8e. „Vertikale Rekonstruktion I“: Die Frage der Vor- oder Nachrangigkeit der drei „horizontalen“ Abteilungen (Wissen-wie, Ausgangspraxis, geplanter Fortschrittspfad) in ihrer vertikalen (Begründungs)Anordnung; speziell: Die Wissensarten und ihre Rangstufen.

123.
Die Absurditäten des Kap.7 hatten etwas zu tun damit, dass aufsteigend, absteigend entlang solchen Verknüpfungsbeziehungen, Begründungs-Ebenen durchschritten wurden, und genau das eben Angesprochene unterstellt war: Die Begründungs-Verknüpfungen zwischen den Ebenen (und ihren je massgeblichen Elementen) sollten stabil bleiben (das sollte erwartet werden dürfen), auch wenn sich AUF Ebenen darüber, oder darunter, allerhand änderte.
Das Verrückte, das uns nicht mehr loslässt, seit es zum ersten Mal in unseren Überlegungen (in 2/11 Ende) auftauchte, war dabei immer wieder: Obwohl doch das Begründen eine klar ausgezeichnete Richtung hat, nämlich „von unten nach oben“, sollten doch „höher“ gelegene Gehalte „tieferen“ Vorgaben machen dürfen (wenn auch mit unterschiedlichem Gewicht, vgl. die unterschiedlichen epistemischen Szenarien Ende 8/113); wie trägt die vertikale „Verknüpfungsstabilität“ dazu bei? – In 8/16 haben wir je zwei Ebenen-Paare aus Erwartungen und Erwartungs-Gehalten zusammengefasst:
– das obere, aus Rahmenwerten (fortgeschriebene Erwartungsaffekte im engeren Sinn; das erweiterte Selbst) und Bereichswerten (die aktuelle Reproduktion, die fortgeschriebene „Gefühls-Kette“ (gewissermassen die „innere Stafette“ aus empfundenen Bedürfnissen und ihrer Befriedigung, dem Wollen-Können und (empfundenem) Können, vielleicht sogar Wollen-Müssen (weil zu handeln ein Bedürfnis ist), an der sie sich orientiert); das Kernselbst);
– das untere, ebenfalls aus Bereichswerten, und den Wirk-Erwartungen des technischen (Rezept-)Wissens-wie, mit seinen hinlänglich zuverlässigen und verwertbaren Schwankungsbreiten, Bedingungs-Abhängigkeiten, An- und Vorzeichen, sowie seinem Dunstkreis immer ungewisserer Wirk-, Erwartbarkeits- und Bedingtheits-Möglichkeiten: Wissen-dass.
Aber die vereinfachende Form der Darstellung mit „Ebenen“ darf jetzt nicht mehr ohne weiteres verwendet werden; denn das, wozwischen die Verknüpfungsbeziehungen herrschen, von denen wir jetzt sprechen müssen, sind nicht „Ebenen“, und das Material, woraus diese Ebenen bestehen; sondern komplette, miteinander unvereinbare (vgl. 1/2) Pläne und Reproduktions- und Fortschritts(pfad)entwürfe, mit dem ihnen je spezifisch zugeordneten Wissen-wie, das sie aus dem Fundus des überhaupt aufbewahrten Wissens ausschneiden.
(Wenn überhaupt, liesse sich dieser Wissens-Fundus als „allen darüberliegenden Alternativen als Ausgangsbasis dienend“ auffassen – und in diesem Sinn als „Ebene“, die durchgehend und als ganze mit jedem der möglichen, alternativen Gehalte, die aus dieser Basis und mit ihr abgeleitet und konstruiert werden könnten, verknüpft ist; aber selbst das überhaupt vorhandene Wissen, wie wir schon öfter feststellten, gestaltet sich, entsprechend der gewählten Alternative, um – zu einem mehr oder weniger umfangreichen Dunstkreis „alternativen“ Wissens; und der Rest, bei dem überhaupt nicht klar ist, wie er je, und sei es in alternativen Reproduktions- und Fortschrittsalternativen, verwertbar sein könnte, wird, unter Bedingungen der Normalplanung, mehr oder weniger schnell vergessen.).

124.
Normalplaner arbeiten, abkürzend, im allgemeinen mit dem Begriff der Alternative allenfalls punktuell, und bezogen auf den ihrem gesamten Denken (wie ein Kategoriensystem) zugrundeliegenden, gegenwärtig massgeblichen Reproduktions- und Fortschrittsentwurf: Darin gibt es jeweils Stellen, deren Abänderung erwogen werden könnte. WIR, anders als es dieser Normalplaner-Denkweise entspricht, wollen (aus Gründen der besseren Darstellbarkeit und Besprechbarkeit für uns, jetzt) hingegen jede Plan-Variante, die für den Normalplaner einen (Bewertungs)Unterschied  begründet, als vollständigen eigenen Plan behandeln, wie ähnlich diese Variante auch allen andern aus dem grossen Bündel der „Abwandlungen des gegenwärtig massgeblichen Reproduktions- und Fortschrittsentwurfs“ sein mag.
Im Idealfall lassen sich diese Plan-Alternativen dann in eine Rangreihe abnehmender Lohnendheit bringen (worin die einzelnen Rangstufen von mehreren gleichrangigen Plan-Alternativen besetzt sein können); entlang diesem Gefälle können wir, zu theoretischen Zwecken, die verschiedenen „vertikalen“ Abteilungen dieser Pläne in Gruppen zusammenfassen: zum Beispiel alle Fortschrittspfade; alle Gehalte an je verschiedenem Wissen-wie bzw. Wissen-dass, die im jeweiligen Einzelplan verwertet werden (als Können), verwertet werden könnten (als echte Reserve-Wissen-wie, Reserve-Techniken, Methoden, wie man „dasselbe auch machen könnte“, aber aktuell nicht macht), oder erinnert werden (als Dunstkreis-Wissen-wie und Wissen-dass); schliesslich natürlich als Menge mehr oder weniger abweichender Reproduktionsformen, aus denen die Fortschrittsentwürfe herausführen, FÜR und IN denen das jeweils tatsächlich verwertete Wissen-wie als KÖNNEN eingesetzt wird, und die dann auch tatsächlich (unter den daBEI erwarteten relevanten Randumständen und zu berücksichtigenden Bedingungen) „sich“, und das involvierte Kernselbst, reproduzieren müssen. Als (wie der Name schon sagt) Kern dieser Reproduktionsformen lassen sich dann auch noch verschiedene alternative (zumindest für verschieden gehaltene)  Kernselbste denken (als Niveaus des Könnens und Wollen-Könnens, die als unverzichtbares Minimum erachtet werden; oder auch qualitativ: SO, nur durch diese und keine anderen Formen der Befriedigung und Kraftverausgabung, mit DIESEN Kompetenzen, diesen (so ausgebildeten) Fähigkeiten, und keinen andern); deren jedes wiederum auf je verschiedene Weise, selbst bei grundsätzlich gleichen Wissen-wie-Vorräten, reproduziert werden könnte.
(Eine LEBENSWEISE („Daseins“-weise?) (charakterisiert durch die eben angedeuteten Parameter eines Kernselbst: diese (gewohnten oder gewünschten) Befriedigungen, diese Verausgabungsformen, diese Fähigkeiten) wird mit unterschiedlichen (RE)PRODUKTIONSWEISEN aufrechterhalten und ermöglicht; ein Kernselbst könnte dann als Inbegriff möglicher Lebensweisen, die affektiv mit seinem (oder dann besser: ihrem!) Fortbestehen vereinbar sind, definiert werden; die bornierte Festlegung auf EINE dieser Lebensweisen als zu enge Festlegung dieses Kernselbst, die Überschreitung der affektiven Möglichkeiten durch verschleissende, überfordernde und bedürfnis-unterdrückende Lebensweisen hingegen als zu weite Bestimmung des Kernselbst; vgl. 8/95ff.)

125.
Auch die alternativen aktuellen Reproduktionsweisen OHNE ihre Fortschrittspfade lassen sich in Reihen ordnen; ebenso die Gesamt-Bestände an gekannten, erfahrenen Tatbeständen, auf die überhaupt in irgendeiner dieser Reproduktionsweisen (sie „verwertend“) zurückgegriffen wird.
Die Reproduktionsweisen-Rangreihe folgt dann einem Ordnungskriterium, das wir (in 8/111) als „Sicherheit(sempfindung)“ (früher auch: Bewältigbarkeit) charakterisiert hatten.
Die Reihe der Bestände an bekannten und als (wenigstens; gerade eben noch; aber woFÜR?) hinlänglich bekannten, darum zu merkenden (in der Erinnerung zu behalten „lohnenden“) Tatbeständen (Wissensinhalten) folgt einem Ordnungskriterium, das wir (8/111) als „Gewissheit(sempfindung“)“ charakterisiert hatten. (Das muss man sich so vorstellen, dass wir das Mass der Gewissheit deuten als „Niveau der Ansprüche an Bestätigtheit“ der jeweils als „hinreichend gewiss“ geltenden Wissensinhalte. Alle Wissensbestände, die überhaupt – im Rahmen der bestehenden Erfahrung – als solche (aktuell verwertet, also als Wissen-wie; aktuell nicht verwertet, also als Wissen-dass) aufgefasst, und in einer der in der Sicherheitsrangreihe angeführten Reproduktionen als ihr zugrundeliegend und sie begründend angesehen werden, werden dann SO hintereinander angeordnet, dass die wenigst-gewussten oder -gewissen Anteile der Wissensbestände einer nächst-ungewisseren Stufe aus den vorhergehenden Wissensbeständen als „zu ungewiss, um noch als gewusstes oder hinlänglich gewisses Wissen gelten zu können“ ausgeschlossen worden wären. Es geht dabei nur um diesen Grad zunehmender Toleranz gegenüber unzulänglicher als andres Bestätigtem und Bekanntem (v.a. Schwankungsbreiten), oder mutmasslich hinsichtlich seiner Bedingtheit noch nicht vollständig Bekanntem, der und die sich entlang der Reihe ändert: Auf „niedrigen“ Anspruchs-Stufen dieser Rangreihe („niedrige Gewissheit“) wird, dieser Definition zufolge, die Grenze zu nicht mehr tolerierbarer Ungewissheit des Bekannten erheblich weiter gezogen, als auf „hohen“; umgekehrt, auf hohen Stufen sehr viel weniger Anteile einer momentan verfügbaren Gesamterfahrung als Grundlage „hinlänglich bekannten“ Wissens anerkannt, als auf niedrigen.
Analog zu dieser Auffassung der Gewissheitsrangreihe lässt sich dann für die Sicherheitsrangreihe sagen: Ihre Stufen unterscheiden sich jeweils in den für ein gegebnes Kernselbst eben noch tolerierten, prekärsten, also riskantesten und unsichersten Durchgangsstadien des jeweiligen Reproduktionsentwurfs für dies Kernselbst.
Die Stufen der Lohnendheitsreihe lassen sich danach anordnen, wieviel zusätzliche (und im Fall, dass man sich für diese Stufe entscheidet, „lohnende“) Risiken, verglichen mit einer maximal vorsichtigen Strategie des Fortschritts, das auf dem jeweils gegebenem Fortschrittspfad angestrebte Optimum einem aufzwingt.
In Gestalt der drei so (oder so ähnlich) zu definierenden Stufenreihen haben wir präzisiert, was in 8/111 „Mass“ genannt wurde – Mass oder Intensität der (entsprechend stark empfundenen) Lohnendheit, Sicherheit und Gewissheit. Es ist nun keineswegs selbstverständlich, dass die Rangfolge einer gegebnen Menge von Planentwürfen mit Blick auf die drei unterschiedlichen Masse immer dieselbe ist (was die Frage aufwirft, wie man diese Masse gegeneinander gewichten, welcher Vor-Rangigkeit man den Vorrang, welche man den Ausschlag geben lassen soll); aber diese Schwierigkeit…
(die vielleicht schon ahnen lässt, wie diese Überlegung mit den Paradoxien verknüpft sein könnte: Möglichkeit des je von den andern beiden unabhängigen „Gegeneinandergleitens“ und Variierens der drei „Ebenen“ eines (zB. durch überraschende Zusatzerfahrungen) gegenüber zuvor veränderten Normalpraxis-Entwurfs)
… wird noch überboten durch eine andere, die sich noch schneller bemerkbar macht: Es ist nämlich obendrein keineswegs selbstverständlich, dass man von vorneherein einem gegebnen oder zu erwägenden, alternativen Plan bzw. seinen Abteilungen Wissen, Reproduktion, gewählter Fortschrittspfad (Optimum, erlaubte Überschüsse, Anteil der lohnenden Aufwände für Wissenserwerbe) ÜBERHAUPT sicher Masszahlen oder Rangstufen in diesen drei Reihen zuordnen kann; aufgrund welcher Kriterien man es tut, unterliegt nach Auffassung des Normalplaners wieder einmal – der Erfahrung (vgl. diesen Gedanken, zunächst nur für das Mass der lohnenden Belastbarkeit formuliert, in 8/107).

126.
Aber erst recht muss natürlich aus Erfahrung gelernt werden, wann man sich für welche Grade, also Mess-Werte oder Rangstufen (nachdem man einmal gelernt hat, sie im gegebenen Fall abzuschätzen), als den der gegebnen Umgebung mutmasslich am besten angepassten, entscheiden soll (vgl. hierzu immer noch und immer wieder 8/107): Wieviel Risiko darf man noch tolerieren, und wieviel nicht mehr: wieviel Risiko, nicht genug zu wissen, nicht sicher genug sich, oder zumindest das erweiterte Selbst, zu reproduzieren, und wieviel Risiko, auf dem Weg zu einem möglichen Ziel auf dem gewählten Fortschrittspfad Rückschläge zu erleiden oder zu scheitern? soweit man ein solche Risiken überhaupt schätzen kann.
((Diesen Grundgedanken unserer jetzigen Vertiefung der Analyse 8/69-110 hatten wir, ausser so, wie bereits in 8/107 für Lohnendheit formuliert, in 8/111 auf alle drei Formen ausgeweitet; dort wurden zuerst die „affektiv bewertenden“ Qualitäten genannt, deren abgestufte Grade die genannten drei Rangreihen begründen (Rangreihe der Lohnendheit von Normalpraxen, der Sicherheit von (möglichen) Reproduktionen, der eben noch tolerablen (geringen) Gewissheit der ungewissesten unter den darIN verwerteten oder daFÜR zu merkenden Wissens-Anteile); anschliessend wird dort gesprochen von „Regeln, nach denen man angesichts gegebner Erfahrungen den der umgebenden Welt optimal angemessenen Rang an (Nichtmehr)Lohnendheit, (Un)Sicherheit, (Un)Gewissheit bestimmt“: Es sind diese Regeln der geschickten und welt-angepassten FESTLEGUNG auf eine, oder die optimale Rangstufe (und obendrein die Rangreihe, deren Rang oder Masszahl für die Entscheidung ausschlaggebend sein soll, wenn die Einstufungen hinsichtlich verschiedener Masse für ein und denselben Planentwurf deutlich unterschiedlich ausfallen, vgl. die erste „Schwierigkeit“ im vorgehenden Abs.) für das vorgegebene (Erfahrungs)Material, von denen eben am Anfang dieses Abs. gesagt wurde, dass auch sie, wie die Kriterien der Einstufung eines gegebnen Materials selbst, aus Erfahrung gelernt werden müssen. Das sind dann schon zwei unabhängige Quellen der UNSICHERHEIT und empirischen „Fallibilität“ der Entscheidungsgrundlagen von Normalplanern; zu der, als dritte, ja noch die Beschränktheit ihres qualitativen Wissens um Regularitäten kommt.
Freilich: Das in ihrer Umgebung, für IHRE Reproduktion, WIRKLICH Wichtige wissen sie ja, angeblich, eigentlich schon… Bis auf weiteres… – Den Normalplanern selbst dürfen wir somit solch differenzierte Perspektiven auf subtil untergliederte Reihen von Normal-Praxen, (u.U. divergenten) Masszahl-Reihen, sowie den in den Normal-Praxen involvierten Kern- oder erweiterten Selbsten und auch Wissens-Beständen (alles bei gegebner Erfahrung) nicht unterstellen; ihnen stellt sich ihre Entscheidungssituation ja vielmehr dar als Festlegung von vorneherein auf eine und nur eine, nämlich ihre Ausgangs-Praxis, die einstweilen aus ihrer Sicht bereits mehr oder weniger lang schon „so funktioniert hat“; Varianten dazu kommen allenfalls vor in Knoten-Situationen, bei der („präparativen“) Konstruktion von Fortsetzungen bestehender Fortschrittspfade, passiv erworbenen Wissenszuwächsen, und bei angenehmen oder auch unangenehmen Überraschungen (reparativ, produktiv). Die von uns gewählte Darstellungsform kann also nur dazu dienen, dass wir uns, unabhängig von den Normalplanern (die sich ihrer in ihrem Denken mit Sicherheit so nie bedienen werden), ein möglichst übersichtliches Bild davon verschaffen, WIE sie denken, Begriffe bilden und anwenden, urteilen, subsumieren, werten, entscheiden, und ihre Entscheidungen mit ihrem jeweiligen Erfahrungswissen begründen – mit anderen Worten, welche implizite Lernregel, ihrem Umgang mit Neuem und Unbekanntem, zugrundeliegt. Tatsächlich werden Entscheidungen von Normalplanern nur zwischen punktuellen Ausschnitten aus diesem virtuellen Gesamtmaterial ihres Entscheidens getroffen – wie sie dies Material auf diese Ausschnitte hin vereinfachen, wird noch zu besprechen sein.))

127.
Es gilt nun folgender „vertikaler“ Zusammenhang, der intuitiv bereits in 8/112 so formuliert wurde: „Sicherheitsempfindungen setzen diese (i.e. Gewissheitsempfindungen) voraus“; oder, wie wir es jetzt sagen wollen: „Sicherheit“ ist soweit in „Gewissheit“ fundiert, als jedem Abstieg in der Gewissheitsreihe, der einem wider Willen widerfährt (weil man die Gewissheit der verwendeten Wissensbestände überschätzte), oder den man sich zusätzlich bei (reparativer oder produktiver) Abänderung einer Reproduktion glaubt leisten zu können, auch einer in der Sicherheit (gegenüber derjenigen der Ausgangsreproduktion) entspricht – die neu entstandene, abgewandelte Reproduktion steht auf einem niedrigeren Sicherheitsniveau.
(Wenn sich dieser Zusammenhang tatsächlich bewähren würde, hätte man darin eine erste Einschränkung des ganz „freien“, also womöglich sogar „gegenläufigen“ oder „divergenten“ Variierens von Mass-Rangreihen.)
Analog dazu könnte man mit Bezug auf die – um ihre jeweiligen Fortschrittspfade zu vollständigen Normalpraxis-Formen ergänzten – Reproduktionen sagen: „Lohnendheit“ der vollständigen Normalpraxis, also Reproduktion+Fortschrittspfad, ist fundiert in der „Sicherheit“ der jeweiligen Reproduktion (eben genau so, wie diese wiederum, in dem soeben definierten Sinn, fundiert ist im Grad der „Gewissheit“ der in ihr verwerteten Wissensbestände).
Aber dem widerspricht jene Einsicht, die sich bereits in 8/115 kurz angedeutet hat: „… aber die logische Reihenfolge und Priorität wird doch besser ausgedrückt, wenn nicht die Reproduktion Basis FÜR das Optimum ist, sondern umgekehrt dies Optimum, in der Denkweise des Normalplaners, nichts andres ist als der Zustand optimal überhaupt AUS seiner Reproduktion heraus erreichbarer Sicherheit in der näheren und weiteren Umgebung, dh. Welt, FÜR diese und nur diese Reproduktion; denn eine andre hat er nicht, und denkt auch nicht darüber nach.“;
oder, nochmals, und vollständiger, in 8/117: „Dies Regelsystem namens Normalpraxis ENTSTEHT nicht von oben nach unten, sondern durch gedankliche Ausfaltung oder „Ausstülpung“ einer konkreten, vorläufig funktionierenden Reproduktion „nach unten“ und „nach oben“…“. (Von der Richtung „nach unten“ haben wir noch nicht gesprochen.)

128.
Angesichts der vertikalen Verknüpftheit von Wissen-wie, aktueller Reproduktionsweise und Fortschrittspfad (bzw. Gewissheits-, Sicherheits- und Lohnendheits-Rangniveau), und der grundsätzlichen Möglichkeit, dass ein und dieselbe Veränderung (Überraschung, Zusatz-Erfahrung) unterschiedliche Rang-Veränderungen in unterschiedlichen Rangreihen nach sich ziehen kann – was von Normalplanern freilich kaum je zum Problem gemacht wird, sodass man vermuten möchte, dass für sie eine „normale“ und „natürliche“ Gewichtung der Rangreihen existiert (die, wie schon in 8/123 vermutet, vielleicht hinter den drei „unterschiedlichen epistemischen Szenarien“ Ende 8/113 stehen) –  ; angesichts all dessen also stellt sich die Frage: Welches dieser Masse oder Qualitäten bzw. als vorläufig optimal welt-angemessene Fixierung einer Rangstufe oder Masszahl in welcher Qualität von den Normalplanern in ihren Entscheidungen offensichtlich als die führende oder grundlegende behandelt wird? Welche dieser Festlegungen machen sie, umgekehrt, von welchen anderen wie abhängig? (Der Verdacht ist natürlich: Erst „obere“ von unteren; dann untere von oberen; deshalb die Paradoxien…)
Die Einbeziehung des im vorhergehenden Abs. zitierten Gedankens aus 8/115 bzw. nochmals 8/117 liefert eine erste Antwort: Demnach ist der vorläufig gewählte Wert für „Sicherheit“ der führende (dh. der einer gewissen Reproduktionsweise zugeordnete Rang-Wert der Sicherheits-Reihe, welcher als der zur Welt mutmasslich best-passende ausgewählt wurde). Er ist es, nach dem Gesagten, darum, weil die (aktuelle) Reproduktion die entscheidenden Vorgaben für die andern Werte liefert – besonders, wenn es sich um die (bis auf weiteres!) „Ausgangs-Normalpraxis“ handelt:
– das IN ihr verwertete Wissen-wie ist dann („Ausfaltung nach unten“!) im wesentlichen DAS Wissen-wie, das der Normalplaner ÜBERHAUPT zu haben beansprucht (bescheiden, wie er ist: mehr hat er nicht; unbescheiden, wie er ist: mehr (ausser einem gewissen Dunstkreis an aktuell nicht verwertetem Reserve-Wissen-wie bzw. Wissen-dass) braucht er nicht: „weiss genug“!);
– die darAUF bezüglichen Fortschrittspfade sind DIE Weisen des Fortschreitens,
– die darin eingeschlossenen, gezielten Wissenserwerbe DIE Wissenserwerbe, die dem Normalplaner aus dieser Basis heraus überhaupt nur erwägenswert scheinen (beides zusammen: „Ausfaltung nach oben“!);
– und die (bis auf weiteres) dann einzig noch offene Frage wäre allenfalls, ob er an diesem Fortschrittspfad (soweit er ihn aus dieser Basis heraus, und FÜR sie, konstruiert) die Werte des eben noch lohnenden Optimal-Ziels (Optimums), der sinnvollen Wissens-Erwerbe, des eben noch daFÜR tolerierbaren Risikos höher oder tiefer setzen soll.
((Und wir dürfen eine noch weitergehende Unterstellung zumindest erwägen: Ob nämlich der Normalplaner dieses erweiterte Selbst, DIESE Form, sein Kernselbst zu reproduzieren (die ja auch SICH in dieser seiner Umgebung erhalten (und dabei das eigentliche, wirkliche Kernselbst mitreproduzieren) soll, möglichst so, dass auch Rückschläge einen nie dahinter zurückfallen lassen) nicht für DAS Selbst überhaupt erklärt, und es bis auf weiteres so behandelt, als wäre es das Kernselbst selber – so, dass man sich um das Gedeihen dieses erweiterten Selbst, mit seinen lohnenden Perspektiven, ebenso angstvoll und getrieben kümmert („Versäumnisrisiko, Versäumnisangst“), wie um die des eigentlichen Kernselbst.))

129.
Die „Ausfaltung aus“ einer Ausgangspraxis, oder die Bezogenheit-auf oder das X-Sein-FÜR sie: Das ist gewissermassen der Ur-Denkmodus des Normalplaners; durch den er (wie in 8/117 bereits beschrieben) einen Praxisteil durch ein paar schlichte Zusätze so erweitert und aufbläht, dass der Schein der Vollständigkeit entsteht. Aber welche Operationen oder Denk-Modi schliessen jetzt daran an? Wie entstehen sie durch die implizit-optimalhypothetische HORIZONTALE Fortschreibung VERTIKALER Verknüpfungsbeziehungen (8/122) – und wie, wiederum, übertragen sich eben dadurch die so verknüpften und integrierten Abteilungen („Ebenen“) gegenseitig ihre an sich völlig heterogenen „logischen Charaktere“ (8/121), sodass am Ende dieses integrierte Gebilde namens Normalpraxis (oder seine momentane, dem momentanen Erfahrungsstand entsprechende, und noch durch weitere Erfahrung zu optimierende Version) sie alle zugleich aufweist, und, seinem Anspruch nach, alle Anforderungen einer Praxis, im Vollsinn des Wortes (8/119 und 122), zu erfüllen scheint?
Um das zu beantworten, wollen wir die beiden aus der mittleren, aktuell-reproduktiven „ausgefalteten“ Abteilungen genauer als bisher betrachten.
Tatsächlich tragen sie beide ihnen anhaftende „Dunstkreise“; und zwar solche, innerhalb deren sich durchaus weitere Abteilungen, ähnlich wie die genannten beiden, abzeichnen.
Hinter den unmittelbar im reproduktiven Können umgesetzten und verwerteten Technologien und Randbedingungs-Regularitäten taucht eine Gruppe weiterer auf, deren (beherrschbare) Effekte oder (vorhersehbaren) Verläufe unter bestimmten Bedingungen Teile des gegenwärtig im Können verwendeten Wissens-wie reparativ oder produktiv ersetzen oder ergänzen könnten (das war, was wir oben als Reserve-Wissen-wie bezeichneten); dabei lassen wir offen, ob die verschiedenen Entwicklungsstadien, in denen dies Wissen-wie vorliegt, eine unmittelbare Aufnahme in den reproduktiven Kreislauf gestatten, es sich also um potentielles Können handelt, dessen Einsatz nur noch einer entsprechenden Entscheidung bedarf, oder dafür noch bestimmte (bekannte, berechenbare) Vorbereitungsschritte unternommen werden müssen, also eine an sich bekannte Technologie mit bekannten und vorhandenen Mitteln auch tatsächlich gebaut oder auf einen bereits bekannten Verlauf mit den wie-gewusst-zweckmässigen Massnahmen (die aber Zeit und Ressourcen verbrauchen) geantwortet werden muss.
Jenseits davon gibt es Technologien und Wissen-um Verläufe, bei denen wir uns bislang keine Bedingung ihrer Verwertbarkeit, also keinerlei Anwendung in unserer gegenwärtigen Reproduktion denken können; nach allem, was wir über Normalplaner gesagt haben, wird dieser Bereich ihres Wissens-wie eher klein sein; dennoch dient er natürlich als Reservoir für unerwartet nötig werdende Problemlösungen. Nennen wir diesen Bereich ausserhalb des Reserve-Wissen-wie Rest-Wissen-wie. Die Grenze zwischen ihnen verläuft, nach dem eben Gesagten, je nachdem, mit welchen Problemen Normalplaner rechnen; das Unterscheidungskriterium ist also ein RELEVANZ-Kriterium; genauer geht es um Relevanz-FÜR – also eine Art weitere Ausfaltung aus der schon bestehenden, die aber, wie indirekt auch immer, auf die zentrale aktuelle Reproduktion bezogen ist.

130.
Das tatsächlich ins aktuelle Können einfliessende (also als solches behandelte) Wissen-wie musste EINE entscheidende Prüfung bestehen: nämlich, ob es (jenseits seiner Nutzbarkeit-FÜR die und IN der aktuellen Reproduktion) HINLÄNGLICH GEWISS ist; das „hinlänglich(-FÜR)“ ist entscheidend (ausführlicher: hinlänglich-um-bewältigbar-zu sein usw.). In den verschiedenen Teilbereichen der Reproduktion mag der Anspruch an diesen Geltungswert höchst unterschiedlich ausfallen; die (subjektiv) geschätzten „objektiven“ Ränge oder Ranggrade der „Gewusstheit“ (bekannten Verlässlichkeit (Schwankungsbreite) und Bedingtheit (Normalplaner, wir erinnern uns, unterscheiden davon keine möglichen „objektiven“ Versionen, die sie eventuell erst noch kennenzulernen hätten), die jeweils als „hinlänglich-FÜR“ (die jeweils zu bewältigenden Problemlösungen) gelten, können höchst unterschiedliche sein.
So mag es dann potentielles Können, Reserve- und Rest-Wissen-wie geben, dessen subjektive Gewusstheit als „nicht hinlänglich“ bewertet würde: sei es (beim potentiellen Können oder Reserve-Wissen-wie) FÜR die Sicherheits-, also Bewältigbarkeitsansprüche eines bestimmten Aufgabenbereichs der Reproduktion, sei es generell und „unter allen Umständen“ („zu unsicher“, „an zu unbekannte Bedingungen gebunden“, also zu schlecht beherrscht, bekannt usw.) – mit fliessenden Übergängen dazwischen.
Mit anderen Worten: Die Stabilität oder „stabile“ Regularität…
(als gemeinsamer Oberbegriff für Schwankungsbreiten und Bedingtheiten; alle Bedingtheit, nämlich das Variieren und insofern „Schwanken“ (qualitativ, quantitativ) des Bedingten, ist letztlich fundiert in relativen Häufigkeiten und Schwankungsbreiten (qualitativ, quantitativ), innerhalb deren das Bedingende, also die Gesamtheit aller Bedingungen, „schwankt“, also variiert (qualitative Schwankungsbreite: Was alles noch für eine bestimmte Veränderung des Bedingten verantwortlich gewesen sein könnte)
… in dem diesem ZU-ungewissen-(FÜR…) pot.Können und Wissen-wie zugrundeliegenden Bereich der Erfahrung ist nicht „stark“ genug ausgeprägt.
Doch auch wenn die „Interessantheit“ (also Relevanz, erwartete Nutzbarkeit oder Nützlichkeit-FÜR…) innerhalb dieses Wissens-Bereichs höchst unterschiedlich ausgeprägt sein mag: SIE ist immer noch „hinlänglich-FÜR“. INNERHALB dieses Bereichs variieren die beiden Kriterien (leider) unabhängig voneinander: Hoch-Interessantes, nämlich Höchst-Nützliches, Verwertbares, einmalige, extreme Glücksfälle (wenn sie sich doch nur wiederholen liessen, oder man ihre Ursachen und Bedingungen kennen würde!) bilden EIN Extrem; maximal Berechenbares, Regelmässiges, in seinen Bedingungen Bekanntes und Eingeordnetes, bei dem man sich allenfalls vage eine – womöglich längst durch andre Mittel besser (weniger aufwendig, qualitativ höherwertig) realisierte, oder auch wenig oder kaum den mit ihr verbundenen Aufwand lohnende (zu aufwendig; zu wenig Nutzen) – Verwendung denken kann, bildet ein ANDRES Extrem. Dazwischen sind alle Kombinationen denkbar – deren Gemeinsamkeit, egal, wie sie sich aus den beiden Komponenten „ZU irrrelevant (FÜR), ZU unzuverlässig (irregulär) (FÜR)“ zusammensetzt,…
((wohlgemerkt: zu irrelevant-und/oder-irregulär, um als pot. Können oder Reserve- bzw. Rest-Wissen-wie (bei dem wir uns seine Relevanz für wenigstens IRGENDEINE je für uns erwartbare Problemstellung müssen denken können) gelten zu können))
…darin besteht, auf eine hinlänglich „bewältigbare“ Weise (hinlänglich enge Schwankungsbreiten, hinlänglich überschaubare und kontrollierbare Bedingungsgefüge) hinlänglich nützlich zu sein.

131.
Das Relevanzkriterium vor allem ist es, durch das das Phänomen des allmählichen Ausfransens unserer Rang-Reihe an ihren Rändern erzeugt wird; denn mit abnehmendem Nutzen gehen alle mehr oder weniger verlässlich erzeugbaren NUTZEffekte FÜR etwas im weitesten Sinne noch mit unserer gegenwärtigen Reproduktion Verbundenes in „blosse“ Effekte, die wir dann mehr oder weniger kontrollieren können, oder „bloss“ gewusste und bekannte Sachverhalte über: Sie zu kennen oder kennenzulernen, mag über gewisse Strecken weg unseren Spiel- und Unterhaltungstrieb oder unsere Neugier befriedigen; die äussersten Ränder des Wissens-Dunstkreises jenseits des zu wenig Nutzbaren und/oder Beherrsch- und Vorhersehbaren aber gehen über ins Trübe oder Dunkel der Langeweile (dazu gehört auch das (kognitiv) Uninteressante, das nur allzu bekannt ist, ohne beeinflussbar zu sein).
Ganz gleich, ob etwas, „das vielleicht nützlich werden könnte, wenn wir es genauer kennen (und besser kontrollieren)“, unsere Neugier erregt; oder ob etwas, „das sogar höchst nützlich wäre, wenn es nur häufiger, regelmässiger, innerhalb engerer Grenzen variierend, an bekanntere und beherrschbarere Bedingungen seines Da- und So-Seins geknüpft, m.a.W. regulärer wäre“, unsere Geduld und Hartnäckigkeit herausfordert bei der Suche nach Bedingungen oder Orten/Zeiten usw. seines gehäuften, verlässlichen Auftretens usw.; oder ob schliesslich eine Mischung aus beidem vorliegt: In all diesen Fällen gibt es offenbar einen Anlass, zu suchen und zu versuchen (im Sinne der Definitionen des Kap. 3); und in jeder dieser beiden ko-variierenden Dimensionen gibt es eine Rangreihe der Lohnendheit solcher Versuche, die sich aus ihrer (erwarteten, subjektiv bestimmten) Nähe zu den zugehörigen Abteilungen, nämlich Relevanz-ARTEN des pot. Könnens und Wissens-wie ergibt. Es ergibt sich aus dieser Betrachtung somit der Vorrang des Relevanzkriteriums: Die Rangreihe abnehmender Grade an Nutzbarkeit-FÜR (von pot.Können über Reserve-Wissen-wie, (Rest-)Wissen-wie-überhaupt), in Abhängigkeit von dem, was an Aufgaben- und Problemstellungen für uns in unserer Umgebung, oder solchen Umgebungen, in die wir gelangen oder in die sich unsere irgendwann verwandeln könnten, je vorstellbar sein könnte; bis hin zu „potentiellen technischen Effekten“, die IN beliebigen oder sogar auch überhaupt keinen irgendwie für uns gegenwärtig vorstellbaren Umgebungen nützlich, wohl aber IN unserer gegenwärtigen, und vielleicht allen anderen Umgebungen INTERESSANT, nämlich unsere Aufmerksamkeit fesselnd sein würden, ohne auf einen reproduktiven Nutzen beziehbar zu sein. – Zu jeder dieser aneinander grenzenden Reihen abnehmender Relevanz (die also nur ineinander übergehende Bereiche innerhalb einer einzigen Reihe abnehmender Relevanz bilden) gehören dann jeweils wieder, Rangstufe für Rangstufe, Reihen von denkbaren Such- und Versuchs-Projekten mit abnehmenden Regularitäts-Graden. Irgendwo in der Peripherie dieser so aufgespannten  „Dunstkreis“- Fläche verläuft dann eine weitere Grenzlinie zu dem, was „zu uninteressant ist, um sich darum zu kümmern, darauf weiter aufmerksam zu sein, oder es sich aktiv zu merken (wenn es sich nicht durch permanente Präsenz oder Wiederholung von selber in Erinnerung bringt)“. Wir könnten diesen Unterschied so ausdrücken, dass wir alles jenseits des Wissens-wie WW (pot. Können, Reserve-, Rest-WW) gelegene Erfahrungswissen als Wissen-dass, WD, bezeichnen; alles Erledigte, Uninteressante, nur passiv präsent Bleibende, also Reguläres ohne jedes Interesse, oder auch Indifferent-Irreguläres, von dem wir (ohne eigenes Zutun) wissen, und an das wir uns erinnern, mag Inhalt eines BLOSSEN Wissen-dass heissen.

132.
Zwei Anmerkungen.
Erstens. Man könnte das Relevanz-Kriterium, so wie es eben eingeführt wurde, grob mit abnehmender Nutzbarkeit oder Nützlichkeit FÜR die gegenwärtige Reproduktion gleichsetzen; je irrelevanter, desto weniger konkret zweckdienlich einsetzbar, und daher am Ende „bloss noch“ und bestenfalls „interessant“; das könnte zu der Frage führen, ob das Nur-Interessante, weil reproduktiv nicht Nutzbare, notgedrungen immer irrelevant sein muss. Aber höchst Nützliches, sehr Beherrschtes und nur zu gut Bekanntes kann auch, genau darum, extrem uninteressant sein, blosse Routine, für die zwar in unserem Leben AUCH Platz ist (wann sind auch zwei Tage VÖLLIG gleich? Und eine vielfältige, abwechslungsreiche Routine erschöpft unsere Aufmerksamkeit nicht so bald…); aber wenn sie in Langeweile und Stagnation übergeht: dann wird das Neue und Interessante zum Bedürfnis, ganz gleich, wie unnütz, wenn nicht riskant es sein mag, sich damit zu beschäftigen. Auch als Nicht-Nutzbares ist das Bloss-Interessante, nicht unmittelbar Zweckdienliche in unserem Leben ständig gegenwärtig – in mehr oder weniger grossen Portionen, und (hoffentlich) fein genug verteilt über unseren Alltag, um ihn ALS GANZEN interessant erscheinen zu lassen. Interessantsein-FÜR Reproduktion, und interessant-sein für unsere Aufmerksamkeit sind also nicht unmittelbar dasselbe; aber wenn sie auf Dauer und im Durchschnitt nicht immer wieder zusammenfallen, wird unser Leben unerträglich, und stagniert. (Wir wollen nicht entscheiden, welches von beiden schlimmer ist: Ein Leben im permanenten Ausnahmezustand, oder eins, das in Routine erstickt (auch in der subtileren Form, dass das Zweckmässige nicht interessant, und das Interessante nicht zweckmässig sein darf. Für beide Existenzformen sind Menschen nicht gemacht…)
Zweitens. Es wird vielleicht jetzt noch besser erkennbar, worin die „Anlässe“ für „relevante“ Wissenserwerbe bestehen, deren Ausbleiben oder nicht rechtzeitiges Auftreten die „dritte Hypothese“ ausschliessen wollte: Es sind hinlängliche Steigerungen (durch neu hinzukommende Erfahrung, und zwar passiv erworbene, sich von selbst, aus der Beobachtung aufdrängende) im Grad der Regularität hinlänglich wichtiger Sachverhaltsformen. (Die Hinsichten, in denen das überhaupt Relevante KLASSIFIZIERT wird, derart dass das in einer solchen Hinsicht Wichtige in GLEICHER Weise sich wiederholen kann: Sie spielen natürlich bei der Deutung, Auswertung und Prüfung der Erfahrung auf solche möglichen Regularitäten hin eine grosse Rolle.)
Der implizite Auswertungsdruck, den ein momentan gegebnes Erfahrungs- und Erinnerungsmaterial ausübt, muss sich dabei nicht unmittelbar äussern: Anstehende Projekte, etwas einmal genauer zu untersuchen, zu erproben, versuchsweise zu konstruieren oder zu bauen usw. können verschoben werden; und das gilt, in gewissem Mass, für das Durcharbeiten der bekannten Erfahrung mit Blick auf verwertbare Forschungs-, Experimental- oder technische Entwurfs- und Ausführungsprojekte selbst: Es werden kaum je alle (bei näherem Zusehen) bemerkbaren Chancen ausgeschöpft, alle Anlässe zu weiterem Untersuchen und Experimentieren genutzt, alle mit dem gegebnen Material technisch möglichen Konstruktionen entworfen, geschweige denn erprobt. – In diesem Sinn bläht sich der möglicherweise noch überschaubare Dunstkreis an gewussten, noch nicht erschöpften „Anlässen“ zu einer kaum noch zu übersehenden Wolke an experimentellen, möglicherweise nützlichen Projekten (Forschungen, Versuchen, Konstruktionen und deren Erprobung) auf; und diese Wolke wächst immer weiter, je mehr Hinsichten der Vergleichbarkeit, mögliche Begriffe, mögliche Ähnlichkeiten wir in unserem Material entdecken, und somit mögliche Substrate für nutzbare Regularitäten und sich Wiederholendes.

133.
Aber selbst diese riesige, wie man sie nennen könnte: Dunst-Sphäre geht an ihren Rändern über in eine noch umfangreichere, in der sie gewissermassen, zusammen mit allen in sie eingeschlossenen verlässlicheren und verlässlichsten reproduktiven Zusammenhängen, auf die wir uns in unserer gegebnen Umgebung stützen, frei schwebt – und das ist der Raum des sinnvollerweise noch nicht Auszuschliessenden und möglicherweise Erwartbaren und Denkbaren – Denkbares, für das, um es wirklich zu denken und sich vorzustellen, es erste Anlässe in unserem Erleben geben mag; oder auch (noch) keine. – In gewissem Sinn ist der Inbegriff an bloss noch GEDACHTEN Möglichkeiten garkeine blosse „Dunstsphäre“; denn ihrem GEHALT nach lassen sich die „aussen“ gelegenen Wunschphantasien und Utopien beliebig präzise ausmalen (wenn man nur will), und müssen als solche keineswegs vage, trübe, und in diesem Sinne „dunstig“ sein. – In einer echten optimalhypothetischen Planung sind sie es auch nicht; sondern dort ist es das Universum der Suboptima, und immer weiter sich steigernden und besseren Möglichkeiten, bis hin zu den besten, in die all unsere denkbaren Projekte und Fortschrittshorizonte (aus begrifflichen Gründen) einmünden.
Aber die Analogien zwischen dem Wissens- und dem Fortschritts-Pol jeder Normalpraxis reichen noch weiter.
Denn so, wie die immer riskanteren und (im Sinne von Ungewissheit) „vageren“ Möglichkeiten des Fortschrittspol-“Dunstkreises“ schliesslich übergehen in nur noch denkbare (aber darum nicht notwendig unpräzise, vage) Möglichkeiten: so auch das immer vager und ungewisser Gewusste, auf immer weniger Wiederholungen und Anschauungen, immer „gewagteren“ Vergleichen von eigentlich Irregulär-Unvergleichlichem Beruhende des Wissens-Pol-Dunstkreises; denn jenseits dessen, was da möglicherweise ist und war, wenn auch unsicher, liegt das, was – aber darum „nicht notwendig unpräzise, vage“ – als „(et)was (, das) überhaupt „da ist und sein kann“, wie auch… als (et)was(, das), weil da sein könnend, da draussen allenfalls und überhaupt zu suchen und zu wissen (gewesen) wäre“ (vgl. Abs.115, Einschub) GEDACHT werden kann: Inbegriff der Möglichkeiten, die vielleicht auch noch dasind oder bereits hätten beobachtet und schliesslich gewusst werden können, und als solche nicht auszuschliessen sind.
Und das sind nun garkeine Parallelen mehr; sondern die denkbaren Möglichkeiten, die bisher nicht auszuschliessen waren, legen sich um das Dunstkreis-Wissen-dass nicht weniger herum, als um die Dunstkreis-Fortsetzungen unserer Fortschrittspfade, jenseits des Optimums: Es sind nämlich dieselben.

134.
Mit einem Unterschied freilich: Aus dem Gesamt-Reservoir dessen, was ÜBERHAUPT als möglich und Sinn machend gedacht werden kann, schneidet das uns Bekannte und von uns Erinnerte das heraus, was bisher tatsächlich der Fall ist und war; und soweit wir dann etwas wissen – etwas, das wirklich einen Unterschied macht: einen sinnvollen Unterschied; einen Unterschied an unserem Handeln nämlich, das DESHALB sinnvollerweise SO ausfällt, und nicht so, wie es hätte ausfallen müssen, wenn andres, an dieser Stelle Mögliche der Fall gewesen wäre – sind damit von ALLEN Möglichkeiten, die überhaupt hätten realisiert sein können in unserer Welt, wenigstens einige ausgeschlossen. Diese Differenz unterscheidet die auf dem gegenwärtigen Wissen beruhende „obere“, die Fortschrittsoptionen umgebende „Dunstsphäre“ des immer noch (sinnvollerweise) Erwartbar-Möglichen, mit dem man JETZT NOCH rechnen muss, von derjenigen, die als alleräusserster Rand das überhaupt möglicherweise Wissbare und zu wissen mögliche (als Inhalt möglichen Wissens möglicherweise noch Erwerbbare) umgibt:  Und das ist die Liste der Möglichkeiten, mit denen man früher irgendwann einmal hätte rechnen müssen, jetzt aber nicht mehr – es sei denn, die Welt erwiese sich an dieser Stelle als SINNLOS.
Die Reihe der absteigenden (Sub)Optimalhypothesen ist dann nur eine Art, diesen Inbegriff der sinnmachenden Möglichkeiten weiter zu ordnen; seinem Gehalt nach aber ist dieser Inbegriff mit dieser Reihe identisch. Genauer noch: Jede Suboptimalhypothese stellt eine Möglichkeit der realen Begrenzung des Inbegriffs dar, mit anderen Worten: eine Möglichkeit, wie die Maximalhypothese und alle bis hinunter zu der betreffenden Suboptimalhypothese, ebenso alle anderen, gleichrangigen Suboptimalhypothesen um diese herum, FALSIFIZIERT werden könnten. – Der Ring des überhaupt als Sinn machend Vorstellbaren, und in diesem Sinn Möglichen, und der in ihn eingeschlossene dessen, was (angesichts des von uns bereits Gewussten) im jeweiligen Augenblick in diesem Sinn NOCH möglich (und daher auch gewusst!) werden könnte: Diese beiden legen sich um jede Normalpraxis mit ihrem jeweiligen Wissensstand (wenn denn überhaupt etwas in ihr gewusst wird) herum; und weder uns, noch der erfahrenen Realität ist es möglich, aus diesem einschliessenden Sinn-Gefüge auszubrechen, es sei denn, die erfahrene Realität macht keinen Sinn mehr, oder wir machen keinen Sinn mehr aus ihr (obwohl das an sich möglich wäre), weil wir aufgehört haben, als Vernünftige (dh. als Person, oder „Selbst“) zu existieren.

135.
Von diesem überhaupt Sinn machenden, und durch zunehmendes Wissen immer genauer (durch Ausschluss dessen, wie es AUCH hätte sein können) sich bestimmenden, und speziell dem zum jeweiligen Zeitpunkt, angesichts dessen, was schon gewusst wird, überhaupt (sinnvollerweise) noch Möglichen, ist als ein wesentlicher Teil von ihm abzugrenzen jenes „real Mögliche“, das durch zunehmendes Wissen VERMEHRT wird: das zu Bewirken Mögliche; das sich durch Erfahrung allmählich, immer besser, BESTÄTIGT. – Hier treffen wir also wieder auf die Unterscheidung des zu Bestätigenden, und des zu Falsifizierenden; aber so, dass sich nun auch ihr Zusammenhang miteinander ahnen lässt: Eben dadurch, dass sich EINES bestätigt, wird ANDRES, das ebensogut AN SEINER STELLE hätte sein können, sukzessive ausgeschlossen; hingegen gibt es immer etwas, das weder durch das eine, noch das andre ausgeschlossen worden wäre, weil es seinerseits, „an seiner Stelle“, mit beidem vereinbar ist.
(Das System solcher Stellen, an denen das eine, wenn „es“ sich bestätigt, andres, das an „seiner“ Stelle hätte sein können, ausschliesst, haben wir früher bereits benannt: Es ist das System der „Kategorien“. (Kategorien sind nicht nur „Stellen“ des Ausschlusses, sondern, wie aus der letzten Bemerkung hervorgeht, auch solche des „Einschlusses“, oder des indifferenten Nebeneinander-Stehens und sich nicht Ausschliessens.))
So, wie durch zunehmendes und sich zunehmend „bestätigendes“ Erfahrungswissen vom überhaupt Möglichen zunehmend mehr ausgeschlossen, nämlich falsifiziert wird („X2…n ist jetzt nicht mehr sinnvollerweise möglich, sondern nur noch X1; Y1…m, die sich alle untereinander ausschliessen würden, sind hingegen alle noch möglich: wir wissen nicht, welches von ihnen in unserer Welt realisiert ist, oder WIE die Y-Kategorie sich in unserer Welt realisiert, durch welche ihrer möglichen Ausprägungen oder Besetzungen sie tatsächlich besetzt ist usw.): So realisieren sich, durch Zunahme des Wissens dieser Art (nämlich des Wissens vom „Bestätigungstyp“) zunehmend Möglichkeiten zu handeln (die zu erproben, oder umzusetzen wären) – Handlungs-Möglichkeiten, die einander auch ausschliessen können, und zwischen denen dann auch (angesichts unseres knappen Handlungsspielraums) gewählt werden muss. Ob es sich (schon) um ein „Umsetzen“ oder doch eher, und immer noch, um ein „Erproben“, also Versuchen, handelt – oder gar nur um ein Weitersuchen, Weiter-Beobachten, womöglich Vorsichtigsein und Weiter-Abwarten: Das hängt ab vom Umfang und Grad der Gewissheit unseres Wissens von Randbedingungen (deren Schwankungsbreiten) und der Tiefe und Zuverlässigkeit unseres Wissens um Bedingungsgefüge; denn allein der Stand unseres (Un)Wissens hierüber entscheidet, welche Anteile unseres Handeln, ob wir es wollen oder nicht, wie unsicher, und wie sehr dazu verurteilt sind, auch unfreiwillig, unser Wissen zu vermehren.

136.
Man sieht: Ganz notgedrungen ist das Nachdenken über die Wissensarten, ihre Rangstufen, mithin auch die Rangstufen der Verbesserung dieser Wissensarten, also der Wissenserwerbe und Wissenszuwächse, die sich aus ihnen heraus erzielen lassen (so, dass ursprünglich „schlechteres“ Wissens-Material in einer der möglichen Hinsichten seiner Bewertung „aufsteigt“), umgeschlagen in ein Nachdenken über Fortschritte und Fortschrittspfade; denn soweit wir den Wissenserwerb und Wissenszuwachs überhaupt gezielt betreiben können, ist er Bestandteil unserer Fortschrittsplanung insgesamt. Und wir können die Rangstufen der (Un)Gewissheit sogar darüber definieren, wie unberechenbar ENTWEDER die Arten und Aufwände für eine Verbesserung des je zugehörigen (Un)Wissensstandes sind, ODER wie riskant und bedroht alle Fortschrittsoptionen, in denen wir uns bereits auf die in diesem (Un)Wissensstand unterstellten Zusammenhänge verlassen – und wir dadurch, „ob wir es wollen oder nicht, dazu verurteilt sind, auch unfreiwillig, unser Wissen zu vermehren.“
(Der entscheidende Unterschied besteht immer darin, ob wir von solchen ungewiss-gewussten Zusammenhängen reproduktiv Wirksames abhängig machen, das dann scheitern kann, und dann entweder wiederholt werden muss, oder uns sogar auf einen schlechteren Stand, womöglich unwiderruflich, zumindest für lange Zeit, zurückwirft; oder ob wir eine gesonderte Sphäre des Versuchens einrichten, in der wir uns vor Schäden und Verlusten maximal schützen.
Solche Versuchs-Einrichtungen kosten ihrerseits Aufwand; je umfangreicher und existenzieller die Versuche werden, je grössere Abschnitte unserer Reproduktion davon betroffen sind (je lohnender also auch sie im Erfolgsfall werden), desto weniger können wir sie simulieren (vgl. 8/45).)
Grundsätzlich gilt: Je weniger wir wissen, desto weniger wissen wir auch, was wir noch erfahren müssten, WIE, WO, WANN wir es (durch Suchen und Versuchen) erfahren könnten, und wieviel Aufwand wir dafür werden treiben müssen.
Aber, was wir bis hierher Wissenserwerb und Steigerung von Wissen einer Rangstufe genannt haben, fügt sich lückenlos in die Reihe der denkbaren Fortschrittsoptionen ein; als letzte Stufe dieser Reihe fungiert dann das produktive Steigern von Robustheit oder Produktivität eines bestehenden Reproduktionsprozesses auf eine Weise, an der „nichts mehr unbekannt“ ist – zumindest wissen wir es nicht – unbekannte Einflüsse, Zufälle, Randbedingungen, Risiken können sich schliesslich IMMER bemerkbar machen: Die Zitate am Eingang von Kap.6 zeigen, wie wir uns immer wieder an diesen unvermeidlichen Versuchs- und Experimentalcharakter unserer Existenz (und Re-Produktion) erinnern mussten. Umgekehrt wiederum kann von etwas erst- und einmalig sich Ereignendem, in dem wir einen technisch nutzbaren Zusammenhang erkennen, nicht im vorhinein gewusst werden, ob es nicht genau so, wie da entdeckt, verlässlich sein könnte – dass es also NICHT labil, NICHT von hunderttausend Bedingungen abhängig sein wird, NICHT in unzähligen Varianten abgestufter Ähnlichkeit mit dem zuerst beobachteten Exemplar vorkommen wird; sondern genau so, wie beim ersten Mal, immer wieder: gewissermassen auf Anhieb regulär.

137.
Die Ungewissheit der gesamten Existenz dehnt sich somit auf alle ihre Teile aus – aus ihren Teilen, umgekehrt, kommt sie ja her. – Wieso, könnte man fragen, trauen wir uns dann überhaupt etwas wie „Schätzungen der Gewissheitsgrade“ im voraus zu? – Im voraus; denn wir wollen ja (als Normalplaner) IM VORAUS aus dem bisher erlebten Bestätigtheits- und/oder sonst woher ermittelten und geschätzten Gewissheitsgrad das Mass erschliessen, wie sehr sich eine reparativ-reproduktive oder präparativ-produktive Übernahme des betreffenden Wissensinhalts, in Gestalt einer technischen Umsetzung und Nutzung, in unser Können LOHNT.
Und woher haben wir, andererseits, die Rangreihe der Stufen abnehmender Relevanz? Woher sonst, als daher, dass wir (Prioritäten-)Reihen von Problemen im Zusammenhang mit unserer gegenwärtigen Reproduktion bilden (vorrangige, nachrangige) – Probleme, deren Lösungen auch voneinander abhängen können, sich eine nach der vorher erfolgreich absolvierten anderen ergeben und sich zu Ketten verknüpfen – sie bilden dann wiederum, in solchen Verknüpfungen, die Matrizen, Schemata möglicher Fortschrittspfade, für die wir mögliche, umsetzbare (Versuchs)Handlungs-Belegungen konstruieren – und zwar mithilfe unseres ideellen „Werkzeugkastens“ aus gegenwärtigem Können, Reserve-Wissen-wie und (noch nicht in solches umgesetzten)Wissen-wie, sowie eventuell darin eingeschalteten, „geplanten“ Such- und Versuchs-Schritten (welche zu – für den je anstehenden Problemlösungs-, also Fortschritt nutzbarem – Wissen-wie führen).
Anm. Je mehr denkbare Veränderungen unserer gegenwärtigen Lebensform ((seien es indifferente, oder auch Verschlechterungen (von denen aus es ganz anders weitergehen würde als heute), Verbesserungen, Fortschritte)) wir dabei unterstellen würden, ausgehend von den denkbaren (Sinn)Grenzen, innerhalb deren unser Kern- und auch erweitertes Selbst überhaupt variieren (anders organisiert werden, dazulernen) kann, ohne aufzuhören, ein (oder auch nur UNSER) Selbst zu sein – desto mehr würde diese geordnete Problemsammlung in das System der Suboptimalhypothesen übergehen, bis hin zum Grenzhorizont möglicher Problemlösungs-, mithin Hypothesen-Konstruktion selbst: dem Horizont des unter allen Bedingungen Best-Denkbaren – der weitestreichenden Problemlösung überhaupt.
In dieser – mehr oder weniger abstrakten – Problem- oder (hypothetischen) Problemlösungs-, also Hypothesen- (und Versuchs-Anleitungs- oder Experimentalplan-Prioritäten-)Matrix, könnte man eine weitere Variante unseres Begriffs von „Kategoriensystem“ sehen, wie er in 2/6ff. und 8/31f. verwendet wurde; ein Kategoriensystem ist der Inbegriff an Hinsichten und Grenzen, innerhalb deren, was sich überhaupt je ereignen kann und vorstellen lässt, variieren kann, wenn es noch Sinn machen soll; je mehr wir dieses System abstrakter und maximal-abstrakter (sinnvoller) Denk-Möglichkeiten („Überhaupt (sinnvollerweise) Sein-Können, und (als Realisierung einer Kategorie von „Seiendem“) Vorstellbar-sein-können ist dasselbe“) auf bestimmte Umstände einschränken, konkretisieren wir es; unter anderm in dem Sinn, dass angesichts bestimmter Vorerfahrung mancherlei sich NICHT mehr ereignen darf, weil es dann KEINEN Sinn mehr ergeben, wir angesichts dessen nichts Sinnvolles mehr machen könnten. Aber auch, um das anzudeuten, in dem Sinn, dass vielleicht angesichts bestimmter (zu kurzer, zu erfahrungsarmer) Vor-Erfahrung und Traditionen (noch) nicht alles (jedenfalls nicht alles, das WIR uns vorstellen könnten) für die Erben der so tradierten Erfahrung vorstellbar ist: Was und wie weit Reichendes man für vorzustellen und zu durchdenken nötig hält, hängt auch von Anlässen ab (s.o. 8/132, Zweitens…); wir denken und bilden Vorstellungen nicht ohne Grund; zumal als Normalplaner, die fast immer anderes, und meist besseres (erwartbar Nützlicheres) zu tun haben, als sich Träumen von bloss Möglichem hinzugeben… Ende der Anm.

138.
In sehr engem Zusammenhang mit unserem Begriff von Kategorie (Variabilität in einer (wichtigen) Hinsicht, und ihren (Sinn)Grenzen) wiederum steht ein Gedanke, der bereits in der Darstellung der Paradoxien Kap.7 ausführlicher hätte wieder aufgegriffen werden können, als es dort geschehen ist, und der zum ersten Mal angesprochen wurde im Zusammenhang mit dem Auftauchen des „verrückten“ (s.o. 8/123) generellen Übertragens von Erwartungen „von oben nach unten“ (nicht zu verwechseln mit der „Ausfaltung“ des Wissens-wie „von oben nach unten“ aus der Reproduktion eben) am Ende 2/11. Kurz vorher in Kap.2, nämlich ab Kap.2/6+7 (der eben bereits mit Referenz auf die „Kategorien“ genannten Stelle), und kulminierend in 2/11, wird gezeigt, wie die „vertikale“ Verknüpfung der „(Kategorien)Ebenen“ mithilfe von DADURCH-DASS- oder UM-ZU-Beziehungen einhergeht mit je unterschiedlichen Graden „horizontaler“ Abwandelbarkeit: Je „tiefer“ hinunter, desto variabler – „höhere“ Ziele, Praxisformen, Aufgabenstellungen (solche auf „höheren“ Ebenen) können konstant bleiben, während „ihre“ Ausführung verschiedene Formen annimmt, mit den Worten von 3/15:
„Vom Standpunkt dieser nach oben hin immer unbeweglicheren Aufgaben- oder Ziel-Hierarchie (der übergeordneten „Strategie“) ist das eigentlich bewegliche, die Art der Durchführung, die besondere Qualität und Art der Aufgabenlösungen, völlig gleichgültig; Hauptsache, sie gelingt, im Rahmen der vorgesehenen Erwartungswerte; Hauptsache, sie bringt (wie auch immer, welche auch immer) die nötigen Produkte für Anschlussvorhaben hervor, oder sorgt für die nötige Sicherheit exakt derjenigen (Re)Produktionen, deren zuverlässiges Funktionieren für spätere Plan-Stadien vorausgesetzt wird.“
(Es lohnt vielleicht, für die folgenden Überlegungen, nochmals 3/16ff. nachzulesen; vor allem auch den Gedanken, dass in den Gebilden jeder Ebene Inhalte mit Erwartungswerten „verklammert“ sind, 3/16; des weiteren, dass – sei es reparativ, oder „präparativ“ – auftretende „Lücken“ auch mit Versuchen gefüllt werden können (so wohl erstmals zB. 3/11); und dass es eben dadurch möglich wird, dass „die ursprüngliche oder Ausgangspraxis… zugleich der Versuchsplan für die Experimente zu ihrer produktiven Erweiterung und/oder reparativen Abwandlung“ wird (3/17; was die erste Formel dieses Kap. 8 (in 8/7) für den Fehler des Normalplaners darstellte, nämlich „(die) Präferenzenordnung (für Hypothesen) mithilfe derselben Regeln zu konstruieren (und sie garnicht als eigenes Thema zu behandeln), mit denen er die Prioritätenliste seiner Reproduktion und Produktion konstruiert usw.“.)

139.
Jetzt können wir fortfahren mit unseren Fragen des Musters: „Der Normalplaner – WOHER HAT ER…?“ – Woher hat er sein System der Relevanz-Gesichtspunkte? Antwort: Aus einer mehr oder weniger beschränkenden (und denkbare Abstraktionen, Generalisierungen ausschliessenden) Konkretisierung des (Kategorien)Systems möglicher Problemlösungen in möglichen Umgebungen für mögliche Versionen eines Kern- und erweiterten Selbst (mit einer bestimmten Vorgeschichte), durch mehr oder weniger begrenzende Einschränkung der abstrakten Möglichkeiten auf diejenigen, die durch SEINE (erfahrenen, anschaulich gewordenen) Probleme in SEINER (gegenwärtigen, bekannten) Reproduktions-Umgebung für SEIN Kern- und vor allem erweitertes Selbst entstehen könnten, oder durchaus fühlbar entstehen. – Wenn wir somit in 8/31 sagen: Wie er die Welt denkt, das ist sein Kategoriensystem – dann können wir jetzt hinzufügen: Dies System des überhaupt Denkbar-Möglichen kommt beim Normalplaner vor nur als auf bestimmte Vorgaben, bestimmte Ausgangspunkte EINGESCHRÄNKTES; und von diesen Ausgangspunkten (natürlich: der Ausgangs-Praxis) ausgehend, erwägt er auch nur bestimmte, eingeschränkte Möglichkeiten – als das, womit er ÜBERHAUPT als möglich rechnet; was er überhaupt für (sinnvollerweise) denkbar, möglich und erwägenswert hält, ist bei ihm – gegenüber dem ABSTRAKT Denkbaren – extrem eingeschränkt. Aber Kategoriensystem ist dies System der eingeschränkt-erwogenen Möglichkeiten trotzdem – in dem Sinn, dass aus der (beschränkten, engen) Perspektive des Normalplaners (bei gegebnem Anlass!) dies und nur dies zu erwägen, diese und nur diese Möglichkeiten und Abwandlungen bzw. Fortschritte aus seiner Situation heraus Sinn zu machen scheint; sein Denken sieht hier eine Sinngrenze, sieht sie auch im nachhinein und im Rückblick, wenn es darauf aufmerksam wird, dass die vermeintliche Sinngrenze keine war, man stattdessen auch an ganz Andres, Weitergehendes, Schlimmeres usw. hätte denken, und damit (als einer Möglichkeit) hätte rechnen  können: „DARAN hätte man denken SOLLEN?“ – Der Normalplaner gibt sich keine Rechenschaft über diese Sinn-Grenze, die er implizit durch seinen Denk-Abbruch, seine Weigerung, weiter zu denken, zieht; es GIBT dort ja ein Jenseits – offenkundig (sonst bestünde hier keine Denk- und Erwägens-Möglichkeit, also Möglichkeit, die man zu verweigern, und nicht in den Blick zu nehmen imstand ist); aber – und das IST sein Grund: Selbst WENN er auf diese Grenze, als Grenze (also das Jenseits, die Möglichkeit, weiterzumachen) aufmerksam wäre, würde er dagegen einwenden: Es GIBT keinen ANLASS.

140.
Aber woher hat er das (das allgemeine Kategoriensystem einschränkende) System der „Anlässe“? Woher will er im vorhinein wissen, was er erwägen, womit er (in seiner Umgebung) rechnen sollte (jenseits dessen, womit man einfach nicht rechnen müssen DARF, weil es – angesichts dessen, was man schon weiss und erfahren hat – sinnlos wäre)?
Daher, woher er auch die andern Grenzen-ziehenden Wissen-im-vorhinein-Inhalte hat; denn:
Woher hat er seine Bewertungen einer bestimmten Reproduktions-Alternative als „so und so sicher“, woher seine Bewertung eines bestimmten Bestätigungs- und Erfahrungsstandes als „so und so gewiss (verlässlich, sicher im kognitiven Sinn, bewältigbar im praktischen)“, woher seine Bewertung eines bestimmten möglichen Fortschrittspfades als „so und so lohnend“? Woher hat er die Grenz-Marken des „Hinlänglichen“ (und Hinlänglichen-FÜR), mit denen er unter dem mehr oder weniger Lohnenden, dem mehr oder weniger Sicheren das Richtige (nicht zu sehr, nicht zu wenig) bestimmt? Und wir dürfen auch noch diese Fragen hinzufügen: Woher hat er seine Masse und Bewertungen für qualitative Schwankungsbreiten und Ähnlichkeiten – woher die Sicherheit, dass etwas X1 etwas Anderm X2 „(in der und der Hinsicht) hinlänglich ähnlich“ ist, um an X1 – eventuell „entsprechend abgewandelte (wenn auch hinlänglich ähnliche)“ (mutatis mutandis) – „Erwartungen wie an X2“ zu haben, um bestimmte, darauf aufbauende Versuche für lohnend zu halten? (Und auch das Umgekehrte: Warum sind bestimmte Ähnlichkeiten NICHT lohnend für Versuche, warum werden, auf derselben Denk-Grundlage, diese Versuche (oder Fortsetzungen einer ursprünglich auf solchen Ähnlichkeiten bzw. Hinsichten-der-Vergleichbarkeit beruhenden Versuchsreihen und ihr zugrundeliegende Erwartungen) ausgeschlossen?)
Die Antwort des Normalplaners auf die Fragen: Woher hast du das alles? wird sein: „Aus Erfahrung.“ – Er hat es aus Erfahrung – sofern er es HAT; und er BEKOMMT ES AUS ERFAHRUNG, SOFERN ER ES NOCH NICHT HAT, oder nicht genau genug, nicht differenziert genug usw. (denn in angenäherter Version hat er es ja immer schon).
Zumindest ist es das, was er hofft; SEINE Version eines bis auf Weiteres dem Handeln zurgundezulegenden Denkbar-Besten – SEINE Version einer OPTIMALHYPOTHESE und dessen, was sie zu leisten hat.

141.
Genau genommen, ist dies aber – in DIESER Version – erheblich mehr als eine (Optimal)Hypothese: Es ist eine ERWARTUNG (die allenfalls vielleicht in den Rahmen einer (Optimal)Hypothese (etwa in der Art der optimalhypothetischen Fortschreibungen bestehender Lohnendheiten, Sicherheiten, Gewissheiten) eingebettet ist); eine Erwartung, wie und vor allem was man lernen könnte; eine Lernstrategie; nur eben keine, die auf praktisches Versuchen gerichtet ist. Denn wer erwartet, verhält sich nicht „versuchend“ oder „experimentell“ zur Welt und seinen Erfahrungsverläufen; sondern wenn und soweit er sich versuchend verhält (wie er es doch muss, wenn dies eine Lernstrategie sein soll!), dann offenbar zu etwas anderm, und durch andres, als durch praktisches Handeln zur Welt. Wenn also nicht dort – auf welchem Feld dann finden die Versuche und Experimente von Normalplanern statt?
Was genau erwarten sie denn? Sie erwarten, wie wir eben (und auch schon früher) gehört (oder ihnen unterstellt) haben: Ein Anwachsen ihrer Erfahrung im Umgang mit begrenzten Erfahrungsständen; eine Erfahrung zweiter Ordnung also. Von daher gibt es dann auch zwei Quellen ihres Wissenszuwachses:
Erstens, die wachsenden (und sich ändernden) jeweiligen Erfahrungsstände selbst (Inhalte liefernd, oder bestehende (zB. Schwankungsbreiten, bekannte Bedingungen) bestätigend, oder vertiefend (Bedingungstiefe erweiternd); und:
Zweitens, die ebenfalls (so wird es erwartet) erfahrungsbegründeten Formen des Umgangs mit ihnen, und die Formen der Verwertung dieser primären Erfahrung, vor allem in Gestalt der genannten empirischen Masse (Rangreihen) und „angemessenen“ Grenz-Marken (mitsamt ihren Bedingungen). – Aber wie lernt man diese Marken und Masse? Wie konnte man lernen, sie in der – fiktiven, von den Normalplanern, ohne sie zu kennen, vorausgesetzten – Lern-Vorgeschichte bereits halbwegs korrekt zu bestimmen, und wie kann man jetzt und in Zukunft (falls nötig) lernen, sie noch korrekter und der Umgebung, vielleicht sogar aufgeschlüsselt nach bestimmten Bedingungen, noch besser angepasst zu bestimmen? Die Normalplaner antworten (müssen antworten): durch Abstraktion, Verallgemeinerung  über „gleichartige“ Inhalte, gleichartige „begrenzte Erfahrungsstände“ hinweg.
Aber wie kann man verschiedene solche Inhalte, verschiedene begrenzte Erfahrungsstände und auf ihnen beruhende Technologien, Reproduktionen, Selbst-Bestimmungen (sei es des Kern-Selbst, oder des erweiterten), Fortschrittspfade vergleichen? Was kann an ihnen GLEICH sein – als GANZEN?
So gleich, dass sie als gleich, oder mehr, oder weniger auf Gewissheit beruhend wie andre, mit grösserer, gleicher oder geringerer Sicherheit (Bewältigbarkeit, Riskantheit) behaftet wie andre, mehr, weniger oder gleich viel versprechend im Verhältnis zu ihren jeweiligen Alternativen wie andre erscheinen können?

142.
Nochmals, wie Ende 8/127: Wir rekonstruieren hier die impliziten Voraussetzungen, die Normalplaner machen müssen, wenn sie Auskünfte von der Art derer geben, wie wir sie ihnen immer wieder in den Mund legen. Von den Auskünften behaupten wir, dass wir sie so oder so ähnlich von Normalplanern bekommen werden – dass Normalplaner so oder so ähnlich denken; von den Voraussetzungen behaupten wir hingegen das exakte Gegenteil: Normalplaner denken nicht im geringsten über diese impliziten Voraussetzungen oder Implikationen ihres expliziten Denkens nach – sie machen sich dies implizit von ihnen durch das, was sie tun oder tun wollen, Vorausgesetzte nicht explizit bewusst; sie BEMERKEN den Fehler in ihrem Denken nicht, denn an dem, was sie explizit denken, IST er nicht zu bemerken (es wirkt nicht fehlerhaft); deshalb sehen Normalplaner auch keinen Grund, diese ihre explizite (und in Auskünften erfragbare) Art zu denken aufzugeben.

Tatsächlich DENKEN sie nicht explizit an Reihen von Alternativen, mit all dem Beiwerk, von dem wir hier die ganze Zeit sprechen; der Normalfall ist, dass es zur allseits geschlossenen Praxis, mitsamt ihren Fortschritts- und Reserve-Optionen, keine Alternativen gibt („Weiss genug.“) – es sei denn, es passiert was; etwas Unerwartetes; ein ANLASS. – Das heisst: Auch wenn Normalplaner sagen, dass es keinen Anlass gegeben hat, heisst das nicht, dass sie über ein (vgl. oben 140) „System der erwarteten, gedachten Anlässe“ verfügen – quasi ein System der Falsifikationen ihrer (dann hypothetischen, experimentellen) Normalerwartung. Die Grenze zu dem, was als „Anlass“ fungieren könnte – das überraschend Andere, Bessere, Schlechtere – ist ganz und gar aus einer Innensicht bestimmt, von der her gesehen zunächst einmal („weiss genug“) NICHTS FEHLT; jede „im Rückblick als solche aufgedeckte Wissenslücke (wird ja) durch ein unerwartet neu hinzukommendes Wissensfragment geschlossen – also in genau dem Moment nur bemerkbar…, da dem Mangel schon wieder abgeholfen ist“ (8/8). Und aus diesem Grund besteht aus dieser Innensicht auch kein Bedarf, Anlässe, Unerwartetes sich auszudenken und vorzustellen (da hätte man viel zu tun); denn das, was in solchen „Anlass“-Episoden wiederhergestellt wird, ist in allen wesentlichen Hinsichten derselbe Zustand wie zuvor: Funktionierende Normalität, inclusive normaler Fortschrittsoptionen.

143.
8/5: „Was immer man lernend aus Sicht der Normalplaner noch verbessern kann, betrifft DIESE Struktur „Meine Normalpraxis (oder Normalität)“ (also nicht irgendeine, sondern DIESE gegenwärtige Normalpraxis des Normalplaners); was immer noch ungenau, oder verkehrt und suboptimal bestimmt ist, sind Gehalte von Kategorien, die durch diese Struktur definiert sind; da es sich grundsätzlich um innerweltliches, Sachverhalts- und empirisches, nicht von uns „gemachtes“, sondern „widerfahrendes“, daher kennenzulernendes, abzuwartendes Material handelt, ist diese Art, Weltdinge zu klassifizieren nach der Rolle, die sie in einer gegebenen Ausgangs-Normalpraxis (der momentanen „Lernbasis“ gewissermassen; auf einem gegebnen Erfahrungsstand) spielen, quasi die Ontologie oder das welt-bezogene Kategoriensystem des Normalplaners, nach dem er seinen Wissenserwerb und das, wovon er glaubt Wissen erwerben zu können oder sollen, untergliedert und organisiert („wofür er sich interessiert; worauf er seine Aufmerksamkeit gerichtet hält“ usw.).“
Wenn es somit solche Vergleiche gibt, wie die, nach denen wir eben, Ende des Abs. 141 fragten: Wie kann er vergleichen? – dann, erstens, nur punktuelle (das war der erinnernde Hinweis in 142), aus gegebenem Anlass; und zweitens, nur an solchen punktuellen Stellen der Abwandlung oder Variation, die rundum durch die bis dahin intakte Normalpraxis umschlossen sind (erinnernde Verweise auf 8/5, 8/7); an allen Stellen ihrer „umschriebenen, eingeschlossenen“ Abwandlung fungiert die umgebende, ansonsten wie bisher fortbestehende Normalpraxis als KATEGORIE (nur Abänderungen in ihrem Rahmen machen SINN (Abs. 139); der Erhalt der Normalpraxis, im grossen ganzen so wie sie war, ist eine Sinn-Grenze und Rand- und Grenzbedingung für alle überhaupt aus Sicht der Normalplaner Sinn machenden Abänderungen, die an ihr „bei gegebenen Anlässen“ nötig oder möglich werden). ( Wobei die Gesetzmässigkeit gilt, an deren verschiedentliche Erwähnung in Kap. 2 und 3 oben in Abs.138 erinnert wurde: Je „höher“ und weiter „oben“ die Stelle im gegenwärtigen System der Praktiken und Erwartungen angesiedelt ist, desto „starrer“ ist sie, das heisst: desto mehr Konsequenzen „unterhalb“ würde eine Abänderung nach sich ziehen – umgekehrt aber auch: desto vielfältiger sind die Möglichkeiten, „sie“, oder den Zweck, den sie repräsentiert, auf die eine oder andere Weise zu realisieren.)
Von dem Übergang aber in ein reales Verhalten zum Rest-Unbekannten, in das jeder Fortschrittspfad an seinen äussersten Grenzen übergeht, hält den Normalplaner etwas ab – genauso, wie es ihn abhält vom Erwägen dessen,
– was hätte der Fall sein können (anstelle des tatsächlich sich Ereignenden), oder
– was (als Ursache, Bedingung usw.) „hinter“ dem Gewiss-Gewussten steckt und es „erklärt“, speziell hinter den gewiss-gewussten Bedingungsgefügen und Schwankungsbreiten, von denen seine „Sicherheit“ in DIESER gegenwärtigen Reproduktion abhängt; schliesslich auch vom Erwägen dessen,
– was über all das hinaus generell zu wissen nützlich wäre (an Nützlichem, Schädlichem, Bedingungen der Nutzbarkeit und Effizienz der von ihm genutzten Verfahren, möglichen Extrem-Werten und Verläufen von Parametern, von denen er ungefähre Schwankungsbreiten bereits kennengelernt hat, speziell, wo es sich um Randbedingungs-Parameter seiner Reproduktion und Fortschritts-Optionen handelt);
vom Übergang also in ein reales Such- und Versuchs-Verhalten angesichts all dieses Materials oder eben auch nur davon, dass er es durchdenkt und erwägt, hält den Normalplaner ab seine borniert-optimistische Einschränkung auf DIESE UND NUR DIESE Normalpraxis mit ihren Grenzen im Hinlänglich-Gewiss-Gewussten (und allenfalls noch seinem Dunstkreis), und die Anlässe zu allenfalls IHRER Abänderung: Er weiss – bis auf weiteres – genug.

144.
Die rekonstruierende Explikation dieses Weiss-genug hat uns zu den optimalhypothetischen Fortschreibungen der Normalpraxis-Inhalte auf jeder der drei involvierten Ebenen geführt; aber man schreibt eben nicht einfach folgenlos HORIZONTAL (unter ausschliesslicher Verwendung der Kategorie der nicht erklärungsbedürftig-stabilen Regularität) ein System zugleich VERTIKAL verknüpfter (nämlich aufeinander aufbauender, ineinander fundierter, oder auch auseinander durch „Ausfaltung“ hervorgehender) Inhalte fort. Diese vertikalen Verknüpfungen per „Ausfaltung“ waren vor allem jene, die wir mit den penetrant-grossbuchstabierten Präpositionen auszudrücken versuchten: FÜR-, DADURCH-DASS, VON- usw.; und im Zentrum dieser Verknüpfungen stand die gegenwärtige, tatsächliche Reproduktion: FÜR-sie war das Wissen-wie usw. hinlänglich, FÜR-sie oder VON-ihr war der verfolgte Fortschrittspfad (lohnende) Robustheits- oder Produktivitätssteigerung.

EXKURS. Eine subtile Form der Vertikalität darf dabei nicht übersehen werden: Auch die Elemente des Reproduktionszirkels sind – rein zeitlich gesehen –  in gewisser Weise (nur eben zyklisch) „ineinander“ fundiert; nicht, wenn man es in der Form sieht, dass sich zwei Reproduktions-Stationen A, B gewissermassen ständig und gleichzeitig gegenseitig Güter-Ströme zuschicken, da sie doch durch den Kreislauf miteinander verbunden sind; sondern man muss ihre Verbindung in Phasen zerlegt denken, und dann gilt: A(t1) zum Zeitpunkt t1 liefert an B(t2) am oder bis zum Zeitpunkt t2 (und B(t1) an A(t2)); das Wissen-wie usw., das A (oder im andern Fall B) in der Produktionsperiode zwischen t1 und t2 zugrundeliegt (oder auch alle Fortschrittsoptionen-daFÜR), liegt dann indirekt auch B (oder A im andern Fall) ab t2 zugrunde (das macht sich vor allem bei Änderungen dieses Wissens, oder der Randbedingungen oder Verfahren, die in A (oder im andern Fall B) zwischen t1 und t2 angewandt werden, schliesslich auch Änderungen ihrer Robustheit und Produktivität, bemerkbar). Die Wirkungen von Wissens-, Randbedingungs-, Verfahrens- und Fortschrittsänderungen (auch unvorhergesehenen), zum besseren oder schlechteren, setzen sich entlang dieser Produktionsbeziehungen innerhalb der Reproduktion, also innerhalb des Zirkels, der sie ist, fort (durch einfache, nicht-kompensierte Einschränkung eines Teilprodukts mit dem Faktor (1-1/a) (a>1) würde, vorausgesetzt, diese Einschränkung würde sich durch alle Zwischenschritte (im Kreis) bis hinein in die Eingangs-Produkte der Produktion dieses Teilprodukts unkompensierbar fortsetzen, nach a Umläufen der gesamte Kreislauf auf Null geschrumpft sein; Selbst-Verstärkung dieses Prozesses noch nicht berücksichtigt).
Diese Sorte inner-zyklischer Ausbreitung ((begrenzt, kompensiert, abebbend, oder unbegrenzt sich über den Zyklus ausbreitend, bis zurück zum Ausgangspunkt (in einer späteren Phase) der Effekte von durch „FÜR“- Verknüpfung mit einer Teil-Produktion verbundenen Wissenserwerben, Rand- und Verfahrensbedingungs-Änderungen, Fortschritten)) auf nachgelagerte Stationen des Reproduktionskreislaufs (bis hin zu positiven oder negativen feedback-Effekten über diese Folgewirkungen auf deren Ausgangspunkt selbst) muss also auch als (indirekte) vertikale Verknüpfung angesehen werden. EXKURS ENDE.

145.
Was wird denn aber nun durch die vertikalen FÜR- und VON-Verknüpfungen verbunden?
Man könnte es so zuspitzen: Im Fortschritt ist der geplante Wissenserwerb (soweit man ihn planen kann), als EINE seiner Optionen, eingeschlossen; das ist „oben“, oberhalb der gegenwärtigen Reproduktionsebene; aber die Rückwirkungen, nämlich tatsächlich zusätzlich erworbenes Wissen, dadurch ermöglichtes zusätzliches Können, Wissen-wie usw. kommen von „unten“ der Reproduktion (womöglich an verschiedenen Stellen, auch sich ausbreitend usw.) zugute. Dort „unten“ ist aber auch der Ort, wo Unwissen, Nicht-rechtzeitig-Vorherwissen, Nicht-Kennen-von-Bedingungen sich überraschend bemerkbar macht: Etwas geht nicht, und man weiss nicht, woran (an welchen schädlich einwirkenden Bedingungen, oder fehlenden nützlichen) es liegt, etwas (in Randbedingungen oder Bedingungsgefügen) ereignet sich, das Konsequenzen hat, aber man ist nicht vorbereitet darauf, kennt es auch nicht genau genug (Schwankungsbreiten!), um präzise darauf reagieren zu können usw.; zu diesen praktisch bedeutsamen Ereignissen können auch unerwartete Resultate von an sich mehr oder weniger planmässigen Wissenserwerbsversuchen gehören. Anders gesagt: So wie zusätzliches Wissen-FÜR den bestehenden Reproduktions- und Produktionsprozess zum Fortschritt gehört, so „unerwartetes“ (in diesem Sinn: zusätzliches, als solches plötzlich aufgedecktes) Unwissen-HINSICHTLICH wichtiger Bestandteile dieses Prozesses (etwas, das man hätte wissen und kennen sollen – im guten wie schlimmen – , bevor man sie so anlegte, wie man es getan hat) in gewissem Sinn zum Wissensbestand: (bemerkte) Wissenslücken, Noch-nicht-Bekanntes und -Entschiedenes, Möglichkeiten, Wissenserwerbs-Aufgaben, mit der zusätzlichen Bestimmung, nicht RECHTZEITIG gelöst, oder nicht rechtzeitig als Möglichkeit berücksichtigt worden zu sein (man hätte dran denken können, danach suchen können, es versuchen und probieren können).
Durch das plötzliche Aufbrechen einer Wissenslücke und Wissens-Erwerbs-Aufgabe im nachinein wird zugleich ein Mangel im Verhältnis zum (bestehenden wie noch nicht bestehenden) Wissen sichtbar. Aber das Wichtigste ist: Alles Wissen (genutztes, wie überschüssiges, Dunstkreiswissen), ebenso wie das gewusste, oder plötzlich sich zeigende und dann gewusste Unwissen (Wissenserwerbsaufgabe) ist, im Kontext des Normalplanens, immer nur solches FÜR den bestehenden Prozess (Reproduktion, Produktion). ((Und es ist diese abnehmende Eigenschaft der „vertikalen“ Verknüpftheit MIT dem laufenden Prozess oder die Nutzbarkeit FÜR ihn, Bezogenheit AUF ihn, die (neben mangelhafter Bewältigbarkeit, Beherrschbarkeit usw.) die zunehmende „Dunstigkeit“ und Uninteressantheit (im praktischen Sinn) des nicht unmittelbar (re)produktiv genutzten Wissens begründet.))

146.
In unserer Überlegung sind jetzt also zwei Momente: Ein – unbestimmt wie weit – zu erweiterndes Kernselbst (das seinerseits mehr oder weniger hinlänglich bestimmt sein mag); dies irgendwie erweitert zu reproduzierende und zu schützende Selbst sollte, als „Kategorie“, uns erneut denken lassen an das, woran in Abs. 138 oben erinnert wurde. Als zweites Moment haben wir jetzt eine auf dies Selbst bezogene (als Anlass sich zeigende, oder in der aktuellen produktiven Agenda als nächstes abzuarbeitende) Wissens-Erwerbs-Aufgabe – ein PROBLEM (vgl. zum folgenden nochmals 4/23).
Dies Problem, je nachdem wie weit „draussen“ (im Sinn der Rangfolge abnehmender „Gewusstheit-FÜR“)  die überhaupt denkbaren Problemlösungen angesiedelt sind, mag
a) ein SUCHEN erforderlich machen – dann ist das Problem zusammengesetzt aus einem bekannten (gespürten) Bedürfnis NACH etwas (einer Quelle der Befriedigung des Bedürfnisses – diese mag wieder mehr oder weniger vage, allenfalls ungefähr, bestimmt sein, oder auch sehr konkret) , und einer mehr oder weniger vage GEDACHTEN, daher allenfalls DENKBAREN Problemlösung, bei der wir aber nicht im geringsten wissen, welche Wege wir in unserer konkreten Umgebung zu ihrer Realisierung, und sei es auch nur versuchsweise, einschlagen könnten (das gilt auch für konkrete Befriedigungsquellen, von denen wir zu wenig haben, oder die verschwunden sind, und bei denen wir nicht wissen, wie wir sie erneut erzeugen und reproduzieren könnten); oder
b) wir können, aus bekannten Regularitäten, mögliche VERSUCHE, experimentell erprobbare Verfahren konstruieren, die auf eine Lösung des Problems zuführen (sich mutmasslich über Ketten dazwischengeschalteter Verfahren – bewältigbar unter unsern Randbedingungen, im Rahmen unserer Gesamtreproduktion usw. – verlässlich bis zur Realisierung einer effektiven Quelle der Befriedigung durchführen lassen); dabei werden wir auf sämtliche Formen unseres vorhandenen Wissens-wie zurückgreifen – im Extremfall werden wir dabei Elemente unseres Wissen-dass (wenn wir darüber verfügen, brauchen wir nicht mehr danach suchen) so mit uns möglichen Handlungen kombinieren, dass technisch sinnvolle, auf Befriedigungsquellen zuführende Verfahren entstehen (wenn sie sich bewähren), und somit sich, im Fall der Bestätigung der so gebildeten Hypothese (Hypothesenbilden und Experimentelles-Verfahren= Experiment-Konstruieren ist dasselbe), neues Wissen-wie, oder im noch weitergehenden Fall, dass wir es auch tatsächlich realisieren und in unsere Reproduktion aufnehmen, Können ergibt;
oder aber,
c) die (empirische) Fragestellung lautet, wie eng oder weit wir das Selbst, dem all diese Erkenntnisse und Erwerbe zugutekommen sollen, ausrüsten, und wie weit es über seinen naturgegebenen („naturwüchsigen“) Handlungsspielraum hinaus (einschliesslich dessen, was ihm unmittelbar aus SEINER Umgebung an Mitteln (u.U. wenig modifiziert) zuwächst) erweitern sollen.
Von c) her formulieren wir somit das korrekte Mass der DRINGLICHKEIT (und zwar einer auf Lohnendheit beruhenden), und ermitteln es durch PROBIEREN; von b) her jenen Anteil der Dringlichkeit, der sich mit Problemlösungen zur Abwehr existenzieller Gefahren und Risiken für unser Kernselbst (Verhinderung eines Überschreitens der „Grenze der Reproduktivität“; Abarbeiten der uns bekannten „Risikostruktur“) verbindet – aber dies in den Grenzen, zugleich, dessen, was wir mit den Ausgangsmitteln zuwegebringen: Beachtung von BEWÄLTIGBARKEIT – Problemlösungen in diesem Rahmen aus Erzwingung (durch Gefahrdrohungen) und Möglichkeit bzw. noch nicht erwiesener Unmöglichkeit erarbeiten wir, wie in b) festgestellt, durch VERSUCHEN; schliesslich das SUCHEN gemäss a) führt auf Regularitäten (Effekte) auf unterschiedlichen „Stufen der Kontrollierbarkeit (bzw. (Er)Kennbarkeit))“ (4/3), die, wenn sie auf Zwecke (bekannte Quellen von Befriedigung; auch Angstreduktion) bezogen werden („FÜR“, „VON“), das Material liefern für (im Erfolgsfall) immer weiter bestätigte Versuche, schliesslich bekannte Verfahren, die in unser Können eingehen oder eingehen könnten, münden, oder (im Misserfolgsfall) für spätere Erforschung (im Sinne weiteren Suchens und Versuchens) zurückgestellt, oder endgültig verworfen werden.

147.
Damit wäre nun, ganz beiläufig, ausgesprochen, was ja längst nahelag (vgl. hierzu die Bemerkung Ende 8/113): dass die drei Wissenserwerbsarten sich präzise den drei Erwartungswert-Ebenen zuordnen lassen – und somit zu diesen Ebenen auch je unterschiedliche Sorten von (je unterschiedlich erworbenem) „Wissen“ gehören; mit der nicht ganz unerheblichen zusätzlichen Bestimmung, deren Konsequenzen wir in diesem Abschnitt unserer Überlegungen zu erhellen versuchten, dass sie irgendwie „(vertikal) ineinander fundiert“ sind.
Halten wir zunächst fest, dass nach unseren früheren Behauptungen, noch unabhängig von eventuellen weitergehenden Komplikationen durch „vertikale“ Fundierungsbeziehungen, hier drei Gebiete unterschiedlichen Wissenserwerbs (durch Erfahrung) im Rahmen von Normalplanung optimalhypothetisch, ausgehend von einem gegebnen Stand dieses Erwerbs, also von Erfahrung, „horizontal“ und „bis auf weiteres“ „fortgeschrieben“ werden. Aber schon dann gibt es ja notgedrungen ein materiales „Fundiertsein“ des je nächsthöheren Gebiets im daruntergelegenen: Natürlich ist das Ziel des „Versuchs“ der Reproduktion, nämlich das „Wie“ von „Sicherheit“ (oder gar ein bestimmtes, kalkulierbares Mass davon), nicht zu erreichen ohne entsprechende „Gewissheiten“, und hinlänglich gewusste Regularitäten, die – und sei es auch versuchsweise – als Verfahren, Inhalte eines vielleicht erst noch problematischen Wissens-wie, in den Ablauf der dann ebenfalls erst noch problematischen Reproduktion eingebaut werden können. Und natürlich ist jedes Probieren hinsichtlich der Grösse der „Lohnendheit“ oder möglichen Reichweite von Fortschritts-Unternehmungen in bestimmten Umgebungen auf ein Substrat aus Fortschrittsoptionen angewiesen – die ihrerseits unmittelbar bezogen sein müssen auf Produktivitäts- und Robustheits-Steigerungen einer Ausgangs-Reproduktion, und mithin Verbesserungen von deren Sicherheitswert (indirekt womöglich sogar, durch „Fortschritts-bezogene, produktive“ Wissenserwerbe im Rahmen solcher Fortschrittsprozesse, Verbesserungen der Gewissheitswerte, und Verbreiterungen der Wissensbasis im zugrundeliegenden Reservoir der verschiedenen Wissensformen; Normalplaner möchten gerade diese Abteilung des Fortschritts für maximal „gezielt“ gestalt- und planbar halten.)
Aber bei genauerem Hinsehen stellt es sich doch so dar: Das Probieren erstreckt sich auf ALLE Masse und Marken (sie bilden ein zusammenhängendes System); einen Fortschrittspfad, hervorgehend aus einer Ausgangs-Reproduktion, abzuarbeiten, ist eigentlich nur EIN einziger, zusammenhängender Versuch (der, im Scheitern, SO, wie ursprünglich angelegt, falsifiziert wird); das Suchen aber ersetzen Normalplaner durch passiv erlebte „Anlässe“, und ihre Art „geschickter“ Auswertung vorhandenen Wissens.