69.
In der Vorgabe war Bestätigtes und Optimalhypothetisches ineinandergeblendet; vorgegeben ist das, woFÜR das im engeren Sinn empirisch Gewusste nützlich zu wissen ist; und dies „woFÜR“ ist leider seinerseits empirisch, nur schon früher, festgelegt, sodass sich ein Freiraum an darAUF bezüglichen Wissenserwerben öffnet – der es (darin zeigt sich der Regress) irgendwann aber auch ändern kann. Wir hatten dann dies Vorgegebene genauer analysiert, und waren über die 6-Punkte-Listen von 8/39+40 schliesslich darauf gestossen, dass sie resultieren aus der Belegung eines universellen Schemas für Optimalhypothesen (als rationaler Lernstrategien des Umgangs mit dem Rest-Unbekannten und der Suche nach dem noch nicht entdeckten, (optimal)hypothetischen Rest-Wissenswürdigen darin, je bei gegebnem Erfahrungsstand) mit einer einzigen Kategorie, nämlich „nicht erklärungsbedürftige, als solche passiv auf Dauer ins Auge fallende Stabilität“: So, wie bislang beobachtet, einstweilen stabile Rahmenwerte, auf die man sich bei der Formulierung der drei Gesamtbudgets, als Teile des realen Gesamt-Ressourcenflusses pro Zeit, verliess; Rahmenwerte, die ihrerseits einstweilen stabil fundiert sein sollten in einstweilen stabilen Bereichswerten, auf die man sich wiederum bei Aufteilung dieser drei Gesamt-Budgets innerhalb ihrer jeweiligen Branchen „Reproduktion“, „Produktion“ und „Wissenserwerb“ sollte verlassen dürfen – in diesen internen Branchen-Ressourcen-Verteilungen spiegelte sich letztlich unser Wissen von kategorisch zu erwartenden Bedrohungen und Chancen für unsere (Re)Produktion und Wissenserwerbe; schliesslich zerfielen diese komplexen Bedrohungen und Chancen in Situationstypen und darauf bezogene, bekannte technische Verfahren (beide zerlegbar in technische und kausal-bedingende DADURCH-DASS-Hierarchien, in denen sich die Zusammensetzung von Komplex-Situationen/Gebilden usw. und darauf bezogenen Handlungen aus sie „erklärenden“ Elementen, soweit bekannt, widerspiegelte); Situationen und auf sie zweckmässig bezogene Verfahren waren ausgestattet mit einem um sie herum gelagerten „Dunstkreis“ von Ähnlichkeiten und denkbaren Abwandlungsmöglichkeiten, der den Raum des überhaupt Erwart- und Denkmöglichen mehr oder weniger erschöpfen sollte.
70.
Gehen wir jetzt also nochmals zurück auf die Ableitungs-Stufe vor dem zuletzt gefundenen Prinzip, nämlich zu den beiden 6-Punkte-Listen des Abs.40.
Die erste Liste: „Ich weiss genug“, nämlich
f ALLES
b{NOTWENDIG
c FÜR [DIE ((FÜR (dieses Notwendige) PASSENDE)) AUFTEILUNG
d DER GESAMTRESSOURCEN]
e (ZU KENNENDE, ZU WISSENDE)}GEWUSSTE (dh. hinreichend bestätigtes und nicht (oder noch nicht hinreichend) falsifiziertes Wissen-wie)
a REGULÄRE (in der Welt bzw. Umgebung).
Die zweite Liste (mit Bezeichung der je zugeordneten Punkte der ersten Liste; die Zusätze E bzw. OH werden anschliessend erklärt)):
Ea1. WELCHE Regularitäten?
OHe2. (Das Wissen von ihnen) WIE GUT (gut genug-FÜR…?) BESTÄTIGT? (Wie sehr wollen wir uns verlassen, wie weitgehend uns von seiner Zuverlässigkeit abhängig machen?)
Eb3. WELCHE dieser Regularitäten sind („dadurch“) WIE GEFÄHRLICH/Nützlich-FÜR…
OHc4. … JE WELCHE („dazu“ passende) TEIL-RESSOURCENVERWENDUNG-VON…
Ed5. …WELCHEM („dazu“ passenden) GESAMT-RESSOURCENVORRAT, je aufgeteilt für Reproduktion, Produktion und lohnendem Wissenserwerb?
OHf6. Sind die Angaben unter 1-5 HINREICHEND („weiss genug“? oder zuviel? zuwenig?)
Und auch der Zwischentext zwischen beiden ist nicht ganz unwichtig:
„(Liste 1)…Dies sind die sechs (in der angegebenen Art aufeinander bezogenen) „Kategorien“, in denen je passende Angaben gemacht werden müssen, wenn eine „regionale“ (Optimal)Hypothese – eine hypothetische, dh. erfahrungskorrigierbare (durch Erfahrung verbesserbare) Normalpraxis vorliegen soll; man könnte auch von – voneinander unabhängig erfahrungs-korrigierbaren – „Versuchs“-Dimensionen (dieser Hypothesen-Art) sprechen, mit je eigenen, nur dieser Dimension zugehörigen (hypothetischen) Inhalten, unterschiedlichen Beiträgen zur Definition des hypothesen-gemässen (hypothesen-testenden) Gesamt-Versuchshandelns (denn zu einem solchen, einer Gesamt-Praxis, müssen sich ja die aus den einzelnen Dimensionen stammenden vorläufig-versuchsweisen Festlegungen integrieren lassen), mit je unterschiedlichen „Fehlschlägen“ und Falsifikationen, und je unterschiedlichen Arten, im Anschluss an einen Fehlschlag (in der jeweiligen Dimension) die im Sinne der so falisfizierten Dimension je nächst-anstehende Variante des Gesamtversuchs zu erschliessen.
Die Fragen, die durch eine „vollständige“ Hypothese beantwortbar sein müssen, könnten dann etwa lauten: …“ (folgt Liste 2).
In diesen Listen repräsentieren die Punkte e2, c4, f6 den Anteil des Optimalhypothetischen, in Entsprechung zu den drei Punkten des „allgemeinen epistemischen Schemas der Optimalität“ aus Abs. 49; die Punkte a1, b3, d5 bezeichnen das je zugehörige (E/OH1/2, 3/4, 5/6) empirische Material E, das zur Belegung der jeweiligen Schema-Abteilung OH mit einem Inhalt dient, derart, dass durch die Gesamtheit dieser drei Belegungen eine „regionale Optimalhypothese“ entsteht.
71.
Es ist dann die Frage, wie diese drei Belegungen sich auf die in Abs.49 angeführten drei Schema-Abteilungen (s.d.) verteilen; ich meine, sie tun es so:
der dritte Punkt des Schemas, Was können wir (zusätzlich zu dem, worauf wir uns bereits jetzt verlassen) (vorher)wissen?, entspricht dem Paar 1/2;
der zweite Punkt des Schemas, Was (und vor allem: wie, aufgrund von was, welchen reproduktiven und produktiven Arrangements) dürfen wir (dann) (für unsere Selbsterhaltung) (er)hoffen?, entspricht dem Paar 3/4;
der erste Punkt des Schemas, Was sollen wir (zu) tun (versuchen)?, entspricht dem Paar 5/6.
Das darf nun natürlich nicht einfach so mechanisch behauptet werden; machen wir uns klar, warum diese Zuordnungen korrekt sind:
Paar 1/2: Wir haben ein Inventar mehr oder weniger gut bestätigter, mehr oder weniger stabiler Regularitäten, die ihrerseits von Bedingungen (als ihren „Elementen“) abhängen und in Bedingungs-Verhältnisse eingehen, wobei es sich – in der bisher verwendeten Terminologie ausgedrückt – um „Komplexe“ handelt.
Die Bestimmung, die dann unter 2 vorgenommen wird, können wir uns so zustandegekommen vorstellen: Alle Punkte des allgemeinen epistemischen Schemas der Optimalität aus Abs.49, werden GEDEUTET (oder „besetzt“) mithilfe der Kategorie „stabile Regularität“; Optimalität in der ersten Hinsicht wird hier im Zusammenhang von 2OH unter Verwendung der Kategorie „stabile Regularität“ darin gesehen, dass alles aus der bisherigen Erfahrung bekannte REGULÄRE auch STABIL BLEIBT; so, dass auch der es erklärende Aufbau aus den Elementen, die es konstituieren, stabil bleibt, und wir somit notwendige und hinreichende Bedingungen seines Da- und So-Seins kennen, an die wir uns beim praktischen Umgang mit der betreffenden Regularität halten können – ohne dafür irgendeine verallgemeinerbare Gesetzmässigkeit kennen zu müssen, als deren Anwendungsfall wir den betreffenden Zusammenhang zwischen Bedingungen bzw. erklärenden Elementen und ihrer Zusammensetzung, und dem dadurch erzeugten Regulären auffassen müssen.
(Das Gesetzesartige in seinem Wissen fällt für den Normalplaner also völlig mit dem Begriff des Stabil-Regulären selbst zusammen, und zerfällt allenfalls in Stabil-Reguläres mit Resultatcharakter, und Reguläres mit dem Charakter der Bedingung-FÜR-ein-solches-Resultat-Stabiles. Die Tatsache, dass einige dieser Elemente- oder Bedingungen-FÜR-eines auch noch solche -FÜR-andres sind, ist von diesem Standpunkt rein zufällig, und begründet keine eigene Kategorie: auch der Begriff des Elements, des Elementaren und seiner SORTEN, als etwas eigenständig in der Empirie (Aufzu)Suchendes, fehlt den Normalplanern somit völlig; man kann dann eigentlich gleich sagen: DIE KATEGORIE DER ERKLÄRUNG FEHLT IHNEN.)
72.
Aber der eigentliche Schritt kommt erst noch. Der Normalplaner muss aus dem ihm vorliegenden empirischen Material, das überhaupt als Kandidat für „mögliche stabile Regularität“ oder Bedingung-FÜR-eine solche infragekommt, weil es mehr oder weniger gut „bestätigt“ ist, eine Auswahl treffen, und bestimmen, auf was davon er sich wie sehr verlassen will – mit welchen Graden der Unzuverlässigkeit oder Bedingungs-Abhängigkeit er dabei rechnet, sofern er mit dem betreffenden Tatbestand oder Bedingungs-Zusammenhang überhaupt rechnet, also den Tatbestand erwartet und mit dem Zusammenhang arbeitet. Wir sind hier, in 2OH, vorerst auf der technischen Ebene; das „Bestätigte“ und „überhaupt“ Infragekommende, von dem hier geredet wird, betrifft die Entscheidung, ob etwas sich Wiederholendes, also empirisch Reguläres, als (wieder) erwartbar, oder aufgrund von An- und Vorzeichen vorhersehbar, beeinflussbar oder kontrollierbar innerhalb gewisser, bewältigbarer Schwankungsbreiten, und unter bestimmten notwendig dafür zu erfüllenden Voraussetzungen, aufgefasst werden darf – also als nutzbares Mittel, oder bewältigbare Bedrohung; es versteht sich, dass dann auch ein wenigstens ungefährer (hypothetischer) Schätzwert für die erwartbare Schwankungsbreite existieren muss, der zum Beispiel maximale Aufwände für Nutzung des Mittels oder Abwendung der betreffenden Bedrohung zu kalkulieren gestattet. Ebenso muss das Bündel an Voraussetzungen, notwendiger und/oder hinreichender Bedingungen, wahrscheinlicher Einflussfaktoren, und der relevanten An- und Vorzeichen existieren, von dem wir die Nutzung oder den Versuch der Vermeidung (im Schadensfall) abhängig machen sollen.
Der Beitrag der normalplanerisch als stabile Regularität gedeuteten Optimalschema-Formel (genauer: ihrer dritten Abteilung; denn die ist hier angesprochen) muss dann darin bestehen, dass der Normalplaner, generell oder themenbezogen, für sich selbst bestimmt, bei welchem Erfahrungsstand, also etwa nach wieviel Beobachtungen oder Versuchs-Durchläufen, er welche dieser Schwankungsbreiten und Bedingungen als technisch verwertbar akzeptiert – welche erwartbaren Tatbestände oder Bedingungs-Zusammenhänge er für „regulär“ (hinreichend gewusst und bekannt, um sich darauf zu verlassen) im Sinne der Formel halten, und als potentielle Technik (Mittel, Verfahren), oder Bestandteil einer solchen, in seinen geistigen „Werkzeugkasten“ aufnehmen soll. (Eine Spezialfrage dabei ist: Wie sehr man das Verhalten von Komplexen aus Techniken aus den bekannten Parametern der Teile, durch deren Fortschreibung, erschliessen kann – oder in welchem Ausmass man umgekehrt mit eigengesetzlichen Wechselwirkungen, Verstärkungen, Abschwächungen ursprünglich erwartbarer Komplex-Summen-Wirkungen rechnen muss.)
Die Festlegung eines Masses für hinreichende Bestätigtheit von Parametern bestimmter Art (womöglich aufgeschlüsselt für Regularitäten der verschiedensten Arten), die er dabei macht, ist zunächst rein („regional-“) (optimal)hypothetisch. (Dies gilt übrigens auch für das Ausmass, in dem aus seiner Sicht „Ähnlichkeits-Fortschreibungen“ möglich sind, denn die stellen im Grund nur eine spezielle, nämlich qualitative Form, von „Schwankungsbreite“ dar.)
73.
Wenn nun ein solches Mass vorläufig festgelegt ist, fragt sich, welche Deutung wir dann dem Paar 3E und 4 (OH) geben sollen. Die Selektion, die aus den Erfahrungsdaten des Normalplaners über mögliche stabile Regularitäten (nämlich: Wissen über Wiederholungen von als gleich oder gleichzeitig klassifizierten Komplexen (Struktur, Verlauf, Dispositionen usw.)) mithilfe der eben besprochenen 2OH (nämlich des regional-optimalhypothetischen Masses, wann welche Parameter als verlässlich gelten dürfen), ein Inventar (innerhalb einschätzbarer Schwankungsbreiten) verlässlich erwartbarer Regularitäten ausgeschnitten hat, liefert das Material an, das zusammen mit den Kenntnissen 3E die Anwendung der „normalplanerisch als stabile Regularität gedeuteten“ ZWEITEN Optimalschema-Formel erlaubt. – Zunächst ist die Frage, was das überhaupt für eine Sorte empirischer Kenntnisse sein soll, die zu den bekannten möglichen, oder als solche anerkannten, weil für hinreichend bestätigt erklärten Regularitäten, hinzukommen könnte.
Die Regularitäten, von denen wir bisher gesprochen haben, beziehen sich auf äussere Tatbestände, oder, wenn sie unter Mitwirkung unseres Handelns zustandekommen, Effekte, Wirkungen. Dabei war immer schon vorausgesetzt, dass diese Regularitäten zwei einfachen Ausgangsbedingungen genügen, unter denen allenfalls sie überhaupt unsere Aufmerksamkeit verdienen: Sie müssen direkt oder indirekt Einfluss nehmen auf etwas, das uns wichtig ist; und sie müssen, direkt oder indirekt, im Bereich dessen liegen, worauf wir unsererseits handelnd Einfluss nehmen können. Die Kenntnisse, die erforderlich sind, um diese Bewertungen vornehmen zu können, nämlich: was wir KÖNNEN, und was für uns WICHTIG ist, sind die gesuchten; es sind keine äusserlichen. Zwar könnte man auch dabei von Regularitäten sprechen, denn es geht auch hier um Erwartbares, und halbwegs regelmässig sich Wiederholendes, aber um solches, das allem andern, BLOSS Erwartbarem, BLOSS Regelmässigen, durch den Zusammenhang, in dem es zu DIESER Sorte der Könnens- und Wichtigkeits-Regularitäten steht, Eigenschaften aufprägt, die in ihm ursprünglich nicht enthalten waren, und die doch unerlässlich sind, wenn diese „blossen“ Wissensinhalte je in Plänen angewendet werden sollen: nämlich WERT-Eigenschaften.
74.
Jede Bewertung, also Zuordnung einer solchen Eigenschaft, ist ihrerseits nur etwas wert, nämlich aussagekräftig im Mass, wie die Prognosen – eben die Inhalte der Kenntnisse oder Regularitäten der zweiten Art (3E), es sind, die sich damit verbinden. Dass etwas jetzt, hier, beispielsweise schmerzt, ist nicht sehr aussagekräftig; aber wie, wenn der Schmerz anhält? Wie lange kann er anhalten, ohne sich – und dann worauf? – auszuwirken? Diese Art der Erholung oder Befriedigung: sie mag angenehm sein; aber welche Rolle würde es spielen, wenn ich sie mir regelmässig gönnen würde? Würde sie sich abnutzen, ihren Reiz verlieren? Lässt sie sich hinreichend variieren, so dass dies nicht geschieht? Was würde es für mich, umgekehrt, bedeuten, wenn ich mich daran gewöhnt habe, sie wieder zu verlieren? Und was bedeutet sie im Zusammenhang – worauf würde ich verzichten, um auf sie nicht verzichten zu müssen? Was, umgekehrt, von dem, was gegenwärtig noch lohnt, würde sich nicht mehr lohnen, wenn ich auf sie verzichten müsste? usw. Ähnlich für das, was ich „kann“. Es geht schon damit los, dass ich wissen muss, „wie gut“ ich es kann; wie zuverlässig, unter welchen Bedingungen schlechter (so, dass ich mich darauf einrichten kann). Zum andern: Vieles kann ich nicht auf Anhieb; was darf ich mir zutrauen, was kann ich „können“ lernen? Wieviel muss ich üben, um es wie gut zu können, wie oft es anwenden, um es nicht zu verlernen; wie lange hält sich die Fähigkeit, ohne durch den Dauergebrauch zu verschleissen? Wie oft lässt sich etwas unmittelbar sehr wohl Gekonntes nacheinander wiederholen, ohne dass die Leistung nachlässt? Wie muss man sich erholen, oder pausieren, um diese Leistung zu optimieren? Und – etwas, das für Bedürfnisse wie Fähigkeiten gilt: Welches sind objektive Einflussfaktoren – wann geht es besser, wann schlechter?
75.
Die letzte Frage nähert die Wert-bezogenen Regularitäten, durch diese Art ihrer Verknüpfbarkeit mit „objektiven“ äusseren Tatbeständen, den objektiven, äusseren Regularitäten wieder an. Aber da ist etwas, das geeignet sein könnte, ihre Sonderstellung endgültig zu begründen; Fähigkeiten und Bedürfnis-Befriedigungen sind nämlich auf eine, wenn auch sehr komplexe, Weise miteinander verknüpft. Das Bedürfnis, nicht zu leiden, es angenehm zu haben, oder sich gar bestimmte Genüsse zu ermöglichen, mag da und dort immer wieder unbefriedigt bleiben; aber das Niveau unserer Gesamt-Bedürfnis-Befriedigung ist verknüpft mit dem Niveau dessen, was wir können: Spätestens dem Niveau dessen, was wir WOLLEN KÖNNEN; denn jenseits des physisch überhaupt Mach- und Lernbaren ist dies der Kern und die allgemeine Randbedingung unseres Könnens überhaupt. Man könnte sagen: Es ist der Kern unseres (oder unser) SELBST. Und dies ist nicht eine fernabliegende Grösse, die bei immer weiter ausgreifenden Planungen irgendwann auch einmal ins Auge gefasst werden müsste; als unmittelbares Selbst-GEFÜHL ist sie vielmehr, ohne weiter thematisch zu werden, ständig gegenwärtig. Dieses grundlegende Gefühl eines angemessenen Verhältnisses zwischen Anwendung unserer Fähigkeiten durch Verausgabung unserer „Kraft“, und dem, was sich an Befriedigungen, Genüssen, Wunscherfüllungen dabei einstellt, drückt man normalerweise etwa in den Worten aus: Es lohnt sich – weitermachen, weiterleben lohnt sich; vielleicht sogar in besonders hohem Mass, das Leben macht FREUDE, es ist sinnvoll und (sinn)erfüllend. Dieser Befund ist nichts weniger als eine objektive Prognose, etwa von der Art: So wie „wir“ (aber wer sollten diese wir dann noch sein? wie sollten sie charakterisiert sein?) leben, werden „wir“ demnächst noch immer leben, „wir“ reproduzieren „uns“, die physischen Anforderungen „unseres“ Organismus an seine (!) Umgebung werden erfüllt. Er ist deshalb keine Prognose, weil unser Leben im wesentlichen in HANDLUNGEN sich vollzieht, und nicht in uns immerzu bloss widerfahrenden Ereignissen. Diese Handlungen WOLLEN wir tun, sofern wir können (die nötigen Fähigkeiten, Kräfte, Kenntnisse usw. besitzen), und vor allem, sofern wir sie wollen können, weil sie sich lohnen.
76.
Unsere Fähigkeiten, Kräfte, Kenntnisse im Rahmen des Könnens und Wollen-Könnens müssen so genutzt werden, dass wir, durch die Art und Ergebnisse dieser Nutzung die absehbar auftretenden Bedürfnisse befriedigen können, deren Befriedigung zur physischen Wiederherstellung oder Aufrechterhaltung des Könnens und speziell Wollen-Könnens führt.
Dies Ur-Selbst ist somit bereits selbst in sich zirkelhaft, ursprünglich reproduktiv und sich erhaltend, angelegt – ein Kurzschluss des Wollen-Könnens und Könnens mit sich selbst; die Art seiner eigenen Nutzung ist es, unter Umständen auch ausgerichtet an der „Stafette“ der Bedrohungen, auch bedrohlichen Bedürftigkeits-Einbrüche, die – wenn bestimmte („homöstatische“, „gesunderhaltende“) Umgebungs- und Befriedigungs- (oder Zufriedenheits-) Bedingungen eingehalten werden – seine Erhaltung „verursacht“; eine Verknüpfung, die physiologischer Art ist, und deren überaus komplexe Zwischenglieder in Gestalt der „normalen“ Lebensprozesse unseres Organismus sich in unseren Gefühlen und Empfindungen im Detail garnicht widerspiegeln. Die Intaktheit dieser objektiven, nicht gefühls-repräsentierten, zwischen den äusseren Pole unseres Selbst: Befriedigungs-Empfindung, und (empfundene, als solche ausübbare) Fähigkeit, speziell Wachheit, Antrieb, freies Wollen-Können vermittelnden Prozesse, das „Gesundsein“ also, scheint an objektive Bedingungen, ihre Beschädigung umgekehrt an die Verletzung dieser Bedingungen geknüpft. Sobald uns diese Zusammenhänge überzeugend bewusst sind, dehnt sich das affektive Werten auf sie aus: Wir haben Angst vor Schädlichem, und freuen uns über unerwartet uns zufallendes, bekanntermassen Nützliches (das uns das Leben erleichtert). – Umgekehrt können wir uns über Gefühle (des (Bald-)Nichtmehr-Könnens, (Eigentlich-) Nicht-Wollen-Könnens) hinwegsetzen, uns disziplinieren und abhärten; dies über eine bestimmte Grenze hinaus getrieben, führt dazu, dass wir irgendwann überhaupt kein Selbst mehr haben, besser gesagt: kein Selbst, keine Person mehr sind; kurz: wir sind nicht mehr da, sondern tot (der Organismus mag dann noch am Leben erhalten werden, oder auch nicht).
77.
Angesichts dieses zusätzlichen Erfahrungswissens um die Bedingungen des Handeln-Könnens und -Wollen-Könnens (die spürbaren wie die bloss sicher gewussten, aber eben darum affektiv ebenso bedeutsamen) sortiert sich unser darum bereichertes, und für zureichend gehaltenes (unter Anwendung der optimalhypothetischen Regel 2OH, die uns sagt, wann dies der Fall ist) Wissen-wie neu, ordnet sich zu Strängen aus Bedingungs- und Wirk-Ketten, welche, von unbedingt (wenn auch nur innerhalb gewisser Schwankungsbreiten) zu erwartenden Ausgangs-Bedingungen (Natur-Ressourcen), mit angemessen dazwischentretenden Handlungen von unserer Seite, auf „Nützliches“ und „Schädliches“ zulaufen: ersteres erzeugend, zustandekommen lassend, verstärkend, „am rechten Ort zur rechten Zeit bereitstellend“ und für unsere Bedürfnisse oder Erhaltungsbedingungen angemessen zurechtmachend usw.; letzteres abwendend, vermeidend, mildernd, in seinen Auswirkungen möglichst neutralisierend usw.
Aus blossem Wissen-dass (die Beurteilung, dass es „Wissen“ ist, ist keine Selbstverständlichkeit! vgl. die Notwendigkeit der Optimalhypothese 2OH!) wird auf diese Weise ein technisches, auf mögliche Zwecke von uns bezogenes Wissen-wie (vgl. oben Abs. 43; sowie 7/18); dabei ist gleichgültig, ob diese Bezogenheit direkt ist (Nutzeffekt, Schadens-Minderungseffekt), oder indirekt, indem durch das so gewusste Mittel oder Verfahren ein vielfältig, für Zwecke der verschiedensten Art verwertbarer „instrumenteller“ Effekt erzeugt werden kann, und den virtuellen „Werkzeugkasten“ unserer Methoden und Instrumente bereichert.
Aber wie wir bereits in 1/2 erfahren haben, ist ein Werkzeugkasten aus blossen Möglichkeiten oder ein Inventar möglicher technischer Verfahren, es mag noch so komplett sein, kein Plan, oder Reproduktions-Entwurf. In einem solchen lassen sich nämlich, ausgehend von WIRKLICH erwarteten Ressourcen (Chancen) und Bedrohungen (Risiken), mit beschränkten Zeithorizonten, und Knappheiten aller Art, nur bestimmte Nutzeffekte hervorbringen und Schäden ausschalten – vor allem, wenn dies sich regelhaft wiederholen, nachhaltig, dauerhaft geschehen, und womöglich Überschüsse für zukünftige, ebenso nachhaltige Verbesserungen hervorbringen soll. Die Auswahl an Verfahren und Mitteln, die, im Zusammenwirken mit unserm – durch diese Art seiner Verausgabung sich selbst erhaltenden -Können und Wollen-Können sich ebenfalls erhält, und gegen die bekannten Tendenzen zu „Beschädigung, Verfall, Verschleiss…“ (1/1) geschützt wird, ist dann keine bloss technische Möglichkeit; sondern sie ist die wirkliche und, einmal in Gang gesetzt, andere ausschliessende Art unserer Reproduktion – unser tatsächliches (und nicht nur mögliches) KÖNNEN, das, wenn es ernsthaft Schaden erleidet, anders als die meisten unserer blossen Möglichkeiten, vernichtet wird und definitiv in ein NICHTMEHRKÖNNEN übergeht – mit schlimmen Folgen.
78.
Dass eine bestimmte Verteilung unserer – wie wir aus Erfahrung 1E und mit 2OH „hinlänglich wissen“: knappen – Ressourcen und unseres Könnens und Wollen-Könnens ((des unmittelbar leiblichen, wie des um affektiv bedeutsame Komponenten, schliesslich auch ausgewählte und realisierte Techniken aus dem Bestand des (mit 1E, 2OH als solches „gewussten“) Wissens-wie erweiterten)) auf produktive Teil-Zwecke in ihrer Gesamtheit, im Verbund mit den (1E, 2OH-bekannten) Chancen und Risiken dauerhaft, also „reproduktiv“ ist, womöglich sogar produktiv, also zweckmässige Überschüsse erzeugend: das ist keine Selbstverständlichkeit. Nur unter einer Optimalhypothese, die uns das vorstellbar Beste als „so oder so ähnlich, wie bereits stattfindend, oder bekannt“ denken, und bis zum Beweis des Gegenteils unserm Handeln zugrundelegen lässt, kann dies höchst Prekäre und ständig Infragestehende ernsthaft zum Inhalt einer ERWARTUNG werden. Mit andern Worten: Auch die, für eine vollständige Optimalhypothese mit einer konkreten Vorstellung zu belegende, zweite Abteilung des allgemeinen Schemas wird hier mit der Kategorie „stabile Regularität, also Fortschreibbarkeit des Bestehenden“ ausgefüllt – die Konkretisierung findet dann jeweils statt durch das tatsächlich „Bestehende“, den faktisch ausgeführten Reproduktionsentwurf, dem wir bis jetzt, bis auf weiteres, folgen. – In dieser einfach scheinenden gedanklichen Operation versteckt sich allerdings eine höchst gewagte Unterstellung.
79.
Denn selbst die höchste vorstellbare Stufe von Erfahrungen der Art 3E: Erfahrungen mit erfolgreichen Aufteilungen unseres Könnens und Wollen-Könnens auf technische Verfahren, deren Gesamtheit (unter Verbrauch der limitierten Grössen des Könnens und Wollenkönnens) zu seiner Reproduktion führte (darin besteht ja der Erfolg): Sie liefert keine Bestätigung, dass gerade DIESE Anordnung sich auch unter allen erwartbaren Umständen wiederholen lässt.
Wir mögen nämlich noch soviel und genaues Wissen-wie erworben haben über die Schwankungsbreiten und Bedingungen der kategorischen Nutz- und Schadumstände, mit denen wir für diese unsere konkrete Anordnung von Können und Wollenkönnen (zweckmässige, planvolle Aufteilung unserer Kräfte und Antriebe auf ineinandergreifende Teil-Arbeiten) zu rechnen haben: Dann wissen wir doch nie, bevor wir es nicht erfahren haben, welche günstigen oder ungünstigen Effekte spezielle Ausprägungen und Verläufe all dieser Schwankungsbreiten und Bedingungen erzeugen könnten, wenn sie in unserem konkreten Plan miteinander kombiniert sind, und zeitlich und kausal voneinander abhängig gemacht.
((Das gilt SOWOHL für die objektiven Verläufe, für die wir ihre Zusammensetzung aus Teil-Techniken mit ihren Bedingungen, sowie ihre Koordination mit schwankend-ausgeprägten und/oder bedingten Randumständen bereits öfter besprochen haben; ALS AUCH und erst recht für die subjektiven Verläufe, wo auch vielfältige Nutzungen unserer Handlungsspielräume mit objektiven Randbedingungen zsuammenwirken, und sich dann auf Bedürfnisbefriedigungen, und diese wiederum (ebenfalls zusammen mit objektiven Umständen) auf die subjektiven Spielräume auswirken (so, dass sich der Kreis schliesst)… Die Frage, die hier praktisch zu beantworten ist, lautet: Wie weit wirken sich Eingriffe, Austausch von Teilen unserer Reproduktion aus, wie stark sind sie mit anderen verknüpft, welche Neben- und Fernfolgen haben sie?))
80.
Aus Kombinationen können völlig unvorhergesehene Nutz-, aber auch Schadeffekte entstehen; sobald wir sie kennen und als solche erfahren haben, werden wir erstere versuchen zu „stabilisieren“, dh. reproduzieren; was blosser zufälliger „Ausreisser“ im Rahmen des Zusammentreffens zweier Schwankungsbreiten oder Bedingungsketten war, soll dann „regulär gemacht“ werden, seine Auftretens-Wahrscheinlichkeit erhöht und am besten unserer Kontrolle unterworfen werden (wir fragen nach den Bedingungen dafür); umgekehrt, ebenso, muss, was blosses Zusammentreffen, purer Zufall war, vorhersehbar gemacht, seine Auftretens-Wahrscheinlichkeit gesenkt, oder es am besten sicher unterbunden werden können.
Die Empirie von der Art der Erfahrungen 3E ist hier unumgänglich. Denn selbst wenn wir die objektiven Effekte von Zusammen-Fallen oder Zusatz-Bedingungen vorhersehen könnten (wie wir es durch 6OH unterstellen: Es wird nichts der ART nach Unvorhersehbares mehr vorkommen, das wir nicht schon kennen würden) – so könnten wir, ohne es erfahren und erlebt zu haben, doch nicht ihre affektive Auswirkung auf unsere Bedürfnis- und Fähigkeiten-Ökonomie (also die aufgrund von „Gefühlen“ zu ermittelnden Reproduktions-Bedingungen für unser Können und Wollenkönnen) beurteilen – zumindest nicht, wenn es sich eben um (in dieser ihrer Art) NEUE Schäden und Nutzen handelt.
81.
Wir haben also da grosse Mengen von Erfahrungsmaterial 3E mit bestimmten Wollenkönnens- und Könnens-Verwendungen und dem daraus resultierenden Gesamt-Schaden und vor allem (ihn hoffentlich übersteigenden) Nutzen, vor allem auch solchem, der aus kombinierten, innerhalb gewisser erwartbarer Schwankungsbreiten zeitlich auf Rahmenbedingungen abgestimmten und von aufeinander aufbauenden, hoffentlich hinreichenden Bedingungsketten abhängigen Verfahren resultiert; es ist dann aber ein Schritt ganz eigener Art, aus Erfolgen der (den schwankenden Rand-Umständen und komplexen Bedingungsgefügen jeweils angepassten) Aufteilung unserer Könnens- und Wollen-Könnens-Spielräume auf Verfahren (derart, dass die Bedingungen einer Wiederherstellung dieser Spielräume, soweit wir sie bereits kennen, erfüllt sind) zu schliessen, dass diese unsere Art, uns zu reproduzieren, auch auf Dauer verlässlich ist: Was in diesem Fall heisst, dass WIR UNS, nämlich dieses unser Können und Wollen-Können, im Rahmen der (mit 2OH berechtigterweise, weil „hinreichend bestätigt“) erwartbaren Randumstände und ihrer Schwankungsbreiten einzeln und in Kombination, sowie im Rahmen der ebenso zurecht erwartbaren „zureichenden Bedingungen“ und Bedingungsgefüge (incl. Wechselwirkungen, Nebenfolgen usw.) „AUF DIESE ART“ AUF DAUER REPRODUZIEREN WERDEN. Das, auf Basis der Empirie 3E ERWARTEN zu dürfen, ist nur als Inhalt einer Optimalhypothese – eben einer vom Typ 4OH – zulässig.
82.
In drei Hinsichten lässt sich diese zweite Fortschreibung einer Empirie 3E durch eine Optimalhypothese 4OH, derart dass die sich aus dieser Empirie ergebenden Möglichkeiten zum Inhalt von Erwartungen werden, mit der erst besprochenen, grundlegenden Fortschreibung dieser Art, nämlich von einfach-stabilen Regularitäten und ihrer Bedingungs-Struktur 1E durch Optimalhypothese 2OH, vergleichen:
a) In beiden Fällen muss ein Mass festgelegt werden, ab wann die jeweilige Empirie hinreichend „beeindruckend“ ihre Handlungsrelevanz gezeigt hat: Im ursprünglichen Fall ging es dabei grundsätzlich um die Frage, ab wann wir die Schwankungsbreiten (ihre Grenzen, die Häufigkeits-Verteilung innerhalb ihrer) ganz ausgelotet, und die Bedingungen, von denen etwas Relevantes abhängt, hinreichend vollständig und tief (Bedingungen der Bedingungen) erfasst haben – zur Beantwortung dieser Frage ist es gleichgültig, ob mögliche Unzuverlässigkeit unseren unzulänglichen Kenntnissen, oder objektiven Umständen (die wir eben hätten abwarten sollen) geschuldet ist (nachträgliche Änderungen usw.) – beides läuft auf dasselbe hinaus (zumindest solang stabile von erklärbaren komplexen, oder erklärenden elementaren Regularitäten nicht unterschieden werden.).
Es geht also darum, zu fragen: Wann, angesichts welcher Erfahrungsverläufe, dürfen wir uns worauf darin verlassen – wann haben sich beobachtete Regularitäten, einschliesslich solche des Erklärens, als so „stabil“ erwiesen, dass wir sie als hinreichend bestätigt ansehen dürfen, um technische und reproduktive Erwartungen daran knüpfen zu dürfen?
83.
b) Im Falle der Zuverlässigkeit von Reproduktions-Erfolgen kommt aber sofort ein unabhängig von blosser „relativer Häufigkeit“ variierendes Moment hinzu: Nämlich das AUSMASS einer Nutzen- oder Schadensgrösse: Wir haben es eben nicht nur mit Wahrscheinlichkeiten zu tun, sondern mit Chancen und vor allem (Versäumnis)Risiken; Seltenheit von (Ausnahme)Ereignissen allein reicht hier nicht hin, um den „Regel“- Charakter einer Praktik unerschüttert zu lassen. Denn es genügt, dass eine seltene, aber katastrophale Entwicklung unseren Handlungsspielraum als ganzen auf lange Zeit hinaus (und schwer wiederherstellbar) beeinträchtigen kann, um sie für relevant zu halten, und darum für regel- und dauerhaft in unseren reproduktiven Anstrengungen berücksichtigenswert. Entscheidend ist, dass hier die affektiven Komponenten der Erfahrung den Ausschlag geben: Wie schlimm muss etwas sein, um (endlich) berücksichtigt zu werden (auch wenn es immer noch „relativ“ selten ist)? Wie schwer muss etwas immer wieder zu bewältigen sein, um infragegestellt zu werden („man kann es so auf Dauer nicht wollen, nicht aushalten“)? Wie wenig muss sich eine besonders angenehme Art sich zu reproduzieren, oder ein Verfahren (affektiv) bewährt haben (nämlich durch alle Wechselfälle seiner, ihrer Anwendung hindurch), um nicht nur als „bloss zufällig öfter, als normal, gelungen“ angesehen werden zu müssen, derart dass man mit diesem Gelingen „rechnen“ darf? Wie oft muss etwas „nach allem, was man denken würde, Chancenloses“ reibungslos gelungen sein (und wie oft darf es dabei mindere Beeinträchtigungen geben), damit man es für sicher hält (und an sein Gelingen, als relativ sicher erwartbar, entsprechende Pläne knüpft?)
(Dies betrifft also die sehr wichtige Hinzufügung in den Listen des Abs. 40 bzw. ihrer Zitate im Abs. 70 oben erörtert werden, nämlich den Zusatz „gut genug- (sc.bestätigt) FÜR“ in der Beschreibung von 2OH. – Die Einschätzung erfahrener „stabiler Regularitäten“ (Schwankungsbreiten und ihren Charakteristiken; Komplexen und ihrer Bedingtheit durch Teile (ihre Elemente), kurz: Bedingungsgefügen) hinsichtlich des Grades ihrer Bewährtheit hat eine rein kognitive, wenn auch in Emotionen begründete Seite: Etwas ist, in DIESEM Sinn, genügend bewährt, wenn es geradezu langweilig würde, auf Alternativen oder weitere Daten und Aufschlüsse zu warten (zumindest, wenn man das Bedürfnis nach Neuem hat) – einfach, weil es sich eben immer weiter so verhält wie bisher schon (es bewegt sich, mit den bekannten Verteilungsmustern, in der bekannten Schwankungsbreite; zeigt die bekannten Bedingungstypen innerhalb der Schwankungsbreiten ihrer möglichen Abwandlungen, aber nie andre usw.).
Es gibt aber daneben das zweite, nämlich eben genannte andre Mass für „emotional“ hinreichende Bewährtheit (Gewissheit, Gewusstheit), und das beruht auf der Abschätzung der reproduktiven Folgen, falls wir uns auf etwas verlassen und davon abhängig machen – sowohl im Erfolgs-, wie eim Misserfolgsfall. In früheren Zusammenhängen war dies Mass bereits mit angesprochen in den Kategorien „Dringlichkeit“ oder „Relevanz“.)
84.
c) Aber das wichtigste, was die stabile Regularität und zuverlässige Wiederholbarkeit der Reproduktion von derjenigen aller bloss technisch verwertbaren unterscheidet (und somit die Bekanntheit mit letzterer als ein „blosses“ Wissen-wie, die mit ersterer hingegen als Kern unseres KÖNNENS erscheinen lässt), ist: Wir können uns ihr nicht entziehen, sie nicht ignorieren, uns nicht nicht dafür interessieren – zumindest nicht, wenn es für uns und mit uns überhaupt weitergehen soll, und wir überhaupt irgendein Interesse haben. Wir können den Versuch, uns zu reproduzieren, nicht unterlassen, oder auch nur unterbrechen, weil er uninteressant oder zu wenig vielversprechend ist, und auch nicht dann, wenn die bestimmte Weise, in der wir uns zu reproduzieren versuchen, zu wenig bestätigt und unsicher erscheint. Selbst, wenn nur NOCH unsicherere Arten des Reproduzierens zur Auswahl stehen, werden wir eine davon erproben. Und dies „Erproben“ ist wiederum mit keinem bloss technischen Experimentieren vergleichbar; wir können von unserem „Können“ nichts abzweigen, das für blosse Probezwecke einsetzbar wäre, und dennoch ein KÖNNEN bliebe: Die Reproduktion ist die Reproduktion, alle Ressourcen, die reproduziert werden MÜSSEN, gehören dorthin, alles, was DIESE notwendig wiederherzustellenden Mittel verbraucht, ist keine blosse Probe, sondern belastet unseren Handlungsspielraum, und wir müssen fragen, wie es anschliessend damit weitergeht: Denn hier geht es um uns selbst, oder „unser Selbst“ (zumindest: das Ur- oder Kernselbst, das uns IMMER ausmacht, und das NIE verlorengehen darf) – und das kann uns nicht gleichgültig lassen (es sei denn, uns ist ALLES gleichgültig). Seine Erhaltung ist das (Vor)Dringlichste und Relevanteste überhaupt.
85.
Wenn somit überhaupt verschiedene Könnens-Arten, verschiedene Weisen des Reproduzierens in einer Umgebung zur Wahl stehen, können die Unterschiede, um die es dabei noch geht, nicht in dieser ihrer grundlegenden Gemeinsamkeit, Reproduktion (des Ur- oder Kern-Selbst) zu sein, bestehen, sondern müssen zusätzliche Optionen eröffnen: also die Möglichkeit, dass dabei Überschüsse anfallen und genutzt werden können – etwa für „Versuche“; oder dass eine „maximal vorsichtige“ Weise der Reproduktion in einer gegebnen Umgebung, bei gegebnem Wissen (1E, 3E, 2OH, 4OH), von weniger vorsichtigen unterschieden werden kann; oder eine, in der man weiterhin technische Verfahren sucht und die vorhandenen sorgfältig weiter erprobt (unter Einsatz von überschüssigem Handlungsspielraum) usw. – Was uns gleich zum letzten verbliebenen Paar, 5E und 6OH, führt.
Wieder gibt es, in Gestalt der optimalhypothetisch (4OH) fortschreibbaren Weisen der Reproduktion, ein von „unten“ angeliefertes Material; wieder stellt sich, wie in Abs. 73 oben für 3E, die Frage, welche empirischen Daten zu den bisherigen noch hinzukommen, derart dass wir eine neue Kategorie 5E dafür vorsehen müssen.
Die Erfahrungs-Daten aus 3E über Bedürfnisse und Bedürfnisbefriedigungen (mithin Reproduktionsbedingungen für unser Können und Wollen-Können) ebenso wie über dies (Wollen-)Können, seine Verlaufs-Parameter und Grenzen, selbst, schliesslich Daten über sich „fühlbar“ machende Vorwegnahmen solcher Verläufe und Bedingungen in Gestalt „gelernter“ affektiver Erwartungen (Ängste, Hoffnungen, Vorfreuden, Bedrücktheiten): Diese Daten liefern, wie wir sahen, die Grundlagen für verschiedene, oder auch nur einen denkbaren Reproduktionsentwurf, in dem Können und Wollen-Können (als grundlegendste unserer Ressourcen) unter Integration all dieser Affekte auf verschiedene reproduktive Teil-Tätigkeiten, Verfahren, Sach-Ressourcen-Gebräuche verteilt werden, sodass Reproduktionsbedingungen für eben diese Weisen des Könnens und Wollen-Könnens erfüllt sind, sie sich dauerhaft reproduzieren, und der Vorgang unbefristet wiederholt werden kann.
All diese Reproduktionsentwürfe mögen sich aber, wie eingangs gesagt, durch verschiedene Überschuss-Grössen und -Arten, die sich aus ihnen herausziehen lassen, unterscheiden; und wenn wir zurücksehen nach 8/14 (oder gleich ins 1. Kap.), dann obendrein durch die an sich nicht notwendigen, aber FÜR künftige Optionen mitgeführten und vorausschauend mitreproduzierten Ressourcen. – Für welche dieser verschiedenen Arten sollen wir uns also, wenn überhaupt, aufgrund welcher Erfahrungsdaten, entscheiden? Und wie sie auf mögliche künftige Produktivitätssteigerungen und Erweiterungen FÜR diesen (in Abhängigkeit von solchen Zukunfts-Entwürfen zu wählende) Ausgangs-Reproduktionsentwurf und FÜR solche Steigerungen und Erweiterungen lohnende Wissenserwerbe (Experimente) verteilen?
86.
Die Kandidaten für eine Besetzung der Kategorie 5E sind längst bekannt: Es sind die Erfahrungen der verschiedensten Art, dass „es anders kommt als erwartet“. Aber diese Formulierung ist zu allgemein; denn natürlich kommen hier keine andern Überraschungen infrage, als solche auf der „Rahmenebene“ – anders gesagt, positive und negative Enttäuschungen von Erwartungen auf dieser Ebene. Unsre Aufgabe ist zunächst, zu sagen, warum es garkeine andern als diese Erwartungen sein können, die „enttäuscht“ werden könnten.
Natürlich gibt es solche Enttäuschungen, in einem weiteren Sinn, auch auf den beiden bereits besprochenen Ebenen; Enttäuschung bedeutet dabei, genauer, immer Enttäuschung eines Erwartungsaffekts. Den jeweils grundsätzlich überraschbaren Hauptaffekt im Zusammenhang mit 1E und 2OH bzw. 3E und 4OH, hatten wir, im Fall des ersten der beiden Paare, bereits genannt: Langeweile; wird sie überrascht, dann darum, weil etwas „sich dann doch als interessant, komplizierter“ erweist, als gedacht – wobei dieser Effekt selbstverständlich durch seine affektiv spürbaren (un)angenehmen (re)produktiven Nebenfolgen überlagert sein kann.
(Der Gegen- oder Parallelaffekt, soweit die rein kognitive Seite betroffen ist, wäre „Neugierde“: Sie wird „geweckt“ bei Durchbrechung von Routinen, und ist ihrerseits enttäuschbar: Etwas erweist sich als – im Rahmen des Bestehenden erklärbare, oder, was hier fast auf dasselbe hinausläuft: unerklärbare – banale, oder auch irgendwie spektakuläre Ausnahme, die sich danach dann doch nie wieder wiederholt (dennoch erinnert man sich noch längere Zeit daran; weil spätestens eine Wiederholung dann doch bemerkenswert wäre; usw.)
Zusatz 24.11.2016: Man sollte hier strenger unterscheiden zwischen den tatsächlichen Empfindungen „Langeweile“ und „geweckte Neugier, Interesse – das Gefühl: es ist JETZT interessant und fesselt mich“, und dem Überschuss, der hinzukommt mit der Erwartung: „… und das wird (uU unerträglich lange) so bleiben“ im Fall der Langeweile, die dadurch endgültig „bleiern, bedrückend“ wird bzw. „…und da ist noch so viel mehr zu erwarten“ – im Fall der Neugier, die sich steigert zur unbestimmten Euphorie und Gespanntheit auf Grossartiges, das sich da ankündigt. Die Unterscheidung wird im nächsten Abs. genauer besprochen.
87.
Im Fall des zweiten Paars hatten wir den beteiligten Affekt zunächst so ausgedrückt (vgl. 8/75): „Es lohnt sich – weitermachen, weiterleben lohnt sich; vielleicht sogar in besonders hohem Mass, das Leben macht FREUDE, es ist sinnvoll und (sinn)erfüllend“. – Sehen wir genauer zu, dann handelt es sich hier zwar um ein augenblickliches Gefühl; das sich als solches schon dadurch erweist, dass dieser sein Gehalt oder seine Färbung genuin zu seiner Beschreibung gehören kann („es fühlt sich so an“, „ich fühle mich so als ob…“), OBWOHL der Tatbestand, der hier zum Ausdruck dessen angeführt wird, WIE man sich fühlt, wie wir unter Umständen nur zu gut wissen, vielleicht garnicht erfüllt ist: Man kann das Gefühl haben, oder in diesem Zustand sein, obwohl es OBJEKTIV keine Grundlage hat, etwa in Gestalt einer lückenlos lohnenden und ohne absehbare Befristung in die Zukunft weisenden konkret-gewussten und „zurecht“ erwartbaren Perspektive im Anschluss an diesen Augenblick. – Vom Gefühl unterschieden werden muss somit der Erwartungsaffekt, der gewissermassen die affektiv „verständliche“ (und ansonsten, jenseits gewisser Schwankungsgrenzen, unverständliche) Begleit-Färbung einer tatsächlichen Erwartung darstellt (die Erwartung färbte eben das Gefühl; jetzt färbt das Gefühl die Erwartung). Dieser Erwartungsaffekt tritt zu dem aktuellen Gefühl eines Handlungsspielraums, Antriebs (Wollen-Können), oder grundlegender Lebens-Lust hinzu, und überlagert, neutralisiert, oder vertreibt sie und verkehrt sie ins Gegenteil. Es ist, grundsätzlich, der Erwartungsaffekt: SO kann, so WIRD es auch weitergehen; zumindest im Grundsatz; wenn ich, wir so weitermachen, kann nichts ganz Schlimmes geschehen, nichts ganz Wesentliches versäumt werden (uU mit dem resignierten Zusatz: „aber mehr auch nicht“; auch eine Erwartung!)
(Es ist genau jener Affekt, oder jenes Grundgefühl, der und das durch die („traumatische“) Entdeckung katastrophaler Versäumnisse nachhaltig erschüttert wird; man könnte ihn „Grundvertrauen“ in das Funktionieren von Reproduktion nennen. Darin eingeschlossen ist: Wir machen es richtig, wir können weiter so vorgehen – das ist Vertrauen in die eigene Planung; und: Alles dafür wesentliche ist berücksichtigt, es wird so (innerhalb der bekannten Schwankungsbreiten, unter Berücksichtigung der nötigen Bedingungen) kommen, wie wir’s brauchen – das ist das Vertrauen in die fortdauernde Normalität unserer Lebens-Umstände, die Randbedingungen und technischen Verfahren, mit denen wir arbeiten, und unser (zureichendes) Wissen davon.)
88.
Wird dies Vertrauen erschüttert (enttäuscht; überrascht: wobei hier fast nur eine Richtung vorstellbar ist, nämlich die zum Schlimmen), tritt BESTÜRZUNG ein. – Entsprechend unsern Überlegungen zur Verknüpfung der optimalhypothetisch fortgeschriebenen kognitiven Erwartungen (1E, 2OH) mit den ebenso fortgeschriebenen (3E, 4OH) Reproduktions-Erwartungen (Abs. 77, und vor allem Abs. 83 oben) gibt es hier ein – nicht notwendig an bestimmte Inhalte (als ein sehr konkret angebbares „worüber“) angeschlossenes – „Mitempfinden“ auf der technischen Ebene: Man ist RATLOS, wie derartiges sich hat ereignen können (findet keine Erklärung usw.).
(Der Anteil der reproduktiven Enttäuschung kann auch geringer ausfallen: Die Bedrohung, die von der unerwarteten Entwicklung ausgeht, mag relativ gering sein; die Überraschung in negativer (und affektiv nicht völlig neutraler, dh. nicht „rein“ kognitiver und kognitions-bezogen emotionaler) Hinsicht auf der untersten Ebene wird dennoch „Ratlosigkeit“ bleiben – Ratlosigkeit über ein Stück Kontrollverlust – Verlust an Beherrsch- oder Beeinflussbarkeit, Vorhersag- (aufgrund von Anzeichen) oder zumindest Vorhersehbarkeit; vor allem, wenn sich im Rahmen des stabil fortzuschreibenden Wissens um stabile Komplex-Zusammenhänge (dies Wissen charakterisiert, wie wir oben Ende Abs. 71 feststellten, das Niveau der „Erklärungen“ von Normalplanern) „keine Erklärung dafür finden lässt“, obwohl dies (im Rahmen des gesamten Wissens von regulären Komplexen) hätte erwartet werden müssen. Verlust an Erklärbarkeit ist dann ein Spezialfall von Kontrollverlust (Kenntnis von Bedingungen, in ihren verschiedenen Spielarten, erweist sich als nicht zureichend).
Im Mass, wie der praktisch-reproduktive Anteil der Ratlosigkeit geringer ausfällt, wird sich dieser Überraschungsaffekt dann immer mehr dem rein kognitiven des (zumindest vorübergehend „Neugier weckenden“) Staunens, oder eben der rein kognitiven, eigentlichen „Überraschung“ annähern. – Eine „reine“, oder rein kognitive Form der Ratlosigkeit könnte vielleicht in solchen Erlebnissen eintreten, für die uns schlichtweg die begriffliche, oder gar kategoriale Einordnung misslingt: Sie machen uns sprachlos; wir begreifen die Welt nicht mehr usw.
89.
Bestürzung (oder gar Verzweiflung), ebenso wie Ratlosigkeit (auch als Bestandteil von Bestürzung), oder mehr oder weniger sprachloses, mehr oder weniger Neugier-weckendes Staunen stellen nun „Überraschungen“ dar, welche entweder, nämlich im Normalfall, dazu bestimmt sind, wieder zu verschwinden, und im Mass, wie sie das tun, dem (langsam wiederzurückkehrenden) jeweiligen Grundaffekt (Vertrauen, Normalität; Routine) Platz zu machen; hingegen ihr Nicht-Verschwinden, oder womöglich unerträgliches Anwachsen, dürfte in pathologischen mentalen und körperlichen Zuständen enden. Genau dadurch unterscheiden diese Grundgefühle und Erwartungsaffekte im weiteren Sinn sich von den genuinen Erwartungsaffekten, um die es im Zusammenhang mit 5E und 6OH geht.
Die Pointe bei diesen eigentlichen Erwartungsaffekten ist: Sie „entzünden“ sich (als dem sie charakterisierenden und zugleich „auslösenden“ Inhalt oder Gehalt) an Verhältnissen zwischen „affektiv eingefärbten“ (Versuchs)Handlungsentwürfen und/oder (diese begleitenden oder bedingenden) Erwartungen, und den Gefühlen zum Zeitpunkt, bis zu dem der Versuch, laut Plan, hätte gelingen, und/oder die Erwartung sich hätte erfüllen sollen. Dabei hat man die Wahl, und entscheidet selbst (wenn auch vielleicht nicht willkürlich, sondern nach gewissen (Lern)Regeln, die noch zu erörtern sein werden), auf welche Versuche und Erwartungsinhalte man sich einrichten will – immer unter der Voraussetzung, dass durch keine dieser Entscheidungen die zugrundeliegende Reproduktion angetastet wird: das Vertrauen in die Richtigkeit des Planens, und in die Fortschreibbarkeit und hinreichende Bekanntheit der zugrundeliegenden (Reproduktions)Normalität muss durchgehend erhalten bleiben.
90.
Nun könnte man die oben angeführten Erwartungsaffekte im weiteren Sinn, nämlich das eben nochmal angeführte „Vertrauen“, und die „Routine“, durchaus unter dieselbe Formel bringen wie die eben genannte für eigentliche Erwartungsaffekte; denn auch sie sind gebunden (von „entzünden“ wird man bei ihnen kaum sprechen wollen!) an Verhältnisse zwischen Handlungsentwürfen und/oder begleitenden Erwartungen, und dem affektiv bedeutsamen Gehalt zum Zeitpunkt ihrer (geplanten, erwarteten) Realisierung (nämlich: so wie erwartet) – gebunden an reproduktive und technische Routine-Pläne, mit ihren (erwarteten) Randbedingungen, Bedingungsgefügen, Gelingensbedingungen, erwarteten Nebenfolgen usw.; und dem immerzu weiter sich von Augenblick zu Augenblick durchhaltenden Gefühl: SO wird es kommen, DIES als nächstes, es wird (in diesem Rahmen) gutgehen, usw. Der erste Unterschied zu den eigentlichen Erwartungsaffekten ist dann natürlich: Bei den erweiterten gibt es kaum eine Wahl, und wenn, dann nur eine indifferente, die hinsichtlich des Grundgefühls keinen Unterschied macht. Und da ist gleich noch ein zweiter Unterschied: Dass es so kommt wie erwartet, IST ja geradezu die Normalerwartung der erweiterten Erwartungsaffekte; WENN es erwartungsgemäss so kommt, geht auch das Grundgefühl einfach weiter – nichts von den Ausnahme- und Gegenaffekten (von Bestürzung bis Staunen usw.) macht sich bemerkbar.
Hingegen ist das Gelingen des Versuchs „wie erhofft“, das Eintreffen der Erwartung „wie befürchtet“ im Fall der eigentlichen Erwartungsaffekte mindestens ebensosehr von affektiven Reaktionen begleitet, wie Verläufe und Ausgänge „anders als erwartet“ – wobei „anders“ heisst: besser oder schlechter. (Ein dritter Unterschied: Im Fall der nicht-eigentlichen Erwartungsaffekte KANN es garnicht gut kommen, wenn es anders kommt: Selbst unerwartete Glücksfälle werden beeinträchtigt durch das entsprechende „negative“ Gegen-Gefühl, im Mass wie sie als Ausdruck mangelnder Kontrolle (man kann etwas Wichtiges versäumen, weiss nicht, wie man es verhindern könnte) empfunden werden.)
91.
Aber der wirklich entscheidende Unterschied der eigentlichen Erwartungsaffekte gegen die andern ist mit dem allen noch kaum berührt. – Wir hatten im 1.Kap. die ökonomischen Pendants der hier involvierten Affekte benannt. Das, was das Grund-Vertrauen in die unbefristete Fortsetzbarkeit begründet, entspricht dem in 1 / 4 angesprochenen Sachverhalt, dass wir uns mit all unseren Produktions- und Reproduktionsalternativen oberhalb des Grenzniveaus der Reproduktivität bewegen – genauer, soweit oberhalb, dass wir nicht stagnieren, also es nicht gefährden müssen, um produktive oder Fortschritts-Optionen, also Optionen auf Erhöhung unseres Reproduktionsniveaus zu haben. Aber schon die Einschätzung, welches eigentlich unser „Reproduktionsniveau“ ist, scheint eine höchst affektive und gefühlsmässige Angelegenheit (der Regress im Zusammenhang mit dieser Einschätzung oder „Vorgabe“ wurde oben in Abs. 14 beschrieben); oberhalb des Grenzniveaus der Reproduktivität sind nämlich meist mannigfache Definitionen dessen möglich, worin unser „erweitertes“ Selbst besteht: Jenes, das sich (ausgerüstet mit Kenntnissen, erwartbar zugänglichen Ressourcen, Mitteln, Kräften, Fähigkeiten) in der ihm bekannten Umgebung SO erhält, dass es eben nicht nur das Kern-Selbst dauerhaft und ohne Risiko reproduziert (das ist nur wieder die Grenz-Bedingung von Reproduktivität für das Kern-Selbst überhaupt), sondern SICH als Basis für direkt risiko-mindernde (und in diesem Sinn: Reproduktions-Niveau-erhöhende) Fortschritte, und, noch weitergehend, als Basis für Fortschritte hin auf das ausgehend von ihm angestrebte „Optimum“ – selbst wenn dies mit vorübergehenden Risiko-Erhöhungen bezahlt wird.
92.
Noch einmal: Die Erhaltung des Kern-Selbst darf nicht angetastet sein; aber jenseits davon gibt es meist viele Möglichkeiten. Auch das erweiterte Selbst, „als das“ wir uns dann „entwerfen“, muss sich reproduzieren lassen; sonst gibt es Rückschläge und überflüssige Schleifen, die vielleicht unseren Gesamt-Spielraum (das überhaupt erreichbare Optimum) vermindern. Andererseits sind solche Rückschläge vielleicht inkaufzunehmen; weil sie sich (angesichts des von uns für möglich gehaltenen Optimums, und seiner Alternativen) LOHNEN; dies Lohnen ist ein andres als das der einfachen Reproduktion, des einfachen Lebens und am Lebenseins; dort lohnt sich das Leben, hier ein u.U. höchst riskanter VERSUCH; wir sprechen hier von lohnenden Versuchen; die Rede vom Optimum zielt eigentlich auf den „lohnendsten Versuchsinhalt“ unter allen erwägenswerten Alternativen.
Versuch heisst: wir sind nicht mehr im Bereich bewährter Techniken oder der unbefristet fortsetzbaren Reproduktions-Routinen für unser Kernselbst; Versuch heisst: Es herrscht mehr oder weniger Ungewissheit über Gelingen und Misslingen; und die Versuchsplaner (sonst wären sie keine) sind sich darüber im klaren.
Was wir Gesamt-Budget (das auf der Ebene der Rahmen-Erwartungen zur Verteilung ansteht) genannt haben, ist dann eigentlich der „Ressourcenkreislauf“ (Output pro Zeit) – auf einem „Reproduktionsniveau“ mehr oder weniger deutlich OBERHALB der Reproduktivitäts-Grenze des Kern-Selbst angesiedelt -, den das sich selbst so definierende erweiterte Selbst reproduziert (oder DURCH den ES SICH reproduziert).
(Man sieht, wie die Begriffe erweitertes Selbst, sein Reproduktionsniveau, sein Gesamt-Budget und der „es“ (das Selbst, das Budget) reproduzierende Kreislauf der Ressourcen (auch Mittel, Kenntnisse, Fähigkeiten) eben dieses Selbst zusammengehören.)
Und da fragt es sich dann: Wieviel davon soll in unmittelbare Schadens-Sicherung (über das unmittelbare Grenz-Niveau der Reproduktivität dieses erweiterten Selbst hinaus – denn auch das erweiterte Selbst hat ein solches Grenz-Niveau, nur dass dessen Unterschreitung nicht unmittelbar das KERN-Selbst bedroht) fliessen – über welche Risiko-Grenzen (das betrifft Risiken für Rückschläge, die hinter das Ausgangs-Reproduktionsniveau des erweiterten Selbst zurückführen, also es selbst, seine Optionen, reduzieren) will es dabei auf keinen Fall hinausgehen? Wieviel von diesem Umsatz pro Zeit soll, umgekehrt, als „Überschuss“ angesehen werden, der eben nicht mehr in die immer wieder verbesserte Sicherung des erweiterten Selbst fliesst, sondern in produktivitätssteigernde Massnahmen? Angesichts des von ihm ins Auge gefassten Fernziels – des Optimums – : Wieviel lohnende Risiken innerhalb der zunächst festgelegten Grenze der absoluten Risiko-Toleranz für Rückfälle unter das eigene Ausgangsniveau will es inkaufnehmen? Und: Wieviel „bekannte“ Ungewissheit und damit Unsicherheit hinsichtlich wichtiger Plan-Parameter ist es dabei bereit zu ertragen?
93.
Dabei ist – diesseits und oberhalb der Reproduktivitäts-Grenze des Kern-Selbst – bereits die Wahl des Reproduktionsniveaus und die Art seiner Realisierung…
((durch eine bestimmte Ressourcenverbrauchs-Intensität, bestimmte Techniken und Verfahren, bestimmte auszunutzende Randumstände mit spezieller Vorhersehbarkeit usw., und (aus dieser ganz speziellen Zusammensetzung des Produktions-Apparats resultierende) Gefahrdrohungen, denen man eigens begegnen muss (was bei anderen Verfahren unterbleiben könnte) ))
…, mit anderen Worten: die Festlegung, als welches erweiterte Selbst man den denkbaren Fortschritt auf das für erreichbar gehaltene Optimum zu unternehmen will – eine Frage der affektiv getönten Wahl: Wieviel „traut man sich zu“ – „was für ein Selbst (dieser Art) wagt man zu sein?“ Davon hängt unter Umständen ab, welche Risiken man tolerieren muss (stark erweiterte Selbste sind produktiver, aber u.U. in ihrer speziellen Version, unter ihren Umgebungsbedingungen, vorläufig schadensanfälliger); welche Optima man äusserstenfalls noch erreichen kann, welche Risiken man dann „lohnend“ finden muss, und was „dafür“ Nötiges man noch nicht, oder nicht genau genug, weiss. – Diese – oft undurchschaubaren – wechselseitigen Abhängigkeiten machen, dass der Regress von Vorgabe und nachträglichem Lieber-Anders-Gewählthaben-Wollens, den wir in dem Regress-Typ „erweiterte Selbste als Vorgabe“ in Abs. 14 oben skizziert hatten, sich auf sämtliche drei festzulegende Plan-Rahmenparameter (oder -Erwartungen) ausdehnt: Ein Optimum als Vorgabe festzulegen, hat Auswirkungen auf die Bestimmung eines „daFÜR“ optimal angepassten erweiteren Selbst (unter den möglichen, die mit unbefristeter Reproduktivität des Kernselbst vereinbar sind), und umgekehrt (wie eben zu sehen war); beide Festlegungen wiederum haben Auswirkungen, wenigstens kurzfristig (aber das sind meist die riskanten Anfangs-Durststrecken für hochzielende Pläne!), auf die bei dieser Ausgangslage möglichen Schäden, also Risiken:
– sowohl auf die absoluten: weil ein Rückfall unter das gewählte (relativ aufwendige) Ausgangsniveau wahrscheinlicher wird, sobald es nicht genügend abgesichert wurde – weil SEINE optimale Absicherung schon zu aufwendig gewesen wäre, und in Stagnation geführt hätte;
– als auch auf die „lohnenden“: weitreichende Optima= Fernziele setzen oft anspruchsvolle, gegenwärtige Vorbereitungen, Vorratsbildung u.a. voraus, deren Ressourcen der Reproduktionsbasis für das gegenwärtige erweiterte Selbst entzogen werden müssen, und es dadurch Risiken aussetzen, die bei Wahl weniger ehrgeiziger Fern-Ziele vermeidbar wären – Risiken, die man aber, angesichts dessen, was man erreichen zu können glaubt, für „lohnend“ hält usw.
– Schliesslich gesellen sich zu all diesen Verwicklungen – ein weiterer höchst beachtenswerter Aspekt – die Unsicherheiten, Ungewissheiten, bekanntermassen unbekannten Einfluss-Faktoren, die erst einmal vorsichtig zu untersuchen wären… (beschränktes Wissen als Vorgabe);
– …wenn man denn vorsichtig sein, und dafür Opfer bringen möchte; wenn man sich denn solche Opfer, angesichts der knappen Gesamt-Kalkulation, überhaupt noch leisten kann… (Risiko-Toleranz als Vorgabe).
94.
Wie soll man all diese vielfältigen Gesichtspunkte und ihre wechselseitigen Abhängigkeiten berücksichtigen – wie soll man angesichts dieser Vielfalt je eine Entscheidung zustandebringen – und was sind das überhaupt für Grössen, deren Mehr oder Weniger hier bestimmt werden soll: „Gesamt-Budgets“ , bzw deren „Aufteilung“, oder „Überschüsse“ – WOVON? WORAUS BESTEHEND? Etwa: „Ressourcen“? Ebenso: Was sind das für Qualitäten, oder Dimensionen, hinsichtlich deren globale Entscheidungsmaximen festgelegt werden sollen: „Fortschritt(spfade)“ (auf die die „Überschüsse“ verwendet werden), „Branchen“ (auf die die Budgets verteilt werden), „Produktivität(serhöhung), Schaden(sminderung)“ („Robustheit(ssteigerung)“), „Gewissheit(szunahme durch Wissenserwerbe)“ (Arten der Verwendung von Überschüssen); Fortschritt, Zweig, Produktivität, Beschädigung, Sicherheit WOVON und WESSEN ist hier gemeint?
Zur Beantwortung dieser Fragen müssen wir zurückkommen auf unser Ausgangsproblem:
Es gibt, für all die Überlegungen, die hier angestellt werden (und die Entscheidungs-Aufgaben, die dabei noch zur Lösung anstehen), wie wir oben in Abs. 85 feststellten, eine Anfangsvorgabe in Gestalt der optimalhypothetisch fortgeschriebenen „Weisen der Reproduktion“, die hier allenfalls zur Auswahl stehen; die ruhen ihrerseits auf einem Fundament optimalhypothetisch „daFÜR hinreichenden“ Wissens-dass und Wissens-wie auf. Die verschiedenen „Weisen der Reproduktion“ lassen sich aber auf einen gemeinsamen Ausgangspunkt zurückführen, an dem sich alle zusammen orientieren müssen: Und das ist die „Grenze der Reproduktivität“. – Bloss: wessen? Genau das hatten wir in unserer Betrachtung der Fortschreibung 4OH ermittelt: Es ist das „Kern-Selbst“, um dessen Erhalt es hier geht – jenes Inventars an Anforderungen, die erfüllt sein müssen, damit sich elementare und unverfügbare Kerne unserer Leistungsfähigkeit und -bereitschaft reproduzieren – damit wir überhaupt „weiter können und wollen können“.
95.
Es ist zunächst einmal Sache der Selbst-Bestimmer eines solchen Kern-Selbst, genauer: ihrer 4OH- Fortschreibung bekannter Verhältnisse, inwiefern sie dieses ihr Können und Wollen-Können an unnötig spezielle Weisen seiner Verausgabung und Reproduktion gebunden glauben; der Glaube (in der Depression), nicht mehr weiter wollen zu können, weil solche Bedingungen zusammengebrochen sind („jetzt ist alles sinnlos“), mag nämlich, angesichts der Enttäuschung voraufgehender Hoffnungen, sogar tatsächlich mit einem so sich anfühlenden Nicht-mehr-weiter-wollen-Können einhergehen – die involvierte Erklärung für das Zustandekommen dieses momentanen Zustands und die ihr zugrundegelegte Kausal-Hypothese über die Bedingungen für das eigne Können und Weiter-wollen-können dieses „Selbst“ kann aber verkehrt sein.
Auch das Umgekehrte kann der Fall sein: Leute können bekanntlich gewohnheitsmässig die spürbaren Bedingungen der Reproduktion ihrer Arbeits-, Denk-, Empfindungs- und Genussfähigkeit ignorieren (zum Beispiel, wenn diese Bedingungen sich ändern, bei langem Gebrauch, oder beim Älterwerden), und sich zur Bestimmung der Reproduktivität, also des unumgänglich Notwendigen, an starren Alltags-Schemata und Durchschnittswerten orientieren („Das hat immer gereicht“, „Andre brauchen auch nicht mehr bzw. länger“ usw.).
So, wie wir in die Reproduktivität eines „erweiterten Selbst“ (eines Kernselbst, das mit bestimmten Mitteln, Kenntnissen, Fähigkeiten ausgerüstet, auf eine „daZU“ passende Umgebung losgeht) die Bewältigung der IHM in SEINER Umgebung drohenden Schäden eingerechnet hatten, so auch beim Kernselbst: Nicht nur der Organismus und die Bedingungen seiner „objektiv“ dauerhaften Intaktheit (Gesundheit), nicht nur die dauerhaft spürbare Empfindung: weiterleben lohnt sich, müssen dabei berücksichtigt werden; sondern es gibt quasi-organismische, „leibliche“ Bedingungen der Umgebung, subjektive (des Aushaltens in ihr) wie objektive („Homöstase“), bei denen absehbar ist, dass ihre Zerstörung mehr oder weniger schnell zum physiologischen oder psychischen Zusammenbruch führen: Elementare Befriedigung elementarster Anforderungen, ohne die es auf Dauer nicht geht – ganz gleich, um welche Umgebung, und welche Ausgestaltung zu einem „erweiterten Selbst“ es sich sonst noch handeln mag.
96.
Nun sprechen wir hier von einem unbestimmt umfangreichen Katalog präzise bestimmter notwendig-hinreichender Bedingungen; von einer solchen „Selbst“-Bestimmung sind Normalplaner weit entfernt: Es liegt ja gerade in der Logik der 4OH-Fortschreibung einer „bis jetzt immer gelungenen“ Normalpraxis (und Reproduktion), dass man sich mit EINER der bis auf weiteres hinreichenden Teil-Versionen dieses Katalogs begnügt, ohne sich zu fragen, in welchen Hinsichten diese Lebens- und Alltagsformen, also Reproduktionsweisen, überhaupt abgewandelt werden könnten, und wo dies Abwandeln definitiv (spätestens unter den unabänderlichen (wenn sie es sind) Randbedingungen der eigenen Existenz) an eine Grenze stösst – eine „objektive“ Grenze der Erhaltung DES Kern-Selbst, „das“ „sich“ hier so unzulänglich bestimmt hat (man bemerkt das Prekäre in dieser bevormundenden Zuschreibung; wir glauben es offenbar unter Umständen besser und umfangreicher wissen zu können, als das sich selbst bestimmende „Selbst“ selbst; dafür brauchen wir freilich SEHR gute Gründe…).
Die Unklarheit der Normalplaner über das für „ihre“ Reproduktion WIRKLICH NOTWENDIGE in ihrer (vermeintlich!) hinreichenden Normalpraxis hat ein Pendant in ihrer nicht geringeren Unklarheit, worin „Hinreichendheit-auf-Dauer“ bestehen würde: Auch darin können sie unter-bestimmt sein; im einen Fall machen sie sich von zuviel Bedingungen abhängig, oder legen sich auf eine zu spezielle Version des Selbst-Seins- und -Bleibens, als unerlässlich, fest; im andern Fall übersehen sie Abhängigkeiten und Bedingungen, und halten sich für freier, so oder anders zu sein, als sie in Wahrheit sind. (Kurz: Sie bestimmen ihre Kern- „Identität“ oder ihr (Kern)Selbst zu eng; oder zu weit.)
97.
Sein Kern-Selbst und die Grenzen von DESSEN Reproduktivität korrekt und vollständig bestimmen, hiesse, zu bestimmen, wie weit Rückschläge gehen könnten, ohne „uns“ zu vernichten; wieviel in „unserer“ Ausrüstung anders, und völlig anders, sein könnte – wie wir uns anders, und völlig anders, reproduzieren könnten – und doch UNS erhalten könnten.
(Zur Erhaltung gehört dann natürlich auch die Minimal-Ausstattung (oder die vielen, möglichen denkbaren Minimal-Ausstattungen, in je verschiedenen Umgebungen), mit der wir, als nötiger Anfangs-Ausrüstung, uns wieder von der Grenze der Reproduktivität, falls wir auf sie zurückgeworfen wurden, auf verlorene frühere Reproduktions-Niveaus zurück- und wieder hocharbeiten könnten: Energiequellen, Grundstoffe für Werkzeuge, Ausgangsstoffe für chemische Produkte usw. (einschliesslich der zugehörigen Kenntnisse!); denn ohne solche Anfangs-Ausstattung, ohne ein minimales Anfangs-Entgegenkommen unserer Umgebung beim Wiederaufbau – selbst bei erhaltener Homöostase (Wasser, Luft, aushaltbare Temperaturen, Nahrung usw.) – stagnieren wir; sind wir dem, was uns geschehen könnte, hilflos ausgeliefert. (Selbst Robinson hat Kenntnisse und Materialien, wie und womit er sein „Selbst“ und dessen Reproduktion erweitern, sich Werkzeuge, Unterkunft, Kleider machen kann, und so sein Reproduktions-Niveau steigern…)
Aber davon, dass er für ALLE Umstände die Grenze der Reproduktivität, und die Bedingungen für einen Neu-Start aus dem Zusammenbruch angeben könnte – davon, dass er sein Kern-Selbst in DIESEM Sinn (einschliesslich der Kenntnisse, oder Lern-Strategien, wenn keine vorhanden sind: das gerade fehlt ja!) bestimmen würde: Davon ist ein Normalplaner weit entfernt. Das Selbst, für das er allenfalls eine Grenze von dessen Reproduktivität zu bestimmen sucht (auch dafür braucht man ja Kenntnisse!), ist immer ein erweitertes: Es sind er, der Normalplaner, und die, mit denen er kooperiert, mit all den Mitteln, Kenntnissen, Fähigkeiten und Kräften, die er eben für – normal hält. Ein Zusammenbruch dieses erweiterten Selbst, dieser Normalität und darauf beruhende Normalpraxis ist nicht nur etwas, worauf er kognitiv (wie wir mehrfach bemerkten) nicht eingerichtet ist; noch viel wichtiger: er ist AFFEKTIV nicht darauf eingerichtet – ein solcher Zusammenbruch, obschon er vielleicht weit oberhalb dessen stattfindet, was physiologisch nicht mehr tolerierbar, und technisch in dieser Umgebung nicht mehr reparierbar ist, kann mehr sein, als er erträgt: SO, wie er dann müsste, KANN er nicht WOLLEN. (Und vielleicht kommt hinzu, dass er, einseitig und unvorbereitet, wie er ist, es auch tatsächlich nicht (ausführen) KANN, und erst einmal wieder lernen (zB. einüben) müsste…)
98.
(EXKURS) Vielleicht gibt es ja sogar in derselben Umgebung verschiedene Möglichkeiten elementarster Reproduktion, an der Grenze der Reproduktivität des Kernselbst; erst recht, natürlich, in verschiedenen Umgebungen. Eine dieser Möglichkeiten muss es sein, auf die wir im schlimmsten Fall zurückfallen; wenn uns noch mehr verlorengeht, sind WIR verloren. Was bedeutet dann aber: Von diesem Niveau aus, das (Kern)Selbst zu „erweitern“? Wir hatten in Kap.1/6 in etwa gesagt:
a) Vorbereitet sein (und dafür Aufwand treiben), um, falls wir können, mögliche Schadensfolgen zu beseitigen; oder
b) sie (wenn es nicht zugleich mit Einbussen in unserer Schadensbehebungs-, Schadensfolgen-Beseitigungs-Fähigkeit einhergeht) prophylaktisch zu mildern (um so die Aufwände der Beseitigung zu mindern); oder
c) ihr Auftreten (selbst in gemilderter Form) seltener zu machen; oder
d) es ganz zu verhindern.
Je nachdem, ob eine dieser Massnahmen einmalig-dauerhafte, oder dauerhaft zu wiederholende Aufwendungen nötig machte, sollte sie, wie wir uns im 1.Kap. ausdrückten, zu „passiver“ oder „aktiver Robustheit“ beitragen; die erste war der zweiten vorzuziehen.
Zwischen den Extremen liessen sich passive Robustheits-Steigerungen geringerer Fristigkeit denken; je höher die Frequenz der jeweils nötigen Schutz-Massnahmen, und je „flächendeckender“ im Vorfeld solcher wiederkehrend nötiger Massnahmen die zu ihrer Durchführung nötigen Zugriffe auf pro Zeiteinheit nur beschränkt zur Verfügung stehende Ressourcen, desto mehr nähern sich die betreffenden Massnahmen dann wiederum denen der „aktiven“ Robustheits-Steigerung an. – Tendenziell ist es dann eine Fortschritts-Strategie,
e) aktive Robustheit zu „passivieren“.
Noch weiter im Vorfeld all dieser Massnahmen hatten wir die Möglichkeit gesehen,
f) die Produktivität von Massnahmen der Arten a-e zu erhöhen, um so Ressourcen freizumachen und dadurch die als je nächste anstehenden unter diesen Massnahmen möglich zu machen, die sonst unterbleiben müssten. (EXKURS ENDE.)
99.
Das Problem mit mangelnder Kenntnis der Umgebung einmal beiseitegelassen (was in unserem Szenario dadurch geschieht, dass wir es als einen „Wiederaufbau“ in einer schon bekannten und im wesentlichen unveränderten Umgebung fingieren): Was bedeutet es dann „affektiv“, nach hoffentlich rationalen Prioritätenregeln seinen „Fortschrittspfad“ durch diese sukzessiven Arten von Optionen hindurch zu verfolgen? – Mit dieser Frage wollen wir endlich zum Kern der Unterscheidung zwischen Kern- und erweitertem Selbst kommen; die zugleich aufs engste verknüpft ist mit der zwischen den bereits angesprochenen Erwartungsaffekten im weiteren Sinn, und den eigentlichen, von denen wir jetzt sprechen wollen.
Die Bedingungen der Reproduktivität des Kernselbst fallen offenbar mit etwas wie Gesundsein überhaupt zusammen; Erhalt von Homöostase, Befriedigung von Reproduktionsanforderungen für Handlungsbereitschaften (Können und Wollen-Können) „auf elementarstem Niveau“: Man hat, ganz von sich aus, „Lust, weiterzumachen“; das Produzieren und Reproduzieren selbst ist ein Bedürfnis, das Leben und Am-Leben-Sein des Gesunden besteht zu einem beachtlichen Teil aus unspezifischer Aktivität – Aktivität, die er einsetzen kann, um den ebenso elementaren Reproduktionsanforderungen für ebendiese unspezifisch lustvolle Aktivität zu genügen; und, wenn er kann, langsam den Katalog aus Abs. 98 abzuarbeiten.
100.
Wir erwarten die Zusammenbrüche unserer unspezifischen Aktivitätsbereitschaften kategorisch für den Fall, dass wir den Homöostase-Anforderungen, elementaren Gesundheitsbedingungen und leiblichen Bedrüfnissen nicht gerecht werden; ganz ähnlich, wie für den Fall der Schadeinwirkungen auf uns und unsere Mittel (so, wie wir vielleicht auch Bedingungen der Kräftigung und Leistungs-Verbesserung kennen können – für uns, und unsere Mittel; wir selbst, in dieser Betrachtungsweise, oder unsere Aktivitätsbereitschaften, unterscheiden sich hierin garnicht von Mitteln; unsere Homöstase- und Gesundheitsbedingungen oder Bedürfnisse, in dieser Hinsicht, unterscheiden sich nicht von den Reproduktionsanforderungen unserer Werkzeuge, unsere Leistungsprofile, also die unseres Organismus nicht von denen anderer Instrumente – bis hin zum unspezifischen „Antrieb“, also Wollenkönnen, auf das wir beim Aktivwerden für unsere Reproduktion angewiesen sind).
Neben diese kategorische Erwartung, was mit uns und unserer Aktivitätsbereitschaft unter bestimmten Bedingungen (Schadeinwirkung, Nichteinhaltung von elementaren Reproduktionsanforderungen) geschieht, EGAL WAS WIR TUN, tritt aber eine andere Erwartungssorte – Erwartungen bezüglich dessen, wie wir uns, und unsere Aktivitätsbereitschaften (auch Kräfte, Fähigkeiten usw.) einschliesslich ihrer Schadanfälligkeit und Reproduktionsbedingungen sich ÄNDERN, IM MASS WIE WIR SIE AUF BESTIMMTE WEISE NUTZEN.
Diese Erwartungen sind also bedingt; aber bedingt durch unser eigenes Tun; das seinerseits wiederum von Einschätzungen abhängt, was wir wie schnell mit wieviel Aufwand erreichen (sodass die betreffende Aktivität endet).
101.
Natürlich sind dabei auch „äussere“ Ressourcen involviert – Ressourcen, die uns, wenn überzogen und vor der Zeit verbraucht, anderswo schmerzlich fehlen können – derart, dass tatsächlich sogar elementare Bedürfnis-Befriedigungen in Gefahr geraten; was uns Angst machen kann.
Aber die entscheidende Ressource, um die es hier geht, ist unser Spielraum für Handlungen bestimmter Qualität, Intensität, oder Dauer selbst; ein Spielraum, der sich, wenn er ausgenutzt und ausgeschöpft wird, zunehmend einengt: Einmal in dem Sinn, dass unser Erholungsbedürfnis, unter Umständen „überdurchschnittlich“ stark, ansteigt – das Handeln bestimmter Qualität, Intensität limitiert sich, spätestens im Verlauf bestimmter Fristen, von selbst, führt zu Erschöpfung, Minderleistung, Qualitäts-Einbussen, und verkürzt immer mehr die verbleibende Frist zum Gebrauch von Leistungsfähigkeiten bestimmter Maximal- oder auch nur mittlerer Qualität. Zum andern aber verändert sich die Charakteristik unserer Bedürfnisse und Reproduktions-Anforderungen (Erholung und erhöhte, „überdurchschnittliche“ Erholungsbereitschaft nach einer speziellen Anstrengung, ist ja selbst ein solch durch Inanspruchnahme unserer Kräfte und Fähigkeiten verändertes Bedürfnis- und Reproduktions-Profil); im Unterschied zu den Homöostase-Bedürfnissen wollen wir diese, durch die Art der Nutzung unserer Kraft-Spielräume neu entstehenden Bedürfnisse und Reproduktionsanforderungen „kompensatorische“ nennen.
Ein Spezialfall der Belastung von „Kräften“ ist die erschöpfende und Kraft „verbrauchende“ Nutzung unserer Fähigkeit, „etwas zu ertragen“ – auch ganz ohne etwas zu tun; erst recht, wenn wir dabei leisten müssen: Handeln, arbeiten, leisten „unter erschwerten Bedingungen“; sind die Bedingungen entsprechend schwer, sind sie selbst bei Nichtstun, also ohne zusätzliche Belastung durch erschöpfende, „kräfte-zehrende“ Aktivitäts-Anstrengungen, „kaum zu ertragen“; mit entsprechenden Folgen hinsichtlich unserer Erholungsbedürftigkeit, oder unserer Fähigkeit, „dieses und anderes noch länger zu ertragen“ (unserer „affektiven“ Belastbarkeit), und kompensatorischen Bedürfnissen („dies ist nur noch länger auszuhalten, wenn ich dafür… bekomme“).
Die kompensatorischen Bedürfnisse sind Teil eines umfangreicheren Komplexes an notwendigen Motiven, Antrieben, Gründen (auch affektiver Art), „dies alles so lange auszuhalten“: Wir brauchen GUTE GRÜNDE dafür; und ohne solche Gründe LOHNT ES SICH NICHT, oder nicht so und nicht so lang („es“ – das heisst hier, vgl. Abs. 92: es weiter zu VERSUCHEN).
102.
Anfang Abs.99 hatten wir gesagt, die Umgebung solle für die Überlegung zum „erweiterten Selbst“ als bekannt, und als gegenüber einem fiktiven Rückschlag, den es wieder gut zu machen gilt, unverändert vorausgesetzt werden. – WAS in dieser Umgebung ist dann für diese Betrachtung relevant – was setzen wir, vereinfachend, als bekannt und unverändert voraus? Es ist die (fiktiverweise vollständig bekannte) RISIKOSTRUKTUR; denn exakt die erwartbaren Risiken sind es, auf die wir uns durch „affektive“ Erwartungen einrichten (die im Abs. 92 genannten Versuche wurden speziell als RISKANTE Versuche bezeichnet!). Und das heisst: Wir stellen uns mit unserem „Belastbarkeits-Spielraum“ auf die erwartbaren Anstrengungen und Entbehrungen ein, auch auf die nötigen Erholungsphasen, oder Kompensationen; dabei mag es günstigere und ungünstigere Verlaufsformen geben – günstiger als erwartet: dann wird vorzeitig etwas von dem eingeplanten Quantum Belastbarkeit frei, das entweder woanders eingesetzt werden kann, oder sich als „Freude“ über die unverhoffte Erleichterung äussert; oder ungünstiger, als erwartet: Dann müssen wir die investierten Belastbarkeits-Bereitschaften (durch solche, die uns dann anderswo fehlen) aufstocken, oder die Sache aufgeben, und das bereits Verbrauchte abschreiben – mit der Folge, dass wir enttäuscht und deprimiert sind, und eine Zeitlang unser Belastbarkeits-Spielraum sich verkleinert.
Belastbarkeits-Spielräume unserer Kräfte und Fähigkeiten (durch Anstrengungen, Entbehrungen, aufgeschobene Befriedigungen, also Verzichte) stellen also, im ersten Zugriff gesagt, eine Art Reserve dar, mit der wir flexibel auf entsprechende Belastungen und Erschwerungen unserer Plan-Realisierungen reagieren können, ohne unsre Pläne gleich aufgeben zu müssen. Es sind auf diese Weise Modifikationen in der Durchführung und Prioritätensetzung im Einzelnen möglich, ohne die (nämlich im Falle einer andernfalls starreren und/oder allzu knappen Planung) jedesmal der Plan abgebrochen werden müsste; umgekehrt lassen diese Durchführungs-Varianten die je übergeordnete Zielsetzung im grossen ganzen unangetastet; da und dort wird etwas umgelagert, eine Realisierung verzögert sich, ein untergeordnetes Ziel wird aufgegeben; und dennoch wird das gesetzte Ziel (das „regionale Optimum“, wenn man so will) erreicht werden. Oder auch nicht – wenn bestimmte Grenz-Belastungen, auf die wir so nicht eingerichtet waren, überschritten werden (so auch, dass wir ein anderes Ziel gewählt hätten, wenn wir es vorher gewusst hätten: der Versuch, SO definiert und beschrieben, hätte sich von vorneherein NICHT gelohnt…).
103.
Eine Risikostruktur (für einen Wiederaufbau in einer mutmasslich hinreichend gut gekannten, und als solche mutmasslich unveränderten Umgebung) also soll vorgegeben sein; und genau das ist sie auch, in Gestalt des durch 3 (E) und 4 (OH) angelieferten Materials: ein Kernselbst wird dabei (unvollständig) bestimmt, mit den grundlegenden Anforderungen (und den vielfältigen Arten, sie zu erfüllen) für seine Gesunderhaltung, und die Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit; ebenso ein (unvollständiger) Katalog der Bedrohungen, denen es in der gegenwärtigen, oder gegenwärtig bekannten und erreichbaren Alternativ-Umgebungen unterliegt; dazu ein (unvollständiger) Katalog der technischen Möglichkeiten (Chancen), über die es bekannterweise verfügt, sowie der Aufwände und Risiken (einschliesslich derjenigen aus Unzuverlässigkeit), denen ihre Nutzung ausgesetzt ist; aus alldem sollten sich (entsprechend unvollständige) Fortschrittspfade konstruieren lassen, die jetzt und künftig Reproduktionsniveaus, Überschüsse und für erreichbar gehaltene Optima definieren. – In Kap. 2/15 wurde bereits erkannt, dass eine solche „Risikostruktur“ („solche technische Erwartungswerte, und sei es auch auf höchster Stufe“) keineswegs selbst bereits eine Entscheidung für ein Reproduktionsniveau oder einen Fortschrittspfad determiniert: Welche Risiken (und damit: riskanten Versuche) inkaufzunehmen wir „lohnend“ finden sollen, und welche nicht; welche Rückschläge wir „affektiv“, indem wir dafür „gefühlsmässig“ Teile unserer Belastungsspielräume reservieren, dabei inkaufzunehmen bereit sind. Auch diese Spielräume sind knapp; wir können nicht ALLES aushalten, nicht beliebige Kombinationen von vorläufigen Fehlschlägen ertragen, ohne unsere Pläne ändern zu müssen. So gehören zu allen „riskanten“ Entscheidungen (und zwar bereits bei BEKANNTER Risikostruktur, oder soweit sie bekannt ist) Grenz-Überlegungen für „schlimmste Fälle“: wollen wir sie als „zu unwahrscheinlich“ ansehen? aber wenn nicht: was tun wir dann? und lohnt es sich dann ÜBERHAUPT?
104.
Man könnte sagen: Die gewussten Kausal-Zusammenhänge in unserer Umgebung setzen sie in ein Verhältnis zu unseren physischen (und als solche fühlbaren) Handlungsspielräumen – dem, was wir mit unseren Kräften, erweitert um unsere Mittel, überhaupt in dieser Umgebung glauben ausrichten (verhindern, bewirken) zu können (bestimmtes zu tun, übersteigt einfach unsere Möglichkeiten) (auf der „technischen“ Ebene); die bekannten („fühlbaren“) Bedürfnisse unseres Kernselbst setzen diese Umgebung in Beziehung zu minimalen Reproduktions-Anforderungen, und damit verbundenen Notwendigkeiten einer Aufteilung dieser Handlungsspielräume und Handlungsmöglichkeiten (auf der „Bereichsebene“); jetzt und hier aber geht es um die („fühlbaren“) Belastbarkeitsspielräume. – Und damit geht es vor allem um zwei („fühlbare“) Antriebe – und insofern auch „Bedürfnisse“: ANGST und HOFFNUNG (wo Hoffnung zum Bedürfnis, also Affekt und affektiven ANTRIEB wird, könnte man sie geradezu „Versäumnisangst“ nennen). Beide Affekte sind imstande, Teile des gesamten Belastbarkeits-Spielraums für die Ziele, mit denen sie sich verbinden, zu „rekrutieren“: Angst bereitet uns unmittelbar auf Belastungen vor, die uns angesichts von Gefahren, also Schäden, in deren Folge, drohen. Sie bereitet uns vor, heisst: Andere mögliche Belastungen, womöglich sogar unsere Normal-Aktivitäten, werden bis auf weiteres vermieden; der Belastbarkeits-Spielraum, oder Teile davon, und, bei dessen Erschöpfung, sogar der Normal-Handlungsspielraum (oder Teile davon) werden auf das Ertragen DIESER möglichen Schadensfolgen festgelegt (das kann auch eine Summe aus Schadensfolgen sein – ein worst case, das, womit wir rechnen, wenn es ganz schlimm kommt, oder „alles zusammenkommt“).
Aber Belastungen aus Angst dürfen uns nicht lähmen, schon garnicht, wenn sie gering sind, und nur als Teil-Belastungen in einem Szenario fungieren, worin die erwartbare Gesamt-Belastung (einschliesslich der „tolerierbaren“ und inkaufzunehmenden Schäden und Schadensfolgen zwischendurch) unsere Spielräume nicht zu erschöpfen scheint – Belastungen aus Hoffnungen schliessen Belastungen aus dafür inkaufzunehmenden Ängsten mit ein; solang nur sie sich in das Gesamt-Szenario unserer Planung einfügen, und dabei unsere Gesamt-Belastungsspielräume nicht überschreiten.
105.
Nochmal zurück zum Anfang des letzten Abs.: Auf der untersten Ebene unserer Planung geht es um Wirk-Spielräume – unsere leiblichen Wirk-Möglichkeiten wirken zusammen mit solchen in der Welt, dieses Zusammenwirken wird seinrseits limitiert durch die innerweltlich zu erwartenden Gegen-Wirkungen (Schäden, selbst-limitierende Eigenschaften der Materien, Strukturen, Dispositionen, mit denen wir zu tun haben). Auf der mittleren oder „Bereichs“- Ebene geht es um Restriktionen, die unserem Tun auferlegt sind durch die Notwendigkeit, die Bedingungen seiner Fortsetzbarkeit, in Gestalt der Reproduktionsbedingungen unsrer leiblichen wie der innerweltlichen Wirk-Spielräume, in diesem zu beachten („Dasein ein Sein, dem es IN diesem Sein um es selber geht“). Auf der Rahmen-Ebene, über die wir hier sprechen, wird die Betrachtung dessen, was überhaupt geht und was nicht, wo also Grenzen unserer Handlungsspielräume liegen, verfeinert durch Einbeziehung der Verzichts- und (aussergewöhnlichen) Leistungsbereitschaften, die uns eine Kalkulation mit Risiken, unvermeidlichen Rückschlägen, bewältigbaren, aber nicht in jeder Hinsicht bereits vorhersagbaren Extra-Schwierigkeiten, schliesslich auch das Vermeiden von Stagnation, erlauben; und das in einer Weise, die über ein einfaches Alles-oder-nichts weit hinaus geht; allerdings nicht beliebig. Erst all diese Spielräume zusammen gestatten es dann, zu sagen, was in einer Umgebung, soweit sie uns hinlänglich bekannt zu sein scheint, „gehen könnte“, und was nicht; was, vor allem: welche Gefahren, aber auch Verbesserungen unsrer Wirk-Möglichkeiten, wir uns anzugehen trauen dürfen, und wo jeder Versuch bloss Verschwendung von Zeit und Mitteln darstellt (die anderswo besser angewandt werden). – Die Frage heisst also immer wieder: Ist es überhaupt möglich – liegt es innerhalb unserer Wirk-, Toleranz- und Belastbarkeits-Spielräume, oder erschöpft es sie? (Und diese Spielräume sind eben nicht nur unsere leiblichen (diejenigen unseres Kernselbst), sondern beziehen kategorisch und bedingt erwartbare (oder auch mithilfe von Anzeichen vorhersehbare) Sachverhalte unserer Umgebung ein – „soweit und wo sie mitspielt“; und vor allem auch, wo und sofern nicht.)
106.
Aber die subjektiven Spielräume (Können und Wollenkönnen bis hin zum Ertragenwollen Können) und ihre Reproduktionsbedingungen (die sich ja auch ändern können!) kennen, ist eines; dabei die Welt als Mitspieler und Grenze (Hindernis), und die Wahrscheinlichkeiten für Schäden (Risiken) und Chancen für ein Gelingen von Reproduktion und Produktion in gegebnen Umgebungen zu kennen, ist ein andres; und vor allem: dies alles NICHT zu kennen.
Nun kennen wir die Risikostruktur des Rest-Unbekannten nicht. Und es ergibt sich für den Normalplaner die Notwendigkeit, die erste Abteilung des Optimalhypothesen-Schemas in Abs 49 – worin „optimalhypothetisch“ bestimmt wird, worauf wir uns in unseren Versuchen (also unserm Umgang mit dem Restunbekannten) bis auf weiteres verlassen, und wovon wir dabei, als bis auf weiteres, bestem Fall ausgehen wollen – mit der hierfür passenden Version seiner Leit-Kategorie, nämlich stabile Regularität, zu formulieren. Und natürlich wissen wir schon, wie er das macht; seine Optimalhypothese 6 (OH) besagt, dass er die Erfahrungen 5 (E) mit angst- und vor allem hoffnungsvollen Einsätzen seines Belastungsspielraums über alle Fälle und Bedingungen ihres Einsatzes hinweg sinnvoll verallgemeinern soll, und (bis auf weiteres) davon ausgehen soll, dass die entsprechenden Verläufe sich, in ähnlichen Situationen, ähnlich wiederholen werden: Weil die erwartbaren Belastungen in der Welt nach Regeln verteilt sind, die sich – nach einer gewissen Zeit des Lernens – endgültig kennen lassen werden; sodass man sich ab dann darauf wird verlassen dürfen (und in gewissem Sinn auch: müssen).
107.
Die Verlängerung geschieht dabei so, und Vergleichbarkeit ist dabei dadurch garantiert, dass eine Ausgangs-Befindlichkeit – ein „gefühlter“ augenblicklicher Belastungs-Spielraum – bezogen wird auf die integrierte Gesamtheit von Ängsten und Hoffnungen (gewissermassen: die affektive Resultat-Erwartung, oder den resultierenden Summen-Erwartungsaffekt), die sich mit einem bestimmten einzelnen produktiven Versuch (spätestens durch dessen mehr oder weniger abstrakte Vergleichbarkeit „in affektiv relevanten Hinsichten“ mit Früherem, für das bereits Erfahrungen vorliegen) spontan verbinden. Eine der Pointen dieses Vorgehens ist, dass „Pessimismus“ und „Optimismus“, Risiken und Chancen, hier in subjektiv messbare Grössen umsetzbar erscheinen, die miteinander auf derselben Skala der mutmasslich erträglichen Belastbarkeit verrechnet und zu einem resultierenden Wert addiert werden können, der mit äquivalenten Werten alternativer Projekte verglichen werden kann; was schliesslich für die Entscheidung zwischen diesen Projekten den Ausschlag geben wird, ist die Erfahrungsregel, „wieviel man sich in bestimmten Situationen zutrauen darf“ – wie relativ optimistisch und zugleich pessimistisch man, im Endeffekt, in solchen Situationen sein darf und muss; wobei die „Situation“ (auch im Verlauf) immer wieder wesentlich bestimmt ist durch den im jeweiligen Zeitpunkt „gefühlten“ Wert der eigenen Belastbarkeit – aber natürlich auch durch ihre Zuweisung zu Situationen einer bestimmten BelastungsART, wenn dafür verallgemeinerbare (ein Beispielfall, mit dem verglichen werden kann, reicht oft fürs erste) Erfahrungswerte vorliegen.
108.
Sehen wir uns noch kurz die Deutungen an, die 5 E und 6 OH in den Listen der Abss. 70 bzw. 40 zugeordnet werden. Das „empirische“ Wissen 5 E handelt nach dem dort Gesagten vom „Gesamt-Ressourcenvorrat“; die entscheidende subjektive Ressource ist, wie wir gesehen haben, der „übliche“ Belastbarkeitsspielraum (oder seine Varianten in besonderen Situationen (zB. veränderten Ausgangs-Stimmungen – etwa besonders wagemutigen, oder umgekehrt mutlosen), und speziellen Reproduktions-Bedingungen für ihn) – wobei das Wissen um sonstige, subjektive (Wissen-wie darüber, was man bei seinen Fähigkeiten bei konkreter Belastung des Belastbarkeitsspielraums machen kann usw.) und objektive Randbedingungen und Ressourcen, vor allem sich daraus ergebende Chancen und Risiken (Wissen-wie darüber, was man zur zweckmässigen Nutzung der Fähigkeiten benötigt, und welche objektiven Hindernisse dem entgegenstehen), mit eingeht in Gestalt von diese reflektierenden und sie im Belastbarkeitsspielraum „repräsentierenden“ „Ängsten“ (aus Sorge um gefährdete oder begrenzte Ressourcen, die auf dem Spiel stehen könnten) und „Hoffnungen“; anders gesagt:
1. die Charakteristik und fühlbaren Verlaufs-Gesetze des Belastbarkeitsspielraums (in ihrer Summe selbst eine affektive Grösse: Zuversicht, Besorgtheit, Vorsicht, Unternehmungslust etc.)),
2. die aus 3E und 4OH sich ergebende Risikostruktur – mögliche Fortschrittspfade, Branchenaufteilungen, Überschuss-Abzüge etc.- , jeweils zusammen mit ihren erfahrungsbegründeten affektiven Repräsentanzen (den Ängsten und Hoffnungen, die sich aus ihnen ergeben; eine Branchenaufteilung mag etwa ein Sicherheitsgefühl ergeben, oder auch „sehr riskant“ erscheinen und so, „dass das nicht lange so weitergehen kann“ usw.). Und diese letztere Bewertung der möglichen Belastung (der erzwungenen, durch die Angstanteile, der lohnenden, durch die Hoffnungsanteile) des einschlägigen „Spielraums“ und der Ausprägung, die er (wie man weiss) in bestimmten (Reproduktions-)Situationen (zB. auch nach bereits vorangegangenen Belastungen verschiedenster Art; nach ausbleibender oder erfolgreicher Befriedigung kompensatorischer Bedürfnisse usw.) mutmasslich annehmen wird: Genau dies ist es, was die Empirie des Typs 5E dem bis dahin bereits Bekannten, und dem aus ihm als mögliche Produktivitätserhöhung (Versäumnisrisiko!) und Schadensvermeidung (eigentliches Risiko!) Erschliessbaren und Konstruierbaren, an eigenem empirischem Wissen-wie hinzufügt.
109.
Dazu kommt nun eine Interpretation der letzten verbliebenen Abteilung im allgemeinen epistemischen Optimalhypothesen-Schema aus Abs.49, nämlich die Antwort auf die Frage, worauf man sich als Normalplaner denn, bis zum (empirischen) Beweis der Unzweckmässigkeit dieses Vorgehens, beim Konstruieren seiner Versuche (also letztlich: aller Pläne, wegen der existenziellen Versuchs-Situation, in die wir durch die allgemeine Ungewissheit versetzt sind), vor allem der produktiven, aber auch der reparativen, verlassen soll. Diese Antwort wird, einmal mehr, konstruiert mit der Kategorie „stabile (unerklärte) Regularität“: Welche sich hier bezieht und angewandt wird auf die Gesamtheit der bis dahin aufgebauten, kombiniert empirisch-optimalhypothetisch erschlossenenen Planungs-Voraussetzungen: In Gestalt der eben angeführten „Risikostruktur“, zusammen mit dem zusätzlich durch die 5E-Erfahrung angelieferten Wissenstand der Planenden über Bedingungen und Verläufe ihres Belastbarkeitsspielraums. Wir haben das Resultat dieses Verständnisses des optimalhypothetisch bis zur Widerlegung anzunehmenden Verlässlichen im Rest-Unbekannten als stabil-reguläres Korrelat der sich ((spätestens angesichts unserer konkreten Ängste und Hoffnungen im Zusammenhang mit der aus früheren Stufen des Erfahrens und Deutens von Optimalität als stabiler Regularität erschlossenen Risikostruktur)) jeweils fühlbar machenden (geringen oder grösseren) „Zuversicht“ in der jeweils zweiten Liste der Abss. 70 und 40 ausgedrückt als: Dieses (je optimalhypothetisch gedeutete) empirische Wissen ALLER drei Stufen ist HINREICHEND („weiss genug“).
Das heisst: Die Ängste und Hoffnungen, und der GRAD der Zuversicht (also Belastbarkeit), den wir uns angesichts
a) fortschreibbarer technischer Regularitäten (Schwankungsbreiten, Bedingungen) und der daraus konstruierbaren Möglichkeiten ihrer Nutzung, sowie
b) unserer mutmasslich (bis zum Beweis des Gegenteils) fortschreibbaren Reproduktion (die als solche es wert ist, sie durch aktives wie passives Robustermachen immer weiter zu sichern), schliesslich auch
c) unser „Gesamtwissen“ über Verläufe unserer Belastbarkeit,
glauben leisten zu dürfen: Dieser Erwartungsaffekt darf, bis auf weiteres, als Mass fortgeschrieben werden dafür, welche aus dem Bereich des Restunbekannten auftauchenden Belastungen als noch lohnend, und welche als nicht mehr lohnend anzusehen sind – wann also, im Umgang mit Neuem oder Unbekanntem, Ungewissem und noch nicht Eingeordnetem, wir unsere (durch Fortschreibung von bestehenden Techniken und für Reproduktion relevanten Bedürfnissen und Fähigkeiten konstruierbaren) produktiven und reparativen Aktivitäten fortsetzen, und wann wir sie durch andere, nämlich nächst-lohnendere Aktivitäten dieser Art (IRGENDwelche Aktivitäten gibt es, wie wir gesehen hatten, IMMER!) aufgeben – weil der im Rahmen dieser „Zuversicht“ (oder Sorge) dafür vorgesehene Anteil unseres Belastungs-Spielraums sich erschöpft, oder unerwartet erweitert hat.
110.
Mit Anwendung dieser dritten Abteilung jeder Optimalhypothese, freilich in der besonderen Deutung, die der Normalplaner ihr gegeben hat (nämlich als Annahme-bis-zur Widerlegung des Stabilbleibens des bisher als stabil Erlebten), auf unsere affektiv eingefärbten Reproduktionsabteilungen und den „Dunstkreis“ an Wissen-dass und -wie, der sie umgibt, ist das Kunststück der „vertikalen“ Integration sämtlicher Ebenen der Ressourcenaufteilung gelungen, und das Denken des Normalplaners anscheinend perfekt auf alle Erfahrungsverläufe, die ihm je aus dem Rest-Unbekannten begegnen könnten, vorbereitet:
– Mit dem hinreichenden Beispiel einer gelingenden Reproduktions-Kreisstruktur, über das er in Gestalt SEINER, bis dahin und in der bisherigen Umgebung offenbar gelungenen Reproduktionsweise (also das, was früher Ausgangs-(Normal)praxis genannt wurde) verfügt, glaubt er, das Ausgangs-Schema für Reproduktion in dieser, oder sogar allen Umgebungen überhaupt zu besitzen: Fortschritt bedeutet Zunahme an Robustheit und Produktivität DIESER Reproduktion, Anpassung bedeutet Abwandlung einer oder mehrerer IHRER Unterabteilungen; davon ausgehend, kann er dann definieren:
– „Versuchen“ bedeutet, seinen vorhandenen Erfahrungs-Vorrat an Wissen-um Schwankungsbreiten und Bedingtheitszusammenhängen ((dass und wann erfahrene Regularitäten „gewusste“, also hinreichend gewiss sind, sagt ihm die (erfahrungsabhängige?) Regel, nach der er das Ausmass der Erfahrungs-Bestätigtheit einer beobachteten Regularität bestimmt)) als hinreichend und „erschöpfend“ anzusehen, um daraus durch – und sei es noch so abstrakte „experimentelle“ – Klassifikationen ((versuchsweise angenommene Gemeinsamkeiten, Fallen unter gemeinsame Regularitäts-Muster, die eine Gleich-Behandlung, Gleich-Verwertung durch „entsprechend“ ähnliche ein- und angreifende Handlungen ermöglichen; irgendwelche soche Muster gibt es IMMER! vgl. 7/36: „Ganz grundsätzlich ist in der Welt alles mit allem seiner Art verwandt…“)) – die einer Erprobung würdigen Praxis-Abwandlungen für unverhoffte Schadens- und Glücksfälle, und reproduktiv noch nicht hinreichend sichere Fortschrittsversuche ins Rest-Unbekannte hinein zu konstruieren und auszuwählen;
– schliesslich das Mass der „Lohnendheit“ solcher Versuche, mithin auch ihres Abbruchs zugunsten anderer, oder die Feststellung der Undurchführbarkeit einer ganzen Versuchssorte, mithin des Scheiterns an einer „Aufgabe“: dies Mass liefern die sich mit diesen Versuchen und dieser Aufgabe (sowohl mit ihrer Fortsetzung, als auch mit dem Verzischt darauf) verbundenen integrierten „eigentlichen“ Erwartungsaffekte, nämlich Ängste und Hoffnungen; im Verbund mit der in jedem Augenblick anliegenden Gesamtheit an Ängsten und Hoffnungen, die darüber entscheiden, was an unserem jeweils gegenwärtigen und ab dann in die Zukunft hinein geplanten Tun wie lange noch (zu versuchen) LOHNT (was davon wir WOLLEN KÖNNEN).