„Elementarform“, „Materialismus“, „Idealismus“

Benni Baermann hat bei keimform am 12.03.2018 einen Folge-Artikel zu seinen „42 Thesen“ eingestellt, worin er versucht, seinen Begriff der „Elementarform“ und damit zusammenhängende präziser zu fassen. Darauf geht der nachfolgende Text ein.

16./20.03.2018

@Benni

0. Gut; wir sind einen Schritt weiter, und haben eine fundamentale Unterscheidung vor uns, die nämlich in elementare (interpersonale) Handlungen (ergänze: zu wiederholende solche), die gemacht werden müssen, und die (transpersonale) gesellschaftliche Bedeutungsstruktur, in deren Rahmen diese Handlungen stattfinden – beide Momente sind nötig, aber auch (während einer Epoche; vermeintlich) hinreichend, um dann zusammen die (transpersonale) Kohärenz der betreffenden Gesellschaft zu erhalten.
„Elementarform“, so habe ich es verstanden, bezeichnet das (bislang unbestimmt, wie sich zusammensetzende) Ensemble aus einer regelhaft gestalteten, regulär wiederholten massenhaften interpersonalen Praxis UND der gesellschaftlichen (transpersonalen? transpersonalisierenden?) Bedeutungsstruktur (Vermittlungsform im Sinne Stefans?), die… (bislang keine Bestimmungen, nur: mehr als…, nicht ohne…).

1. Es ist aber noch ein zweiter Begriff neu hinzugekommen: Materialisierung von Transpersonalität. Bei ihm frage ich mich, warum du solche Anstrengungen unternimmst, um ihn ausschliesslich der Warenform zuzuordnen. Ich verstehe in dem Zusammenhang nicht, warum du die klassischen Grundbegriffe der HistoMat-Terminologie meidest, in dem Fall „Arbeitsteilung“. Was ist denn die Materialisierung der Transpersonalität andres?
Anm. Irgendwie scheint da der Gedanke mitzuspielen, alles vormodern-vorkapitalistische, da imperial-hierarchisch, sei nicht so richtig transpersonal gewesen; in einer „hierarchischen“ Beziehung KENNT man doch zumindest die Herrscher, den Imperator.
Nun – man weiss von seiner Existenz, kennt seinen Namen, seine Funktion, hört Nachrichten über ihn. So wie es auch sonst bei  Gruppen oder Einzelnen der Fall ist, zu denen einzelne (untereinander interpersonal verbundene) Personen in „transpersonalen“ Beziehungen stehen. Die hier entscheidende Frage ist: Welche Eigenschaften einer interpersonalen Beziehung gehen auf der transpersonalen Ebene verloren oder werden auf allenfalls prekäre Weise durch das Element der „Bedeutungsstruktur“ der Elementarform simuliert, emuliert… was immer.
Anm. Wenn „Materialisierung von Transpersonalität“ mit „Arbeitsteilung“ gleichgesetzt würde (ich neige, wie gesagt, dazu): Wie steht das dann im Verhältnis zu den klassischen Kategorien: Produktivkräftestand-Produktionsverhältnis-Produktionsweise (letztere als vorübergehend stabile Zusammensetzung aus beidem)? Ich würde die Arbeitsteilung spontan der Produktionsweise zuordnen: Bei einem gegebnen Stand der Produktivkräfte ist das Produktionsverhältnis erzwungen (notwendig, nicht beliebig; selektiert), nämlich als (Elementar?)Form der Arbeitsteilung auf dem erreichten Stand der Produktivkräfte.

2. Du hast mittlerweile innerhalb der elementaren Handlung(bestimmungs-Gründ)e(n), die Welt- (speziell Weltwissens-)bezogenen von den Vergesellschaftungs- (Koordinierungs-, Verständigungs-) bezogenen unterschieden.
Es gibt da sogar eine Dreiteilung: stofflich, direkt und indirekt abgeleitet,
„Quer“ dazu, aber wiederum nicht dreigeteilt, läuft eine weitere Unterteilung, der man den Arbeitstitel „subjektiv“ vs „objektiv“ geben könnte. Tatsächlich bezieht sich diese zweite Unterteilung auf dieselben „Ebenen“:
– Das „objektiv“ Stoffliche muss ja irgendwie auch „subjektiv“ bewusst, gekannt, verarbeitet sein, um darauf bezogenes „elementares“ Handeln zu begründen – es sei denn, es bricht irgendwie Materiell-Stoffliches über eine darauf nicht vorbereitete Gesellschaft herein: dann gibts aber auch noch keine „elementaren Handlungs“-Antwort darauf – die kann ja nur als (bewusste, vorab so festgelegte) Befolgung einer Regel stattfinden.
– diese Regeln müssen aber geteilt (gemeinsam; arbeitsteilig-aufgeteilt) befolgt und ausgeführt werden: sog. indirekter Bezug. Auch hier wird „elementar“ gehandelt – aus dem „objektiv möglichen“ Umgang vieler Leute mit dem Stofflichen werden bestimmte „elementare“ Regelbefolgungen selektiert, nur sie werden ausgeführt; und das muss dann „objektiv“ sowohl stofflich als auch im Zusammenspiel gelingen: es sind im grossen ganzen ein und dieselben „elementaren“ Handlungsmuster, die diesen BEIDEN Anforderungen durchgehend genügen müssen. (stofflich=Produktivkraftebene; indirekt=Produktionsverhältnis-Ebene; beiden Anforderungen genügend: Produktionsweise – Prod.verhältnis passt zum Stand der Prod.kräfte).
– Was sich auf der indirekten Ebene abspielt, scheint ganz und gar subjektiv; was die Fetisch-Gläubigen sich da an Ideologien einbilden, trifft auf materialistische Kritik. Die aber kann nicht lauten: Vergesst diese Ebene. Denn zur Basis („legt die Basis frei!“) gehören auch Regeln des Umgangs mit Unbekanntem, Unkontrolliertem, und des Sich-dazu-(nicht) Verhaltens (des bewusst sich darum NICHT Kümmerns) – weitere Selektionsregeln, enge und weite, für das, was auf den beiden Ebenen darunter geschieht. (Auch Materialisten werden rationale Hypothesen (bis zu deren Wiederlegung) ihrer aller Zusammenarbeit zugrundelegen: Solche, die das Stoffliche betreffen; und solche, die sich auf „die je Andern“ und Bedingungen der Koordination ihrer Einzelhandlungen beziehen.) – Die (rationelle) Wahl der sinnvollerweise als erstes zu prüfenden Hypothesen war und ist „subjektiv“; was davon widerlegt (falsifiziert) ist, ist der „objektive“ Anteil auch noch der Handlungs-selektierenden Regeln auf dieser Ebene.
Anm. Das langfristig vor allem auf der „indirekten“ Ebene angesiedelte Spannungsverhältnis von „Normalem, Normalbetrieb“ (faktisch eingerichtetem, Bestehendem, massenhaft Befolgtem) und „Kritisch-Normativem“ (Einsicht, warum das Faktisch schlecht ist und nicht gelingen kann) hast du angesprochen. Es bleibt die Frage, ob sich der hypothetische oder Glaubens-Überschuss über das Bestehende hinaus (der zugleich fest etabliert sein kann als bestehender Glaube) nur auf die Vergesellschaftung (direkt abgeleitete Ebene), oder auch aufs Materiell-Stoffliche beziehen kann. Gibt es eine vormodern-religiöse Art modern zu sein? Ich sage: Ja, die gibt es.
Anm. Was du versucht hast, mit „Fetisch“ zu fassen, ist ein Typ Hypothese, der aufgrund begrifflicher Fehl- oder Mangelkonstruktion keine Falsifikation zulässt; es sind typisch idealistische-ideologische, Glaubens- oder religiöse Ideal-Vorstellungen. Es würde im Moment zu weit führen zu erklären, worin der Mangel besteht. Aber für die interne Klärung der „materialistischen“ Position scheint mir solch eine Erklärung dringend an der Zeit.

3. Ein entscheidender Mangel in der Anlage deiner Kategorien-Bestimmungen ist aus meiner Sicht im vorstehenden Text angeklungen: Nämlich, dass es in deiner Kategorien-Explikation keine Begriffe für die konkrete Beschreibung gibt der konkreten Art, in der Regel- und/oder Begründung-Ebenen miteinander in Beziehung stehen. In der Beschreibung von elementaren Praktiken kommen die diversen Ebenen aber vor – und zwar durch Benutzung von Konjunktionen wie: Y (höhere Ebene) tun, INDEM, DADURCH DASS man X (tiefere Ebene) macht; oder X machen, UM ZU, WEIL man Y bewirken/auszuführen (will) usw
Das Koordinierte (Y) UND ZUGLEICH stofflich (weltbezogen-)zweckmässige sind Eigenschaften EIN UND DERSELBEN Handlung(sweis)en X – aber sie sind hierarchisch in der angegebenen Weise angeordnet:
Weltbezogen zweckmässiges Kollektivziel Y wird befördert (in der Erwartung, dass es gelingt und andre ihren Beitrag leisten), DADURCH DASS Einzelperson/gruppe P/G stofflich Handlung(sweise) X ausführt.
Um deine einschlägigen Reflexionen zu wiederholen:
Man sieht in diesem Moment nur X stattfinden; man muss wissen, dass X „Sinn macht“ (andere Ausdrucksweise für „in einer Bedeutungsstruktur stattfindet“) im Rahmen von Y; schaut man länger hin, sieht man, dass Y regelmässig vom Kollektiv ausgeführt wird, dem P/G angehören, und ebenso regelmässig (zu bestimmten Zeitpunkten, an Orten, unter Bedingungen) X.
Anm. Sie machen X so, wie sie es tun (und unterlassen ebenfalls stofflich mögliche X‘, X“..), weil sie arbeitsteilig (Vergesellschaftungs)Regelsystem Y (anstelle anderer möglicher Y‘, Y“ usw) befolgen, und das unter der (geteilten; zumindest nicht offen bestrittenen und angefeindeten) Leit-Hypothese Z (auch ein Regelsystem, das unter der Reihe der Y-Regeln Y, Y‘, Y“ nur Y zu wählen gestattet).
„Fetischistisch“ („idealistisch“, mein Ausdruck) ist also eine Art, gesellschaftlich-arbeitsteilige Organisation der materiell-stofflichen Reproduktion (unter denen, die erfahrungsgemäss überhaupt gelingen können) zu wählen (und das zu begründen, legitimieren usw) unter denen, von denen (spätestens angesichts historischer Erfahrungen mit „Scheitern“ bestimmter Formen) anzunehmen (Hypothese!) ist, dass sie „funktionieren“.
„Elementarform“ ist dann ein gültiges (nicht be- und umstrittenes), darum von hinreichend vielen befolgtes Regelsystem mit samt der Art, wie es begründet (legitimiert usw) wird, dessen Befolgung objektiv die Chance hat (die von den Regelbefolgern subjektiv korrekt so eingeschätzt wird, eventuell auch „zu optimistisch“), in Fristen die arbeitsteilig organisierte stoffliche Reproduktion der Regelbefolgenden in Gestalt von regelmässig wiederholten, dies Regelsystem befolgenden „elementaren Handlungen“ zu gewährleisten.

4. Nach diesen ersten Vorüberlegungen möchte ich auf die Frage der möglichen DIVERSITÄT oder umgekehrt UNI- oder KONFORMITÄT des Elementaren kommen.
Auf den ersten Blick ist ja im Bereich des „Stofflichen“ gerade NICHTS gleich bei verschiedenen beteiligten Akteuren, bei entwickelter Arbeitsteilung machen zumindest im Berufsleben (oder der Vorbereitung darauf) alle etwas andres als die andern (wenn auch wiederum ähnlich wie manche). Wenn sie sich bei Bedarf im Bereich öffentlicher Infrastruktur und Dienstleitungen bewegen, nähern sich die Praktiken der höchst unterschiedlich Berufstätigen dann wieder an, und werden in etlichen Hinsichten „normalerweise“, massenhaft, „gewohnheitsmässig“, sehr gleichförmig, Verkehrsregeln werden beachtet, Anweisungen und Ratschläge von Zuständigen, Experten, werden mehr oder weniger befolgt (Nichtbefolgung ist unterschiedlich sanktioniert), Eigentum wird nicht unerlaubt betreten, schon garnicht gewaltsam, alles mögliche wird gekauft und mit Geld bar oder unbar bezahlt, durchgehend „benimmt“ man sich in der Öffentlichkeit (auch im Berufsleben, im grossen ganzen), Ausrasten und Gewalttätigkeit sind verpönt, in Familien, Beziehungen, zwischen Freunden, (Internet)Bekannten, Arbeitskollegen (also „interpersonal“) ist der Umgangston entspannter, eben „vertrauter“, darum nicht immer offener oder unaggressiv, oft sogar im Gegenteil. Das Privatleben hat grossenteils Passagen, die bei den meisten – zumindest was die involvierten „Kategorien“ angeht – ähnlich verlaufen, individuell sind kleine Abweichungen, ansonsten ähneln sich die Alltage moderner Menschen in Industriegesellschaften, wesentliche Unterschiede der Lebensführung und Lebensentwürfe entfalten sich entlang von Klassen und Schichten, Befugnissen und Rechten (angefangen bei Eigentum, Ausmass der Verfügung über Geld), solcher klassischer Positonen wie Metropole und Provinz/Peripherie, Bildungs- oder Informationsgraden und wofür Leute (nicht zuletzt aufgrund dieser Vorbildung) Interesse aufbringen, männlich/weiblich, dem Lebensalter und der Generation, Geschmack, Meinungen und Überzeugungen, der Region, aus der man kommt bzw wo man aktuell wohnt.
Obschon eine ganze Menge Konformität im Handeln (und seinen Gründen) der überwiegenden Mehrheit anzutreffen ist, scheint die (va arbeitsteilige, oder Pluralismus- und „Individuierungs“-begründete) Diversität nicht minder unentbehrlich für die Funktionalität des Ganzen – den Erhalt, die Reproduktion aller, in den gegebnen (wenn auch beständig sich in Details wandelnden) Lebensformen, und der Art, wie die Einzelnen ihre Einschätzungen, Erwartungen, Begriffe, Regeln, Hypothesen usw in ihnen begründen und angesichts gemachter Erfahrungen bzw neu hinzukommender Information abändern.
Aber diese monströse Diversität ist in funktionierenden Industriegesellschaften dann auch wieder sehr geordnet, man kann drei solche Ordnungs-Dimensionen unterscheiden:
1. die „diachron“ fortschreitende Ordnung der NACHEINANDER in einem Alltag (all den nebeneinander verlaufenden Alltagen) zu seiner (ihrer) Bewältigung nötigen Einzeltätigkeiten;
2. die „synchrone“ Koordination der sinnvollen Aufteilung des NEBENEINANDERs und Ineinandergreifens all dieser Alltage: Synchronisation und räumliche Koordination (jeder tut zur rechten Zeit am rechten Ort das Seine) der Einzeltätigkeiten; mit 1. zusammen wälzt sich dieses koordiniert-synchronisierte Riesen-Bündel an Einzeltätigkeiten durch die gemeinsam von allen Gesellschaftsmitgleidern durchlebte Zeit; hoffentlich ohne zu entgleisen oder seinen Zusammenhalt zu verlieren;
3. aber selbst wenn solch ein Verlust des Zusammenhalts nicht stattfindet, so muss doch die ganze Riesenbewegung UND jedes einzeln darin sich weiter-bewegende Leben, über den blossen Leistungsfähigkeits-, Gesund-Erhalt (und, auf mittlere Sicht, auch Erhalt der Fortsetzbarkeit des Ganzen i ngestalt von Nachkommen, deren Hineinwachsne in die Gesellschaft), SINN machen; die blosse Erhaltung allein ist kein solcher. Und dieser Sinn ist kein weit über den Einzelleben sich ausbreitender; aus ihrem Mitwirken am grossen Ganzen müssen die Einzelnen auch eine Anschauung dessen gewinnen, an welchem projekt sie da beteiligt sind: Der Sinn ihrer aller koordinierten und kooperativen Gesamttätigkeit muss – auf welche Weise immer – für die Einzelnen nachweisbar in ihr Leben hineinreichen.
So sind also die Einzelnen nicht nur, wenn es gut geht, immer weiter im Fortschreiten ihrer Alltage zweckmässig verbunden – sie müssen dabei auch begreifen können, dass und wie dieser ihr Verbund auf alle entscheidenden Fristen ihrer Existenz für sie Sinn macht.
Ganz kurzfristig in der Lebensführung und -einrichtung von Tag zu Tag (auf die sich die meisten von langer Hand und dauerhaft einstellen mussten und eingestellt haben; da es hier meist darum geht, „konfliktfrei“ sich für eine Seite in widersprechenden Anforderungen und Belastungen zu entscheiden, nenne ich das – hoffentlich konfliktfreie – Resultat solcher langfristigen Lebenseinrichtung: die IDENTITÄT des Betreffenden).
Längerfristig in den Projekten, die sie sich im Rahmen ihres Lebensentwurfs vornehmen, als Beitrag zu dem, und Teil dessen, was den Zeitgenossen in dieser ihrer Lebensfrist, ihrer „Generation“, überhaupt zu leisten möglich scheint. (Der LEBENSENTWURF wird geplant im Rahmen einer vorgestellten LEBENSFORM und deren erwartbarer Gestaltuing im Verlauf der kombinierten Lebensläufe der eigenen „Generation“).
Langfristig aber sollte sich dies einordnen lassen in das biographien-übergreifende Projekt oder „Programm“ (uU identisch mit der Gruppe, die es ausführt), dem sie sich verpflichtet (und der sie sich zugehörig) fühlen, das vor ihnen gestartet wurde und über sie hinaus, mit dem dann erreichten Stand, an nachkommene Ausführende dieses Programms bzw der Gruppe übergeben wird. (Ich nenne ein solches biographien-überschreitendes Programm die INDIVIDUALITÄT des betreffenden.)
Und dies Projekt sollte sich, ohne der Gesamterfahrung (einschliesslich der in Bildungsgängen ihnen überlieferten) der Betreffenden zu widersprechen, vielmehr sich aus ihr als Resultat immer wieder ergebend), aus IHREN Vorstellungen, wie Projekte (Ziele; und zumindest Versuche, sie zu erreichen) bei gegebnem Stand der Erfahrung aus deiser Erfahrung abzuleiten und mit ihr zu begründen sind. (Die je eigenen Vorstellungen einer Person von rationalem Ableiten von kollektiven (zumindest Versuchs-)Zielen (Absichten, Handlungen) aus gegebnem Erfahrungswissen bzw vom rationalen Begründen solcher Ziele MIT solcher Erfahrung nenne ich ihre Begründungsweise oder MENTALITÄT.
Jenseits davon haben all diese Personen mehr oder weniger ausgeprägte Begriffe davon, was sie unter welchen Umständen von Andern zu erwarten haben, die andere Mentalitäten aufweisen als sie, speziell, was diesen Andern vermittelt werden müsste, damit sie ebenso begründen wie die Person selbst. Dazu muss die Person, als Trägerin einer Mentalität, Vorstellungen (sogenannte Verständnisse) davon entwickeln, unter welchen Bedingungen man ihre Mentalität (noch) nicht teil, und was es ist, das denen fehlt, die anders begründen bzw ableiten (und dann auch anders verstehen, kritisieren usw) als sie. Was man im Rahmen solcher Verständnisse des Tuns und Lassens, des Redens, Begründens usw Anderer von ihnen erwarten kann (spätestens wnen man SELBST oder Gleichgesinnte Bestimmtes tun und lassen, sagen, begründte haben usw) – das spielt sich ab im Rahmen der Vorstellungen der Betreffenden davon, was von rationalen Wesen, Personen, Zurechnungsfähigen, Erwachsenen, Nicht-Verrückten, rational Operierenden usw ÜBERHAUPT zu erwarten ist – wenn und weil sie verstehbar sind, „auf ihren Grundlagen“. Die Grenzen der Verstehbarkeit (soweit jemand sie abgeschritten und für sich ausgemessen hat) definieren dann, was für einen Begriff der Betreffende von rationalem, also verstehbarem, nicht verrücktem, „gestörtem“ Verhalten (Mentalitäten unter allen überhaupt möglichen Voraussetzungen, auch anderen/zurückgebliebenen, verglichen mit seinen: Es ist in gewissem Umfang verständlich, wenn und weil sie unkorrigiert anders begründen als man selbst) hat: Es ist ein Begriff von PERSONALITÄT, verstehbaren und korrekturbedürftigen Abweichungen; die Korrekturen, die die andern – sofern nicht verrückt usw, also als Personen – benötigen, um auf seinen Standpunkt zu gelangen, machen insgesamt seine Vorstellung von VERMITTLUNG (Andern verständlicherweise zu Vermittelndem, damit erwartet werden kann und darf, dass sie zur eignen Mentalität übergehen; sofern sie für einen verstehbar bleiben sollen, und nicht verrückt, gestört, nichtmehr ernstzunehmen usw erscheinen sollen.)

5. Diese Ausdifferenzierung dessen, was massgeblich begründet, was die Einzelnen für sich bzw von sich und andern wollen, befürworten, fordern und erwarten, ist ein hierarchisch gestuftes Regelsystem, dessen Stufen durch WEIL- bzw -UMZU-Relationen (umgekehrt: DADURCH-DASS-) verknüpft sind. Die Einzelnen nehmen dabei auch Stellung zu ihrer koordiniert-kooperativen Stellung zu Andern um sie herum (ihre Befürwortungen handeln davon: was sie vorschlagen, fordern und erwarten von Andern, und was an solchen Vorschlägen, Forderungen und Erwartungen Anderer an sie sie „legitim“, berechtigt, verständlich und zu übernehmen (anzuerkennen, bejahen usw) finden) – soweit sie sie (wenigstens im Prinzip) kennen; und sie beurteilen aus ihrer Warte die übergreifenden Zwecke, die mit Blick auf die verschiedenen für sie jeweils entscheidenden Fristen – jenen, die sich mit Lebenseinrichtung, Lebensentwurf, Individualität, Mentalität, Rationalitäts-Vorstellung verbinden – faktisch GELTEN, und dazu passen, oder auch nicht: ihr faktisch umgesetzte Lebenseinrichtung, Lebensentwurf usw mag von dem erwünschten (befürworteten, dem ws sie eigentlich tun wollen und für richtig halten) mehr oder weniger abweichen, sodass sie sich zu etwas GEZWUNGEN fühlen, weil Widerstand zu aufwendig oder gleich ganz unmöglich ist.
Aber das ist nicht die einzige Stellung, die Leute mit Bezug auf Lebenseinrichtung usw haben können (im Extrem könnten sie ihr Leben, Lebenseinrichtung, -entwurf, Individualität dem Kampf gegen den Zwang und der Durchsetzung, Vermittlung usw des für richtig Gehaltenen widmen).
Sie können das Gültige (mit einer gewissen Variationsbreite denkbarer Abweichungen, die aber keinen entscheidenden Unterschied machen) unabhängig von seiner Geltung für komplett richtig begründet, zu befürworten, zu fordern und auf Dauer allen Vernünftigen einleuchtend halten, und dies mit dem gegebnen Stand des erfahrungswissens und ihrer Begründungsweise aus ihrer Sicht rational und vollständig ableiten (damit begründen).
Andere können sich diese Bewertung zueigen machen, und sie mit vertreten; sie können es tun, ohne die Begründung komplett zu kennen, oder nachvollzogen und aus eigener Sicht überprüft zu haben. Sie verlassen sich auf die Korrektheit der begründung der eigentlichen Befürworter – sie vertrauen AUTORITÄR. Und das eben im Mass, wie sie unvollständig prüfen, unvollständig Verantwortung für die Richtigkeit der Begründung übernehmen und stattdessen das Fehlende (ohne es recht beurteilen zu können) an die Meinungsführer delegieren.
Sie können freilich immer noch „Filter“ der Plausibilität nutzen, durch die passen muss, was für sie akzeptabel ist an Positionen und Legitimationen.
Wenn diese Filter immer weiter werden, und der Nachvollzug oder die Prüfung der Begründungen immer oberflächlicher, nimmt die Befürwortung und das blosse Nachreden der „offiziellen“, von den beidne genannten Gruppen vertretenen Begründungen immer stärker einen „konformistischen“ Charakter an – man akzeptiert in dieser Konformisten-Gruppe das von den beiden genannten Gruppen benannte und installierte „Gültige“ als solches, und ist damit zufrieden, es nur überhaupt als eigne „Meinung“ mit-besprechen zu können.
Diese drei Gruppen, wenn sie gross genug sind, haben einige Durchsetzungsfähigkeit; zu dem Resultat, dem mit dieser Fähigkeit Geltung verliehen wird über die drei bisher genannten Befürwortergruppen hinaus, stellt sich eine weitere Gruppe, nämlich berechnend: Sie befürwortet das, was gilt, aber aus anderen Gründen als denen der eigentlichen Befürworter – „berechnenden“ Gründen nämlich.
Ob Zustimmung zum Gültigen dabei nur auf unmittelbar eigne Vorteile darin zielt, oder sich taktischen Überlegungen verdankt, wir durch Gewährenlassen des bestehenden Zustands eigene, momentan aber nicht durchsetzbare Ziele befördert werden – das ist gleichgültig.
Je mehr von „berechnend“ Zustimmenden „eigentlich“ andere Ziele, als die geltenden, verfolgt werden, je mehr auf das Gewährenlassen und unterlassene Gegenwehr die Überlegung einfleisst, dass Widerstand sich derzeit nicht lohnt oder keine Erfolgschance hat, desto mehr geht dre berechnende Standpunkt des Förderns versteckter eigene Ziele über in den des erzwungenen Sich-Abfindens; jenseits davon beginnt dann schon die militante Opposition, mit mehr oder weniger Durchsetzungskraft.
Ein und dasselbe „gültige“ Regelsystem in einem Teilbereich der Gesellschaft findet „Akzeptanz“ durch das Nebeneinander- und Zusammenwirken der genannten 5 Gruppen.


 




20.04.2018.2 (der heute im ersten Beitrag bei keimform verlinkte Text schliesst sich unten an)

A.
1.Transpersonal
2.Kohärenz
3.Bedeutungsstruktur (elementare Handlungen im Rahmen einer ges. B.)
4.die „Ebenen“ (das, was durch die El.form Kohärenz bekommt)
Mit diesen 4 Kategorien, Benni, ist dein Elementarform-Konzept wesentlich eingeführt; sie sind erklärungsbedürftig.
Die bisherigen Erklärungen dieser Kategorien helfen mir nicht weiter, weil:
‚transpersonal‘ ist nur eingeführt als „das Gegenteil von“ ‚interpersonal‘;
‚Kohärenz‘ und ‚Bedeutungsstruktur‘ (eigentlich auch das ‚gesellschaftlich‘) sind garnicht erklärt;
die drei „Ebenen“ im 2.Text Abs 2-4 sollen irgendwie erschöpfend sein; aber sind sie es, und was IST es eigentlich, das da in Ebenen zerlegt wird?

B.
Zu deiner Erwiderung, dass die zugestandene Vielfalt der Lebensweisen sich nicht auf die Elementarform überträgt (ein und dieselbe El.form für viele Lebensweisen; dazu kommen noch die Mischformen (was sorgt dort eigentlich für „Kohärenz“?), möchte ich dich erinnern, dass in der bislang nur präzisierten These 15 (1.Text) die Lebensweise eine prominente (begriffliche) Stelle einnimmt:
„Elementarformen zeichnen sich dadurch aus, dass sie Handlungen zwischen Individuen in einem gesellschaftlichen Rahmen sind, die wiederholt von vielen bis allen Mitgliedern einer Gesellschaft vollführt werden müssen, damit die Gesellschaft als Ganzes ihre Lebensweise erhalten kann.“
Mit Abs 11 inText 2 ist in diese Aussage präzisierend die Kategorie „elementare Handlungen“ eingefügt:
„…Diejenigen interpersonalen Handlungen, die also auf materieller Ebene dazu beitragen, die transpersonale Kohärenz der Gesellschaft zu erhalten, nenne ich elementare Handlungen.“
Wird das mit der „Lebensweise“ damit einkassiert? (Immerhin hatte ich versuchsweise diese Bezeichnung mit dem traditionelln „Produktionsweise“ gleichgesetzt…)
Die neue Definition lautet: El.form= Summe der elementaren Handlungen (die aber noch immer auch in der Summe nicht genügen, um „wirkliche“ Kohärenz herzustellen, wenn sie nicht so stattfinden, nämlich:) im Rahmen einer gesellschaftlichen Bedeutungsstruktur.
Wie stehen „Kohärenz“ und „Lebensweise“ zueinander?
Und… zu welcher der drei Ebenen gehört jetzt eigentlich „Kohärenz“ oder gar „gesellschaftliche Bedeutungsstruktur“?
Und wie kann ausgerechnet etwas derart kulturelles und „ideelles“ wie „Bedeutung(sstruktur)“ NICHT in den Sog der Vielfalt geraten, dem die „Lebensweisen“ ausgesetzt sind?
Und was macht eine Bedeutungsstruktur „gesellschaftlich“? Ist das nicht iwo der Begriff, der mit dem ganzen Kategorien-Apparat erklärt werden sollte?

C.
Auf welcher Ebene steht eigentlich PRODUKTION?
Deine Aufzählung in Text II, §2 ist: „unser Lebensraum Erde und sein Klima, stoffliche Eigenschaften der Dinge und des Menschen, die Naturgesetze oder die Position von Körpern im Raum.“
Arbeit (die ja „immer schon“ gesellschaftlich, arbeitsteilig ist)  gehört da offensichtlich nicht dazu, sondern nur ihre Natur-Voraussetzungen.
Ok.
Aber in II,3 kommt die Arbeit auch nicht vor, da ist dann nur noch von „Eigentum“ die Rede. Das Jagen, Sammeln, Acker/Städte/Instrumente bauen, Natur erforschen, Techniken entwickeln… kommt irgendwie immer nur als untergeordnetes Element vor, das sich von selbst versteht; es taucht nie auf als Quelle von stark restringierenden Anforderungen an die Kohärenz-stiftenden Elementarformen. Tausch und Industrie, Ackerbau und Imperium sind iwie verschmolzen und werden nur gemeinsam abgelöst.
Also die ganze Histomat-Dialektik-Formel von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen und möglichen Miss- und Basis/Überbau-Verhältnissen zwischen ihnen… überflüssig?

D.
Der ImperienEpoche kann die interpersonale Kooperation eigentlich nur zugeordnet werden, wo sie relativ einfach ist. Steuereintreiben im alten Rom, im Namen des fernen Kaisers. im Rahmen seiner Edikte, die übertreten werden können, und dann klagt man etwa als römischer Bürger beim Aedil und kriegt eventuell was zurück: was ist DAS denn?
Soviel da auch Bestechung und Vitamin B im Spiel sein mag – die Macht der Beteiligten ist FUNKTIONSMACHT; keine „persönliche“.
Ebenso eigenartig finde ich es, wenn auf diesem Hintergrund die Aneignungsform „privat“ genannt wird. Ich erinnere mich, dass Historiker das Gebaren der kleinasiatischen „orientalischen Monarchie“ (Perser bis hin zu den Diadochen) so beschrieben: der Staat ist dort der Privathaushalt des Königs.
Nun – in Rom war das gewiss nicht mehr so. (Ebensowenig im kaiserlichen China.)
Die Einbrüche zwischendurch, wo Staatlichkeit nicht die Hauptdimension der Entwicklung war, mal weggelassen, kann man fortfahren: Im frühneuzeitlichen Staat („Imperium“)  war es erst recht nicht so.
Privatschatulle/Apanage und Staatshaushalt strikt getrennt. Was heisst da noch: privat?
Das sieht ein bisschen nach „Systemzwang“ (oder Pressen ins Schema) aus.

E.
Die entscheidende Frage, die sich mir mehr und mehr stellt, im Mass wie du den begrifflichen Bezug zur „Lebensweise“ zu suspendieren scheinst, ist: Wo ist jetzt eigentlich noch das Materialistische? Also, etwa: Das Rekonstruieren der Vergesellschaftungs-Realität von der harten Anforderung her, dass materielle arbeitsteilige Reproduktion auf gegebnem (hohen) Niveau gelingen muss?
Ich sehe diese Härte auch gegeben im Zusammenhang mit den nur scheinbar „weichen“ Faktoren: wenn eine antike Staatsverfassung im Rahmen eines Grossreichs den Untertanen keine ordentliche (berechenbare, nicht über die Massen korrupte sondern funktionale) Verwaltung incl. Durchsetzung von rationalen Regeln bot, brach die „öffentliche Ordnung“ (Kohärenz?) zusammen. Verwaltung war ein massiver Abzug vom Gesamtreichtum, und sie musste als Herausforderung technisch, materiell, in Form von gut durchdachten Praktiken, gemeistert sein. Deren Entwicklung brauchte Zeit, und die Fehlschläge (schlechte “ governance“) zeigten sich in zeitweisen Zusammenbrüchen von Reichen und Gemeinwesen (in China: das Mandat des Himmels wird entzogen und einer andern Dynastie verliehen).
Ich sage: Nein, das ist keine andre Skala, und dass man viel aufwendete um Priester durchzufüttern, war nicht einem Personal-Wechsel in der ausbeuterischen Extraktoren-Räuberklasse geschuldet.
Es war zu dem Zeitpunkt überlebens- UND Kohärenz-wichtig auf dem (überregional) erreichten Produktions-Niveau.
(Die „horizontale“ Abgrenzung von Gesellschaften wäre ein eigenes Thema: „Stand“ kann auch sein, dass evidentermassen Getreidelieferungen aus afrikanischen Kornkammern an Zivilisationsstützpunkte in Mittel/Westeuropa nicht langfristig-stabil aufrechtzuerhalten sind.)

F.
Wenn der „Ebenen“-Begriff (und überhaupt Begriff dessen, was da in Ebenen sich untergliedert: kollektiv-arbeitsteilige Reproduktionspraxis auf gegebnem Stand der Produktivkräfte. diese Kategorie angemessen allgemein aufgefasst) mehr geklärt wäre, könnte man folgender Möglichkeit nähertreten, die du, Benni, derzeit kaum in Betracht ziehst:
Dass nämlich objektiv gelingende „Kohärenz“ und massenhaft subjektiv geteilte „Bedeutung“ (subjektive Erwartungen, was an (arbeits- usw-geteilten) elementaren Handlungen für die objektive Kohärenz warum hinreichend sein könnte) auf verschiedenen Ebenen, in einer gegebnen Epoche, unterschiedliches bedeutet.
Und die Elementarform sich entlang diesen Ebenen-Kohärenzen eben „ausdifferenziert“ und die Vielfalt zumindest eines epochalen TYPS Lebens- (oder Produktions)weise darum an sie gelangt.


20.04.2018.1

Benni, in seiner jetzigen Form wirft das Konzept der „Elementarform“ aus meiner Warte weiter Fragen auf.
1. Wovon ist die El.form die Form? – Man würde sagen: kollektive Reproduktion und ihr Fortschritt; der ältere Ausdruck wäre: die Produktionsweise.
Dein Tableau, Benni, zeigt zwei Dimensionen (mit je 2 Ausprägungen), die der Aneignungsform und die der Kooperatoin. Dies verstehe ich als Vorschlag, diese zwei (sehr einfachen) Entwicklungsdimensionen an der traditionellen Kategorie Produktionsverhältnis zu unterscheiden. Unter den vier Epochen-Bezeichnungen, die sich so ergeben, mit läuft das, was traditionell „Stand der Produktivkäfte“ heisst. Über die (traditionell „dialektisch“ erklärte) Verbindung/Interaktion beider denkst du mE zu wenig nach.
2. Durch dein gegenüber der Tradition zwar dezent differenzierteres (2-Dimensionalität von Prod.verhältnissen), insgesamt aber ähnlich einfaches, wie ich glaube: ZU einfaches Ansetzen handelst du dir genau die fundamentale Schwierigkeit, geradezu eine Paradoxie, ein, mit der du im weiteren Text kämpfst: Wie ist denn ein „Übergang“ zu denken, wenn dabei derart fundamentale Parameter ausgewechselt werden? Es ist, als würde dem Gesellschaftskörper ein neues Gehirn transplantiert; wie haben Gesellschaften derartiges auch nur ein einziges Mal überleben können?
Das lässt sich folgendermassen an deinem Text weiterführen:
3. Indem du deine Definition so präzisierst „..die bestimmende Eigenschaft von Elementarformen ist, die Kohärenz einer Gesellschaft herzustellen“, lädst du der El.form-Kategorie einen  zu hohen Anspruch auf, du machst aus „Kohärenz herstellend“ ein sog. achievement predicate: „Achievement predicates are like accomplishments lacking a process part. They denote punctual change. Examples of achievement predicates are „reach the top“, „win the race“, „find his glasses“.“ – Wenn der El.form das Herstellen der Kohärenz nicht mehr gelingt, ist natürlich Krise; aber bei dir, Benni, ist dann wirklich alles kaputt, nichts geht mehr: Kohärenz misslungen, Gesellschaft tot. Umgekehrt:
4. In der Formel „Kohärenz herstellend“ ist ja irgendwie die Essenz der Tatsache ausgesprochen, dass es eine (EINE!) Gesellschaft, also einen funktionierenden arbeitsteiligen Zusammenhang, überhaupt gibt.
Aber ähnlich, wie die ME Theorie diese maximal elementare Kategorie in jeder materialistischen Erklärung von Gesellschaft und Geschichte hingetrimmt hat auf eine Geschichte von Verhältnissen von Klassen und deren Kämpfen („die geschichte ist eine Geschichte von Klassenkämpfen“), so interessiert dich an dem ganzen riesigen Entwicklungsprozess eben genau das, was du ja auch begrifflich fasst, diese beiden Dimensionen des Prod.verhältnisses bzw der (bisherigen (Elementar)Formen von „gesellschaftlicher“ Arbeitsteilung): Form der Aneignung, Form der Kooperation. Diese bedien Dimensionen und wohl auch ihre je 2 Ausprägungen sollen offenbar die Möglichkeiten erschöpfend („exhaustiv“) sein.
5. Das hiesse, dass eine El.form, die „transpersonal“ ist, nicht „interpersonal“ sein kann. Dagegen wurde eingewandt (und das ist nicht erledigt):
a. „Transpersonalität“ ist womöglich eine Eigenschaft bereits von Stammesgesellschaften; sie kann beinah gleichgesetzt werden mit dem Begriff GESELLSCHAFTLICHE Arbeitsteilung.
b. Die El.form von „Imperien“, übrigens speziell auch einer vermeintlichen kulturellen Regressionsform wie „Feudalismus“, als „interpersonal“ einzuordnen, bloss weil man zB das Gesicht des Herrschers, stilisiert, auf einer Münze sieht – das ist etwas… hm… eigenwillig? Und es wird auch nicht so viel besser, wenn man versuchsweise für vor-kapitalistische Verhältnisse (aber das ist ein Versuch, den etwa Marx durchaus unternommen hat!) unterstellt, die Leute hätten nicht die beteiligten Personen, aber die Struktur ihrer Verhältnisse quasi anschaulich vor Augen gehabt und jedenfalls einen Begriff davon gehabt, wer da für welche Zwecke ihre Überschüsse „extrahiert“. Damals soll alles (die Ausbeutung) so einfach gewesen sein.
c. Du erwägst nicht die Möglichkeit, dass, ums mal an deinen Kategorien auszudrücken, die (spätere Form der) Transpersonalität zur (bereits existierenden, von dir) interpersonal (genannt)en (Form der Transpersonalität) hinzutritt, und sie ERGÄNZT, wobei in dieser Verbindung die ursprüngliche sog Interpesronalität nicht verschwindet, sondern ihren Charakter, womöglich fundamental ändert. Die Vorstellung, dass etwas „hinzutritt“, unterstellt allerdings (was auch die hier weit verbreitete Vorstellung von einer „Keimform“ prägt), dass da vorher garnichts war, irgendwo „ausserhalb“ (wie der Prototyp eines technischen Teils, das einem existierenden Modell nachträglich eingebaut werden kann) entwickelt wird und dann irgendwann, wenn „reif“ genug, dem Inventar an Formen hinzugefügt wird (wenn es sie nich tganz verdrängt und ersetzt; das ist ja die Extremform dieser Denkweise). Während ich sagen würde: dass jeder Epochenschritt (bisher) insofern „Ausdifferenzierung“ darstellt, als eine Handlungsweise, die bislang an eine Gruppe oder überhaupt alle Personen gebunden war, eine Komplizierung durchmacht, derart dass spezielle Kompetenzen zur Durchführung ausgebildet werden, die arbeits- und kompetenzteilig an Gruppen delegiert werden. In der urkommunistischen Jäger/Sammler, der Care- und Commons-Phase, waren diese Kompetenzen solche aller Erwachsenen (Mann/Frau-Arbeitsteilungen ev. die einzigen).
d. Da der Fokus ausschliesslich auf die für entscheidend gehaltenen beiden Entwicklungsdimensionen gerichtet ist, wird die technische oder Kompetenz-Seite in „Produktionsverhältnissen“ nicht beachtet. Diese Geringschätzung des „Überbaus“ ist ja bereits der Geschichts- und Gesellschaftstheorie von ME vorgehalten worden. Was alles wird an epochalen Entwicklungen und kognitivem Reichtum (kognitiv? keine materialistische Kategorie?) unterschlagen (keinesfalls ja nur von dir Benni, aber von dir eben auch), wenn man Entwicklungsdimensionen wie „Verwaltung eines Grossreichs“, „ethnische Grenzen überschreitende einheitliche Hochkultur“  „Hochreligion (im Sinne der Religion in einer solchen transethnischen Hochkultur)“, „Rechtsförmigkeit des hoheitlichen Handelns“ (eigentliche Staatlichkeit) unter dem Einheitstitel „Imperium“ laufen lässt. Ähnlich wird übersehen, welch gewaltige materielle Aufgabe die Erschliessung der Produktionsmöglichkeiten in naturräumlich („naturwüchsig“)  nicht (oder erstmal nicht offensichtlich) privilegierten Territorien eines vormaligen Grossreichs darstellt, und die Anhebung des in dieser Fläche, mit regional verfügbaren Mitteln erreichbaren Kulturniveaus auf das höchst-erreichbare Niveau der vormaligen Grossreichs-Zivilisationszentren.usw
Anm.1: Man sieht hier einmal mehr, dass die wahrscheinlich wichtigste Form einer Kontroverse durch „Kritik“ garnicht überwindbar ist, die nämlich über Frage, was überhaupt Aufmerksamkeit verdient, woran zu denken ist und woran nicht, welches die wichtigen und unwichtigen Begriffe sind (die darum auch garnicht erst zu bilden sind). Wer will sich mit Überflüssigem, Irrelevantem belasten?
MIR sind die angemahnten Kategorien gleich wichtig wie „Imperium“, Benni nicht; mir geht es offenbar, auch bei der Erwägung der „nächst-anstehenden“ Keimform, um ein viel-dimensionales Verständnis von Produktionsweise (und der ihre Kohärenz herstellenden Elementarform); Benni zufolge scheint es dabei nur auf seine 2 Dimensionen mit ihren je 2 Ausprägungen anzukommen. Wie motiviere ich Benni, meine Differenzieungen wichtig zu finden? Wie er mich, das für mich Wichtige ausseracht zu lassen, weil es darauf nicht ankommt?
Anm 2: Etwas wie das 4-Felder-Schema würde in einem „Ausdifferenzierungs“-Modell von Geschichte so niemals vorkommen, weil die Dimensionierung mit zunehmendem Reifegrad wächst. Was aber sehr wohl vorkommen kann, ist, dass erstmalige Ausprägungen einer Entwicklungsdimension (die ja auch erstmalige Lösungen eines Problems darstellen, das sich in der Härte bis dahin noch nicht gestellt hatte) später ihren Charakter komplett ändern (wenn das Problem eine verallgemeinerte Fassung bekommen hat; wenn die Lösungen für diese verallgemeinerte Fassung mit neuen Entwicklungsdimensionen zusammenarbeiten sollen).
Anm. 3: Ich erinnere nochmals daran, dass Benni in seinem ersten („holperigen“) Anlauf Elementarform in etwa als Tun eines Gleichen durch alle Gesellschaftsglieder definiert hatte; tatsächlich tun sie das Gleiche (nehmen teil am selben Reproduktionsprozess), indem sie ihre arbeitsteilige Rolle ausfüllen, jeder das Seine an dem ihm zugewiesenen (oder selbstgewählten) (gesellschaftlichen) Ort tut. Diese Unterscheidung zweier Ebenen wirft weitreichende Fragen auf, nämlich inwiefern denen, die „das Ihre, an ihrem Platz tun“, eigentlich überhaupt, und wenn wie gut bewusst ist, an welchem Ganzen sie da mitwirken. (Ob es überhaupt IRGENDJEMANDEM bewusst ist: Sie wissen es nicht, aber sie tun es…)

6. In dem bisher von mir Gesagten sind (mir) einige sehr wichtige Ansätze für „Krise – Keimform – Transformation“ versteckt.
KRISE hätte vor allem zwei wichtige Anteile:
a. mit Benni sage ich: Die Leistung der „Herstellung von Kohärenz“ wird immer mangelhafter erbracht; die vormals selbstverständlichen Synergien von Kultur-Dimensionen gehen wieder verloren, nichts passt mehr zum andern, widerspricht sich;
b. zT gegen, ZT aber auch schon wieder mit Benni sage ich: Das liegt an genau EINER Dimension kollektiv organisierten Handelns, die als nächste „kulturell“, informiert, tradierbar, geformt und reflektiert, bewusst (nach Regeln) gestaltet werden muss.
c. Allerdings ist dies Fehlende zu Zeiten, in denen die Folgen deises Fehlens sch schmerzlich bemerkbar machen, nicht erkannt; es dauert oft bis weit in di enöchste Epoche hinein (in der das Problem gelöst wird), dass dieser Mangel verstanden wird – dann also, wenn sich abzuzeichnen beginnt, wie er zu beheben ist. Aber selbst dann ist noch lange nicht die allgemeine Fassung der kulturellen Problemstellung erkannt, für die die sich abzeichnende Haupt-Entwicklungsdimension der Folgeepoche die erste Version eines Lösungsansatzes darstellte. („Staatlichkeit“ löst Probleme, die sich weiterhin, in komplex abgewandelter Form, immer wieder stellen, aber womöglich entweder mit ganz anderen Formen der Staatlichkeit (zB „demokratisch“, klassisch liberal), oder überhaupt nich tmehr staatlich (Konsensfindung durch gemeinsame Erfahrungsverarbeitung) gelöst werden).
KEIMFORMen würden entwickelt von Kultur-Pionieren – nein, nicht genialen Einzelnen; eher schon: dafür prädestinierten Gruppen in der Bevölkerung der Vor-Epoche – die aus jedesmal im Einzelnen aufzuklärenden Gründen den Bedarf nach Problemlösungen auf dem später Haupt-Entwicklungsfeld der Folgeepoche spüren (erkennen wäre zu viel gesagt). Der „Antrieb“, der sich in dieser Gruppe besonders ausbildet, ist nicht ihr Werk, sondern Resultat allgemeiner Mangel- und Krisen-Erfahrungen in der Reifephase der Vorepoche. Es ist analytisch für Erkenntnisse über die Keimform-Kategorie extrem bedeutsam, dass man sich darüber klarwird, ob hier jedes Mal etwas je epochenspezifisches und zusätzlich/oder stattdessen eine immer wieder gleich wirkende Konstellation, eine Klassen- oder professionelle oder gar „allgemein-menschliche“ Disposition gefunden wird, die die „Prädestination“ dieser Gruppe ausmacht.
Es versteht sich von selbst, in welchem Ausmass diese Vorstellungen bzgl Krise und Keimform abweichen von früheren traditionell marxistischen oder Marx-inspirierten abweichen; insbesondere der Zweifel an der Simultaneität bzw Synchronisierbarkeit von Entwicklungsprozessen angesichts geteilter Klassen-, Krisen- und Kampf-Erfahrungen, die  ja zu unterstellen sind für die von Marxisten postulierte Allgegenwart von „Revolution“ als Epochen-Übergangsform. Daher noch ein Wort zu
TRANSFORMATION: Hier scheine ich mich langsam aber sicher selbst in eine Paradoxie hineinzuschreiben; denn ich behaupte ja eine Art Blindheit der Akteure, selbst der Pioniere gegenüber den historischen Fern-Folgen ihres Tuns: Sie machen diesen Teil oder Aspekt ihrer Geschichte nicht, er kann erst im nachhinein erzählt werden: Indem sie X machten, beförderten sie… trugen sie dazu bei, dass… führte dies langfristig zu…
Anm. 4: Ich habe zu dieser Frage eine dezidierte Antwort anzubieten, die allerdings vroaussetzt, dass man meine Kategorien „Weltverhältnis“ und „Vergesellschaftungskonzept“ als subjektive Pendants wenigstens einiger massgeblicher Akteure (die dadurch auch imstand isnd, Entwicklungsschritte zu vollziehen) akzeptiert. Da stelle ich die These auf: Ein neues Weltverhältnis (es gab nicht so viele bisher; ganze Epochen haben sich mit der Anpassung der sozialen Dimensionen der herrschenden Elementarform an die Erfordernisse eines einmal eingeführten Weltverhältnisses beschäftigt), wieviele Individuen in ihren Bildungsgängen sich schon zu ihm hingearbeitet haben mögen, verankert sich erst und nur dann kulturell, und verschwindet nicht mehr, wie unentwickelt es auch in seinen ersten fassungen auftritt, wenn auf dem fortgeschrittensten Vergesellschaftungs-Standpunkt des vorangehenden Weltverhältnisses dessen Vertreter selbstreflexiv werden und den MANGEL ihrer obersten Lernregel 8ein anderer Ausdruck für Weltverhältnis) begreifen. Dann haben sie ihn nicht behoben; aber sie sind die ersten, die die „Richtigkeit“ des neuen Weltverhältnisses „auf den Begriff“ bringen können. Die beiden Paare, die das welt-historisch bislang verkörpern, sind: Moral (als Selbst-Reflexion des bis heute allgemein üblichen, also „normalen“ „normal-praktischen“ Weltverhältnisses, als es selber kulturbildend war, war es: das magisch-abergläubische; ein anderer Name ist: OPPortunismus, wegen des Fehlens einer apriori gültigen obersten Lernregel) und genuine RELigion; und: „Kritik“ (als selbstreflexiv werdende, Vermitttlungsweise RELiiöser Menschen) und MODerne. Wir stehen am Ende der MODerne; sie wird selbstflexiv in diesen Zeiten – unter anderm in solchen fortgeschritten-radikallinken Diskursen. Das NACHMODerne Weltverhältnis wird aber, in denkbar unreifen, unentwickelten, nicht lebensfähigen Formen, bereits von Pionieren erprobt. Wer ist das? Auch darauf gibt es eine Antwort. Aber sie führt an DIESER Stelle zu weit. Daher nur eine Andeutung: Es sind Leute, die der Bedürfnis-Orientierung bei der alltäglichen Lebensführung und Lebenseinrichtung eine solche Priorittät einräumen, dass die gesamte HIerarchie kultureller Orientierungen (Lebensentwürfe, über-biogaphische kollektive Programme, für alle Zeiten gültige Weisen des Begründens; Begriffe von Rationalität und Personalität überhaupt) daraus in einer epochal neuen und eben erstmals „richtigen“ (die Mängel der MODerne überwindenden) Weise ergibt. Das ist (wie jetzt schon theoretisch begriffen werden kann) nicht nur DIE Utopie, die die drängendsten Probleme unserer Zeit auf Dauer (vorausgesetzt, dieser epochale Reifungsprozess gelingt) allesamt zu lösen gestattet; es ist, seinerseits, auch nur ein Sprungbrett, um von da aus zur nächsten Epoche vorzustossen (weist also noch immer fundamentale Mängel auf; die wir theoretisch ahnen können). Es ist also nichts weniger als das Ende der (Vor)Geschichte. Nur ein nächster, nächstanstehender Schritt.


25.04.2018 (Antwort auf Bennis Kommentar: http://keimform.de/2018/die-keimformtheorie-ist-tot-es-lebe-die-keimformtheorie/#comment-1234682

Bitte berichtigt mich, wenn ich was falsch verstehe; aber folgende scheinen mir die am meisten von euren abweichenden unter meinen Auffassungen zu sein (auch vor dem Hintergrund der Kritischen Psychologie; ich habe von der „Grundlegung“ die ersten 5 Kapitel gelesen):

1. Vergesellschaftung im Sinne arbeitsteilig-koordinierter Kooperation unübersehbar grosser Bevölkerungsgruppen halte ich für etwas extrem prekäres, historisch immer wieder an den Herausforderungen „fortgeschrittener“ Produktionsweisen (kulturell durchgesetzte Weltverhältnisse; Einstellungen zu Wissen, Unwissen, Wissenserwerb) nach jedem vorübergehend „erfolgreichen“ Differenzierungs- und Komplizierungsschritt erneut krisenhaft Scheiterndes – bis heute. Weshalb, in der Tat, die Prä-Historie andauert; es ist nicht klar, ob uns Vergesellschaftung überhaupt je gelingen wird.
((Könnt ihr verstehen, wie absurd sich von DIESER Position aus gesehen die Naturalisierung von Gesellschaftlichkeit bei Holzkamp ausnimmt. Was immer uns an Dispositionen angeboren sein mag: Sprache, Gesellschaft sind Resultate des Wirkens dieser Dispositionen, nicht hingegen sind sie selbst Dispositionen oder gar unhintergehbare „naturwüchsige“ Tatsachen. Die Ableitung aus dem tatsächlichen Bestand biologisch-personaler Dispositionen („Natur des Menschen, soweit er zur ‚Personalität‘ disponiert ist“) steht also aus meiner Sicht aus. Dies biologische Substrat theoretisch zu bestimmen und sein Vorhandensein empirisch nachzuweisen, wäre höchst verdienstvoll; es ist bislang nicht geschehen; ich sage: auch nicht bei Holzkamp. Immerhin hat er einen Versuch gemacht.))

2. Das Projekt einer materialistischen Theorie von „Gesellschaft“ ist provisorisch so definiert: Es soll erklärt werden, wie die Transpersonalität historischer, gegenwärtiger und möglicher utopischer Vergesellschaftung sich (als, wie unter 1. festgestellt, überaus prekäres Resultat) aus (Verkettungen von) interpersonalen Beziehungen (auf einem erreichten historischen Stand) ergibt.
((Die einschlägige „marxistische“ Fundamentalthese von der Vorgängigkeit der Gesellschaftlichkeit vor aller Individualität ist nur möglich aufgrund eines Oberflächen-Eindrucks, einer Schein-Plausibilität, die sich aus dem Vorbestehen historisch gewachsener, je aktuell ausgeprägter kultureller Lebensweisen (!) ergibt, in die alle Nachkommenden zunächst einmal (!) hineinwachsen. Aber dieser Vorbestand an vorläufig funktionierenden Praktiken würde bestenfalls stagnieren, wenn ihn die Einzelnen nicht sich als Lebensentwurf, umzusetzen in gelingender Lebensführung und Alltagen (hier auch: Care!), zueigen machen und lernend, dabei sich verständigend, weiterentwickeln könnten. Diese Entwickung nimmt ihnen keine „Gesellschaft“ ab. Der Satz „sie wissen es nicht , aber sie tun es“ drückt dabei keine List der überlegenen Gesellschaftsvernunft, sondern vielmehr einen mörderischen Mangel aus; der Fortschritt in der Geschichte besteht darin, die nicht bemerkten Mangel-Praktiken aufzudecken und Epoche für Epoche einen nach dem andern zu beseitigen. „Nicht ‚Gesellschaften‘ lernen, sondern Einzelne.“ Mit der Konsequenz, dass die jeweiligen Lern-Fortschritte der Einzelnen ins Leben anderer einfliessen zu lassen, unendlich Zeit und Mühe in Anspruch nimmt – Zeit und Mühe, die zugleich dann und dort fehlen, wo noch immer weiter gelernt werden muss (beide Fortschritts-Richtungen in tiefem Widerspruch zueinander; eine Katatsrophe, bis auf den heutigen Tag, und nicht zuletzt an uns zu sehen: Wer soll unseren Fortschritten folgen? Wie breiten sie sich aus?)

3. „Ebenen“: Der „Gradient“ ist einer der Zeiträume, für die Pläne, Verfahren und Planregeln erwogen und befürwortet werden (Pläne für eine kurz- mittel- langfristig erfogversprechende reproduktive Praxis und ihre Verbesserung; über diese Kategorie ist von radikalen Linken bis heute viel zu wenig nachgedacht worden.). Zeit ist ein Kontinuum, aber aus der Perspektive der sich zu ihr verhaltenden Einzelnen ist sie SCHARF akzentuiert:

a. der Alltag und die Folge der Alltage (Lebenseinrichtung, Lebensführung; dazu gehört Care!) sind, sollen sein Teil einer gelingenden Lebensleistung, anders ausgedrückt:
b. eines Lebensentwurfs, den man im Rahmen der mit den mitlebenden Zeitgenossen geteilten Lebensform (mit ihnen, zT auch ohne oder gegen sie) zu verwirklichen sucht. Diese Biographie, oder die Summe an Biographien im Rahmen der (sich durch und zeitgleich mit ihnen ändernden) Lebensform, wenn sie Sinn machen sollen, sind eingebettet in
c. über-biographische Programme, deren Verwirklichung oft lang vor der eignen Geburt begonnen hat und den eignen Tod überdauern wird. Es ist abhängig von gegebner Erfahrung, welchem Programm dieser Art man sich verschreibt;
d. die Art, wie bei gegebner Erfahrung die Programme bestimmt und abzuändern sind, liegt, zeitunabhängig, aller Befürwortung und Ablehnung zugrunde, es ist die Art (das Regel- oder Prinzipiensystem), wie man begründet und Projekte aus Erfahrung erschliesst – bei sich und andern. Bei andern, speziell, kann man deren Art zu schliessen/begründen, verstehen, oder auch nicht; man kann ihre Art als Ausdruck eines behebbaren Defizits, einer fehlenden und zu vermittelnden Erfahrung begreifen.
d. Grenzen des Verstehens markieren die Grenzen dessen, was und wen man überhaupt für rational, zurechnungsfähig, „normal-erwachsen“, „Person“ usw hält.

Dies sind die „existenziell“ akzentuierten „Ebenen“, auf ihnen liegen die Themen-Felder für Vorschläge und Forderungen, die wechselseitig an infragekommende andre gerichtet werden, und von deren Seite akzeptiert oder (mit Gründen) abgelehnt werden können; über Gründe kann hin und her verhandelt, dann noch verbliebende Konflikte werden durch Kompromiss-Absprachen (do ut des) oder mit Gewalt (Betrug, Drohung, unmittelbarer Zwang) entschieden. Es entsteht ein unübersehbares Feld an genuin, oder aber bedingt-übereinstimmend sowie aufgrund von Gewaltverhältnissen (bei grosser Asymmetrie der Gewaltmittel: Machtverhältnisse) bestimmten, geteilten Kollektivplänen hinsichtlich dessen, was beteiligte Einzelne in Übereinstimmung (share) mit dem Plan je zu bestimmten Zeiten, also simultan/synchron neben andern, anders als andre (divide) tun dürfen oder sollen.
Neben die unbedingten und rein zeit- oder ablaufs-gebundenen Anweisungen oder Spielraum-Gewährungen des Plans treten solche, die Reihenfolge und Dauern für Routine-Abläufe bei sich wiederholenden Handlungs-Programmen bestimmen (Verfahrens-Regeln), und solche, die bedingungs-, also situationsabhängige („wenn… dann“) Handlungs-Varianten gegenüber den eigentlich zeitlich vorgesehenen erlauben oder gebieten: Plan(ungs)-Regeln.
„Koordination“ von Arbeitsteilung wird hier definiert als vor allem SYNCHRONISATION auf den genannten Ebenen/Themenfeldern; dabei ergibt sich die innere Synchronisation („gesellschaftliche“ Aufgaben-Zuweisung von Teil-Projekten und Mitteln zu den Handlungsspielräumen einzelner Beteiligter: zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten Probleme lösen und Aufgaben in bestimmten Fristen erfüllen: wer macht was wann wo?) aus der äusseren, den „gültig“ für ausführungs-bedürftig/-wert und mit vorhandenen Mitteln und Zeiträumen ausführbar gehaltenen (Versuchs)Projekten.
Die Frage nach der Transpersonalität als Resultat interpersonaler Interaktionen präzisiert sich: Wie entsteht transpersonale Kohärenz und koordiniert (synchronisiert)-arbeitsteilige Reproduktion grosser Gruppen als Resultat von Einem-Gemeinsamem (share) und Vielfältig-Verschiedenem (divide)? Kurz: Wo endet Artbeitsteilung, wo beginnt das unerlässlich von allen, oder allen an bestimmten Projekten Beteiligten zu Teilende? Ist Planen arbeitsteilig möglich? Wissen? Verstehen? Gut Leben? (Ich erinnere an das historische Beispiel für gescheitertes quasi-arbeitsteiliges „Delegieren“: Frommsein. Entscheiden über Grundsatz-Ausrichtung der Staats-Tätigkeit.)

Anhang:
Terminologie im Rahmen meiner eigenen Theorie:
a. die langfristige Festlegung auf eine bestimmte (konfliktfreie, haltbar) Art der Lebensführung nenne ich: Identität
b. Lebensentwurf und Lebensform;
c. eine (mit unbestimmt vielen geteilte; biographien-übergreifende) „Individualität“
d. Mentalität, Begründungsweise
e. Rationalitäts-Vorstellung, bestimmter Begriff von Personalität und „Verstehbarkeit als vernünftig usw“


Wiedergabe zweier Kommentare zu Benni Bärmanns Artikel über Inter-, Trans- und Metapersonalität bei keimform (Original-Postings sind hier zu finden:

http://keimform.de/2018/inter-trans-und-metapersonalitaet/#comment-1251757) 

franziska (05.06.2018, 11:12 Uhr)

Begriffsbildung zielt darauf, je in bestimmten Hinsichten wichtige Gemeinsamkeiten /(Nicht-Unterschiedenheiten, Nicht-Unterschiede) und Unterschiede zu benennen. In beiden Richtungen kann man fehlgehen; zu wenig Unterschiede berücksichtigen, und zuviele. Ein weiterer Mangel beim Begriffebilden (Denken ieS) ist, dass man die Übersicht verliert, und vergisst, WORAN man jeweils seine (Nicht)Unterschiede macht.
Die wichtige Unterscheidung, die Benni machen möchte, soll gemacht werden an BEZIEHUNGEN zwischen Menschen. Allein schon die Eingrenzung der Beziehungsarten, die für Bennis Unterscheidung infragekommen, steht aus (und ist es eigentlich, die zumindest einige der unter mp tp ip verhandelten Fragen aufkommen lässt):

i. Wenn man sich fragen muss, welche „Beziehung“ man zu Hegel, Newton und sonstigen Vorfahren hat (oder zu denen, deren Vorfahre man möglicherweise sein wird), scheint eine wichtige Grenze überschritten: (Nicht)Zeitgenossenschaft; die ((nicht)geteilten) Zeithorizonte der in Betracht kommenden „Beziehungen“ sollten bedacht werden.

ii. Werden denn ALLE Beziehungen zwischen Menschen betrachtet? Ihre biologischen wohl eher nicht, ausser, sie hätten „gesellschaftliche“ oder Vergesellschaftungs“-Relevanz (Elternschaft) (hier schon sehr viel Strittiges mit Soziobiologen und andern Biologisten, Rassisten usw). Was bleibt dann an „kulturellem“ Material, das „Beziehungen“ begründet? Hier (einmal mehr) mein Vorschlag:
(Un)Koordinierte (nicht)kollektiv (nicht) kooperative (arbeitsteilige) reproduktive Praxis und deren (auf Lernen beruhender) Fortschritt, auf einem gegebnen „Stand (der Produktivkräfte“ (hier wieder die Dimension Zeit-Horizont).
Jeder kollektiven (Versuchs)Praxis zugrunde liegen Absichten, Praktiken, Projekte (Ziele, Pläne, Zwecke); bedingte solche; und Regeln (unter bestimmten Typen von Bedingungen auszuführende Typen von Praktiken). Sie sind Inhalt von tatsächlichen und wiederholten Praxis-Realisierungen, oder Entwürfen zu solchen (Abänderungen, Neu-Einführungen), als solchen dann auch Inhalt von Vorschlägen, Forderungen und Erwartungen an andere. Hinter all dem stehen Erfahrungsstände und die Art und Weise, wie sie von je Einzelnen zu Entwürfen usw verarbeitet (und gegenüber andern dann zur Begründung angeführt) werden.

iii. Nennen wir das unter ii. Angeführte „Inhalt der (Arten von) Beziehungen“ (um die es gehen soll): Dann haben wir eine ungeheure Vielfalt ins Auge zu fassen, die entsteht, weil verschiedene Menschen zu unterschiedlich vielen, und vor allem zu unterschiedlichen Inhalten überhaupt Stellung nehmen (können) bzw genommen haben, woraus sich allererst ihre diversen (subjektiven) (Nicht)Bezugnahmen auf „Andere“ ergeben; das Subjektive ihrer (so ((un)realistisch) eingeschätzten, gewünschten) Bezugnahme geht nicht ganz auf in ihren objektiven Bezügen, in denen sie (spätestens aus Sicht von Beobachtern) stehen, und die ihnen bewusst sein können oder auch nicht.

iv. Soweit mehrere oder (unbestimmt) viele Personen im Bezug auf Inhalte (nicht) übereinstimmen, lassen sie sich als Gruppen zusammenfassen (objektiv; wenn ihnen dies selbst gegenwärtig ist, auch subjektiv).
Die Beziehungen, die auf dieser (Nicht)Übereinstimmung aufbauen, können sich auf die Angehörigen der Gruppe beziehen: ausschliesslich (Binnenbeziehungen), oder ausschliesslich auf ihr nicht Angehörende (Aussenbeziehungen), oder auf solche, die eine bestimmte Bedingung erfüllen, oder auf „alle“ (Personen überhaupt). Diejenigen, auf die die Betreffenden subjektiv Bezug nehmen oder objektiv bezogen sind, können im Bezug auf den Inhalt mit ihnen (nicht) übereinstimmen und die darauf begründete Bezugnahme auf sich (nicht) akzeptieren: (a)symmetrische Beziehung.

v. Die Nicht-Akzeptanz kann indifferent bleiben, aber auch konflikthaft zu Auseinandersetzung führen oder Kooperation generell oder punktuell behindern und unmöglich machen, Eine (A)Symmetrie zweiter Stufe ergibt sich aus (Nicht)Unterschieden, wie mit asymmetrischen Bezugnahmen und Bezogenheiten umzugehen ist.

vi. Dies vorausgesetzt, könnte man Kriterien für inter/trans/metapersonal(isierbar) erwägen; Benni nennt Kriterien, die sich auf Bedürfnisse und Fähigkeiten von Einzelpersonen beziehen, die DADURCH für andre „wichtig“ und „(nicht)austauschbar“ (besser: ersetzbar, mit welchem Aufwand?) werden (ko-variieren diese beiden Kriterien?).
Hier möchte ich weiteren progress des work abwarten, schlage aber schon jetzt als zentral ins Auge zu fassendes „Mittel“ VERSTÄNDIGUNG (resultativ: den Grad der Verständigtheit) vor. Die bezieht sich auf die Beziehungen, die die Gründe von Personen und Gruppen zu denen haben, die andere Pesronen oder Gruppen für je ihre Entwürfe usw oder realen Praktiken anführen (würden; soweit ihnen selbst bewusst und andern bekannt). Also besser nicht unspezifisch reden von Beziehungen zwischen Personen; sondern zwischen ihren Gründen für reales und nicht reales, aber befürwortetes oder abgelehntes Handeln (vgl ii.). Verständigtheit (im bezug auf diverse Inhalte) könnte ein Kontinuum sein, das von einem denkbaren Maximum an Verständigtheit (wie könnte es beschaffen sein?) bis zu einem (absoluten) Minimum (Sprachlichkeit?) reicht, und worin Ip(isierbar), Tp(isierbar), Mp(isierbar) grosse Zonen umfasst. (Mp(isierbar) könnte so etwas darstellen wie (die Fähigkeit zum) Aufgenommen-Werden/Wordensein ins Inventar tradierter „kultureller“ Standard-Inhalte (einer biographien-übergreifend dauerhaft existierenden Gruppe, die identifiziert ist durch ein (bedingtes) Projekt (zB Selbsterhalt entlang einem bestimmten Identifikationsmerkmal: zB Nationalität) und/oder Regel(system).).

Anm. Die Hinzufügung von „nicht/un-“ soll dran erinnern, dass es sich um je positive wie negative Möglichkeiten handelt, die jeweils mit dem Ausdruck benannt sind. Da wir von Handeln sprechen, sind negative Bestimmungen oft bezogen auf Unterlassenes, das erwartbar (durch „Um- und Dazulernen“) nachgeholt werden kann oder könnte, wenn die Betreffenden bestimmtes erleben oder erfahren.
Anm. Worte wie „subjektiv“ und „objektiv“ beruhen auf (rechtfertigbaren) Erwartungen, worüber man sich mit Personen (da vernünftig, rational) auf Dauer einigen kann.

9 franziska (07.06.2018, 13:00 Uhr)

Ich fürchte, wir sind langsam selber Riesen – gezwungenermassen versuchen wir, uns die fundamentalen Kategorien einer ganzen (auch bürgerlich-akademischen) Wissenschaft zu erschliessen.

Darum… Ergänzung an dieser Stelle zu meinen Ausführungen oben:

Beziehung ist der Rahmen.
Was DARIN geschieht (soweit was geschieht), ist „Interaktion„, nämlich
Durchsetzung(sversuch)=Konflikt-Austrag*)
Kommunikation(sversuch) (Verständigung zur Feinabstimmung im Rahmen der bestehenden Beziehung)
und/oder
– erzwungene und/oder konsensuelle Kooperation und Aneignung**).(Jenseits davon beginnt Nichtbeziehung: was jeder bzw jede Gruppe tun kann, ohne andre zu tangieren).
*) nicht zu vergessen: der intra-personale, pathologisch ungelöste Konflikt
**) um den Anschluss an die begrifflichen Bestandteile der Elementarform herzustellen

Beziehung kann (und muss, immer wieder) feinabgestimmt werden durch Kommunkation(sversuche), aber auch verändert und völlig neu aufgestellt werden durch Verständigung ieS, vor allem die Bezugnahmen.
Speziell die Bezüge können obendrein durch Durchsetzung („Gewalt“: unmittelbarer Zwang, Drohung, Erpressung, Täuschung/Lüge sowie dadurch behinderte Kommunikationen (va. letztere auch mit Einfluss auf Bezugnahmen)) gestaltet werden.
Die Beziehungen in bürgerlichen Gesellschaften sind asymmetrisch, die Kommunikationen und Interaktionen beruhen sehr weitgehend auf Asymmetrien und Nicht-Verständigtheit, die in Arbeits-, Wissens- und Kompetenzteilungen allgemein und den speziellen vom Typ (abstrakt verstanden)“
Mann“ (bei sich und andern „Ziel“-orientiert)/ „Frau“ (bei sich und andern Bedürfnis-orientiert),
(Experten, Entscheider) „Kopf„/“Hand“ (Ausführende/ user/ Konsumenten),
(industrialisierte, hochtechnologisch produktive) „Stadt„/(ökologisch verantwortbare) „Land„(bewirtschaftung),
(in allen möglichen Hinsichten fortgeschrittenes) „Zentrum„/ (nicht nachkommende o. nachgeholte) „Peripherie
begründet sind.
Die rasch anwachsende Komplexität von koordiniert/kooperativ anzugehenden Problemstellungen lässt exakt ihrerseits die Teilungen (und damit verbundenen wechselseitig exklusiven, also asymmetrischen Bezugnahmen und Bezüge) rasant weiter anwachsen, die den dafür erforderlichen kollektiven Festlegungen zweckmässiger Regeln, bedingter und unbedingter Projekte im Weg stehen.Das erklärt die derzeit beobachtbaren Krisenphänomene, die Zunahme von Individualisierung und daraus resultierend
– Konflikt
– Gesellschaftszerfall und -zerrüttung (Rückzug, Aufschub, Überfordertheit
– Selektionsvorteile zugunsten der Durchsetzung von illusionär-unterkomplex und historisch-kulturell bereits überwundenen („regressiven“) Standpunkten bei Versuchen der Problembewältigung.
—————-
Das Unbehagen Christians bzgl des Updates teile ich; ich verstehe aber auch das quasi kategoriale Unbehagen, das wohl Benni zum Update (und zum Bekenntnis zu seinen Beziehungen zu den Kultur-„Riesen“) veranlasst hat: „Metapersonal“ sollte parallel zu den andern beiden Prädikaten verwendet werden können. Es scheint starke, aber unausgesprochene Motive (von Bini-Lektüre herrührend?) zu geben, warum du, Benni, so sehr auf „Beziehung“ (als „je zwischen Personen bestehend“) beharrst, und den (soeben nochmal ergänzten) Vorschlag, den Begriff aufzuspalten, zurückzuweisen scheinst – also darin die- Bezugnahmen/Bezüge,- (Un)Gleichheit der offen vorgetragenen, privaten, unge/bewussten Begründung(sweis)en dafür, und- in diesem Rahmen stattfindende bzw ihn verändernde (potentielle) Interaktionen+ Kommunikationen+ Verständigungsversuche ieS
als Dimensionen der zwischen den Beteiligten bestehenden Beziehung voneinander abzugrenzen.
Wenn Inter/Trans/Meta-Personalität Eigenschaften an dem selben Substrat sein sollen, käme für mich nach wie vor statt Beziehung im allgemeinen die Dimension des Verhältnisses von Begründungen infrage; zur Definition bietet sich dann, wie ich finde, an:
Interaktionen (Kooperationen+“Aneignungen“+Durchsetzungs-Versuche) und
(uU behinderte) Kommunikationen und Verständigungsversuche ieS sind
interpersonal“ im Mass, wie sie auf geteilten Begründung(weis)en der Beteiligten und/oder geteilter, dabei verarbeiteten Erfahrungs- und Wissensinhalten beruhen;
transpersonal“ im Mass, wie auf verschiedenen (bei geteilten oder nicht geteilten Rationalitätsstandards/ Normen);
metapersonal“ im Mass, wie die Tatsache geteilter oder nicht geteilter Rationalitätsstandards/Normen Gleichheit und/oder Unterschiedlichkeit der je involvierten Begründung(sweis)en bestimmt.
Pointen dieser Definition: (un)Gleichheit oder besser (Un)Gleichartigkeit der „verarbeiteten Erfahrung (tradiert oder aufgrund eigenen Tuns), und dabei erworbene Könnens- und Wollens-Dispositionen“ steht im Vordergrund; aber eben auch, inwieweit die Verarbeitungsweise bewusst angewandten (subjektiven) Rationalitätsstandards+Normen folgt. Im Kern stellt sie Symmetrie und Asymmetrie von Beziehungen in den Mittelpunkt; die bisherigen definitorischen Ideen (face-to-face bzw jenseits von Dunbar; persönliche Eigenschaften vs Strukturen, (Nicht)Austauschbarkeit) zu den genannten Unterschieden ergeben sich, meine ich, als Ableitungen daraus.
Eine Erweiterung im Sinne des Suffixes „-isieren, -isierbar“ macht Sinn.
—————
Es gibt eine weitere Dimension von Vergesellschaftung, die nicht in „Beziehung“ aufgeht; man könnte sie unter dem Titel „historische Situation“ (incl deren Chancen- unnd Risiko-Potential) zusammenfassen, und die ist für Materialistinnen unabdingbar mitzubetrachten; dazu zählt alles, was man alt-marxistisch den (erreichten) Stand der Produktivkräfte nannte (incl. angehäufter Probleme), und die aktuelle Verteilung von Beziehungs-relevanten Standpunkten (Erfahrungs-, Wissens-, (Aus)Bildungsstände) sowie den darauf beruhenden Bezugnahmen und Bezügen zwischen Angehörigen von Bevölkerungen, die miteinander überhaupt in Beziehung treten, direkt oder indirekt.


Nicht-gepostete Fortsetzung als Antwort auf Bennis „Update zum Update“ im Artikel, zu dem meine beiden ersten Antworten unterhalb dieser Fortsetzung stehen (falls noch nicht geschehen, bitte diese zuerst lesen; frühere Texte erscheinen in dieser derzeit provisorischen Form weiter unten):

17.06.2018 12:00 Uhr

Zum neuen Update.
Benni, lass mich nochmal drauf hinweisen: wenn Verständigung als das wesentliche Kriterium herangezogen wird (also Abgleich der Erfahrungen, Begründungen und Begründungsweisen (oder Plan-Ableitungs/Erschliessungs-Regeln aus Erfahrung) – dann ergibt sich ein aus meiner Sicht relativ klares Bild vom Verhältnis der drei Begriffe (mein Definitions-Vorschlag, der aber auf vergleichbare Unterschiede von Beziehungs-Typen zielt wie die von Benni thematisierten):
Interpersonal sind Beziehungen, in denen Verständigung (Festlegen der koordinierten Kooperation bzgl Was-Wie-von Wem-für Wen) prinzipiell SYMMETRISCH möglich ist. Und schon darum, weil sie miteinander mehr verständigt sind als mit andern (und einander darum „verstehen“), sind Menschen in solchen Beziehungen füreinander nicht gegen „fremde“ austauschbar und meistens einander behilflich, manchmal freilich auch unüberwindlich hinderlich (beides passt zu „wichtig“).
Transpersonal sind Beziehungen, in denen aufgrund der Verteilung von Rollen und Schwer- oder sogar Unveränderlichkeit der involvierten Begründungsweisen durch die meisten oder alle Beteiligte Verständigung tendenziell wenig symmetrisch, vielmehr ZU GROSSEN TEILEN ASYMMETRISCH. aber mit dem Einverständnis der jeweils Beteiligten, so verläuft.
Metapersonal sind Beziehungen, die, soweit einigermassen stabil „eingerichtet“, grundsätzlich auf Basis ASYMMETRISCHER Verständigung funktionieren, wobei das von wenigstens einer der beteiligten Personen so befürwortet und unter gegebnen Umständen für gut befunden wird.
Während an interpersonalen Beziehungen nur der Verständigungsbegriff geklärt werden muss, ist bei tr. und m.personaler Verständigung nicht so eindeutig zu begreifen, wie sie Beziehungen konstituieren.

Anm. Würde ich jetzt ähnlich formell zuspitzen, wie Benni es mit seinem Beitrag bzw den Updates versucht, müsste ich sagen: M/T/I-Personalität markieren grosse Zonen auf einer Skala, die von absoluter Asymmetrie einer Verständigtheits-Situation bis hin zu absoluter Symmetrie reicht. Es ist aber in jedem Fall klar, dass, wenn soziale Beziehungen wesentlich beschrieben werden über Art, Umfang, Inhalt der Verständigtheit (bzw ihrer Möglichkeiten, darauf Einfluss zu nehmen) der darin aufeinander Bezogenen, die Symmetrie bzw Asymmetrie bei der Einteilung der dadurch charakterisierten Beziehungen die zentrale Rolle spielt.

Es gibt für metapersonale Beziehungen einen kritischen Ausdruck: autoritäre Kommunikation, der sie gegenwärtig am meisten charakterisiert; und einen neutralen und/oder eher positiv konnotierten: Aufklärung, Bildung, Tradierung; bei diesen Ausdrücken ist eigentlich unterstellt, dass die zunächst eher passiven Adressaten im Verlauf der einseitigen Bildungsprozesse ihre Passivität aufgeben und in die Lage versetzt werden zu den ursprünglichen Instruktoren und untereinander tr. oder gar inter-personale Beziehungen einzugehen und uU selber metapersonale Beziehungen zu bislang unbeteiligten Parteien.
Im Idealfall gehen Experten und „Multiplikatoren“ mit einem unbestimmten „Publikum“ der bürgerlichen „Öffentlichkeit“ metapersonale Beziehungen ein, die die Tendenz haben, im Mass wie die zugrundeliegenden Begründungs- und speziell Legitimationsweisen geteilt werden, in transpersonale überzugehen, mit feinen metapersonalen Resten: Die Kommentierung aktueller Nachrichten durch prominente Journalisten oder auch Politiker sorgt für Feinjustierung der Meinungen ihrer Gefolgschaften, sie sprechen aus, was die andern denken würden, wenn sie Zeit hätten, ihr Urteil so informiert und abgewogen – im Rahmen der geteilten Routinen – zu bilden, wie die Vordenker. Man könnte diesen Übergang die Transpersonalisierung ursprünglich metapersonaler Beziehungen nennen – einhergehend mit einer Zunahme an Symmetrie und zumindest geteilter Rahmen-Regeln und -werte.
Anm. Erziehungs- und Ausbildungsbeziehungen sind weitgehend interpersonale. Künstlich verhinderte (asymmetrisch gemachte) Kommunikation kommt in grundsätzlich symmetrischen Ausgangssituationen vor (unter anderm auch als: personen-bezogene Publikations-Hindernisse; „interpersonaler“ Streit der Autoritäten, mit Gewalt entschieden).

Nichtsdestotrotz bildet die Bearbeitung der „Öffentlichkeit“ zur Herstellung von Konsens im Rahmen (und unter Voraussetzung) geteilter Beurteilungsregeln eine von drei grossen Richtungen, in denen stark asymmetrisch gefärbte tr.personale Beziehungen wirken: wenige zu vielen; viele zu vielen; viele zu wenigen. „Das (synchron) Gesellschaftliche“ breitet sich eher über diesen Beziehungstyp aus, wohingegen längerfristige („kulurelle, historische“) Dynamiken sich eher über metapersonale Beziehungen entfalten. Ein nicht unwichtiger Teil der öffentlich von Experten mit einer unbestimmt grossen Menge von (immerhin rezeptionswilligen) Adressaten geführten „Diskurse“ geht von Politikern und speziell herrschenden aus: Sie erklären auf dem Weg ihre Entscheidungen, die daneben freilich eine hoheitliche Durchsetzungs- und Durchsetzbarkeits- also Macht- und Gewaltseite haben – die auch; wesentlicher aber dürfte (im Normalfall) die Seite der Legitimität und Norm-gerechtheit ihrer Regelsetzungen zu sein – Legitimierungs- und sonstige Normen bilden den von den „Vielen“, die die Normal-Befolger der verordneten Regeln sind, geteilten und allenfalls „metapersonal“ veränderlichen Rahmen.
Die Befugnis zur Erzeugung und anpassenden Änderung von Regeln, bei denen die Befolgung „normalerweise“ durchsetzbar ist im Rahmen ihrer Geltung, ist in gewissem Sinn ein Spezialfall von Berechtigtheit und Befugnis, von der wiederum eine andre Abart das Eigentum darstellt, also das Recht, für grundsätzlich für überhaupt aneigenbar erklärte Gegenstände von potentiell oder aktuell einander widersprechenden Interessen die Art der Berechtigung zu ihrer Nutzung vorübergehend oder dauerhaft (incl Übereignung und Vererbung) zu bestimmen. In modern-arbeitsteiligen und zugleich marktförmig Reproduktion und deren Fortschritt regulierenden Wirtschaftssystemen stehen die Eigentümer von Reproduktions- und Innovations-Ressourcen in ZYKLISCH miteinander verbundenen asymmetrischen Kauf- und Verkaufs-Beziehungen, in deren Verbund sich für jeden von ihnen der Erwerb der zur Erzeugung einer Einheit Produkt nötigen (Re)Produktionsmittel mit dem Verkauf dieser Produkt-Einheit (immer in notwendigen Mindest-Absatzmengen; weitere Voraussetzung) koppelt. Je nach Art des verkauften Gutes ähnelt die Beziehung durchaus auch der „Wenige-Viele“-Beziehung – die vielen defilieren an den wenigen dabei im Lauf der Zeit vorbei (in Ladengeschäften) – oft genug aber handelt es sich um Beziehungen „Wenige-Wenige“, nur dass „Alle mit Allen“ auf die Weise in wenig direkten, ungleich mehr aber indirekten Beziehungen stehen, deren eigentlich aktive Vollzüge allesamt gleichzeitig nebeneinander, wenn auch räumlich weit ausgebreitet, „am Markt“ stattfinden.
Dann gibt es noch die Repräsentanz- und Delegationsverfahren, durch die Alle oder Viele Wenige, oft sehr wenige wählen, die die für alle gültigen Regeln festlegen, unter Beachtung gültiger Rahmen-Regelungen bzgl der Geltung erzeugenden Verfahren und bei aller Fein-Regulierung einzuhaltenden Rahmen-Regeln oder Normen.
Über Normen soll es einen Konsens geben, der eher SICH HERSTELLT, als dass er – etwa durch Verhandlungen oder metapersonale Beeinflussung – hergestellt werden könnte, geschweige denn beständig angepasst und verfeinert.
Was bei den „unpersönlichen“ Beziehungen gern übersehen wird, ist, dass sie auf weite Strecken funktionieren als Stafetten mit Zwischenträgern – vor allem die metapersonalen Beziehungen der Experten zu den „usern“ (mit Zwischenträgern abnehmender Sachkompetenz, aber zunehmender user-Nähe); aber auch die transpersonalen Beziehungen, über die die auf Gesellschafts- und Staats-Ebene gewählten Repräsentanten und Entscheidungsträger ihre Regel-Festsetzungen kommunizieren (Rechtsberatungen usw) und in flexible „gültige“ Anwendungs-nahe Entscheidungen übersetzen lassen (Beamtenapparate, Rechtsprechung, Gebietskörperschaften und entsprechende Parlamente). Aber nicht nur Stafetten arbeiten „vermittelnd“, es gibt auch Netzwerke, in denen ziel- und sach-bezogene Kompetenz-Träger auf je verschieden definierten Entscheidungsebenen zusammenwirken, um gültige Prioritätensetzungen und Ressourcen-Einteilungen bei knappen Budgets zu erarbeiten, und sonst getrennte Wissens- und Entscheidungs-Gesichtspunkte zusammenzuführen. Die sich stark verzweigenden und doch wesentlich in sich zurückmündenden markt-förmigen Stafetten-Netzwerke aus beständig nebeneinander stattfindenden, aber funktional-reproduktiv und progressiv wirksamen hintereinander geschalteten Kauf/Verkauf-Vorgängen können als Kombination aus beiden intrapersonalen Verkettungs-Formen gesehen werden.
Der vielgestaltige Konsens, der geteilten Normen zugrundeliegt, stellt sich erst recht über weit-verzweigte Dialog- und Vermittlungs- ua auch „Erziehungs“-Netzwerke her, durch die alle mit allen, zumindest eben jenen, mit denen sie ihre Normen teilen, verbunden sind.
Nicht ausgeschlossen, aber nicht (mehr) der häufigste oder gar Normalfall ist die simultane (und dabei konforme) Ausbildung von befürwortenden und ablehnenden Einstellungen zu Normen, Regeln, Entscheidungen, Wissens-Grundlagen, Begriffssystemen aufgrund einer vergleichbaren Lebenssituation, also bei Angehörigen von Berufsgruppen, Beziehern von vergleichbaren Einkommen vergleichbarer Höhe aus vergleichbareb Quellen, Bewohnern von Regionen und Siedlungsformen, Angehörige bestimmter (Sub)Kulturen und Traditionen. Konformität verschwindet im Mass, wie allein zwischen diesen Gruppen-Homogenität erzeugenden Merkmalen die vormals in „ständisch-vormodernen“ Gesellschaften bestehenden Korrelationen verschwinden.
Im selben Mass verschwinden „selbstverständlich“ von grossen Gruppen geteilte Einstellungen bzgl Kooperationen, Aneignungen, tolerierbaren Abweichungen; der „Netzwerk-Dialog“ übernimmt im selben Mass die Aufgabe der Herstellung nötiger Homogenität und Konformität, ist damit aber heillos überfordert, und wird in dieser Rolle zunehmend durch medial-autoritäre, asymmetrische Wenige-Viele-Kommunkationen mit dem Effekt der Bildung zahlloser Einstellungs-Sunkulturen abgelöst, wobei auch hier „Individualisierung“ eintritt durch Verlust der Korrelationen zwischen Einzel-Einstellungen (einhergehend mit explodierender Vielfalt der individuell wählbaren Einzel-Medien). Dem entgegen wirkt allenfalls eine Tendenz, die nicht in jeder Hinsicht mit zunehmender Bildung zusammenhängt, Komplexität zu reduzieren und „alle Themen“ aus relativ wenig Gesichtspuntken zu beurteilen, oder aber die Erarbeitung von (nicht unbedingt sachgerechten) eigenen Norm-Systemen, die zugleich von ihren Trägern für allgemein überzeugend und vermittelbar gehalten werden, aber auch nur zwischen Trägern solcher vermeintlich allgemein gültiger Normen verhandelt und (versuchsweise) vermittelt werden können: Nur wer überhaupt Normen denkt und hat, UND zusätzlich Alternativen zu ihnen (die er mit mehr oder weniger guten Gründen verwirft), kann sich im Grundsatz mit andern seinesgleichen zu verständigen versuchen.
Interessanterweise sind die genannten Beziehungen weitestgehend invariant gegenüber der Möglichkeit, „konflikthaft“ verfasst zu sein, solange weiterhin „gültige“ und praxis-koordinierungs-fähige Kooperations- und Aneignungsformen sowie Toleranzprinzipien gefunden werden. Konflikte ändern vorhandene Beziehungsgeflechte im Mass, wie entweder ihre Regulierung zunehmend produktive Energien aufzehrt und/oder zur Aufgabe der Koordination von arbeitsteiliger Praxis auf „Gesellschaftsebene“ führen, also zum „Gesellschaftszerfall“.
Ebenfalls wesentlich invariant bleibt das Bestehen- oder Nichtbestehen-Bleiben der betreffenden Beziehungen und ihrer Koordinations- (oder Verständigtheits-)Effekte angesichts wechselnder Inhalte; es ist also über die Sachgemässheit der „geltenden“, also die bestehenden Kooperationen, Aneignungen und Toleranzen bestimmenden kollektiven (bedingten) Projekte bzw Regeln nichts gesagt, sie können auch zunehmend unangemessen sein, oder hinter erreichte Standards zurückfallen. Des weiteren können die Beziehungen ihrer Art nach gleichbleiben, aber die Zahl der daran Beteiligten kann dramatisch (und in sprengend wirkender Weise) wechseln – etwa, wenn Ansprüche an Entscheidungsfähigkeiten, die überhaupt Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Einstellungsträgern (die zu andern solchen Beziehungen eingehen können) begründen, beständig steigen – oder umgekehrt können bislang Unbeteiligte in grosser Zahl beginnen auf Themen und Diskussionsstände aufmerksam zu werden und zB sich politisieren.

IRGENDWIE vergesellschaftet mögen dann weiterhin alle Angehörigen einer Bevölkerung auf einem grossen Territorium sein, sie mögen es sogar in denselben Beziehungsformen sein; aber die Niveaus der Inhalte, die auf diese Weise vermittelt sind, und der Art, wie die Begründungen für befürwortete Projekte und Regeln nachvollzogen wird, können extrem unterschiedlich sein.
Der Mangel von über meta- und transpersonale Beziehungen der genannten Arten vermittelten Koordinationen usw bzgl von grossen Gruppen befürworteter Projekte etc ist: dass die Begrenztheit der Anpassungsfähigkeit der so hergestellten Kooperationen usw nicht vor ihrem faktischen Überschreiten (also manifesten Zusammenbrüchen von Vergesellschaftung) sichtbar wird; und es auf meta- wie transpersonaler Ebene dann so gut wie keine Instrumente gibt, um daran noch etwas zu ändern.
Und genau daran wird die fahrlässig prekär gestaltete, kaum belastbare Vergesellschaftung durch meta- und transpersonale Beziehungen scheitern: Entweder durch zunehmend sach-unangemessene kollektiv akzeptierte Projekt usw-Definitionen (Aufschub von Problemlösungen, Mangel an Resilienz); oder durch Regression im Niveau oder generell Aufgabe von Koordiniertheit von Kooperation, Aneignung, Toleranzen: Gesellschaftszerfall (vor allem durch „Zurückbleiben“ immer grösserer Gruppen hinter den Anforderungen, die an ihre individuelle Lernbereitschaft, vor allem neben ihren notwendigen Reproduktions-Aktivitäten, durch zunehmende Komplexität der wissens-basierten Entscheidungssituationen gestellt werden.)
Beide Vorgänge sind in der bürgerlich verfassten derzeitigen Welt-Gesellschaft zu bemerken.


ANHANG:

Beiträge vom 27.06.2018 zu Christian Siefkes‘ keimform-Artikel „Facette jeder möglichen Zukunft: der Klimawandel http://keimform.de/2018/facette-jeder-moeglichen-zukunft-klimawandel/#comment-1258321

 

franziska (18.06.2018, 11:22 Uhr)

Ohne Not fetze ich mich ungern; die Frage, ob und wie man 12 Milliarden ernähren KÖNNTE, ist nachrangig verglichen mit der, wieviele Menschen sich wieviel Platz für ihre Lebensform WÜNSCHEN. Das wird sich, glaube ich, aus drei Gründen dramatisch nach unten regulieren:
1. weil man, genau um biologische Gestaltungsmöglichkeiten wahrzunehmen, wird zurück aufs „Land“ (oder Meer) gehen müssen;
2. weil die dort wartenden Entwicklungs- und Entdeckungsaufgaben derart beanspruchend sind, dass SEHR viele Menschen, die sich ihnen widmen, für Familiengründung keine Zeit haben (wobei zugleich die Betreuung des Nachwuchses und die Begleitung seines Auf- und Hineinwachsens in die Erwachsenen-Gesellschaft vermutlich um Grössenordnungen reflektierter und sorgfältiger sein muss als heute);
3. weil alle, die eine Lebensform kennengelernt haben, in der die von Franz angedeuteten biologischen Gestaltungsmöglichkeiten erfolgreich entfaltet werden, nie wieder in einer (Mega)Stadt werden leben wollen.

Der von Ripl angesprochene Wasserhaushalt ist EIN, wenn auch zentraler Aspekt in der Betrachtung der Zusammenhänge zwischen Siedlung, Anbaumethoden und Klimafolgen. Das agrarindustrielle Grundprinzip der „unmittelbaren“ Pflanzenernährung“, das man für die kosten- und schadensträchtigen Nebenfolgen dieser angeblich hochproduktiven Anbauweise verantwortlich machen kann, betrachtet den Boden mehr oder weniger als Haltesubstrat. Ansonsten hat er jede Funktion verloren, dass er TOT ist, zumindest Bodenleben dabei weitgehend abgetötet wird, wird billigend inkaufgenommen, ebenso die Tatsache, dass die Lebensprozesse von Pflanzen auf eine intensive Zusammenarbeit mit dem Bodenleben hin ausgelegt sind, und ohne es quasi als funktionelle Rumpf-Präparate in einer künstlich „gestalteten“ Umgebung existieren, worin biologische Prozesse beinah ausschliesslich stören, und durch (der Absicht nach) optimal steuerbare chemische Prozessführung ersetzt werden.
Es gibt oder besser, gäbe einen dem diametral entgegengestezten Ansatz, man könnte ihm den Namen „ökologisches High Tech“ nennen -und damit ist nicht oder zum allergeringsten Teil, wenn überhaupt, Züchtung (oder Gentechnik) gemeint. Niemand kann heute die CO2-Speicherfähigkeit eines Bodens mit optimal LEBENDER organischer Substanz abschätzen. Allein für die (noch) vorhandene Masse der wichtigsten „toten“ Nebenprodukte der Lebensprozesse von Bodenorganismen, Glomalin (Klebestoff für „Krümel“ und damit Porenbildung) und die „Dauer“-Humus-Verbindungen, gibt es Schätzungen in Höhe der 30fachen Menge des in den Weltmeeren gespeicherten CO2. In der industriellen Landwirtschaft sind 1-2% „organische Bodensubstanz“ schon viel, Werte weit über 5% wären aber möglich. Die Frage, wie der Anbau ÜBER dem Boden aussehen muss, damit IM Boden solche Werte erreicht werden, ist wahrscheinlich eine der Schlüsselfragen im bezug auf die von Franz benannten „Gestaltungsmöglichkeiten“. (Das wiederholt sich bei den Ansätzen zur Förderung und Steigerung der Planktonproduktion in den Meeren.) Die Forschung an diesen Fragestellungen wird derzeit praktisch nur von Aussenseitern und akademischen Nischenbewohnern vorangetrieben. Und das hat einen Grund: Wie immer der Anbau im einzelnen „gestaltet“ werden wird (und es müssen ja garnicht ständig „Nutzpflanzen“, jedenfalls nicht die bekannten, womöglich noch in Monokultur, sein): Er wird auf sorgfältigster Beobachtung lokaler (ua. Nutzpflanzen)Biotope beruhen, und der dabei gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Anforderungen, die ihr Erhalt (bei uU extremeren Wetterbedingungen) stellt. In jedem Fall wird man sich diese Art Lebenstätigkeit nicht von Robotern abnehmen lassen; abgesehen davon, dass sie sie nicht erbringen können. Gut möglich, dass ein Grossteil der Problemlösungen im Zusammenhang mit CO2-Reduktion in der biologischen Landwirtschaft gefunden werden.
Edit: Zum Begrünungskonzept in den verlinkten Filmen merke ich an, dass der Wasserhaushalt im Boden nicht in erster Linie durch die Pflanzendecke geregelt wird (so wichtig es ist, dass der Bodne bedeckt ist), sondern natürlich vor allem durch die Bodenstruktur, die die Boden-Lebewesen zusammen mit den sie ernährenden Pflanzen aktiv bauen: Humus zB ist die Wasserspeicher-Substanz schlechthin.

 

franziska (19.06.2018, 11:10 Uhr)

 

Verständigtsein ist gut, weil wir gemeinsam Probleme lösen müssen (wie wir uns bei allgegenwärtiger Wissens(auf)teilung verständigen sollen, ist nicht das geringste unter ihnen). Hier sind drei Probleme, die ich mit Passagen aus deinem Text verbinde, @ Franz (Nebentext kursiv):

1. Die Erleichterungen, die sich Stadtbewohner (und städtisch lebende Landbewohner) von Technik erwarten, beruhen auf einer von langer Hand durch technischen Fortschritt geformten, vor allem disziplinierten Lebensführung.
Eins der am meisten vernachlässigten Themen im Zusammenhang mit der Planung kollektiver Reproduktion ist die Frage, wie man eigentlich – wenn man das wollte – Reproduktionsniveaus hinsichtlich der Aufwendigkeit und Anspruchsfülle der verwendeten Technologien SENKT. Bei ökologischen oder Ressourcen-Knappheits-Erwägungen kommt dieser Gesichtspunkt grade eben noch, marginal, vor; beim Lebensstil (ausser bei „Aussteigern“) rein garnicht. Würde man sich dem Thema widmen, wäre klar, dass eine bewusste Rückabwicklung (anders als das „blinde“ Vorwärts-Wuchern von immer neuen, immer komplexeren Technologien, auf Basis gegebener) anders als genau abgestimmt und geplant unmöglich wäre: Da würden sich immer neue und nicht erwartete Bedarfs-Lücken auftun – das vorsichtige Zurückfahren würde alsbald in einen unkontrollierten Absturz münden. Und das gilt nicht minder für Vereinfachungen des Lebens- und Arbeitsstils; um so mehr, wenn dabei nicht auf bereits vorhandene und zwischenzeitlich aufgegebene Techniken zurückgegriffen werden kann, sondern völlig neue entwickelt werden müssen.
Die Bedürfnisse HEUTIGER Stadtbewohner, die sich aus IHREM Lebensstil ergeben, sind natürlich nicht zu verurteilen, aber sie sollten nicht die Vorgabe sein, an der wir radikale Lebensstil- und vor allem Produktionsweisen-UmstürzlerInnen uns orientieren.

Anm. 1: Eine Eigentümlichkeit vor-industrieller Produktions- „Architekturen“ wird gering geschätzt, nämlich die Bereitschaft, ganz bewusst aus rationalen Beweggründen SUBOPTIMALE Lösungen zu akzeptieren, die ein Problem HINREICHEND gut beheben. Solche Lösungen unter einschränkenden Randbedingungen aller Art zu finden, erfordert auch technische Intelligenz – gerade raffiniertes low tech stellt höchste Ansprüche!

Anm. 2: Man kann die aktuell technisch hypertrophen Produktions-Architekturen der Industriegesellschaften (die mit extrem wenig Redundanzen arbeiten; es soll ja alles immer maximal „produktiv“ sein!) nicht geordnet zurückfahren, sondern muss die radikalökologische Produktion in technischen ebenso wie sozialen Nischen bzw der Peripherie aufbauen (Regenerationsprojekte eignen sich hervorragend dafür). Bei diesem Neu-Aufbau einer Bedürfnis- (oder Menschen-), ökologisch (oder Natur-) und sozial (oder Kultur/ Vergesellschaftungs) -verträglichen Lebens- und Produktionsweise wird genau die innere Struktur der Produktionsweise (das, was ich ihre Architektur nenne), das sukzessive Hinzunehmen von Aufgaben, wenn die vorausliegenden gelöst sind, ein zentraler Entwicklungs-Gesichtspunkt sein.

2. Menschen, die in einer technisch weit fortgeschrittenden Branche gearbeitet haben, können sich meist nicht vorstellen, dass es Bereiche gibt, in denen wir zurück in eine absolute Pionier-Situation versetzt sind. Biologisch informierte komplette Selbstversorgung (ev mit Reserven und Überschüssen) auf einem vorgegebenen Gelände mit vorgegebener Grösse IST solch eine (noch dazu hoch komplexe) Herausforderung; und sie wird nicht kleiner, wenn man versucht, ihr mit möglichst wenig Industriegütern zu genügen (stattdessen möglichst regional (wenigstens reparatur-)autark, ressourcen-erhaltend, modular-synergetisch, leicht lehr- und lernbar, robust usw)  BEI MAXIMAL VIEL FREIER ZEIT (denn wir müssen ja noch andern herausforderungen genügen! und dabei gut leben…).

3. Alle, die hier schreiben, dürften darin übereinstimmen, dass die von ihnen befürworteten Vergesellschaftungsentwürfe ZWANGFREI funktionieren sollen. Vielfalt der Produktionsmethoden wird sich aus den Anforderungen der Regionalität und der ökologischen Verträglichkeit von selbst ergeben. Ob aber auch Vielfalt der kollektiven Einstellungen – das erscheint mir zweifelhaft. Darf ich das ersetzen durch REICHTUM: Alle Beteiligte, übergreifend über alle Regionen, sollen alles für alle, jeweils speziell und generell, Wichtige kennen, verarbeiten, sich darüber verständigen und gemeinsam weiter lernen. Sie sollen beweglich sein und den Ort bei Bedarf wechseln und sich andern Gemeinschaften anderswo jederzeit ohne grössere Probleme anschliessen können. Weltweites kollektives Lernen – GLEICHER Inhalts-REICHTUM für ALLE – das wäre meine Formel. (Und ein extrem vorsichtiger Umgang mit Arbeits- und Wissens(auf)teilung…) – Die dafür nötigen Vermittlungs-Leistungen nach aussen sind Gegenstand einer (meiner?) Transformationstheorie, unnd können hier nicht auch noch abgehandelt werden…

Genug Stoff für erheblichen Verständigungsbedarf, fürchte ich (zumal ich riesige Themenfelder nur extrem kurz ansprechen kann)…

PS: Wir sind ganz eng beim Klimathema, wenn meine Arbeitshypothese stimmt: Dass die biologische Boden- (und Meer)Bewirtschaftung der Schlüssel zur CO2-Rückgewinnung sein könnte (zusätzliche technische Not-Massnahmen jeder Art nicht ausgeschlossen).
Edit @Benni: Wenn Geo-Engineering die einzige Lösung sein soll, dann läufts mir kalt den Rücken runter. Grundsätzlich gibts da bei mir den Verdacht, dass der Energie- und Ressourcenaufwand dafür schnell wieder zu gross wird.


 

franziska (21.06.2018, 18:34 Uhr)

Und schon geht es los…:https://www.zeit.de/wirtschaft/2018-06/klimawandel-treibhausgase-negative-co2-emissionen

@Christian Die Pointe ist dir entgangen (bzgl CO2; das hat fürs erste mit Stadt/Land nichts zu tun). „In Pflanzen“  (über und unter dem Boden) sind nur Bruchteile des Kohlenstoffs (noch dazu sehr reversibel, Stichwort: Mineralisation) gespeichert, der in organischen Verbindungen im Boden steckt – Indikativ; wieviel dort auf biologischem Weg gespeichert werden KÖNNTE (Potentialis) – da sind die Schätzungen nach oben offen. Wie bei so vielen speziell biologischen Parametern im Zusammenhang mit CO2. – Viele kennen nicht die erst seit 10-15 Jahren so richtig bekanntgewordene Tatsache aus der Pflanzenphysiologie, dass erhebliche Anteile der gesamten Photosyntheseleistung wachsender Pflanzen über die Wurzeln ihren Pilz- und Bakterien-Symbionten zugeleitet wird. (Zahlenangaben stark schwankend.) (Es ändert sich beim Übergang in die Vermehrungs-Phase, also Ausbildung von Fruchtkörpern usw). Das wird in der biologischen Agrartechnik durch Anbau hoch-biodiverser Zwischenfrüchte genutzt.
Wieviel die agrarindustrielle Bewirtschaftung der Böden zum gesamten CO2 Aufkommen beigetragen hat, ist noch nicht klar, aber die Kluft zwischen 10%org.Bodensubstanz unter Gras und 1% unter konventionellem Acker ist erheblich. Die Schwarzerdböden in Osteuropa lehren noch etwas andres, nämlich dass es möglich ist, humose Erdschichten (8m dick) anzuhäufen. Unter Mithilfe ua grosser Weidetierherden:https://www.metropolis-verlag.de/Die-Kuh-ist-kein-Klimakiller/1209/book.do
Wer immer Geld frei hat, sollte heute einen Preis ausloben auf die Entdeckung, wie (sog Dauer)Humus in freier Natur entsteht – ein Polymer aus aromatischen Ringen mit sehr viel reaktiven Seitengruppen (va Sauerstoff). (Freilich wird selbst das mit dem Polymer bestritten; ebenso ist unklar, was „Humus“ „dauerhaft“ macht.)Obwohl zentrale Annahmen in den Klimamodellen mit Hypothesen über „Humus“ und CO2-Speicherfähigkeit in Böden arbeiten, ist mein Eindruck, dass die betreffenden Boden- und Humus-Forscher verschiedener Fachgebiete nicht zusammenarbeiten und zentrale Arbeiten über Themen von Interesse für ALLE (und die Allgemeinheit sowieso) nicht kennen. Mir geht es bei so gut wie jedem Kontakt mit fast jeder Zentral-Sphäre bürgerlicher Gesellschaften so, dass  sich Abgründe an Dysfunktionalität aus Mangel an Kooperation auftun; so hier in der Wissenschaft.Von daher, @Annette 23: Wie solche Menschen, so organisiert, je etwas halbwegs Koordiniertes hinbekommen sollen wie eine „Revolution“ (oder gar das Danach), ist mir ein Rätsel…


franziska (24.06.2018, 09:10 Uhr)

Der Klimawandel ist eine Technikfolge, bekämpft werden kann er nur mit NOCH mehr (NOCH prekärerer) Technik. Die Menschen im Brunnen waren seit je nur zu retten, wenn die Brunnen immer grösser wurden und werden – bis sie die Ausmasse ganzer Küstenregionen annehmen. Und das ganze ist nicht mal im Ansatz anders zu gestalten, denn niemand wird mit einschlägigen Gesprächen weiter seine Zeit verschwenden. Warum sollte man auch — wenn die extrem sorgfältig recherchierten und detailliert belegten IPCC-Berichte nicht überzeugen, dann ist das nicht mehr diskutier-, nur (derzeit, noch) schimpfend ausfechtbar. Wir können im Zweifel Bürgerkrieg (Technologie dafür steht bereit), Verständigung… weniger (dafür ist Technologie schliesslich nicht gemacht).
Wenn DAS nicht DIE Erscheinungsform schlechthin der „Widersprüche“ in der (notgedrungen bürgerlichen) Spätmoderne ist – was dann?

Edit: Um noch etwas Konstruktives (als ob das helfen würde) nachzuliefern, möchte ich auf die beiden Autoren eines Aufsatzes vom Dezember 2015 in Nature (leider hinter Paywall) verweisen, Johannes Lehmann und Markus Kleber*):
https://www.nature.com/articles/nature16069
In diesem Artikel geht es um mancherlei höchst Bedeutsames (unter anderm die Frage des Polymer-Charakters von „Humus“), vor allem habe ich daraus gelernt, wie (angesichts der überragenden Rolle der belebten Böden für die CO2-Retention) Variationen in den Modellannahmen über Beschaffenheit und Verhalten von Huminstoffen (die höchst unsicher erforscht sind) deutliche Unterschiede in den Modellen (und, nebenebi, in den Bewältigungs-Strategien) verursachen. Man sollte meinen, eine interdisziplinäre Konferenz zu so existenziellen Themen jagt die nächste. Aber nein – in der aktuellen Wissenschaft weiss die rechte Hand nicht, was die linke Hand tut (und es sind ja hunderttausende Hände…)

*) Kleber hatte den Gehalt des Artikels in einer Präsentation auf seiner privaten Website dargestellt, ich kann die leider im Moment nicht finden.

 

 

franziska (27.06.2018, 11:26 Uhr)

 

Eine Fortsetzung bzw Vertiefung meines etwas knapp gehaltenen letzten Kommentars oben ist an der in meinem Nick verlinkten Stelle zu finden.

Ich denke, es ist offensichtlich, dass meine Beiträge zumindest sehr verwandte Intentionen haben wie die von Annette.
Meine hier auf der Seite immer wieder vertretene Hauptthese lautet: Die existenziellen Konflikte der nächsten Jahrzehnte werden auf der (im traditionellen Jargon gesprochen) Produktivkraft-Ebene (und genau darum dann auch auf der der Produktionsverhältnisse) ausgetragen werden – nicht nur unter uns oder „hierzulande“, in den „entwickelten“ Ländern; sondern in der gesamten Welt-Bevölkerung. Die dann anstehenden Auseinandersetzungen sind immer auch Verteilungskämpfe – solche um Prioritätensetzungen und die Frage, wer notwendige Verzichtsleistungen zu erbringen hat. In diesem, durchaus katastrophen-trächtigen Umfeld werden die diversen (!) Keimformen aufgebaut werden, in ihm muss es gelingen, sie zusammenwachsen und zusammenwirken zu lassen zur robusten, lebensfähigen, und wegen ihrer erwiesen überlegenen Problemlösefähigkeit allgemein zur Übernahme einladenden neuen Epochen- „Elementarform“.

Vorausgesetzt, es gibt überhaupt noch eine Zukunft. Was nicht sicher ist (aber auch nie war, und nie sein wird).

Der hier auf die website verschobene Text lautete:

In meinem kurzgefassten Kommentar oben war metaphorisch (Brunnen usw) meine Zentralthese (exemplarisch am Klimawandel zu illustrieren) ausgedrückt: Der ausschliesslich auf Effekt, Effektivität und Effizienz (Produktivitätswachstum) orientierte technologische Fortschritt schafft sich über seine „Technikfolgen“ die Notwendigkeit, ihn rastlos weiterzutreiben – er ist längst (für alle, die ihn nicht um siener selbst willen befürworten – diese Minderheit gibts schliesslich auch) zum circulus vitiosus ausgeartet – niemand weiss, wie man ihn stoppen soll (ohne Absturz in Katastrophen aller Art). Und die Kursivierungen der Exzellenz-Prädikate bzgl der IPCC Argumente verwies auf das (unabhängig vom Effekt-Fortschritt bestehende) Problem der Wissensverarbeitung: Die Züchtung von Expertenkulturen, die der Nachvollziehbarkeit ihrer Wissensererbe uneinholbar davoneilen, wirft uns Universal-Laien (da wo wir nicht selbst professionell mittun) in voraufgeklärte Unmündigkeit und Vertrauen-Sollen zurück, wir müssen wieder glauben, weil wir nicht wissen können (und niemals werden; wer soll das alles prüfen? Wehe, wenn tatsächlich mal nachgechaut und nachgeforscht wird, ob das alles so seine Richtigkeit hat: Meta- und Replikationsstudien – oje, was da rauskommt, das will man garnicht wissen (und wie teuer das allein würde: Die (nicht durch offensichtlich „funktionierende“ Anwendungen unmittelbar überprüfte) experimentelle und Befund-erhebende Wissenschaft verdoppeln, verdreifachen…). Das Peer-Review-Prinzip trägt auch nicht grade zur Vertrauensbildung bei (obwohl es genau die doch bewirken soll) – und die halbgaren „Populär-Darstellungen“ sehen nicht glaubhafter aus als ihre Gegenstücke, mit denen sich Aussenseiter, „Skeptiker“, „Kritiker“ ans allgemeine Publikum wenden, um der Lehrautorität die unvermeidliche Häresie an die Seite zu stellen.
Was soll man da auch noch machen, ausser schimpfen, ignorieren, sperren, löschen; für andres reicht die (Lebens)Zeit aller Beteiligten nicht. Und doch hängen existenzielle Weichenstellungen und Festlegungen (so oder so!) für die nähere und weitere Zukunft davon ab.

Christian schreibt über Zukunftsperspektiven; eigentlich aber über Gegenwärtiges, das in Zukunft fortzuschreiben ist. Dabei laufen die gegenwärtigen Diskussionen bei keimform, die oberflächlich gesehen, thematisch auseinanderstreben, in Wahrheit immer mehr auf einen gemeinsamen Konvergenzpunkt zu.
Dazu gehören nicht zum geringsten Christians Pessimismus bzgl erwartbarer Gegenmassnahmen im Artikel oben, und Annettes, nennen wir es: Aufruf zur Ent-Täuschung: Es wird alles nicht so leicht.
Dem möchte ich eine weitere Dimension hinzufügen; der Text hätte genauso auch in den Kommentaren zu den voraufgehenden Artikeln von Christians Serie stehen können:
Gegenwart wie (mögliche) Zukunft in dem sich abzeichnenden Epochen-Umbruch sind leider nicht (oder nicht vorwiegend) nur durch sich öffnende Optionen charakterisiert; sondern eben auch durch all das, wofür der Begriff KRISE steht (und dahinter baut sich drohend die KATASTROPHE auf…).
Die aktuellen gesellschaftlichen Krisen-Tendenzen scheinen mir zunehmend geprägt durch:
ÜBERFORDERUNG (von Personen und Systemen; ich denke, das betrifft auch uns)
VERSAGEN (zB „Markt-Versagen“, „Staats-Versagen“; „Gesellschaftsversagen, Kulturversagen? was uns angeht, ist es das „noch nicht so weit sein“, objektiv nicht genügend vorbereitet sein)
VERWEIGERUNG (Aussitzen, Weitermachen)
VERLEUGNUNG (der Krisen-Phänomene: Klima-Hoax)
REGRESSION (alles geht viel einfacher, nämlich so:…)
REPRESSION (keine Zeit mehr für Debatten, jetzt wird (die Einfach-Lösung) durchgesetzt!)

Als „konkrete Utopisten“ müssen wir genau das (zumindest AUCH) bei zunehmend grossen Gruppen von Funktionsträgern und in der Bevölkerung unterstellen.
Als Theoretiker sollten wir unbedingt unsere Ursach-Erklärung überprüfen. Ist es wirklich der Kapitalismus als („transpersonale“) („Elementar“-)Form ALLEIN, oder er als (einzig möglicher, und zugleich zunehmend scheiternder) Versuch, das epochal erwünschte und erstrebte industrie-technologische Produktivitätswachstum (quasi als Selbstzweck) gesellschaftlich-arbeitsteilig koordiniert organisieren zu helfen?
Als Kritiker sollten wir die Schadensquelle präziser als bisher fassen, vor allem angesichts der Frage: Was an dem genannten Wachstum (also auf der Produktivkraft-Ebene) wert ist fortgesetzt zu werden – oder umgekehrt, welche uU einschneidenden, ja geradezu die ganze Richtung ändernden Rücksichten (von der Art, wie Annette sie anmahnt) zu nehmen sein werden?
Anm.1 Die intelligente Zusammenarbeit mit der uns umgebenden, oder besser: uns tragenden Biosphäre könnte die Arbeitslast womöglich enorm reduzieren; bei raffinierter biologischer Produktion denke ich vorwiegend an Arbeits-Einsparung durch geschicktes Herstellen biologischer „Voll-Automation“. Was sind, darüber hinaus, Anforderungen an eine Biosphären–zentrierte „Produktions-Architektur“, die ganz auf die weltweit Menschen-gemässe „Lebbarkeit“, Vergesellschaftbarkeit und kollektive Steuerbarkeit ausgelegt ist?
Anm. in der Anm. Das Aussterben von Arten senkt die Flexibilität und Robustheit des betreffenden Ökosystems. Das Risiko und der Schaden, der bei Degradation solcher Systeme entsteht, ist grad so gross, wie wir auf dieses Ökosystems und seine Robistheit angewiesen sind. Bei vielen dieser Systeme ist der Nutzen noch garnicht erforscht. Bloss: Wenn sie weg sind, sind sie weg. Eventuell werden wir, angesichts des Ausmasses der von unsern Vorfahren und Zeitgenossen angerichteten Zerstörung, renaturierte Kulturlandschaften in grossem (planetaren) Stil aufbauen müssen – neue Ökosysteme, wie es sie vorher so (so reichhaltig, vielfältig, produktiv) nicht gab. Dabei geht es bei weitem nicht um die Ernährung „eine Menge von Menschen“, sondern durchaus um die aller. Aller Lebewesen, genau genommen – denn die sind in „unsere“ Reproduktion zu sehr grossen Teilen eingeschlossen.
Anm.2: Wäre es nicht eine Ironie ohnegleichen (die beinah mit dem „Funktionswechsel“ gleichzusetzen wäre), wenn sich herausstellen würde, dass ausgerechnet die (von intern komplett eigentumsfrei organisierten Gruppen betriebene) radikal-biologisch renaturierende Form der Land- und See-Bewirtschaftung zugleich die wirksamste aller CO2-Rückgewinnungsmassnahmen darstellt?)
Als Prognostiker sollten wir mehr als bisher wissen über die Vielfalt von „Keimformen“, die es gibt, und die auch nötig sind und immer mehr zusammen-wachsen und -arbeiten sollten, wenn sie sich (nach dieser Zusammenführung) in der sich verschärfenden Epochenkrise als DIE epochal neue und darum Problem-lösende Produktionsweise darstellen und auf Dauer den Funktions- und Dominanzwechsel“ herbeiführen.
Als Praktiker sollten wir besser als bisher herausfinden, welche Aufgabenlösungen in diesem absehbaren Verlauf für uns als erste anstehen; und wo unser Platz ist.



Beitrag zum thread: Profitmaximierung und die Alternativen:

franziska (05.08.2018, 13:27 Uhr)

@Franz Der sog Kredit (eigentlich eher: die Investition) ist in Christians Modell politisch bewirtschaftet (wie auch immer). Aber zu deinem Argument, Franz, das mir auch eingefallen war, kommt ja noch ein zweites: Die Mittel, die durch die „politischen“ Kredite bezahlt werden, müssen ja erst erwirtschaftet werden. Fragt sich nur, von wem, unter welchem Titel? Besteuerung? In jedem Fall geht dieser Teil des „Betriebserfolgs“ (notwendig über die Kosten hinausgehend) sowohl von LM als auch VO ab. Aber immerhin… habens ja dann irgendwie alle so gewollt.
Der Eindruck drängt sich immer wieder auf, dass es „ein bisschen Kapitalismus“ eben nicht gibt. Und man in modernen Zeiten vormoderne Märkte nicht gut simulieren kann. Warum man es dennoch tut, und daran verzweifelt als einer sinnvollen Organisationsform festhält?
Darum: Weil sich auf dem mittlerweile erreichten technologischen Komplexitäts-Niveau der weitere technische Fortschritt und die zugehörigen Optionen von Einzelpersonen überhaupt nicht mehr überblicken lässt (maW von niemand). Wer versucht es denn überhaupt zur Zeit auch nur annähernd? Einzig die verfluchten Finanzjongleure an den Börsen… Und worauf starren sie ununterbrochen, wenn nicht auf (hoffentlich, irgendwie) darstellbare Betriebserfolge, „Fundamentaldaten“, allgemeine und spezielle Nachrichten zu technologischen Innovationen, oder möglicherweise sich öffnenden oder schliessenden Märkten.Die Börsen, die „Finanzmärkte“… das ist unser gegenwärtiges Pendant zur „Zentralen Plankommission“…Demnächst dann ersetzt durch die demarchische Produzenten-Vollversammlung (digital?), die „ihren“ Fortschritt steuern will…

 

franziska (06.08.2018, 20:54 Uhr)

 

An den RBAs wird doch eines ganz deutlich: Leute, die über ihre Arbeit kollektiv verfügen und sie sinnvoll gestalten können, haben keine Konkurrenz-getriebenen VO- oder LM-Interessen, nach dem Motto: Was müssen wir hier (für wen) abliefern, um mit wieviel (für uns) nachhause zu gehen, und DORT leben wir dann; sondern da, wo sie die beste Zeit ihres Lebens verbringen, beim Produzieren, da liegen auf einmal ihre Interessen, und so habe ich immer Marx‘ etwas verunglückte Wendung verstanden: Die Arbeit wird dann erstes Lebensbedürfnis – soll nicht heissen, dass alle workoholics und Stachanows werden, sondern dass sie arbeitend tatsächlich leben, und es nicht nur zweckmässig, sondern befriedigend ist, was sie da tun.

Der innerbetrieblichen Zweckmässigkeit auf befriedigende (und zumindest nicht überfordernde) Weise zu genügen, mag gelingen, sogar auf Dauer. Die Schwierigkeit liegt im Verbund der Betriebe und der Belegschaften – auf Dauer, unter Bedingungen des Lernens und der Notwenigkeit kollektiver Problemlösungen, die hohes Koordinations-Niveau erfordern (hohe Integration der gesamten Reproduktion).

Genau das ist bei ökologischer Produktion der Fall, ich sage obendrein: ebensosehr bei einer Produktion, die darauf hin eingerichtet wird, dass das damit verbrachte Leben für ALLE lebenswert ist; ebenso bei einer, die Verständigung aller mit allen (in allen wesentlichen Hinsichten, als Endzustand, weltweit) zulässt (und in dem Sinn: auf Vergesellschaftbarkeit hin eingerichtet wird).

Kaufen und Verkaufen zwischen Co-Betrieben ist solchen Ansprüchen nicht gewachsen. Aber wenn es das nicht ist – wie will man denn damit den Anforderungen der nächsten 50-100 Jahre genügen?


Beiträge im thread: Weitere Gedanken zu den Freundinnen
franziska (08.09.2018, 07:18 Uhr)

 

Was an Praxis heute daist, hat eine lange Vorgeschichte und ist somit IMMER geworden. Menschliches Handeln, Regelsysteme, Praxis sind darüberhinaus IMMER änderbar (sonst ists kein Handeln, sondern was andres). Die Frage ist: ob es gute Gründe dafür gibt, etwas zu ändern. Wie ein Regelsystem, eine Handlungsweise historisch entstanden ist (und mit welchen Absichten, Gründen, aus welchen Ursachen) – das sagt aber nichts darüber, wie es ab jetzt weitergeht und weitergehen KANN.
Es könnte ja eine Sackgasse sein, in die dies So-Gewordene geführt hat. Da gehts dann, bei allem Gewordensein, leider NICHT weiter, solches Werden (eigentlich immer: Weiter-Tun), kann nur abgebrochen und durch etwas GANZ andres ersetzt werden.
——————–
Euer Denken hier so wie das vieler anderer Radikallinker (zB der Freund*innen), kreist, nicht erst seit heute, um Probleme der modern-globalen Arbeits- und Wissensteilung – Quelle unerhörter, nie dagewesener Produktivität und Wirkmacht. In euern Versionen einer Transformation gehört das zum Nicht-zu-Transformierenden; die Transformation soll ja nur sein eine in den Beziehungen der aufgeteilt (divided) Arbeitenden (vor allem eine Änderung in der Art, wie sie zur (transpersonalen?) „Beziehung“ des Teilens (share) der Zwecke kommen, denen die Auf-Teilung der Arbeiten dienen soll.)

Aber anders, als im Buch in der von mir bereits zitierten Fussnote 32, S.158/9 behauptet, war die Arbeits- geschweige denn Wissensteilung und ihre Notwendigkeiten kaum je ein Thema für ernstzunehmende Radikallinke: Sie ist das so gut wie komplett Invariante und unverändert zu Übernehmende. Grade auch und besonders dann, wenn wir uns „die Welt machen, wie sie uns gefällt.“
Wo kämen wir auch hin, wo sie sich grad so grossartig und unter unsäglichen Opfern*) entwickelt hat! Obwohl man vom „Reich der Notwendigkeit“ spricht, scheint da fraglos ein, für manche gar DER Inbegriff von (technischen) Möglichkeiten eröffnet (im Sinn von: Wir können alles. Ausser alles.):

Ökologie ist nur eine Frage von Emissionsfiltern (ganz abstrakt verstanden) – eine BioTechnologie-Frage.
Bedürfnis-Bezogenheit ist eine Frage der Ergonomie (ebenso) – eine Psycho- und Physio-Technologie-Frage.
Und Vergesellschaftbarkeit… nun, darüber wird ja hier nachgedacht – über die Optimierung der Sozialtechnologie (geschickte Wahl der -cracies).

*) „Improvement“, aach, das ist ja NUR „Profit“-bezogen und -geschuldet; die Etymologie beweist es.
—————————–
Es ist nur so:
Ich kenne nicht EINEN Konflikt, in mir selbst, meinem persönlichen Umfeld, der Nachbarschaft, der engeren und weiteren, schliesslich auf kommunaler bis nationaler und internationaler Ebene, der IM KERN nicht darauf zurückgeht, dass Leute (sofern sie, mehr (seltener) oder weniger (häufig) kompetent) verschiedene Meinungen haben darüber: WAS zu tun zweckmässig ist, und WIE es getan werden sollte. Das „von wem, für wen“ ist dem immer schon unter- und eingeordnet: als Teil zweckmässiger Organisation der anstehenden Arbeiten. Nur: Was ist „zweckmässig“?

Kapitalismus offenbart, unter diesem Gesichtspunkt, eine ganz ungewohnte Seite: Er vereinfacht so schön. Ja! Ja! – es geht NUR um den Profit, wo, wie auch immer er erwirtschaftet wird. Da weiss man immerhin, was zu tun ist.
Wehe, wenn dieser Vorwand wegfällt.
Ein brodelnder Abgrund an Entscheidungs-Notwendigkeiten tut sich auf.
Und an Einigungs-, Planungs-, Zusammenhangs-Übersichts-Gewinnungs-Notwendigkeiten.
Man kann viel gegen Kapitalismus sagen, aber… DAS erspart er seinen Bewohnern dann doch: Verantwortung für den zweckmässigen Zusammenhang ihrer Einzelarbeiten.
Mit andern Worten: er verschleiert die Tatsache, dass das Problem UNLÖSBAR sein könnte.
Aber wir haben ja noch: Stigmergie, Logistik-Commons, Do-cracies, Industrie 4.0, KI, und Unmassen an Rechenleistung.

Wir schaffen das.
(Schon.)
(Noch.)

(Irgendwie.)

 

franziska (09.09.2018, 10:53 Uhr)

 

Vorab, s.o.: Eine Möglichkeit („…UNLÖSBAR sein könnte“) ist keine „Tatsache“, ich ändere diesen Satz in meinem letzten Beitrag daher in:
„Der Kapitalismus wird unbesehen für Koordinationsprobleme (und andre) verantwortlich gemacht, die womöglich aus den Prinzipien selbst resultieren, nach denen wir modern-arbeitsteilige Reproduktion und Fortschritt (um das veraltende Traditionswort „Produktivkraftentwicklung“ zu vermeiden) derzeit denken – auch als Radikallinke.“

Das heisst nicht: dass die gegenwärtigen Beziehungen in Wirklichkeit garnicht problematisch wären, im Gegenteil: Diese Beziehugsweisen kommen dann noch zu allem andern (das nach ihrer „Abschaffung“ oder „Aufhebung“ bleibt) dazu: Machtgefälle. Massen von Leuten (die meisten davon obendrein mehr oder weniger stark physisch und psychisch angeschlagen), mit historisch zurückgebliebenen und/oder zurückgefallenen Standpunkten. Das Gebirge aufgehäufter, da aufgeschobener Probleme.

Aber da ist eben noch was andres, und Leute wie ich (für die Befürwortung radikaler Eigentumsfreiheit immer schon selbstverständlich war) sehen das als den Elefant im Raum (UNSERM, radikallinken Diskursraum): das moderne Weltverhältnis selbst. Bei Benni gab es dafür in seiner Epochen-Systematik einen Namen, da, wo es um die kommunistische Weise der Koordination gehen sollte: Wissensgesellschaft. Genau darum geht es: Ob das moderne Wissen überhaupt verarbeitet, und insofern eben auch: vergesellschaftet werden kann. Aber selbst das ist nur eine Frage unter mehreren, ich sehe mindestens zwei weitere, nämlich: Ob das Wissenserwerbs-Projekt der Moderne (selbst in seiner fortgeschrittensten Form) nicht ein mörderisches Loch, ein unbehebbares Defizit aufweist, indem es das (immer auch praktische) Kategoriensystem, mit dem die Biosphäre erschlossen werden müsste, schlichtweg nicht gedacht (bewusst, explizit gemacht) hat. Angefangen bei uns selbst – als Teil dieser Biosphäre, die wir technisch derzeit nicht, womöglich AUS PRINZIP NIE, werden „kontrolliert“ simulieren können. Das ist die zweite, und vielleicht die bei weitem drängendere Frage: Ob wir das alles, was uns („uns“, „hier“, unter ziemlich welt-besten Bedingungen) modern zugemutet werden soll, eigentlich noch verkraften.

Man möchte meinen, dass hier Berge von Theorie vorliegen müssten; aber was wir stattdessen haben, ist die schlichte Versicherung, man möchte fast sagen: das Versprechen (beileibe nicht Stefans und Simons, sondern beinah aller Radikallinker, die was auf sich halten): Wir machen uns (spätestens dann!) die Welt, wie sie uns gefällt. (Es wird schwierig. ABER… (irgendwie… schon…))

Ich sehe also einen Problem-Elefant/Loch, ein Ungetüm an Herausforderung; und die Andern hier… (abgesehen von Franz oder HHH; vielleicht Annette; Christian, wos ums Klima geht)… sehen nichts; nichts von Belang, für sie, für uns.
————————-
Und es gibt NOCH eine solche Fundamental-Differenz im Problem-Befund, die „Beziehungen“, die zu allem dazukommen; auch so ein Fall von „schwierig, aber irgendwie wird das schon (bald)“.
Ich habe keine solche Nah-Erwartung; und zwar selbst für den so gut wie auszuschliessenden Fall, dass plötzlich auf „uns“ (Linksradikale) alle („System“-)Hoffnungen gesetzt würden: Wir müssten sie ja enttäuschen.
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Einen Trost gäbe es: Genau dass beide Problemberge zusammentreffen, entlastet uns. Wir (aber sind wir überhaupt noch ein „Wir“?) werden noch lange für uns bleiben; wir müssen nicht nur, wir können uns die nötige Zeit lassen, wir versäumen nichts; da draussen wartet niemand auf uns.

Mein Vorschlag liegt doch längst auf dem Tisch (in meiner Umgebung wird er auch ausgeführt). Wir gehen aufs Land, wir bauen eine menschen-, natur-, vergesellschaftungsgerechte Produktionsweise, anfangend von den nächst- und erst- zu lösenden Reproduktionsaufgaben (renaturierende Landwirtschaft (glaubt bloss nicht, die gibts schon), Haushaltsführung; radikal naturverträgliches Renovieren und Bauen (gibts erst recht nicht) usw). Bedürfnisgerecht heisst immer auch: genug freie Zeit, um die Innen- wie die Aussenbeziehungen immer besser zu begreifen und (darum, soweit möglich) beeinflussen, gestalten zu können. Und… Eigentumsüberträge in Gestalt von Schenkungen (es sind nicht wenige, zB kinderlose 68er, die dazu bereit wären; wenn ein Projekt nur Sinn machen würde) werden noch lange dazu gehören.
So einfach, so schwer könnte die Lösung sein.
((Wal hat gepostet, während ich geschrieben habe, es ist leider noch nicht berücksichtigt. Oder… eben doch.))

 

franziska (09.09.2018, 15:28 Uhr)

@Benni: Ich rede nicht von „denen“, und hab auch einen Grund genannt: „Die“ wollen nicht, massenhaft nicht; und, Masse oder nicht, die Produktionsmethoden sind auch nicht da. Ist auf einmal das ganze Fünfschritt-Modell obsolet? Oder ist das ohnehin nicht deins? Dann… für dich und für

@Perikles und Wal: Christian hats vorhin bei Simon+Stefan festgestellt, ich sehe es ebenso bei euch: Unvermittelt wird einfach unterstellt:
1. es wird die ganz grosse Krise geben (das Szenario ist erwartbar),
2. es wird nicht eine weitere krienhafte Zuspitzung sein, sondern danach geht Kapitalismus nicht mehr (nie mehr! versprochen!),
3.a. weil die Leute ihn nicht mehr wollen, oder
3.b. mit ihm evidentermassen nicht mehr können, und
4. spätestens dann wollen sie alle  einen Nicht-Staatssozialismus,
5. in dessen Gestaltung sie, im Gegensatz zu uns, dann einig sind, oder in den kurzen Laufzeiten einig werden, bevor alles anfängt in Chaos zu versinken.

((Beinah klassisch wird in den Szenarien die kollektive Lenkung der Investitionen und der Fortschritts-Richtung und -Geschwindigkeit unterschlagen, man könnte auch noch die Umfänge von „Sozial-„, Reserve- und Reparaturfonds hinzunehmen, in die wirklich 100k Sachfragen eingeschaltet sind. Wer soll die alle kennen? Geschweige denn… die Lösungsvorschläge machen, sichten, darüber entscheiden, vor allem: Prioritäten setzen? Die Experten für all das Verschiedene, untereinander? Sind wir das nicht ALLE… Experten für irgendwas, und für alles andre nicht? Also wer soll die Prioritäten setzen?
Aber bevor wir dahin kommen, sollten erstmal die Beweise für Positionen 1ff vorgelegt werden.))

Und nochmal @Benni:
Sei sicher, es wird so oder so auch in den Städten sehr, sehr ungemütlich. Ich habe die Probleme der kapitalistischen Spätmoderne 2018 nicht gemacht, und meine Lösungsvorschläge werden mit Sicherheit nicht übernommen, nämlich in jeder Generation ab jetzt durch planmässige Kinderlosigkeit um mindestens den Faktor 10 zu reduzieren. Wir haben soviel Probleme zu lösen, für ordentliches Aufwachsenlassen von Kindern haben die meisten ohnehin keine Zeit. In einer Welt von 7 Milliarden kann man seinem Nachwuchs ohnehin keine attraktiven Angebote machen.

Die andern wollen nicht mit uns; dann werden sie sich mit ihren Problemen eben allein herumschlagen müssen. Und wir… müssen dafür sorgen, dass uns die Schäden, die dabei unvermeidlich herauskommen, nicht allzusehr schädigen. Die Keimform stabil aufbauen, „präfigurativ“, wie die Freundinnen sagen, ist das beste, was WIR für alle tun können.

Es ist nicht so, dass ich nicht meinerseits Argumente für die je anderslautende Prognose 1-5 hätte. Ich fange aber auch keine Debatten in diesem Format an, ohne sicher zu sein, dass der TE damit einverstanden ist. Nebenbei ist das auch einer der Gründe, warum ich sehr zögere, das Angebot einer Diskussion der Buch-Inhalte anzunehmen.  Ich fürchte, die würde Ausmasse annehmen, die den Autoren nicht mehr genehm sind. Davon ab, schreibe ich ja auch privat. Andres Format, selbes Problem.

 

franziska (09.09.2018, 19:12 Uhr)

@Benni: Wir könnten, zumal dann, wenn wir (dann, die Menschen, alle zusammen) sie MACHEN, die Geschichte auch beenden. Warum wollen wir, dass sie fortgesetzt wird? Warum wollen, wir, dass Leben sich wiederholen und darin vielleicht Chancen wahrgenommen werden, die (bei ansonsten indifferenten Unterschieden) die davor Lebenden noch nicht wahrnehmen konnten, aber lohnend fänden? Ich würde das, wenn schon, die materialistische (also rationelle) Version dessen nennen, was in Religionen als Weiterleben fantasiert wurde. Materialistinnen haben (selbst wenn sie körperlich ihren Beitrag leisten) keine „eignen“ Kinder – Kinder „gehören“ (wenn man davon reden will) ohnehin niemand speziell. Umgekehrt: Alle später Kommenden haben alle früher Lebenden als Vorfahren – kulturell, historisch. Was bestenfalls vererbt wird, ist der erreichte historische Stand; das ist, was – abgesehen vom sachlichen Mittelapparat – in einem beliebigen Leben an Wissen und Erfahrung verarbeitet werden kann, bevor, in diesem Leben (und dem aller Zeitgenossen) auf befriedigende und glückliche Weise darüber hinausgegangen wird. Wieviele es sein sollten, denen dieses Angebot, die (Erfahrungs)Geschichte vom erreichten Stand aus fortzusetzen, gemacht wird, hängt genau davon ab: ob es absehbar für alle auf befriedigende und glückliche Weise möglich ist.
Ich glaube nicht, dass du diese Überlegungen bei Malthus findest.
Sie führen im übrigen mal wieder zu weit, und sind trotzdem nicht wirklich angemessen darzustellen. Also nur, um dir mal die Richtung anzuzeigen, in die die Erwiderung auf deinen (ich finde: ziemlich reflexhaften; das war schon oben bei den Städtern so) Vorwurf gehen könnte.

@Perikles: Vor solchen Grössenordnungen liegen mindestens 10 oder 20 Produktions-Erweiterungsetappen – wenn man, wie ricardo es beschreibt, die Produktionsweise sorgfältig nach Kriterien der Lebbarkeit, kollektiven Steuerbarkeit, objektiven Zuverlässigkeit, Robustheit (und noch einigen andern) aufbauen möchte. „Arbeitsintensiv“ ist ein Mangel dem abgeholfen werden sollte, eine eingerichtete renaturierte (natur-ähnlich sich selbst erhaltende, aber raffiniert gesteuerte) Nahrungsmittelproduktion ist NICHT arbeitsintensiv, und nicht-erfüllende Verausgabung kostbarer Lebenszeit inkaufzunehmen ist KEIN Entwicklungsziel. Permakultur ist in alternativen Kreisen ein Mythos und Hype, es sind dabei zahllose Probleme ungelöst. Fürs biologische Bauen und Renovieren gilt ähnliches.

Aufbau heisst: Etwas funktioniert wirklich gut und bewährt sich; und dann sind da Reserven an Zeit und Musse und Interesse; dann kommt der nächste Schritt. Die Kollektive arbeiten nicht nur an ihrer (beschränkt autarken) Reproduktion, sondern vor allem am Begreifen ihrer Stellung zu den Andern da draussen (woraus dann auch praktische Schritte folgen). Das soll ständig nebenher laufen. Und den Leuten soll es gut gehen dabei. Wie DAS gehen soll, ist vielleicht das derzeit grösste Rätsel.

@alle: Ich möchte das oben zur Rechtfertigung meines „sektiererischen“ keimform-Aufbau-Projekts Angeführte nochmal durch eine früher von mir vorgeschlagene Formel ausdrücken: Nicht „wir“ (die sich so einzurichten lernen) schliessen andre aus; DIE wollen nicht mit uns. Und wir haben nicht die Mittel, ihnen den Weg zu unserm Standpunkt zu bahnen. Selbst wenn wir ihn rekonstruiert hätten. Was wir (wie so vieles andre im Moment) nicht mal im Ansatz geleistet haben.

 

franziska (10.09.2018, 11:37 Uhr)

 

@Wal: Was du sagst, ist absolut selbstverständlich. Meine Vokabel „Ausschluss, ausschliessen“ bezog sich auf den emphatischen Begriff „Inklusion“ von Stefan und Simon. Es gibt also zwei Verständnisse des Gegensatzes zu „Ausschluss“: Das Andre-nicht-Ausschliessen, und: das Andre-Einschliessen-(wollen). Das Angebot mitzumachen ist immer da (wer will, kann sich über die Kontakt-Email auf meiner Seite jederzeit an mich wenden.) Dass ich derzeit keinen Grund habe zu erwarten, dass viele Leute sich beteiligen, heisst nicht, dass ich irgendetwas von irgendjemandem schlechtrede (ich hab zum „Kritisieren“ ohnehin ein…eher gebrochenes Verhältnis).Etwas andres ist der Versuch der Verständigung unter Leuten, die sich über mögliche Entwicklungen Klarheit verschaffen wollen (eventuell auch darüber, wie weit die überhaupt gehen kann). Wenn ich da in analytischer (also Verstehens-)Absicht genau werden, und begründet pessimistische Prognosen in der ein oder andern Richtung ausspreche, trete ich nicht denen mit der schlechten Prognose in den Weg, ich rede ja in dem Moment über sie, nicht mit ihnen (dränge ihnen, ungefragt, meine Prognose oder Überlegungen nicht auf). Ich vertraue da in gewissem Mass darauf, dass die andern hier ebenso wie ich das Klärungsinteresse vorübergehend (wenigstens hier, in diesem Format) in den Vordergrund stellen, und allgegenwärtige Empfindlichkeiten für die Zeit ausserachtlassen.

 

franziska (07.10.2018, 11:09 Uhr)

 

@Benni: Ich habe von „weniger“ (in dem Fall: „weniger Leute, Bevölkerung“) gerade nicht als einem Mittel oder einer Lösung gesprochen, sondern als möglicherweise einem Zweck oder Wert. Und dieser Zweck läge, wenn überhaupt, auf einer viel fundamentaleren Ebene als der bereits sehr fundamentalen „sozialer Probleme“.Und ich will nichts durchgesetzt haben, weder von mir noch von andern. Meine Äusserungen, wie beinah alles, was ich schreibe, sind bestenfalls Aussagen über kategoriale Zusammenhänge, die zum Begreifen von realen Vorgängen früher, jetzt und künftig NUR heranzuziehen sind mit dem Zusatz: „…, wenn diese Vorgänge Sinn machen (oder als vernünftig verstehbar sein) sollen“. Es ist also alles nur eine Explikation dieser (obersten) Kategorie: Sinn machend; vernünftig(es) Handeln (ein in unserer Szene geläufigeres Wort dafür ist: Praxis).Vergleichbares gilt für den Weltraumkommunismus.
Wie auch sonst, so auch hier: zwei Begriffe, Bevölkerungsreduktion, Weltraumnutzung/besiedlung – und schon sieht man
sich überschwemmt von unklaren Begriffs-Zusammenhängen und spätestens daraus erwachsenden Kontroversen.

@Annette: Vor allem gibt es biologisch informierte ökologische Hochtechnologie, etwa die Lenkung des Bodenlebens. Zur Erörterung der praktischen Kategorie „Leben, Biosphäre“ (der wir selbst angehören) und ihrer Unterkategorien könnten 10 oder 100 Portale wie dieses hier eröffnet werden; Lusru erinnert uns immer wieder mal an die ungeheure Themenvielfalt, die wir hier ausblenden.
Der Satz mit der Arbeitsintensität sagt etwas über die Richtung der Experimente, und über Prioritätensetzungen dabei; er sagt nicht, dass da etwas gelingen wird; allenfalls, dass bei meinem gegenwärtigen Wissen solches Gelingen keineswegs ausgeschlossen ist. Aber dies ist kein Forum für Öko-Agrarwissenschaft. Obwohl alles mit allem zusammenhängt, können wir nicht ständig darüber reden. Womit ein weiteres Thema angeschnitten ist, nämlich…

@alle: … das Thema Überdehnung und Überforderung, die durch Arbeitsteilung immer dann nicht zu erledigen ist, wenn die arbeitsteilig auszuführenden Tätigkeiten erstmal koordiniert auf Zwecke zu beziehen sind. Hier bei uns finden wir Überdehnung, Grenzen der Bewältigbarkeit schon mal speziell unter dem Gesichtspunkt: Grenzen der Diskutierbarkeit. Aber diese Grenzen, die bei keimform zu ahnen sind, sind eben nicht nur solche für Debatten; sondern (gerade darum!)
unübersteigbare Hindernisse für Praxis (die ja, wie indirekt immer, in den Debatten vorbereitet werden soll). Wir suchen, weit da draussen (und weit weg von UNS) jene Kniffe oder Tricks, die die gegenwärtigen Vereinfachungs-Kniff schlechthin namens kapitalistischer Markt usw. ersetzen sollen, ohne deren Gebrechen, und natürlich ohne andre, aber gleich schlimme.
Aber kann es sein, dass es keinen Trick geben wird, und nicht geben kann, der die gestellte Aufgabe löst?
Weil das kollektive ENTSCHEIDEN, das Ziele (und Prioritäten bei ihrer Verfolgung) Setzen durch keinen Trick zu ersetzen ist?
Und bisher noch nie stattgefunden hat?
Also die im TECHNISCHEN Sinne von Lusru zu lösende Aufgabe darstellt?
Technisch: weil sie unmittelbar in unsere weltbezogenen ReProduktionsabläufe eingreift – und sie sich massiv ändern müssen; weil sie in ihrer derzeitigen Form nicht „transpersonal“*) vergesellschaftbar  sind.
*)zur Erinnerung: eine haltbare Definition steht aus meiner Sicht aus
((Das Oxymoron in der derzeitigen Aktion der „Zeit“ („Deutschland spricht“…) wird garnicht bemerkt, man könnte fragen: …aber wer hört Deutschland zu? Wer weiss Deutschland angemessen zu antworten? Bewältigen die Paare zusammengewürfelter Leute ihre Differenz, sind sie ihr (aus dem Stand heraus) gewachsen? Schon zwei Personen können daran scheitern, wieviel mehr 7 oder 11 Mrd.Man sieht: Selbst bürgerlichen Menschen fällt die Leerstelle langsam auf; die hilflosen und marginalen Improvisationen, mit denen sie sie zu füllen versuchen, lassen das epochale Versäumnis nur um so krasser hervortreten.))

Eins steht dabei fest: Was schon bei zweien, dreien, fünfen, oder sovielen wie hier, „interpersonal“ nicht geht, das geht im interpersonalen (Vermittlungs)Verbund derer, die sich interpersonal zu verständigen versuchen, – jenem Verbund, den wir „transpersonal“ nennen – erst recht nicht.  So, wie ich mich bei den Freunden des reinen (entschärften) Marktes wundere, wieso sie da ständig Gelingen erwarten, und nicht systematisch vorhersehbares mörderisches Rumgepfusche (das spätestens
bei „Dynamik“ an Grenzen der Kontrollierbarkeit stösst) – so beim ewigen Zugeständnis, interpersonal sei ja vieles möglich – nur eben nicht, wenn die Zahlen in Richtung „Dunbar“ gehen. Nein, das sehe ich nicht.
Das Verständigungsniveau ist trans- wie interpersonal dasselbe, nämlich ein elendes.
Man fängt also an der falschen Stelle an zu denken (und kommt prompt nicht weiter, geht im Kreis: Moral, Stigmergie,
entschärfter Markt, Demarchie… und wieder von vorn).Und ich bleibe dabei, für alles einer gelingenden Arbeitsteilung Vorgelagerte gilt: Was dabei im kleinen schon nicht gelingt, wird im grösseren und grossen erst recht nicht (oder nur auf dramatisch abgeenktem Niveau) gelingen.
Die Resultate erleben wir Tag für Tag zunehmend als (Epochen)KRISE.


Beiträge im thread „Der Ausdehnungsdrang moderner Commons 3/5 (der erste) bzw 4/5 (die beiden folgenden)“

franziska (19.11.2018, 14:02 Uhr)

Das Eingangszitat oben:
„Für uns ist Utopie zentral eine soziale Utopie, eine Utopie der Beziehungen, keine technische Utopie […]. Unsere menschliche Potenz liegt sicherlich auch in der Herstellung von technischen Mitteln, doch noch viel beeindruckender sind die menschlichen Möglichkeiten, ihre sozialen Mittel, ihre Beziehungen, ihre Vermittlung, ihre Organisation zu gestalten.“
bringt die zentrale Schwäche der ausschliesslich „Beziehungs“-orientierten Transformationstheorie auf den Punkt:Die Menschen stehen da nie  der objektiven Welt der Sachen, der menschen-gemachten, menschen-gelenkten, auch menschen-geschädigten, und der ihrerseits menschen-beeinflussenden, menschen-nützlichen/gefährdenden,  gegenüber, und müssen sich über sie (wenn auch keineswegs NUR darüber) verständigen, um ihre (hoffentlich halbwegs gemeinsamen) Zwecke arbeitsteilig zu erreichen.keimform-Autoren haben in technischen Utopien geschwelgt; jetzt setzen sie genauso einseitig aufs „zwischenmenschliche“ Gegenstück, statt den Zusammenhang der Leute mit Technik und Natur auch nur annähernd einmal in Begriffe zu fassen, und eine halbwegs auf der Höhe der sonst in Betracht gezogenen Gegenstände sich bewegende Produktionstheorie hinzubekommen.
Marcus hat nun eine solche aus den so ziemlich abstraktest-möglichen Formeln erschlossen, die die Betrachtung des „Produktionsprozesses des Kapitals“ in der Politischen Ökonomie liefern kann. Die dabei verwendeten Kategorien sind bezeichnenderweise ökonomischer Art: G, W; dh Produktion kommt hier nur vor, insofern sie ein ökonomisches Pendant hat, also abgebildet werden kann. Wenn die Abbildung systematische Schwächen aufweist (wichtige Aspekte des Produzierens NICHT abbildet), ist die Schlussweise fatal. Ich denke, schon die Frage, welche materiellen Bedingungen erfüllt sein müssen, damit der Vorgang wiederholt (re-produziert“) werden kann, würde zu Präzisierungen führen, die in der Sache entscheidende Unterschiede machen.
Zwei erste Schwächen konkretisieren einiges von dem, was Annette mit „showstopper“ angedeutet hat:
1. Die lineare Darstellungsweise lässt übersehen (was nicht ausgeschlossen wurde, aber eben auch nicht eigens in Betracht gezogen), dass in modernen Produktionen die Endprodukte meist mit hochkomplexen Vrefahren hergestellt werden – bereits 1 Commons weg vom „ersten“ explodiert die Zahl der nötigen Ingredienzien und/oder Bestandteile und/oder benötigten Pm und Hilfsmittel: Die Linien zweigen vom Endprodukt her endlos auf.
2. Schlimmer noch. Die gewählte lineare Produktionskette, selbst wenn so vielfältig verzweigt, hätte die angegebene Struktur nur, wenn unterstellt ist, dass irgendwann eine Stufe erreicht ist (genau genommen scheint dies bereits beim zweiten Commons der Fall zu sein), auf der alle für diese Stufe nötigen Produktionsmittel nur mit ihresgleichen oder vorgeordneten (re)produziert werden. 1860 durfte man das mit Ach und Krach (selbst Robinson brauchte eine Werkzeugkiste) für die sich mit sich und „Natur“ (Acker, Wald, Tiere, Mineralvorkommen)  reproduzierende Arbeit(skraft) behaupten: Die hat dann auch mit beinah nichts als sich all ihre Mittel aus dem Boden gestampft. Wenig später shchon nicht mehr: Dann nämlich, als schwerindustriell gefertigte und transportierte Güter nötig waren, um auf gegebnem Produktivitättsstand ebensolche herzustellen: Sie reproduzierten sich mit Natur und Arbeit(skraft). Heute gibt es praktisch kein Industrieprodukt, in dessen Produktion nicht direkt oder indirekt alle andern Industrieprodukte eingehen. Die „Bedarfe“ münden also rückwärts in sich selbst; und die Bedürfnisbefriedigungs-Mittel mitsamt den mit ihrer Hilfe (auf gute, freudvolle Weise) re-produzierten Handlungsbereitschaften sind in diesen Reproduktionskreislauf eingeschaltet. Das wäre sofort aufgefallen, wenn anstelle des simplen „Ackers“ als Beispiel für ein Produktionsmittel (in andern Zusammenhang) ein Schlepper (aber was für einer?) betrachtet worden wäre.

In meiner Gegend existieren unzählige alte Traktoren, für die in Handwerksbetrieben Menschen mit Kenntnissen und Werkzeug zur individuellen Metallbearbeitung die nicht mehr nachkaufbaren Ersatzteile einzeln reproduzieren. Bei Reifen wirds dann etwas schwieriger. Kabel, Drähte… ganze Motorblöcke gibt es so aber nicht. Und der Aufwand ist enorm. In Afghanistan gibt es Handwerker, die alle für eine Kalaschnikow nötigen ca 250-300 Metall-Teile selber aus Schrott herstellen können. Was sagt das? Um auch nur EINEN Produktionsschritt rückwärts zu gehen, brauchst du eine ganze industrielle Infrastruktur AUF GEGEBNEM NIVEAU. Dieser Hinweis spielt eine enorme Rolle bei allen Degrowth-Konzepten: Schritte „abwärts“ müssen auf dem abgesenkten Niveau „Reproduktivität“ gewährleisten. Und er spielt eine Rolle bei Versuchen nachholender Industrialisierung und Import-Substitution (etwa im Fall von Sanktionen). An letzteres erinnert ja die Absicht, sich durch angemessenes „Priorisieren“ vom Markt unabhängig zu machen.Für gern missachtete technische Schranken für freie Gestaltung von Produktionsarchitekturen (Material für 3D-Drucker, die zugleich Gebrauchseigenschaften des so geformten Produkts entsprechen) vgl. zB den im von Perikles angeführten Creydt-Artikel erwähnten Autor Fischbach.

3. Aber auch das ist lang nicht alles.
„Priorisierungen“, sind Regeln für die Lösung von Zielkonflikten. Die involvierten Ziele beziehen sich dabei nie nur auf ein WAS, das gebraucht und hergestellt werden soll; sondern auch das WIE der Herstellung. Das geht in die Formulierung der technischen Anforderungen zentral mit ein. Dabei gibt es Elemente des WIE, die auf Reduzierung der Ressourcen- und Kapazitätsaufwände gehen (Effizienz; speziell: Geschwindigkeit, „Zeitpräferenz“), und solche qualitativer Art (Schliessbarkeit von Produktionskreisläufen, Recyclebarkeit, natur- und bedürfnis-verträgliche Materialien und Produktionsweisen, Dezentralität, Reservenbildung und Kapazitätsvorhaltung, Prävention bzw Robustheit gegenüber Risiken aller Art, Modularität, Gebrauchseigenschaften: leichte Lehr- und Lernbarkeit der Handhabung, überschaubare Verwaltung, Einfügung in eine Lebensform, eventuell eben auch: geringe Fertigungstiefe, uvam.).Zielkonflikte sind bei einer solchen Vielzahl von Zielparametern unvermeidlich. Lösungen dafür, also „Priorisierungen“, geltend zu machen, setzt voraus, dass die Zielparameter konkret genug defniert sind, um im Einzelfall eine „Ziel-optimierte“ Wahl (in einzelnen Hinsichten also suboptimal) zu treffen. Vor allem aber ist arbeitsteiliges Vorgehen nur dann nicht wieder entmündigend, wenn a) alle Beteiligte sich ein Verständnis der Parameter und möglichen Konflikte erarbeitet haben, b) Prinzipien der Ziel-Konfliktlösung bestimmt haben, c) darin übereinstimmen, d) Grund zur Annahme haben, dass diese Priorisierungs-Prinzipien von den ausführenden Technikern geteilt und tatsächlich in ihren Entwürfen umgesetzt werden.
4. Wir unterstellen bei dem allen ein Inventar an bekannten Verfahren und Technologien. Wie aber, wenn Entscheidungen darüber anstehen, was und wieviel (zB Innovatives, Unerprobtes) VERSUCHT werden sollte, dessen Realisierbarkeit nicht feststeht? Auch daraus ergeben sich „Bedarfe“; und auch dazu müssen Priorisierungen entlang den Anforderungen a-d kollektiv ausgebildet werden.  „Gesellschaftliche Verwaltbarkeit“ ist also ein fundamentaler technischer Zielparameter, der zu den anderen hinzukommt.
All diesen Anforderungen muss bereits genügt worden sein, bevor das „Programm“ erstellt wird. Und die Freiwilligen und zugleich Befähigten sich finden, die die einzelnen Schritte auch wirklich umsetzen.

Und damit sind wir zurück bei den Fundamental-Problemen, die die bei Marcus ebenso wie bei Stefan+Simon unterstellten Voraussetzungen der Rede von „Inklusion“ aufwerfen: Dass nämlich „Bedarf“ oder eben „produktives Bedürfnis“ INDIVIDUIERT, dein Bedarf nur um den Umweg Inklusion auch meiner, und dann „meiner mit“ werden kann, Bedarfe also zB immer additiv aufgebaut sind; und, dass die grossen, Bedarfs-übergreifenden (in Wahrheit aber höchst spezifisch in jede Einzelproduktion eingreifenden) Zielparameter (also wieder: Bedarfe) ein bewusst gestaltbares Verhältnis zur Produktion als ganzer, und entsprechendes Wissen, voraussetzen, das nicht einmal Experten heutzutage auch nur annähernd zur Verfügung steht; geschweige denn allen, die von Entscheidungen betroffen sind, und die an sich gewillt wären, ihre Präferenzen auszubilden und geltend zu machen. Wir haben das Wissen nicht, das wir in eine rechenbare Abbildung unseres Reproduktionsprozesses einfliessen lassen können; und wenn wir es hätten, könnte es nicht schnell genug reagieren auf Änderungen: Wir, also das System lernt nicht schnell genug, weil die relevanten Informationen nicht schnell genug gemeldet und verarbeitet werden können. Wir sollen jschliesslich auch noch produzieren; und leben.
Natürlich leistet die Marktwirtschaft keineswegs irgend Besseres. Wer sieht denn, wie monströs viele Ressourcen DORT in den Sand gesetzt werden, durch zwangsläufig komplett blinde Planung? Von den in Preisen nicht abbildbaren Zielparametern ganz zu schweigen.

franziska (21.11.2018, 16:19 Uhr)
Ich antworte unter diesem Abschnitt 4/5, weil darauf (und somit auch den nachfolgenden 5/5) verwiesen wurde in Marcus‘ Erwiderung hier (vgl vorangehenden Text):
http://keimform.de/2018/der-ausdehnungsdrang-moderner-commons-35/#comment-1339993 . Marcus antwortet sinngemäss, dass alle Gründe für meine wesentlichen Einwände letztlich durch die Ausdehnung des commoning sich von selbst erledigen. Ich fürchte, das ist nicht der Fall.
Die Vorbilder für Marcus-commoning im Anfangsstadium, die mir einfallen, sind Genossenschaft und „Import-Substitution“ armer oder auch vormals sozialistischer Länder. Das trifft meist auf die Kritik, dass hier Einschaltung in den (Welt)Markt, somit Ausbeutung usw vonnöten ist, nun ja, taktisch. Wie lange die Taktik durchgehalten werden muss, bis die commons einigermassen „industrialisiert“ sind, ist zwar eine (wie ich befürchte, bereits ziemlich vernichtende) Frage. Aber die andere Seite der Markt-Abhängigkeit wird da gern vergessen: Wie führt die Belegschaft den nach aussen notgedrungen mit Einkaufs- und Verkaufspreisen agierenden commons-Mischkonzern, den sie aufbaut? Nun – warum sollte sie ihn überhaupt führen? er unterliegt denselben Zwängen, wie normale Konzerne, da muss er wohl auch so geführt werden. Wie Marcus richtig analysiert hat: Da überschneidet sich nichts, es ist grundverschieden. Bloss: Mit wo auch immer erwirtschaftetem, oder geschenktem Geld, wird also nun ein letzter Schritt in einer „Wertschöpfungskette“ realisiert: Nahrungsmittel Eigenversorgung. Das geht ja grade noch. Aber wo ist, industrielles Produktivitätsniveau vorausgesetzt (und erwünscht), das „nächst“ anschlussfähige Commons? Nahrungs- und Futtermittel kann man in passenden Mengen „produktiv“ produzieren – Schlepper, Bau-, Werk- und Hilfsstoffe, Werkzeug, Haushaltsgeräte, Bekleidung, Medikamente,  – weniger. Die Kette bricht ab. Die Ketten, die du dir vorstellst, Marcus, brechen, meine ich, aus genau dem Grund IMMER ab – solange du das gegenwärtige industrielle Produktivitätsniveau unterstellst.

((Darum sind ja keimformler seinerzeit so auf das 3D-Drucken abgefahren (das aber enorme Probleme hinsichtlich der Gebrauchseigenschaften aufwirft: Materialien, die formbar UND zweckgemäss nutzbar sind, sind nicht so häufig.) Oder auf das Programm mit den 50 „leicht aus Recycling-Material herstellbaren Basis-Maschinen“. Ob man das Material danach nochmal verwenden kann, scheint mir fraglich, recycling Prozesse sollten schon cradle-to-cradle sein….))

Mit anderen Worten: Das Problem liegt auf der Produktivkraftebene. Und die „Beziehungen“ müssen der ebenso gerecht werden, wie den „Bedürfnissen“ der Beteiligten. (Das Holzkampsche „produktive Bedürfnis“ halte ich für einen hochproblematischen Begriff. Ist eigentlich in der kritischen Psychologie erörtert worden, dass wir auch KOGNITIVE Bedürfnisse haben, sowas wie: Angenehme Routine – interessante (lösbare) Probleme – Neugier auf (anschlussfähiges) Unbekanntes – Begreifenwollen? Ist das nicht auch „sinnlich-vital“ (Nichtbefriedigung ist leidvoll)?

 

franziska (27.12.2018, 11:42 Uhr)

 

„Aber womit ich ein Problem habe und was ich frustrierend finde, ist
dieser ständige Vorwurf, dass ich mit dem Text bestimmte Fragen nicht
beantworte, wenn die Beantwortung dieser Fragen auch zu keinstem
Zeitpunkt mein Anliegen war“

Nun, Marcus – du musst dir das auch nicht zum Anliegen machen. Es ist nur so: Der von dir (dankenswerterweise) präzisierte Begriff einer Ausdehnung des Commonings zeigt, dass dieser so definierte Vorgang in einer modernen Industriegesellschaft ziemlich absurd ist. Jedenfalls folgt dies aus meinen Argumenten hier: http://keimform.de/2018/der-ausdehnungsdrang-moderner-commons-35/#comment-1339161 speziell Absatz 2 (zyklische und „holistische“ Struktur moderner Industrieproduktion).

Industrielle Nahrungsmittelproduktion (wo wohnen die Produzenten? Hof? Nutzgebäude?), einmal abgesehen davon, dass sie (agrar)technisch in eine Sackgasse führt, um die Produktion ihrer Produktionsmittel zu erweitern, würde bedeuten: sich eine Schlepperfabrik (mit Bodenbearbeitungs-Geräten, Anhängern usw), eine Düngemittel-Produktion, eine ziemlich breit aufgestellte chemische Fabrik zur Herbizid- und Insektizid-Produktion hinzustellen. Diese Produktionsstätten sind auf gegebnem hoch-industriellen Niveau „lohnend“ allerdings nur zu betreiben, wenn man ihren output pro Zeit auch verwenden kann. Ok, man kann natürlich 2 oder 10 oder 100 Schlepper produzieren lassen, und die Fabrik (Gebäude?) solange schliessen, wie die nicht kaputt sind (Reparatur-Kapazitäten sind oft anderer Art als Produktionskapazitäten, aber lassen wir das.). Wahrscheinlich sind bis dahin Teile der Fabrik kaputt. Oder aber, ihre Kapazität betriebsbereit zu halten, kostet Energie, Mittel, Arbeit.
Für die Produktion auch nur der 2/10/100 Exemplare meldet man aber auf der Stelle gleich weiteren Bedarf an – ein Schlepper baut sich schliesslich nicht aus Luft und Liebe. Es sei denn, man hat einen Vorrat an Vor- und Hilfsprodukten (die man freilich irgendwie aufbewahren muss; bei Energie wird das schwierig. Öl-Vorrat?). Im Endeffekt kann man seine Bedarfsanmeldung gleich verkürzen auf: „Für unsere Nahrungsmittelproduktion, bitte herstellen: 1 komplette Industrieproduktion auf gegebnem Niveau. Und zwar subito.“


Beitrag im thread „Commonsverbünde als Transformationsmodell“

franziska (08.12.2018, 11:39 Uhr)

Der folgende Kommentar sprengt den Rahmen; er könnte in ganz viele Diskussionen bei Simon/Stefan, Marcus, oder Christian eingefügt werden. Er passt überall; weil ich einen generellen Mangel der hier vorgetragenen Transformationskonzepte ansprechen möchte; und zwar speziell derjenigen, die- wie hier Christians Ansatz im Gefolge von Marcus – versuchen, den Zustand der Ko-Existenz des Commonismus mit einer ihm widersprechenden Umgebung, und den Prozess seiner „verdrängenden“ Ausdehnung in diese Umgebung hinein begrifflich zu fassen. (Ich sehe keine Antworten auf meine Einwande (bei Marcus neulcih), die aus dem Verweis auf industrielle Produktionsstrukturen erwachsen; aber das kann ich anderswo nochmal ansprechen.)

Mir fehlt bei alldem das Bewusstsein der Aufgabe, sich auch der Umgebung widmen zu müssen. Kann man die sich selbst überlassen? Muss da dem wie immer „intern“ zu gestaltenden Transformations- und Commons-Prozess nicht von dort her, „extern“, etwas entgegen-wachsen?
Dass ihr das so wenig bedenkt, hat mit einer strukturellen Schwäche eurer Kritik des Bestehenden zu tun; die könnte man zwar anhand von Stefan+Simons Buch besprechen; ja sogar anhand der Ausfälle auf kategorialem Feld, mit dem Brenner/Wood versuchen, den vor-bürgerlichen Staat (den absolutistischen) zu analysieren (sie haben keinen Begriff davon). Aber es geht, viel Praxis-näher, hier.
Die Menschen in bürgerlichen Gesellschaften haben keine Kontrolle über den Prozess der kollektiven Willensbildung und Entscheidungsfindung.(Mattis ist hier derjenige, der nicht müde wurde, diesen Mangel auch in kollektivistischen Projekten aller Art aufzudecken.)Sie sind – notwendig, verschwörerisch operierenden – Eliten-, Geheimdienst-Rackets, wie dem der Neo(lib)con-Falken aka Foreign Policy Establishment, in Kongress, State-Department und CIA, oder oligarchischen Kaperungen ihrer politischen Organe (der US Wahlen zB) wehrlos ausgeliefert.(Der ganze „Westblock“ ist es derzeit; also auch „wir“, hier. Dass da nur ja keine Illusionen aufkommen…)

Ich sage bewusst: Schon die rein POLITISCHE Willensbildung funktioniert in elmentarsten, existenziell bedeutsamsten Angelegenheiten nicht; wie ehe und je und August 14, und 38/39, und 83… haben gerade die mörderischsten Gangs von allen, da die verrückt-entschlossensten ,die freieste Bahn. Und nichts, keine Friedensbewegung (bisher), konnte sie aufhalten. (Aber etwa Gelbwesten? Glaubt ihr?)
Wieviel mehr gilt das alles, wenn dann auch noch die Aufgaben des kollektiven PLANENS hinzukommen; und das WAS, über das entschieden werden muss, allererst artikuliert, gestaltet, gekannt, erwogen werden muss, mit allem Für und Wider. – Ihr habt ja recht: „kollektives Verfügen“ ist vorausgesetzt. Aber dann kommt gleich: Kollektives Verfügen-KÖNNEN, reales Aneignen. Das „Hineinwachsen“ von Commons in ihre nicht-commonistische Umgebung bleibt doch nicht unbemerkt; die Schnittstelle wächst sich zur breiten Schnitt-Fläche aus. Wie soll, wie kann sie gestaltet sein, wenn da nur Gegensätze aufeinandertreffen und sich heillos abstossen?
Und NOCH viel weiter geht die Frage, wenn man die technologische Seite in den Blick nimmt: Wie kann eine ganze Gesellschaft die Notwendigkeiten lernen und sich ihnen kollektiv stellen, die ihnen ein nicht-mehr destruktives Verhältnis zur Natur (und ein reparatives zu den angerichteten Schäden) abverlangt? Das ist ja bereits ein Problem der algorithmen-regulierten Integration einzel-commonistischer Pläne (wie bedürfnis-orientiert auch immer): Als ob da nicht ununterbrochen planerisch, vor allem aber erst einmal technologisch Grenzen überschritten werden müssten – erst recht, wenn man Energie-bilanzierend und cradle-to-cradle-gemäss vorgehen möchte – um eine Technologie aus EINEM Guss, und immer eng entlang den Naturanforderungen (die von den Beteiligten gewusst werden müssen) zu entwerfen? – Alles, was nicht „Demarchie“ bei keimform ist, ist entweder entschärfter Markt; oder ein raffiniert eingefädelter Alternativ-Vermittlungsmodus. Und alles scheitert an der schlichten Aufgabe, ohne die grosse Kollektive auf dem erreichten Wissens- und Reproduktionsniveau nicht weitermachen können, wenn sie sie nicht lösen, nämlich: kollektiv zu lernen. Sodass der Lernfortschritt JEDES EINZELNEN (!!!) das Mass, nein Form, Gehalt des Fortschritts „aller“ (als wären sie anfangs, also derzeit, je mehr gewesen als ein mörderisch desorganisierter Haufen) wird.

Die Wand, vor der man steht, wenn man sich ernsthaft auf die genannten Aufgaben, auch nur die erste, leichteste, einlässt, kann man an den Krämpfen und Kämpfen und Albernheiten einer „Bewegung“ wie aufstehen erleben. Eine erste experimentelle Versuchsanlage für Transformationsprozesse. Ich kann nur jedem hier raten, sich DAS einmal (sagen wir: als teilnehmender Beobachter) anzusehen. Und nicht gleich schreiend davonlaufen; sonst lernt man nichts.

Frage @franziska: Hast du eine Idee, wie wir aus der heutigen Situation heraus einen Prozess des kollektiven Lernens anstoßen können? Und wie könnte deiner Meinung nach kollektives lernen real aussehen?

6 franziska (08.12.2018, 16:32 Uhr)

@Marcus Idee? ja hab ich; mehr als eine. Aber bitte, Marcus, und alle: schaut doch uns selber an; unser kleines Schreiberlings-Kollektiv (und die andern Schreibzirkel der radikalen Linken). Da habt ihr noch so ein Labor.Aber deine Frage auch nur andeutungsweise zu beantworten, wäre die Mega-Thread-Kaperung schlechthin. Da müsste ich fragen, ob keimform mich mal den ein oder andern Artikel schreiben lässt; Stoff gäbs genug; Zeit leider weniger, ich hab ja gesagt, wo ich mich zur Zeit rumtreibe.
Soviel aber hier und jetzt doch: Als entscheidendes Zentrum allen Lernens (also auch des kollektiven) sehe ich die Aufmerksamkeits-Organisation – also die Begriffsbildung (kollektiv: die gemeinsame) an. Und darüber, was (oder wie man) die „anstossen“ kann – darüber hab ich >30 Jahre lang nachgedacht. Ich hoffe… nicht umsonst; aber wer weiss das schon.
(Stefan+Simon, Benni, und die andern haben privat meine Zentralkritik am Buch bekommen, die lief drauf hinaus, dass sie diese Kategorie (und letztlich: die historische Entwicklung, das holprige kollektive Lernen bis heute) nicht für analysierenswert gehalten haben. Es kommt mir da immer so vor, dass es für besonders materialistisch gehalten wird, wenn „die Verhältnisse“ (oder neuerdings: die Beziehungen) „sich entwickeln“, also in gewissem Sinn: dazulernen, sich ausdifferenzieren; und die kleinen Menschlein (diese „Ensembles“) zappeln im Beziehungsnetz, und werden von ihm gemacht und geformt, oder, machen sich, ihm gemäss, zurecht. Die wichtigsten Lern-, also Entwicklungsschritte hingegen finden immer irgendwie ausserhalb, zwischen den Leuten, statt: im „Vermittlungszusammenhang“, im „Gesellschaftlichen“, im Trans- und Meta-Personalen, und den „Mitteln“.)

8 franziska (08.12.2018, 19:10 Uhr)

@Marcus: Ich meinte uns hier, die keimform Autoren und Kommentatoren. Bin nicht mehr dazu gekommen, das nachträglich zu präzisieren. Und ich meinte: Schreiben, Diskutieren ist nun mal die Hauptaktivität der radikalen Linken. Also meine ich die andern linksradikalen (Schreib)Zirkel. Und wie man sich da eben NICHT verständigen kann. Das kann in „unsern“ Kreisen eben auch exemplarisch studiert werden. Man muss nicht so weit weggehen.
(Meine Seite ist privat, und dort diskutiert derzeit niemand ausser mir.)



Beitrag im thread von Benni Baermann: Der globale Streik als gobales commoning


 

franziska (06.04.2019, 16:05 Uhr)

 

Das, was hier ständig umkreist, aber nicht angesprochen wird, ist: dass der Transformationsprozess, besser: die T.s-Strategie, wesentlich eine POLITISCHE Komponente braucht. Über die haben die Common/Kommunalisten im Rahmen ihrer Aufbau-Konzepte nie gesprochen.Dieser Aufbau IST auch eine zentrale Komponente (als Thema extrem bedeutsam; in der Ausführung… derzeit noch ausbaufähig).
Aber: Dem Aufbau muss der Rücken freigekämpft werden, ein Freiraum geschaffen. Und zwar durch AB-Bau.Die Kontroll-Zentren für alles wesentliche, Krieg und Frieden, Globalisierung, Klimakonferenzen, liegen weit, weit weg von „uns, hier unten“; der neoliberale (immer dazudenken: Neocon-Hegemonal-)Internationalismus hat sich Entscheidungsstrukturen erzeugt, die jeder gesellschaftlichen Kontrollierbarkeit davongewachsen sind.Ich, die erklärte Kommunalistin, kämpfe in meinen Ortsgruppen bei aufstehen…(doch, das gibts noch, und man ist dort bis auf wenig Ausnahmen radikallinks, oft ahnungslos, aber äusserst zäh und entschlossen)… gegen die „Flucht ins Kommunale“.Denn die Existenz-Drohungen, die wir um beinah jeden Preis beseitigen müssen, bevor wir irgendwelche Chancen auf einen Neu-Aufbau wahrnehmen können… die kommen aus Berlin, Brüssel, Washington.
Das einfachste und zugleich schrillst-aktuelle (eine umstrittene These, ich weiss) Thema ist die (Welt)Kriegsdrohung, die derzeit vor allem das US Foreign Policy Establishment, man möchte langsam sagen: der ganzen Rest-Welt, ok mal von Israel und Saudiarabien abgesehen, präsentiert.2500-3000 Menschen mit ungefähr gleichgerichteter politischer Orientierung, verteilt auf Abteilungsleiter-Posten im State Department, Schlüsselstellungen im Kongress, ein paar Medien-Pundits, think tanks, und sympathisierende Milliardäre mit der passenden elitenfaschistischen Weltanschauung reichen dafür aus. Es ist keine bis an die Zähne hochgerüstete Millionen-Bevölkerung eines Industriestaats. Ein paar Bediener von Drohnen-Schwärmen und Kriegsrobotern, ein paar Software-Ingenieure, die den Nuklear-Auslöse-Mechanismus mit Künstlicher „Intelligenz“ definieren, reichen. Eine irre Seilschaft in der CIA, die mit wenig Schritten einen flächendeckenden Stromausfall in den USA mit „russischer Signatur“, einen simulierten Raketeneinschlag im Baltikum auslöst, reichen. So wenige reichen, um die Welt in Schutt und Asche zu legen. (Wenn das kein Triumph der modernen Produktivkraftentwicklung ist…)
Die Gesellschaften, die (bis auf reichlich wenige (schon wieder: „wenige“) medien-verhetzte Fanatiker) nicht im Traum dran denken, für ein elitenfaschistisches Hegemonialprojekt hunderte Millionen oder mehr Tote inkaufzunehmen – sie sind WEHRLOS dagegen.Und das zeigt: Die Gesellschaft beherrscht den Prozess ihrer politischen Steuerung nicht. Nicht einmal in einer so existenziellen und einfachen Frage. Es müsste ihr hier gelingen. Dann kann sie anfangen, sich politische Kontrolle über das Wirtschaften zu verschaffen, in der einfachst-denkbaren Manier überhaupt: Profite rabiat wegsteuern und auf soziale Bedürfnisbefriedigung umlenken; Profite abbauen. Nur ein Zwischenschritt. Denn mit dieser Massnahme verbunden ist die Inventarisierung der vorhandenen Wirtschaft.Und dann kann man, muss man in Angriff nehmen, was man ökologischen Umbau der Inudstriegesellschaft nennt. Es ist das Pendant auf der Produktivkraftseite zu dem, was hier an Vergesellschaftungsprojekten erwogen wird. Denn Ökologie ERFORDERT Kollektivität. Kapitalismus KANN NICHT ökologisch sein, er ist zu primitiv. Oh – klassisch materialistische Marx-Engelssche Einsichten. Zu ihrer Zeit ahnbar, aber nicht anschaulich. Für uns… als mörderische Drohung existenziell erlebbar: Entweder wir schaffen es kollektivistisch, oder wir gehen unter.Aber auch auf diesem Feld muss mit zivilgesellschaftlich angeleiteter politischer Aufsicht über Wirtschaft vorgearbeitet werden: Stillegen, Zurückfahren, wo man nicht umbauen kann, Fussabdruck veringern, vorhandenen Technologie nur noch nutzen, um die Biosphäre zu reparieren (Immissionen zurückholen zB).
Und die Preisfrage ist: Welche Errungenschaft muss eine solche aufsichtsführende und anleitende Zivilgesellschaft aufweisen (ok, nicht die ganze Bevölkerung will da mitmachen, kann es auch nicht, aber das muss sich ändern, wird sich ändern; abstimmend, wählend muss sie doch teilhaben, grosse Mehrheiten müssen gewonnen sein, dürfen nicht feindselig, passiv abseits stehen; um das abzuzählen, ist „Demokratie“ gut, dafür soll sie erhalten bleiben).Die Antwort ist: Sie muss kollektive Lernfähigkeit aufweisen. Dafür Kurzformel: Die Regeln, die von „Information“ zu „Beschluss (kollektivem Plan, auch Versuchsplan)“ führen, müssen vergesellschaftet, müssen geteilt sein:das System der Begriffe und (somit) der Relevanzkriterien;instrumentelle Methoden, Optionen;Ziele;Umgang mit Unwissen, Risiken, Chancen, Forschung.
Alle wissen alles relevante; alle wissen, was relevant wäre für alle, wenn sie davon erfahren. Alle reden, spätestens indirekt, mit allen: Netzwerke miteinander verketteter, gut verständigter (alle genannten Kategorien teilend) Gesprächszirkel von 5, 6 Personen, die zugleich Angehörige von Nachbarzirkeln sind, die sie gegründet haben. So etwa. Angefangen mit Kriegsverhinderung.
Der Kapitalismus wird nicht „abgeschafft“ (ja, auch; aber das ist nicht vorherrschend). Sondern: Die (Zivil)Gesellschaft, die politisch frei entscheidende, nicht durch ein (durch die Eigentumsordnung) vorbestehendes Interessengefüge bereits gebundene (spätestens derjenige Teil der Gesellschaft, der sich davon mental freigemacht hat), verschafft sich politische Kontrolle über den gesamten Prozess ihrer Reproduktion (der dann immer weniger unbeaufsichtigt-marktförmig verläuft).
Mehr dazu zB hier: aufstehen-forum.de (nur Forums-Registrierung mit Nick und eignem Passwort erforderlich).