Die Fragmente auf dieser Seite gehören zwei verschiedenen von mir so bezeichneten theoretischen Textgattungen an:
Untersuchungen und Überlegungen.
Untersuchungen stellen die erste Stufe dar, auf der man theoretische Gebilde (Begriffssysteme, (Arbeits)Hypothesen oder Vermutungen, Thesen, Behauptungen, Argumente, Beweise und Widerlegungen) überhaupt präsentieren kann: Nämlich als schriftliche Dokumentation oder Protokollierung der Wege, die man auf der Suche nach ersten haltbar erscheinenden Ansätzen zu solchen Gebilden auf einem Themen- oder Problemgebiet zurückgelegt hat. Andere Namen für Untersuchungen könnten lauten: Arbeitsjournale oder -protokolle, erste Entwürfe, Notizen, Bemerkungen.
Im allgemeinen werden solche Texte (wenn überhaupt) erst nach dem Tod eines dann durch andre Publikationen bekannt gewordenen Autors veröffentlicht.
Überlegungen nehmen ihren Ausgang von Untersuchungen, die aus Sicht des Autors weit genug gediehen sind, um das betreffende theoretische Gebilde VOLLSTÄNDIG darzustellen. Dabei sind meist mehrere Teile da, die miteinander verwoben oder verschmolzen werden müssen – die Frage ist: Wie genau gehören sie zusammen; sehr oft und durchaus quälend (auf weite Strecken des Textes „Normalität“ auf dieser Seite zu bemerken) die Frage: Warum bringt man alternative Formulierungen für dasselbe nicht in EINER Darstellung unter – warum scheinen sie sich ständig wechselseitig auszuschliessen oder in verschiedene Anschlussrichtugen zu deuten, obwohl sie doch alle richtig zu sein scheinen? Nicht selten tauchen dann, bei Fortsetzung und Vertiefung der ursprünglichen Überlegungen, ganz neue Gescihtspunkte auf, an die in den ursprünglichen Untersuchungen nie gedacht wurde. Im besten Fall ist am Ende etwas wie Vollständigkeit (nichts scheint zu fehlen), und Übersicht (alles in gehöriger Reihenfolge, alles an seinem Platz) erreicht – an dieser Stelle könnte dann eine Darstellung der fertigen Theorie versucht werden, an der gewiss noch sehr viel zu bessern und zu glätten ist, eleganter, ökonomischer, und eingängiger, lesbarer, nachvollziehbarer gestaltet werden könnte – erst nach vielen Durchgängen (etwa, wenn man anfinge, die Theorie zu unterrichten oder vorzutragen) wird dann erst jener Grad an Routine und Beherrschung aller Teile erreicht, der nötig ist, um allen Rücksichten auf Darstellbarkeit zu genügen.
Die meisten Menschen, die in ihrem Bildungsgang je mit theoretischen Gebilden konfrontiert waren, kennen nur solche historisch und didaktisch ausgereifte Darstellungen, wie sie in Schule und Universität ihnen vorgelegt wurden; die Vorstufen gehören der individuellen Vorarbeit der Urheber solcher Theorien, oder der Geschichte des jeweiligen Fachs an.
Einzig in der notgedrungen, durch die Art ihres Gegenstands, notorisch unausgereiftesten aller theoretsichen Disziplinen, Philosophie, finden sich massenweise solche Texte, die irgendwo unterwegs sind zu reiferen Versionen ihrer selbst.
Nur dort auch wird die Geduld im Sich-Vertiefen in notgedrungen, bedauerlicherweise nach wie von Unausgereiftes kultiviert.
Notgedrungen, weil philosophische Theorien und ihnen als Teil einzuverleibende theoretische Gebilde HOLISTISCHEN Charakter haben: Sie bilden immer EIN Ganzes (das „System“), und können nicht stückweise abgeschlossen werden (wie es beispielsweise in der Mathematik der Fall zu sein scheint).
In der Philosophie ist systematische Übersicht über das denkbar ausgedehnteste Themenfeld überhaupt das Ziel, nämlich kurz gesagt, die Grundlagen von ALLEM (nicht in Details, aber im WESENTLICHEN).
Die einzige Entschuldigung, die es für das Unausgereifte der hier vorgetragenen Theorien gibt, ist demnach, dass es sich um PHILOSOPHISCHE handelt. Hier kann nun weder an Bildungsinhalte und Vorkenntnisse der Laien-Leser appelliert werden, noch an einen Konsens philosophischer Fachleute: Zu sagen, was Philosophie ist und will, ist, unausgereift wie alles andre dort, Gegenstand intensiver philosophischer Untersuchungen und Überlegungen, und allenfalls historischer Ansätze zu Theorien oder Theorie- und System-Darstellungen; an denen wohl jemand erhebliche Mängel gefunden haben muss, der von neuem einsetzt und seine eigenen Untersuchungen und Überlegungen anstellt.
Das unausgereifte und unfertige System schlägt sich noch in einem anderen charakteristischen und ebenso unvermeidlichen Zug der Texte auf der Seite nieder: Sie sind Fragmente; und dazu bestimmt, im Zuge ihrer Ausreifung AUFEINANDER ZU ZU WACHSEN. Aus guten Gründen (die hoffentlich irgendwann einmal begreiflich zu machen sind) ist es aber auch unmöglich, die verschiedenen Anfänge und Ausgangspunkte, von denen her sich diese Annäherungen vollziehen, zu unterlassen, und sich etwa nur auf einen von ihnen zu konzentrieren, um von da aus das Ganze abzuwickeln oder zu entwickeln. So entwickelt, würde es sich ganz schnell als unerträglich borniert und einseitig erweisen. Es ergäbe sich nicht einmal eine AHNUNG vom Aufbau dieses Ganzen. Denn: Für den normalen Leser solcher Texte ist nichts natürlicher, als zwischen zwei Fragen hin- und herzupendeln, die sich ihm an solchen, typisch philosophischen Texten, im Vergleich mit anderen, vor allem auch theoretischen, die er kennengelernt hat, aufdrängen: Entweder, der Text versucht tatsächlich (wenn es denn gelingt, soweit es gelingt), zu entwickeln, sorgsam Schritt für Schritt den Leser mitzunehmen (wie etwa im Text „Normalität“ und den anderen „Überlegungen“ auf dieser Seite); dann wird dabei soviel Aufwand getrieben, dass der Leser bald ermüdet fragt: Wohin führt das? Sagt man es ihm, und beschleunigt die Darstellung (wie in den „System-Übersichten“ im Menü „Startseite“), geht zu übersichtlichen Zusammenfassungen (neuen Ansätzen, Anfangspunkten) über, folgt er wieder nicht: DARAUF soll es hinauslaufen? – DAS willst du beweisen? Wie soll dir das gelingen? Der Philosoph geht zurück zum Argumentieren, und sein Adressat zurück zur eerten Frage: Gut, DAS leuchtet ja ein, aber was hat es mit diesen Beweiszielen zu tun? Wie willst du von hier (etwa dem Text über Normalität) zu deinen Auffassungen zur Gender-Theorie (anderer Anfangspunkt), oder von dort zurück zur Normalität, gelangen?) Wie soll denn so Auseinanderliegendes je zusammenkommen? Der Philosoph deutet es an – der Leser verstehts nicht… Und so geht es weiter.
Wichtig ist, dies nicht dem Grössenwahn des Philosophen oder der Begriffsstutzigkeit und Borniertheit des Lesers anzulasten, sondern im Fach selbst und seiner historischen Reife, die derzeit noch Unausgereiftheit ist, die Quelle für dieses Ärgernis zu erkennen. Dabei ist noch eine weitere wichtige Randbedingung anzusprechen: Philosophische Theorie handelt notgedrungen (wieder muss es so gesagt werden) von Themen bei denen aus dem Stand heraus jeder mitreden kann; an manchen Stellen redet sie sogar, zum Verdruss der Fachleute, über Prinzipien anderer Fachdiszplinen, und erlaubt sich, kritisch ihnen gegenüber aufzutreten und sie zu berichtigen. Spätestens dort scheint sie sich Übergriffe zu erlauben, denn die Grundbegriffe der Wissenschaften gehören doch, allgemeiner Überzeugung zufolge, den Wissenschaften selber an, sind womöglich aus deren empirischem Wissen abgeleitet und keineswegs per apriorisch-kategorischem armchair-thinking auszumachen, wie Philosophen es pflegen. Erst recht als unverschämt wird jeder Eingriff von seiten philosophischer Theorie ins Alltagsdenken empfunden: Wie kann sie sich anmassen, zu entscheiden, wo wir trotz aller Versuche, zu Verbindlichem und Entscheidungen in Konflikten zu gelangen, erfolglos geblieben sind? Sind Philosophen soviel schlauer? Schlimmer noch, wie können sie sich anmassen, zu widersprechen, wo wir zutiefst überzeugt sind? Und uns unsere Überzeugungen absprechen wollen durch die blosse ZUSAGE und Versicherung, in ihren Begriffs-Dschungeln werde der Pfad zur Widerlegung dieser unserer Gewissheiten beschritten, wir sollten ihnen folgen…
Wenn wir sonst in unseren Bildungsgängen Theorie und theoretische Gebilde, als Teil einer gut eingeführten wissenschaftlichen, technischen oder „Diskurs“-Praxis erlernen, lassen wir uns Umstände, Anstrengungen, Aufwände gefallen. Hier bietet meist irgendein ausserhalb der Disziplin liegender Erfolg, oder immerhin die Übereinstimmung aller Kenner und Autoritäten, solche Theorie sei die für das Fach wichtige, eine gewisse Gewähr dafür, dass die Lernanstrengung sich loht.
Nichts „Philosophisches“, weder ausserhalb noch innerhalb der bisherigen oder akademisch betriebenen Philosophie, lässt sich damit vergleichen; philosophische Theorie wurde und wird von solchen vorangetrieben und rezipiert, die philosophische Probleme haben, und niemand sonst.
Die anderen Leser aber dürfen mit Fug und Recht früher oder später die Lektüre abbrechen, nachdem sie die Seltsamkeiten dieser kräftezehrenden Begriffsexerzitien zur Genüge besichtigt haben. Die philosophisch Tätigen werden sich irgendwann zurückmelden müssen, und dann mit etwas hoffentlich Eingängigem, bei dem der „Erfolg oder die Übereinstimmung der Kenner eine gewisse Gewähr dafür bietet, dass die Anstrengung es kennenzulernen lohnt“. Solang es nicht soweit ist, müssen sie unter sich bleiben, und weiter suchen und überlegen…
Noch ein Hinweis.
Es könnte Verwunderung auslösen, dass sog. Untersuchungen, die doch unausgereifter sein sollen, teilweise viel konziser sich darstellen als Texte auf dieser Seite, die als Überlegungen eingeordnet sind. Das ist so zu erklären: Das Problem des Untersuchens, oder die Unausgereiftheit dieser Stufe, wiederholt sich auf der Ebene der Überlegungen auf einem fortgeschritteneren Niveau. Beim Untersuchen geht es darum, ÜBERHAUPT einmal Ideen zu bekommen, Begriffe zu bilden im Bezug auf ein Themenfeld; beim Überlegen (wie oben ausgeführt) hingegen darum, solche (und auch noch dabei neu sich einstellende) Ideen zusammenzubinden, und ihre Beziehung zueinander zu klären. Überlegen mutet, unerwarteterweise, oft noch qualvoller an als das Untersuchen (Texte, in denen das wirklich quälende Herumirren beim Untersuchen deutlich wird, habe ich den Lesern hier erspart. Man ahnt etwas davon in den Texten über Absichtlichkeit oder Wahrnehmung.). Es ist aber in keinem Fall zu bestreiten, dass die Texte dieser Seite zu grösseren Teilen das gewohnte Niveau konziser, reifer theoretischer Darstellungen nicht erreichen, und, angesichts der Breite des Systementwurfs, der hier ausgearbeitet wird, noch nicht erreicht haben können. Um für die Gesamtheit des gegenwärtigen Systems (wenn nicht noch massive Fehler darin auftauchen) einen solchen Reifegrad zu erreichen, wäre – grob geschätzt – mindestens gleichviel Zeit erforderlich wie für den aktuellen Stand (2010); der ist das Produkt von 25 Jahren Nachdenken. Allein daran bereits ist zu bemerken, dass theoretisch-begriffliches Erschliessen der Inhalte, von denen hier die Rede ist, für deren massenhafte Verbreitung völlig ungeeignet ist. Es muss einen anderen Weg geben, und ich denke, es gibt auch einen.