gruppen stattfindenden) wahrhaft eigenen und freien Aktivität.
Das WIRKLICH kreative, befreiende Tun ebenso wie das aus (von einem selbst so eingeschätzten) Beschränkungen resultierende findet in BEIDEN Sphären statt.
Technik und Ästhetik, „nur“ als Elemente eines endlos und sinnlos, ohne Bezug aufs Eigene sich vorwärtsschraubenden Produktionsprozesses, wo alle Produkte in Produktion und Reproduktion anderer verschwinden, sind immer noch kreativ und befreiend; wenn sie dennoch als sinnlos wirkend empfunden werden (so wird in der Kritik am Produktionsprozess ausgesprochen, wie er aus dem ZWEITEN STANDPUNKT heraus betrieben wird), dann doch nur darum, weil hier auf die WIRKLICIH notwendigen und beschränkenden Lebensumstände aller (Bedürfnis-Zwänge, Aussen-Zwänge) nicht in der Weise reagiert wird, wie der Einzelne es befürworten würde. Darum auch die Unersättlichkeit der Forderungen aus der Eigen- und Privatsphäre: Am liebsten würde sich der Einzelne der GESAMTEN Produktion bemächtigen und ihr seinen Willen aufprägen, heisst nichts andres als: er würde gern mit allen im Konsens das produzieren und entwickeln, was er selbst befürwortet. Zumindest da, wo er ihnen widerspricht, und ihm die anderen Prioritäten der Andern als NOTWENDIGKEIT entgegentreten (darum, weil auf die WIRKLICHEN Notwendigkeiten für alle, so wie ER sie einschätzt, nicht so WIRKLICH befreiend-kreativ (Technik-entwickelnd, ästhetisches Erleben erschliessend) geantwortet wird, wie er sich das wünscht. Also Produktion aus SEINER Sicht suboptimal geplant ist. – Und was wäre dann das Optimum? Das absolut Notwendige und nur es gleich verteilt von allen getan; das Zweckmässig-Notwendige ebenso; speziell das zur Reduktion des behindernd-Notwendigen Nötige strategisch optimal plaziert. Mit andern Worten: Die Gesellschaft tut, und es geschieht, was er befürwortet; es gibt nichts auszusetzen, er will nichts anders machen (oder nichts, worauf er vernünftigerweise aus seiner Warte beharren muss).
Aber so denken ja alle, die nicht einverstanden sind mit dem tatsächlichen Produzieren im Rahmen des modernen Kulturprogramms, bei bestehendem Wissen und Gewissen; die Kategorien, in denen sie Änderungen denken, sind dieselben.
Das absolut Notwendige ist zuviel oder zuwenig; die Kosten dafür sind ungleich verteilt; das Zweckmässige wird nicht getan oder nicht genug dafür (also insgesamt zu wenig, wenn dabei das fürs absolut Nötige zu Tuende schon feststeht), oder von manchen zu wenig, Fortschrittschancen (Chancen zur Risiko-Minimierung) werden nicht optimal genutzt.
Was ist das? Ein Fortschrittspfad, den alle teilen können, weil es der von ihnen befürwortbare Weg heraus aus den Beschränkungen ist, unter denen ALLE in gleicher Weise leiden. In gleicher Weise? Ja; denn die Beschränkungen sind, abstrakt, definiert als die Beschränkungen, die jeden Einzelnen, das heisst: Lebensentwurf, den Zugang zu dem in seiner Zeit verfügbaren Lebens-Optimum verstellen. Nur Beschränkungen aber individuieren; im Mass, wie an ihrer Aufhebung gearbeitet wird (und das bestmöglich), verschwindet dann auch die Individuierung: Die Einzelnen, die einzelnen Lebensentwürfe, arbeiten aufeinander zu; sie arbeiten alle in gleicher Weise dafür, dass ALLE GLEICH REICH WERDEN STATT GLEICH ARM ZU BLEIBEN. Das ist die libertär-kommunistische Gleichheit.
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Aber der zentrale Anlass zum Streit und dem massiv dadurch noch vergrösserten ANSCHEIN, durch Dienst an fremden Fortschrittsoptionen im eignen gemindert zu werden, ist doch: Dass der Lebensentwurf aller sich ständig zerlegt in eine Portion entfremdetes, entsagendes Tun des Notwendigen, und eine, worin man sich dieser Not bereits entledigt hat und das Eigentliche und Eigene tut – so, wie es ganz am Anfang, unter dem ERSTEN STANDPUNKT, ganz zwanglos den Lebensentwurf aller modern Lebenden ausmachte. Es wurde dann, weiter, behauptet, dass auch die Spezialisten-Exzellenz ein zentrales menschliches Bedürfnis ist, so unter dem ZWEITEN STANDPUNKT; schliesslich aber auch die für Schliessung der Produktionskreisläufe durch alle vier Abteilungen nötige Arbeit als Spezialist auf andere zu; womit sukzessive drei verschiedene Bedürfnis-Gruppen zusammenkamen, die die Conditio humana bestimmen sollten, und die zugleich drei völlig verschiedene Werte-Orientierungen und Freiheiten des Lebensentwurfs unter dem immer gleichen modernen Kulturprogramm zur Auswahl anboten, angesichts der Materialfülle, die es auf all seinen Hauptkulturdomänen entstehen liess: Orientiertheiten von Lebensentwürfen, die sich zugleich widersprachen.
Denn man konnte auf Ausgewogenheit achten, und auf allen Felder zugleich präsent sein, ja sogar sie verbunden denken im Sinne des modernen Kulturprogramms; aber dann nur um den Preis einer fürchterlichen Bornierung und Sich-Abschliessen-Müssens gegen die unendliche Vielzahl an Lebensmöglichkeiten (auch im Sinne dieser Entwurfsrichtung), die aus der mittlerweile eingetretenen Materialfülle hervorgehen. Der Konflikt zwischen Integration aller vier Domänen und dem Mitwachsen-Sollen des Lebensentwurfs mit der Expansion verfügbarer Materien war so nicht bewältigt (indem man trotzig auf eine Seite, die der Integration, trat, und die Fülle vernachlässigte). Aber ebensowenig, indem man dem anthropologisch in einem angelegten Spezialisten-Drang nachgab, und sein Leben mit EINER Interessenrichtung hinbrachte, die einem von allem andern, unter dem modernen Kulturideal (das doch eines der Lebensführung, des Lebensentwurfs sein wollte und sein musste! wegen der Anwendbarkeit der 6 Prinzipien, daran wird noch anzuknüpfen sein) für lebenswert Erklärten, ausschloss; die Integration wurde dann in den verbliebenen Freizeit-Anteil gequetscht, den sich die Spezialisten auf Kosten ihrer vereinseitigenden Expansion noch gestatteten. Der Widerspruch war hier ins Leben und den Lebensentwurf selbst eingebaut, und unlösbar, ganz gleich, wie man sich zwischen den beiden Lebens-Möglichkeiten entschied. Indem der Spezialist seine eigene Exzellenz aufgab zugunsten einer Orientierung (in Form der mit hineingenommenen Rücksicht auf Übertragbarkeit seiner Materien auf die Nachbarsphäre, wie jetzt oft genug aufgezählt) auf gesellschaftliche Lösungen seines Problems (und sein Selbstverständnis als Mensch ebenso wie das aller andern entsprechend berichtigte), wurde es mit dieser Hoffnung auf die Arbeit der Gesellschaft als ganze verschoben. Aber spätestens unter der auch nur hypothetischen Unterstellung einer absoluten Konsensfähigkeit (alle sind sich einig als wären sie EINE Person), spätestens unter der hypothetsichen Unterstellung einer perfekten Gleichverteilung aller Belastungen im Rahmen dieses Konsens, bleibt die Frage: Wieviel Notwendigkeit (im Sinn des absolut- und bedingt-Notwendigen), wieviel Freiheit im Sinne einer wenn auch beschränkten „Erfüllung schon jetzt“ soll sich die Gesellschaft leisten? Der Widerspruch ist auf Basis des DRITTEN STANDPUNKTS nicht einmal unter idealen Voraussetzungen zu lösen; denn er ist in jedem der beteiligten Lebensentwürfe ungelöst.
Die Frage, was der mit seinen Notwendigkeiten, sei es im persönlichen Entwurf (der nicht allgemein konsensfähig ist), sei es in einer im Konsens mit allen eingenommenen arbeitsteiligen „Planstelle“, hadernde Spezialist eigentlich will – was hat oder hätte er sich im Reich der Freiheit voraus, das er im Reich der Notwendigkeit nicht hat? Was seit dem ZWEITEN STANDPUNKT immer wieder, in der „FREIzeit“-Zone des privaten Lebensentwurfs, der Teilhabe am sinnlosen Produktionsgeschiebe und -wachstum aufgelagert war und ihm wenigstens individuellen Sinn geben sollte, war ein Fragment des ERSTEN STANDPUNKTS. Als Ideal war er ja nie abgelöst worden, nur unrealisierbar. In Wahrheit rückte er, als Extrempol, in einem Werte-KONFLIKT auf eine Seite, der das gesamte moderne Kulturprogramm als Sinn machendes infragestellt, nämlich dem Konflikt zwischen Integration der vier Wertsphären und (Material- (vor allem, als Ausgangspunkt: Wissens-)) Wachstum in EINEM Leben. Gesellschaftlich, im gemeinsam erarbeiteten und verwalteten Bereich der überhaupt verfügbaren LebensMÖGLICHKEITEN, ist dieser Konflikt gelöst; dort spielt sich modernes Wachstum ab. Im Privaten, im Lebensentwurf hingegen sind Zuwächse, also Teilhabe an diesem Wachstum, schnell an ihre physischen Grenzen gestossen. Nur opferreiche Produktivitätssteigerungen, die „Freizeit“-Räume schaffen zum Nachholen des in der produktiven Hauptphase Versäumten, und (letztlich ihrerseits bald an physische Grenzen stossende) Versuche, durch Intensität und Verdichtung (also auf ihre Weise: Produktivitätssteigerungen des Erlebens) freie Zeit mit „mehr“ Material zu füllen, sorgen hier auf teils widersprüchliche, teils schnell sich (und die davon Betroffenen) erschöpfende Weise kaum für Fortschritt.
Es bleibt dabei: Da, wo die Angehörigen dieser Notwendigkeitsgesellschaft sich aktuell produktiv verhalten, fehlt ihnen etwas Entscheidendes; da, wo sie versuchen, dies Fehlende in ihr Leben hereinzuholen, fehlt ihnen das wesentlichste Merkmal ihres gemeinschaftlichen (wenn auch nicht unbedingt individuellen) Produzierens: effiziente Teilhabe am Wachstum und Reichtum ALLER Materien (und der Vielfalt an Stellungen, die zu ihnen einzunehmen aus moderner Sicht das Einzelleben reiz- und sinnvoll macht). Es gibt kaum eine Freizeit-Beschäftigung, deren Inhalte, Effekte oder Resultate nicht auf der Stelle um Grössenordnungen durch das überboten werden, was die „Professionellen“ der jeweiligen Sphäre können und kennen; die Freizeit-Sportler, -Spieler, -Musiker, die Freizeit-Historiker, -Gärtner, -Handwerker und -Umweltschützer, die Hobby-Bastler und -Tüftler, die Allgemein- und Spezialgebildeten und sich für ein Thema Interessierenden mögen immer noch so „Erstaunliches“ (angesichts ihrer beschränkten Ressourcen) leisten – die Kunst, mit der der gut ausgebildete professionelle Virtuose seine Fach-Materie handhabt, können sie nur voller Resignation bewundern.
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An der Unlösbarkeit dieses Konflikts zwischen „Allseitigkeit“ und „allseitiger“ Teilhabe am Materie-Wachstum, das die Gesamtgesellschaft für sinnerfüllende und Sinn machende Integration ins und im Einzelleben(sentwurf) bereitstellt, würde kein Fortschrittskonzept etwas ändern, das auf eine Vergrösserung der „disposable time“ zielt, aber an der Qualität der Nutzung dieser time nichts ändert. Es war schon gezeigt worden, dass diese freie Zeit nicht einfach mit „Freiheit von Arbeit an Notwendigkeit“ an sich gleichgesetzt werden darf – FREMDE, nicht befürwortete Notwendigkeit nur hat diese „entfremdende“ Färbung.
Hingegen die gegenwärtige Arbeit des Reagierens mit Ästhetik und Technik auf gewusste produktive Chancen und (mit ihnen zu bewältigende) Risiken, also Wissen, und die Umsetzung von all dem in einem aktuellen (Re)Produktionsprozess, die sich mit diesen Notwendigkeiten auseinandersetzt, birgt nach modernem Selbstverständnis an und in sich alle überhaupt möglichen Erfüllungsmöglichkeiten eines unter dem modernen Kulturprogramm (als von ihm befürworteter Individualität) geführten Lebens.
„Geschiebe“ bleibt jede aus diesem Stand heraus erreichbare Fortschrittsstufe, insofern auch sie nur, gesellschaftlich-arbeitsteilig, auf fortgeschrittenem Produktivitäts- und Wissensniveau, den „Kampf“ mit Notwendigkeiten, primären subjektiven Bedürfnissen und objektiven Existenzanforderungen ebenso wie sekundären, aus der aktuellen Produktionsweise sich ergebenden, führt. Daran wird sich noch in fernster (moderner) Zukunft und in den erlesensten (modernen) Utopien nichts ändern. Sofern Moderne überhaupt Utopien hat, denn das hiesse, ihrer Empirie begrifflich vorauseilen; das tut sie nicht ernsthaft, allenfalls ästhetisch-spielerisch (wo Science fiction weitergehende Ansprüche erhebt, fällt sie prompt in vormodern-metaphysische und religiöse Kategorien zurück).
Teilhabe an den Materien dieses sich fortwälzenden und dabei immer weiter ausdifferenzierenden und stoff-akkumulierenden Kulturgebildes in gleich welcher Form von Ausgewogenheit (wenn sie denn bestünde) für SINNLOS erklären, hiesse aber, das moderne Kulturprogramm als ganzes zu verwerfen – weil es nicht lebens-erfüllend ist, das moderne Fundamental-Verprechen nicht einlösen kann, dass jetzt oder später das gesellschaftlich Erarbeitbare sich in relevanten Anteilen ins Einzelleben einbauen lassen und in ihm auswirken werde.
Als es um die Rechtfertigung von Arbeitsteilung ging, war die Frage immer: Was kann von andern für mich erledigt werden? Jetzt, wo es um Ausschlüsse und Leiden an der Arbeitsteilung geht, muss die Frage lauten: Wo ist das unvertretbar Eigene? Worin besteht eigentlich Aneignung, wenn sie angesichts unbestreitbar vorhandener Materien und Lebensmöglichkeiten misslingt – was engt denn die Lebens-FÄHIGKEITEN im Ausgang so ein, dass sie mit den wachsenden MÖGLICHKEITEN so wenig mithalten? – Die modern-selbstkritische und (für Moderne und ihre Kategorien) sehr charakteristische Antwort lautet: die verfügbare Lebens-ZEIT. Weshalb es verschiedene Zeit-entgrenzende Strategien gibt, die in der Moderne allgegenwärtig sind: Beschleunigung und (zeit-verkürzende) Intensivierungen, Zeit-Ökonomie, Zeitersparnis und -abkürzung; Zeit-Befreiung, das war auch das Konzept der Vergrösserung der disposable time, Produktivitätserhöhung, mit Bezug auf das eigentlich Entbehrliche, aber zur materiellen Reichtums-Produktion Notwendige (Sicherheit, nötige Stoffe und Materien der freien Lebenstätigkeit; die sich vervielfachen, wenn der erste Punkt dazukommt: Lebensintensivierung und -beschleunigung, die auf mechanische Hilfsmittel; Medien, Vorgefertigtes, Konsumierbares angewiesen ist); schliesslich – ah, also doch eine moderne Utopie? – absolute LebensVERLÄNGERUNG (die sich einen Wettlauf liefern darf mit der zugleich sich beschleunigt drehenden Fortschrittsspirale, also den Lebensmöglichkeiten…).
Warum charakteristisch? Weil es Antworten sind auf der Ebene der modernen Sinn-Kategorie schlechthin – der des Lebensentwurfs, der gelingenden Biographie. In der wird gerade nicht nach der täglichen Lebensführung, dem gelingenden TAG gefragt; die ist nur Material, und soll am besten mit Neuropharmakologie und Gentechnik auf Turbobetrieb hochgerüstet werden – physische Grenzen des Lebens der modernen Lebensmöglichkeiten augeweitet und hinausschoben werden; mit andern Worten ist damit angedeutet, wo diese Grenzen liegen. Das ist nichts weniger als trivial, wie man gleich sehen wird. Aber fragen wir nach der andern Seite: Worin besteht denn die Aneignung, Nutzung, Umsetzung moderner Lebensmöglichkeiten? Möglichkeiten zu was für einem Leben sind es, von denen man sich durch einseitige, etwa Spezialistentätigkeit, ausschliesst? – Die Antwort ist zugleich bestürzend und verblüffend; denn sie lautet (keineswegs wird sie in dieser Überlegung zum ersten Mal ausgesprochen): Ausgeschlossen fühlen sich moderne Individuen immer nur von der Tätigkeit anderer Spezialisten; solcher Tätigkeiten freilich, in denen endlich einmal (durch Zusammenschluss von Spezialtätigkeiten) ein geschlossener Sinn-Zusammenhang und -Zug von einem Wissenserwerb über eine damit arbeitende, ihn verwertende Technik in einen reproduktiven Effekt hineinführt – der eventuell in ästhetischen Repräsentationen erlebbar, vorwegnehmbar, Wünsche nach Weitergehendem weckt.
Gut; das ist die moderne Version von Integration von Wissen und seiner Verarbeitung; sie misslingt seit dem Scheitern des ERSTEN STANDPUNKTS bis auf weiteres auf der Ebene der Lebensentwürfe, die so etwas, dilettantisch, in eigener Regie versuchen. Denn genau das ist, was die Obsession des Dilettantismus treibt: Die weit auseinandergetriebenen Sinn-Zusammenhangsstrecken für wenigstens EINE kleine Wissenseinheit so überschaubar zu machen, dass sie in ein Leben und noch genauer, dessen Freizeitbereich gerade hineinpassen; und dort eine durchgehende Verbindung von Interesse, Forschung, sinnvolle Verwertung, Perspektiventwurf erlauben. Und genau das ist es offenbar, dem man in der disposable time so verzweifelt nachjagen möchte.
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Die Denkweise, die den Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit begründet, übersieht völlig den Vorwurf, der mit der Verachtung des Freizeit-Dilettantismus ausgesprochen ist (ein Vorwurf, der dieser Denkweise nicht fremd ist, die immer in Versuchung ist, in die massive Selbstdisziplinierung, aber auch Selbst-Entgrenzung durch Extrem-Spezialisierung des ZWEITEN STANDPUNKTES zurückzufallen): Dass hier dasselbe wie in der eigentlichen, der gesellschaftlichen Produktion versucht wird, nur ohne den dort herrschenden „Druck“; der Druck, dieses Absehen von möglichen Erfüllungsmomenten in der „eigentlichen“ Produktion, mündet am Ende nur in den einzig möglichen Alternativ-Antrieb, der dann bleibt: nämlich, einer Handlungsweise Raum zu geben, die DASSELBE, nur ohne den Druck, und freilich auch unvergesellschaftet, versucht. Dass es dasselbe sein muss wie in der gesellschaftlichen Produktion, ist darin begründet, dass BEIDE Sphären, die druckvoll-notwendige wie die freie, das moderne Kulturprogramm umsetzen; die freie allerdings mit der Zusatzbedingung (formell will auch die notwendige Sphäre sie erfüllen), dass die Resultate der ganzen Arbeit, und das heisst unter modernen Vorgaben letztlich: das Arbeiten selbst, zumindest in Teilen, in ein individuelles Leben, eine Biographie, sollen aufgenommen werden können; ein Leben, das freilich in seiner Aufnahmefähigkeit ständig dadurch behindert ist, dass der grösste Teil der Lebens-Zeit beansprucht wird durch ein Arbeiten, das dieser Rücksicht auf die individuelle Biographie sich entzieht, mit der seltsamen Begründung, ihr dadurch um so besser dienen zu können.
Der Widerspruch wird, indem er so scharf fühlbar und kenntlich wird, auf der Stelle gelöst, indem das Arbeiten in gleich welcher der vier modernen Wertsphären beginnt, sich so zu gestalten, dass IM „eigentlichen“ gesellschaftlichen Arbeiten bereits und der Teilhabe daran der Bedarf, der laut DRITTEM STANDPUNKT hätte in der Freizeit abgedeckt werden müssen, bereits abgedeckt wird: Die eigentliche Arbeit ist dann (ohne Spezialisten-Zurichtung) für alle, die sie ausüben, in gleicher Weise so erfüllend und fesselnd, wie es die Freizeit-Obsessionen unter dem DRITTEN STANDPUNKT nur je sein konnten, aber jetzt mit erfüllter ganzer Lebenszeit: Der Gegensatz von Freizeit und notwendiger entfällt, die notwendige Arbeit selbst ist erfüllend.
Der VIERTE STANDPUNKT, der diese Konfliktlösung repräsentiert, existierte in der bisherigen Darstellung einzig durch seine Anthropologie – seine Bestimmung dessen, was Menschen im allgemeinen (sie alle verbindend, ihnen allen in gleicher Weise gemeinsam) auszeichnet, derart dass die für sie entworfene Lebensform zu ihnen (und jedem von ihnen) passt. Die Forderung, der die Lebensform-Einrichtung unter dem VIERTEN STANDPUNKT versucht zu genügen, scheint nun hinauszulaufen auf einen Verzicht im Anspruch an die Effizienz, mit der in den Wertsphären gearbeitet wird – um der Ausgewogenheit (und Annäherung ans dilettantische Freizeit-Vollständigkeitsideal) von Biographien derjenigen willen, die die in diesen Sphären notwendigen Leistungen erbringen. In Wahrheit zeigt sich, dass die Umsetzung des modernen Kulturprogramms diese Anpassung bei wachsender Ausdifferenzierung der Sphären ganz von selbst erzwingt – dieses Wachstum war ja, bei isolierter Betrachtung der STANDPUNKT-Anthropologien, allein und für sich schon hinreichend, um die Übergänge zwischen ihnen zu begründen.
Mit anderen Worten, dieselbe differenzierte und komplexe Einrichtung etwa der Wissenschaft als einer quasi-reproduktiven Alltagstätigkeit, in der hochspezialisierte Wissensarbeiter mit hoch anspruchsvollen Technologien Labor- oder Beobachtungsroutinen über Jahre hinweg absolvieren – erfüllt zugleich die Forderung, dass der wissenschaftliche Wissenserwerb schon im Leben der ihn vorantreibenden in technologische und Alltagsroutinen übergehen, und ihnen Sinn-erfüllende Ausblicke und Erlebnisse bieten soll.
Die Einbindung bisher ausgeschlossener Lebens-Dimensionen (die Wiederholung des modernen Programms, gesehen als Individualität, auf der Ebene des Lebensentwurfs, der erfüllten Biographie) in die gesellschaftlich-arbeitsteilig betriebenen Sphären-Arbeiten erzeugt dann endgültig eine nicht mehr endende Kette von „Selbstähnlichkeiten“. Die Frage ist bloss, ob das die Lebensentwürfe der Beteiligten bereichert…
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Wir haben also eine Professionalisierung des Forschungsprozesses und eine Medikalisierung (das soll stehen für alle Sorten Experten und Dienstleistern, die den Berufstätigen schützend, ratend, organisierend, ihnen Teil-Leistungen abnehmend, zur Seite stehen) des Berufstätigenalltags. Technik-Entwicklung wird heroisch-utopisch, zur Kunst; Ästhetik wird erlernbares, wenn auch hochkomplexes Handwerk (in ständiger Entwicklung begriffen und durch entsprechende Forschungs- und Reflexionsprozesse (angefangen bei KRITIK bis hin zum Hochschul-Unterricht in allen Kunst- und Unterhaltungsfächern) angeleitet).
Eigentlich war aber die Selbstähnlichkeit bereits viel früher feststellbar, etwa in Abs.25 oben, als allen Sphären ihr eigenes (Technik- usw.)Wissen („Bestand“), spezifisch produktive Aktivität ((Re)Produzieren), Wachstum in bestimmte Richtungen (Fortschritt), schliesslich auch ein eignes Wert- und Bewertungssystem ihrer Produkte und Güter zugestanden wurde.
Mit den Gleichsetzungen „Bestand (der Materien einer Sphäre) = („ihre“) Technik und Technologie – Aktivität= („ihre“ Art zu) (Re)Produzieren – Wachstum= („ihre“ Art Verwertung von) Wissens-Fortschritt (als Unter-Disziplin von Wissenschaft/Forschung) – Ästhetik= (die jeweilige Art von Sinn/) Erfüllung, Gelingens-Anschauung („Vision“)“ würde eine von Anfang an bestehende Präsenz aller 4 modernen Kulturabteilungen in den je drei andern behauptet – eine innige Durchdringung aller mit allen, die ganz von selbst für Integration und Zusammenfliessen der Materien über Sphären-Grenzen hinweg sorgen würde – wenn sie denn so wie behauptet den Tatsachen entspräche. Aber diese Deutung wiederspricht erst einmal den Erfahrungen der von Arbeitsteilung Betroffenen. Warum wird das jetzt so wichtig? Darum, weil der VIERTE STANDPUNKT den Angehörigen der – unter seiner Anthropologie und seinem Verständnis von der fortgeschrittenen Verfassung der vier Sphären organisierten – modern-arbeitsteiligen Lebensform verspricht, dass ihnen BEREITS JETZT ALS PRODUZENTEN nichts „Konsum“-Würdiges in ihrem Leben(sentwurf) entgeht; dass sie, an gleich welcher Stelle sie tätig werden, keine schmerzlichen Ausschlüsse erleiden werden, die zwischen ihnen Konflikte erzeugen könnten: Alles gleichwertig, alles gleichwertig GUT eingerichtet, kann nur besser werden; genau darum werden sie sich auf ihre Verteilung auf die anstehenden Aufgaben und überhaupt darüber, was ansteht als Aufgabe, einigen. Der VIERTE STANDPUNKT sieht sich daher als erster zugleich legitimiert als vollständig und unhintergehbare Grundlage für die Möglichkeit eines zwanglosen innergesellschaftlichen Konsenses – reibungslosen Zusammenpassens der möglichen Lebensentwürfe aller Produzenten mit denen anderer und den Anforderungen der Planung einer gemeinsamen arbeitsteiligen Lebensform und Verteilung von Produktionsaufgaben.
Damit würde der Zusammenbruch jener Illusion rückgängig gemacht, die den ERSTEN STANDPUNKT ausmachte: Dass Lebensentwurf, Lebensform, Kulturprojekt moderner Individuen lückenlos aneinander anschliessbar und miteinander integrierbar seien. Alle Fortschritte zu weiteren STANDPUNKTEN haben einen Beitrag geleistet, um diesen Zusammenbruch rückgängig zu machen; genauer gesagt, sie haben versucht dafür zu sorgen, dass die „drei Äquivalenzen“ (vgl. Abs.6) tatsächlich realisiert werden:
a) Im Übergang zum ZWEITEN STANDPUNKT wird gesichert, dass aus Einzel-Lebensentwürfen heraus PRODUKTION möglich bleibt. Diese Produktion sorgt für ihre eigene Integration mit derjenigen aus Nachbarsphären, indem sich die Produzenten den Stoff für ihre „produktive Konsumtion“ selber suchen. Anders als beim Übergang zum DRITTEN STANDPUNKT, ändert sich am Charakter der Produktion zunächst nichts: Die einzige Zutat des ZWEITEN STANDPUNKTS ist die Behauptung, dass Menschen im allgemeinen Dispositionen in sich tragen, die Vereinseitigung, die ihnen die Expansion der produzierten und zu verwertenden Materien und Konzentration auf Aktivitäten EINER Sphäre abverlangt, zustandezubringen. Die andauernden Sehnsüchte nach kompensierenden Aktivitäten in der Art des ERSTEN STANDPUNKTES in der Freizeit-Sphäre zeigen die beiden hier noch nicht berücksichtigten Bedürfnis-Dimensionen an: Integration, den Wunsch nach sinnvoller „Quer“-Organisation der Materien, die man in sein Leben einfügt: je fehlendes Wissen-dass, Wissen-wie, Aktivitäten und Utopien sollen einen GANZEN Sinnzusammenhang ergeben; andererseits gibt es „Konsum-Bedürfnisse,“, als den Wunsch nach Teilhabe am wachsenden Reichtum der gesellschaftlich verfügbaren Materien.
b) Im Übergang zum DRITTEN STANDPUNKT wird – durch massive Eingriffe in die je eigene produktive Fortschrittslogik der einzelnen Sphären – gesichert, dass PRODUKTION IM VERBUND DER SPHÄREN möglich bleibt, also die Sphären weiterhin verknüpft bleiben und nicht einfach Materie-Massen anhäufen, die nicht mehr verwertet werden können. Allerdings geschieht auch das erst einmal auf gesellschaftlicher Ebene. Die Freizeit-Akivitäten werden dann um die Praktiken des in der realen Produktion schon verlassenen ZWEITEN STANDPUNKTES ergänzt („zweckfrei-spielerisches selbstvergessenes“ Tüfteln oder Erleben ohne Rücksicht auf künstlerische und andere Verwertung, planlos-undiszipliniertes Sich-Hineinwerfen in und Verlieren an Ideen, Interessen, Möglichkeiten in Wissenschaft und Produktion. All das wird (neben den fortbestehenden Dilettantismen des ERSTEN STANDPUNKTS) zu etwas, das man sich in speziellen Freiräumen der eigentlichen Lebenstätigkeit „gestattet“ – weil es sich unter dem Regime des DRITTEN STANDPUNKTES auf weite Strecken ansonsten von selbst verbietet.)
Aber spätestens hier wird die Sinnlosigkeit der gesamten (unter dem ZWEITEN STANDPUNKT noch völlig ungeplant verlaufenden) Fortschritts-Richtung für die leidvoll vereinseitigten Produzenten sichtbar: Was immer sie an Verbesserungen einführen (mit weiteren Einschränkungen für sich selbst), kommt der gesellschaftlichen Produktion zugute: SIE erfüllt die Forderungen des modernen Kulturprojekts bei wachsenden Materie-Massen der Einzelsphäre. Das Einzelleben, der Einzelentwurf muss dafür auf die demgegenüber extrem verarmten Freizeit-Aktivitäten (die mittlerweile auch noch vom Konflikt zwischen Werten des ERSTEN und ZWEITEN STANDPUNKT befallen ist) zurückgreifen. Vom Fortschritt verlangen die versammelten Produzenten daher, dass er in eine Richtung geht, wo dieses Missverhältnis zwischen Leben als Produzent (und dem, was darin vorkommt) und Errungenschaften der Lebensform (gesellschaftlichen Produktion), die nach wie vor die Anforderungen des modernen Kulturprogramms unter Bedingungen wachsender Expansion der Materien erfüllt, im Sinne einer Wiederherstellung der „drei Äquivalenzen“ bis herunter auf die Ebene der Lebensentwürfe beseitigt wird. In jedem Fall wird hier die aktuelle Lebensform zugerichtet, um als Mittel ihrer eignen Verbesserung zu dienen. Die möglichen Prioritätensetzungen, mit denen dieser Widerspruch gelöst werden sollte, sind ebenso zahlreiche wie willkürliche Formen, in denen der Konflikt fortbesteht. SO wird er eben NICHT gelöst.
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c1) (Selbstähnlichkeit im ZWEITEN STANDPUNKT) Und jetzt soll also eine Lösung gefunden werden, die imstand ist, immer wieder die Produzenten zu versöhnen mit ihrer aktuellen, gegenüber fortgeschritteneren Versionen ihrer selbst zurückgebliebenen, beschränkten und sie beschränkenden Lebensform, genauer: mit ihrer Position, ihrer Existenz, ihrem (derzeit NOCH vereinseitigten, verarmten, disziplinierten) Lebensentwurf als vorrangig eben doch nur Produzenten im beschränkenden Rahmen dieser Lebensform.
Und das alles auf der Basis eines Selbstverständnisses der eigenen Position als Produzent unter dem modernen Kulturprogramm, das die Angehörigen der „freien Assoziation der Produzenten“ (spätestens, nachdem sie die verrückten marktwirtschaftlichen Zwänge losgeworden sind) nur sich zueigen müssen, um sich miteinander über die notwendigen Pläne einer Arbeitsteilung einig werden zu können. Ein Selbstverständnis, das sie aber auch teilen können, weil es allem Anschein nach ihrer realen Stellung im Produktionsprozess entspricht. Dieser Produktionsprozess muss somit eine Gestalt annehmen, die diesem veränderten Verständnis der eigenen Stellung als Produzent in einer der vier Wertsphären entgegenkommt. Dem ging voraus eine Änderung, die sich nur erst einmal der Anpassung der Lebensform an gesteigerte Anforderungen von seiten des Kulturprojekts an sie verdankt, angesichts immer weiter wachsender Materie-Massen und der verwirrend vielfältigen Optionen ihrer Verwertung. Aber diese Änderung ihrer Stellung, die den Produzenten als erzwungene Anpassungsleistung auferlegt wird, soll sich nun zugleich als eine Chance erweisen, die sie darin sehen können. Zumindest wird sie so interpretiert. Sehen wir uns das jetzt genauer an.
Wiederholung von Eigentümlichkeiten einer Struktur auf der Ebene von Strukturen, die Teil der grösseren Struktur sind – Selbstähnlichkeit – bildete, trivialerweise, fast schon den Kern der Überzeugungen, die den ERSTEN STANDPUNKT moderner Individuen zum Verhältnis von Lebensentwurf, Lebensform, historischer Individualität (Kulturprojekt) auszeichneten: die Inhalte der zwei „unteren“ Ebenen konnten hier nicht nur bruchlos in die Masse der der je darüberliegenden Ebene angehörenden Inhalte aufgenommen werden – auch die logischen und Sinn-Verknüpfungen (Begründung von technologischen Projekten durch Wissen, Praktiken durch Techniken und Prognostiken, „Ästhetiken“ durch Mangel-Erfahrung in den Praktiken) zwischen diesen Inhalten gingen bei der Übertragung aus der Einzelbiographie in gesellschaftlich und generations-übergreifend verfügbare Bestände an Kultur-Produkten nicht verloren. Die hier massgebliche Kategorie ist die der vorbildlichen Einzel-Biographie kreativer Persönlichkeiten, an der entlang und aus der später Kommende oder auch Zeitgenossen sich Vorbilder für ihren eigenen Lebensentwurf zusammenstellen können. Hier gibt es nicht einmal einen Wechsel in den Grössenordnungen – die Elemente von Lebensentwürfen der kreativen Originale werden (allenfalls abgewandelt), nach diesem Selbstverständnis, beliebig ins Leben anderer übertragen; auf der Ebene der Lebensform werden sie (durch „Veröffentlichung“, Vervielfältigungen aller Art) zugänglich gemacht und angeboten; auf der Ebene der Individualität tradiert und auch für spätere Verwendung noch aufbewahrt. Also die „Materien“ werden hier noch, ganz ursprünglich und naiv, als Elemente zu möglichen Lebensentwürfen begriffen. Von Ebene zu Ebene summieren sie sich einfach, und häufen sich von Lebensentwurf zu Lebensentwurf, Generation für Generation, immer mehr an. Als ob das keine Folgen hätte…
Der ZWEITE STANDPUNKT machte die Bereitschaft, sich auf vereinseitigte Arbeit in einer der (angesichts der sich häufenen Materiemassen) abgetrennten Sphären einzulassen, zur anthropologischen Konstante (NEBEN der ursprünglich angenommenen generellen Menschen-Gemässheit des modernen Projekts).
Hier macht der Ausdruck Selbstähnlichkeit erstmals Sinn: Was im Leben des Einzel-Produzenten eigentlich abgetrennt ist, soll darin schattenhaft wiederkehren, als Binnenstruktur seiner Sphäre (und womöglich aller Unter- und Unter-Unter- Branchen, in die sie zerfällt): Überall kehren dieselben Bestandteile wieder, die im grossen auch die Produktion der Gesellschaft, ihre Lebensform, arbeitsteilig untergliedern: Ein ständig wachsender, zugleich sich wandelnder Bestand (an Gekonntem, Beherrschtem, Techniken und Prognostiken); eine faktisch stattfindende produktive Aktivität (Forschen, Entwickeln, Routine-(Re)Produzieren, „Kreieren“); ein Kennen, Einschätzen, Bewerten des Bestehenden im Lichte von Wünschen; eine faktische Fortschrittsrichtung und Fortschritts-Orientierung in JEDEM Tun.
Tatsächlich kann man in dieser absteigenden Wiederholung der immergleichen Fragmentierungs-Bewegung zunächst einmal die Tendenz zu immer neuer Teilung und Spezialisierung erkennen; es scheint der immergleiche vierfache Aufteilungsschritt „nach unten“ in allen Disziplinen, der sie sich ausbreiten und in die wachsende Masse ihrer Materien einwachsen lässt. Wichtiger aber ist (und bislang nicht erwähnt), dass daneben der ERSTE STANDPUNKT weiter fortbestehen muss: Denn die HORIZONTALE Integration der vier Sphären kommt, dem Selbstverständnis derer, die auf dem ZWEITEN STANDPUNKT stehen, zufolge, nur dadurch zustande, dass Produzenten der je nächsten modernen Kultursphäre sich die von ihnen benötigten Elemente der vorauszusetzenden Nachbarsphäre selber suchen.
Und das werden sie wohl auf allen Ebenen der Fragmentierung tun müssen – sowohl im Verhältnis zur Nachbarsphäre insgesamt, als auch für Kooperationen zwischen den eigenen Unter-Abteilungen.
40.
Die Identifikation von „Bestand“ mit Können oder Techniken, „Aktivität“ mit (Re)Produktion oder (Spezialisten-, Berufstätigen-)Arbeit, „Bewertung“ mit „ästhetisch anschaulichem Wünschen“ und „Fortschritt“ mit Wissens- und Materialfortschritt als Quelle für die Erweiterung der drei andern Sub-Domänen ist wohl das Herzstück dessen, was den ZWEITEN STANDPUNKT jenseits seiner Anthropologie ausmacht. Genauer ist es die Artikulation, der die jeweiligen objektiven Pendants der subjektiven Einstellungen „kognitive Reaktionsbereitschaft (für Wissenschaft), Fähigkeit (Technik), Bedürfnisse (und ihre Zyklen) (Alltag), Sehnsüchte (Ästhetik)“ unterworfen werden, nämlich „Erfahrungsinhalte, Möglichkeiten (Chancen und Risiken), Regularitäten/Gewohnheit(en)/Routinen, Erfüllungen (Erfüllungs-Situationen)“.
Die Untergliederung unserer Praxis wird hier nämlich zurückgeführt auf eine ursprünglichere Untergliederung des Weltstoffs, der uns begegnet. Der „Selbstähnlichkeits-Effekt“ bei voller Entfaltung dieser Praxis – dass sich in jeder ihrer vier Verzweigungsrichtungen immer wieder die gleichen Unter-Branchen einstellen, Ebene für Ebene – ist demnach einem ihm entsprechenden ojektiven Aufbau der Welt geschuldet. Die wachsende Wissenschaft (institutionalisiert als Universität) enthält demnach nicht nur das ständig weiter wuchernde und wachsende Wissen von Welt und äusseren Fakten, sondern die wachstumsfähigen Materie-Massen ALLER „Fächer“ überhaupt, soweit sie Gegenstand und Inhalt notwendig weiterzugebenden Ausbildungswissens sind. Der Abteilung „Techniken und Prognostiken“ gehört nun das Wissen-wie ALLER Fächer an, auch das der Künste, Alltagseinrichtungen, Forschungsunternehmen. Praktiken und Anwendungen jedes vorhandenen Gewusst-wie trifft man ebenfalls ausserhalb der Berufstätigenalltage im engeren Sinne an: (Welt-Er)Forschen (Beobachten/Suchen, Versuchen), (Techniken-)Entwerfen und (geschicktes Prognostiken-) Entwickeln, Erschaffen/Entdecken von Sinnerfüllungs- und Fortschritts-Veranschaulichungen SIND doch alles Praktiken. Schliesslich findet man überall Vorstellungen vom weiteren Fortgang und Erfolg in der jeweiligen Kultur-Domäne – sie in ihrer Gesamtheit macht die Masse an möglichen Sinn-Erfüllungen aus.
Auf einmal stellt sich der Aufbau der gesellschaftlich-arbeitsteiligen Gesamtpraxis völlig anders dar, als es die dürre Ausgangs-Zerfällung in vier Haupt-Kulturwertsphären vermuten liess: Nämlich als ein unendlich verästeltes und Stufe für Stufe sich (eben „selbstähnlich“) wiederholendes System von Teilungen, dessen jeweilige Anteile in das ihnen je zugeordnete Massenbehältnis für kulturelle Inhalte (nämlich die Summe aller Könnensbestände, aktuellen Praktiken, wachsenden Stoffe/Materien und Erfüllungs- und Erfolgsmasstäbe) einfliessen. – Was wird dann mit dieser Denkform erreicht? Die Spezialisierung, die Aufteilung von Aufgaben selbst scheint hier zur Quelle von Inhalten zu werden, die in Wahrheit – entsprechend der Logik, nach der sich die modernen Kultursphären verbinden – höchst prekär und aufwendig in der jeweils rechtsstehenden Nachbarsphäre der Reihe Ästhetik-Alltag-Technologie-Wissenschaft(-Welt) zu suchen und, wenn überhaupt, zu finden sind. Was in und an Ästhetik wächst, beruht letztlich nicht auf ihren ureigenen Errungenschaften, sondern rührt her von den Fortschritten, die die Alltagssphäre macht – die sind ihrerseits letztlich begründet durch das Wachsen der Techniken und Prognostiken, die die Technologie entwickelt – und die sind verwurzelt im wachsenden Wissen der empirischen Forschung. Diese Stafette von hoch-selektiven Stoff-Übernahmen wird in der Denkfigur der „selbstähnlichen“ und sich ins immer Detailliertere hinein verzweigende Spezialisierungen vergessen: das vermeintlich autarke Spezial-Tun/-Können/-Erfüllungs-Vorstellen/faktische Wachsen scheint sich einzig aus der eigenen Sphäre (etwa des Ästhetischen) zu versorgen; sofern etwa Quellen einer Wachstumsdynamik für ästhetische Gebilde existieren, kann das Wissen um sie zwar der in den Wissenschaften angesiedelten Gesamtwissensmasse, als Spezialgebiet, zugeschlagen werden, tatsächlich beruht all dies Wissen auf Kenntnis über die Lebenswirklichkeit der potentiellen Rezipienten, auf die alle ästhetische Produktion bezogen bleiben soll. Die aber ist bestimmt durch Auswahl und Einsatz von Techniken, die auf ihre Bedürfnisse und Leistungs-Spielräume bezogen sind; deren Wählbarkeit beruht auf technologisch-entwickelnder Verarbeitung wachsender Weltkenntnis; und die liefert wiederum die Wissenschaft.
Es wird damit also der Anschein geschaffen einer Selbstgenügsamkeit der im modernen Kulturprojekt „links“ von ihrer Nachbarsphäre stehenden Sphären, einer Unabhängigkeit von dem, was für sie, nach der Logik des Kulturprojekts, nur in der Nachbarsphäre zu finden ist. Und damit wird natürlich die Aufgabe (im ZWEITEN überdauernder Kern des ERSTEN STANDPUNKTS), an der der ZWEITE STANDPUNKT zuletzt scheitert, in den Hintergrund geschoben, wenn nicht geleugnet: Nämlich, dass sie souverän über den Stoff auch der Nachbarsphäre verfügen müsste, um die Wachstumsdynamik des eigenen Sektors jeweils auf dem historisch fortgeschrittensten Stand zu halten. Über die Herkunft der Wachstumsimpulse gibt sich diese Denkweise, man möchte fast sagen: Ideologie des ZWEITEN STANDPUNKTES keine Rechenschaft. Das gilt für den Umgang mit zuwachsenden Materien der je rechtsstehenden Sphäre bei der Angehörigen dieses STANDPUNKTES in den „linkeren“ Sphären. Aber es gibt ein Pendant dazu auf der je „rechteren“ Seite der Vierer-Reihe der Sphären (Ästhetik-Alltag-Technik-Forschung). Die stehen der tatsächlichen „Wachstumsquelle“ des modernen Kulturentwurfs zwar näher als die je linkere Sphäre. Dafür sind sie aber von Sinn- und Erfüllungserlebnissen im Zusammenhang mit den wachsenden Wissens-, Technik- und Berufsalltags-Massen weiter entfernt. Für sie erzeugt die vermeintliche Selbstähnlichkeit den Anschein einer Wiederkehr des Reichtums des gesamten Kulturprojekts in jeder seiner (von andern scharf abgetrennten) Sphären: Dass die Sphäre selbst schon hinlängliche Quelle der Erfüllungs- und Sinnerfahrung sei, die in ihr möglich ist. (Also die Abhängigkeit der „Bestände“ nicht nur von den je rechter stehenden Sphären wird geleugnet, so wie die Abhängigkeit der Sinnerfüllungs- und faktischen Fortschrittserfolge von Effekten auf der „linken“ Seite . Sondern es liesse sich auch noch Ähnliches sagen über Fehlbestimmungen des Stellenwerts der eigenen Praktiken und der Art, wie Bestände, deren relative Fortgeschrittenheit und Mängel und dabei Ausstehendes bewertet werden: auch hier kommen wesentliche Beiträge zur Bewerung von „rechter“ in der Reihe stehenden Sphären, indem Mangel bezogen werden muss auf FAKTISCHE Besserungsmöglichkeiten (alle Eingangs- „Fakten“ aber für „linker“ stehende Sphären kommen von rechts). Die Praktiken der rechteren Sphäre aber bekommen ihren Sinn ganz wesentlich von „links“ geliefert. So, wenn auch dreifach gebrochen, baut das modern-übergreifende Kulturprojekt den Weg von seiner Art der Wissenssuche bis zur Sinnerfüllung auf. (Die Schritte, die im Übergang zum DRITTEN und VIERTEN STANDPUNKT anthropologisch verankert werden, zeigen, was hier dem ZWEITEN abgeht und was er durch die Selbstähnlichkeit von der historischen Ebene des Kulturprojekts versucht in die darunter gelegenen (oder umgekehrt, dies Projekt tragenden und allererst umsetzenden) Ebenen der Lebensform (voneinander abgetrennter Wertsphären, die ihr Material der je rechts stehenden Nachbarsphäre entnehmen müssen) und des Lebensentwurfs (als isolierter Spezialist in einer der Sphären) zu übertragen.
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Dieser noch äusserst schwach, nur als zusätzliche Ideologie, als Trost (neben den nicht minder schattenhaften Regressionen in den Dilettantismus des ERSTEN STANDPUNKTS in der Freizeit) auftretenden Version der Selbstähnlichkeits-Idee ist dennoch zu entnehmen, dass sie den Zweck erfüllen soll, der ihr oben in den Vorüberlegungen zu diesem Thema zugeschrieben wurde: Nämlich die im ERSTEN STANDPUNKT naiv unterstellte Übertragbarkeit von Inhalten zwischen den Ebenen von Lebensentwurf, Lebensform (gesellschaftlich arbeitsteiligem Plan) und generations-übergreifendem modernem Kultur- und Fortschrittsprojekt insgesamt sicherzustellen. Ideologie, also Lüge war die eben behauptete Selbstähnlichkeit im Falle des ZWEITEN STANDPUNKTES. Denn sie leugnet das Angewiesensein der durch die moderne Materien-Expansion massiv voneinander abrückenden Wertsphären auf einen bekannten und intakten Zusammenhang mit den „linkeren“, sofern es um Sinn-Erfüllung und Definition von Zweckmässigkeit ihrer Praktiken geht, bzw. mit „rechteren“ Nachbarsphären, soweit um Herkunft ihrer Bestände und deren Ausweitung. Stattdessen täuscht die perfekte Analogie der angeblichen Unter- und Spezial-Bereiche (in die sich jedwede der Gross-Domänen jederzeit und beliebig wiederholbar zerlegt) mit der Zerlegung des Kulturprojekts in die vier Sphären (als ob man mit gleich welchem Detailstoff ständig auf Höhe dieses Projekts sich bewegen würde), vor: Dass Ausschlüsse von Sinn- und Zweckhaftigkeitserfahrung auf der Ebene der Spezialisten-Tätigkeit (also des Lebensentwurfs) nicht existieren, erst recht nicht auf der Ebene der (aber wie?) verbundenen Tätigkeit der versammelten Experten einer Sphäre; und umgekehrt, dass jede Sphäre Quelle ihrer eigenen Bestände und Fortschritte wird. Drei Äquivalenzen werden somit behauptet zwischen Kulturprojekt und Lebensform bzw. Lebensentwurf, drei Probleme, die der ZWEITE STANDPUNKT nicht löst, damit geleugnet: Der Rückfluss, die Rück-Verteilung gesellschaftlich verfügbarer Errungenschaften ins Einzelleben und an die Angehörigen einer Wertsphäre insgesamt; der Ausschluss von wünschbaren Kompetenzen und Übersichten über Zusammenhänge (was die Planbarkeit der gesamten Lebensform stark infragestellt), den die Spezialistentätigkeit (darum) bedeutet; das Zerbrechen von Sinnzusammenhängen sowohl auf der Ebene der Lebensform als auch der der Lebensentwürfe.
Das Einzige, was die Anthropologie des ZWEITEN STANDPUNKTES tatsächlich anzubieten weiss, ist: dass es Freuden der Spezialisierung gibt, die kein (moderner) Mensch missen möchte – im wesentlichen sind es die typisch modernen Freuden am beschleunigten Expandieren der Materien. Und diese Freuden sind die Prämie, die die Anhänger des ZWEITEN STANDPUNKTES sich für die relative Rücksichtslosigkeit gegen die anderen Sinnquellen in ihrer Existenz leisten.
Wie sehr sie am Problem der Integration von Inhalten der vier Sphären zu (in Lebensentwürfen!) Sinn-machenden Strecken (von einem Wissensinhalt über seine technische Verwertung, deren faktische Umsetzung im Rahmen des Porduktionsprozeses bis zur ästhetischen Veranschaulichung der Wünsche, die im Zusammenhang damit offenbleiben) scheitern, zeigt sich darin, dass sie auf nichts andres zurückgreifen können als trotzige Behauptung von Fähigkeiten, die schon der ERSTE STANDPUNKT auf Dauer kontraintuitiv unterstellen musste, als es darum ging, worum es auch hier noch, unter dem ZWEITEN STANDPUNKT, geht: nämlich, sich als Produzent die nötigen Materialien für den Start der eigenen Arbeit (hier also: für die eigne produktive Konsumtion) aus der Nachbarsphäre zu beschaffen, die ähnlich unübersichtlich und expansiv funktioniert wie die eigene (weshalb es meist schon in dieser eigenen Sphäre Schwierigkeiten gibt, allein den Bestand zu überblicken – Aufgabe eigener Archivierungs-Spezialisten und -Agenturen; die dann freilich den Kontakt zu den produktiven Arbeitern der eigenen Sphäre nicht verlieren dürfen, und den Anforderungen, die sie stellen; dasselbe gilt für die Vermittler von nötigen Kenntnissen und Erkenntnissen der Nachbarsphäre: Dadurch soll ja – nicht zuletzt hilft dazu der ZWEITE STANDPUNKT! – ein immer tiefer zwischen den Sphären aufklaffender Graben überbrückt werden. Die Überbrücker müssen freilich darauf achten, dass sie nicht am Ende auf der andern Seite landen: Dann kennen sie, etwa, als Kritiker oder Verlagsangestellte sehr gut den Publikumsgeschmack, aber finden den Weg nicht zu Autoren, die ihn immerzu verfehlen (obwohl sie genau dafür zuständig wären). (Man sieht: Vieles, was den Märkten, oder weniger mythisch: den Markt-Agenten und -Agenturen, an Leistung zugeschrieben wird, erfüllt tatsächlich zentrale Bedürfnisse modern-arbeitsteiliger Gesellschaften, die sich der Betrachtungsweise des ZWEITEN STANDPUNKTS verschrieben haben. Der anthropologisch fundierte ungebremste Enthusiasmus eines Spezialisten reicht eben leider nicht auf Dauer, um auch noch die Nachbarsphäre nach verwertbaren Materien zu durchsuchen. Ob eine Stafette zwischengeschalteter Vermittlungs-Experten (mit je abnehmenden Kenntnissen der durchsuchten, und zunehmenden der Sphäre der Durchsucher) dem eher gerecht wird, darf bezweifelt werden.
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c2) (Selbstähnlichkeit im DRITTEN STANDPUNKT) Auch der ZWEITE STANDPUNKT scheitert an der fortschreitenden Expansion des Produktausstosses der getrennten Einzelsphären. Die Abstraktion lässt sich nicht halten, dass durch immer grössere Aufgaben-Aufteilung der einzelne Produzent schliesslich an seinem Arbeitsplatz (Bestands)Techniken, Routine-Arbeiten (zweckmässige Aktivitäten), Sinn(erfüllungs)-Vorstellungen bzw. Erfolgs-Kriterien (Bewertungen), schliesslich auch Fortschritts-Optionen vorfindet. Es sind ja nur die SEINER Nische in SEINER Sphäre, die noch einmal ganz andre Gründe – herrührend von ihrer Stellung in der Reihe der Sphären – hat, warum sie aktuell DIESE Verfahren praktiziert, DIES als zweckmässig, jenes als mangel- oder vorteilhaft ansieht oder ansehen würde, und in dieunddie Richtung expandieren kann. Von alldem ist der isolierte Einzelproduzent vollkommen ausgeschlossen. Sodass die Frage bleibt, wer oder welche Agenturen je nochmal die Brüche zwischen den Sphären (wie?) überbrücken sollen. Der ZWEITE STANDPUNKT mit seiner Betonung der Autarkie der Sphären übersieht völlig, dass keine Sphäre selber Quelle ihres eignen Fortschritts und dessen Zweckmässigkeit sein kann, stattdessen ein breites Aufgabenfeld sich eröffnet, das schon im Moment der Produktion, sie lenkend und bestimmend, weitreichende Übersicht über die Materien der Nachbarsphäre voraussetzt. Das verlangt nach den bekannten Disziplinierungen der Produzenten und Rücksichtnahmen auf die Anforderungen der je massgeblichen Nachbarsphäre, die in der Anthropologie des DRITTEN STANDPUNKTS ihren Ausdruck finden. Wie kommt hier Selbstähnlichkeit vor?
Wissenschaft kann nicht allein mehr von Anregungen sich überwältigen lassen, sie muss sich als auf einem Bedürfnis nach Forschung beruhend begreifen. Das heisst: Nicht mehr wird die Aufmerksamkeit der Forscher durch und auf auffällige und ausserordentliche Phänomene gelenkt, die zur Beobachtung und Erklärung herausfordern; sondern das Kennen und Durchschauen der gesamten (wie auch immer, und sei es durch Beobachtungsmittel, mithilfe von Spuren usw) vorhandenen Welt, ohne Anlässe, also auch ihr Durchmuster, Bestandserheben usw. wird zum Inhalt von Forschung; das lässt sich nur durch ein entsprechend (anthropologisch verankertes) Bedürfnis getrieben denken.
Alltag muss seinerseits geplant sein, Bedürfnisse in ihm müssen distanziert erst einmal festgestellt und zur Kenntnis genommen werden, dann klassifiziert und hinsichtlich ihrer Priorität geordnet werden. Also so wie andere Naturfakten auch.
Noch ganz ohne den VIERTEN STANDPUNKT kann, durch Übertragung der genannten ersten Ausweitungsschritte auf die dazu passenden Pendants der je andern beiden Sphären, die erste Ausweitung um den analogen zweiten Schritt ergänzt werden: Die zum BEDÜRFNIS gewordene Forschung wird SYSTEMATISCH GEPLANT, der nach PRIORITÄTEN geordnete und nicht mehr von Appetiten und Sorgen getriebene Alltag (der – was sie mittlerweilse sind – Industrie-Produzenten) wird SYSTEMATISCH ERFORSCHT. Im Kern ist das die INDUSTRIALISIERUNG und Professionalisierung (vgl. 38) der Wissenschaft, und die (ergonomische usw) NORMIERUNG und Medikalisierung, medizinische (hygienische, epidemiologische, arbeitsmedizinische etc) Beaufsichtigung, Begutachtung, Beratung, Einrichtung der Berufsalltags- (und, soweit sie sich darauf auswirkt, auch der Freizeit-)Sphäre. Mit der Folge, dass der Wissenschaft von der Natur ein neues und riesiges Spezialgebiet und Spezialinteresse, die Natur des (arbeitenden) Menschen, zuwächst (ab hier muss es wohl heissen: zu- und angewiesen wird); und der Berufstätigensphäre sich ein riesiges Feld auf sie bezogener Spezialberufe anschliesst (Gesundheits- und Dienstleistungsberufe, die vormalige reproduktive und private Eigentätigkeit der Berufstätigen ihnen abnehmen und somit aus ihrer Privat- und Eigensphäre „auslagern“ in eine weitere hoch-professionalisierte Industrie-Abteilung).
FÜR (und auch über) die wird dann wieder geforscht; die Forscher, aber auch Dienstleister, Berater, Helfer aller Art benötigen wieder eigene Ausbildungs- und Supervisions-Instanzen, die ihre hocheffiziente Spezialtätigkeit begleitet und (beratend, kontrollierend, informierend, organisierend etc) unterstützt.
Das sind nun Rekonstruktionen von Entwicklungen, die man als Bewohner der fortgeschrittenen Moderne so oder so ähnlich erlebt haben mag; aber wo ist hier „Selbstähnlichkeit“? – Das Problem ist: Dass es hier eine Angleichung und insofern Ähnlichkeit gibt; aber wo ist die Teil-Ganzes-Beziehung, die ja auch dazugehört?
Tatsächlich stehen Wissenschaft und Alltag in dieser Relation, und das wechselseitig, wenn man die Reihe der verbundenen 4 Sphären einmal von rechts nach links, also von Wissenschaft zu Ästhetik verlaufend, liest: Und dann ergibt sich eine Hierarchie der Zweckmässigkeiten, derart dass das je links-stehende Handlungssystem das rechts von ihm stehende als untergeordnetes (und insofern Teil-)Handlungssystem enthält, das aber erst durch den Bezug auf das übergeordnete seinen Sinn bekommt. Umgekehrt stellt die zunehmende Zweckmässigkeit und Sinn-Erfüllung sich einzig ein an faktischem Material, das insgesamt Gegenstand der Wissenschaft im weitesten Sinne, möglicher Erfahrungs- und Erlebensinhalt, als solcher festhaltbar, beschreibbar, berichtbar, reflektierbar ist. Für diese Richtung fungiert somit die Wissenschaft als Ganzes, und der Rest als Teil.
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Aber auf der Oberfläche ist hier nur erst einmal eine Angleichung von Wissenschaft und Produktionsphäre zu bemerken. Wenn Wissenschaft Bedürfnis wird, kann man hinter dies Bedürfnis in gleicher Weise kühl kontrolliert zurücktreten und die Wissenschaft systematisieren, sie planen. Wenn man die Bedürfnisse, die neben diesem universellen Wissenschafts-Bedürfnis (dieser Angst vor der unbekannten Welt, der wir ausgeliefert sind) auch noch vorkommen, und denen wir produzierend gerecht zu werden versuchen, ebenso kühl vor sich hinstellt, kann man Wissenschaft und Produktion gemeinsam planen; etwa Budgets zwischen ihnen aufteilen (nach welchen Gesichtspunkten? Ein weites Feld… denn es gibt eigentlich keine.) Und man kann die Kontrolle des Alltags, die Untersuchung von Bedingungen des Erhalts, der Steigerung, Verlängerung, Verbesserung von Leistungsfähigkeit etwa, den Kampf gegen Krankheiten, natürlich ebenso zum vitalen Bedürfnis erheben – und zu einer zentralen Produktionsaufgabe.
Der gemeinsame Nenner für all dies sorgenvolle Beobachten und fürsorgliche Vorsorgen und Sich-Schützen ist: Gefahrenabwehr; Kampf mit Notwendigkeiten und Zwängen, oder gegen drohende Schäden (vor allem auch unbekannte). So verschmelzen in der Betrachtungsweise der Träger des DRITTEN STANDPUNKTS Wissenschaft (hier unter dem Gesichtspunkt der Prognostik und Prophylaxe; gerade auch medizinisch; technologisch als Risikoabwehr und Chancenwahrnehmung) und Reproduktionsarbeit: das Achten und Beachten der notwendigen Rücksichten; das Nicht-Uunterlassen und stattdessen Tun des Notwendigen.
Wie verhält es sich dann mit dem andern Paar – Technik und Ästhetik? Verschmelzen auch sie? Wenn sie es tun – dann zu einem Kontinuum des freien Könnens und Erzeugens von Einmaligem und wiederum dessen angemessener Abwandlung, Anpassung in der Vervielfältigung und Austeilung an alle, die es gebraucen können:
das ist die Vereinigungsformel der Vereinigung von Technisierung und Aufbereitung des Ästhetischen einerseits, Perfektionierung des Technischen bis hin zur Erzeugung künstlicher Welten und Naturen andererseits. Ästhetische und technische Utopien arbeiten einander zu und befruchten, überflügeln sich wechselseitig in ihrem Überbietungswettbewerb: Hier geht es um Kontrolle und Selbststeigerung über alle faktischen Grenzen und Beschränkungen weg.
((An dieser Stelle ist spätestens eine Klarstellung über den Begriff von Ästhetik erforderlich – im weiteren Sinn damit über den Begriff von Moderne generell, so wie er hier behandelt wird. Alle Illustrationen, die erfahrungsnahes Material enthalten, machen notgedrungen Zugeständnisse: Es handelt sich um mehr oder weniger in „Religion“ und „Normalplanung“ zurückgefallene moderne Mentalitäten. Mit diesen Regressionen (oder „Denegenerationen“) zusammengehen immer auch entsprechend (aus Sicht der hier entwickelten Theorie) regredierte Einstellungen zu andern; was alles zusammen natürlich in entsprechend regredierten Formen von Ästhetik verarbeitet wird. Spätestens die Überlegungen, die jetzt in der Folge angestellt werden, unterstellen den idealen Fall genuin moderner, nicht religiös oder gläubig-normalplanerisch degenerierte Versionen von Modernität. Genuin modern motivierte ästhetische Gebilde thematisieren alternative (verglichen mit in faktischen modern konzipierten Biographien vorkommenden und als beschränkt und beschränkend erlebten), um nicht (wie es weiter oben oft genug geschehen ist) zu sagen: kompensatorische Erfahrungen von Welt/Natur und Verhalten in und zur Welt/Natur, einschliesslich der von uns erzeugten technischen Welt.))
Das Kontinuum zwischen Technik und Ästhetik ist dasjenige, das vom bereits tatsächlich Gekonnten zum vorstellbar Gekonnten und Entworfenen reicht.
Mit den vorhandenen Anwendungen, das war bei der Rekonstruktion des technischen Denkens oben schon gesagt worden, kann man beliebiges anstellen – Technik emanzipiert sich auf weite Strecken davon, dass an ihrer Wissens-Basis ständig etwas nachkommt (wenn es kommt, um so besser). Ästhetisches Denken emanzipiert sich noch einmal von dieser Anbindung an die Basis-Technologien und Anwendungen: Es kann das Wünschbare ausmalen, lang bevor Ansätze zur Realisierung bestehen. Es verwundert nicht, dass Technik und Ästhetik Anschluss aneinander bekommen können: Beide zielen auf die (existierende, verbesserbare) Reproduktionssphäre als Erfüllungsort – Technik zielt auf das reale Können und Realisierbarkeit mit vorhandenem Wissen und Mitteln (aus der existeirenden Reproduktion heraus machbar), Ästhetik auf Erfüllen (unabhängig von dem, was geht, aber nicht unabhängig von dem, was an Wünschen sich ans Bestehende anschliesst). Technisierung des Ästhetischen und Ästhetisierung des Technischen wachsen aber auch in dem Sinn aufeinander zu, dass Technik, um bedürfnis- und Wunsch-gerecht zu werden, immer komplexer, auch flexibler und abwandelbarer für Einzelfälle (aber das auch wieder für viele) werden soll; grundsätzlich ist sie zusammengesetzt aus Wiederholbarem, somit im Prinzip reproduzierbar, einzig die Zusammensetzung begründet die Anpassung an die besonderen und Einzelfälle.
Das vollkommene Wunschbild der gelungenen Existenz als GANZER hingegen, also der Idealfall des ästhetischen Gebildes, ist ein alles andre ausschliessendes Singuläres schlechthin. Dass es individuiert ist und sein soll, an spezielle (kontingente) Situationen angepasst, und überhaupt verschiedene Ausprägungen aufweisen soll, bedeutet Abstriche von seiner Idealität: (Ziel)Konfliktfreiheit (die Lösung aller solcher Konflikte), souveräne Anpassbarkeit an alle Umstände (Generalisierbarkeit) SIND zentrale Merkmale des Ideal-Wünschbaren, das Ästhetische nähert sich ihm so nah wie möglich. Und auch dies Singuläre ist eben kein Individuelles, sondern widerspruchsfreie kollektive Erfüllung – gelungene Existenz (Reproduktion, wiederholbar über Generationen hinweg, lebenslang) ALLER ohne Ausnahme. Diese Gelingens-Utopie enthält im Modus des vorstellenden Wünschens, was Technik im Modus des konstruierenden (Versuchsanlagen, Projekt-)Entwerfens bis zum realen Können in einer realen Reproduktion vorantreiben muss. In verschiedene Richtungen sich entfernend, nehmen beide Wertsphären dann Abstriche davon vor – Ästhetik die Generalisierbarkeit (stattdessen werden ihre Gebilder individueller, andere individuelle Lösungen ausschliessend), Technik die Anpassbarkeit an Bedürfnisse.
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Das Poblem, das der ZWEITE STANDPUNKT lösen musste, war, arbeitsteilige Produktion (und Verbindung von Lebensentwürfen unter einer modernen Individualität zur gesellschaftlichen Lebensform) mit der kaum bewältigbaren Expansion der Materien dauerhaft vereinbar zu machen. Dort war die Teil/Ganzes-Beziehung leicht zu bemerken, an der „Selbstähnlichkeit“ über verschiedenste Differenzierungsebenen weg behauptet wurde. Der Fehler dort war charakteristischerweise, dass den Ausdifferenzierungsprodukten, die – etwa unter dem Titel „Teil des Bestands der jeweilgen Sphäre“ anschliessend dem globalen Inventar des Technischen insgesmt zugeschlagen werden sollten, die eigentlichen Zusammenhänge, in denen das genuin Technische steht, abgingen. Solch eine Operation und Täuschung war also nur darum möglich, weil der ZWEITE STANDPUNKT diese Zusammenhänge generell nachlässig behandelte.
Das Problem des DRITTEN STANDPUNKTES aber ist, die Produktion der vier Sphären so abzuwandeln, dass sie auch in der expandierten Teilung also Trennung voneinander, einander zugewandt und zuarbeitend bleiben. Das konnte auf Dauer nur auf der produktiven Seite gelöst werden; die Anpassungen in jeder der Sphären wiederum, wie in den beiden STANDPUNKTEN zuvor schon, für anthropologisch fundiert zu erklären, führt unmittelbar in eine ganz neue Betrachtungsweise des Verhältnisses der vier Sphären; die sich anschaulich vielleicht erst jetzt ganz erschliesst: In den beiden paarweisen ANGLEICHUNGEN von Technik und Ästhetik, Wissenschaft (aus ihr entwickelter Prognostik) und Reproduktivem Alltag gehen freilich die Fundierungsbeziehungen, in denen die beteiligten Sphären zu ihren Nachbarsphären stehen, mindestens zur Hälfte, nicht anders als beim ZWEITEN STANDPUNKT, noch immer verloren; was nicht weiter verwundert, denn auch der DRITTE STANDPUNKT bietet nur eine sehr prekäre, wenn auch kostspieligere Lösung des Integrations-Problems, verglichen mit dem ZWEITEN.
Und diese Lösung sieht vor, dass die Fähigkeit, Stoff für die passenden Abnehmer (Konsumenten) passend aufzubereiten und so aufbereitet ausserhalb der eigenen Sphäre anzubieten, in jeder der vier produzierenden Sphären selbst angesiedelt ist. Warum sollte man dann nicht Gemeinsamkeiten und Beziehungen von nicht benachbarten Sphären registrieren. Fast scheint ja beim DRITTEN STANDPUNKT die Zusammenarbeit der Sphären entlang der 4er-Kette (fundierend: von rechts nach links; Sinn-liefernd: von links nach rechts) völlig vergessen und aufgegeben zugunsten einer Sichtweise, die die einander artverwandten Paare gegenüberstellt: Das Paar, das sich mit den NOTWENDIGKEITEN in Aussen- und Innenwelt auseinandersetzt (dabei je von gleichen Motiven, nur in umgekehrter Reihenfolge ansetzend, getrieben), auf der einen Seite; und: das, das sich frei entwerfend, kreativ mit MÖGLICHKEITEN oder FREIHEITEN beschäftigt und sie zu maximal sinnhaften Fortschrittspfaden zusammenfügt, auf der andern Seite.
Also je zwei Grossdomänen verschmelzen, deren (kulturell, durch das Projekt der Moderne bestimmter) Zusammenhang eigentlich durch eine dritte vermittelt ist.
(Man könnte verwuchsweise von einer konkretisierenden Deutung dieses Projekts durch den STANDPUNKT sprechen.)
Auf der Ebene der Lebensentwürfe soll die Ausgeliefertheit an (bekannte, schlimmer noch unbekannte) Notwendigkeiten und durch sie beschränkte Möglichkeiten, ebenso aber auch der frei sich selbst bestimmende Ausblick auf immer unbeschränktere, anthropologisch fundiertes Schicksal, Conditio humana schlechthin sein.
Gleichzeitig aber organisiert dieser Dualismus die gesellschaftliche Arbeit in zwei grossen Branchen: Reproduktion und Fortschritt; und die Konflikte und Problemstellungen bei der kollektiven Planung der Produktion als ganzer sind bestimmt durch Kategorien wie Schnelligkeit und Beschleunigung, Riskantheit, Robustheit, Nachhaltigkeit einerseits, aber auch Art und Richtung des Fortschritts, aus der gegebnen Situation heraus: Welches sind die unerträglichsten Misstände, was wollen wir ihrer Beseitigung opfern, was dafür zurückstellen und verschieben?
Diese ganze Betrachtungsweise läuft freilich hinaus auf ein Verdecken und Verschleiern der Tatsache, dass der Zusammenschluss in der Mitte der vier Sphären, zwischen tatsächlich umgesetztem produktiven Versuch, und bestehenden und entwickelbaren technischen Möglichkeiten und erkannten und erkennbaren Zwängen, keine vernünftigen Prinzipien hat und unter modernen Vorgaben UNBESTIMMT bleibt.
Daher bleiben auch die Prinzipien des Stellenwerts der beiden Zusammenhangs-Richtungen (womit auch zwei Teil/Ganzes- und damit Selbstähnlichkeits-Reihen eröffnet sind), „Fundiertheit“ (also Bestimmtheit-durch Faktisches, durch Wissenschaft Ermitteltes) und „Sinnhaftigkeit“ (Bestimmtheit durch Erfüllungsvorstellungen; aber welche?) unbestimmt, und können in Konflikt miteinander geraten. Oder eben die Erscheinungsform ist bezeichnend, die diese Richtungen in der hier rekonstruierten Betrachtungsweise des DRITTEN STANDPUNKTS annehmen, indem sie den Bruchspalt scheinbar überdecken, aber eben gleich wieder auf zwei verschiedene Weisen, einer, wo er Erfüllungskonzepten folgend geschlossen wird, und einer, wo seine Schliessung sich nach Fakten und Zwängen richtet.
Aber in welcher Erscheinungsform auch immer man es mit diesem Dualismus zu tun bekommt, in denen der Bruchspalt, der dabei nicht geschlossen wird, sichtbar aufklafft oder solchen, in denen dies Klaffen verdeckt bleibt: die Konflikte, denen die Prinzipien zu ihrer rationellen Entscheidung fehlen, sind unschlichtbar und unlösbar, ganz gleich, ob man sich willkürlich auf eine Seite schlägt oder alles offen lässt: Entschieden muss sein, auf der einen Seite, denn indifferent ist es nicht, wie entschieden wird – vielmehr ist alles gleich SCHLECHT, und so schlecht, dass es vermieden werden sollte; gleichzeitig ist es aber auch GLEICH schlecht, und JEDE Lösung mit (kognitiv, nicht affektiv) unerträglichen Mängeln behaftet. (Affektiv unerträglich wird das alles zusätzlich, wenn modernes Denken zurückgefallen ist in einen gläubigen Rahmen. Dazu später und andernorts mehr.)
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Der Grund dafür liegt darin, dass der DRITTE STANDPUNKT den Bruchspalt eben doch in einem gewissen Sinn zu überbrücken versucht – allerdings eher, indem er ihn überspringt (und sich dabei zweier behaupteter Selbstähnlichkeiten zwischen je zwei Wertsphären-Paaren bedient, die nicht benachbart sind und jeweils auf verschiedenen Seiten des Bruchspalts in der Mitte liegen); und, da also zwei verschiedene Weisen des Überspringens denkbar sind mit je zwei verschiedenen Wertsphären, entsteht ein Dualismus und (immer wieder) unentscheidbarer Konflikt in der Planung der Anhänger des DRITTEN STANDPUNKTS: der nämlich zwischen einer Orientierung dieser Planung auf erkannte und bekannte Notwendigkeiten (Zwänge, Risiken, die zu minimieren wären), und der auf Freiheiten (Chancen, Fortschrittsoptionen, Produktivitätsentwicklungen). Es versteht sich, dass dieser Konflikt nicht verschwindet, wenn die Lasten gleich welcher vorgeschlagenen Lösung, auch aus Sicht der Beteiligten, maximal gleich verteilt würden (solche Gleichverteilung, die nachvollziehbare Gleichverteilbarkeit voraussetzt, ist hier immer schon unterstellt). Das Hässliche und Schlechte des Konflikts liegt darin, dass in Wahrheit BEIDE Seiten belastend sind: Die Entscheider (in eigener Sache, dh. sie spüren die Folgen der Entscheidung unmittelbar in ihrem Leben) können entweder mit Notwendigkeiten kämpfen, oder nochmehr Notwendigkeiten inkaufnehmen, um bestehende Notwendigkeiten zu reduzieren; was meist nur bedeutet, weitergehende Optionen im Kampf gegen die DANN bestehenden Notwendigkeiten zu haben. Mit anderen Worten: Der Fortschritt ist blosser Produktivitätsfortschritt; die Freiheit besteht allenfalls in der Wahl der Fortschrittsgeschwindigkeit, damit aber auch der Wahl des Anteils aus Fortschrittsbeschleunigung vs. Status-quo-Bechränkung. Die wahren Utopien für Anhänger des DRITTEN STANDPUNKTS liegen fast immer jenseits dessen, wohin ihre Planhorizonte und damit Konflikte reichen: Es sind andere Arten zu arbeiten, solche, die den Idealen abgelegter weil mit moderner Expansion auf Dauer nicht vereinbarer ERSTER und ZWEITER STANDPUNKT-Lebensformen entsprechen. Ihnen JETZT Raum zu geben, verwandelt dann die dilemmatische in eine trilemmatische Konfliktform, aber erledigt die Widersprüchlichkeit nicht und setzt ihr keine Grenze. Warum ist das so – und warum ist es eine unvermeidliche Konsequenz der Denkweisen, die den DRITTEN STANDPUNKT definieren?
Sehen wir uns die entscheidende Denkfigur dieses Standpunkts an, man könnte sie etwa so darstellen:
((freie Zeit: (Re)Produzieren im Stil von ERSTEM und ZWEITEM Standpunkt))
————————————————————————————
^ ^ ^ ^ ^ ^ ^
Ästhetik (<Fluchtbedürfnisse=Alltag (2) > (Erfüllens-)Technik (2)
^ ^ ^ ^ ^ ^
Reproduktion=(Routine)Alltag (1) (<(Könnens-)Technik (1) < Wissenschaft (ohne Kontrolloption: 1, technologisch: 2)
Späterer Zusatz. Das hier stehende Diagramm enthält mehr von der „Selbstähnlichkeit“ des DRITTEN STANDPUNKTS, als in der nachfolgenden Original-Überlegung darin gesehen wurde. Das Versäumte wird später nachgeholt. Das Kapitel müsste ab hier neu geschrieben werden.
Die drei alternativen Optionen, die dieser Standpunkt dafür kennt, wie gesellschaftliche Produktion eingerichtet und geplant werden könnte, stehen hier in einer Rangfolge, die anzeigt, dass und wie über sie vorab entschieden ist: Die Produktivitäts-Fortschrittszeile ist nachrangig, erst recht die utopische Freie-Zeit- oder Freiheits-Zone, die ins technologische Jenseits verschoben ist.
Gegenüber dem weiterhin gültigen modernen Kulturprogramm mit seiner 4er-Kette, das die globalen Fundierungs- und Sinnstiftungs-Beziehungen zwischen den Sphären beschreibt, gibt es einige erhebliche Veränderungen – sie beziehen sich allerdings auf die Art und Weise, wie dieses Programm, mit den zusätzlichen Zielen des DRITTEN STANDPUNKTS, in einem gesellschaftlich geplanten System arbeitsteilig verbundener moderner Produzenten (für die unterstellt ist, dass sie allesamt den DRITTEN STANDPUNKT teilen) umgesetzt werden soll:
a) die Erinnerung daran, dass dazwischen die zwei je beteiligten Wertsphären eine dritte tritt, tritt in den Hintergrund, darum ist es möglich,
b) die Wissenschaft in zwei Teile zu zerlegen, eine rein auf unkontrollierbare Randbedingungs-Fakten (auf die man aber reagieren kann) orientierte prognostische Abteilung (1) (als wäre die Auswahl prognostisch relevanter Zusammenhänge keine Technologie!), und eine Grundlagen-Abteilung der Technik im eigentlichen Sinn, die sich auf Technologie reduziert. Die beiden Wissenschaftszweige beziehen sich auf unterschiedliche Objektbereiche, im wesentlichen diätetische, epidemiologische, pharmakologische, aber auch geoökologische oder klimatologische Daten über Zusammenhänge von einwirkenden Parametern und Funktionsstörungen der eine, der andere auf immer kleinere und indirekt manipulierbare Elemente zu Apparaten, Automaten (als die auch lebende „Systeme“ zu verstehen sind) sowie Substanzen und Synthesewege für sie.
c) Abgesehen von den dazwischentretenden Elementen, ist zumindest in einem Fall eine Fundierungs- und Sinn-Beziehung im Kulturprogramm krass in ihr Gegenteil verkehrt, und das just an der Stelle des Bruchspalts, wo dies Programm die meisten Schwierigkeiten hat, Sinn- und Fundierungs-Beziehungen zu behaupten, nämlich zwischen Technik und Alltag.
d) Dass technologisch reduzierte Wissenschaft 2 und Ästhetik letztlich dieser Heilssphäre Technik zuarbeiten, und mehr oder weniger Vorfeld- und Hilfs-Arbeiten für sie verrichten, ist dann nur konsequent: Technik definiert Fortschritt, Technik-Ausweitung ist das Fortschrittsmittel schlechthin.
Und vorhandene Reproduktion, Alltag, Leben, ist herabgesetzt zum Mittel dieses Mittels – der Streit dreht sich nur um die Frage, wieviel Eigenrecht dies Mittel zum Erhalt dieser Mittelfunktion beanspruchen muss.
e) Die Wunschziele, mit denen man seine freie Zeit füllen möchte, sind zwar an die Spitze der Prioritätenliste ge-, aber zugleich auch entrückt; ihnen vorzeitig Raum zu geben (es sei denn, es entspräche dringlichster NOTWENDIGKEIT), würde die Fortschrittsressourcen unnötig von ihrer Hauptverausgabungsrichtung ablenken.
((Man sieht hier wohl: Die gegenwärtig massgeblichen Vorstellungen von dem, wie industrielle Moderne ein- und worauf sie auszurichten ist, sind wesentlich vom Denken des DRITTEN STANDPUNKTS bestimmt.))
46.
(c3. Selbstähnlichkeit im VIERTEN STANDPUNKT) Das Problem der Anhänger des DRITTEN STANDPUNKTS ist, dass sie zwar Wachstums-Formen und Sinnerfüllungen kennen, die nur leider in völlig unterschiedliche Richtungen weisen: Herauskommt eine tri- um nicht zu sagen: tetralemmatische Konfliktstruktur, in der nichts darauf hinwirkt, die Gräben zwischen den Konfliktpositionen je (womöglich durch eine zweckmässig darauf bezogene Verteilung der gesellschaftlichen Ressourcen auf diese Positionen) einzuebnen:
Sicherheit und Robustheit der existierenden Produktion erhöhen steht im Gegensatz zur Steigerung technischer Fähigkeiten, beide zusammen im Gegensatz zu einer nach den praktisch überholten, aber als Utopien um so wirkmächtigeren ZWEITEN und ERSTEN STANDPUNKTEN gestalteten Privat-Arbeit. An der Oberfläche gibt es zwar Konzepte, wie Bedürfnisse und Spielraumgrenzen eines jeden (sein Lebensentwurf sich einfügend in eine dem Konzept entsprechende arbeitsteilige Zusammenlebens- und -arbeitsform aller) mit aktuell verfügbarem und prognostischem Wissen-wie zusammengefügt, und damit den 6 transzendental-ökonomischen Prinzipien eine Anwendung verschafft werden können; nur sind es eben drei oder vier Konzepte (oder Konzeptarten, mit zahllosen Varianten), statt ein einziges.
Wenn also der VIERTE STANDPUNKT (auf dessen Erklärung hier die ganze Zeit zugearbeitet wird) über dieses Tri- oder Tetralemma hinauskommen will, muss er zwei oder drei entscheidende Integrationsschritte und Konfliktbereinigungs-Regeln anbieten. Was hat er dafür in der Hand?
Wieder dient eine unter dem nicht nachlassenden Wachstumsdruck der Materien verfeinerte Praxis und dazu gehörende Anthropologie als Basis, wie sie im 1.Kap entwickelt und dem VIERTEN STANDPUNKT zugeordnet wurde.
Ihr zufolge nimmt jede der vier modernen Haupt-Kultursphären in der Umsetzung auf Lebensform- und Lebensentwurfsebene nicht nur, wie im DRITTEN STANDPUNKT, Elemente der jeweils übernächsten Nachbarsphäre auf (die Sphären angeordnet in der Reihenfolge, in der sie die ganze Zeit behandelt werden); sondern in die so entstandenen Paare werden die je anderen Paare, mit charakteristisch unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, eingefügt; eben mit unterschiedlichen Schwerpunkten, ist damit jede Sphäre besetzt mit Werten und Orientierungen aus jeder der andern drei, die Sphären scheinen sich somit überhaupt nur noch durch diese Akzentuierungen zu unterscheiden: Ihr Inhalt scheint in allen derselbe, ganz im Sinne des ERSTEN STANDPUNKTS, dennoch ist das mit Spezialisierung und arbeitsteilig geplanter Konzentration auf ein Detail vereinbar, das mit grösstmöglicher Sorgfalt und Kenntnis perfekt bearbeitet wird: ZWEITER STANDPUNKT; aber auch die möglichen Hauptorientierungs-Richtungen, die den DRITTEN STANDPUNKT zerrissen, sind, miteinander versöhnt, in jede der vier verfeinerten und fortgeschritten-modernen Sphären eingearbeitet. So scheint in dieser Anthropologie alles nur irgend versöhnungsbedürftige integriert, alls Spalten überbrückt, alle Konflikte bereinigt und geheilt. Es bleiben – unterschiedliche Schwerpunkte. Aber sind sie wirklich imstand, diese ihnen zugetraute Leistung zu erbringen? Gehen wir es an den vier Beispielen einzeln durch:
Alltag wird wesentlich zur (diätetischen) Wissenschaft seiner selbst, WEIL (nachdem, dadurch dass, im Mass wie) Technik utopisch, zum Inhalt von Sinnerfüllung geworden ist.
Wissenschaft wird Alltags-artig, WEIL alle vorstellbare Sinnerfüllung als Technik-Fortschritt gedacht wird.
Technik -Fortschritt wird zur anschaubaren Sinnerfüllung, WEIL Wissenschaft zum wichtigsten Reproduktionsmittel des Alltags wird.
Ästhetik wird technisiert, WEIL Alltag Inhalt seiner wissenschaftlichen Analyse wird.
Also zum Beispiel:
Wissenschaft, die Erforschung des von sich aus Vorhandenen, nimmt in der Praxis faktisch Alltags- und Reproduktionsform an, wird Beruf. Aber sie wird es vollends erst darum und dadurch, weil und dass alles, was zur Sinnerfüllung gerechnet wird, auch technisch gedacht, Sinnerfüllungs-Ziele insgesamt zum Teil der bloss technischen Erfüllung gemacht werden.
Übersetzen wir das in die formale Terminologie, die sich bei Betrachtung der 4er-Reihung der Kultursphären ergab – aus den beiden gegenläufigen Möglichkeiten, ihre Verknüpfung entlang dieser Reihung zu verstehen: einmal als Fundierungs-Beziehung („rechtsstehend liefert linksstehend das Eingangsmaterial“, zB Wissenschaft der Technik, Technik der Reproduktion, Reproduktion (in Gestalt der Grenze von Erledigtem und Unerledigtem, offenstehenden Bedürfnissen der Nicht-kulinarischen, reproduktiven (wiederholbaren) der ästhetischen Sphäre); zum andern als Erfüllungs-Beziehung („linksstehend liefert rechtsstehend abschliessende Sinn-Erfüllung, Legitimation und Daseins-Zweck: das ästhetische Erleben rundet zu jedem Zeitpunkt, durch vorstellendes Anschaulichmachen und vorwegnehmendes Erleben der je anstehenden nächsten (oder auch aller) ausstehenden Projekte und/oder Erlebnismöglichkeiten, die Routine werden könnten, die Alltagsroutine ab, gibt ihr Perspektive; Alltag verschafft der Technik sinnvolle Anwendung, bezieht ihre Möglichkeiten auf einen Fortschrittspfad, worin sie aus dem Vorhandenen heraus sukzessive verwirklicht wird, und dabei den Alltag sicherer und produktiver macht; Wissenschaft liefert Techniken und Prognostiken, die auf Spielräume und Bedürfnisse und Wünsche grundsätzlich bezogen werden KÖNNTEN, das Material im Vorhandenen, an dem sie als Ausgangspunkt ansetzen können – und so findet diese Wissenschaft dann ihre von Technik gelieferte Anwendung).
In dieser Terminologie von Fundierung und Erfüllung gesprochen, sieht die vom VIERTEN STANDPUNKT für Wissenschaft erdachte anthropologische Figur so aus:
Wissenschaft fundiert nicht nur Alltag, ihre Erfüllungsqualität wird derjenigen der Alltagsstufe unmittelbar gleichgesetzt.
Und warum soll das möglich sein?
Weil Technik Material der Sinnerfüllungssphäre in sich aufnimmt und „technisiert“ – mit andern Worten, dies Material FUNDIERT (neben anderm) Technik, in dieser Denkweise.
Also nur Umkehr der Erfüllungs- und Fundierungs-Logik des Kulturprogramms ermöglicht die gewaltsame Schein-Synthese des VIERTEN STANDPUNKTS mit bezug auf die Wissenschaft. Das hatten wir allerdings schon – denn nur so war ja die paarweise Angleichung der determinierten bzw. kreativ-freien Sphären unter dem DRITTEN STANDPUNKT möglich. Hier hingegen sind nicht nur die insgesamt vier gegenüber dem Kulturprogramm „umgedrehten“ Sätze und Verständnisse paarweise gekoppelt – diese Verständnisse (von Alltag als geplant, Wissenschaft als Inhalt von Bedürfnis, Technik als auf ästhetisch-Erlebnisartige Singularitäten-Problemlösungen ausgerichtet, Ästhetik als technisiert) sind mit je komplementären Gegen-Sätzen als „Gründen“ vielmehr so gekoppelt, dass sich eine Ringstruktur ergibt, und die Sätze im Kreis herum aufeinander verweisen:
Alltag wird zur Wissenschaft, weil Technik Sinnerfüllung wird (oder geworden ist); Technik wird Sinnerfüllung, weil Wissenschaft zum Alltag wird (oder wurde); Wissenschaft wird Alltag, weil Sinnerfüllung Technik wird/wurde; Sinnerfüllung wird Technik, weil Alltag Wissenschaft wird/wurde usw.
Die Frage, die wir uns zu stellen haben, ist: Ob die Sätze tatsächlich dieselben sind, je nachdem ob sie begründete oder begründende sind. Und: Ob diese Formeln, in denen je drei fehlende Sphären-Anteile sich zu einem Haupt-Anteil gesellen, ausreichen, um den Gedanken einer Selbstähnlichkeit nicht nur von moderner Kultur und Lebensform, sondernauch von Lebensform und damit Kultur mit den Lebensentwürfen einzelner Produzenten zu begründen; und damit die endgültige Legitimation für diese Lebensform zu liefern (wie sie in der Interpretation des VIERTEN STANDPUNKTS erscheint), nämlich als eine nichts und niemand von etwas unter modern-kulturellen Gesichtspunkten aktuell Wichtigem ausschliessende.
47.
Also viel genauer muss über diesen STANDPUNKT nachgedacht werden.
Formal entsteht er einfach dadurch, dass die Paarungen Alltag/Wissenschaft, Ästhetik/Technik aus dem DRITTEN STANDPUNKT jeweils in zwei Varianten zerlegt werden, worin die beiden beteiligten Sphären eine asymmetrische Position einnehmen, ausgedrückt etwa durch die Formulierung „x wird zu y“ (Alltag zu Wissenschaft, Wissenschaft zu Alltag; Ästhetik zu Technik, Technik zu Wissenschaft).
Wenn wir dann vier Aussagen bekommen wollen, deren jede jede Wertsphäre genau einmal enthält, müssen wir es so machen: Jede der so entstandenen vier Aussagen, etwa „Wissenschaft wird Alltag(sartig)“ wird gekoppelt mit je einer der verbliebenen drei Aussagen; allerdings nicht mit derjenigen, die dasselbe Wertsphärenpaar enthält (wenn auch im umgekehrter Reihenfolge, also im Beispiel diese: „Alltag wird Wissenschaft“). Sondern mit einer der beiden Varianten des je komplementären Wertsphärenpaars, im Beispiel also entweder „(weil) Ästhetik Technik(artig) wird“ oder „(weil) Technik Ästhetik(artig) wird“. Mit der Entscheidung auf eine dieser beiden Varianten des Komplementär-Paars ist das restliche Quartett festgelegt, und es entsteht eine Ringstruktur, so wie eben in 46 vorgeführt; es ergeben sich also zwei mögliche solche Ringstrukturen oder Quartette, nur eine der beiden wurde hier ausgewählt – warum? Dieses Detail zu betrachten, ist nützlich, um sich über grundlegende Kategorien klarzuwerden, mit denen der VIERTE STANDPUNKT assoziiert ist – teils indem er sich wengstens implizit dazu verhält, teils indem er sich dazu gerade NICHT verhält und sie ignoriert; danach werde ich hoffentlich imstand sein, die Fragen am Ende des letzten Abs. zu beantworten.
Die Behauptungen, die die Anthropologie des VIERTEN STANDPUNKTS über Lebensentwürfe und darauf sich beziehende Einstellungen von Menschen macht, die sich dem (für rational gehaltenen) modernen Kulturprogramm verschrieben haben, wären nicht erforderlich, wenn sie nur einfach wiederholten, was dieses Programm selber enthält: Dann würden sie, so wie der ERSTE STANDPUNKT, die Übereinstimmung dessen behaupten, was moderne Kultur, Lebensform und Lebensentwurf aller Beteiligter ausmacht. Stattdessen aber behaupten sie charakteristische ABWEICHUNGEN in den Prinzipien, nach denen moderne Lebensentwürfe (im Rahmen ihres Verbunds zur zwangslosen-gemeinsamen arbeitsteiligen Lebensform) gestaltet sind, von dem Programm, das sie in ihrer aller freien Assoziation zur Prouzenten-Gemeinschaft, miteinander, füreinander, umsetzen wollen. Die Anthropologie behauptet solche Abweichungen in den BEZIEHUNGEN zwischen den Abteilungen, in die sich, ihr zufolge, auch noch der Lebensentwurf moderner Individuen und Produzenten während seiner Teilhabe an der gesellschaftlichen Lebensform der freien, also zwanglosen Produzenten-Assoziation, zerlegt: ganz analog zu der Weise und ihr entsprechend, in der sich das kulturelle Projekt selbst und die es zu jedem Zeitpunkt umsetzende gesellschaftliche Produktion in miteinander verbundene Wertsphären und Branchen aufgliedert.
Die vier Abteilungen auf all diesen Ebenen, Kultur (kulturelles Projekt, Individualität) der Moderne, aktuelle Lebensform (gesellschaftlich-arbeitsteilige Produzenten-Assoziation) und Lebensentwurf des Einzel-Produzenten darin, sind untereinander verbunden, derart dass sie in einer Reihe angeordnet werden können:
Ästhetik – (Routine)Reproduktion (Alltag) – Technik (technologisches Entwickeln, Erfinden) – Wissenschaft (Forschung, Beobachten/Erklären des Vorhandenen).
Von rechts nach links liefern die Abteilungen der je nächsten den Eingangs-(Erfahrungs-)Stoff für die weitere Verarbeitung, oder, mit dem oben benutzten Ausduck, sie FUNDIEREN die je linker stehende Sphäre; dies gelieferte Material stellt eine Auswahl dar der Gesamtmasse an Stoff, die die liefernde Abteilung überhaupt produziert hat bis zu diesem Zeitpunkt.
Von links aussen, von Ästhetik ausgehend, geben die Sphären einer Aktivität in der je rechts von ihr stehenden Sphäre erst Sinn.
Alle Konflikte, von denen in der Erörterung des ERSTEN bis DRITTEN STANDPUNKTS bislang die Rede war, waren solche zwischen drohender Materialarmut (Abgeschnittenwerden von fundierendem Stoff) oder aber Sinnverlust (durch Verlust des Anschlusses an die weiterführende Erfahrungsverarbeitung in „linker“ Richtung“). Immer wurden sie zugunsten der Material-Expansion, also des Gelingens von Stoff-Flüssen zu den je nächsten Verarbeitungsstationen, gelöst; womit das Sinn-Defizit für die Einzelnen (sofern dem nicht wenigstens Versprechen auf Kompensationen in der Zukunft und/oder Freizeit entgegenwirkten) immer grösser wurde.
Für das Verständnis der Denkfiguren,…
mit denen der VIERTE STANDPUNKT sich die Vereinbarkeit von Lebensentwürfen aller mit den Anforderungen ihrer Stellung in der (arbeits)geteilten Lebensform und denen des kulturellen Programms insgesamt zu plausibilisieren versucht,
…ist es erforderlich, zu sehen, dass einige der asymmetrischen Verbindungen zwischen den Sphären, die er jeweils behauptet, den ursprünglichen Fundierungsbeziehungen des kulturellen Programms widersprechen: Das sind zum einen jene, die paraphrasiert wurden mithilfe der Formulierung „x wird Inhalt von y“ (zB. Alltag wird Inhalt von Wissenschaft).
Die zweite Paraphrase „x wird y“ ist zu lesen als: „x wird unmittelbar so sinnhaft wie y, der x-Sinn wird y-artig eingefärbt“. Dabei ist das Wort UNMITTELBAR zu betonen: denn die Übertragung von Sinn in der Sinn-Rangfolge gemäss den Sinn-Beziehungen des modernen Projekts geschieht nicht sprunghaft, sondern von Ästhetik zu Alltag (erst Ästhetik gibt den Inhalten des Alltags ihren letzten Sinn), von Alltag zu Technik (…), von Technik zur Forschung (…). Aber in mindestens zwei Fällen macht der VIERTE STANDPUNKT Behauptungen, die solche Sinn-Sprünge unterstellen, nämlich einmal, wenn es heisst: Wissenschaft wird (selbst) Alltag; zum andern, wenn er sagt: Technik bekommt (unmittelbar) Erfüllungscharakter.
Am Ende aber kommt es entscheidend auf die WEIL- (oder umgekehrt: „und folglich“)-Verknüpfungen zwischen den beteiligten Behauptungen an; denn nur durch sie bzw. ihre Reihenfolge unterscheiden sich die beiden Möglichkeiten, Denkfiguren in der Art des VIERTEN STANDPUNKTS überhaupt zu konstruieren.
Also: wie sind sie denn konstruiert?
48.
Wir hatten von den vier Sphären je zwei zusammengefasst, es sind jene, deren Affinität zueinander sich im DRITTEN STANDPUNKT bereits bewährt hatte.
Allerdings bedurfte es einiger (vor allem auch praktischer!) wechselseitiger Anpassungen und (faktischer Entwicklungs-) Zwischenschritte, damit sich Forderungen an Sphären wie „Wissenschaft muss zum Bedürfnis werden“ und „die Berufstätigen-Existenz bedarf ihrer Erforschung“ verwandeln in Aussagen der Form: „Forschen wird zum Berufstätigen-Alltag“ und „der gesamte Berufstätigen-Alltag in all seinen Aspekten wird Feld seiner Beforschung und anschliessenden Beratung durch Experten“. Gleiches gilt für die Sätze „ästhetisches Erleben muss bearbeitet werden, um einem dafür ansprechbaren Publikum zugänglich gemacht werden zu können“ und „Technik muss regelmässig den Weg suchen und finden von rein potentiellem Anwendungs-Können zu relevanten und realen Lösungen von Aufgaben und Problemen in der (Re)ProduktionsAlltags- und Berufstätigensphäre“ hin zu: „Ästhetik lässt sich immer wieder in eine Fülle speziell ästhetischer Techniken überführen, mit denen ein spezieller Geschmack bedient werden kann“ und „Technische Problemlösungen und Entwicklungen werden zu einem wesentlichen Teil des utopischen Sinnhorizonts in modernen Gesellschaften (Lebensformen)“.
In diesen vier Sätzen taucht jedes der beiden Paare zweimal auf, mit einer der beteiligten Sphären in der Position des Satzsubjekts.
Die Denkfiguren des VIERTEN STANDPUNKTES kombinieren je zwei dieser Sätze so, dass alle vier Sphären darin vorkommen; der erste und zweite Satz sind je durch ein WEIL (bzw. bei umgekehrter Reihenfolge der Sätze, durch ein UND DARUM) verbunden. Dabei werden in den Einzelsätzen Fundierungs-Zusammenhänge in der „verkehrten“ Richtung oder aber Sinnstiftungs-Zusammenhänge über eine Zwischenstation hinweg behauptet; bzw. dasselbe umgekehrt: Fundierungszusammenhänge unter Auslassung der Zwischenstation, oder Sinn-Übertragungen in der verkehrten Richtung, Ich liste die vier Sätze in Kurzform auf, wobei Wissenschaft und Technik repräsentiert sein sollen durch die Buchstaben W und w, Erfüllung und Alltag durch E und e.
1 e >W
2 W > e
3 w > E
4 E > w
Man sieht jetzt, dass es zwei Möglichkeiten gibt, etwa den Satz 1 mit einem komplementären WEIL.. zu ergänzen: 1, WEIL 3, oder 1′, WEIL 4′.
Aus Gründen, die noch zu erörtern sind, wurde bislang die „alternative“ Version nicht benutzt.
Die restlichen Zuordungen sind dann, wenn sich nichts wiederholen soll, ebenfalls festgelegt:
1 WEIL 3 alternativ: 1′ WEIL 4′ oder, in anderer Reihenfolge: 3′ WEIL 1′
2 WEIL 4 2′ WEIL 3′ 4′ WEIL 2′
3 WEIL 2 3′ WEIL 1′ 2′ WEIL 3′
4 WEIL 1 4′ WEIL 2′ 1′ WEIL 4′
(Die Striche sollen hier und nachfolgend nur andeuten, dass die Sätze 1-4 hier betrachtet werden als in der alternativen Beziehung stehend.)
(Wie oben bereits bemerkt, führt in beiden Fällen Hintereinanderschaltung aller WEIL-Sätze zum Ausgangspunkt zurück: 1 weil 3 weil 2 weil 4 weil 1 usf oder auch umgekehrt: 1 darum 4 darum 2 darum 3 darum 1 usw.)
Die bisherigen Paraphrasen jeder der vier Ziffern waren (mit Ausnahme von 3) alle doppelt: In der vorderen Position hatten sie die Form „x wird immer mehr zu etwas y-artigem“; in der erklärenden Position hingegen wurde mehr oder weniger abweichend interpretiert, was der „wird-zu“ Satz noch meinen könnte oder wie er sich auswirken könnte: Normalerweise nahmen sie die Gestalt an: „x wird Inhalt oder Gegenstand von y.“ Man könnte sagen: In der vorderen und je durch den weil-Satz erklärten Position war das X betont: X wird y-artig, bleibt aber X. In der erklärenden Position hingegen ist im Grund von Y die Rede, der x-Inhalt wird dort geradezu hineingeladen, aber eben als Inhalt, der von der Y-Abteilung bearbeitet wird; von einem Verschmelzen kann in keinem der Fälle gesprochen werden.
Die jeweiligen beiden Wortlaute der ursprüngliche Doppel-Paraphrasierungen deuten darauf, dass eine schlichte Identifizierung der beiden Sätze (wie sie für ihre Endlos-Verkettung wie oben voausgesetzt ist) auf Schwierigkeiten stösst, vielmehr zeigt sich da ein deutlicher Akzent, einmal auf das vorn stehende Satzsubjekt, einmal auf die andere beteiligte Sphäre (s.u. Lesehinweis für die folgende Aufstellung):
S: 1 weil 3 „ALLTAG nimmt immer mehr wissenschaftlichen Charakter an, weil..
(die technischen Verfahren im Alltag immer anspruchsvoller werden, als ob sie selbst bereits ERFÜLLUNGScharakter hätten: immer schneller wechseln, sich anhäufen und komplizierter werden, und die Produzenten und ihre physischen Möglichkeiten dabei immer mehr zum limitierenden Faktor werden, den man durch Forschung und biologisch-medizinische Technik kontrollieren lernen muss)…“;
F: 3′ weil 1′ „weil Alltag Inhalt und Gegenstand von WISSENSCHAFT und wissenschaftlichen Analysen und Forschungen wird,“(darum…)“nähert sich TECHNIK utopisch-einmaligem Problemlösen“
S: 2 weil 4: „WISSENSCHAFT, Forschung wird alltags-ähnlich (besteht zu grossen Teilen aus produktiven Routinen), weil…
„utopische Vorstellungen zunehmend Inhalt von TECHNISCHEN Problemlöse-Aufgaben werden…“
F: 4′ weil 2′ „weil Wissenschaft wichtigstes Reproduktions- also ALLTAGsmittel und als solche wichtiger Alltagsinhalt, Moment von Reproduktion neben anderen, wird… (darum…) „wird ÄSTHETISCH-utopisches Ideal-Erleben und Wunsch-Vorstellen immer mehr zu einer Darstellungs-Technik für Fortschritts- und Erfüllungsanschauungen oder Utopien“;
S: 3 weil 2: „TECHNIK nähert sich utopisch-einmaligem Problemlösen an…“ „weil Wissenschaft wichtig(st)es Reproduktions- also ALLTAGsmittel und als solche wichtig(st)er Alltagsinhalt, Moment von Reproduktion neben den anderen wird.“;
F: 2′ weil 3′: „weil Technik und technischer Fortschritt als ganzer Inhalt von utopischen ERFÜLLUNGs-Vorstellungen wird… (darum…) „wird WISSENSCHAFT, Forschung immer alltags-ähnlicher (besteht zu grossen Teilen aus produktiven Routinen)“
S: 4 weil 1: „ÄSTHETISCH-utopisches Ideal-Erleben und Wunsch-Vorstellen wird immer mehr zu einer Darstellungs-Technik für Fortschritts- und Erfüllungsanschauungen oder Utopien“ weil „Alltag Inhalt und Gegenstand von WISSENSCHAFT und wissenschaftlichen Analysen und Forschungen wird…“
F: 1′ weil 4′: „weil utopische Vorstellungen zunehmend Inhalt von TECHNISCHEN Problemlöse-Aufgaben werden… (darum) „muss ALLTAG immer mehr Wissenschafts-Charakter annehmen“.
—————
Lesehinweis: Jedes der Paare 1-4 kommt zunächst vor in der begründeten Position und gleich anschliessend in der weil- oder begründenden Position. Die Hervorhebungen der betonten Begriffe sollen nachvollziehbar machen, dass der im jeweiligen weil-Halbsatz stehende betonte Begriff den des anderen Halbsatzes fundiert=F oder ihm Sinn liefert=S. Die F-Fälle bilden zusammen die „alternative“ Liste (und den aus deren Teilen gebildeten „Ring“); die S-Fälle die andere.
49.
Die wechselseitige Übertragung (auch entgegen der eigentlich kulturell „korrekten“ Richtung) dessen, was den allgemeinen Charakter und „Sinn“ der eigenen Sphäre ausmacht, und das über ein übersprungenes Zwischenglied in der kulturell bestimmenden Reihe der vier modernen Kultursphären: Das gab es schon im DRITTEN STANDPUNKT, oder war geradezu konstitutiv für ihn.
Jetzt aber übertragen sich dieselben Sphären, in derselben Konstellation, Material, fundieren in diesem Sinn einander (und auch das unter Auslassung des Zwischengliedes; bzw. auch in „falschen“ Richtungen). Und genau das scheint stattzufinden am Ende der Entwicklung, durch die „x immer y-artiger“ wird, also Wissenschaft immer alltags-artiger (Forschung wird Routine) und Alltag immer Wissenschafts-artiger. Behauptet wird aber unter dem VIERTEN STANDPUNKT kein Resultat (obschon die reale Entwickeltheit der modernen Verhältnisse erste Anhaltspunkte schaffen muss, damit die Sätze plausibel erscheinen); vielmehr sind sowohl die Sätze über die paarweise Angleichung zweier Sphären an die je andre, also auch die Sätze über Material-Übertragung von der einen in die andre und Mit-Fundierung der andern durch die eine Tendenz-Aussagen, die „immer stärker, zunehmend mehr“ gelten, oder es nähert sich dabei etwas immer mehr demunddem Zustand usw (s.o. die Paraphrasen). Darum werden auch die behaupteten Folge-Zusammenhänge („und darum…“ bzw. „weil“) behauptet nur „im Masse wie (das der Fall ist)“. Auf diese Weise findet also erst die Identifizierung von Sinn-Übertragung mit tendenziell zunehmender Material-Übertragung statt, anschliessend die (dadurch erst mögliche) ringförmige Fortschrittsbewegung und das ständige Überfliessen aller Sphären-Inhalte in die je nächsten (im Sinne der neuen Reihenfolge, die der VIERTE STANDPUNKT zusätzlich zur kulturell grundlegenden Abfolge der Sphären in der Moderne behauptet).
Tatsächlich werden diese beiden unterschiedlichen Folgen garnicht auf derselben Ebene gesehen: die übliche Reihe Wissenschaft-Technik-Produktion-Ästhetik ist die auf der Ebene der modernen Kultur, des Kulturprojekts; die Materie-Massen, die im Zuge der fortschreitenden Produktion in all diesen Sphären entstehen und sie auffüllen, stehen nach wie vor in denselben Begründungs-, Fundierungs- und Sinnübertragungs- und -erfüllungs-Zusammenhängen wie eh und je. Aber das verschlungen-fortschreitende Fliessen der expandierenden Materien durch die in sich selbst mündende Schlinge der „tendenziell immer stärker“ wirksamen Sphären-Verbindungen bestimmt die gesamte arbeitsteilige Produktion dieser Masse an Materie der Einzelsphäre; ihre isolierte Auf-Summierung zum Beitrag der Sphäre, als wäre der autochthon dort produziert worden, wird der dynamischen Struktur der gesellschaftlichen Lebensform nicht gerecht, die als ganze diese Einzelsphäre-Massen quasi wie Pegelstände eines Flusses in den Abteilungen erzeugt. Aber die wichtigste Konsequenz betrifft die Produzenten in den Abteilungen: Nicht nur ist der Fortschritt jeder Station des gesamten geselslchaftlichen Betriebs von dem jeder anderen abhängig gemacht; es defilieren auch die Resultate der Fortschritte anderer Sphären früher oder später an dne Angehörigen aller andern vorbei, alle bekommen es mit dem Produkt aller zu tun – zumindest „im Mass wie“ die Produktion der gesamten Gesellschaft (der freien, unter dem modernen Kulturprogramm sich arbeitsteilig organisierenden Produzenten-Assoziation) Fortschritte macht. Fortschritte irgendwo sind somit Fortschritte aller, zumindest Fortschritte ihrer immer weitergehenden Vernetzung und wechselseitigen Nicht-Ausschliessung. Ein Streit über unterschiedliche Fortschrittsgeschwindigkeiten kann nicht mehr entstehen (höchstens noch: wieviel Arbeit, und das ist wesentlich Arbeitszeit, jeder an seiner Stelle und Stätte der gesellschaftlichen Gesamtproduktion veraugaben will. Etwas, das sehr vergleichbar wird, unter dem Gesichtspunkt, dass prinzipiell alle Mitglieder der Assoziation (Einarbeitung, Ausbildung vorausgesetzt) prinzipiell alles machen könnten…)
50.
Das alles muss jetzt noch mehr im Detail betrachtet werden.
Einmal, indem wir fragen, was die Sätze 1-4 eigentlich bedeuten, je nachdem, ob dabei „Übergänge“ einer Sphäre in die andere oder Sinn-Überträge („Wissenschaft an sich ist schon so sinnvoll wie sonst erst (ihre Umsetzung in) Alltag und Reproduktion es war“) oder gar Fundierungs-Zusamenhänge und Inhalts-Überträge („das Alltagsleben wird Gegenstand eigener Forschungszweige“) im Spiel sind.
Zum anderen müssen in diesem Zusammenhang die zweimal vier WEIL- bzw. dadurch-dass- (oder umgekehrt „und-darum“)-Zusammenhänge zwischen den komplementären Sphärenpaaren erörtert werden.
Und die beiden Betrachtungen müssen dann auch noch zusammengeführt werden.
Ich hatte gesagt: Es gibt nur zwei mögliche Anordungen, durch die die WEIL-Verknüpfung der 4 Sätze in sich selbst zurückmündet.
Dabei ergibt sich: In der einen, der Hauptversion, treten sich, entsprechend der Interpretation, wonach in jedem an der Verknüpfung beteiligten Sphärenpaar nur je EINES das betonte ist, diese jeweils betonten Sphären in solcher Konstellation gegenüber, dass die den Grund (per WEIL) liefernde betonte Sphäre gegenüber der betonten Sphäre des begründeten Satzes Sinn-liefernd ist – entsprechend der Reihenfolge des Kulturprogramms, also zum Beispiel:
1 WEIL 3: (1= e>W) Alltag wird immer mehr verwissenschaftlicht, WEIL (3= w>E) technischer Fortschritt generell immer mehr unmittelbar und schon als solcher als Sinn-Erfüllung (man könnte sagen: Selbstzweck) gilt. Sinn-Erfüllung/Anschauung/Ausmalung und als solche interpretierte Ästhetik liefert aber, in der von rechts nach links laufenden Reihe zunehmender Sinn-Erfüllung, der unmittelbar rechts davon stehende Alltagssphäre den abschliessenden Sinn.
Die WEIL-Verknüpfung oder Begründung des Satzes über die Veränderung der Alltagssphäre durch veränderten Status von Technik beruht hier also letztlich auf einer Expansion des Sinn-Begriffs, der Technik als ganzes in sich aufnimmt; und diesen expandierten Sinn oder Anspruch der Alltagssphäre vorgibt.
Immer wieder war in den Paraphrasen angedeutet worden, dass die Alltagssphäre durch diese Aufwertung von Technik unter starken Druck gerät, und genau darum die Produzenten als „Schwachstelle“, gewissermassen nachholend, einer Erforschung ihrer Gesundheitsbedingungen unterworfen werden müssen (die sich zunehmend nicht mehr an ihren Bedürfnissen orientiert), um der sie umgebenden Technologie körperlich halbwegs ebenbürtig hochgerüstet entgegentreten zu können.
Die alternative WEIL-Verbindung lautete:
1 WEIL 4 (1=e>W) Alltag wird immer mehr verwissenschaftlicht, WEIL (4= E>w) utopische Wunschvorstellungen immer häufiger zu lösbaren technischen Problemen erklärt und als solche angegangen werden. Technik aber fundiert in der Reihe von rechts nach links Alltag: Die WEIL-Verbindung würde nach dieser Version auf eine expandierte Technik zurückzuführen sein.
So wie Alltag (wie eben ausgeführt) zwischen Sinn-Erfüllung (Sinn-liefernd; nach dem einen Quartett an WEIL-Beziehungen) und Technik (fundierend; nach dem alternativen Quartett an WEIL-Beziehungen) steht, so Technik zwischen Wissenschaft (fundierend, alternatives WEIL: 3 weil 1: Technik erscheint immer mehr als unmittelbar sinnvoll (bzw. Selbstzweck), WEIL Alltagsleben immer mehr Gegenstand von Wissenschaft wird.) und Alltag (sinn-übertragendes WEIL: 3, weil 2: Technik erscheint immer mehr als unmittelbar sinnvoll (bzw. Selbstzweck, WEIL Wissenschaft immer mehr als wichtiges Reproduktionsmittel gesehen wird und insofern Bestandteil von Alltag wird.).
Aber die beiden äusseren Sphären können natürlich nicht in gleicher Weise „zwischen“ ihren zwei Nachbarsphären stehen, es sei denn, man schliesst sowohl den Sprung von W nach E in der Sinn-Übertragungsreihe, und den von E nach W in der Fundierungsreihe, und schliesst einen in je beiden Richtungen lesbaren Ring:
| <—- /
| e w |
| E W |
/ ——->
hier die durch die alterativen WEIL-Beziehungen dargestellte Fundierungs-Ring-Beziehung (Sinn-übertragendes WEIL: dasselbe, aber Pfeile andersherum gerichtet).
(Man kann das anhand der betreffenden WEIL-Formeln nachvollziehen.)
Allerdings ist diese Formel insofern falsch, als wir es ja nicht mehr mit den ursprünglichen Sphären zu tun haben, die hier ringförmig sich Sinn (in der einen Richtung: W>E>e>w>W>…) bzw. Inhalt, fundierend (andersherum: W>w>e>E>W>…) übertragen, sondern solchen Sphären, die angesichts der gesamten Fortgeschrittenheit von Ansprüchen, technischen Möglichkeiten, Wissen, und Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit mit der diagonalen Partner-Sphäre halb und halb verschmolzen sind:
| <——– /
| eW wE |
| Ew We |
/ ———>|
We ist also die mit starken Routine-Anteilen ausgestattete Forschung, die zugleich die alltägliche Lebensführung und dort entstehenden Bedarf zum Gegenstand hat. wE ist der unmittelbar zur Erfüllung, zum Selbstzweck erhobene technische Fortschritt, in den zugleich alle über den gegenwärtigen Stand und die schon eingeleiteten Fortschrittsbewegungen hinausgehenden utopischen Wunsch-Horizonte unmittelbar als Probleme und Aufgabenstellungen eingehen.
eW ist der von (vor allem „medizinischen“) Experten und Ratgebern aller Art eingerichtete, beaufsichtigte, beobachtete, begutachtete, regulierte Alltag und die Lebensführung, der sich zugleich selbst immer mehr in seiner Einrichtung als reproduktive Arbeisteilung an den Chancen und Risiken, die die Wissenschaft für ihn und in ihm ermittelt hat, orientiert, und weitere wissenschaftliche Erforschung dieser Themen zu einer seiner wichtigsten Branchen erklärt.
Ew ist tendenziell zu einer eigenen Technologie und Dimension von Technik geworden: Sie behandelt die quasi derzeit äussersten Problemhorizonte, und bezieht sie auf verfügbare Anwendungen, maW sie entwirft mögliche „utopische“ und gerade eben mit vorhandenen oder demnächst wahrscheinlich verfügbaren Mitteln unter Umständen lösbaren Aufgabenstellungen, die somit immer öfter unter dem Gesichtspunkt eines bereits entworfenen Wegs zu ihrer Lösung überhaupt eingeführt werden. (Anders ausgedrückt: Utopien werden nicht mehr unabhängig von ihren Realisierungen, einfach nur als Wünschbares, Bedürfnis-Erfüllendes, entworfen, sondern nur noch im Horizont technischer Möglichkeiten; umgekehrt werden Techniken immerzu mit ihren möglichen Anwendungen und denkbaren Problemlösungen beschrieben, also nicht mehr als reines Wissen-wie, sondern Nützlich-für und potentielles „Können“ (einsetzbar hier oder dort im vorhandenen Reproduktionsbetrieb, die oder jene seiner Probleme lösend.) In dieser Erfüllung sind, meist als technische Basis (vorab zu entwickelnde Teillösung) der eigentlich utopischen Entwürfe, aktuelle technische Aufgabenstellungen mit enthalten: Sie sind in den Bezirk des unmittelbar zu Wünschenden aufgenommen.
51.
Das Formale der ganzen Betrachtungsweise wurde bis an die Grenze des Erträglichen getrieben, aber dafür gibt es einen Grund: Denn ich möchte die allen Stufen der MOD-Entwicklung gemeinsamen Basis-Kategorien in ihrer Veränderung zeigen: Wie Forschung sich auf mögliche Gegenstände einlässt, und wie ihre Interessen sich ausweiten – wie Technik ihren Charakter verändert, und die (Re)Produktion, die mit ihr bestritten wird (dabei vor allem die Lebensweise der Berufstätigen, die mit dieser Technik arbeiten) – und wie die Utopien sich im Verlauf des Anwachsens (und dadurch immer wieder zu Sinnlosigkeits-Ahnungen Anlass Gebens) der Materien sich wandeln – all das könnte natürlich auch in historischen Querschnitten und viel konkreter sowohl als auch empirisch überzeugender gezeigt werden; freilich, ohne das Denk-Notwendige darin, das Kategoriale, aufzudecken. Die Basiskategorien, in denen MOD Kultur (Individualität) überhaupt gedacht wird, sind nicht so zahlreiche; und die in ihnen verkörperte Logik und Rationalität lässt nicht soviel Platz für Varianten ihrer Kombination, nach dem hier Gesagten sind es ja herzlich wenige. Aber was der üblichen, empirisch-positiv verfahrenden Geistes-Historie abgeht, ist hier grade ins andre Extrem getrieben worden; von daher will ich den dürren Formeln jetzt etwas Inhalt geben, und die Besonderheiten des hier entfalteten VIERTEN STANDPUNKTES mit denen der andern rückblickend vergleichen, um sie alle zusammen zu erhellen.
Der ERSTE STANDPUNKT zeigte das MOD Individuum als wagemutig mit seinesgleichen ins Unbekannte aufbrechenden Forscher-Erfinder-Gründer-Künstler/Visionär – alles in einem; der ZWEITE zeigt dieselbe Figur, wie sie sich zum Experten auf ihrem Gebiet geläutert hat, der aufgreift, was andre Experten auf ihren Gebieten erarbeiten, wo es zu ihm passt; der DRITTE zeigt eine Gesellschaft, arbeitsteilig hoch-organisiert und als Gemeinschaft verbunden im Kampf gegen die eigene, in der täglicihen Arbeit noch immer schmerzlich empfundene Zurückgebliebenheit und Ausgeliefertheit an immerzu fortbestehende Zwänge, die die aktuelle Produktion, auch die hoffnungsvollste und zu Hoffnungen auf einen Ausgang aus diesem Reich der Notwendigkeit Anlass gebende, zur blossen zweckgerichteten Anstrengung und Entbehrung macht. Und sei es auch nur die Entbehrung der Einseitigkeit und des Ausgeschlossenseins.
Der VIERTE STANDPUNKT aber scheint daran nocheinmal etwas zu korrigieren: Die Gesellschaft als GANZE mag da zwar noch nicht am Ziel sein, aber die Angehörigen der verschiedenen Sphären sind doch schon vereint in der Arbeit an dem EINEN grossen Projekt, das, einmal in den Horizont des Machbaren gerückt, die Anstrengungen ALLER eng zusammenführt: das Projekt der physischen Selbst-Entgrenzung, der unbegrenzten Steigerung des grossartigen Universal-Werkzeugs, das man im eigenen Körper (und vor allem dessen Gehirn) besitzt. Dies Projekt „rückt in den Horizont der Machbarkeit“ im Moment, wo die technische Kontrolle auf die Ebene biologischer ELEMENTE hinunterreicht, heute verkörpert in der Vorstellung des DNA-Strangs und seiner Nukleotid-Sequenz: Hiervon (und ein paar eher zweitrangigen Lese- und Vervielfältigungsapparaten, die im Zytoplasma der Keimzelle mitschwimmen), von deren Aufbau offenkundig unser ganzes So-Sein abhängt. Sodass, SIE zu ändern, bedeutet UNS zu ändern, und das natürlich zum Besseren, wo wir uns nicht genügen. Aber aus Sicht der fortgeschrittenen Forschung zerfallen wir nochmals in eine äussere motorische und Versorgungseinheit, an deren prophylaktischer Absicherung gegen Schäden (etwa entlang des vorab ermittelten Profils genetischer Schwachstellen) wir einerseits arbeiten können; andererseits könnten wir natürlich gleich das beste am ganzen, die zentrale Steuer-Einheit namens Gehirn, in Angriff nehmen und optimieren. Soweit die biologische Hardware dafür taugt. Wenn nicht, lagern wir Teile oder irgendwann das ganze aus: Wir transhumanisieren uns, transzendieren uns in Richtung auf einen überlegenen Supercomputer. Denn was wären wir denn andres als dessen unvollkommene Vorstufe?
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Hier arbeitet also die Vorstellung einer zu optimierenden (oder, im Gegenzug: derzeit noch suboptimalen) Natur, die dringend technisch ergänzt, modifiziert und aufgerüstet werden sollte. Wie im Fall der beiden voraufgehenden Standpunkte, könnte diese unerhörte, letzte und äusserste Selbst-Ertüchtigung auch einzig darauf hinauslaufen, Hindernisse wegzuräumen, die unserer Eignung für das Programm des DRITTEN STANDPUNKTS im Wege stehen, aus der Welt ein technisches Pendant unseres Körpers zu machen, das uns Musse für endlose Spezialtätigkeiten und -Entwicklungen, im Sinne des ZWEITEN STANDPUNKTS, erlaubt, ohne existenziellen Druck – ebenso wie deren Abrundung, im (Bildungs-)Sinne des ERSTEN STANDPUNKTS.
Schritt für Schritt haben wir uns somit von der einfachen, unmittelbar gesellschaftlichen Umsetzung des MOD Kulturprogramms entfernt; Schritt um Schritt dieser Entfernung war erzwungen durch Tatsachen, die die Expansion der Materien dieses Programms selbst erzeugt. Genauer: Diese explodierten Materiemassen machen es uns Zug um Zug schwerer, das Ideal einer Umsetzung dieses Programms, die durchgehenden Sinn-Strecken, die von all unseren Wissens-Stücken ausgehend, durch technische Verarbeitung und produktive Umsetzung hinüber laufen zu verbleibenden offenen Aufgabenstellungen (und seien es es auch vorläufig utopische) regelmässigund problemlos zurückzulegen, also an jedes Wissensstück anzuschliessen, und das so, dass sie in unser (aller) Leben hineinpassen.
Stattdessen nötigen uns die wachsenden Wissens-, aber auch Massen der Produkte seiner Verarbeitung Vorarbeiten, Aufbereitungsschritte auf, die uns in unseren Biographien von jedem Fortschritt im Sinn des von uns verfolgten Programms ausschliessen, und das Erleben solcher Fortschritte auf eine ferne Zukunft verschieben, wo all diese Vorbereitungen endlich absolviert sind. Wir begegnen diesem drohenden Sinnverlust durch (im Einzelleben unbewältigbare) Material-Anhäufung, wie sie beim Übergang zum ZWEITEN STANDPUNKT erstmals fühlbar wird, durch Selbstzurichtung und Selbstperfektionierung – mit dem einzigen Zweck, die uns vom Eigentlichen, dem MOD Fortschritt entfremdenden und abhaltenden Vorbereitungsarbeiten, zu beschleunigen: Spezialisierung und Zuspitzung von Arbeitsteilung (die Lösungsstrategie des ZWEITEN STANDPUNKTS), Automatisierung (das Ideal des DRITTEN), Selbst- und Natur-Optimierung (das des VIERTEN) sind nicht so sehr Schritte im Erkentnisprozess (das auch), der im Zentrum des MOD Kulturprogramms steht, sondern mindestens ebensosehr verzweifelte Anstrengungen, diesem Prozess jene Sinnhaftigkeit zurückzugewinnen, die er im selben Mass verliert, wie er erfolgreich absolviert wird. Das Programm läuft und expandiert dabei immerzu, durchaus im Sinne der MOD Individualität: Aber die expandierenden Errungenschaften finden nicht ins Leben derer hinein, die sie gesellschaftlich arbeitsteilig erarbeiten; dies wird nacheinander und sich steigernd einem Mangel der Produktion, der Produktivität dieser Produktion, schliesslich von uns und unseren Naturfundamenten, als Betreibern dieser Produktion, zugeschrieben, wobei der jeweils aufbrechende Widerspruch zwischen einzig Sinn-machender Integration (auch Integration in einen biographischen Bewältigungsrahmen) und Material-Expansion, durch drei entsprechende „Selbst-Ähnlichkeiten“ (Teilung von Produktion in Unteraufgaben, von produktiverer (Re)Produktion des „Selben“ in automatisierender Sukzession), von Abfolgen optimierter Versionen unserer Selbst und der Natur) zu heilen versucht wird. Die immer weitergehende Distanzierungsschritte vom Ausgangsprogramm erzwingen Anpassungen, die auch den Einzelnen von jeder Sinn-machenden Bewältigung der MASSE des gesellschaftlich Verfügbaren in seinem Leben (im Sinne des ERSTEN STANDPUNKTS) immer weiter ausschliessen, zugleich ihm im Kleinen und Einzelnen aber wenigstens zunehmend jene Form der Integration, des Zugangs zu ALLEN Wertsphären, in einer integrierten Weise, ermöglichen, wie es die Lebensentwürfe unter dem ERSTEN STANDPUNKT für sich ganz selbstverständlich in Anspruch nahmen: Wissen, technisch verwertet und im (re)produktiven Routine-ARbeitszyklus umgesetzt, mit einem daraus als nächstes sich ergebenden Fortschrittsentwurf. Nur: WAS genau ist eigentlich integriert – auf den (nach wie vor hoch-spezialisierten) produktiven Einzel-(Arbeits-)Stellen, den „Jobs“, auch im Sinne von „Aufgaben“, in die die kulturelle Gesamttätigkeit, und dann nochmal die der Einzel-Sphären, sich zersplittert?
Tatsächlich kann ja von einer Verschmelzung der Sphären nicht wirklich die Rede sein. Und zwar nicht einmal innerhalb der beiden Wertsphären-PAARE, die seit dem DRITTEN STANDPUNKT gekoppelt sind, deren je beteiligte beide Partner-Sphären je konvergente oder analoge Behandlung erfordern. Jenseits dieser Analogie (Schluss der Reihe Einzelfall/Problem-Massenanwendung für E und w; systematische Geplantheit und Ausweitung entlang einer GESAMTHEIT von je relevanten (Wissenserwerbs- und Planungsstrategien beeinflussenden) Fakten bei W und e) blieben die Sinn- und Fundierungs-Beziehungen entlang der „Viererkette“ intakt. Und nur in dieser intakten Verkettung von gegeneinander selbständigen Sphären (des kreativen Paars ebenso wie des an Notwendigkeiten orientierten) wurde der Produktivitätsfortschritt und das Sich-Herausarbeiten aus dem Reich des Erzwungenen, Beschränkten und in dem Sinn Notwendigen und zu Ertragenden, gedacht. Eine solche langsam, geschlossen ins Befreit-Offene vorrückende Fortschrittsfront der Kultursphären-Kette gibt es jetzt nicht mehr, denn zu den bekannten Sinn- und Fundierungsbeziehungen kommen (behauptete) Neue, die sich aus dem speziellen Stoff ergeben, der in die Fortschrittsbewegung neuerdings einbezogen ist. Wir SELBST. DAS macht, dass unsere Alltags- und Reproduktionstätigkeit, unser ganzer Lebenszusammenhang, der vor allem im Zusammenwirken mit der hochkontrollierten Technik, an und mit der wir arbeiten, Gegenstand argwöhnischer Beobachtung und Beaufsichtigung ist, ein Vorzugsgegenstand der Forschung wird, und unsere Mängel, die zugleich Ausgang massiver Hoffnungen auf ihre Behebung werden, in das Inventar zu lösender (vor allem: medizinischer) Probleme unmittelbar eingereiht werden. Auftragserteilung bedeutet, angesichts fortgeschrittener Basistechniken, Erfüllung – zumindest im Horizont des Machbaren, der bereits erschlossen ist. Die weite Zone, die sich zwischen unserer gespürten Leiblichkeit und den beherrschten Elementen dehnt, wird eingeengt von einer wandernden Grenze, die sich von Inventarisierung und Modifikation der Makro-Moleküle in Zellen und Körperflüssigkeiten verschiebt hin zur „Deutung“ und vollständiger Verfügung im Sinne einer „Lesbarkeit“ der DNS, und der Erringung von Kontrolle über die Organe und Organellen der Einzelzelle.
Von da bis zur Übersicht über die läppischen paar Milliarden solcher Zellen, aus denen sich Organe, zumindest Organteile aufbauen, ist nur noch ein Katzensprung.
Vor allem Übersicht über das wichtigste aller Organe, Gehirn.
Auch alle sonstigen Naturprodukte werden auf die Weise modifizierbar – a fortiori, da sie doch bestenfalls so komplex sind wie das Gehirn. Technologische Strategien gehen dann, grob gesagt, nur noch in Richtung fortwährender Daten-Erhebung und -Protokollierung und Daten-Verarbeitung. All das muss, möglichst wenig störend, an die eigentlich zu beherrschenden Zielstrukturen herangeschoben werden und dicht am Ort des Geschehens wirken; kein Wunder, dass Nanotechnologie (neben einigen Anwendungen, worin an sich Lebloses und „mechansiches“ unerwartet durch-organisiert und „intelligent“ gemacht werden soll) für solch vorgeschobene Mikro-Beobachtung und -Beeinflussung vonnöten ist. Eine Welt von unvollkommen zusammenarbeitenden, sich störenden und sub-optimal geschalteten und gestalteten Apparaten wartet da draussen auf Optimierung und Zusammenführung ihrer ansonsten isolierten und rein passiv sich entfaltenden Funktionsweisen. Die Tatsache, dass die Biosphäre etwas hoch-ORGANISIERTES ist und sich genau dadurch auszeichnet, wird am Rande erwähnt und gedacht, in Kategorien, die in etwa das Ordnungsniveau eines Planetensystems charakterisieren. Selbst-Organisation, Fraktalität und Chaotizität werden als technische Prinzipien (auch in der technomorphen Natur) durchaus akzeptiert – punktuell; eine Technologie, die grundsätzlich nicht vom Element, sondern vom EXISTIERENDEN System her (und somit:von uns her) aufgebaut wird, ist da undenkbar. Alles komplexer verfasste Vorhandene muss sich gedulden, bis die unaufhaltsam vorrückende Grenze es in den Blick bekommt, indem sie es in seine voll-analysierten Elemente auflöst. Agrarbiologische oder ökologische Feld-Versuche und Versuchsfelder greifen dem nur vor. Alles weniger Komplexe zu beherrschen, das sonst noch so auf unserem Planeten (Klima? Vulkane? Erdbeben? Massen-Abrutschzonen an Küsten?)), oder auch in, an und um ihn herum vor(bei)kommt (Asteroiden! Geo-Engineering!), ist dann nur noch eine ENERGIE-Frage. Man sieht: Wenig fehlt, und wir haben alles unter Kontrolle.
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Aber NUR weil irgendwie wir selbst uns als erforschbar Vorhandenes ansehen, sind die Erweiterungen über die Konvergenzen hinaus möglich, die der DRITTE STANDPUNKT zur Konsequenz hatte:
DORT lieferten Wissenschaft wie Alltag systematisch praktische Antworten (arbeitsteilig organisierte Untersuchungsvorhaben auf der einen Seite, arbeitsteilig geplante Produktionen, die einander zuarbeiten, auf der andern; beide zugreifend auf (von der Alltagssphäre gelieferte) knappe Budgets ebenso wie auf (von der Forschungssphäre gelieferte) gewusste Anforderungen im Umgang mit Risiken und Chancen) – Antworten auf erkennbaren ebenso wie fühlbaren Forschungs- wie Reproduktionsbedarf.
DORT auch arbeiteten utopisch-ästhetisches Entwerfen und technisches Konstruieren, von verschiednen Seiten herkommend, mit korrigierenden und/oder bessernden Vorschlägen, als Lösungen akuter Probleme der aktuellen Alltagssphäre, auf diese zu, und stellten beide den durchgehenden Zusammenhang zur Alltagssphäre her, dabei von ihren beiden jeweiligen Ausgangspunkten ausgehend, nämlich Inventaren möglicher Elemente (Anwendungen, Basis-Verfahren) zu Apparaten und komplexen Methoden einerseits, einzigartigen Erfüllungs-Ideen oder -Erlebnissen Einzelner, die sich mehr oder weniger, auf möglichst viele andre, ausdehnen liessen.
Aber zwischen Wissenschaft und Alltag trat da eben doch die Technik-Sphäre, und hinderte sie daran, ihre Projekte einfach zusammenzuwerfen: Wissenschaft musste immer noch zugleich auf Technik zuarbeiten, um dem Alltag zu nützen; ebenso trennte, wie eben beschrieben, immer noch der Reproduktions- und Berufstätigen-Alltag technisches Mittel- und ästhetisch-utopisches Fortschritts-Entwerfen und -Konstruieren. Nur durch ihn und an ihm hatten die beiden getrennten einen gemeinsamen Konvergenzpunkt.
Wie ist es jetzt, beim VIERTEN STANDPUNKT – bedingt durch die Auffassung von Natur bis hin zu unserer eigenen als Teil des gesamten Vorhandenen, das erforscht, technisch kontrolliert, routinemässig bearbeitet werden kann, und das fortschreitend hin auf utopische Ziel- und Erfüllungshorizonte?
Auch hier wird nicht einfach alles zusammengeworfen. Aber durch die Orientierung des Wissensfortschritts auf uns selbst (wozu alle andern Themen bloss die nötige Vor- und Durchgangsstufen liefern) wird der Entwurf eines an die erreichten Entwicklungsstände anschliessenden (Erlebens-, Erfahrungs-)Fortschritts, der „nächst-anstehenden Utopie“, des unmittelbar nächst-stärksten Interesses, auf Wissenschafts-Fortschritt eingeschränkt, und damit, vorwärts- in Sinngebungs- wie rückwärtsgehend in Fundierungs- und Inhaltsvorgabe-Richtung gehend, die MOD-kulturell begründete „Viererkette“ zum Kreis geschlossen: Die Konsequenzen des Fortschritts des Wissens über uns SELBST schaffen sich unmittelbar die je nächsten Wissenserwerbs- und damit technischen und (Re)Produktionsaufgaben.
Aber genau damit wird auch die den DRITTEN STANDPUNKT zur Verzweiflung treibende Zerreissung der Materien beendet, nämlich die in erzwungen-notwendig zu behandelnde, nämlich fundierende, ans hinderlich-Gegebene fesselnde einerseits, andererseits in sinnhaft-befreiende, von denen die reale Arbeit aller immerzu sich, bei allem Fortschritt, ausgeschlossen sieht: Das Interesse, das sich an je nächsten Fragestellungen, angesichts des bereits erreichten Standes der technologisch umsetzbaren Kenntnis unserer selbst (zumindest der physischen Basis unseres Selbst) entzündet – es speist (also fundiert) unmittelbar die Forschungsthemen (spätestens durch Dotierung aus dem verfügbaren Budget) der Wissenschaft; selbst die rein technologischen Abteilungen arbeiten zunehmend den Lebens- und medizinischen Disziplinen zu, liefern ihnen die Verfahren massenhafter Reproduktion jener schnellen Analyse- und diagnostischen (vor allem Bild-gebenden) Verfahren und Instrumente, mit denen in die Körper eingedrungen und an die je relevanten Mikrostrukturen herangerückt werden kann, an denen die Biochemiker, Neurophysiologen und Pharmakologen am liebsten so souverän herumoperieren würden wie Anatomen, Pathologen und Chirurgen.
Dieser Wissenschaft und der auf ihr aufbauenden Technologie (der alle rein physikalisch und chemisch begründete nur zuarbeitet) und (Re)Produktion (angefangen bei Agrar- und Lebensmittelindustrie) ist Sinnhaftigkeit von vorneherein garantiert. Ihre Inhalte kreisen, anwachsend, durch die Verwertungskette und kommen als naheliegende nächste Erfüllungs-Anforderungen und Selbstertüchtigungs- und -erhaltungsanforderungen an sie zurück. Im wesentlichen entsprechen die ohnehin dem je nächstliegenden Forschungsgebiet und seinen Horizonten, das sich grob an den Strukturen orientiert, die aus den eben aufgeklärten molekularen und/oder funktionellen Elementen sich aufbauen. Die anfangs noch verstiegen klingenden, verhalten als Tendenz („immer mehr“) sich ankündigenden Kurzschlüsse und Übertragungen (in der -der normalen entgegengesetzten – Richtung) von Inhalt bzw. Sinn zwischen den beiden Paaren des DRITTEN STANDPUNKTES werden durch die Einheits-stiftende Umwandlung des Selbst oder seiner physischen Grundlagen in den Haupt-Forschungsgegenstand Routine.
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Die Art und Weise, wie der VIERTE STANDPUNKT das kulturelle MOD-Programm als gesellschaftlich organisierten, wissenschaftlich angeleiteten Selbst-Ertüchtigungs-Prozess umsetzt, mündet in eine Vorstellung von Fortschritt, wo dieser Prozess in rasender Eile sich Wissen über physiologisch elementare und zunehmend komplexere Tatbestände erschliesst und unmittelbar in (Re)Produktion zur Selbst-Erhaltung umsetzt – Kontrolle über die quasi ausgelagerten Teile unseres Stoffwechsels mit der mineralischen Natur in Gestalt von Flora und Fauna sind da nur noch (agrar)industrielle Anhängsel: Ob man die wissenschaftlich ermittelten nötigen Nährstoffe stattdessen nicht lieber gleich in riesigen und in Kette geschalteten Umsetzungsbecken von Bakterien (womöglich künstlichen) erzeugen lässt, ist Sache einer Kostenabwägung, kein krimineller Unfug. Auf das Geo- folgt dann auch gleich das Bio-Engineering, der Umbau unserer Körper, da wo sie (genom-bedingt) verletzungs- und alterungsanfällig sind; klonbare Stammzellen (auch sie künstlich optimiert) werden für beliebige Regenerierung aller verschlissenen Organsysteme sorgen, bis hin zum edelsten und schwerst-reproduzierbaren, dem Gehirn als Träger unseres verarbeitenden und sich aus sich selbst heraus vermehrenden, um nicht zu sagen: evolvierenden Wissens. Soweit die biologische Hardware nicht überhaupt an ihre Grenzen stösst und durch überlegene technologische Varianten ihrer selbst ersetzt wird. Überwindung dieser unserer biologischen Grenze wäre der Schritt, der als letzter noch den ebenso gestaffelt sich hintereinander aufstellenden Utopien der bisherigen STANDPUNKTE vorzuschalten war: Unsere Selbst-Optimierung als universellstes und erfolgreichstes Instrument unseres Erfolgs liesse uns spielend die Reduzierung aller untergeordneten Aktivitäten auf Maschinen- und Roboterarbeit bewältigen, also das Ideal der Automatisierung und Maximierung von Produktivität; die Spezialisten-Arbeit, die dazu zu leisten wäre, würde uns von nichts wesentlichem abhalten, da unsere Leben nicht mehr vorzeitig enden – aller Ausschluss von Kenntnissen, soweit sie von Interesse sind, wäre nur noch ein vorübergehender. Am Ende stünde Musse, Zeit, Mittel bereit, um das Inventar des Vorhandenen, soweit wir es nicht bereits technologisch erschlossen haben, abzuschliessen, und zu allem Bestehenden der Welt, sie selbst eingeschlossen, die Alternativen zu denken und uns so leibhaftig (im Cyberraum?) vorzustellen, als würden sie und wir uns leibhaftig begegnen. Das ist es doch, was die Heroen der Moderne, also des ERSTEN STANDPUNKTS, in winzigen Ausschnitten, durch ihre wie immer masslosen und nur leider mangels Mittel und Vorarbeiten und Lebenskürze gescheiterten Biographien umzusetzen versuchten: Dass sie nicht enden konnten, machte sie (im Sinne des MOD Kulturprogramms) gross. Der VIERTE STANDPUNKT will dies Heroentum auf eine robuste Grundlage stellen, und allen verfügbar machen. Dieser Inbegriff gelungener und durch EINE grosse gemeinschaftliche Anstrengung ermöglichter Biographie (im Rahmen des überhaupt Möglichen) ist das unhintergehbare Optimum; dafür wird die gesamte Natur, unsere eigne voran, in Dienst genommen. An Sinnhaftigkeit ist keine Tätigkeit, die zu dem so ausgerichteten Fortschritts-Prozess beiträgt, zu überbieten, und keine steht irgendeiner andern nach, sofern sie nur überhaupt erforderlich ist. Aber auch die Entfremdung vom Eigentlichen, die noch die Arbeit am Fortschritt unter dem DRITTEN STANDPUNKT so entsagungsvoll erscheinen liess, ist hier verschwunden: Macht nicht das aktuellste von der Forschung erschlossene Wissen sofort die Runde, durch alle massgeblichen Entwicklungs- und Alltags-Abteilungen, sind nicht die Anwendungen, die Triumphe über für immer besiegte Krankheiten und Gebrechen, in jedermanns Leben entweder zu besichtigen oder aber zumindest nachvollziehen über die Furcht, „auch mich könnte es (oder Vergleichbares) treffen“?
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Die Frage ist, ob dies Selbst (oder dieser sein Anteil) etwas ist, das irgendjemand vorrangig kennenlernen und begreifen will. Oder warum ist die Arbeit der physischen Selbstoptimierung noch immer eine Anstrengung, diejenige des vorläufigen Verschiebens jeder Befriedigung seiner eigentlichen Interessen? Das nicht minder verschobene Projekt des DRITTENS STANDPUNKTES, Automatisierung und damit Meidung der „bloss“ notwendigen Spezialistentätigkeit ohne Interesse, zielte auf ähnliches: Einmalige Anstrengung, um das Anstrengende des reizlos Notwendigen ein für allemal loszuwerden. Das war seinerseits schon Ausdruck der Kritik an grossen Teilen der Expertenarbeit unter dem ZWEITEN STANDPUNKT. Ähnlicher Widerspruch jetzt: Um die einmalig-entsagungsvolle Arbeit zu minimieren, durch die man Arbeit für blosse Mittel für immer loswerden will, nehmen wir ähnliche Anstrengungen auf uns: Selbst-Automatisierung, Verwandlung des bloss Mittel-haften am Selbst in ein reibungslos effizient Funktionierendes.
Man schaut also in den Zauberspiegel der Humannatur-Wissenschaft, und sieht: ein Gehirn; ein Genom; das soll Ich, Wir sein, wird mir, uns versichert.
Freilich nur Ich/Wir als Mittel, das so oder anders eingesetzt werden, und genau dafür eingerichtet werden kann. Das Einrichtende selbst, das Zwecke, also Sich (als Ganzes, Ziele UND Mittel) Bestimmende), darf dabei nicht beschädigt, soll vielmehr geschützt und gerade erhalten werden. Nicht freilich konserviert, wie es IST – lernfähig wie eh und je soll es bleiben. Das gerade IST ja, was uns ausmacht. So müssen wir Variables (das so oder anders sein kann; Mittel der oder jener Art, für dies oder jenes zu gebrauchen), umzubauendes, im bezug auf dessen Verwendung man um- und dazulernen kann, an uns trennen vom Eigentlichen, dem Um- und Dazulernenden selbst; und diese Trennung soll gemacht werden am Gehirn, wo sie sich zugleich schon, als vorhandene, findet. Die Frage ist freilich: Findet sie sich als einfach Kenntliche? Finden wir (und sei es als einfärbbare, markierbare Neuronenverbände) unser Selbst als ein irgend räumlich, funktionell abgrenzbares Organ – als durch seine Stellung als unser eigentliches Selbst schon von selbst sich abzeichnendes, abhebendes – die Besonderheit dessen, was wir sind, kenntlich gemacht durch räumliche (DIESER Neuronenhaufen) und funktionelle (an der Spitze stehend, alle andern regulierend) Qualitäten, die wir, das Gehirn durchgehend und mikrosezierend unter Aufbietung aller Mittel der bildgebenden Diagnostik-Kunst, dabei irgendwann SEHEN müssen? Sodass wir, durch genaueres Hinsehen auf diesen Haufen, auch noch den Rest dessen erfahren, das es über uns zu lernen gibt, und endlich wissen, wie und was wir sind, und somit nicht antasten dürfen? Es soll nicht angetastet werden; was am Hirn könnte das sein? Doch wohl, was mich vernünftig auf mein Wissen reagieren lässt, und dies immer weiter wachsende Wissen. Wovon im Gehirn sollte ich dies abgrenzen, wenn Ich und mein Wissen mit Strukturen identifiziert wären? Was repräsentieren die andern Strukturen, die nicht dazu gehören? Ich wüsste nicht viel zu sagen… Traumbilder? Man sieht, ich muss schon tief graben in meinem Selbst-Erfahrungsschatz, um überhaupt etwas „Inneres“ zu finden, das NICHT unentbehrlich sein könnte – zumindest, wenn es das „Substrat“ dessen sein soll, was ich, auch schon ganz ohne Gehirn, als Mich und mein Wissen ansehen kann: Das in und an mir, was meinen Körper sich, meinen begründeten Absichten gemäss, bewegen lässt, und mich überhaupt halbwegs gut mit meinem Wissen vereinbare, daraus erschlossene (Versuchs)Absichten ausdenken lässt. Vielleicht auch im Verbund mit andern, mit denen ich mich zuvor verständigt habe.
Was sollte mein Gehirn enthalten, das ich ZUGLEICH als ein vergleichbar UNENTBEHRLICHES Substrat ansehen soll, das aber zugleich mir nicht längst bewusst und gedacht ist? Oder, falls nicht recht bewusst, da unausgegoren, nicht recht begründet, eigentlich auch nicht recht DA, und insofern, soweit als solches schon repräsentiert durch ein Substrat dieses unvollkommenen Gebildes, ENTBEHRLICH?
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Aber all das ist nur eine Einkleidung für etwas, das den Mangel, der hier sichtbar wird, viel genauer benennt; es kam in den bisherigen Überlegungen in drei Versionen vor:
Die erste war: Die Bruchstelle zwischen Technik/Wissenschaft und Alltag/Erfüllung wird durch KEINE der drei Neu-Anpassungen einer MOD Lebensform geheilt.
Die MODerne als Weltverhältnis STARTET damit, mit dieser Trennung schafft sie die Grundlagen, um ein für alle mal Optimalhypothesen vom Glaubens- also REL-Typ unmöglich zu machen, durch den Begriff von sich als Entscheider, auf allen Ebenen, auf denen überhaupt geplant und gelernt wird; und dieser Begriff ist ein Begriff von sich selbst (oder dem Selbst, das uns ausmacht) als HINREICHEND bestimmtem. Aber dann wird das garnicht in Beziehung gesetzt zu dem, was zugleich weiterhin (auch nach dem Ende der REL traditionellen Lebensform) als NOTWENDIG gilt, nämlich das empiristische Verfolgen der 3 minimal-suboptimalen Prinzipienpaare und ihrer Ausgestaltung zu Regel-, also Kategoriensystemen rationeller Wissenschaft, zumindest, was das RU-Paar betrifft. Hingegen alle Kategorien, die diese Ausgestaltung nach „oben“ oder „links“, auf die Selbst-Seite zu, fortsetzen wollen (ES, erst recht KS), führen unweigerlich in Antinomie (Dualismus) und/oder Regress (beide zusammengekoppelt in den aporetischen Formeln, die in diesen Überlegungen immer wieder angeführt wurden, zuletzt im vorhergehenden Abs.): also Anzeichen dafür, dass hier begrifflich etwas fehlkonstruiert ist.
Diese Fehlkonstruktion besteht auf den ersten Blick in der Existenz zweier vermeintlich HINREICHENDER Begriffe von uns selbst oder unserem Selbst. Der eine Begriff ist der den Übergang vom REL-Denken weg auslösende von sich als Entscheider; der andere ist der aus den empirischen Korrelaten unseres für NOTWENDIG erklärten Explorierens der Welt, die somit selbst für notwendig erklärt werden (wie müssen sie finden), stammende zweite Begriff von uns als Vorhandenen, Daseienden, und als solche „empirisch“ (als wären wir uns selber unbekannt) erforschbaren, dingfest zu machenden, und im weitesten Kausalsinn „erklärbaren“ und „determinierten“.
Während der Vorhandenheits-Begriff, die Extrapolation des Umgangs mit empirisch Erforschbarem in den Bereich des Erweiterten Selbst (unserer Praxis) und des Kernselbst (Mass und Bestimmungsgrund unserer noch unerfüllten Wünsche und Sehnsüchte), wenigstens den Versuch enthält, zu dem, was offenkundig notwendig an uns ist, ein Hinreichendes zu denken, hängt der Entscheider-Begriff vom vernünftigen Selbst (der von der Seite des Kernselbst KS und (Re)Produktion und technisches Können prekär und fallibel verbindenden Erweiterten Selbst herkommt) völlig im Leeren: Seine letzte Kategorie des „nützlich zu Wissenden“, von der all seine konkreten (Versuchs)Handlungs- und (Versuchs)Planentwürfe ihren Ausgang nehmen, wird nicht weiter ausdifferenziert. Das rührt daher, dass an dieser Stelle nicht ein kategorial orientiertes Nachdenken darüber einsetzt, wie eine Welt, die für uns (wer aber sind wir?) nützlich sein soll, allenfalls beschaffen sein könnte, und wie sie nicht beschaffen sein darf (weil sonst kein Nutzen und kein Sinn für uns in ihr möglich sind): Sondern stattdessen die MOD-Optimalhypothese eintritt und eingreift, und zwar an genau dieser Stelle, die sagt, bis auf weiteres: Dass wir uns so verhalten sollen, als sei die VORHANDENE Welt eine der sinnvollen, also HINREICHEND so bestimmt, dass sie Sinn für uns macht; und als müssten wir sie darum nur kennen lernen, der Sinn, den diese spezielle Welt für uns macht, und WIE sie Sinn macht für uns, werde sich uns dann schon erschliessen. In dieser Optimalhypothese ist also nach wie vor, wie in REL-Optimalhypothesen schon, etwas massiv unbestimmt: Nämlich, welche notwendigen Bedingungen erfüllt sein müssen in einer Welt, damit Entscheider das, was sie ausmacht, in ihr auch tun können: Was das Notwendig-Hinreichende eines Entscheiders ausmacht; oder was an dem, was wir als je konkrete Entscheider sind, notwendig ist und nicht anders werden darf (im Gegensatz zu allem nichtnotwendigen, das variieren kann).
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Was bedeutet eigentlich „HINREICHEND bestimmt“? Etwas ganz Elementares: Etwas ist vollständig oder hinreichend bestimmt (eine Bestimmung, Beschreibung, Aussage über etwas vollständig oder hinreichend), wenn keine weitere (Einzel)Bestimmung (-Prädikat, -Angabe, -Aussage) der vorhandenen Gesamt-Bestimmung (Konjunktion von Einzelprädikaten usw) hinzugefügt werden kann, ohne dass wenigstens EINER der schon vorhandenen (Einzel)Bestimmungen widersprochen wird.
Zwanglos lässt sich an diese einfache Definition anschliessen, was demzufolge OPP („Normalplanen“), REL und MOD unterscheidet:
OPP weiss nichts von Einschluss- und Ausschluss-Beziehungen, in denen Einzel-Bestimmungen von etwas stehen: Das ist die Formel, in der man das „Kategorienchaos“ in OPPs Planen und Wissenserwerb, zusammenfassen kann: OPPs Experimente kümmern sich nicht darum, dass sie mit etwas zu tun haben, das schon durch die ihm zugeschriebenen Bestimmungen (kategorial) bestimmt sein muss, wenn es überhaupt Sinn machen soll, sondern halten es für möglich, dass damit alles mögliche vereinbar (und empirisch erprob- oder ermittelbar) ist, was sinnvollerweise schon ausgeschlossen sein muss, wenn die Ausgangsbestimmung oder -Aussage Bestand haben soll, oder dass etwas eingeschlossen ist und somit nicht mehr experimenteller Prüfung unterwerfbar, ob so oder anders offen (es sei denn zur Falsifikation der Ausgangsbestimmung).
Mit andern Worten: OPP kümmert sich nicht drum, ob etwas notwendig für ein andres ist (notwendiger Bestandteil von dessen Bestimmtheit), und in welchen Beziehungen es zu anderm steht; es ist erst einmal dies, und was sonst noch ist, interessiert in diesem Augenblick nicht. Ob es hinreichend für etwas ist, und durch weitere Bestimmung nur noch anders werden (oder aber in seinem So-Sein variiet werden) kann, oder hinreichend auch für ein scheinbar davon abgegrenztes (es hinreichend bestimmend, seine Bestimmung einschliessend), interessiert erst recht nicht. Und beides, das Ignorieren des Notwendigen wie des Hinreichenden, gilt speziell, und mit den bekannten Folgen, für unser Selbst und seine Äusserungen, das Handeln: An ihm ist nichts Notwendiges (nichts ist sicher und endgültig notwendig-zu-tun), noch gibt es Hinreichendes, das nicht noch ergänzt und um Bestimmungen, neu Hinzukommendes und ursprünglich nicht Gedachtes, erweitert werden könnte.
Oder kurz: OPP kennt nur Einzelnes, Einzel-Aussagen (einen riesigen Haufen davon) über sein Selbst und die Welt, als dem gegenüberstehendes Korrelat seines Handelns. Von einer (Selbst-)Bestimmung ist in keiner der beiden möglichen Hinsichten die Rede.
REL hingegen weiss um solche NOTWENDIGEN und HINREICHENDEN Beziehungen und Bedingungen (die Einschluss und Ausschluss von Aussagen durch eine Ausgangsaussage begründen): REL weiss nur nichts vom (kategorial, kategorisch zu fordernden) schlechthin HINREICHENDEN, so wie es eben definiert wurde: ALLE Bestimmungen, wieviel anerkannt regional „Hinreichendes“ vorläufig in ihnen auch stecken mag, sind noch einmal überbietbar, ergänzbar, hintergehbar; und, da dies speziell auf uns und unseresgleichen (alles Personale) zutrifft, die doch die Quelle ALLER Bestimmung sind: so breitet sich diese begriffliche Allgegenwart der unbestimmten Überbiet- und Ergänzbarkeit in alles hinein aus, womit wir (oder unseresgleichen, die mehr sind als wir) zu tun haben könnten. Dem Notwendig-SO…-Seienden (…um immerhin DIESUNDDIES zu sein), das an und in den Dingen sein muss, damit sie überhaupt da und so sind, tut dies keinen Abbruch; dies Notwendige in ihnen kommt nur nie zum Abschluss, kann immer noch ergänzt, bedingt, hintergangen werden, da auch das Hinreichende, dessen notwendiger Inhalt es ist, nie abgeschlossen ist und immer noch weiter bestimmt werden kann.
Und nun das Hinreichende und Notwendige in MOD: Dass ein sicher Hinreichendes existiert (wir; die Entscheider; dieses unseres Selbst absolut gewiss, dass es unser Selbst ist: das ist der feste moderne Stand- und Ausgangspunkt), ist der Fortschritt über REL hinaus. Hinreichend-Notwendiges existiert zwar auch noch – in Gestalt des gegenwärtig für unser Überleben notwendig zu Tuenden (allenfalls abzuwandelnden) in unserer Praxis; bringt man die beiden zusammen, wird klar: das anfangs bekannte (empirisch zu fndende) Hinreichend-Notwendige, einfach (als Praxis) Vorhandene, lässt sich begrifflich nicht bis zum bekanntermassen schlechthin Hinreichenden „(für ALLE Fälle Gültigen!) steigern“ und anreichern – man wüsste ja nicht, mit was. Das bekanntermassen Schlechthin-Hinreichend Bestimmte, Wir, hingegen lässt sich, so (schlecht) bestimmt, wie es eingeführt wurde, auf kein empirisch zu findendes Vorhandenes (als SEIN Notwendiges) zurückführen. So gibt es Hinreichend-Notwendiges und ein Schlechthin-Hinreichendes, aber kein Schlechthin-Hinreichend-Notwendiges (ein unter dem gegenwärtigen Erfahrungsstand vollständig bestimmtes Erweitertes Selbst): Am Anfang aller Bestimmungen, dem (Kern)Selbst (KS), steht kein hinreichend UND zugleich notwendiges bestimmtes Selbst – kein bestimmtes, definiertes, von dem man wüsste, dass es so (in diesen Grenzen) erhalten bleiben muss, damit ein oder dieses Selbst erhalten bleibt.
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Schon die beiden genannten Anteile der MOD Selbstbestimmung (vom dritten, dem Notwendigen und Schlechthin-Notwendigen war noch nicht die Rede), die nicht zusammenkommen wollen, stehen in einem seltsamen Verhältnis:
Zunächst: Das Notwendige, Not-Tuende im Leben von MOD Menschen scheint variabel, es wird zunehmend differenzierter bestimmt – stückweis, freilich: Denn MOD bestimmt sich ein Hinreichend-Notwendiges (aber kein SCHLECHTHIN solches) entlang dem, was gerade beim jeweiligen Stand des wissenschaftlichen und technologischen Wissens ansteht (und das wird sich nicht ändern, wenn über MOD hinausgegangen wird). Gleichzeitig aber gibt es durchgehend ein Schlechthin-Hinreichendes, die Entscheider- und Vernunfts-Natur, die sich über alldem schwebend erhält und die durch all diese präziseren Bestimmungen hindurch gleichbleibt. Zu ihr aber gibt es kein Notwendiges; sie bekommt auch keinen Anschluss ans kontingent Hinreichend-Notwendige in der Praxis, das (wenn auch nicht beliebig; wo die Grenzen sind, weiss man freilich nicht) immer auch anders sein könnte, als es ist. – Entscheider und als solcher (in welcher Ausprägung im Einzelne auch immer) ein Schlechthin-Hinreichendes zu sein, ist so eine allgemeine Form oder Formel, in die die sich ausdifferenzierenden Konstanten allererst einzusetzen sind.
Anm. Zu dem, was den Entscheider ausmacht, vergleiche die 5 Stufen mentaler Prädikate in den Untersuchungen zu Religion „religiös-vormodernes Denken“): Entscheider müssen demnach
1. einen Begriff bilden dessen, was überhaupt sinnvollerweise möglich ist (und was sinnlos wäre) (ihren Begriff von Sinn bestimmen, also den Begriff des Sinnvollen, Sinn-Machenden (wenn es dawäre) im Gegensatz zum Sinnlosen, aus dem sich (wenn es da ist) kein Sinn für uns machen lässt)
2. diese Unterscheidung (diesen Begriff, begrifflichen Unterschied) anwenden auf eine gegebnen Erfahrungssituation (Gesamt-Erfahrungsstand): was in ihr ist sinnvollerweise noch (hypothetisch) zu erwarten, und was sinnvollerweise nicht (womit darf nicht gerechnet werden müssen, wenn die betreffende Situation für uns noch Sinn machen soll?)
3. aus dem, was überhaupt zu erwarten ist, muss dann eine Hypothesenreihe oder Reihe sinnvoller Experimente (“ (versuchsweise) oder Versuchs-Ziele“) konstruiert werden, mithin eine Reihe abnehmender Priorität in der Erprobung (Vor- und Nachrangigkeit der Erprobungswürdigkeit, Optimalität) bis zur Widerlegung und des Übergangs zum nächsten Versuch (die zur Situation passende Optimalhypothesen-Reihe);
4. die konkrete Ausführung des nächsten Versuchs planen, die, als Umsetzung der allgemeinen Versuchsziel-Anordnung (in Gestalt einer ZWECK- und Zweckmässigkeits-Reihe), die augenblicklichen Umstände der Umsetzung berücksichtigen muss (die die konkrete Gestaltung der Ausführung modifizieren, aber nicht im Grundsatz das Versuchsziel infragestellen): vorhandene Ressourcen (vor allem physische) und ihre Grenzen, mögliche Störgrössen und Fehlschläge (Risiken; die aber noch keine den Versuch selbst widerlegende, also ihn sinnlos erscheinen lassende Wirkung haben), schliesslich auch erwünschte und unerwünschte Nebenfolgen (gegen die man sich wappnen muss);
5. schliesslich müssen Entscheider auch alles hierfür nützlich und notwendig zu Wissende in Erfahrung bringen (das an den (Versuchs)Zielsetzungen und den sie betreffenden Erfahrungsständen nichts ändert), sofern sie nicht darüber verfügen, oder aber die Tatsache der Nichtbekanntheit wichtiger Rahmenbedingungen für die Versuchsausführung dabei in Rechnung stellen.
MOD Individuen, und darin besteht ihr Fortschritt über REL hinaus, sind sich bewusst, solche Entscheider zu sein. Sie wissen, dass sie darin von nichts und niemand überboten werden können (man kann nicht „mehr“ Entscheider sein, als sie es sind; wohl: mehr wissen, mehr bedacht haben, über mehr Ressourcen verfügen; aber das sind im Prinzip zugleich immer nur wieder avancierte Stände der Fortgeschrittenheit, die sie auch selbst einnehmen können (und anders garnicht als solche erkennen und anerkennen könnten), und die an der grundsätzlichen Entscheider-Position und -Befähigung („Urteilsfähigkeit“, „bon sens“ bei Descartes, der dem wohl als erster und eindrücklich am Beginn seines Discours Ausdruck gegeben hat) nichts ändern: weil es ein QUALITATIVER Begriff ist, der keines Mehr oder Weniger fähig ist (umgekehrt: Intelligenz zum Massbegriff zu machen, ist im Kern eine tiefreligiöse Denkoperation, wenn nicht schlimmer…).
Aber das ist nun einmal nur die „allgemeine Form oder Formel“; hingegen was soeben als einzusetzende Konstanten bezeichnet wurde, ist nichts weniger als vollständig bestimmt, wird nur allenfalls – gewissermassen von (Erfahrungs)Situation zu (demgegenüber fortgeschrittener) Erfahrungssituation – auf den je neuesten (Erfahrungs)Stand gebracht: Es handelt sich um am bekanntermassen Vorhandenen orientierte, kontingent hinreichend-notwendige Inhalte für die 5 Stufen des idealen Entscheidungsprozesses, wie ihn vernünftige Entscheider abstrakt durchgängig sich selber zuschreiben.
((Dazu ist noch ergänzend zu sagen, dass MOD Entscheider hier unterschiedliche Bestimmungen machen können und müssen, je nachdem, ob es um ihren persönlichen Lebensentwurf (als ganzes, oder in Ausschnitten) geht, also das, was sie überhaupt tun oder erleben wollen im Rahmen dessen, was zu ihrer Lebens-Zeit bereits möglich ist; oder aber ob es um Forderungen und/oder Vorschläge geht, die man, in einer geteilten Lebensform, ins Verhältnis setzt zu passenden Entwürfen anderer (als allen aus gegenwärtiger Sicht am meisten förderlicher Entwurf von Arbeitsteilung). Lebensentwurf und Lebensform sind dabei auf höchst labile Weise aufeinander bezogen. – Schliesslich kann und muss der Entscheider auch (Versuchs)Planungen begutachten, bewerten, beurteilen, die über seinen biographischen Horizont hinausgehen und die Umsetzung des MOD Kulturprogramms (der Individualität) im Allgemeinen und in Zukunft betrifft, soweit dafür jetzt bereits Entscheidungen getroffen werden müssen.))
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Auf dem Weg, den die selbstbewussten MOD-Entscheider und Entwickler kollektiver Arbeitsteilungs-Pläne und -Vorschläge füreinander beim Gang durch die VIER STANDPUNKTE zurücklegen, und beim Durchgang durch die 4-stufige Reihe immer weiter verbesserter Selbstverständnisse, also versuchten präziseren Selbstbestimmungen (als Entscheider: was für Entscheider sie sind, als was sie sich sehen) – auf diesem Weg und dieser Reihe macht ihre Selbst-Bestimmung keine wirklichen Fortschritte.
Notwendig ist, was sie tun, immer nur im Rahmen eines konkreten Entwurfs, eines jener flüchtigen Zusammenschlüsse von technischem Entwicklungsniveau und -Optionen, reproduktivem Alltag einer arbeitsteilig organisierten Gruppe in einer gegebnen Umgebung, und deren Utopien; schon darüber, ob es DAS dafür Notwendige ist, also das Notwendige DIESES zunächst Hinreichenden, kann man streiten. Aber dieser Rahmen, dies kontingent-Hinreichende (beim gegebnen Wissensstand mutmasslich sie Reproduzierende, Wissen technisch rationell Nutzende, Wissen erweiternde, Vorstellungen von ergänzend-weiterführendem Sinnvollem Entwerfenden) selbst ist nichts weniger als notwendig; ob es DER (oder EINER DER) unter diesen Umständen diesen Entscheidern als Entscheidern, im Rahmen ihres Wissens und ihrer Ressourcen optimale ist und ob ihr Tun tatsächlich das nächst-zu erprobende Optimum darstellt, wissen sie nicht zu sagen.
Dieser Mangel stellt sich genauer so dar:
Das Hinreichende am Entscheiden steht fest, es besteht aus den genannten Schritten, vom allgemeinen (Sinn)-Begriffe-Bilden bis hinunter zum Ermitteln des FÜR den aktuellen Entwurf (zusätzlich) nützlich zu Wissenden: Ein solcher Entscheider will das moderne Selbst bleiben, als solcher sich (mit seinem Wissen) reproduzieren und dieses sein Wissen ausweiten. Aber da kommt der Begriff dann an sein Ende; denn diese Bestimmungen sind nur solche der abstrakten AUFGABEN, denen sich ein Entscheider stellen muss, aber auch kann; und in denen er weder vertretbar (ausser durch autoritär verbürgtes Besserwissen) noch überbietbar ist.
Bestimmt ist damit noch garnichts, die Bestimmung, das Denken und Bilden der Sinn-Begriffe bleibt Aufgabe: Wo oder worin wäre denn dies nützlich zu Wissende zu suchen, das ihm mutmasslich und als nächstes fehlt? Wie will er überhaupt erraten, was ihm noch fehlt, welchen Begriff von vollständiger Bestimmtheit und Sicherheit in dieser Hinsicht hat er dabei? Auf diese Fragen gibt es keine Antwort.
Stattdessen wendet sich der MOD-Entscheider von dieser Aufgabe einer Näher-Bestimmung des beim gegebnen Stand (Nächst-)Nützlich(st)-zu-Wissenden (oder einer Optimalhypothesenreihe mitsamt aktuell nächst-zu versuchendem experimentellen Ziel) ab, sobald er praktisch wird. Denn dort, wo er praktisch wird, hat er ja einiges halbwegs Notwendige in der Hand: vor allem BEDINGT nämlich für ein kontingent, so wie es ist, erst einmal hinreichend-Bestimmtes; daFÜR kennt er allerhand Notwendiges – WENN er sich für so Bestimmtes, so kontigent-hinreichend bestimmtes Tun entscheidet, wird dasunddas notwendig (wenn er DIE Methode einschlägt… die Alternativen sind leider, mit zunehmender Moderne, vielfältig, die Zahl der Möglichkeiten explodiert). Dies Bestimmte ist ein mutmasslich für seine Reproduktion Hinreichendes, und zwar ein dem erreichten Stand des Wissens Gemässes; aber was immer er in der Art kennt, es ist nie das Einzige seiner Art, und insofern nie ein für seinen Erhalt als Entscheider wirklich Notwendiges oder gar DAS Notwendige.
Im Vorhandenen, dem er sich in seiner Praxis zuwendet, findet er dan sogar zwei eng miteinander korrelierte Skalen vor, an denen sich sein Denken abarbeitet:
Auf dem einen Pol steht das maximal Einfache und Nicht-Zusammengesetzte, das Element oder besser, Elementar-Teilchen (und manch andres Elementares, das mehr oder weniger daran gebunden ist oder davon ausgeht, Wellen zB.).
Sofern es nicht-komplex ist, wie angenommen, im Mass, wie es das ist nicht, besteht Aussicht, dass es nicht spurlos entsteht oder verschwindet, allenfalls seinen Ort wechselt. Aber in diesem Sinn bleibt es ohne irgendwelches Zutun BESTEHEN.
Komplexe hingegen drohen zu zerfallen; viele Komplexe bleiben bestehen, wenn nicht etwas sie Zerstörendes eintritt, ein Stoss beispielsweise, der nicht elastisch abgefedert wird; dagegen muss man sie schützen. Bei manchen Komplexen genügt sogar eine geringe Einwirkenergie, um sie zerspringen zu lassen, oder die gleichbleibende Lage ihrer Teile zueinander irreversibel (mit den im Komplex vorhandenen Dispositionen) zu ändern (labiles Gleichgewicht). Die muss man erst recht schützen. Oder wiederherstellen, wenn man kann.
Wieder andere Komplexe erfordern ständige Zufuhr von irgendetwas Bestimmtem, in bestimmten Anordnungen… um „sich“ zu erhalten.
Und das Komplexeste in dieser Hinsicht und zugleich Erhaltungswürdigste dieser Art sind WIR.
Wir brauchen ständig irgendetwas, um weiter zu existieren: Abgestuft anderes unserer Art, Lebendiges etwa, auch; auch wenn es oft genug, wie Pflanzen, mit deutlich weniger Zufuhr auskommt und sich bescheidener darstellt, was Standortanforderungen angeht.. Aber da ist es uns oft genug nicht so wichtig, wenn es verschwindet, eins nach dem andern, eine Art nach der andern… ein Ökosystem nach dem andern… das sind ja nicht WIR – nebenbei: Wer gehört überhaupt ZU UNS?
Allerdings können wir kaum je von irgendetwas sagen, dass wir es unter allen Umständen brauchen – dass es KATEGORISCH NOTWENDIG ist, dafür, dass wir vernünftig, wir selbst, das Hinreichende, nämlich Entscheider mit einem gegebnen Wissensstand und Perspektiven seiner Erweiterung bleiben und auf Dauer fortexistieren.
Von daher endet die Bestimmung des Entscheider-Selbst, die ABSTRAKTE, beim BEGRIFF des nützlich zu Wissenden. In diesem Begriff (und der Aufgabe, die er stellt), mitsamt dem, was ihm vorausgesetzt ist an Begreifen, Konstruieren, Berechnen, hat der MOD Entscheider ein Absolut-Hinreichendes, an dem all sein Tun sich, der Absicht nach, orientiert („Selbsterhaltung“). Was aber das im Moment nützliche Wissen ist, lässt sich ein MOD Entscheider hingegen durchs Vorhandene vorgeben: Wer ALLES überhaupt Nutzbare weiss, weiss dann auch das Nützlich(st)e.
Genauer, soll dann Kenntnis der Elemente (für ihre Neu-Zusammensetzung) ein absolut-und quasi Universal-NOTWENDIGES: Gut und nützlich zu wissen für alles, was je versucht werden sollte. Aber was soll man versuchen, wofür dies universell nützliche Wissen einsetzen? Da weiss die MOD Wissenschaft keine andre Antwort zu geben als: Die vorhandenen Komplexe auf die Art ihrer Zusammensetzung hin zu analysieren; und so für uns manipulierbar, technisch zu unsern Gunsten abwandelbar (oder auch mit unsern Mitteln konservierbarm vervielfältigbar, reproduzierbar, substituierbar durch technische Äquivalente, wo wir das wollen) zu machen. Und der interessanteste Komplex unter allen in der Welt vorkommenden sind nun mal – WIR.
Analysieren wir uns also!
(15.2.2011)
AUSBLICK:
– es gibt offenkundig ein BEDÜRFNIS nach integration und „ganzsein“, das im festhalten an den aufgegebenen STANDPUNKTEN aufscheint
– aufgegeben werden sie zugunsten unhinterfragter expansion, der bedingungslos vorrang gegeben wird; anthropologien sind eigentlich nur interpretationen der menschengemässheit von anpassungen, die ohnehin stattfinden, und umgekehrt in der modernen praxis, wenn sie als gültig anerkannt werden, garkeine besondere konsequenz haben; interessant ist also nur die tendenz, der diese interpretationen jeweils nachgeben angesichts der ansteigenden anforderungen der produktion, die die expandierenden materien den modernen lebensentwürfen auferlegen;
– die seltsame selbst-ähnlichkeit verweist auf ein schattenhaftes „double“ der kategorie lebensentwurf: „bedürfnis“-definierend, „fähigkeits“-limitierend, integrations-fordernd, das aber immer durch die je nächsten vorschläge auf lebensentwurfs-ebene wieder verfehlt wird: IDENTITÄT.