Diskussionsbeiträge 2013-2015

 

Absolut richtig: Nicht streiten – klären!

6. Mai 2013
Erstmal danke für die ausführlichen Antworten! Das Votum für sorgfältige und zwangfreie, nicht-autoritäre Kommunikation ist mir aus dem Herzen gesprochen. Wenn wir sonst nichts hätten und nur das, wären wir schon SEHR weit. Vieles, wenn nicht alles ergibt scih daraus..
Manche gemeinsam anzustellende Klärung muss nicht unter Beteiligung aller Leser stattfinden, man kann sich da auch gemeinsam zurückziehen und erstmal für sich klären, und das Ergebnis später den andern vorlegen. (In dem Zusammenhang: Robert – hast du meine Mail zur Ökonomie bekommen, oder bleibt hier auch was im Spam hängen?)
Vielleicht ist eins der wichtigsten Anliegen, die ich gern mit euch erörtern würde, dieses: Dass in der bisherigen linksradikalen Kritik nicht sorgfältig genug auf die Produktivkräfte geachtet wurde. Im Mass, wie die Menschen selbst als ihre wichtigste Produktivkraft (in und neben der Natur: die sollte auch mal erwähnt werden) angesehen werden, könnte man dann auch sagen: die Lebensweise. Was soll davon nach einem wie auch immer gearteten Bruch oder Übergang bleiben? Es gibt zwei Versionen, die eine, auftrumpfende, ist die mit der ungeheuren Macht, die da entfesselt ist, und die wir nie wieder hergeben wollen, deren wir uns dann vielmehr so richtig bedienen werden (also auch unserer selbst als Mittel dieser Macht…?). Die andre, etwas kleinlautere, besagt: So schnell lässt sich das nicht ändern. Beide Versionen kommen bei Robert vor.
Vielleicht kann man, worums mir geht, auf dasThema zuspitzen, das Robert dankenswerterweise in einem seiner Aufsätze zur NAO mal angesprochen hat: Die Gefälle, die aus Arbeitsteilungen entstehen; nicht nur Mann/Frau, sondern eben auch die altbekannten Stadt/Land, Kopf/Hand, Zentrum/Peripherie. Die Gemeinsamkeit zwischen diesen Gefällen lässt sich durch die Frage ausdrücken: Wo schlägt Arbeitsteilung in Lebensteilung, Lebens-Beschränkung, Ausschluss von Lebensanteilen, die nie fehlen dürfen, Überforderung und Vereinseitigung um?
Die alten Kommunisten müssen an der Stelle nochmal erwähnt werden; denn tatsächlich IST dies Thema ein uraltes der gesamten radikal linken Bewegung, und noch dahinter zurück bis an die Ursprünge dieser ganzen Bewegung in der Moderne (denn es gab ja unendlich viele Vorläufer davor), da steht der Name Rousseau. Bei Marx kams vor als jagen, fischen, kritisieren – im Kommunismus; was später versehen wurde mit dem Zusatz: wenn die Springquellen des Reichtums fliessen, DANN… kann man sich solche Extratouren leisten. (Davor, immerhin, schon mal der Versuch zur „allseitig entwickelten sozialistischen Persönlichkeit“…)
Gibt es einen Widerspruch von Leben und Leisten? Ist er AUSSCHLIESSLICH der Eigentumsform der gegenwärtigen Produktionsweise geschuldet? Und wieviel von ihr muss abgeändert werden, damit man ihn loswird?
Um diese Fragen werden wahrscheinlich viele meiner Beiträge kreisen.
Jetzt will ich erstmal Wals Ausgangs-Interesse ein wenig befriedigen (nachdem der Rahmen ein wenig beleuchtet ist, in den es hineingestellt wird). Soweit ich das kann.
Danach komm ich vielleicht auf diese Diskussion hier zurück.
Alles Gute, F.

Arbeitsteilung und Kontrolle über die eigenen Produktivkräfte

8. Mai 2013
Es ist ja ein sehr sympathischer Zug, dass man die Leute selbst als ihre wichtigste Produktivkraft nimmt. Die Frage ist, wie sie sich unter Bedingungen einer durch welchen Übergang auch immer ihnen vor die Füsse fallenden wahnwitzigen Arbeitsteilung ihrer produktivkärfte bemächtigen und sich darüber verständigen können.
Der Kapitalismus, neben anderm, macht her ein Versprechen, das nie überprüftwerden kann, nämlich: In ihm würde dieser völlig unüberschaubare Riesenprozess „modern-geselslchaftlich arbeitsteilige Produktion“ optimalkoordiert, während die zentrale „Planwirtschaft“, nach dem Modell des Ostblock-Sozialismus, ein andres gab es ja nicht, immer nur Fehlsteuerung und mangelnde Fehlabstimmung ergeben könne (den Vorwurf gabs dann auch in die Gegenrichtung als „Anarchie der Warenproduktion“).
Es ist in den Vorstellungen vom „Übergang“ bei Linksradikalen sehr stark der Gedanke wirksam, kap.Produktion könne in einigen Hinsichten, müsse sogar, unverändert bleiben, das ist dieser Punkt Produktivität, zum andern der Punkt Steuerung, Rechnung, Planung und Koordination, ansonsten müsse man vor allem die Zwecke der Produktion neu bestimmen, also auf die Bedürfnisse der Produzenten orientiert – die sollen möglichst selber festlegen, worin die bestehen.
Da Produktivitätssteigerung nicht mehr Selbstzweck ist, sondern gezielt auf diese Bedürfnisse hin stattfindet, ebenso klare Vorgaben der Produzenten hinsichtlich der Zwecke einfache Rechnungen zur Folge haben, scheint alles um Grössenordnungen einfacher, unaufwendiger, und doch effizienter.
Ich hab meinen Zweifel bereits zum Ausdruck gebracht (und da mag auch noch erheblicher Erläuterungsbedarf bestehen), was die angeblich unerhörte Produktivität der kap.Produktionsweise angeht, hier kommt nun der nächste bezüglich Steuerbarkeit.
Wals „Kommune Bochum“ illustrierte das Prinzip „alle Kommune-Produzenten produzieren auf Bestellung aller Kommune-Produzenten“. Schon da war zugestanden, dass das Procedere einen gewissen Teil der Lebenszeit der Kommunarden beansprucht; sie müssen ja jetzt selbst verwalten.
Was die Kommune-Bochum-Problemstellung so einfach macht, ist, dass in ihr der vorhandene Produktionsapparat – vor allem im Konsumgüterbereich – weitergefahren wird. Umverteilung von Arbeitskräften auf die Produktionsstätten (zur Senkung der Arbeitszeit
der dort Arbeitenden) stellt kein Problem dar; Um-Organisation und Anpassung der Produktion an die Bedürfnisse der dort Arbeitenden stellt kein Problem dar; aber vor allem stellen erst einmal die Entscheidungen über die künftige Lenkung von Investitionen, deren Ausmass und Richtung, kein Problem dar. So wie es kein Problem sein soll, wieviele“Nichtproduzenten“ wie gut leben (das wurde schon von Marx in der Gothaer Programmkritik angesprochen). System-Entscheidungen, noch hinter diesen Richtungsentscheidungen für Investitionen, spielen keine Rolle: Wieviel Mobilität soll sein, und wie organisiert? Wieviel soll für politische Aktivitäten ausserhalb und innerhalb der Kommune aufgewandt werden – für Beseitigung weiterer „Ungleichzeitigkeits“-Phänomene…Wieviel und welche Bildung will sich die Kommune leisten, und zwar sowohl bei ihrem Nachwuchs, als auch in der Erwachsenen-Bildung? Wie geht die Kommune mit den Produktions-bezogenen Bedürfnissen der Produzenten um – „Berufswahl“, erzwungene oder erwünschte Umschulung, Arbeitsintensität vs-dauer vs. -effizienz?
Die Art der ganzen Problemstellung „wie soll das gemacht werden?“ verweist allerdings auf einen Fehler im Ansatz:
Denn lang vor der Einrichtung einer gemeinsamen Produktionsweise treten die unterschiedlichen Analysen und Strategien der Linken, ihre theoretischen Konflikte, höchst hinderlich zwischen sie und eine gemeinsam organisierte Praxis; beginnt der Unterschied der Ausbildungen und praktisch ausgeübten Tätigkeiten sich zur Verständigungsschranke zu entwickeln; spielen Unterschiede im Wissen etwa speziell um ökologische (und noch mancherlei andere Fach-)Probleme eine gewichtige Rolle allein schon bei der Frage, ob das und wieviel Aufmerksamkeit es verdient; erst recht die „Ungleichzeitigkeiten“in der Linken selber; und wenn schon dort, wieviel mehr erst gegenüberden Aussenstehenden (gibt es irgendwo eine Analyse zur Frage, warum Leute linksradikal werden und warum andre nicht? Ist das so unerheblich?)
Noch elementarer: Dieser Weg soll kein Opfergang werden; schon da sollen Bedürfnisse und Leistungsgrenzen beachtet werden. Die eigene Reproduktion so einricihten, dass man von Markt und Konkurrenz möglichst nicht mehr abhängt, ist eines; es sich dabei angenehm zu machen und sich nicht zu überfordern (die je nächsten Aufgaben so wählen, das man es auch nicht tun muss), ein zweites; sich so einzurichten, dass immer noch Freiraum bleibt für die Ausweitung des bereits Erreichten, ein drittes.
Darum meine Überlegungen zur Frage, welches die ersten, zweiten, dritte Schritte sein könnten…

wie man Zwang los wird…

9. Mai 2013
@ wat, renee
Also ich rede hier immer als ich mit dir und dir und euch…
Mein Vorschlag ist, eigentumsfreie kollektive Produktion entlang der Reihe der wichtigsten Bedürfnisse aufzubauen. Und immer den nächsten Schritt zu machen, wenn man den vorherigen gut und sicher beherrscht. Also so, dass man ohne Überforderung jeweils wieder Zeit hat, was Neues (eben den nächsten Schritt) draufzubauen.
Der Gedanke dabei ist der: Viele Leute kriegen es gut hin, ihre Kollektivarbeit gut und für alle Beteiligte, vorneweg sie selbst, befriedigend zu erledigen; aber dann sind sie auch müde. Es ist garnicht so sicher, dass unter diesen Umständen ihre Abstimmung untereinander noch klappt. Die Vorstellung, warum das doch gehen könnte, schaut meist so aus: Alle machen ihre Sache an ihrem Platz möglichst gut, und der Rest ist VERNETZUNG. Aber Vernetztsein ist eine Aufgabe für sich, für die man in seinem Produktionsalltag Platz haben muss. Und wenn die Tätigkeiten, die vernetzt werden sollen, zu speziell sind, und nicht irgendwie schon von selbst zusammenarbeiten, wird das Vernetzen schon wieder Spezialistentätigkeit. Und dann ganz schnell ein Machtmittel. Also… wenn Produzenten ihren Zusammenhang untereinander gut und sicher steuern sollen, muss das als Anforderung bei jedem Komplizierunugsschrittt weiter funktionieren. Das heisst zum Beispiel, ich muss ungefähr wissen, was die andern machen, Arbeitsteilung darf nicht so weit gehen, dass wir grundsätzlich nicht mehr verstehen, was die sort treiben. Auch Expertenmacht ist MACHT. (Robert hat in seinen Texten die Macht, die aus einigen Arbeitsteilungs-Verhältnissen entsteht (am Beispiel der Reihe der „Gegensätze“ Mann/Frau – Stadt/Land – Kopf/Hand – Zentrum/Peripherie) benannt und derjenigen aus reinen Eigentums- und Gewaltverhältnissen gegenübergestellt. Ich frag mich, ob nicht sogar die Macht- und Eigentumsverhältnisse letztlich auf (zuviel, unguter) Arbeitsteilung beruhen…)

Ich hab übrigens in meinem Text über Gemeinschaften und Kommunen versucht, auf etwas aufmerksam zu machen: Die „Alternativen“, von denen ich dort rede, und die so ungeheuer stark in „Gemeinschaften“ drängen, denken, wenn man genau hinschaut, mit völlier Selbstverständlichkeit (also ganz ohne daraus einen besonderen Punkt zu machen!) eigentumsfrei und kollektiv. Die wollen wirklich zusammen produzieren und leben, und sie wollen auch teilen, ohne es zurückhaben zu wollen (wenn sie überzeuugt sind, dass was funktionieren wird oder kann). Ich hab ausserdem versucht drauf hinzuweisen, dass Linke durch ihre Fixierung auf zu organisierende und „revolutionär“ herbeizuführende, teils „von unten“ her durch Vernetzung entstehende arbeitsteilige Grosszusammenhänge diese „Szene“… naja hier müsste man fast sagen, nicht links sondern rechts liegen lassen. Die Linken wiederum sind den Alternativen eben wegen ihrer Besserwisserei und des autoritären Auftretens hoch suspekt. Obwohl die Linken etwas einzubringen haben, was diesen Alternativen (für sie durchaus schmerzlich) fehlt, und wonach sie ständig fragen (! es gibt also Bedarf bei ihnen): Erklärungen, Verständnisse, Perspektiven. Von den Alternativen wiederum könnten Linke, wenn sie sich auf sie einlassen, genau das lernen, was ihnen selber derzeit massiv abgeht: freundliche, angenehme Umgangsformen; Geduld; auf sich und die Andern achten; Zwanglosigkeit. Und… wenn ich manche Klagen und Untertöne hier richtig wahrnehme, gibt es da auch bei Linken einen gewissen Bedarf…

Dazu, dass die Projekte, auf die man sich einigen könnte, dauerhaft gelingen, gehört dann wahrscheinlich noch eine Menge mehr, damit sie überhaupt starten können: Schenkungen im womöglich grossen Stil, Abklärung von Rechtsformen, Techniken… und noch einiges andre, von dem ich jetzt nicht auch noch anfange.
Und das… ist jetzt nochmal eine Antwort an Robert oben: Ich leugne weniger DEN Widerspruch zwischen X und Y… als dass ich sage: Eine (womöglich epochal neue, anspruchsvollere als die früheren) Produktionsweise ist, je höher entwickelt sie ist, ein um so feiner in sich abgestimmtes Bündel von Erfüllungen verschiedenster kultureller Anforderungen: Da muss eins zum andern passen, damit es überlebens- und entwicklungsfähig wird, robust gegen Belastungen, lernfähig. Umgekehrt kann man sagen, eine Produktions- und Lebensform geht immer mehr „aus dem Leim“ oder gerät ausser Form, in der immer mehr nicht mehr stimmt, was mal produktive Synergien ergab mit den andern Bestandteilen: da ist dann nicht EIN Widerspruch oder fehlende Integration, sondern immer mehr solche.. nichts passt mehr. Das erleben wir gerade da draussen – und es sind nicht immer gleich schrille „Widersprüche“ – es reicht oft schon, dass eins das andre nicht mehr unterstützt, für alles gesonderte Aufwände getrieben werden müssen, wo früher sich alles von selbst entgegenkam. Und genau darum, weil zuviel Aufwand und Zwang immer Anzeichen für mangelnde Robustheit der entstehenden Zwangsgebilde sind – darum fang ich mit sowas auch persönlich garnicht erst an; sondern mach allenfalls Vorschläge, oder rege an, dies oder das in Erwägung zu ziehen. Mehr nicht.

Die ganz anderen Produktivkräfte (bzw. Lebensformen) sind das entscheidende…

15. Mai 2013
Mattis, Robert… ich versuche behutsam darauf hinzuweisen, dass „Kommunismus“ oder besser: entscheidend höhere Niveaus von Kooperation und Lernen (Umgang mit Wissen, Wissenstradierung und -verbreitung, aktivem und passivem Wissenserwerb) auf (letztlich welt-)gesellschaftlicher Stufenleiter in Zukunft unter Umständen ein wichtiges, aber eben bloss EIN Moment unter etlichen darstellt, die alle zusammen (und sorgfältig ineinander gewoben) erforderlich sind, um über den derzeit erreichten und sich zunehmend als unzulänglich erweisenden Stand der materiellen und politischen Kultur hinauszukommen. Der Mangel an Kapital ist dabei im Augenblick NICHT der entscheidend limitierende Faktor, im Gegenteil, ich deute ja ständig an, dass nach meiner Erfahrung die Bereitschaft (gerade auch unter älteren Linken, für die „Revolution“, wenn überhaupt, jedenfalls nicht mehr der einzige Punkt auf der Tagesordnung ist) sogar erfreulich gross ist, in zukunftsweisende Projekte mit Schenkungen zu „investieren“ – wenn da welche wären. DASS da sowenig ist, hängt mit der System-Struktur einer gelingenden Kultur-Entwicklung zusammen: Die Synergien fehlen, die Einzelstränge, die allesamt erforderlich sind, müssen derzeit getrennt entwickelt werden. Die Energien, die DAFÜR wiederum nötig sind, werden nicht einfach mit einer „Kritik“ der herrschenden Verhältnisse entfesselt – da muss schon aus der reif und alt gewordenen Gesellschaft etwas den neuen Aufgabenstellungen entgegenwachsen. Genau das ist, wie ich denke, derzeit auch der Fall (ich habe das aber noch nicht dargestellt). Und wie immer bisher geschieht es an Stellen, wo kein Anhänger der etablierten Epochenkultur es vermuten würde. – „Was können Menschen da schon ausrichten (aber warum sollten sie auch…)?“ hätte jeder ernsthaft Glaubende (und Gebildete) gegen technische Spielereien namens „Experimente“ noch im 17.Jahrhundert eingewandt – Naturwissenschaft war da gut und schön, aber letztlich so unerheblich wie andere „Künste“ auch (verglichen mit den Anliegen des Glaubens). So heute. Das Unerhebliche heute ist die Privatsphäre – jenseits von Beruf und Markt. Niemand rechnet ernsthaft damit, dass sich ausgerechnet dort (ohne grössere Arbeitsteilung und in zunehemnd autarker Selbstversorgung)eine epochal neue und robuste Lebensform herausbilden könnte. Und theoretische Analysen, die darauf hindeuten, sind derzeit nicht verfügbar.

Alle bisherige Kritik der Kollektivbetriebe setzt voraus, dass die in ihrer Produktionsweise grundsätzlich genauso verfahren wie die normalen, bloss eben „anders organisiert“. Sie sind dann gegen ihren Willen gezwungen, sich in die mit überwältigender Mehrheit „anders“, kapitalistisch, organisierte gesellschaftliche Arbeitsteilung via Kaufen und Verkaufen einzugliedern. Darin folgen sie den anderen Organisationsmodellen für kommunistische Projekte, die von Linksradikalen bisher vorgeschlagen und erprobt wurden: Mehr oder weniger umfangreich wird moderne Technologie und gesellschaftlich-arbeitsteilige Produktionsweise übernommen, bloss unter andern Eigentumsverhältnissen und auf andere Zwecke zu organisiert. Das alte Histomat-Dogma, dass gerade die veränderten Produktionsverhältnisse grundsätzlich NEUE Entwicklungen auf Produktivkraftseite bewirken, bewährt sich hier gerade nicht.
(Anm. Der historische Materialismus hat sehr wohl eine theoretische Lücke in unserem Verhältnis zur Geschichte gesehen (und lässt sie, im Mass, wie er in den Hintergrund tritt, aufklaffen), aber er ist seinem eigenen Anspruch, wie ich meine, nicht gerecht geworden (und hat sich darum als unzulänglich erwiesen). Er hat nämlich bei jeder historischen „Formation“, die er glaubte ausgemacht zu haben, das Produktionsverhältnis benannt, aber nicht die dazu gehörende je besondere Art der Produktivkräfte oder Produktivkraft-Verwendung (und die Gründe der Beschränkung, der die charakteristischerweise jeweils unterlagen). Das lag unter anderm daran, dass er – hier ganz dem traditionellen Aufklärungs-Diskurs folgend – technische Entwicklung eher nicht für etwas qualitativ gebrochenes und artikuliertes hielt, sondern etwas vorstellte wie ständiges Wachstum, quasi Druckaufbau durch schiere Masse an Innovationen, die dann an die Decke einer jeweils zu primitiv gewordenen (technisch nicht mehr angemessenen) Eigentums- und damit Arbeitsteilungs-Organsiation stiess und sie wegsprengte. Anm.Ende)

Es ist kaum bisher analysiert worden (und da sehe ich einen gravierenden Mangel), inwiefern die moderne Produktionsweise selbst ein Problem darstellen könnte – eines, das kapitalistisch aber gerade NICHT überwunden werden kann, vielmehr kollektives Planen und Wissenserwerben ZWINGEND (neben anderem) für eine solche Überwindung voraussetzt.
Dabei sind die Mängel dieser (modernen) Produktionsweise (die noch erheblich mehr ist, nämlich ein ganzes Weltverhältnis, so wie einmal das religiöse) immer mitbenannt, wenn die einfache Liste der grundlegendsten Mängel der KAPITALISTISCHEN Wirtschaftsform aufgestellt wird:
Nicht ökologisch (weil Natur, technomorph besprochen und begriffen, als technisch zu simulierende und in gewissem Sinn allererst zu entwickelnde verstanden wird)
Ungleichzeitigkeiten/Ungleichgewichte/ungute Arbeitsteilungen zementierend (weil all diese Formen nicht einmal begriffen sind) statt sie abzubauen
nicht bedürfnisgerecht (weil auf Bedürfnisse bis huete nich tgeachtet und ihnen nicht stattgegeben wird, sodass sie auch wieder kaum noch wahrgenommen werden).

Die epochalen Gebrechen des Weltverhältnisses (der Wissenschaft), der Art der Produktivkräfte (Technologien) und Art der Arbeitsorganisation der Moderne sind durch Kommunismus NICHT zu beheben; und das, obwohl (wie ich denke) nicht-autoritärer Kommunismus das der Moderne angemessene Produktionsverhältnis ist.
Genau darum habe ich in meinen früher hier veröffentlichten Texten gesagt, dass das umstürzend Neue bei der Behebung dieser Mängel bei weitem unterschätzt wird.
Der Weg über die kleinen Produktionseinheiten, die sich zu grösseren zusammenschliessen, ist keine mehr oder weniger ungeschickte Strategie zum Aufbau des Kommunismus, obwohl dieser Aufbau, wie ich behaupte, anders als kommunistisch, also als freie Assoziation der Produzenten, die im Innenverhältnis komplett eigentumsfrei gemeinsam wirtschaften, nicht zu bewältigen ist und daran eine zentrale Voraussetzung hat. Es ist vielmehr das UNERLÄSSLICHE Durchgangsstadium zu einer weltweiten nachmodernen Produktionsweise: radikal ökologisch – radikal auf den Abbau von Ungleichzeitigkeiten/Ungleichgewichten/unguten Arbeitsteilungen orientiert – radikal bedürfnisorientiert (nicht nur der Menschen als Konsumenten, sondern VOR ALLEM als Arbeitende; von diesen Bedürfnissen ist bei euch eigenartigerweise nie die Rede).
Um da gleich zu beginnen, was in dieser Schärfe den Kommunarden von Owen bis Kaufungen nie vor Augen gestanden haben dürfte: Eine radikal naturnahe und freie Zeit ermöglichende landwirtschaftliche Produktionsweise (Einrichtung dauerhafter Nutzpflanzenbiotope) ist extrem stark an LOKALE Vorgaben und deren experimentierender Erforschung gebunden. Es ist eine Produktionsweise, für die es im Prinzip keine wirklich entwickelten Vorbilder gibt (abgesehen von der Permakultur-Bewegung).
Sie KANN nicht anders in grösserem Masstab aufgebaut werden als durch lokal und nahe an ihrer Anbaufläche lebende produzierende Gemeinschaften, die sich in die Anforderungen ihres Geländes vertiefen (und ihre Erkenntnisse für eventuell nachrückende andere Kommunarden ständig protokollieren). Die Produktion solcher Gruppen beruht auf gemeinsamem und gemeinsam organisierten Wissenserwerb. Da sie an einem natürlichen „System“ arbeiten, wo jeder Eingriff „systemische“ Rückwirkungen haben kann, müssen alle alles Wichtige über das von allen beobachtete und gelenkte System wissen. Sie können also nie allzu arbeitsteilig werden, noch können sie hierarchisch arbeiten, denn es gibt (ausser dem protokollierten Wissen über das Verhalten der angebauten Sorten und Kombinationen im betreffenden Gelände) und öffentliche Datenbanken über möglicherweise alternative einsetzbare Sorten/Arten und mögliche Techniken und Ideen zur Mikroklima-Anpassung und Reduktion biologischer Ungleichgewichte und Instabilitäten (was heute Schädlingsbekämpfung heisst) kein „hierarchisch“ organisierbares Wissen.
Am Markt finden diese Leute wenig geeignete Gerätschaften für IHRE Art der Landbearbeitung vor – allenfalls solche, die sie ziemlich einfach auch selbst herstellen können. Mit Geld kommen sie deshalb auch nicht sehr weit. Die meisten Sorten, die sie einsetzen, sind eh so selten, dass sie sie selbst vermehren müssen. F1-Hybride und Samentütchen aus dem Gartenbaumarkt helfen ihnen nicht weiter. (Das gilt auch für den Neuaufbau naturnaher und lokal erzeugbarer Rohmaterialien und entsprechender Fertigungslinien (vgl. den von Robert zitierten Herrmann Fischer; der hier allerdings weit den tatsächlich vorliegenden Entwicklungsresultaten vorgreift), die in den Gesamtaufbau der naturnahen Land-Kultivierung und ihrer Verwertung in regionalen Lebensformen integriert werden müssen.)

Ganz entscheidend ist die Zielsetzung, die sich mit dem naturnahen Anbau unmittelbar verbindet: Ein eingerichtetes Nutzpflanzenbiotop erfordert DEUTLICH weniger Arbeit (stattdessen eher: Beobachtung, lenkende Eingriffe) als traditioneller Garten- und Landbau. Wenn nicht in dieser Weise produziert wird, entstehen somit nie die Freiräume, die Kommunarden für ihre Weiter-Arbeit benötigen: erstmal am Ausbau ihrer Autarkie in immer weiteren, bedürfnisnahen Bereichen (auch entlang den Optionen, die ihnen daraus erwachsen, dass sich ihnen mehr Leute, auch mit ihrem Eigentum, anschliessen); und: für Weiter-Arbeit an ihrer Vergesellschaftung, vor allem Abbau der Gefälle zu Trägern anderen, historisch zurückgebliebenen Mentalitäten (durch Verständigung mit ihnen) und Aufhebung des Unterschieds zwischen Kommune-Menschen und den andern. In dieser Arbeit wird den Kommune-Mitgliedern ihre eigene historische Stellung begreiflich, und zwar nicht etwa nur einigen Spezialisten, sondern allen zusammen. Ebenso lernen alle im langsamen, sorgfältigen, kontinuierlichen Ausbau der Kommune-Reproduktion diese ihre Reproduktion technisch zu beherrschen und immer weiter organisatorisch für alle Beteiligte transparent und kontrollierbar zu gestalten. (All das hat unter anderm die Konsequenz, dass jedes Kommune-Mitglied jeden Neuankömmling, angefangen beim eigenen Nachwuchs, in gleicher Weise wie jedes andere Mitglied in die Kommune-Lebensform einführen und die dafür wesentlichen Kenntnisse vermitteln kann. Unterrichten geschieht im Alltag.)
Bedürfnisorientierung gibt dabei für alle Zwecke, die sich die Kommunarden dann konkret setzen, den Takt und die Richtung vor. (Bedürfnisse, die sich auf die Art des Produzierens richten, werden gleichrangig mit „Konsumtionswünschen“ behandelt. Genauer: das GANZE des Lebens wird als bedürfnis-bestimmt behandelt.) Das heisst: Die Grenzen für zwangloses Leisten setzen die Grenzen für ihr Tun, sie überfordern sich nicht; die Interessen, die sich aus ihrer Geschichte ergeben, und die Aufmerksamkeits-Spielräume, die sich dabei zwanglos öffnen, geben die Richtung vor. Dabei gibt es eine ganz einfache Regel, die Produktion und Konsumtion verbindet: Niemand wird mehr irgendwas zu konsumieren kriegen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen, das er nicht selbst zu produzieren oder zu erbringen bereit wäre (von körperlichen Handicaps abgesehen).
Anders gesagt: Es handelt sich um eine komplett andere Produktionsweise, die erstmal neu aufzubauen ist.
Was Owen angeht, möchte ich noch anfügen, dass wir eben auch 200 Jahre weiter sind. Nicht nur was die Programmatik angeht, sondern auch, was die Kritik der damals noch recht jungen kapitalistischen Moderne betrifft. Und die Bereitschaft auch Vermögender, mitzuhelfen, dass Lebenformen entstehen, die daraus herausführen.
Was Niederkaufungen betrifft, so sind deren Erfahrungen mit einem Übermass an Mediation Ausgangspunkt von komplett anders ansetzenden Formen und Strategien der Gemeinschaftsbildung, von denen hier noch überhaupt nicht die Rede war. (Es kommen eben SEHR viele Elemente zusammen…)

Industrie oder nicht Industrie… das ist hier die Frage…

16. Mai 2013
Mein Argument zielte auch mehr auf Mattis und frühere Bemerkungen von ihm. Zentral gegen meine Ausführungen gerichtet ist aber bei dir, Robert, natürlich folgende Passage:

Robert Schlosser schrieb:
Aus meiner Sicht geht es aber wesentlich um die Aneignung und Veränderung der bestehenden industriellen Produktion, wenn man den Kapitalismus überwinden will. Ich glaube nicht an die Möglichkeit/Perspektive einer breiten gesellschaftlichen Bewegung zur Gründung von Alternativbetrieben neben der industriellen Produktion.

Meine Erwiderung geht (ich wiederhole es) dahin, dass die bestehende industrielle Produktionsweise in eine ökologische Katastrophe führt (da sind mindestens die Korrekturen mit Blick auf AgrarINDUSTRIE LebensmittelINDUSTRIE Chemie (im allgemeinsten Sinne, also auch Bergbau- und Hütten-, Erdöl-verarbeitende) INDUSTRIE EnergieINDUSTRIE TransportINDUSTRIE und Verwendung von deren Produkten in anderen INDUSTRIEbranchen fällig, die ich angedeutet habe; die Gründe dafür sind nicht politischer sondern TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHER Natur.) Des weiteren ist diese Produktionsweise immer noch arbeitsaufwendig in einem Mass, die die emanzipatorische Selbstorgansiation (und vor allem Auseinandersetzung ihrer als Minderheit mit ihrer andersgearteten Umgebung) der Produzenten unmöglich macht. Viele „Bedürfnisse“ in einer Industriegesellschaft sind Notwendigkeiten zur Kompensation von Schäden und/oder Meisterung von Herausforderungen (Transport, Energie-Aufwendigkeit)), die aus der (marktwirtschaftlich noch zugespitzten, aber prinzpiell nur in relativ engen Grenzen „verbesserbaren“) industriellen Produktionsweise selbst herrühren: Immer mehr Technik wird nötig, um Technikfolgen zu eliminieren. Die technisch definierten Notwendigkeiten der Industrieproduktion widersprechen elementaren Bedürfnissen nach einer menschengemässen Lebensführung, sie schreiben zugunsten einer angeblich Konsum-begünstigenden Produktivität extrem vereinseitigte Arbeitsformen fest – was sich die Leute an Konsum dabei schenken, haben sie sich – meist im Übermass – vorher durch bedürfnis-ignorierende Produktionsweisen genommen. Das industrielle Elend setzt sich dann in die sog. Freizeit fort – dort darf ja dann wieder nichts „ernstzunehmendes“ stattfinden, weil alles wirklich Ernsthafte weil Produktive bekanntlich Selbstverleugnung und Verausgabung bedeutet.

Es ist hier aber, wie ich auch shcon gesagt habe, nicht darauf zu setzen, dass Konsequenzen aus einer KRITIK der Technik gezogen werden, vielmehr sind da draussen massenhaft menschen unterwegs, die, ohne bereits sich gross einen Begriff davon gemacht zu haben, die ihnen aufgezwungene zeitgenössische Lebensform in fast all ihren Aspekten ablehnen und verzweifelt etwas anderes suchen.
Die sind es, von denen ich sagte: einer nach-modernen Lebensform muss ein gesellschaftliches Bedürfnis nach ihr entgegenkommen.

Nochmal: ökologisch – bedürfnisorientiert – Ungleichzeitigkeit abbauend…

18. Mai 2013
Mattis, ich bin nicht im geringsten optimistisch. Ich spreche von absoluten Zwängen und Notwendigkeiten.
Die Frage der Bodenbearbeitung ist in der Tat ein Kernthema. Eigenartigerweise hast du, Mattis, das Stichwort, das selbst ich in meinen spärlichen Hinweisen genannt habe, garnicht erwähnt: Permakultur. Man könnte auch sagen: Renaturierende Rekultivierung. Der „Bio-Landbau“, den du deinerseits anführst, folgt in fast allen entscheidenden Hinsichten dem konventionellen. Die Bodenvernichtung und der Einsatz von immer mehr Technologie bei sinkenden Erträgen ist garantiert. Am Ende steht Bodenverwüstung. Die sogenannten Biobauern kriegen das früher als die andern zu spüren, weil sie sich bei gleichem Ansatz selbst Grenzen gezogen haben, an die sie dann entsprechend früher stossen als die andern. Darum geben in Deutschland immer mehr Bioagrarbetriebe wieder auf, weil sie kostenmässig nicht überleben können. Darin liegt unter Umständen auch noch ein anderes Eingeständnis: Wirklich biologische Landwirtschaft (jenseits der Frage des Arbeitsaufwands) KANN nicht so „produktiv“ betrieben werden wie heutige. Und die Bodenbearbeitungs-Roboter kannst du dann auch vergessen; von Plackerei kann ich (schon gar bei Kartoffeln? was arbeit-sparenderes als die gibts doch garnicht) derzeit in meinem Kollektiv nichts sehen. Und das entscheidende Argument hast du übersehen: Es gibt beim wirklich naturnahen Anbau zwar ein riesiges Inventar an Techniken, Sorten, Gesichtspunkten, die du kennen kannst; aber dein Gelände musst du dann selbst gestalten und sehen, was dort wie gedeiht. Und dann experimentierend das ganze verbessern. Insofern ist jeder, der irgendwo sowas anfängt, Pionier auf gerade DIESEM Stück Land. Solcherart eingerichtete Flächen, wenn sie zusammenwachsen, würden eine neue Art Kulturlandschaft bilden, nachdem die alte grossflächig (unter anderm eben wegen der grossen Flächen) vernichtet ist. Wir können gerne einen thread über Agrarbiologie aufmachen; das würde in der Tat meinem Vorschlag entgegenkommen, sich endlich einmal um die Produktivkräfte, vorweg die menschlichen, zu kümmern. Denn so wie die natürlichen, erschöpfen sich auch die menschlichen Ressourcen. Und das hängt nicht von irgendwelchen falschen Empfehlungen zur Auslegung der jeweils kollektiv geplanten „Industrien“ ab: Ob eine industrielle Lebensmittelproduktion überlebensfähig ist, wird sich in wenigen Jahrzehnten weltweit, so oder so, entscheiden. Ob Menschen noch 3D-Drucker (und mit deren Hilfe Pistolen (wie neulicih berichtet; wie oft kann man damit schiessen? wenn man denn schiessen will)… oder, sagen wir: Gitarren (?) aus Hartplastik) bauen wollen, ob sie ihre Verständigung unbedingt mittels Internet betreiben und ihre Textilien weiter in der Waschmaschine waschen wollen (also mir täten zwei Waschzuber in der Tat reichen), das wird sich dann genauso erweisen. Kein demokratisches Procedere gleich welcher Art wird die Konflikte, die DA entstehen, beseitigen… Und zwar schon zwischen den Industriebefürwortern. Denn wieviel Aufwand will man denn für wieviel (zutiefst zweifelhaften) Produktivitätsgewinn treiben – vor allem, wenn VEREINFACHUNG niemals zu den gewählten technologischen Strategien gehören darf.
Und, Mattis und Kim, es ist nicht bloss die Frage der (komplexen) Maschinen, als ob die sich mit Software alleine bauen (und nicht ein unübersehbar riesiges Fundament an tiefreichenden Fertigungsketten, Rohstoffen (nebenbei endlichen), Werkstoffen erfordern würden – ganz gewiss keine solchen, wie sie der von Robert zitierte „Ökopionier“ Hermann Fischer angeführt hat – vom Energieaufwand noch ganz zu schweigen.)
Die Frontlinien werden bald schon nicht mehr verlaufen zwischen kollektiv und privat; sondern zwischen industriell und nachindustriell. „Front“ wird auch das nur kurz sein; denn die nachindustrielle Produktionsweise wird ihre Überlegenheit und Attraktivität als Lebensform unter Beweis stellen. Ich wiederhole: Diese Entwicklung hängt nicht von falschen oder richtigen „Empfehlungen“ von Leuten wie mir ab; sondern ich prognostiziere, bestenfalls; wie Leute (die die Erfahrung von je etwa vier Generationen Modernisierung erben) massenhaft in Zukunft leben wollen, können solche wie ich (oder ihr) nicht beeinflussen.
Bitte vergesst nicht meine Sätze oben: es gehört vieles und vielerlei zusammenwachsende Entwicklungslinien dazu, damit eine epochal andre Kultur robust und zukunftsfähig wird. Die Formen der Verständigung in der (technisch ermöglichten) „Öffentlichkeit“ sind aus meiner Sicht BARBARISCH. Auch da rechne ich mit Veränderungen (was Sorgfalt und „Lebbarkeit“ angeht), an die aus heutigen Perspektiven nicht im Traum gedacht wird.

Sich verständigen, sich einigen…

20. Mai 2013
Es ist doch klar, dass in diesem Rahmen hier schwierige und durchaus auch noch unerledigte technische Kontroversen etwa zum biologischen Landbau nicht wirklich ausgetragen werden können. Aber etwas in dem Zusammenhang gehört schon hierher: Die Produzenten sollen sich verständigen, sie sollen sich einigen… und eure Vorstellung ist, dass sie im grossen ganzen schon so entscheiden werden wie IHR. Den Rest… setzt dann der demokratisch-sozialistisch verwaltete Staat („verpflichtend“, das Wort ist hier wohl sehr gewichtig und mit Bedacht eingefügt?) durch?
Genau das ist ein Zusammenhang, auf den ich aufmerksam machen wollte (und daneben noch einer, gleich), nämlich:
Arbeitsteilige Grossproduktion erfordert Gross- und Global-Strukturen der Entscheidungsfindung.
Beim „Bestellen“ zB darf man als Konsument sehr frei sein, als Produzent wird man aber in die Pflicht genommen.
Das war nämlich das andre, worauf ich hier (in aller Kürze, gibt ja sovieles, das ansgesprochen werden müsste) hinweisen wollte: Bedürfnisse beim Gestalten der Arbeit selbst scheinen überhaupt nicht ins Verhältnis gesetzt zu werden zu den Konsumwünschen.
Und die Utopie lautet: Ganz viel Maschinen, die womöglich („automatisiert“ oder 3D-gedruckt) selbst die Maschinen produzieren (und dann ganz haltbare, ja gern, wenn das so geht: Robustheit war ja eins meiner technologischen Hauptziele, da sind wir uns dann schon mal einig), reduzieren dann die leider „notwendige“ Arbeit. Das heisst, bestimmte Alternativen werden unter Umständen garnicht erst zur Entscheidung gestellt – etwa, ob man vielleicht für eine angenehme Arbeitsweise auch Reduktionen beim Konsumniveau gern inkaufnähme. Und wie, wenn die ienen so und die andern so…? Dann tritt wieder Punkt 1 ein – wenn denn die Mehrheit sich einigen kann. Dafür kann man durch die Art der Fragestellung ja schon mal im voraus sorgen…

Von der Verständigung, vom Argumentieren, von der Sorgfalt in der gesellschaftlichen Planung beim Umgang mit Erkenntnissen (und der Bewältigung dessen, was womöglich alles berücksichitgt werden muss) war dann noch garnicht die Rede.
Obwohl sich hinter dem Problem der Fragestellungen für die Gross-Produktion und den vielfältigen Präferenzen dabei (die man auch ignorieren und vom Tisch wischen kann) sich DIESE Schwierigkeit (die der Wissensverarbeitung auf gesellschaftlicihem Niveau und der daran sich anschliessenden Präferenzenbildung – etwa im Umgang mit Risiken) erst recht abzeichnet.
Und zwar andeutungsweise auch schon in unsern Debatten hier.

„Permakultur“ und Kultur…

20. Mai 2013
Oje Kim, da hast du aber etliches in einen ganz falschen Hals gekriegt, ich sortiers mal:
1. Permakultur als „sittliches“ Prinzip und höhere Moral? Davon war zumindest bei mir nicht die Rede. Ich wollte auch nur ein Stichwort für die Recherche sagen, mich wundert nicht, dass dabei auch viel Unfug mitläuft (bei den „Alternativen“ ist das nicht anders als bei den radikalen Linken). Ich persönlich ziehe einen anderen Ausdruck vor, Rekultivierung durch renaturierung, den wirst du aber so im Internet nicht finden. Und das sind alles nur Einstellungen zu Anbaumethoden für Nahrung und eventuell auch Agrar-Rohstoffe. Das ist nicht unwichtig, aber es bleiben ja dann noch eine Menge an Produktionsaufgaben zu lösen.
2. Dass man da an Kreislaufwirtschaften denkt, mehr als heute, ebenso wie an andere technologische Prinzipien wie Dezentralität, Robustheit, Modularität, „raffinierte Einfachheit“, Energie-, Material- und Arbeitszeiteffizienz (dh sparsam damit umgehend) – das ist erst einmal nur als rationale Strategie (gewiss fehlt auch noch einiges) im Zusammenhang mit den von mir genannten Anforderungen gemeint. Weder fällt mir da etwas „Höheres“ ein, dem sich die Vergesellschaftung zu fügen hätte – die Produktionsziele gehen ja allererst aus den Beratungen der assoziierten Produzenten hervor, die Prinzipien sind wahrscheinlich sogar Bedingunug fürs Sich-zusammen-Tun und Assoziieren – , noch bilde ich mir ein, dass sich da irgendwas von selbst fügt und ergibt. Wir müssen ns schon überlegen, was wir da tun, und darin einig sein.
3. Bei der Analyse der Motive für den heutigen Gebrauch (und auch Nichtgebrauch) der verfügbaren Techniken schlage ich vor, den Blick zu weiten und auch solche Einstellungen mit einzubeziehen, die man eher „kulturell“ nennen würde. Überhaupt ist das Verhältnis zwischen Technologie und Ökonomie, besser Politischer Ökonomie, bzw. den auf je beides bezüglichen Mentalitäten, ihren Trägern, der Art ihres gesellschaftlichen Zusammenhangs, der Institutionen, in denen er sich ausprägt, nicht unbedingt besser durchleuchtet, seit die (relativ einfachen) Thesen des historischen Materialismus dazu auf dem Tisch liegen. In meinem persönlichen Theorie-Jargon gesprochen: Es ist, meine ich, noch nicht genügend auseinandergehalten, was spezifisch dem Kapitalismus, und was der (dann eventuell auch im Kommunismus kritikwürdigen) „Moderne“ in ihm zuzuschreiben ist. (Vom allgegenwärtig vormodernen Denken, dem massenhaften Verweigern von Lernen, Begreifen, als überflüssig, dem bauernschlauen Vertrauen in Autoritäten (man weiss schon, wem zu glauben Erfolg verspericht), dem ungebrochenen Zutrauen in die ganz eigene geschickte Weise (nicht zuletzt Quelled es Willens zum Eigentum), grade das Wichtige zu wissen und alles andre ignorieren zu dürfen – von all dem noch ganz zu schweigen.)
4. Die Menschen können froh sein, wenn sie die nächsten 50 oder 100 Jahre halbwegs ungeschoren überstehen…

Sich verständigen, sich einigen…

20. Mai 2013
Es ist doch klar, dass in diesem Rahmen hier schwierige und durchaus auch noch unerledigte technische Kontroversen etwa zum biologischen Landbau nicht wirklich ausgetragen werden können. Aber etwas in dem Zusammenhang gehört schon hierher: Die Produzenten sollen sich verständigen, sie sollen sich einigen… und eure Vorstellung ist, dass sie im grossen ganzen schon so entscheiden werden wie IHR. Den Rest… setzt dann der demokratisch-sozialistisch verwaltete Staat („verpflichtend“, das Wort ist hier wohl sehr gewichtig und mit Bedacht eingefügt?) durch?
Genau das ist ein Zusammenhang, auf den ich aufmerksam machen wollte (und daneben noch einer, gleich), nämlich:
Arbeitsteilige Grossproduktion erfordert Gross- und Global-Strukturen der Entscheidungsfindung.
Beim „Bestellen“ zB darf man als Konsument sehr frei sein, als Produzent wird man aber in die Pflicht genommen.
Das war nämlich das andre, worauf ich hier (in aller Kürze, gibt ja sovieles, das ansgesprochen werden müsste) hinweisen wollte: Bedürfnisse beim Gestalten der Arbeit selbst scheinen überhaupt nicht ins Verhältnis gesetzt zu werden zu den Konsumwünschen.
Und die Utopie lautet: Ganz viel Maschinen, die womöglich („automatisiert“ oder 3D-gedruckt) selbst die Maschinen produzieren (und dann ganz haltbare, ja gern, wenn das so geht: Robustheit war ja eins meiner technologischen Hauptziele, da sind wir uns dann schon mal einig), reduzieren dann die leider „notwendige“ Arbeit. Das heisst, bestimmte Alternativen werden unter Umständen garnicht erst zur Entscheidung gestellt – etwa, ob man vielleicht für eine angenehme Arbeitsweise auch Reduktionen beim Konsumniveau gern inkaufnähme. Und wie, wenn die ienen so und die andern so…? Dann tritt wieder Punkt 1 ein – wenn denn die Mehrheit sich einigen kann. Dafür kann man durch die Art der Fragestellung ja schon mal im voraus sorgen…

Von der Verständigung, vom Argumentieren, von der Sorgfalt in der gesellschaftlichen Planung beim Umgang mit Erkenntnissen (und der Bewältigung dessen, was womöglich alles berücksichitgt werden muss) war dann noch garnicht die Rede.
Obwohl sich hinter dem Problem der Fragestellungen für die Gross-Produktion und den vielfältigen Präferenzen dabei (die man auch ignorieren und vom Tisch wischen kann) sich DIESE Schwierigkeit (die der Wissensverarbeitung auf gesellschaftlicihem Niveau und der daran sich anschliessenden Präferenzenbildung – etwa im Umgang mit Risiken) erst recht abzeichnet.
Und zwar andeutungsweise auch schon in unsern Debatten hier.

Integration, Präferenz, Differenz…

22. Mai 2013
Mattis, ich rechne ja mit Vielfalt, und wie weit die Verständigung unter denen, die schon länger hier schreiben, fortgeschritten ist, kann ich im Moment in der Tat nicht beurteilen. Mir geht es auch mehr drum (wie vielleicht auch euch andern), überhaupt einmal eine Ordnung von Fragestellungen oder zu Berücksichtigendem zu finden – vielleicht besonders unter dem Gesichtspunkt der möglichen Konfliktlinien.
Dass es da auch unter nachkapitalistischen Bedingungen Konflikte geben kann, ist ja, glaub ich, ein Thema, das auch dir besonders wichtig ist. Und es sind gerade die möglichen Konfliktfelder, über die ich mir versuche einen Überblick zu verschaffen.
Zentralwiderspruch immer wieder, auch jetzt hier: Die individuellen Präferenzen weicihen voneinander ab – gibt man ihnen statt, zersplittert die ganze gepante Gesellschaftlichkeit der gemeinsamen Reproduktion in zahllose Ansätze, die eben nicht miteinander vereinbar sind oder gar integriert. Deswegen halte ich nicht die Regelungen der Beschlussfassung oder Kompromiss-Aushandelung für das Entscheidende, sondern Verständigung, gemeinsame Verarbeitung von Erfahrung/Wissen, und Konsensbildung. Das wiederum hat aus meiner Sicht SEHR viel zu tun mit den „Rest-Widersprüchen“ aus (unguter) Arbeitsteilung, die auch nach Wegräumen der Eigentumsschranken verbleiben: „männlich“/“weiblich“, Stadt/Land, Kopf/Hand, (fortgeschrittenes) Zentrum/ (zurückgebliebene) Peripherie. Ich glaube, dass es gute Gründe gibt, warum man immer wieder auf diese und nur diese Begriffspaare zurückkommt (und dass ihre Ausbildung etwas zu tun hat mit fundamentalen historischen Epochen bzw. Entwicklungsschritten).
Diese „Widersprüche jenseits der Klassen- und Eigentumsschranken“ sind es vielleicht auch, die einer (dann kollektiven) Umsetzung der von mir immer wieder angeführten Hauptziele (wird mir da eigentlich zugestimmt? fehlen noch welche?) „ökologisch – Ungleichzeitigkeiten/Ungleichgewichte abbauend – bedürfnisorientiert“ am meisten entgegenstehen.
Ich sollte dann vielleicht noch erwähnen, dass ich sehr stark aus einer Perspektive heraus denke, in der der Aufbau einer zwangfrei-kommunistischen Vergesellschaftung zwar durch die bestehenden Verhältnisse behindert wird – wo aber diese Verhältnisse eher als Ausdruck von Mangelzuständen anzusehen sind, die durch den Kommunismus-Aufbau überwunden werden müssen, als dass ihre „Abschaffung“ (Mangelzustände kann man ja in dem Sinn nicht „abschaffen“) den Weg frei macht für etwas, das dann wesentlich von selbst seinen Gang geht. (Darum stelle ich mir auch als Übergangsmodus eher längere Ko-Existenz eines (wachsenden) kollektivistischen Sektors mit der alten Eigentums-Umgebung vor. Das hat dann schon wieder mit der Idee des langsamen, sorgfältigen Aufbauens zu tun…)

Noch ein paar Zusammenhänge (nur angedeutet, alles wohl sehr erklärungsbedürftig…)
Integration heisst „Konfliktbeseitigung“, auch: Beachtung vieler Prioritäten zugleich, ohne eine auf Kosten der andern zu verfolgen.
Das zielt dann in Richtung des andern von mir genannten: „Synergie“, vieles befördert sich wechselseitig, wirkt automatisch zusammen, ohne Extra-Aufwand.
Individuelle „Präferenzen“ könnten dannuU darauf beruhen, dass Leute vereinseitigt Prioritäten setzen (und dies als ihre EIGENE Forderung gegen andere durchsetzen wollen, bis hin dazu, dass sie eben „Eigentum“ wollen und eine Eigensphäre, wo wenigstens einmal dieser ihr ganz besonderer Eigenwille gilt..)
Wohingegen das sorgfältige Auf- und Zusammenbauen und Miteinander-Abstimmen VIELER Prioritäten gleichzeitig vielleicht garnicht mehr soviele Wahlmöglichkeiten lässt, sondern eher als Hauptgesichtspunkt Konsens (und als solcher vorher bewusst gemacht) sein müsste.Als Hauptquelle und somit Hauptort für die (gesellschaftliche) Behebung der Prioritätenkonflikte sehe ich aber das EINZELLEBEN an: Von dorther beurteilen ja letztlich alle, ob sie die gemeinsame Gesellschaftseinrichtung nützlich finden (zum Nutzen gehört auch: Minimierung von Risiken, also Angst, Sorge…). So sage ich: Es sind letztlich die vereinseitigten Prioritätensetzungen, die die DIFFERENZEN in der gemeinsamen Planung begründen. Je mehr der Gesichtspunkt der Aufhebung von Vereinseitigung im Einzelleben Platz greift und die Planungs-Grundsätze aller bestimmt, desto mehr wird diese Planung vermutlich auf sich von selbst verstehende Konsensentscheidungen zulaufen. (Das ist eine Hypothese…)
Das gibt mir zuletzt Gelegenheit, den mir liebsten aller Sprüche von Marx zu zitieren, die Definition von Kommunismus nämlich als jenem Zustand, wo die Entwicklung jedes Einzelnen Bedingung (und Masstab) für die Entwicklung (und Entwickeltheit) ALLER ist.

Landwirtschaft und andre Probleme…

29. Mai 2013
Danke Wal für deine wohlwollende Antwort. Ich will gewiss nichts vorschreiben, nur mich mit andern verständigen. Dazu muss ich ausgehen von da, wo ich bin, und ehrlich sagen, wie ich es mir denke (weils mir nach allem, was ich weiss, aber ich weiss gewiss nicht genug, vernünftig vorkommt) – nur dann kann ich ja korrigiert werden, wenn ich falsch liege.
Darum wäre ich interessiert zu erfahren, was an meinen Begründungen für dich nicht nachvollziehbar ist. Im Kern rede ich ja nicht über Landwirtschaft oder Nahrungsmittelproduktion, als eine wenn auch wichtige (so im Sinne von grosszügig geschätzt/zugestandenen 30% Gesamtarbeitszeit) Branche der Gesamtproduktion, sondern über eben diese Produktion im ganzen. Und das muss ich auch; denn mir scheint, dass die, die hier schreiben, wenigstens darin übereinstimmen, dass in einem eigentumsfreien Zustand die Produzenten, und das heisst jeder einzelne von ihnen, die Grundsätze kennen und beurteilen können sollten, nach denen ihre gemeinsame Produktion eingerichtet ist (und darüber zuverlässig einen vernüftigen Konsens hergestellt haben, einander (darum) vertrauen können usw).
Wenn du also in deinem PS (mitsamt Zweifels-Smiley) darauf hinweist, die endgültige Produktionsweise sei nicht gefunden, dann kann ich dem nur voll und ganz beipflichten, hingegen wenn du mich elend kleines Individuum Franziska DER MENSCHHEIT gegenüberstellst, dann erwidere ich (und erinnere damit natürlich an den im letzten Beitrag von mir zitierten Marx-Spruch), dass DIE MENSCHHEIT aus lauter Franziskas besteht, die sich nicht zu einer Riesen-Franziska aufbauen, sondern grad soweit jeweils gediehen sind, wie jede einzelne Franziska oder Wal oder Robert, Wat, Kim, Peter, Leser und alle andern, die hier schreiben oder auch nicht schreiben. Und da rede ich jetzt nicht über das Land(wirtschafts-)- oder besser Naturverständnis (von dem auch geredet werden muss), sondern vom Kommunismus: Höhere Einsichten als solche, die Platz in jedermanns, jedesmenschen Kopf haben, können dort nicht erwartet werden. Umgekehrt: Wenn wir am gegenwärtigen Kapitalismus die Klassengesellschaft kritisieren, sollte nicht vergessen werden, dass die keine feudale ist und sich nicht einfach (nicht ausschliesslich) als gottgewollte Zuordnung von Menschen mit angeboren-unterschiedlichem Rang zu Abteilungen gesellschaftlichen Reichtums legitimiert; sondern darüber, dass Profite quasi Lohn sein sollen für überdurchschnittliche Leistungen beim allgemeinwohl-dienlichen Umwälzen der Produktion (durch angeblich geschickte Planung, Erarbeitung und bedarfsgerechten Einsatz von technischen Innovationen) – so die Legitimation; und nicht nur Lohn sollen sie sein, sondern in Gestalt von Entscheidungsbefugnissen wird den Kapital-Besitzern und -Verwaltern auch ein Teil des gesamt-gesellschaftlichen Produktions-Zusammenhangs anvertraut, den sie hoffentlich verantwortungsvoll im Sinne des Profits (also des Marktes, dieses angeblich besten Masstabs für Allgemeinwohldienlichkeit) handhaben (managen) werden…
So eine zumindest wichtige Variante der Legitimation für ungleiche Eigentumsverteilung.
Und an der ist mancherlei auszusetzen, was akut und vorrangig zu beseitigen ist, nämlich Massenverarmung und Ausbeutung weltweit, dazu rabiate Beschädigung der natürlichen Lebensbedingungen der lokalen wie globalen Bevölkerung. Aber im Zuge dieser Beseitigung fällt gleich ein auch in linksradikaler Kritik oft übersehener Zug dieser Produktionsweise auf, der mit dem altmodischen Ausdruck „Anarchie der Warenproduktion“ nur unzulänglich erfasst wird: der religiöse Wahn von Marktwirtschafts-Befürwortern, gerade durch den NICHT-Zusammenhang, durch NICHT-Organisation den Fortschritt moderner Industriegesellschaften ganz besonders, ja maximal effizient (als wäre das messbar) steuern und optimieren zu können. Das Problem, WIE Produzenten gemeinsam diesen ihren arbeitsteilig-gesellschaftlichen Zusammenhang kontrollieren und sich dafür im Konsens organisieren könnten, erben sie von diesem System, das es sich (oder sich ihm) garnicht erst stellt (weil es angeblich schon bestens gelöst ist). In den Rechnungen, die speziell du, Wal, bislang anstellst (und da denke ich auch an das „Bestellwesen“ der Kommune Bochum), kommen, wohl doch noch als Reflex der Marxschen Arbeitswerttheorien, immer bloss Arbeitszeiten (womöglich noch „abstrakt“ – jeder kann da jederzeit alles?) vor. Aber zur Entscheidung stehen auch an: Aufwände für Neuanpassung und Umstrukturierung der Produktion; Entwicklungskosten; Prioritäten bei der Verteilung knapper Ressourcen (nicht zuletzt: Ausbildung) und Produktions-Kapazitäten auf Produktivitäts-Steigerungen (oder auch bloss bei der Aufrechterhaltung bestehender Produktion).
Und jetzt vergessen wir nicht: Abgesehen von der Aufgabe der gesellschaftlichen Kontrolle von Produktion vererbt der Kapitalismus auch das Problem der Konsensbildung unerledigt. Dieses Problem wird die kommunistisch denkende Minderheit der Bevölkerung heimsuchen, ganz gleich, ob sie sich als solche in einer anders und nicht-kommunistisch produzierenden Umgebung auf den Weg macht, oder mit einem Zerrüttungs- oder Zusammenbruchs-Szenario konfrontiert ist (was die Aufgabe keineswegs erleichtert).
Die Kommunisten sind, obschon sie vermutlich mehr Anlass zur Konsensbildung sehen als irgendein anderer Bevölkerungsteil, heute unter sich in geradezu absurder Weise zersplittert, und zugleich in ihrer derzeitigen Verfassung objektiv unfähig zur Konsensbildung – wie soll das denn mit der vorerst riesigen nichtkommunstischen Umgebung gehen (die wirds in jedem Falle, so oder so, noch längere Zeit geben…)?
Die grösste Schwierigkeit, ich wiederhole mich, oder geradezu das historische Nadelöhr, durch das der kommunistische Neuanfang durch muss (diese Passage kann wohl als seine historische Bewährungsprobe angesehen werden) ist: dass die Aufgaben einer weitgehend autarken Reproduktion in einer betehenden Umgebung, der Konsensbildung, der Handhabung des Verhältnisses zur Restgesellschaft, bei Nichtüberforderung von Mensch und Ressourcen und mithilfe egalitärer Strukturen bei Aufrechterhaltung der Gesellschaftlichkeit der Gesamt-Produktions alle ZUGLEICH angegangen werden müssen, und in etwa je auf gleichem Niveau gelöst sein müssen, damit es nicht zu Ungleichgewichten kommt.
Das ist der Grund, warum ich AUCH von Landwirtschaft, aber auch bauökologischer Altbausanierung mit lokal verfügbaren Materialien rede, und dann noch, vielleicht,bestenfalls, von Handwerks- und Manufakturaufgaben, die dezentral und robust von Kommunen in der Grössenordnung von jeweils etwa 1000 Bewohnern gelöst werden können (und das SEHR gerne mit fortgeschrittenem technischem und wissenschaftlichem Sachverstand: Da soll mir jede ökologisch sinnvoll einsetzbare Bakterienkultur willkommen sein! Jede Materialart! Jede Technologie! Wenn sie den Basisanforderungen des kommunistischen Produzierens genügt (um die geht es mir… Natürlich bloss aus Franziskas Sicht; die – wie auch immer verändert – hoffentlich demnächst, irgendwann mit der von Wal, Wat, Robert, Kim, Peter, Leser, Bernd und allen andern übereinstimmt…)

PS: Gegenüber dem, was wir alle zusammen können und kennen sollten, sind wir allesamt blutige Laien und haben einander nichts wesentliches voraus, egal was wir im einzelnen (schon) draufhaben oder auch nicht.

Diverse Antworten

30. Mai 2013
Ich komm grad nicht nach mit Antworten, irgendwo ist aber glaub ich alles wesentliche im folgenden angesprochen, auch wenn es immer noch ausführlicher behandelt werden könnte (oder sollte..)

Hallo Robert, uneingeschränktes Dankeschön für deine Zustimmung, anonsten eingeschränkte Gegenrede meinerseits: Die Restriktionen im Produktionsniveau, von denen ich spreche, sind aus zwei Vorannahmen abgeleitet: Erstens, die primären und im Rahmen ihrer Mittel zur Not (!) autarken „Kommunen“ meines Szenarios sind nicht grösser als 1000 Personen), da kann man (noch) keine grossen industriellen Sprünge machen, zweitens, die Technologien der kapitalistisch betriebenen Industrie sind durch die von mir genannten „Rücksichtslosigkeiten“ charakterisiert, für die nötigen Korrekturen wird allerdings erheblicher Sachverstand zu mobilisieren sein. Was nun die Kommune-Grösse angeht, würde ich fast sagen: Wenn auch nur IRGENDWO tatsächlich einmal 100.000 Personen so produzieren (also 100 zu einer Gross-Kommune zusammengewachsene 1000-Personen-Klein-Kommunen*)), dass sie den von mir genannten Voraussetzungen genügen (lokal weitgehend autark („zur Not“), fähig zur schnellen gemeinsamen Informationsverarbeitung und Konsensbildung, einigermassen stabil unangefochten sich in der Restgesellschaft behauptend und erweiterungsfähig, robust/mit Reserven/ohne Überforderung von Ressourcen, angefangen bei der eigenen Handlungsfähigkeit, reproduktionsfähig; egalitäre Kontrolle der Gesamtproduktion ausübend im Konsens ALLER beteiligten Produzenten) – dann.. naja, vielleicht noch nicht ganz aber beinah… hat der Kommunismus gewonnen.
(Die Pointe dabei ist, dass ich damit rechne, dass als Resultat kulurellen und synchronisiert-biographischen Lernens der Angehörigen moderner Industriegesellschaften den kommunistischen Strukturen auch Tendenzen entgegenkommen, von der nicht in jeder Hinsicht (weil zu Über- und Fehleinschätzungen führend) willkommenen Strahlkraft einer wirklich funktionierenden Kommune ganz zu schweigen.)
*) wichtige praktische Fragestellung: Wieviele Zwischenstufen sind nötig für welche je nächsten Produktionserweiterungen über die aller-nötigsten reproduktionsaufgaben hinaus?

Noch ein Wort zum Zusammenhang von Kontrolle der Produktionsweise durch die Produzenten und „Industrie“: Was ich am Bestell-Modell unter anderm problematisch finde, ist die Trennung zwischen „uns“ als Konsumenten, und „uns“ als Produzenten. Vermittelnd dazwischen treten von „uns“ offenbar nicht ohne weiteres einsehbare und von selbst bestehende Zusammenhänge der Art: Wenn ihr (alle zusammen, das war ja der Fortschritt des Bestellens) DIESES wollt, dann müsst ihr JENES tun. Den Punkt, dass damit nur ein geringer Teil des Gesamt-EntscheidungsBEDARFS abgedeckt ist, hatte ich schon angesprochen, aber wichtiger ist doch, dass da so garkeine FREIHEITEN den versammelten Produzenten eröffnet werden. Der Schlüsselbegriff für den Mangel an Freiheiten ist dann immer: Industrie. Lese ich dann, etwa in Wikipedia, etwas zum Begriff, gibt es nur sehr wenig Stichworte: Mechanisierung – Automatisierung – Massenproduktion (dazu gehört: Standardisierung, Normung, Ersetzbarkeit von Einzelteilen).
Wieso aber sollte es vormodern sein, Technologien zu entwickeln, die – das mag nun industriell heissen oder nicht – folgenden technischen Ansprüchen genügen:
– Energie- und Materialeffizienz, vollkommene Recyclebarkeit: Kreislaufwirtschaft
– Modularität und Synergie, geplante Integration verschiedenster Produktionszweige
– Robustheit, Nachhaltigkeit, lange Lebensdauer von Produkten
– dezentrale/lokale Produktions-Optionen, „subsidiäre“ Form von Arbeisteilung (es wird immer nur das an die nächsthöhere Einheit delegiert, was „selbst“ nicht gemacht werden kann; dies die Antwort auf Roberts Stahlproblem; bei weitergehender Autarkie geht es nicht um erwünschte sondern vorübergehend uU erzwungene Notfälle)
– „raffiniertes low tech“, geringe Fertigungstiefen
– erleichterte Lehr- und Lernbarkeit der nötigen Qualifkationen (auch hier: Modularität der Kenntnisse)
– ökologische Ausrichtung der Produktion (das ist in „Kreislaufwirtschaft“ schon sehr weitgehend mitenthalten)
– Ausrichtung der Produktion auf die Bedürfnisse von Werktätigen als Konsumenten UND Produzenten.
——————————-
Wal, ich rede hier von gleich zu gleich, unter kommunistisch eingestellten Werktätigen, und berate mich mit euch darüber, was wir als solche vernünftigerweise tun und wie uns verhalten sollten. Da ist kein Herrschafts- und Beherrschungswunsch. Meinen Überlegungen liegen Analysen zugrunde, die in der Tat von andern Voraussetzungen (und vermuteten Tatbeständen) ausgehen als das klassische linke Revolutions-Szenario. Ich habe diese Voraussetzungen aber durchaus schon genannt:
Erstens. Der Bevölkerungsteil, der sich kommunistisch organisieren will, hat schon heute gewisse, wenn auch noch stark eingeschränkte Möglichkeiten das zu tun, und sollte sie nutzen. Obwohl er vermutlich wachsen wird, muss er auf längere Fristen mit einer nicht-kommunistisch wirtschaftenden Umgebung zurechtkommen. Das gilt AUCH für mögliche Zusammenbruchs- und Chaos-Szenarien, unter anderm deretwegen plane ich die Notoption Autarkie so stark in meinen Vorschlägen mit ein.

Es ist, zweitens, bei mir unterstellt, dass der Aufbau einer von den Produzenten beherrschten, gesellschaftlich-arbeitsteiligen Produktionsweise erheblich grössere Schwierigkeiten macht, als die klassische marxistische Rede von den durchs Kapital entwickelten Produktivkräften vermuten lässt. Immerhin wird durchaus auch von den selben marxistischen Linken zugegeben, dass sich die kap.Produktionsweise rücksichtslos gegen Mensch, (lebende) Natur, Ressourcen verhält; die Analysen gehen aber nicht ins (technische) Detail, sodass hier wenig Klarheit darüber besteht, wie eine „rücksichtsvollere“ Umrüstung der Produktion aussehen müsste. Da aber ist dann die Rede von Risiken (wenn schon nicht von unmittelbaren Sachzwängen), und wie die Produzenten (oder Werktätigen) der frei assoziierten Kommunen sich dazu stellen, kann ich in der Tat nicht vorwegnehmen. Es könnte bloss sein, wenn die Kommunen wirklich frei assoziiert sind, dass sich eben Gleichgesinnte zusammenfinden, die sich über bestehende Risiken einig sind. Das gilt übrigens in gleicher Weise (noch so ein Sachzwang) für die Art, wie sie die von ihnen gemeinsam betriebene Produktion regulieren. Auch da gibt es Präferenzen für sorgfältigen Aufbau und solche, die andere Prioritäten setzen. Auf das GLEICHZEITIGE Berücksichtigen mehrerer Anforderungs-Dimensionen wurde in meinen Aufbau-Szenarien grosser Wert gelegt. Manche Kommunisten mögen das anders sehen. Vielleicht gründen sie dann neue Kommunen. Wenn herrschaftsfrei agiert wird, lässt sich das kaum verhindern. Die Grössen- und Produktivitätsphantasien kann man sich abschminken, wenn da kein Konsens ist, es sei denn, man will ihn (ich will das ganz sicher nicht) erzwingen.
Es hat aber, Wal, wenig Sinn, ständig davon zu reden, dass da jemand die Rechnung ohne „die Werktätigen“ macht. Ich bin werktätig und mache andern Werktätigen Vorschläge. Ich begründe das auch, und führe meine Begründungen im einzelnen gerne auch noch weiter aus. Ich weiss nicht, welche andere Position ich den andern Werktätigen gegenüber einnehmen könnte.

Mattis, nein, du hast in deinem letzten Punkt nicht recht, was mich anlangt: Die Konsequenzen meiner Vorschläge versuche ich wohl zu bedenken, und bin persönlich auch bereit, sie zu tragen. Nicht zu leben von Erzeugnissen von Leuten, die so arbeiten, wie ich es nicht wollen würde, ist einer der obersten Grundsätze, aufgrund deren ich überhaupt Vorschläge mache.

Peter, die von dir beschriebene Landwirtschaft führt in wenigen Jahren zur Wüstenbildung (wenn man diese Art Plantage nicht schon selbst Agrarwüste nennen will). Boden, der so bearbeitet wird, ist extrem erosionsanfällig, nimmt Wasser sehr schlecht auf; mineralgedüngte Pflanzen, erst recht in Monokultur, sind extrem anfällig in jeder Beziehung und müssen ständig mit hohem (Herbizid, Pestizid ua) Aufwand „geschützt“ werden. Über die Ernährung, die auf diese Weise zustandegebracht werden soll (vermutlich mit massiver Fleischproduktion), ist damit noch garnichts gesagt. Nur ein Detail: Der „gute“ Phosphat-Anteil am Minderaldünger ist grade ausgegangen. In den verbliebenen Lagerstätten gibts leider nur noch uran- und cadmiumhaltigen. Schau dir mal im Wikipedia-Artikel „Mineraldünger“ an, wieviel zig-tausend TONNEN Uran allein dadurch auf deutschen Böden jährlich ausgebracht werden.
Aber diese Fachdebatten sind im Moment noch zweitrangig gegenüber dem Gesichtspunkt: Wie verwerten die Kommunarden in ihrer Produktion überhaupt Wissen? Schliesse ich mich mit Leuten zusammen, die mit Information weniger sorgfältig umgehen als ich? Wie zuverlässig sind solche Mit-Produzenten?
(Und… nicht vergessen: Zwangs-Einbindung in Kommunen ist dann auch wieder Herrschaftsausübung. Wenn der Eintritt in eine Kommune freiwillig sein soll, muss jedem erstmal Subsistenz ausserhalb der Kommune möglich sein. Das wäre übrigens ein Grundsatz, den nicht-autoritäre Kommunisten mit rein Libertären teilen.)
Aber solche Fragen ergeben sich immer nur aus Szenarios, wo flächendeckend grosse Teile der Reproduktion einer Bevölkerung schlagartig kommunalisiert werden. Weder halte ich dies Szenario für wahrscheinlich, noch für wünschenswert. Über diese Voraussetzungen (wahrscheinlich? wünschenswert?) sollte hier vielleicht noch genauer nachgedacht werden.

kurz, zu mattis

30. Mai 2013
Danke Mattis, dass du diese Probleme immer wieder ansprichst – auch mir ist das sehr wichtig. Vom Standpunkt eines sorgfältigen Aufbaus (den ich in Niederkaufungen eben grade nicht sehe, sonst wär ich dort, und würde nicht hier drüber schreiben, wie mans stattdessen machen sollte) sind Personenzahlen von auch nur 1000 derzeit wahnwitzige Utopien. Und genau darum entwerfe ich ja solche verwickelten Strategien – in denen das technische Beherrschen je erst- und nächst-wichtigster Produktionsthemen einhergeht mit der inneren Abstimmung, wie das zu handhaben sein soll – solang, bis Freiräume für den nächsten Schritt entstehen. Die Zins-Probleme entstehen nicht, wenn Selbstversorgung von Anfang an Bedingung ist und ohne entsprechendes Eigentum nicht gestartet wird. Nach meiner Kenntnis sind es nicht wenige Geldgeber, sondern die überzeugenden Konzepte fehlen. (Ich bin, wie gesagt, in Projekten tätig, die unter anderm den Zweck haben, Geldgeber mit potentiellen Selbstversorger-Kollektiven zusammenzubringen…)
Wir reden hier bisher sehr wenig über die Motive, die Leute tatsächlich nachhaltig dazu bringen (oder abhalten), und über Voraussetzungen, die sie letztendlich auch dazu befähigen (oder daran scheitern lassen), gemeinschaftlich und im vernünftigen, zwanglosen Gruppen-Konsens bewältigbare Reproduktions-Aufgaben zu lösen (und das mit einer weitergehenden und letztlich umfassenden Perspektive).
Und, wie ich immer wieder andeute… wir bewegen uns da in der Zone der verbleibenden „Rest-Widersprüche“ aus möglicherweise unguten Formen der Arbeitsteilung: männlich/weiblich, Stadt/Land, Kopf/Hand, Zentrum/Peripherie… Unter radikalen Linken wird bislang darüber nur sehr wenig nachgedacht. (Was wiederum mit der Erwartung zusammenhängt, die aktuelle Eigentumsform sei das Hindernis (sie ist eins, keine Frage! und obendrein Ausdruck, Symptom von vielem weiterem Hinderlichen…), nach dessen Wegräumung im grossen Stil alles Ungute sich in Wohlgefallen auflöst.)

Antwort an Kim: Die Wert(e)produktion, oder wo liegt das Problem…

31. Mai 2013
Hallo Kim, wir sprechen hier über aus bestimmten Arbeits- oder sogar Lebensteilungs-Verhältnissen („männlich“/“weiblich“ (im gender-Sinn), Stadt/Land, Kopf/Hand, Zentrum/Peripherie) resultierende „Widersprüche“. (Teilung hier mehr im Sinn von Trennung, Zerreissung, Ausschluss, nicht von Kooperieren, gemeinsam haben; obwohl es da vertrackte praktische Überschneidungen gibt, wenn man an das „Geschlechterverhältnis“ denkt… und die zeigen sich bei den andern Dualismen, Dichotomien, Polaritäten… nicht weniger.).
Über diese Widersprüche liegen derzeit „polit-ökonomisch“ noch wenig Aussagen vor, und wenn, dann sind sie vermutlich eher umstritten.
Nun sagst du: Einzig Arbeitsteilung, welche den Anforderungen der Wertproduktion gemäss eingerichtet ist, erzeugt diese Konflikte als solche ZWISCHEN Personen oder Personengruppen. Dem möchte ich garnicht widersprechen, denn ein ganz anderer Satz liegt mir mehr am Herzen: Selbst wenn sich diese Konflikte in einer eigentumsfrei durch die Produzenten zwangfrei selbst geplanten gesellschaftlich-arbeitsteiligen Reproduktion nicht mehr ZWISCHEN ihnen entfalten, dann doch immer noch IN ihnen – darum, weil sie fundamentale menschliche Bedürfnisrichtungen verkörpern, die nicht so sehr durch „Freizeit“-Konsum befriedigt werden, sondern durch die produktive Lebenstätigkeit der Betreffenden selbst. Und die steht, aufgrund etlicher historischer Entwicklungsschritte auch schon vor Modernisierung/Industrialisierung (aber erst recht mit ihr), zerrissen zwischen Wünschen und Lebensentwürfen der je einen und der andern Art, und bekommt sie (seit den jeweils Epoche-machenden Trennungsschritten) nicht mehr in den Griff.

So. Von meiner Seite aus ist damit genug angedeutet. Wenn du, Kim, oder andre darüber (oder auch zu meinen theoretischen Überzeugungen zum Thema „Wertproduktion“, damit habe ich mich immerhin 40 Jahre lang herumgequält) mehr lesen wollt, könnt ihr auf meine Website gehen oder mir persönliche Fragen per Mail schicken, ich antworte gern. ABER… nun kommt das Aber:
Ich schlage vor, dass wir bei der Erörterung praktischer Fragen der Art: Was sollten wir kommunistischen Werktätigen (wenn Wal nicht wäre, würd mir „Kommunisten“ auch reichen, oder auch „Befürworter zwang- und eigentumsfrei-moderner oder auch nachmoderner gesellschaftlicher Verhältnisse“) jetzt tun? die grossen theoretischen Konfessionen nur da und soweit auspacken, wo damit nicht allgemein offensichtliche Hindernisse für bestimmte praktische Vorschläge erklärt werden, durch die diese Vorschläge von vorneherein als nicht oder kaum durchführbar erwiesen werden. Es versteht sich, dass alle Praktiken, die mit AGITATION im weitesten Sinn befasst sind, oder auch bloss Erklärungen gegenüber der Restbevölkerung, warum man das will und macht, was man will bzw macht, es mit Inhalten im allgemeinen zu tun bekommen. Die PRAKTISCHE Frage, die sich für mich da freilich seit langem anschliesst, ist: Welche Rolle spielt eigentliich Kenntnis und Erkenntnis beim Übergang zum Kommunismus? Warum sind WIR Kommunisten geworden oder von Anfang an immer schon gewesen?
Die Leute, mit denen ich zeitlebens über Kommunismus geredet habe, sind so gut wie nie angetreten mit einer Position der Art: Wir haben da so ein unüberbietbar tolles System, besser kanns garnicht gemacht werden. So reden eigentlich immer nur aktuell oder zukünftig „Verantwortliche“ und Führungspersönlichkeiten. Fast alle, mit denen ich gesprochen habe, waren voller Zweifel und Skepsis gegenüber Marktwirtschaft und Demokratie, natürlich auch dem Realsozialismus gegenüber, den sie als einzige Alternative kannten. Aber ALLE interessierten sich vorrangig für die Frage: Wie wollt ihr das einrichten, oder (soweit ihr es schon macht) wie macht ihr es? Würde mir das gefallen, oder was würde mich abhalten/abstossen?
Von diesen Leuten nun mal weggeblendet zurück zu uns…
Von meinen Ausflügen in philosophische Sekundärliteratur kenne ich den (durchaus nicht sarkastisch gemeinten) Satz (oder seine praktische Umsetzung) „die genaueste Form der Erklärung des Textes ist das Zitat“. Robert hat das – zu deiner, Kims, Zufriedenheit – hier gerade praktiziert. Aber bitte… ist hier wirklich jemand, euch beide, Robert, Kim, eingeschlossen, der sagen kann: die theoretischen Probleme im Zusammenhang mit den Themen K1-3 (oder die Pendants der MEGA.. nichtmal der Textkanon steht ja fest), geschweige denn den nicht von Marx abgehandelten Themen Staat, Nation, Imperialismus ua. sind gelöst und bloss nicht zur Kenntnis genommen? In Roberts Homepage lese ich eine lange Liste von Aufsätzen zu anderen linken Meinungen. Für Robert mag sich da manches geklärt haben, für die andern (die Leser wie die Kritisierten) auch? Kim, du sagst: Die Wertproduktion wird nicht verstanden. Gibt es eine verständliche Erklärung, warum wird sie dann nciht verstanden, und wenn keine, obwohl sie möglich wäre, warum wird sie nicht verfasst? Und… wie wichtig ist das alles, neben welchem anderm Wichtigen?
Wollen die Leute die Wertproduktion begreifen, fragen sie danach?
Sollten sie sie begreifen, müssen sie sie begreifen, sollten sie dazu gebracht werden (wie?) danach zu fragen…?
Und, wie gesagt, bei der Wertproduktion bleibt es ja noch nichtmal…
Begreifen ist sehr wünschenswert, sich Verständigen auch… man kann sein Leben damit zubringen, ich weiss, wovon ich rede.
Es gibt aber noch andre Wünsche…
Und vielleicht ahnt IHR jetzt (an einem Punkt zumindest), wovon ich da oben rede.

PS: Das ist übrigens der Punkt, an dem ich es unterlasse, hier die ganz grosse Debatte über die Marxsche Ökonomie zu eröffnen, so wünschenswert das (für mich, für andre weniger) wäre, und so sehr mir hier Anlass geboten wurde, es zu tun. Die öffentliche Aufmerksamkeit ist nun mal nicht unbegrenzt.
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Kommunale Arbeitsteilung, Autarkie

1. Juni 2013
Ich bin SEHR einverstanden, Robert, dass du das zum Thema machst. Die Kritik, die du äusserst (Schlagworte usw), sollte sich eigentlich nicht gegen mich richten; denn ich bin mir, wenn ich schreibe, der von dir angesprochenen Probleme (im Verbund mit anderen, denn so muss man sie, glaube ich, sehen) ständig bewusst. Daher spreche ich von „Autarkie“ immer nur in zwei Hinsichten: so viel davon, wie mit vorhandenen lokalen Mitteln gerade möglich (das ist wenig); und: zur NOT auch mal weitergehend.
Wal hat in seinem letzten Beitrag die „ökologische Linke“ etwas stiefmütterlich behandelt: Die „Kritik der Bedürfnisse“ erledigt sich da mit dem Slogan, „veränderte Produktion verändert Bedürfnisse“. Dabei wird vergessen, dass es hier nicht so sehr um Bedürfnisse im Sinne der „verspürten“ geht, sondern um „gewusste“ Anforderungen. Damit sind wir beim ersten Konfliktfeld angelangt: Kapitalismus ist in vielen Hinsichten rücksichtslos gegen alle möglichen physischen Voraussetzungen von nachhaltigem Leben und Arbeiten. Das macht ein Gutteil der vielgerühmten kapitalistischen Produktivität aus. Man kann natürlich rücksichtslos weiter bestellen und mit dem vorhandenen Produktionsmittelbestand (und seinen nationalen wie internatonalen Reproduktions-Voraussetzungen) „rechnen“. Das geht leider nicht mehr lange gut, und damit muss man sich als Verwalter seiner eigenen kommunalen Produktion schon mal auseinandersetzen. Schon darum, weil Nachhaltigkeit technische Umrüstung erfordert, wahrscheinlich auf extrem vielen Gebieten. Die aber kostet Zeit und Ressourcen. Und Beratungsaufwand. (Ich frag mich schon beim aktuellen Planungsniveau, wie lang der absolute Arbeitstag der Kommunarden sein soll, wenn sie die Produktion vorausschauend steuern und gestalten und nicht nur Vorschläge ihrer zentralen kommunalen Rechner abwinken sollen… Wer sagt eigentlich, was auf den Bestellzetteln steht?)
Ich spreche hier aber (noch) nicht über Wals Beitrag, sondern über deinen, Robert.
Wir erben (einfach als Zeitgenossen) vom Kapitalismus nicht nur Herrschafts-, Klassen- und Ausbeutungsverhältnisse. Wir erben etwas, das gegenüber diesen schrill sich in den Vordergrund drängenden Themen leicht in Vergessenheit gerät (meiner Überzeugung nach geschieht das auch wegen mangelhafter inner-linksradikaler theoretischer Verständigung über den Charakter der kap.Produktionsweise): Kapitalismus behauptet, im Markt ein Steuerungsinstrument für die modern irrwitzig gesteigerte, ja sogar globalisierte Arbeitsteilung zu haben, das ganz ohne Kenntnis von Zusammenhängen, ohne weitläufige Planung und Voraussicht (jenseits der Ebene des (meinetwegen auch Gross-)Betriebs) auskommt. Neben die Widerlichkeit der Klassengesellschaft kommt da ein Element von religiösem (anders kann man das nicht nennen) Wahn ins Spiel. Die Frage, ob und wie weit moderne Produktion auf höherem als diesem programm-gemäss markt-anarchischen oder auch monopol-erpresserischen kapitalistischen Niveau gesteuert werden kann, und das noch dazu von DEN Produzenten GEMEINSAM, ist derzeit völlig offen. Klar ist den Diskutanten hier wie wohl allen, die sich der Fragestellung überhaupt bloss nähern, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Niveau der Arbeitsteilung, also Nicht-Autarkie, stattdessen Abhängigkeit der Produzenten voneinander, und der Schwierigkeit allein schon der Steuerung, geschweige denn Abstimmung, Kontrolle, Konsensfindung usw.
Die Tendenz meiner Vorschläge dazu wurde ausgesprochen: Langsame Hereinnahme je nächst-weitergehender Produktionsaufgaben geht einher mit Zusammenschlüssen kleinerer Kommunen, in denen die je letzten Aufgaben bereits robust und nachhaltig autark gelöst sind, zu passend grösseren Verbänden.
Autarkie, Lokalität, Regionalität, Dezentralität gelten hier aus mindestens drei voneinander unabhängigen Gründen (und in vollem Bewusstsein der Kosten für die Lebensführung) als wünschenswert:
1. ökologische Gründe (ganz rabiat und radikal von mir vertreten, aber nur für die je eigene Lebensführung – ich will keine Ökodiktatur, bittesehr!)
2. Unabhängigkeit (hier ist eine breite Zone „möglicher Autarkie, zur Not“, auf die man vorbereitet ist, abzutrennen von der Autarkie, die gut und ohne Einbussen im jeweiligen Rahmen eingerichtet werden kann)
3. tatsächliche Steuerbarkeit ihrer gemeinsamen Produktion durch die Produzenten, und zwar ALLE ohne Ausnahme und auf gleichem Niveau.
Man muss wissen, was man wofür opfert. Mir sind diese drei Punkte wichtig. Singen können wir selber, und über perfektes Konservieren ohne Kühlschrank gibts eine Menge zu lernen. Mein Metallbesteck hab ich im Keller liegen, mir schmeckts eh nur noch mit Holzbesteck und -geschirr. Metall, Keramik, Holz bearbeiten, um wesentliche Arbeitsmittel selbst (zur Not!) herstellen oder wenigstens reparieren können, war von mir als dritter Ausbauschritt benannt. Ein weites Feld. Aber im Baumarkt muss ab dann nur noch wenig gekauft werden (oder geschenkt, solang man auf Aussenbeziehungen angewiesen ist…)
Da, wo ich (meistens) wohne, wars noch vor 40 Jahren so. Keine Einzelhandelsgeschäfte, Supermärkte, Baumärkte sowieso nicht… erstaunlich viel wurde SELBST hergestellt im bäuerlichen Familien-Haushalt, der Rest von regionalen Handwerkern. Die Region war – verglichen mit heute – um GRÖSSENORDNUNGEN autarker. Und das Seltsamste ist: Zeit hatten die Leute trotzdem. (Ihre Musik war auch nicht ganz schlecht…) Dazu ist dann zu sagen: Das war bereits unter vormodernen Vorgaben so. Wenn moderne, lernfähige und ständig lernbereite Leute, international vernetzt, die über Daten- und Saatenbanken, Materialien, Verfahren, Wissens- und Könnens-Ressourcen verfügen, die den bornierten Hinterwäldlern im Leben nie zugänglich waren (obwohl auch die schon eine Menge wussten) – wenn also dies Potential sich mit dem Autarkie-Zweck verbindet, sollte doch etwas Brauchbares herauskommen. Übrigens… ich hab einen Punkt vergessen; der sich aber nach meiner Überzeugung aus all dem mit ergibt:
4. FREIRÄUME für interessante Erkenntnisse und Erweiterungen der (lokalen) Produktion.
Wer sagt übrigens, dass die Produzenten sesshaft bleiben müssen? Die Produktionsweise mag es sein, die Produzenten können zirkulieren und reisen…

nicht mit Holzspatel oder Fingern essen…

1. Juni 2013
Aber nein, Peter, das sind fein geschnitzte Bestecke (Messer Gabel Löffel alles da) aus Hartholz, sogar die Messer schneiden gut, und Teller und Schüsseln gibts auch. Aber natürlich mache ich diese Steilvorlage für alle Befürchtungen, hier ginge es zurück ins Mittelalter, bloss darum, weil ich denke, dass man das zerstreuen (und grad darum auch offen ansprechen) kann. An der Stelle waren wir schon öfter.. wenns in Technik-Debatten übergeht, müsssen wir doch alle zusammen hier passen, wer denn auch nicht? Uns kanns doch nur drum gehen zu überlegen, in welche Richtung man sich vernünftigerweise orientiert, was man probieren und recherchieren könnte, und was sich mit welcher Ausrichtung schon jetzt absehbar an Konsequenzen verbindet. Mehr können wir hier nicht, aber wenigstens unter uns zu Einigkeit, oder wenigstens Klarheit, zu kommen, würde den Aufwand für die Diskussion doch lohnen.

Einige Fragen, leichter zu stellen als zu beantworten…

2. Juni 2013
Hallo Wal, in meinen Beiträgen habe ich schon oft (ohne es immer zu sagen) Bezug genommen auf das Modell Kommune Bochum, aber eine Frage (und etliche im Anschluss daran) scheint mir fast die wichtigste:

A. Wie ist eigentlich der Übergang in den von dir beschriebenen (End?)Zustand zu denken?
Wie wünschenswert bzw. wahrscheinlich sind welche Übergangsformen/phasen (Ko-Existenz eines Kommune-Sektors mit der kap. Rest-Wirtschaft)?
Gibt es da so etwas wie einen Vorlauf, der schon jetzt beginnt (was könnten wir, die Mitglieder des Marx-Forums, und Sympathisanten tun?)….?
… und/oder ein langsamer Zuwachs?
…plötzliche Erweiterungen, wodurch (Zusammenbruch, Zerrüttung der Verhältnisse, Revolution)?
…und wie bettet sich das ein in eine nationale oder globale Übergangs-Prognose oder -Strategie?

Als drängendste nächste Fragenkomplexe:
B. Der Zusammenhang von (persönlichem) Bedürfnis und (persönlichem) Beitrag ist ausdrücklich „vergesellschaftet“.
Wie wird dann aber der Einfluss der „Werktätigen“ auf diesen Zusammenhang organisiert? Wie allein schon ihre Information über diese Zusammenhänge? Man hat nicht den Eindruck, dass die „Besteller“ ihren Produktionsprozess im Ganzen überschauen, wohl nicht mal die Rechner, die offenbar nur nicht näher qualifizierte Arbeitsstunden zusammenzählen. Wie sollen die Bochumer die Gesamtheit der Bochumer Produktionsmittel (um)gestalten oder „kommunal verwalten“? Wieviel Zeit verbrauchen sie DAFÜR?

C. Die allererste knappe Ressource scheint Arbeitsbereitschaft relativ zu den („unterdeckten“) Bedürfnissen zu sein. Aber das blosse Mehr-Angebot (etwa nach der 2.Verhandlungsrunde) ist ja nicht notwendig bedarfsdeckend bei BESTIMMTEN Mehrbedarfen (könnte sein, dass es da auch zu qualitativen Verschiebungen kommt)?
Wie schafft man die nötigen Umverteilungen, wie geschieht Anpassung aktuell knapper Ressourcen (qualifizierte Arbeitskräfte vorneweg) an den (neuen) Bedarf? Und mit welcher Priorität werden Bedürfnisse (etwa derer, die nicht arbeiten können) in Knappheits-Situationen bedient?

(Von all dem andern, vergleichsweise Luxus-Wünschen wird schon garnicht mehr gesprochen: Kann man sich die Produktion angenehmer und interessanter machen? Wie schnell sollen die „Rücksichtslosigkeiten“ der kap.Produktionsweise verschwinden? Wieviel Aufwand treibt man für Risikovorsorge, wieviel für „internationale Solidarität“? Wieviel Aufwand wird für wieviel produktivitäts-Steigerungs-Fortschritt betrieben, in welche Richtungen soll er vorangetrieben werden? Voll-Automatisierung?)

OK das sind halt so die Billigfragen im ersten Moment, da muss man nicht viel nachdenken, um sie zu stellen…

schlecht abstrakte Debatte…

2. Juni 2013
Oje Robert – so wars nun wirklich nicht gemeint, dass deine Kenntnisse oder die anderer für unnütz erklärt wurden, im Gegenteil bedaure ich vielmehr, unendlich vieles nicht zu kennen und zu können. Bloss hattest du mir früher schon zugestimmt, dass jenseits der Maschinenschlosserei auch bei dir sich blutiges Laientum ausbreitet. Ich hatte nicht erwartet, dass du denselben Hinweis nun als Kränkung auffasst. Auch ich bringe einiges an Kenntnissen mit, und finde obendrein etliche Sachverständige diverser Fächer in meiner Umgebung, die ich persönlich fragen kann. Aber gerade daran schliesst sich doch die erste Frage: Die Produzenten allein der Bochumer Kommune kennen doch ihre Gesamt-Produktion garnicht – wie sollen sie planen können? (Dass Planungsexperten (ist das nicht schon wieder ein eigenes Fach, auch jenseits kapitalistischer Kostenkalkulation?) wiederum keine Fach-Techniker sind, ist beim Zusammentreffen beider höchstwahrscheinlich öfter schmerzlich zu bemerken…)
Dass Gross-Zusammenhänge für alle jeweiligen Nicht-Experten (also alle jenseits ihres Faches) schlecht abstrakt bleiben, ist das erste KONKRETE Problem der versammelten Produzenten, wenn sie ihre gesellschaftliche Riesen-Arbeitsteilung „beherrschen“ sollen und nicht sich von ihr (in Gestalt von Experten und deren wohlmeinende Vorentscheidungen, ausgekungelt mit ebenso wohlwollenden (gewählten, so Mattis‘ Vorschlag) Planern). Nebenbei, die von mir vorgeschlagene Strategie dient unter anderm genau dem Zweck, die Produzenten mit den wesentlichen Inhalten ihrer GESAMT-Produktion vertraut zu machen. (Leider ist diese Strategie zunächst sehr abstrakt formuliert, und doch schon im Ansatz ganz anders als ebenfalls zur Auswahl stehende, davon verschiedene, aber ebenso abstrakte Strategien des Aufbaus und der Gestaltung einer „gemeinsam durch die produzenten gesteuerten Produktion auf gesellschaftlicher Stufenleiter“. Insofern macht meine Strategie bei aller Abstraktheit eben doch einen Unterschied, und man sich für oder gegen sie, für oder gegen andre Strategien entschieden haben, wenn man die nächsten Konkretisierungsschritte macht (die sind nämlich zu anstrengend, um bloss mal so zur Probe gemacht zu werden.)
Ich muss aber sagen, als jemand, der hier erst neu ist… Worüber habt ihr die ganze Zeit geredet, wenn nicht über solche Fragen? Warum waren euch die andern Fragen wichtiger als diese (diese Frage ist nicht polemisch, sondern ich würde es wirklich gern wissen!)? Und wieso bist du empfindlich gegenüber Fehlern aus deiner Sicht? Dazu, uns wechselseitig davon zu befreien, sind wir doch hier? Dachte ich..

Probleme, Konflikte

3. Juni 2013
So – DAS können wir nun das Wat-Problem nennen; oder den Wat-Gesichtspunkt (neben den Gescihtspunkten/Problemen/Einwänden, die weiter oben stehen: Mattis (Ungleichverteilung zwischen Regionen/Kommunen wahrscheinlich), Robert (überregionale Arbeitsteilung notwendig), Franziska (Selbst-Verwaltung der Produktionsmittel komplex).
Und viielleicht wird nun anschaulich, wovon ich gesprochen habe, als ich sagte: Hier sind Konflikte, die Prioritätensetzungen erfordern; zunächst die eines jeden Beteiligten (Werktätigen), der sich dazu stellt; dann gemeinsame (was die jeweils unterschiedlichen Prioritätem-Setzungen in Konflikt bringt).
Übrigens zeigen sich die Prioritäten-Konflikte nicht nur bei der Erst-Einrichtung der Kommune, sie bleiben bestehen, wenn Fortschrittspfade entworfen werden sollen, und gefragt wird, welche der anfangs inkaufzunehmenden Miss-Verhältnisse wie schnell abzubauen sind.
Die Frage „wie schnell“ verweist auf eine weitere: Wieviel über das hinaus, was sie „eigentlich bloss“ (ein weites (Debatten)Feld) bräuchten, wollen die Kommunarden in diesen Abbau von bestehenden Unzulänglichkeiten investieren? (Ich sage ausdrücklich: investieren, weil es auch um knappe Ressourcen jenseits von Arbeitsquanten geht; angefangen bei Qualifikationen, die erstmal erworben werden müssen, und das sind nicht die einzigen).

PS: „Müll“ muss man beseitigen, besser ists, so zu produzieren, dass erst garkeiner entsteht. (Der „Müll“ (und die Immissionen) von morgen sind die verbrauchten Rohstoffe und materialisierten Energien von heute und gestern, die nicht zurückgewonnen werden und verloren sind..)

also kein Problem…?

3. Juni 2013
Da sind aber, Wal, schon einige Einwände geäussert worden, mit denen du dich auseinandersetzen könntest, und die man weder personalisieren (die andern von mir erwähnten Mitschreiber hatten keine Einwände zu machen?) noch banalisieren (Probleme gibts überall) sollte. Die Beziehung zum Kapitalismus ist zumindest von mir so dargestellt worden, dass Kapitalismus UNTER ANDERM (ist also nicht darauf reduzierbar) durch hohle Heilsversprechen (der Markt reguliert alles, schafft Bürokratie ab usw) unverantwortlich mit wichtigen Produktionsaufgaben (Steuerung, Informationsverarbeitung, Ökologisch-Bedürfnisorientiert-Gefälleabbauend) und Produktionsvoraussetzungen umgeht, von der Konsensfindung (die ja, dank Privateigentum an den Produktionsmitteln und Regierungsgewalt, der übergrossen Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder weggenommen ist) ganz zu schweigen.
Diese Problemstellungen werden ignoriert, und daher gibt es keine Lösungsstrategien, sie müssen völlig neu entwickelt werden.
Und… wenn du schon ein Bild benutzt, dann nicht das der Hürde, die man mal überspringt oder übersteigt; da ist ein BERG (lies das im Sinne von „Niveau“ der Lösungen, die zu finden sind), und auf den müssen wir ALLE hinauf, die sich kommunal organisieren wollen.
Und genau die Klage,die du führst, erwidere ich von meinem Standpunkt aus: Die Linke hat den Kapitalismus für ein Hindernis genommen, nach dessen „Abschaffung“ das Wesentliche geleistet ist. Während ich (zugespitzt) sage: Dass es sowas Archaisches wie Kapitalismus überhaupt noch gibt, ist Ausdruck einer mörderischen kollektiven Zurückgebliebenheit. Und wenn etwas abzuschaffen ist (der Ausdruck passt halt bei „Mangel“-Zuständen immer weniger), dann die. Die Notwendigkeit, dass wir hier solche (Anfänger-)Debatten (aber wer ist heute nicht Anfänger im bezug auf diese Problemstellungen?) führen und uns über elementarste Aufgabenstellungen verständigen müssen, ist, ebenso wie die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse, Ausdruck dieser historischen (Mangel)Situation.

Wer redet denn von Scheitern?

3. Juni 2013
Also nein. Ich benenne Probleme nicht, um aufzugeben,sondern um sie anzugehen, und weils mir mit der „Kommunalisierung“ ernst ist. Warum sonst schreib ich mir hier denn die Finger wund?
Und… ich wollte nicht exklusiv irgendelchen Schreibern hier Probleme zuordnen, als hätten die sie erfunden – „das Wat-Problem“ ist, wie ich finde, eins von uns allen! Und so die andern. Und… wenn jemand wie Robert gestern abend empfindlich reagiert, dann hätte er sehr recht im Fall, dass das von ihm speziell angemahnte Thema hier einfach weggewischt würde, oder eben nicht mit dem nötigen Ernst behandelt. Und das gilt für all die von mir mit Mit- Schreiber-Namen belegten „Themen“ (wenn euch das weniger „problematisch“ erscheint, nenn ichs gerne so). Und.. ich hab schon früh drauf hingewiesen, was jetzt von dir, Wal, kurz nochmal infragegestellt wird: dass man diese Probleme weder in unserer Diskussion noch in der Praxis schön eins nach dem andern abarbeiten kann. Dazu sind sie zu eng verknüpft (wie die hierzu entstandenen Beiträge der letzten Tage lebhaft vor Augen führen). Ich spreche diese Verknüpftheit nicht an, um den Berg höher zu machen, als er ist. Ich zeige bloss, wo wir hin müssen. denn wenn auch nur EINS ungelöst bleibt, macht sich das störend in allem andern bemerkbar. Kommunismus-Aufbau ist kein Deckchen-Sticken… (Und.. nebenbei: Wir sid umgeben von Kommunismus-Kritikern, die auf diese unsere Debatten hämisch runterschauen würden (wenn sie sie kennen würden): haben wir immer schon gesagt, das scheitert schon im Ansatz, die können sich nicht mal über die einfachsten Ausgangs-Voraussetzungen einigen (müssen sie aber).
Und, nochmal: Die Ausflucht aus der 1.grammatischen Person in die 3., also vom Ich und Wir ins „Die“ (das werden „dann“ schon „die Werktätigen“ regeln), gilt nicht: Wir sind die, ums die geht – wir, und die, die noch dazukommen.

Wal, Fragen und Antworten

3. Juni 2013
Wal.. also ich dachte, ich liste doch schon die ganze Zeit auf, mehr jedenfalls als alle andern, und klage doch nicht abstrakt drüber, wie komplex alles ist (nebenbei IST es das, braucht man nicht schönreden). Da du nachfragst: Du hattest den Fragenkomplex B übersehen.
Oder war da eine Antwort? Diese Fragen stellen eine Konkretisierung des von mir speziell in die Debatte eingebrachten, darum von mir so benannten Franziska-Problems dar: Wie können die Produzenten denn ihre auch bloss Bochumer Produktion steuern, wie sehen Informationsflüsse, Fragestellungen, Beratung und Entscheidungsfindung aus? Das Wort „gemeinsam“ ist da eigentlich eher die benennung des Problems…
Unbeantwortet sind eigentlich ALLE aufgelisteten Fragestellungen (s.o.) – und ich denke, jeder wird das von IHM Betonte ähnlich besprechen wie Wat grad: DAVON (etwa der Selbstbestimmung; oder dem Erhalt der überregionalen Arbeitsteilung; oder der Berücksichtigung von inter-kommunalen Ungleichgewichten usw) hängt doch ab, ob das ganze überhaupt Sinn macht.
Ich bin GANZ eurer (aller) Meinung…
(Kim und Peter hab ich noch vergessen: Die hatten jeder nämlich auch so ein Spezialanliegen vorgebracht, und zwar Kim das der RELATIVEN Autarkie (bzw Dezentralität) der Kommune (als Selbstverwaltungseinheit), und Peter die Fortschrittsperspektive und Nichtstagnation. Das mit den „Anliegen“ ist nichts weniger als spöttisch gemeint: Wenn nicht auch das, so wie alles andre, in der Gesamt-Strategie berücksichtigt ist, braucht man garnicht erst anfangen. (Am Fusse des Bergs, also da, wo wir grad stehen…))

Also nochmal die Liste der Probleme/Themen für die Strategie zur Einrichtung und Optimierung der Kommune(n):
1. Unmittelbar gesellschaftliche (gemeinsame) Bestimmung des Zusammenhangs von Wünschen und ihrer gesellschaftlich-arbeitsteiligen produktiven Umsetzung (Wal)
2. alle dafür nötigen Entscheidungen werden von allen Kommunemitgliedern gemeinsam getroffen (Wat)
3. dazu müssen sie instandgesetzt werden (Franziska)
4. soviel sie schon mal selbst produzieren, soviel können sie auch so entscheiden (Kim)
Aber es gibt auch eine Welt jenseits dieser Kommune…:
5. …nämlich andere solche „Selbstverwaltungs-Einheiten“ – sie müssen ihren Zusammenhang und die Tatsache möglicher Ungleichgewixchte zwischen ihnen mit möglicherweise andern als den inner-kommunalen Prozeduren „verwalten“ (Mattis)
6. …nämlich vielfältige konkret überregionale Produktions-, Liefer- und Arbeitsteilungs-Zusammenhänge, die von den Beteiligten geplant und ausgehandelt werden müssen (Robert);
7. …nämlich eine mögliche Zukunft, der Fortschritt dorthin muss mit all diesen Mitteln und Potentialen erarbeitet werden (das ist das Wal-Thema auf höherer Stufenleiter) (Peter)

Der Ansatz, den ich für die Bewältigung der Aufgabenstellungen 1- 7 vorschlage, ist das Stufenkonzept: Einfachste Aufgabenstellungen im Nahbereich (sehr kleine Gruppen bzw Kommunen) lösen – je nächste durch Zusammenschluss solcher kleinerer Einheiten, die ihr internes Produtkionsproblem so gelöst haben, dass sie Freiräume für den nächsten Schritt (seine Umsetzung wie auchdie dafür nötige „(Selbst)Verwaltung“) gewinnen.
Ich weiss nicht, wie es anders gehen könnte, ohne dass auf irgendetwas von 1-7 in gravierender Weise verzichtet werden muss (dh. so, dass man garnicht erst anfangen braucht).

Danke fürs Danken, Wat…

3. Juni 2013
…der „letzte Absatz“ war wohl der vorletzte, weil du den letzten @Wal gerichteten wohl nicht mehr lesen konntest.
Danke für die Geduld aller mit allen. Wir habens nicht einfach mit uns.. :cursing:

Mir ists ernst mit der Ansprache – ich lade euch – getrennt von den Diskussionen hier – ein, euch am ganz konkreten Kommune-Aufbau praktisch zu beteiligen. ((Zur „integrierten“ Arbeit an diesem Aufbau gehört unter anderm (genau darüber muss man ua. wieder beraten) die Vertretung dieser Strategie gegenüber den anderen Linken.)) Ich gebe keine Organisationsnamen an, weil wir auch zT offiziellen Status haben, und es uns nicht leisten können, (ganz unnötigerweise) beim Googeln plötzlich in so einem Forum aufzutauchen. Da denkt sich so ein braver Amtsmensch doch sein Teil. Aber wer Interesse hat, kann mich gerne privat per Mail ansprechen. Mitstreiter sind sehr willkommen.
Was die andern Linken angeht, gibts einen Vorgeschmack in den jüngsten Debatten bei Neoprene und Nestormachno. Einige hier haben ja dort mitgeschrieben.
Ich hab bereits den Vorschlag gemacht, unter uns theoretische Debatten auf die Inhalte zu beschränken, die praktisch wirklich einen Unterschied begründen im Vorgehen. Das Tableau der unterschiedlichen „Übergangs“-Szenarien in Wals Antwort an mich oben ist da ja ein erster Ausgangspunkt. Was erwarten wir (womit müssen wir rechnen, womit im äussersten Notfall, was könnte uns entgegenkommen? was müssen wir (politisch, ergänzend) tun?
Vertrackterweise kann ich dir, Wat, nicht ganz rechtgeben von wegen „eins nach dem andern“. Die konkrete Absicherung in einer funktionierenden Selbstversorgungs-Einheit ist Teil der politischen Strategie: Die Vereinzelung von Linken aufheben, mehr zusammenrücken, sich helfen und entlasten, scheint mir extrem wichtig. Politische und Verständigungsarbeit braucht Freiräume. Ich will das nicht übertreiben, weil zumindest die hier Schreibenden sich solche offenkundig halbwegs geöffnet haben. Dann gilts eben für die, die hier (noch) nicht mitreden und -schreiben können…

einzig gangbar.. für mich, für uns, für euch, für alle…?

3. Juni 2013
Hallo Wal, ich wollte kein Bekenntnis oder Willenserklärung abgeben. Meine Frage lautet doch nur: Gibt es Wege, die Ziele 1-7 dauerhaft (dh spätestens auf Dauer, in mittleren und langen Fristen) zu verwirklichen, ohne ein solches Stufenkonzept? Ich sage nicht mal, dass diese Ziele unverzichtbar sind, vorübergehend oder dauerhaft. Vielleicht muss man sehr lange inkaufnehmen, dass eben nicht alles geht, oder nicht gleichzeitig. Oder… man will es nicht einmal, hält es garnicht für so entscheidend. Das bedürfte alles weiterer Klärung unter uns – auch, wenn das auf der hier nur ansprechbaren Ebene der „strategischen“ Prioritäten relativ abstrakt geschieht. Grundsätze sind nun mal was allgemeines, aber auch wichtiges. Ich möchte hier unter uns vor allem für Klarheit darüber sorgen (soweit wir das können), welche Entscheidung wofür wahrscheinlich mit welchen Konsequenzen verbunden sein wird. Wofür oder wogegen ich mich derzeit persönlich entscheide und erkläre, ist da nicht so wichtig. Vielleicht sehe ich ja meinerseits ein, dass ich was aufgeben muss 🙂 Genau darum diskutieren wir hier doch erstmal und beraten uns miteinander.

erste Antwort

3. Juni 2013
Hallo Robert, zu deiner Beruhigung und hoffentlich Senkung deines Blutdrucks: Fast alle deine Schritte sind für mich sehr nachvollziehbar und erwägenswert, wärst du dabei heftiger gewesen, hätte ich gesagt, du hast offene Türen bei mir eingerannt. Danke also erstmal für deine Ruhe und Sachlichkeit trotz aufwühlender Thesen. Es tut mir leid, durch meine wenigen Worte den Eindruck von Frivolität im Umgang mit diesen Themen erweckt zu haben. Nichts liegt mir ferner. Und… wenn du meine Beiträge zu Wals erneuter Vorstellung des Kommune-Konzepts hier im Forum gelesen hast, dann sollte zumindest deutlich werden, dass ich deine Position ausdrücklich würdige und im Blick habe (so wie noch einige andere, die vielleicht auch nicht auf der Strecke bleiben sollen).

In deinen exemplarischen Überlegungen zum Thema Krankenhäuser sehe icih eine gewisse Ambivalenz (also doch Konflikt?): Sie wollen alles, weil sie Geld verdienen wollen, sie sollen aber auch nicht (aus denselben Gründen) Kompetenzen verlieren. Bei der Gesundheit spielen ja auch Entfernungen eine Rolle, etwa wenn ambulant behandelt oder untersucht werden soll, oder man nicht zu weit von Angehörigen untergebracht sein soll. Das war, wenn ich es richtig verstanden habe, verallgemeinert, Kims Gesichtspunkt, und wurde von mir (in gewissem Sinn auch von Wal oben) nochmal verlängert: Arbeitsteilung, outsourcing, Verlust an Kontrolle über die gesamte Fertigungstiefe bedeutet natürlich auch Abhängigkeit, Abgabe von Kontroll-Möglichkeiten. (Vom Transportaufwand nicht zu reden.) Sind wir da vom Autarkie-Punkt soweit entfernt? Was genau wolltest du denn selber andieser Stelle an den Krankenhäusern aufzeigen?
Zu dem, was dann bei dir folgt, möchte ich, ebenso ruhig und sachlich wie du es getan hast, erwidern: Wenn die alles einzelmenschliche Vermögen gigantisch übersteigenden Ausmasse an Wissen, Können, Diversifizierung usw. in Zielkonflikte mit elementaren menschlichen Wünschen geraten (etwa dem, Kontrolle über die Produktion auszuüben) – muss man dann Massnahmen, die (nicht im geringsten vormodern, vor-aufgeklärt, un-technisch und schon garnicht un-wissenschaftlich) in Richtung VEREINFACHUNG und DEZENTRALISIERUNG von Technologie ERWOGEN werden, beinah reflexhaft mit dem drohenden Rückfall in die Steinzeit (von dir ausgemalt als Nicht- und Vor-Metallzeit) in Verbindung bringen? (Metallbearbeitung so weit nur irgend möglich (neben Holz-und Keramik-Bearbeitung) zu beherrschen (das schliesst leider Stahlerzeugung nicht ein, aber Metallformung und Reparaturen) war immerhin der dritte Ausbauschritt in meinem Stufenkonzept – für Kommunen von wenigen 100 Personen Umfang.)
Anm. Industrialisierung und industrielle Fertigung ist EINE Form des kombinierten Einsatzes von Technologie ind Produktions- und Reproduktionssystemen. Andere technologische Strategien, die nicht minder modern, technisch, innovativ, rational und wissenschaftlich sind, müssen doch nicht gleich verworfen werden, weil sie dieser bislang einzigen technologischen Strategie Alternativken entgegensetzen.
(Auch ein Beispiel: Das Explorationsfahrzeug bei der Mars-Expedition wurde nach einer rabiaten Budget-Kürzung völlig neu konzipiert. Dieselbe Leistung konnte danach mit einem zehntel der Kosten erbracht werden, zugleich gab es eine Revolution im denken der KI (Künstliche Intelligenz)-Fachleute, die schon vorher von einzelnen vorgeschlagen worden war. Grund: Die übermässigen Programmier- und Hardware-Aufeand erforderne CPU (central processing unit), zuvor Ausgangspunkt jedes KI-Designs, wurde einfach weggelassen. Vorbild für die Bewegung wurde die einfache Verschaltung von extrem wenigen Neuronen zur Steuerung von Insekten-Gelenken, deren Algorithmen sorgen für eine Abstimmung der 6 Beine OHNE VERBINDUNG zwischen ihnen und ohne zentrale Steuereinheit: Einfach durch die Art, wie die Sensoren in den Gelenken die jeweiligen Eigen- und Fremdeinflüsse auf die Gelenkstellung verrechnen. Weniger ist in der Technik manchmal mehr… Etwa um solche Strategien und ihr Potential geht es.)

Die höchst wichtigen Zielsetzungen, die hier VORLÄUFIG auf beiden Seiten eines Konfliktes stehen, sind zu wichtig, als dass auch nur eine auf Kosten der andern vorgezogen werden dürfte. Solche Konflikte müssen ABGEBAUT werden, Verhältnisse, die solche Widersprüche erzwingen, müssen historisch VERSCHWINDEN! Aber genau darum spreche ich doch die Ziel-Konflikte und die daran beteiligten Zielsetzungen an. Solange sie ungelöst sind, ist das schmerzhaft, weil es uns die Dimensionen der Aufgabe vor Augen führt, die wir – mit unseren menschlichen Kräften, in der Abfolge unserer Einzelleben – lösen müssen.
Ich habe bei Wal drüben:
Kommune Bochum. Mein Modell einer solidarischen und bedarfsgerechten Planwirtschaft
…7 Zielrichtungen genannt, die derzeit in mehr oder weniger grossen „Ziel-Konflikten“ zueinander stehen und nur auf Kosten einiger oder mehrerer, bei grösster Vereinseitigung: eines von ihnen sogar aller je übrigen 6 verfolgt werden können. Wohlgemerkt: Heute, unter den heute gegebnen technologischen Voraussetzungen ist das so – und zwar auch dann, wenn der Kapitalismus und seine Staatsgewalt „abgeschafft“ wären. Das heisst, diese Probleme lassen sich durch diese Abschaffung NICHT ERLEDIGEN. (Diese Hypothese allein wäre zum Gegenstand einer längeren Analyse zu machen, für die hier aber im Augenblick noch kein Platz ist.)
Ich will gleich mehr sagen zur Frage, wie sich diese Punkte in leider schmerzlich widersprechender Weise miteinander verflechten.
Dass sie es tun, könnte sich daran zeigen, dass JEDER derer, die hier einen der genannten Punkte besonders angeführt haben, angesichts der (vermeintlichen) Relativierung oder gar Ignorierung ihres Gesichtspunktes, je nach Temperament und momentaner Belastetheit, hätte „aufgewühlt“ oder aufgebracht sein können – und es zT wohl auch schon war.
Nun behaupte ich nicht dogmatisch, schon garnicht durch meine Zuordnung von „Anliegen“ zu hier schreibenden Personen, dass diese und nur diese Punkte zu beachten sind, dass sie sich derzeit unbedingt widersprechen usw. Ich möchte es nur als Arbeitshypothese zur Diskussion stellen. Also die Frage aufwerfen: Inwiefern diese 7 Ziele (oder mehr oder weniger oder andre, das wäre zu besprechen) überhaupt solche von Kommunen (je welcher Grössenordnung?) werden sollen, und wenn, ob und wie weit sie miteinander vereinbar gemacht werden können und sollen.
Das von dir eingebrachte Thema der überregionalen, oder sogar globalen Arbeitsteilung ist damit nicht einmal andeutungsweise angesprochen. ich muss es auf später verschieben, und möchte meine Antwort dann fortsetzen.
Alles Gute, F.

Aber so verschwindet das Problem leider nicht..

4. Juni 2013
…Mattis ist doch bloss der, der es anspricht – wo Mattis sich in dem Konflikt derzeit positioniert, ist demgegenüber zweitrangig; der Konflikt selbst ist der Skandal. Er beruht darauf, dass man glaubt, im Konzept „Kommune“ sehr geschickt eine Entscheidungsebene gewählt zu haben (im alten Forum wurde das auch explizit so gesagt), wo eben „das meiste und wichtigste“ (spätestens nach Rückholung der entsprechenden Fertigungs-Kapazitäten, wie von Kim vorgeschlagen) von den Kommunarden entschieden werden kann. Und man hoffen darf, dass darüberhinaus nicht mehr soviel Entscheidungsbedarf besteht. Oder sich das irgendwie durch „Bilanzieren“ erledigen. Leider hat Bilanzieren mit Balance zu tun, Gleichgewicht; das Mattis-Problem, dass die eine Kommune dre andern nichts zum Ausgleich zu bieten hat, geht aber genau da erst los. Die zufällige Verteilung von Produktionsstandorten ist dann ausschlaggebend dafür, was eine Kommune ihren Mitgliedern an Produktivität zu bieten hat. Es sei denn, die kollektive Verwaltung wird von Anfang an ganz energisch und problembewusst angepackt; dann werden die versammelten Kommunarden bemerken, dass sie ein (Mangel)Verhältnis zum Rest der Welt haben, von dem sie längst abhängen, ohne darüber verfügen zu können. Wal geht an solchen Stellen gern zum Prozente-schätzen über, mal grosszügig (30% für die Landwirtschaft sollten drinsein), mal beschwichtigend: 15% der Gesamtarbeit gehen in den Aussenhandel. Tja… wenn anderswo überall Benötigtes höchst produktiv hergestellt werden kann, brauchen die dort jedenfalls nicht soviel zu arbeiten: Ungleicher Tausch, Ausbeutung, wie gehabt. Wie überhaupt das Bilanzieren als Alternative zum Staatssozialismus die kaum verbrämte (Waren)Tausch-Kategorie ist (Dialogausschnitte im Interkommunalen Rat: „ihr kriegt bloss, wenn…, X können wir uns nicht leisten, wenn nicht…; alle wollen unser Y, wir können uns doch nicht zerreissen… uswusw)
Die Alternative heisst: Kommunalisierung der gesamten Produktion.
Und die verwaltet mal.
Das ist das Problem. (Neben andern…)

PS: Das hat sehr viel mit der gigantischen „Diversifizierung“ zu tun. Darum eben die Kim-sche Version des Hereinholens wichtiger Fertigungskapazitäten in die eigene Verfügung. Um den Preis, dass sie erstmal wieder aufgebaut werden müssen… und um den Preis, dass sie (uU dramatisch) unproduktiver sind als anderswo. Tja: Was ist wichtiger, Unabhängigkeit und souveräne Verfügung über die EIGENE (??) kommunale Produktion…? Oder Produktivität, also Arbeitsersparnis (wofür?)? – Mich erinnern solche Fragestellungen an die alte Neue-Frankfurter-Schule-Scherzfrage: was ist schlimmer, Durst oder Heimweh? Kann man ja drüber abstimmen…

aber so wars auch nicht gemeint…

4. Juni 2013
Hallo Wal, die „Lösung“, die du mir da unterstellst, ist in der Tat auch keine. Ich befürworte doch nicht den Rückzug in solche Kleinst-gruppen, sondern den sorgfältigen langsamen Aufbau von Grosskommunen (das kann ja an verschiedenen Orten starten) aus vielen solchen Gruppen – also ihr Zusammenwachsen. Nach oben hab ich da keine Grenze gesetzt – eigentlich sollten alle Menschen eines Tages der globalen Kommune angehören können…
Das Problem ist das der Wissens-Verwaltung. Um die Produktion zu beherrschen, müssen die Kommunarden sie kennen.
Und auch für mich gilt: Entweder was ich sage, ist falsch und erledigt sich – dann beunruhigt es auch nicht weiter. Wenn aber nicht – dann war auch ich, so wie Mattis, bloss Überbringer der schlechten Nachricht, der nämlich, dass etwas schwerer ist als gedacht. Und das… ist dann unser GEMEINSAMES Problem.
PS: Der sarkastische Schluss in meinem letzten Beitrag soll nochmal drauf hinweisen, dass solche Konflikte nicht mit Gewalt oder „Kompromissen“ gelöst werden – das ist nur eine Form des Umgangs mit den Konflikten, solang sie bestehen. Ich bin aber dafür, sie zum verschwinden zu bringen (etwa durch den langsamen Aufbau und das „subsidiäre“ Draufsetzen immer anspruchsvollerer Produktionsaufgaben auf die vorläufig und gut funktionierend gelösten.)

nochmal: wo genau liegt hier das Problem?

4. Juni 2013
Robert, du sagst: „Wir können nur bestimmte Voraussetzungen benennen, wie die Probleme von morgen in einer anderen Praxis gelöst werden.“
Genau darüber beraten wir hier, wenn ich es recht verstehe.
Das Mattis-Problem der Ungleichgewichte und Quasi-Tauschbeziehungen taucht auf, weil die kommunale „Souveränität“ ganz automatisch an die lokal (als erbe der übernommenen kap. Unternehemnsstruktur) verfügbaren Produktionsmittel gebunden ist. Mattis empfahl, die Ungleichheit überregional-„politisch“, wenn auch räte-demokratisch – anzugehen, was dich, Robert, zu einer Replik veranlasste: Das sei doch kein Kommunismus, und Wal: ja, schon, aber bitte soviel echt-kommunistische Verfügung in die Kommune ziehen wie möglich. Mattis‘ Vorschlag als Staatssozialismus zu etikettieren, geht etwas weit, denn ich frage mich, wie denn die inner-kommunale Verfügung über die „eigenen“ Produktionsmittel organisiert werden soll, wenn nicht nach Mattis-Art. Und die „Bilanzierung“ und „Saldierung“ ist eben etwas sehr Markt-nahe… wenn da nicht am Ende, wegen der besseren-Berechenbarkeit, die interkommunale Verrechnungseinheit steht…
Die Alternative ist dann: Auch die höheren ebenen kommunalisieren. ALLES planen und gemeinsam entscheiden. Ok, das scheint die unteren Kommune-ebenen zu überfordern.
Und da sage ich: Die sind schon auf Bochumer ebene heillos überfordert, wenn das relativ unvermittelt eingeführt wird.
Es hat dann acuh keinen Sinn, Robert, zu argumentieren: Schau im Betrieb gehts doch auch, und so dann in der Kommune, bloss halt viel komplexer. Die Komplexität ist eben das Problem. Und die Lösung, die ich dafür vorschlage, ist nicht, den Konflikt zu leugnen, sondern ihn durch eine angemessen komplexe Strategie anzugehen: Subsidiäre Vergrösserung kleinerer (aber noch nicht voll reproduktionsfähiger, voll-produktiver) Einheiten, einerseits, entlang wichitgen und sinnvollen Erweiterungs- und simulatn Zusammenschluss-Schritten. UND: Umrüstung der vorhandenen technologie auf ökologische und menschen-verträgliche, darum auch beherrschbare Ausmasse (und ebensolche Fortschritts- und Lernoptionen). Also bitte nicht immer das eine gegen das andre wenden; und nicht die niedrigeren Entwicklungsstufen (die zu überwinden sind) polemisch mit dem angestrebten Resultat gleichsetzen. Und nicht, sobald beim Benennen der „bestimmten Voraussetzungen, wie die Probleme von morgen in einer anderen Praxis gelöst werden“ erste Schwierigkeiten auftauchen (und zwar solche, die jeder Adressat, den mangewinnen möchte, auf Anhieb sieht), gleich sich ins Ignoranz-Asyl flüchten: Ich hab zwar was gesagt, aber ALLES kann ich doch nicht vorwegnehmen. Nein.. eben bloss die „bestimmten Voraussetzungen, wie die Probleme von morgen in einer anderen Praxis gelöst werden.“ Die aber schon.

Versuch einiger Richtigstellungen in eigener Sache

5. Juni 2013
Das von mir Vertretene wird derzeit grotesk entstellt wiedergegeben.
a) Ich will nicht auf Kleinkommunen hinaus, sondern „Kommunalisierung“ auf planetarem Niveau – dabei sind die von Robert angeführten 3 Prinzipien (oder das, worauf sie zielen) „Gemeineigentum statt Privateigentum, Selbstverwaltung statt Kommando über fremde Arbeitskraft, Kontrolle sozialer Produktion durch soziale Ein- und Vorsicht“ als fundamentaler Bestandteil der Zielsetzung unterstellt. Ich spreche ausschliesslich über die hierfür aus meiner Warte zu wählende Strategie.
b) Auch ist nicht wahr, dass ich eine Vielzahl von Problemen aufwerfe, stattdessen versuche ich, eine Vielzahl von Problemen, die andere hier einbringen, argumentativ (ob zurecht, bleibt zu erörtern) auf das Kernproblem der gesellschaftlichen Wissensverarbeitung zurückzuführen.
c) Schliesslich bemühe ich mich ständig darum, Konsens über Prioritäten in der Abarbeitung von Differenzen oder Unklarheiten zwischen uns herbeizuführen. Die Frage der zu unterstellenden Übergangs-Szenarien (und ihrer theoretischen Voraussetzungen) wurde von mir mehrfach aufgeworfen. Ich halte sie für genau so fundamental wie Robert. Wenn Robert sich mit anderen Kommunalisierungs-Befürwortern hier in seiner derzeitigen Theorie zum Übergang einig ist, und Zustimmung hierzu zur (nicht mehr diskutierbaren) Voraussetzung für Diskussions-Teilnahme gemacht wird, sollte man das spätestens jetzt deutlich machen.
Meine Prognosen bzw. Übergangs-Szenarien und Strategie-Vorschläge gehen aus von der Erwartung einer längeren Phase der Koexistenz kommunistischer Minderheiten mit einer stark verunsicherten und instabilen sozialen Umgebung, die nicht kommunistisch organisiert ist und auch nicht sein will (!). Daher kommen in meinen Übergangs-Szenarien auch Bedrohungsszenarien vor im Sinne von von – sei es linksradikaler, sei es allgemeinmenschlicher Perspektive- destruktiven Zuspitzungen der Lage der Gesamt-Gesellschaft, die noch dazu eine ganz massive ökologische Komponente einschliessen könnten (zB Nahrungsmittelkrisen). In diesem (bislang hier unerörterten) Kontext standen meine Hinweise auf Waschzuber, Holzbesteck, und „selber singen“ – mehrfach in ihrem Stellenwert seither eingeordnet durch den Zusatz „zur Not“. (Es waren ihrerseits Antworten auf provokative Anfragen, die mir als Ausdruck der Weigerung erschienen, sich dem Ernst der aufgeworfenen Fragen zu stellen (und sei es auch durch Nachweis ihrer Unbegründetheit).) Ähnliches gilt für die strategisch begründete Reduktion von Reproduktionsaufgaben auf solche, die die jeweiligen Kommunarden eines Zusammenschluss-Niveaus ohne Überforderung je als erste bzw. nächste beherrschen lernen können. Dies wird in einem fort übersetzt in einen Selbstzweck, der es ganz und gar nicht ist. Ich spreche ganz gewiss soviel von Technik (sogar von einem Neuaufbau bzw. Umrüstung der gesamten Technologie von Grund auf) wie Robert und Peter.
Die logische Hierarchie der Themen stellt sich, bei unterschiedlichen Positionen, unterschiedlich dar. Auch darüber muss man sich erstmal einen Überblick verschaffen, kann das nicht einfach als gleich voraussetzen. Ich will und kann niemand zwingen, sich mit mir zu unterhalten. Ich meinerseits würde die Erwartungen hinsichtlich des Übergangs, die im Bochumer Programm unterstellt sind, gerne diskutieren.
Dass Robert persönlich unter starkem Druck durch Arbeitsprojekte und private Verpflichtungen steht, daraus macht er hier ja kein Geheimnis. Ich wollte und will zu diesem Druck nicht durch Erzwingung von Debatten zur Unzeit beitragen. Das war der Grund, warum ich bislang darauf verzichtet habe, von andern Unangesprochenes, das mir wichtig schien, meinerseits zum Thema zu machen und den Vorschlag zu machen, „die Diskussion in diese Richtung zu führen“.

Kommentar von franziska zur Neugründungserklärung

17. Juni 2013+1
(Auf Vorschlag von Wal von meinem Blog hierher übertragen.)

Der Text des „Neugründungsstatements“ wirft aus meiner Sicht wichtige Fragen auf.
Es ist dort die Rede von einer ABSICHT: „Unsere gemeinsame Zielsetzung ist ein selbstbestimmtes Leben für Alle in einer freien Gesellschaft.“
Es wird einer ERWARTUNG Ausdruck gegeben: „Die gemeinsame Organisation der notwendigen Arbeiten wird die wichtigste und schwierigste Aufgabe dieser Gesellschaft sein.“
Es wird auf eine ANFORDERUNG geschlossen, die aus beidem folgt: „Die Arbeit(sorganisation) kann nicht „von oben“ eingerichtet werden, sondern muss „von unten“ – von der Mehrheit – gemeinsam geplant, gemeinsam gemanagt und gemeinsam erledigt werden.“
(Mein Verständnis davon: „planen“ steht für die sach-gerechten Anteile dieses Einrichtens, „managen“ für die Ziele, Zielbezogenheit, und das Verhandeln darüber, „erledigen“ (auch) für die Kontrolle der Ausführung so wie beschlossen.)
Nun haben wir nicht nur dies Statement da stehen, sondern auch einen Titel und ein Menü, in dem viel von Marx angeführt ist und damit (dem Anspruch nach) eine Theorie und Kritik immer noch bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse. Hingegen das, was das Statement anspricht, lief im bisherigen linken „Diskurs“ unter der Überschrift „Utopie“, und war nicht sonderlich gut angesehen. Dafür gibt es sogar aus Sicht des Statements einen Grund: Alle sollen selbst bestimmen; wie kann man da was vorwegnehmen? Auch im Werk von Marx und der sich an ihn anschliessenden Theoretiker der gesamten langen Zeit seither wird das Entwerfen von Utopien eher skeptisch betrachtet; aus einem weiteren Grund: Die tatsächlich vorgelegten Utopien, „Forderungen“, Wunschkataloge der Vergangenheit zeichneten sich aus Sicht der Marxisten durch beachtliche Naivität und polit-ökonomische Ahnungslosigkeit aus. Sie ignorierten, wussten nichts von der kapitalistischen Eigentumsordnung und deren Notwendigkeiten im doppelten Sinn: Eiumal in dem, dass auch diese Ordnung nicht ohne Gründe entstanden war – darüber wollten sich, aus marxistischer Sicht, die „utopischen Sozialisten“ einfach hinwegsetzen; zum andern in dem, dass diese Ordnung unübersehbar weit reichende Konsequenzen hatte – dass vielen garnicht klarwar, was eigentlich zu ihr dazugehörte und was nicht (zB. der Staat?), und deswegen mit ihr verschwunden sein musste, bevor an ein selbstbestimmt-gemeinsames Entscheiden aller Produzenten über ihre Produktion überhaupt zu denken war.
Implizit ist mit dem Statement damit die Frage aufgeworfen, in welchem Verhältnis die Utopie und der praktische Weg dorthin (der als weiterer Inhalt im Statement ausdrücklich erwähnt ist) zu den vorhandenen Theorien und der Kritik der bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse steht.
Dabei gibt es zwei Extrempositionen, nämlich
a) Weg und Utopie sind unmittelbare Konsequenz der Theorie und/oder Kritik, wer sie begriffen hat, weiss, was zu tun ist; oder
b) die Strategien zum Aufbau einer selbstbestimmten, also „freien Assoziation der Produzenten“ müssen völlig neu gefunden werden, und sind ganz auf dies Ziel bezogen, setzen also nichts voraus als den Wunsch, so zusammen zu leben, und präzisieren diesen Wunsch gewissermassen bloss. (Man kann dann immer noch, quasi im historischen Rückblick, beschreiben, was alles an der ehemaligen Gesellschaft falsch war – vielleicht interessiert man sich aber auch garnicht mehr sehr dafür: Falsch war dann eben alles, das nicht so war wie im neuen Zustand, der dort einfach FEHLTE.
((Zum Vergleich: Eine Gesellschaft, die über keinerlei naturwissenschaftliche Kenntnisse verfügt und auch nicht danach sucht, wird bestimmte Dinge nicht können. Das kann man im Rückblick beschreiben, so wie man sogar in diesem Zustand einen gewissen Mangel („wir wissen nicht, wieso immer wieder Cholera-Epidemien ausbrechen“) beklagen kann; aber es ist nicht gut möglich zu sagen: Wir wissen nicht, dass es Cholerabakterien gibt, daher können wir nichts dagegen tun. Wohl aber: Sie wissen nicht, sie wussten nicht, wir wussten nicht, dass…))

Nun sind in gesellschaftliche Verhältnisse und ihre Einrichtung immer auch Einschätzungen ihrer Nützlichkeit oder Schädlichkeit eingewoben, damit auch Standpunkte und „Interessen“, vor allem deren Unterschiede. Eine grosse Rolle spielt dabei, dass diese Verhältnisse und ihr Fortbestehen aus ganz unterschiedlichen Gründen und subjektiven Motiven heraus von hinreichend vielen unterstützt und (um)gestaltet (worden) sein können – es sind, anders herum gesagt, hinreichend wenige, die sie ablehnen, bekämpfen oder einfach missachten und die Regeln brechen. All diese Leute haben „Theorien“, nun ja, zumindest Meinungen, Überzeugungen, mehr oder weniger gut durchdachte, informierte, begründete, über das, was sie da umgibt; sie haben ihrerseits Kritik an mancherlei, an anderm auch nicht – vor allem haben sie ganz unterschiedliche Werte und Vorstellungen von dem, was ihr Leben sinnvoll macht, und wie Leute zueinander sich ins Verhältnis setzen sollten. Eine Theorie „der Verhältnisse“ muss über „sie“ alle mitsprechen; in der dritten Person: SO sind sie, SO denken die da draussen, SO verhalten sie sich, DARIN täuschen sie sich. Eine „Kritik“ muss sie letztlich ansprechen: die einen auffordernd wenn nicht mitreissend dazu, die Kritik zu übernehmen, die andern (wenn überhaupt) anprangernd, feindselig, sich abgrenzend. gegen sie Die Utopie aber und der Entwurf verhält sich nicht so zu Adressaten; ihre Redeperspektive ist die des Vorschlagens: Lasst uns dasunddas machen – wäre das nicht gut?
Wir haben also jetzt Theorien über „sie“, Kritiken für euch (und gegen „sie“), und Vorschläge für (angeblich, letztlich) „uns alle“.
Ist da ein durchgehender Zusammenhang? Gibt es im Denken der Linken den durchgehend gangbaren Weg vom „sie“ zum „ihr“ zum „wir“?
Ich behaupte: Es ist der tiefere Grund der Schwierigkeiten von Linken, sich auf ein gemeinsames Vorgehen (Ziele, Wege) zu einigen, dass die vorhandenen Theorien, Kritiken, Utopien nicht nur nicht überschaut sind, auch nicht vollständig sind, sondern vor allem, dass der Zusammenhang zwischen diesen drei Kategorien, wo es um spezifisch radikal-linke Inhalte geht, nicht geklärt ist.
Es ist zu hoffen, dass die zukünftigen Beiträge in Blogs und die Diskussionen im Forum an diesem (wenn ich recht habe) beklagenswerten Zustand etwas ändern.

((In meinem Blog gibt es den Eintrag „Zwischenbemerkung“, der sich ebenfalls mit diesem Thema beschäftigt:
Zwischenbemerkung ))

@Peter

18. Juni 2013
(Dieser Beitrag ist etwas früher geschreiben worden, darum gibt es noch keinen Bezug auf Wals bzw. Kims Äusserungen.)

Hallo Peter,
bei der Frage, ob Polemik stört, scheinen alle ein wenig emotional, deine (garnicht polemischen) Hinweise auf polemische Elemente bei Kim sind insofern korrekt. (Das zeigt, wie sehr man sich selbst disziplinieren muss, um nicht-polemisch zu sein.)

Es heisst (auch bei dir): Polemiken spitzen zu, sind eindeutig und klar, und insofern womöglich ganz besonders redlich offen ehrlich. Aber über was wird da Klarheit hergestellt? Klarheit darüber, wie der Polemiker seine Meinung gesehen haben möchte, vor allem, wie sehr ihm daran liegt, dass sie gelten möge, sich durchsetzen möge, die praktischen Konsequenzen haben möge, die ihm so am Herzen liegen. Klarheit darüber, ob die Einschätzungen stimmen, ob alles berücksichtigt ist, worauf es ankommt, wird so nicht erzeugt – GEMEINSAME Klarheit, genauer gesagt. Denn der Polemiker wendet sich ja an andre. Er mag Gründe haben, gute sogar; aber er will nicht abwarten, ob sie einleuchten. Vielleicht hat er auch keine so guten, vielleicht ist es unklar, was richtig ist: Aber er WILL es nun mal so, und sein Wille soll gelten, und der der andern nicht. (Speziell der Wille, dass etwas, ein Einwand, jetzt nicht Thema sein soll, weil man sich damit nicht beschäftigen kann, aber es auch nicht erträgt, dass er unwidersprochen stehenbleibt.)

((Der Wikipedia-Artikel offenbart, nebenbei, die aller-ursprünglichste Verwendung des Wortes Polemik, nämlich für Theologengezänk um den rechten Glauben.))

Ich könnte ähnlich wie du sagen: Kommun(al)ist bin ich „emotional“, wenn das gleichbedeutend ist mit: unmittelbar, es erscheint mir das selbstverständlich Vernünftige schlechthin, eine nicht-kommunistische Welt hingegen kommt mir völlig verrückt vor. So war es immer schon. Aber damit stellt sich mir eine gigantische Aufgabe: Zu begreifen, warum die andern so anders sind. (Es ist übrigens mit meinem Atheismus ganz ähnlich, auch da erscheint es mir ganz selbstverständlich, dass man nicht religiös sein kann, und doch sind es soviele, und noch dazu auf genau dieselbe Weise, wie ich areligiös: Es erscheint ihnen ganz unglaublich, wie man NICHT glauben kann.)
Bei dieser Rätselfrage hilft mit mein Wille und meine Wut darüber, dass es nicht so geht, wie ichs mir wünsche, nicht weiter.
Ich hab in meinem Leben viel Zeit zugebracht, mir die Anskünfte der früheren und älteren Linken anzusehen, die sie zur Lösung des Rätsels zu geben hatten. Es tut mir leid, und das ist jetzt keine Floskel – es war unsagbar bestürzend für mich, erstmal und vor allem für mich persönlich, sehen zu müssen, dass diese Auskünfte hinten und vorne nicht stimmen konnten.
Und das… hatte auch sehr viel damit zu tun, dass diese Linken (links wie ich) mit ihrem Gegenstand viel zu schnell glaubten fertig zu sein. Genau das war dann noch viel bestürzender; denn in dieser Hinsicht unterschied sie nichts von den andern um uns herum, die die bestehenden Verhältnisse rechtfertigten (die aus meiner Sicht extrem nachlässige, um nicht zu sagen: gläubige Art von Analysen unterschied sich nicht von der der Gegner). Für mich eine Erweiterung der ursprünglichen Rätselfrage…

Es scheint sehr ungewohnt und neu zu sein, was da in der Neugründungserklärung steht: Dass man diskutiert nicht aufgrund eines vorgegebenen Inhalts, dh. über ihn oder seine Konsequenzen, sondern aufgrund eines Nichtinhalts, des Fehlens von Inhalt, da wo einer sein sollte.
Dazu gibt es eine Parallele, auf die ich besonders xadlerx gerne aufmerksam machen möchte: Vielleicht ist Kapitalismus garnicht ein Hindernis, das man abschaffen, abschütteln, loswerden kann; vielleicht ist er vor allem Ausdruck eines gigantischen Mangels an Kommunismus, Verständigtheit von Massen von Leuten. Die aber, wenn es so wäre, müsste man HERSTELLEN, soweit man das kann.

Einen Mangel an Erkenntnis und Einsicht, überhaupt ersteinmal an Begriffen, kann man vielleicht beheben, und in dem Sinn auch „abschaffen“. Das findet aber, wenn überhaupt, nicht in Form eines Hauens und Stechens statt. Das steht vielleicht auch als Aussage hinter der Neugründungserklärung.

In eigener Sache will ich noch anmerken: Wal hat mich ungefragt zum Moderator ernannt. Ich habe das dann mitgemacht, weil es schien, dass damit Arbeit (welche auch immer) verbunden wäre, und ich mithelfen kann, Belastungen (welche auch immer) des Moderatorenteams abzubauen. Ich habe es nicht als Machtposition verstanden und möchte auch keinen solchen Gebrauch davon machen. (Richtige Macht hier haben auch nur die Administratoren.)
Über Robert wurde mir gesagt, er sei im Urlaub. Bis jetzt hat niemand mir gegenüber den Eindruck erweckt, als solle er nicht mehr schreiben dürfen.

Typisierung linker Standpunkte und der Zusammenhang „Theorie Kritik Utopie“

19. Juni 2013
Nun… die Überschrift für die grobe Einteilung könnte dann vielleicht lauten: reformistisch, traditionell, unorthodox.
Man könnte als eine weitere Riesenbaustelle die diversen derzeitigen Deutungen („Lektüren“, Lesarten) der Marxschen Ökonomie hinzunehmen.
Klassifizierung linker Standpunkte aus kategorialen Überlegungen heraus finde ich ein spannendes Thema, ich glaube sogar, dass es da eine unterschwellige Drift gibt (von Technik – Ökonomie – Politik hin zur „Zivilgesellschaft“), und für die wieder eine Erklärung.
Aber.. da es uns hier in der Tat um den Kommunalismus geht (ist das schon der neue Strömungsname?), wollte ich die Frage nach dem Zusammenhang von Theorie/Kritik/Utopie speziell für uns aufgeworfen haben. Kommunalisten scheinen sich sehr stark auf die Utopie zu konzentrieren – welches ist ihre Theorie, ihre Beschreibung der Verhältnisse und des Notwendigen in und an ihnen? Und… folgt denn die Utopie aus dem, was an den so beschriebenen Verhältnissen „kritikwürdig“ erscheint? Wie speziell denken sich Kommunalistinnen den „Übergang“ – welche Szenarios erwarten sie sich aufgrund welcher wie abgeleiteter Prognosen (der einzige, von dem ich derartiges hier kenne, ist Robert mit seinem Profitratenfall-Szenario – wird das hier bereits allgemein geteilt?)
Soviel als erste Antwort auf deine Frage…

Welche zwei Positionen stehen sich hier gegenüber…?

19. Juni 2013
Ich denke…
Es geht hier nur scheinbar um eine Nebensache, etwa BLOSS „Form“ statt „Inhalt“.
Und.. es geht nur scheinbar BLOSS um uns, statt (das, was einzig zählt, nämlich) „die da draussen“.
Und.. es geht nur scheinbar BLOSS um Kritik unter uns („du bist SO!“ „und du SO!“), statt um Theorie (wie ES ist, wie SIE sind), oder Utopie (was „wir“ wollen; aber wer gehört zu uns?)
Ich behaupte also (man muss mir da nicht folgen), dass wir mitten in einer Situation sind, wo die in meinem Kommentar zur Neugründung benannten Kategorien Anwendung finden. Besonders eine, die man besonders problematisch finden kann (Wal fand sie problematisch): Repräsentativ sein.

Eine kurze allgemeine Überlegung in diesem Zusammenhang:
In die politischen Analysen und Prinzipien, die wir vertreten, gehen unsre persönlichen Umgangsformen mit anderen ein; wir verlängern sie, bis das auf offensichtliche Schranken stösst. (Die Schranke muss nicht selbst erfahren werden, sie kann auch auf Erfahrungen anderer beruhen, von denen wir Kenntnis haben.) Den Umgang mit den Beschränkungen bauen wir wieder ein; so wird unser politisches Denken, unsere Vorstellung von erwartbar-funktionierender und befürwortbarer Vergesellschaftung differenzierter (und sachgerechter). „Politisiertheit“ von Leuten bemisst sich im allgemeinen am Grad, den diese Differenzierung erreicht – an der Vielfalt der Situationen, die sie bedacht haben.

Dabei gibt es einen fundamentalen Unterschied, den viele (wenn auch nicht alle) üblicherweise machen: Den zwischen Nahestehenden, mit denen man im Grundsatz verständigt ist (man kennt sich, man stimmt überein und weiss, wo nicht); und Aussenstehenden, Fremden, „Anderen“; auch solche begegnen so gut wie jedem in seinem Alltag.
Damit ist nichts gesagt über die Grösse der Gruppe der je „Nahe- oder Fernstehenden“, „völkisch“, also nationalistisch denkende rechnen mit einer grundsätzlichen Ünereinstimmung aller geborenen Volksgenossen; Alleinstehende Grossstadtbewohner wiederum haben aktuell womöglich garniemand „Nahestehendes“ um sich und sind ständig auf der Suche nach wenigstens einem. Mitglieder von Parteien oder politischen Gruppierungen, vor allem solche, die auch prgrammatisch weniger „kompetitiv“ also konkurrenz-orientiert sind, können ihre „Parteifreunde“ oder Genossen als sich um Grössenordnungen näher stehend empfinden, als sogar die nächsten Familienangehörigen.

Nah und fern, vertraut und fremd – das gibt es nicht bloss bei politischen und Vergesellschaftungs-Prinzipien; auch, wie jemand sich zu Problemen, Wissen, Welt als ganzer verhält, begründet aus seiner Sicht Übereinstimmung und Differenz (in grundlegenden Prinzipien) mit Andern. Und auch hier spielt eine grosse Rolle, wieviel und wovon jemand weiss, und worauf er zu achten oder was zu beachten er gelernt hat – welche Begriffe auszubilden er motiviert wurde.

Zurück zum Ausgangspunkt…
Die Frage, „wozu Polemik gut ist“, ist auf diesem Hintergrund unsinnig. Sie unterstellt bereits, was offenkundig so nicht (nicht mit diesen Assoziationen) geteilt wird: Ein Interesse daran, durch wechselseitiges Anführen von sach-relevanten Gesichtspunkten, Argumenten, zu einem übereinstimmenden Urteil bzw Zielsetzung zu gelangen. Das wird – bei dieser Art Fragestellung – sogar umstandslos für den Normalfall gehalten. Wenn Polemik dafür ein Mittel sein soll, ist doch von vorneherein klar: Das ist sie nicht, und soll sie nicht sein (jedenfalls wird solches Zusammenkommen von Freunden des „Streitens“ und „(spannend) Diskutierens“ gewiss nicht für den Normalfall gehalten). Die Auskunft „Polemik spitzt zu und bringt Unterschiede auf den Punkt“ ist gemeint als Beschreibung, was Polemik SOLL, und nicht was sie KANN.

Die Kontroverse zu Polemik ist also vernünftiger gefasst, wenn man sie versteht als eine zwischen Befürwortern von „Verständigung“ und solchen von „Abgrenzung“ (und „geklärten Fronten“).
Warum die einen so, und die andern anders orientiert sind, ist dabei weniger klar.
Dabei, so vermute ich, ist das Befremdungsgefühl auf BEIDEN Seiten ziemlich gross. Und genau darum sollte man vielleicht weiter über dies Thema nachdenken.

Schnelle KLarstellung vorweg..

19. Juni 2013
Nur zur Klarstellung, es war erstmal Kim, der meinte, die Bestandsaufnahme unter den „Strömungen“ könne ungefähr so lauten.
Was ich öfter schon angesprochen habe, das Anknüpfen an zwei fundamental verschiedene Arten der Auffassung des Kapital-Stoffes (im Licht der „frühen“ Marx-Theorie: Kontinuität oder Bruch?) begründet auch entsprechend unterschiedliche Praxis-Ansätze (grob gesagt, stehen auf der „Bruch“-Seite („Kapital als nach ihrem Zustandekommen aus sich selbst reproduktionsfähige Struktur“) MG/GSP und andere „System“-Theorien, Poststrukturalisten usw
Aber mir gings direkt um die Frage an uns: Woran knüpfen wir an, welchen Stellenwert hat welche Theorie für uns, brauchen wir denn überhaupt eine, brauchen wir denn keine, und haben wir schon eine, wenn ja welche? Wie fundiert ist jede mögliche Kritik allgemin beklagter und beklagenswerter Zustände in einer Analyse der notwendigen Ursachen ihres Zustandekommens? Haben wir da unter uns schon grosse Einigkeit hergestellt? Eher nicht, oder? Denn: Unsre Debatten, die sich ganz schnell an jedem denkbaren Entwurf entzünden, führen ebenso schnell zurück auf unterschiedliche Einschätzungen, und zwar sowohl von Verhältnissen vor wie nach dem „Übergang“ (den man sich WIE vorstellt? oder ist auch das keine vordringliche Frage?)

Von „Bewegung“ auch flächenbrand-mässiger (Strohfeuer?) zu stabilem „Aneignungswillen“ und Konsens in der Vorgehensweise ist ein WEITER Weg..

Warum Abgrenzung? (Versuch einer Erklärung, die aber bloss neue Fragen aufwirft…)

20. Juni 2013
Es sagt etwas über das Verhältnis zu den eigenen Überzeugungen, wenn man sich abgrenzt oder vermittlungsbereit ist.
Was immer der „Abgrenzer“ sonst noch denken mag, etwas wird ihn vom „Vermittlungsanbieter“ unterscheiden (Peter wunderte sich, was er hier alles über sich erfährt; viel weiss man in der Tat nicht, denn er sagt ja nichts, aber das wenige, das man sagen kann, folgt aus dem BEGRIFF (der Definition, dem Verständnis) des Zuspitzens – nämlich, was es NICHT ist):
Er will nicht ALLES erklären und begründen (müssen). Nicht jetzt. Nicht diesem Gegenüber, oder Gegenübern dieser Art.
Er will nicht dazu helfen, in JEDER erdenklichen Hinsicht verstanden zu werden. Nicht jetzt. Nicht von diesem usw.
Er will sich nicht um ALLE Einwände kümmern und sie widerlegen. Nicht jetzt. Nicht um die dieses usw.
Er muss nicht ALLE gewinnen. Nicht jetzt. Nicht grad diese usw.

Was mache ich da gerade? Eine kleine THEORIE des „Abgrenzens“. Theorie in der 3.Person: Er der Abgrenzer, sie die Abgrenzer.
Vielleicht lesen welche von ihnen diese meine Theorie über sie, dann können sie antworten. (Und auf die Kritik, die die Theorie eigentlich sein will, erwidern, sie richtigstellen usw)
Aber im Prinzip… wird hier notgedrungen geredet über Leute, mit denen man aktuell nicht reden kann (weil sie eben NICHT antworten), mit denen man sich kein Gespräch mehr vorstellen kann.
Die Abgrenzung war dann insofern erfolgreich.

Es liegt nahe, dass Leute, die sich „abgrenzen“, ihrerseits tendenziell eher „Theorien“ über andere haben, und diese wenn überhaupt so äussern, dass eine unmittelbare Antwort nicht möglich ist, also durch schriftliches, meist irgendwie vervielfältigtes Veröffentlichen. Diese Form der Äusserung kommt den unterstellten Bedürfnissen von Leuten entgegen, die sich „abgrenzen“ wollen, nämlich zu entdscheiden, ob, wann, wem gegenüber sie worauf eingehen: Der Dialog ist durch Verschriftlichung erstmal stark gebremst. Man kann abwarten, wer wann wo etwas erwidert, und sich vorbehalten, es zu ignorieren. Vor allem aber bleibt (durch die Vervielfältigung und deren „Öffentlichkeit“) eine unbestimmte Erwartung, bis auf weiteres, bestehen, durch das Gesagte Einfluss auf andre, unbestimmt viele, ausgeübt zu haben, sie durch den Akt des Veröffentlichens für sich gewonnen zu haben. Überprüfen oder gar widerlegen kann man das nicht so schnell. Insofern… ist „Veröffentlichen“ in dieser Form höchst förderlich für die Erzeugung der Illusion, man stünde nicht allein, obwohl es doch paradoxerweise verstärkt der Fall ist (Leute, die „schreiben“, sind bekanntlich für Gespräche nicht gut erreichbar und fühlen sich dadurch gestört).

Von wem grenzen sich die „Abgrenzer“ ab? Normalerweise ja nicht von ihrem Publikum, soweit sie auf eins zielen; sondern nur von andern ihresgleichen. Es ist in dem Zusammenhang charakteristisch, dass hier der Behauptung widersprochen wurde (und sehr zurecht), dass „zuspitzende Polemik“ den (von Wal so bezeichneten) „Polemisierten“ fertigmachen oder entwerten wolle; Polemik nach dem Selbstverständnis der Polemiker findet unter grundsätzlich Gleichen und Gleichberechtigten statt, die sich wechselseitig als solche anerkennen und „respektvoll“ voreinander zurückziehen, wenn man miteinander „fertig“ ist. Der Respekt wird dabei insbesondere dadurch gezeigt, dass man nicht ewig mit dem Polemisieren fortfährt. Es ist dabei nicht ausgeschlossen, dass beide Parteien mit der Überzeugung abziehen, die je andere „erledigt“ zu haben, und sich dabei nicht widersprechen. „Reden“ wird man auch nicht mehr miteinander, denn es ist ja alles gesagt. Wenn nichts Neues mehr kommt (was kaum je einmal passiert, eigentlich nach Menschenermessen auszuschliessen ist), war es das dann. In den Archiven der Polemiker häufen sich die erledigten Fälle; das sind sie alle zusammen füreinander.
Das neutrale (und aus Sicht der Polemiker immer etwas unbedarfte) Publikum, dem alle freundlich zugewandt bleiben, ohne sich ins Gehege zu kommen, darf entscheiden, welcher der Autoritäten, die sich da vor ihm in Stellung gebracht haben, es sich anschliessen möchte, wessen „Argumente“ es sich „einleuchten lässt“.

Verständigungs-orientiertes Verhalten bringt Polemiker aus dem Konzept. Sie erwarten Gegenpolemik, wo die Verstehen-Wollenden erstmal nachfragen; solches Verhalten erwarten Autoritäten (und als solche treten Polemiker auf) grundsätzlich von Gefolgsleuten, die um Belehrung bitten. Dass dann zugleich irgendwie Differenzen bekundet und Einwände wirklich als Gründe GEGEN das von ihnen Vorgetragene behauptet werden, mutet Polemiker dann wie Heimtücke an: Verständigungs-Orientierung ist dann etwas wie eine besonders unfaire, hinterhältige Methode, vor dem Publikum Punkte zu machen, unter falscher Flagge zu segeln oder nicht mit offenem Visier zu kämpfen. Die, die Dinge wirklich klären wollen, um zu GEMEINSAMEN Resultaten zu kommen, müssen also aus Sicht der Polemiker die eigentlich übergriffigen „Fertigmacher“ sein. – Das Verhältnis ist, in gewissem Sinn zur Verzweiflung wenn nicht Empörung BEIDER Seiten, völlig asymmetrisch – beide entsprechen den Erwartungen des je andern in absurder Weise NICHT, könnten sich das wechselseitig endlos vorwerfen, merken gerade das noch, verstehen aber nicht, was da los ist.

Es ist auch schwer zu verstehen oder zu erklären.
Meine Erklärung für das Verhältnis der polemisierend-autoritären „Abgrenzer“ zu ihrem Stoff ist rein hypothetisch; Abgrenzer grenzen sich schliesslich vornehm ab und sehen sich nicht bemüssigt, ihre Verhältnisse zu irgendwem und irgendwas auch noch öffentlich zu erklären.
Die hypothetische Erklärung lautet, anknüpfend an den Oberflächen-Eindruck, den das alles macht: Diese Leute verhalten sich wie Angehörige einer politischen KONFESSION – genauer, wie die Prediger einer solchen, die einer mehr oder weniger grossen Gemeinde gegenübertreten.
Es gibt dann Dinge, über die wird nicht mehr diskutiert. Sollte Unklarheit herrschen darüber, wo einfach Schluss sein muss mit dem Zweifeln und Einwenden, wird darüber KLARHEIT hergestellt. Die Konfessionen trennen sich an diesen Linien; sie können das Trennende als solches festhalten – aber wie soll da was überwindbar sein? Man kann die Andersartigkeit der Andern bloss feststellen, und sich wechselseitig (in allem abgrenzenden Respekt) versichern, sich darin nicht missverstanden zu haben. Ansonsten… was könnte man noch tun, ausser, sich möglichst zu ignorieren beim Versuch, Anhänger für den eignen Glauben zu werben (allenfalls kleinere Seitenhiebe in Richtung Konkurrenz sind drin).

Das eigentlich bedrückende (weshalb dies hier auch keine triumphierende, sondern eine (aus Verständigungs-Perspektive) äusserst traurige Feststellung ist) Eingeständnis, das man mit dem Sich-Abgrenzen macht, ist aber, erstens, dass die eigenen „Inhalte“ nicht rational vermittlungsfähig sind, und zweitens, dass sie das auch nicht sein müssen oder je können; weil das, wovon sie handeln, sich jeder rationalen Einflussnahme entzieht: Rationalität wird erst in einem JENSEITS eine Rolle spielen, nach dem Umsturz oder Übergang, wenn die Menschen ihre Geschichte endlich machen werden. Vorher sind sie dem Schicksal, das sie JETZT am Revoltieren (zumindest am rechten Glauben) hindert, hilflos ausgeliefert; die gute Nachricht ist: diese Verhältnisse werden sie irgendwann dazu ZWINGEN zu revoltieren (dann auch zu glauben). Zumindest, wenn sie sich der angebotenen Chance (die der Zwang sein wird) nicht ganz verweigern, Verstockte und Verworfene, die sie dann wären…
(In der „Kritik“-statt Theorie-Version bietet sich diese Chance ständig; darum ist dort der WILLE zur Umkehr und zum Nichtmehr-Mitmachen so ungeheuer wichtig – er KÖNNTE jederzeit auch anders, er ist FREI (und von (falschen) Gründen (die er allererst erfindet und erfinden oder erfunden haben will; weshalb man sie ihm garnicht nehmen kann, da „er es doch so sehen will“) nicht wirklich abhängig)…)

Die Hypothese lautet somit: Polemik und Polemisches „Zuspitzen“ zum Zwecke der Abgrenzung ist die Haupt-Erscheinungsform politisch-religiösen Denkens. (Es wäre zu prüfen, ob das mehr als eine oberflächliche Analogie ist; wozu der von Linken lange vernachlässigte Begriff des religiösen Denkens überhaupt einmal näher betrachtet werden müsste…)

Diese Hypothese SOLL nicht der politischen Abgrenzung dienen, sondern der Verständigung darüber, was es mit „Polemik“ auf sich hat. Insbesondere bitte ich alle Befürworter des Polemisierens, sich dazu zu äussern und eventuelle Fehleinschätzungen zu korrigieren. (Ihr seid in den letzten Tagen immer wieder gebeten worden, euch zu äussern…)

Kurzer Nachtrag

21. Juni 2013
In meinem vorletzten Beitrag waren Ausführungen enthalten zu „Politisierung“ durch Verlängerung der eigenen Umgangsweisen mit anderen, speziell der unterschiedlichen mit einem Nahe- und Fernstehenden. Ich möchte kurz andeuten, wie diese Ausführungen zu dem passen, was von mir zu Polemik gesagt wurde: Kommun(al)ismus kann in manchen Hinsichten beschrieben werden als Verdrängung von (üblichen) Umgangsformen mit Fernstehenden durch solche mit Nahestehenden – auf gesellschaftlicher Stufenleiter. Erwähnt man diesen letzten Zusatz mit der Stufenleiter, wird die Aussage fast paradox: Wie soll man sich im „gesellschaftlichem“ Masstab begegnen, als wäre es ein persönliches, ein Umfeld von Vertrauten? (Dafür, dass es nicht ganz so anonym zugeht, wurde wohl der Zwischen-Level „Kommune“ gewählt…)
Die Debatte um autoritär-polemisch-dominantes vs. verständigungs-orientiertes Auftreten hat damit sehr viel zu tun. Sie hat zu tun mit der Frage, inwiefern man bei der Vergesellschaftung sich auf „unpersönliche“, invisible-hand-artige Regelungsformen verlässt (dazu zählt auch das „Durchsetzen“ und „in Geltung Versetzen“ der eigenen Gesichtspunkte für eine grössere Anzahl von Leuten: den eigenen Einschätzungen nach Debatte autoritäre Geltung verschaffen, sich selbst zum Masstab machen dürfen…)
Zu einem religiös-vormodernen Weltverhältnis hat diese Einstellung darum Anschluss, weil sie unterstellt, dass moderne Gesellschaften „gültige“ Zustände erreichen, in denen etwas Bleibendes GILT (und einzelne, Autoritäten, Mass-gebend sein können); wo unter modernen Vorgaben ständig von allen Seiten neues Wissen zufliesst und die Frage aufwirft: Wie kann man auf gesellschaftlicher Stufenleiter lernen? Wie findet all dies Wissen und zu Wissende von den Einzelnen zur Gesellschaft (wie existiert DIE denn?) und von dort zurück zu den andern? Wie kommen sie auf Basis so geteilten Wissens zu einer gemeinsamen Verarbeitung und Konsequenzen?
(Soll dann weiter polemisiert werden? Und wenn dort nicht – warum hier, unter „uns“?)

„Marx „lernen“? “ Ist „Das Kapital“ denn ein „Lehrbuch“?…

22. Juni 2013
Es gibt durchaus Leute (und Marx gehörte wohl selbst dazu), die (wie es marszenner oben nahelegt) davon ausgehen, dass das Gesamt-Werk von Marx, speziell „Das Kapital“, auf dem „Wissen(schaft)sgebiet“, von dem zu handeln es beansprucht („(Wissenschaftliche) (Kritik der) Politische(n) Ökonomie“), ungefähr dieselbe Position einnimmt wie die Werke von Newton oder Euklid auf jeweils ihrem: Bahnbrechende Grundlagenwerke, deren Stoff ab dann Standard wird und in den Lehrbüchern der betreffenden Fächer, besser und eingängiger aufbereitet als in den Werken der Pioniere, dargeboten wird.
Derartiges wird auch von andern Theoretikern behauptet, Kant etwa, dessen Bücher von „Kantianern“ ungefähr genauso als Lehrbücher DER (Transzendental)Philosophie behandelt werden wie die Marxschen Schriften von „Marxisten“.
Tatsächlich betritt man in diesen Fällen etwas, das das literarischer Pendant darstellt zu: Gross-Baustelle, Ruinenlandschaft, Trümmerfeld, Rohbau, Planskizze.. uvam, die Bilder gehen da nicht so schnell aus.
Es gibt kaum etwas Substanzielles in diesem Werk, das nicht umstritten ist. Darum waren die Hinweise oben, dass die Erklärer IHRE Version liefern, noch harmlos oder verbrämt: Wer Marx „darstellt“, interpretiert.
Man kann es auch so sagen: Falls da je etwas Unumstrittenes am Entstehen sein sollte, hat es das Euklidsche und Newtonsche Reifungsstadium seiner Entwicklung noch nicht erreicht. (Ich wage zu behaupten: Für alles, das mit Sozial- und Geisteswissnschaft, schliesslich auch Philosophie zu tun hat, gilt das derzeit…)
Das ist schwer zu begreifen für Leute (ich hab selbst dazu gezählt), die damit rechnen, dass aller Wissens-Stoff längst aufbereitet ist, vor allem, wenn er so bekannt und berühmt ist (wieso würde sonst soviel davon hergemacht?).

„Autarke Kommunen“

23. Juni 2013
Neoprene, der seit kurzem auch hier anmeldet ist, hat dankenswerterweise die Neugründungserklärung in seinem Blog veröffentlicht, woran sich eine Kurzdebatte unter Beteiligung von Mattis (der sich seit kurzem hier leider abgemeldet hat) und mir anschloss:
neoprene.blogsport.de/2013/06/…arx-forums/#comment-85137 http://neoprene.blogsport.de/2013/06/21/neugruendung-des-karl-marx-forums/#comment-85137
Diese 5 Punkte habe ich auch Robert Schlosser privat vorgelegt als Erwiderung auf zumindest die „Autarkie“-kritischen Passagen seines Papiers: rs002.de/Soziale_Emanzipation/…20Bochumer%20Programm.pdf
Ebenfalls bei Neoprene ist am Anfang meines Postings dort eine weitere Kritikrichtung bzgl. der Argumentationsweise von Robert dort angedeutet.
Die von mir vorgetragene Klarstellung zu den verkehrterweise mir zugeschriebenen Standpunkten noch in Anwesenheit von Robert
Kommune Bochum. Mein Modell einer solidarischen und bedarfsgerechten Planwirtschaft
scheint ignoriert zu werden.
Drum hab ichs nochmal angeführt…

Problemkatalog

25. Juni 2013
Es war eigentlich auch bei den Mathematikern ein Problem, und ist es für radikale Linke aktuell genauso: Schon die Art, wie man die Probleme stellen soll, also was wichtig und unwichtig ist, ist unklar und/oder strittig. Ein Problemkatalog führt vor allem vor, wie jemand sich persönlich die Lösung dieses „Problems 2.Stufe“, die Verwirrung und Zerstrittenheit, vorstellt: Eine Art, Fragen zu stellen, so dass man sie beantworten kann, und so, dass sich viele darauf einigen, dass das dies die wichtigen Fragen sind.
Diese Vorgehensweise ist eine unter mehreren möglichen, Hilbert hat sie erfolgreich angewandt.
Andere versuchen, die Streitigkeiten selbst zum Thema zu machen, sie auf die wesentlichen Kontroversen hin zu klären (oder, etwas streitbarer, „zuzuspitzen“, aber im Prinzip ist es dasselbe).
Oder eine Theorie oder Darstellung zu liefern, die so „schlagend“ und überzeugend ist, dass sie alle andern ersetzt (das ist so ungefähr Kims Richtung).
Oder…
… man sucht garnicht auf der Ebene des „theoretischen“ Klärens „die“ Lösung, sondern hofft, durch praktisches Wursteln (in vollem Wissen, dass es das ist) auf Teil-Lösungen zu stossen oder gestossen zu werden, die sich langsam zu einem Bild zusammensetzen.
Für all das gibt es höchst erfolgreiche Vorbilder (die ich nicht aufzähle).
Und genauso für furchtbare Fehlschläge der jeweiligen Art.
Leider.
Nichtmal aus der Verteilung von Erfolg und Fehlschlag auf Themen (in der Mathematik eher SO, in der Technik eher SO..) kann man eindeutige Schlussfolgerungen ziehen.

Nur soviel kann man vielleicht sagen: Die leichten, naheliegenden Lösungen auf „unserem“ Feld hier sind wohl verbraucht.
Unklarheit und Umstrittenheit möglicher Lösungsansätze sind ärger als je zuvor.
((Wals Nachrichten aus dem Niedriglohnsektor zeigen: die realen Probleme sind es auch.))

„mein Ansatz“

25. Juni 2013
(Mit einem Nachtrag versehen am 26.6.)
Naja, Kim… im Grund weisst du schon einiges über „meinen Ansatz“, es scheint nur so mickrig, dass man mir nicht gleich abnimmt, dass da was möglicherweise Weiterführendes behauptet wird.
Ich greif mal aus Antonios Beitrag den Vergleich der Linken (die ja, so von dir, Kim, unmittelbar vorher angemahnt, neue Konzepte brauchen) mit den Mathematikern heraus, wo er – für mich verwunderlich, aber das ist wohl bezeichnend – die ALLERwichtigste Differenz aus meiner Sicht einfach vergessen hat: mathematische Spezialisten bewegen sich doch nicht auf Feldern wo praktisch JEDER Mensch mehr oder weniger ausgefeilte und von langer Hand her entwickelte Meinungen hat. Bei den Mathematikern im Grundlagenstreit gings um einige wenige handfeste Optionen, naja, im Rahmen eines bestimmten Stils, Mathematik zu betreiben also Rechenregelsysteme zu entwickeln… Bei den „Linken“ gibt es „“einen (Riesen-, sage ich) Haufen Spezialisten mit mehr oder weniger plausiblen Problemlösungsvorschlägen“. Aber die handeln von Themen, von denen die „Leute“ eine Unendlichkeit an Auffassungen haben. Techniker (Mathematik ist im Vorfeld von Technik-Vorbereitung) müssen am Ende was hinstellen, das sich bedienen lässt, zweckmässig ist (der Zweck liegt meist fest), funktioniert, nicht zuviel kostet. In diese Techniker-Rolle sind Linke in der Vergangenheit ja durchaus gern geschlüpft, Gesellschafts-Ingenieur sein, funktionierende Prognosen und Plan-Maschinen bauen, die die andern nur noch besteigen und bedienen müssen (eine Köchin soll es können, DAS nennt man benutzer-freundlich!).
Der Ansatz ist, hör auf Spezialist zu sein und dich so aufzuführen.
Dein Wissen brauchst du nicht veregssen, sollst du nicht, nicht deine Begriffe, deine Übersicht über so vieles, und soviel Gelerntes.
Du musst, sollst dich nicht blöder machen als du bist. Aber… du bist nichts GRUNDSÄTZLICH anderes als andre. Auch nicht demnächst, wenn der schmerzlich verlorene Status endlich (durch Arbeit unserer Experten in ihren Theorielaboren, bald kommt das neue Buch heraus!) wiedergewonnen ist. An dem ist nichts verloren.
—————————————————
Nachtrag 26.6.Kim, du hast mir und auch andern jetzt bei verschiedenen Gelegenheiten
immer wieder die Frage gestellt, wie eine neue Theorie ausschauen
könnte – eine Theorie zB der Entwicklung der Produktivkraft, die
Mensch und
Natur bekömmlich ist. Darauf und auch auf viele andere Fragen (bald
schon
ein Hilbert-Programm!) würde ich durchaus gerne eingehen. Ich habe dir
aber den Text über „meinen Ansatz“ aufgeschrieben, weil das die
Haltung ist, in
der ich jede theoretische Arbeit beginne: Es mag sein, dass darin etwas
ist, das mir
und auch meinen Gesprächspartnern weiterhilft (die ja wohl nicht umonst
mit mir reden). Aber bloss weil uns etwss eingeleuchtet hat, darf nicht
erwartet werden, dass wir es darum schon mit andern teilen werden, etwa
in dem wir
versuchen, es ihnen in dieser Erwartung mitzuteilen und aufzudränegn.
Das werden sie nicht
zulassen. Viele der Zänkereien im Forum haben für mich diesen Charakter
einer subtilen ABWEHR fremder Begriffe und Gedanken, als solchen, auf
die man sich jetzt nicht einlassen will – genau das will man aber nicht
offen vor sich und andern aussprechen. Als ob es nicht absolut
alltäglich wäre – wieviel schliessen wir nicht aus unserem Denken und
Verarbeitung aus, und das schon mit bewusster Absicht – wieviel mehr
schliesst sich nicht
ganz unabsichtlich von selbst aus, weil wir nichts davon gehört und nicht
danach gesucht haben – schon darum nicht, weil
wir uns mit etwas bestimmtem intensiv, alles andere momentan
ausschliessend, beschäftigen.
Du wirst dich erinnern: Ich habe „Theorien“ in meinem
Kommentar zur Neu-Gründung in Beziehung zu Kritik und Utopie gesetzt.
Ich behandle Theorien grundsätzlich nicht als Agitations- und
Aufklärungs-, womöglich Unterrichtsmaterial, das verbreitet wird und
durch seine Richtigkeit und „Überzeugungskraft“ Konsens stiftet. Noch mehr als Falschheit
nämlich steht der Verständigtheit und einverständigen Planung der heute so unsagbar
vielen Menschen die unterschiedliche Ausrichtung und Organisation ihrer Aufmerksamkeit im
Weg.
Unterschiedlich ausgerichtet ist sie; zugleich aber nur begrenzt
aufnahmefähig (das Leben ist kurz, verglichen mit dem, was man wissen
sollte). Der Weg zueinander ist durch diese beiden
Ausgangsbedingungen versperrt. Theorien helfen uns, den Weg ZU UNS
leichter zu machen, wenn jemand in unsere Nähe kommt. Aber wir
können uns nicht mit theoretischen Gewalt-Touren zu den andern
durchschlagen und sie zu uns herholen. Die Wege sind zu lang; die
andern zu viele. Es muss etwas von selbst sich tun, in all den
verschiedenen kleinen Gruppen, das sie auf lange Sicht zueinander
bringt, auch wenn sie sich nicht kennen und beeinflussen. Dieselbe
Vernunft in allen – derselbe Typ Erfahrung. Auf dies von selbst Geschehende und sich (also auch
uns) Entgegenkommende muss man setzen und warten; denn anders geht
garnichts. – Soviel zum Wert von Theorien im allgemeinen (und
Veröffentlichen, öffentlich Diskutieren, „Verbreiten“, „Vertreten“,
„Verteidigen, Begründen“, gegen andere Behaupten, Durchsetzen, Lehren
usw im besonderen…) Bevor ich im einzelnen was sage.

Verknüpfung verschiedener Problemlösungen in der „kommunalistischen“ Strategie

3. Juli 2013
Ich hab zu diesen Themen bei Neoprene geschrieben: neoprene.blogsport.de/2013/06/…arx-forums/#comment-85382 (und der folgende Kommentar). Die Beherrschung der eigenen Produktion (im Kern auch Wissensproduktion) auf gesellschaftlicher Stufenleiter durch die Produzenten ist nicht die einzige Anforderung, auf die das „kommunalistische“ Konzept anwortet. Ähnlich wichtig sind:
a) Die Bedeutung ökologischer Produktionsweisen, ua. daher auch Recycling-Verfahren, aber auch naturnahe Landwirtschaft (auf Dauer, so die dazu gehörenden Konzepte, arbeitssparender als traditionelle, aber benötigt längere Zeit der Einrichtung auf einem Gelände)
b) die Unwahrscheinlichkeit und letztlich auch Nicht-Bewältigbarkeit eines plötzlichen simultanen Übergangs zu eigentumsfreier Vergesellschaftung („Revolution“)
Eher wahrscheinlich ist mittelfristig eine Pluralität koexistierender nicht-kapitalistischer Vergesellschaftungs- und Selbstversorgungsprojekte (etwa auch der „solidarischen Ökonomie“, Genossenschaftsmodelle) mit teilweiser oder kompletter Marktunabhängigkeit.
Erst in diesem Zusammenhang ist die Bedeutung der Bemühungen um (ökologisch ausgerichtete) Teil- und Not-Autarkie zu sehen.
Man sollte hier immer Konzepte für Anfänge (und die Motive unter verschiedenen Optionen dabei: etwa Mittelausstattung), diverse Entwicklungsszenarios und projektierte Utopien unterscheiden – natürlich gehört alles mit allem zusammen. ((Akllein schon das Szenario „Revolution – und dann“ begründet natürlich komplett andere Fragestellungen als „lange Koexistenz eines wachsenden kommunalistischen sektors mit anderen Vergesellschaftungsformen“).

Es ist derzeit schwer zu sagen, welche Aspekte näher liegen und welche ferner…

3. Juli 2013
Wal, ich bin mir nicht sicher, ob mit einer „machtvollen“ oder gar explosiven Unzufriedenheit sehr viel anzufangen ist. Ja klar, auf den Riesen-Demos haben hundertttausende EINEN Willen (im grossen ganzen; sie sind integriert durch das, was sie ablehnen. Aber es wäre doch ein fürchterlicher Fehlschluss zu glauben, dass von da ein lückenloser Gang von Schlüssen zu einem ebenso klaren Plan führt. Es war und ist ja gerade die Erwartung, man könne Eliten aller Art das eigne Schicksal anvertrauen, deren Enttäuschung in den grossen Demos ausgedrückt ist. Zugespitzt gesagt: Die Leute könnten ebensogut gegen sich selbst demonstrieren. Oder gegen andere ihresgleichen, Parteigänger einer anderen Sache (meist Herrschaft, leider). Tatsächlich aber finden sich jenseits dieses getäuschten Glaubens und der integrierenden Wirkung, die er in seinem Zerbrechen ein letztes Mal ausübt, keine Massen mehr hinter irgendwelchen Parolen – schon garnicht selbstbestimmte. Denn da beginnen eben schon die Differenzen: „Wenn das SO ist, mach ICH da nicht mit“. Sei sicher, Wal: Noch die entferntesten Aspekte, die wir hier durchkauen, gehen unsern Mitbürgern nicht weniger durch den Kopf, wenn sie die Möglichkeit ihrer „Emanzipation“ je mal erwägen. Den Staatssozialismus streichen wir – und dann? Ich glaube nicht, dass die Divergenzen hier zwischen uns harmlos sind. Sie beruhen auf fundamentalen Orientierungen, bei denen man sich vernünftigerweise fragen sollte, wie sie zustandekommen. Zunächst mal gewiss nicht durch „Argumentieren“. Die „Argumente“ umkreisen und beleuchten, worum es den einzelnen da allgemein geht – ohne dass sie es in seiner Allgemeinheit sagen könnten (oder sagen können wollten). Nur eins dürfte feststehen: Wir sind hier keine Sonderlinge. Wir mögen früher dran sein als andre, aber diese Orientierungen können sich, im Mass, wie die Abwendung von bestehenden Verhältnissen sich beschleunigt, zu „Strömungen“ und Gruppen auswachsen, die je unterschiedliches wollen; so sehr sie auch in sich gespalten sein werden (wenn auch weniger stark als gegenüber den „Aussenstehenden“). Darum (unter anderm) meine Erwartung von Ko-Existenz (auch mit einer Mehrheit, die erstmal noch weiterzumachen versucht wie bisher, vielleicht auch nur abwartend, was aus den Experimenten wird). Dieser Übergang wird nicht die Form „Revolution“ annehmen – auch nicht einer sich hinziehenden, quasi langsam sich aufbauenden. Die Leute werden fragen: Was kommt danach? Und darauf gibt es keine einheitliche Antwort mehr.

Es ist derzeit schwer zu sagen, welche Aspekte näher liegen und welche ferner…

3. Juli 2013
Wal, ich bin mir nicht sicher, ob mit einer „machtvollen“ oder gar explosiven Unzufriedenheit sehr viel anzufangen ist. Ja klar, auf den Riesen-Demos haben hundertttausende EINEN Willen (im grossen ganzen; sie sind integriert durch das, was sie ablehnen. Aber es wäre doch ein fürchterlicher Fehlschluss zu glauben, dass von da ein lückenloser Gang von Schlüssen zu einem ebenso klaren Plan führt. Es war und ist ja gerade die Erwartung, man könne Eliten aller Art das eigne Schicksal anvertrauen, deren Enttäuschung in den grossen Demos ausgedrückt ist. Zugespitzt gesagt: Die Leute könnten ebensogut gegen sich selbst demonstrieren. Oder gegen andere ihresgleichen, Parteigänger einer anderen Sache (meist Herrschaft, leider). Tatsächlich aber finden sich jenseits dieses getäuschten Glaubens und der integrierenden Wirkung, die er in seinem Zerbrechen ein letztes Mal ausübt, keine Massen mehr hinter irgendwelchen Parolen – schon garnicht selbstbestimmte. Denn da beginnen eben schon die Differenzen: „Wenn das SO ist, mach ICH da nicht mit“. Sei sicher, Wal: Noch die entferntesten Aspekte, die wir hier durchkauen, gehen unsern Mitbürgern nicht weniger durch den Kopf, wenn sie die Möglichkeit ihrer „Emanzipation“ je mal erwägen. Den Staatssozialismus streichen wir – und dann? Ich glaube nicht, dass die Divergenzen hier zwischen uns harmlos sind. Sie beruhen auf fundamentalen Orientierungen, bei denen man sich vernünftigerweise fragen sollte, wie sie zustandekommen. Zunächst mal gewiss nicht durch „Argumentieren“. Die „Argumente“ umkreisen und beleuchten, worum es den einzelnen da allgemein geht – ohne dass sie es in seiner Allgemeinheit sagen könnten (oder sagen können wollten). Nur eins dürfte feststehen: Wir sind hier keine Sonderlinge. Wir mögen früher dran sein als andre, aber diese Orientierungen können sich, im Mass, wie die Abwendung von bestehenden Verhältnissen sich beschleunigt, zu „Strömungen“ und Gruppen auswachsen, die je unterschiedliches wollen; so sehr sie auch in sich gespalten sein werden (wenn auch weniger stark als gegenüber den „Aussenstehenden“). Darum (unter anderm) meine Erwartung von Ko-Existenz (auch mit einer Mehrheit, die erstmal noch weiterzumachen versucht wie bisher, vielleicht auch nur abwartend, was aus den Experimenten wird). Dieser Übergang wird nicht die Form „Revolution“ annehmen – auch nicht einer sich hinziehenden, quasi langsam sich aufbauenden. Die Leute werden fragen: Was kommt danach? Und darauf gibt es keine einheitliche Antwort mehr.

@Wal, @renee, @Neoprene

4. Juli 2013
@Wal: Ich wollt keinen Vorwurf machen, es war dieselbe Feststellung nochmal: Wenn der Glaube (und ich denke, so sollte man es einordnen) an die Eliten zerbricht, entsteht Ratlosigkeit.. es stellen sich dann genau die Fragen, die wir hier verhandeln. – Und… das mit dem Abwarten der Mehrheit und der „Ko-Existenz“ kann man zwar auch auf das Verhältnis verschiedener Vergesellschaftungs-Experimente zueinander beziehen, aber gemeint war: Die Mehrheit macht – desillusioniert – weiter, und schaut (wenigstens Teile von ihr tun es) zu, was die Experimente bringen. Auch das mag man „Revolution“ nennen, aber es ist doch ein ganz anderer Übergang als früher – der sollte nämlich einer sein von einem schlechten Staat zu einem „guten“. Der Übergang weg vom Kapitalismus hingegen ist das Dämmern der Einsicht: Wir müssen (im wesentlichen) alles selber machen („es rettet uns kein höh’res Wesen, kein Gott kein Kaiser kein Tribun“). Darum scheint mir auch das, was du unkommentiert gelassen hast, ganz konsequent: Die Leute tragen ihre Meinungsverschiedenheiten dann miteinander aus, und kriegen endlich mal mit, wie wenig sie eigentlich teilen – wo sie sich vorher einig waren, dass der Gegensatz immer nur zur „Regierung“ und „dem Staat“ besteht, über die und den alle meckern – das gute Volk sind „wir“ schliesslich alle. Diese Betrachtungsweise entfällt dann, und der Streit geht los so wie zwischen uns hier (wobei dann auch deutlich wird, wie wenig entwickelt die Kultur öffentlicher Dialoge derzeit noch ist – in den Internet-Foren wird sie grad mühsam aufgebaut).
Auf den Punkt mit den Divergenzen und wie sie sich zu „Argumenten“ verhalten, komm ich hoffentlich später noch…

@renee (und Wals Antwort):
Was ich hier bei uns allen bemerke (und das setzt sich im quasi ausgelagerten Teil dieser Debatte bei Neoprene fort), ist das Nebeneinander von Skepsis, was die eigene Urteilsfähigkeit und die der Mitdiskutanten betrifft, und den dann doch immer wieder geäusserten Vermutungen („ist doch wohl so, dass..“, „es wird soundso sein…“), die immerhin so sehr einleuchten, dass man davon ohne weiteres praktische Schritte (Zustimmung und Ablehnung, sie btreffend) abhängig machen würde.
Dabei wird unterstellt, dass das relevante Expertenwissen eines von Technikern, meinetwegen auch Betriebswirtschaftlern ist: technisch-organisatorisch.
Die Produktivkräfte sind ja da, man könnte sie auch weiterentwickeln..
Die Frage ist aber: was fangen wir alle zusammen mit ihnen an? wenn wir sie entwickeln – wohin?
Und da kommen andere Wissensformen ins Spiel, und andere „Expertise“. Ich sage die Beispiele:
1.Grosstechnologie (ist nicht einfach mehr eine „Maschine“, die man bedient, mit festgelegten „Mechanismen“)
2.Technische „Systeme“ (Transport, Energie, Telekommunikation) – eigentlich ist die ganze moderne Industrie ein solches;
3. Natürliche Systeme (geophysikalische (Klima, Meeresströmungen), Öko-Systeme)
4. „Kulturlandschaften“ (Landwirtschaft), anfällig
5. Natürliche Systeme, beschädigt/destabilisiert
6. System-artig weiterwirkende Technikfolgen ((Sonder)Müll-Deponien, schwer abbaubare Industriegifte)
6. „wir selbst“, „unser Körper“
Der Umgang mit diesen Randbedingungen unserer Existenz erfordert weit reichende Eingriffe in die Lebensführung (Produktionsweise, Konsum) aller. Dazu müssen sie nachvollziehen können, worum es da geht. Hier ist ein Zusammenhang mit der „inneren Befreiung“, die du erwähnst, renee: Es geht da um ganz elementare… naja, schon wieder: Orientierungen, Prinzipien (davon handeln, nebenbei, die „Divergenzen“, die mit „Argumenten“ so garnicht entscheidbar zu sein scheinen). Die möchte ich mit allen, die an meiner Stelle irgendwo forschen und entscheiden, teilen. Solange das nicht geklärt ist (klargestellt, worum es mir und den andern Beteiligten in diesen elementaren Hinsichten geht – bis heut hat ja kaum jemand drüber nachgedacht, stolpert bloss in Auseinandersetzunugen wie diesen hier drüber, wenn er merkt, dass etwas für selbstverständlich Gehaltenes auch ganz anders gesehen werden kann), und man glaubwürdig und absehbar zuverlässig darüber verständigt ist, trau ich keinem Experten. Zumal jeder Experte in so gut wie allem andern Nichtexperte ist, wie wir. Wer ist denn heute Experte fürs Grosse Ganze? Obwohl wir es erzeugen und von ihm abhängen, beherrschen „wir“ es nicht, niemand beherrscht es. Und darum jetzt zu:

@Neoprene (und Wals Produktkreisläufe und Managerwissen): Der Wahnwitz der Privatverfügung über die Produktionsmittel ist nicht nur verbunden mit der elenden Klassenhierarchie, dem Ausschluss der allermeisten vom gesellschaftlichen Reichtum, ihrer Erpressbarkeit, Karnkheit, Armut – er ist eben auch verbunden mit diesem sozialreligiösen Wahn der Marktfreunde, gerade die NICHT-Übersicht und NICHT-Verständigtheit sei ganz besonders förderlich für die Abstimmung der Einzelproduktionen. Seltsam, Neoprene, dass es dir immer nur in DER Richtung ungut aufstösst: Einzelne erpressen viele; als ob es nicht genausogut andersherum gehen könnte: alle erpressen alle („ihr seid nun mal jetzt die Stahlarbeiter, ihr kennt euch aus, und ihr habt zu liefern, sonst…“); als ob die Abstimmungen der „Allgemeinheit“ (womöglich noch vermittelt von irgendwelchen Geschäftsordnungs-Leitern und -Vorsitzenden, die die Hand drauf haben, was zur Abstimmung gelangt) nicht auch getragen sein könnten von Rücksichtslosigkeit und Gleichgültigkeit gegen die betroffenen Minderheiten (und dazu gehören wir in irgendeiner Hinsicht alle). Der zentrale Einwand der „kommunalistisch“ Orientierten lautet doch: Hört auf, solche Gegensätze VERWALTEN zu wollen, wenn ihr schon so fest mit ihrem Auftreten bzw Fortbestand rechnet; es kommt drauf an, sie verschwinden zu lassen.
Hinter der Rede von Emanzipation taucht also eine andre auf: die Vorstellung einer Gesellschaft ohne Gegensätze – zumindest einer Gesellschaft, die sich nicht mit ihren Gegensätzen einrichtet.
Zur Kontrolle der Produktflüsse will ich noch sagen: Gut möglich, dass man Reproduktion auf hohem Niveau halbwegs organisieren kann. Einfache Reproduktion, zumindest.
Aber angesichts der aufgehäuften Schäden und Risiken wird die nicht stabil sein – man KANN eben nicht einfach auf diesem Niveau „weitermachen“ – es ist nicht reproduzierbar. Und dann wirds schwierig.
Wachsen, Schrumpfen, Umbauen, Neuentwickeln, Forschen… – nach welchen Prinzipien?

Nochmal, zur Erinnerung: Die Leute werden fragen: Was kommt danach? Wie soll das gehen, wie organisiert sein?

„Zusammenwachsen“…

6. Juli 2013
Ich würde gern etwas zum „Zusammenwachsen“ verschiedener kultureller Fortschritts-Tendenzen sagen, und damit auch indirekt etwas Unterstützendes zu einem Standpunkt, wie Wal ihn einnimmt. Darin sind ja zwei Momente enthalten: Das Entstehen von mehreren Zuständen bzw. bzw. von auf sie zulaufenden Entwicklungslinien) – geplant, aber auch ungeplant; und: das Zustandekommen von etwas Neuem durch Zusammentreten und sich wechselseitig Unterstützen der ausgereiften Zustände – ein Neues, das auf einmal ungeheuer kompakt und lebenstüchtig wirkt – um Grössenordnungen mehr als alle seine Komponenten.
Auch das ist ein (immer noch sehr einfaches) historisches Entwicklungsmodell. Auch auf solche Verlaufsformen kann man sich (praktisch) einstellen. Und es muss nicht immer der EINE alles entscheidende Umsturz und Übergang sein, die Neugründung, der alles verändernde Neuanfang; es kann auch einfach ablaufen als ein sich selbst Beschleunigen vielfältiger Einzel-Übergänge, die zuletzt in ein stabiles epochal neues Rahmenwerk (ein Rahmenwerk neues Typs) münden. Aber auch das etabliert sich oft NEBEN den älteren Lebensformen und beginnt dann zäh und erfolgreich, sie zu verdrängen.
Die marxistische Linke ist extrem stark auf das „Paradigma“ einer „Revolution“, des Erkämpfens der politischen Macht (auch zum Zweck ihrer Nichtausübung durch andre) fixiert; eigentlich ist das, in den besseren Versionen dieses Gedankens, bloss die Übersetzung des angestrebten Ziels, dass der Mehrheitswille sich auf die gesellschaftliche Einrichtung eines eigentumsfreien Zustands richtet.
Marx und Engels hatten in ihren Anfängen zusätzlich zu diesem „Paradigma“ und um es es herum noch einige weitere Arbeitshypothesen (so möchte ich sie nennen) über zentrale Dimensionen der historischen Entwicklung formuliert, die im Grund heutzutage Allgemeingut auch der akademischen Wissenschaft (Geschichte, der „historischen Soziologie“) sind. Dabei spielt das „Zusammenarbeiten“ und „Zusammenpassen“ elementarer gesellschaftlicher Zustände eine grosse Rolle: verfügbare Technologie auf verschiedenen Gebieten, die Regulierung der Arbeitsorganisation, Güterverteilung und Güterflüsse zwischen verschiedenen Abteilungen der gesellschaftlichen Reproduktion, die mittel- und langfristig stabilen Willens-Verhältnisse, die die Beteiligten zueinander eingehen (etwa als Klassenordnungen, Vertragsverhältnisse ua). Dazu als zentralem Kern jeder halbswegs stabilen (und daher „epochalen“) historischen Gesellschaftsverfassung und ihren Formen kommen jeweils „stützende“ Momente – passende und neue Formen der Anpassung bereits existierender und unentbehrlicher Bestandteile des Lebens der Gesellschaftsmitglieder (es ist oft schwer zu sagen, ob die Fortschritte solch weiterentwickelter oder neuer Formen einer eigenen Entwicklungslogik foigen, die durch den „allgemeinen Aufschwung“ einer Gesellschaft unspezifisch stimuliert werden, oder ob sie spezifisch geformt werden (und sei es auch durch adaptierende Selektion der best-angepassten Muster). Neben dem „Dialektik“-Modell der historischen Entwicklung hatten Marx+Engels bekanntlich auch noch die hierarchische Basis/Überbau-Beziehung anzubieten. Ob dieses ihr Kategoriensystem immer so passt – ob mit wachsender Ausdifferenzierung von Gesellschaften nicht auch ständig neue Kategorien in das Gesamt-„Bündel“ der zusammenwirkenden Komponenten aufgenommen werden müssen – das wird vielleicht heute, immerhin 150 mit explodierenen Neuerunugen prall gefüllte Jahre später, etwas anders zu beurteilen sein.
Was im Rückblick Sinn macht und oft unausweichlich auf sein Ziel zuzulaufen scheint (die Seit-Triebe, Abbrüche, teuren Fehlversuche nicht gezählt), ist in der (planenden) Vorrausschau viel schwerer, oft garnicht einzuschätzen. Aber auf EINE historische Figur, die Marx/Engels seinerzeit sehr wichtig war, sollte doch noch verwiesen werden – darum, weil sie mehr als andre zu einer Berichtigung der einseitigen Orientierung der Linken auf Umsturz und Plötzlichkeit des Übergangs beitragen könnte: das Heranreifen der Elemente einer neuen Produktionsweise „im Schosse der alten“. Epochen stossen nicht bündig aneinander; die Frage „In welchem Jahr begann das Mittelalter?“ (in Deutschland, Frankreich, England, Russland, Indien, Persien, China?) ist unsinnig. Eher schon könnte man sagen: Epochen laufen lange nebeneinander her; die ausgehende dauert fort, hat noch lange Macht über die Köpfe und das Leben vieler Menschen, oder über vieles IN ihrem Leben; während die neue über viele Entwickungsstänge, die sich langsam bündeln, an Kraft gewinnt, in Bevölkerungsgruppen, die neben den und inmitten der andern wohnen (wie in der biologischen Evolution; Marx wollte das „Kapital“ ja nicht umsonst Darwin widmen; Vergleiche zwischen Natur- und Sozialgeschichte (dem ungeplanten in der Sozialgeschichte) sind auch sonst häufiger angestellt worden).
Es ist in dem Zusammenhang wichtig, diese beiden Momente zusammenzunehmen: Etwas Neues entsteht im wesentlichen VOR seiner endgültigen Durchsetzung (und zwar notwendigerweise); und: das wirklich Neue sind nicht unbedingt Innovationen in BESTEHENDEN Entwicklungsdimensionen (die mögen dazu gehören); sondern neu sind neue Dimensionen menschlicher Entwicklung, die zuvor garnicht für entwicklungs- und fortschrittsfähig (letztlich: rational verarbeitetem anwachsenden Wissenserwerb, also LERNEN unterliegend) gehalten wurden.
In den drei zentralen Zielsetzungen, denen eine eigentumsfrei, gesellschaftsweit durch die Produzenten selbst geplante Reproduktion dienen soll, die ich angeführt habe:
bedürfnisorientiert
ökologisch
Umgleichzeitigkeiten abbauend
hat man unter Umständen die nächst-anstehenden epochal neuen Lern- und Entwicklungs-Dimensionen ausgedrückt:
mit dem ersten Ziel würde entwickelt die Lebensführung (bis hin zum Lebensentwurf) jedes Einzelnen in Gesellschaft, also aller Einzelnen;
mit dem zweiten würde entwickelt unser völlig undurchdachtes Verhältnis zur Natur (angefangen bei unserer eigenen);
mit dem dritten würde entiwckelt unser Verhältnis zur Geschichte, die ständig gegenwärtig ist in Gestalt zurückgebliebener Standpunkte, bei denen derzeit niemand weiss, durch was sie zum Fortschreiten bewegt werden könnten.
(Anm.Der Bedürfnisbegriff, der unterstellt ist, wenn von „Bedarfsermittlung“ gesprochen wird, ist ein arg verkürzter. Er geht von uns als KONSUMENTEN aus, und der selbstverständlichen Abtrennung unserer Bedürfnisse dort von denen in der Produktion – einer fundamentalen Zerreissung unseres gesamten Lebenszusammenhangs.)
Ich muss hier unterbrechen, und wollte das schon mal beigetragen haben.

„Produzenten-Bedürfnisse“

8. Juli 2013
(Ich bin derzeit unterwegs und kann leider nur portionsweise weiterschreiben, auch zum Korrekturlesen oder Antworten komm ich jeweils erst später. Daher die Verzögerungen.)
Was wäre denn aber das grundlgende Neue in der Beachtung dieser drei Ziel- und Entwicklungs-Dimensionen der gesellschaftlichen Reproduktion – sind sie nicht insgesamt hoch im Kurs stehende und allgemein anerkannte Werte moderner Gesellschaften, neben andern, wie: Produktivitätssteigerung, Erforschung der Natur zu ihrer Beherrschung, Umsetzung der so gewonnenen Erkentnisse in eine effiziente Technik und Produktion ua?
Und scheint es nicht, als stünde einzig die private Verfügung über die Produktionsmittel dem entgegen?
Der grundlegende Unterschied zu bisherigen Weisen, den genannten Anforderungen gerecht zu werden, ist: Dass man sie bislang zum Inhalt von arbeitsteilig betriebenen Abteilungen der gesellschaftlichen Reproduktion machen wollte (kapitalistisch auch gemacht hat, soweit sie im Kap. Beachtung finden). Dabei sind die je in diesen Abteilungen Beschäftigten Produzenten, gesellschaftlich ist als Folge ihrer zahllosen Einzelanstrengungen ein Haufen, oder besser: ein Fluss an Gütern und ein Konvolut, oder besser: ein System an Dienstleistungen verfügbar, das nun an zu bestimmende (im Kap.: zahlungskräftige) Konsumenten zu verteilen ist. Innerhalb ihres Lebens wechseln die Einzelnen (auch die der genannten Abteilungen) ständig – entlang der Grenze zwischen Beruf und Freizeit – zwischen den beiden Rollen von Produzent und Konsument hin und her – aus dem Leben der Produzenten fliessen die Güter und Dienste in das anderer (dann als Konsumenten). Dies ist die jedem Kind geläufige moderne Arbeitsteilung; allein der Name sagt es bereits: Was hier auf-geteilt werden soll, sind die Arbeiten; wenn alle Produzenten, voneinander getrennt, in Stellung gebracht sind, könnten „sie“ (oder auch kap. die Konkurrenz) über die Widmung der Produkte (Güter und Dienste) verfügen – die Frage beantworten, wem als Konsumenten sie zukommen. – Der kommunalistische Ansatz sagt nun, etwas undurchsichtig: Den Produzenten soll das Produzierte zukommen, zumindest sollen sie „selbst“ bestimmen, wem es zukommt, eigentlich und in der Hauptsache (von Kindern, Alten, Kranken abgesehen) „ihnen selbst“.

In der marxistischen Tradition gibt es da eine bemerkenswerte Spaltung, die in den diversen „Politischen Ökonomien“ des Realsozialismus ausdrücklich umgesetzt war: JETZT, nicht anders als im überwundenen Kap., werden erstmal noch Produktivkräfte entwickelt – sobald die hinlänglich dasind, das Güter-„Füllhorn“ ordentlich gefüllt, wird der Druck zurückgefahren, das Reich der Notwendigkeit geht in das der Freiheit über. Das Reich der Freiheit ist dann eines, wo Glück keineswegs nur im Konsum steckt, vielmehr, in Marx‘ Worten, die Arbeit sogar das wichtigste Lebensbedürfnis geworden ist – was (fatale Doppeldeutigkeit) hoffentlich nicht so gemeint war, dass nun alle workoholics geworden sind, und einfach nicht mehr merken, was sie sich im Produzieren antun; vielmehr ist in dem Satz anerkannt, dass produktive Tätigkeit beinah das ganze Leben ausfüllen KÖNNTE – und das ERFÜLLEND, beglückend. Ein wenig verbrämt ist damit hinzugesagt: Die produktive Tätigkeit zuvor hat diese potentielle Qualität nicht. Zwischen der einen Art zu produzieren und der andern steht ein Aufschwung der Technik: An der scheint es gefehlt zu haben, wenn wir nicht schon heute nach erfolgreichem Herausgang aus den kap.Verhältnissen, zum glücklichen Lernen, Leben, Arbeiten übergehen dürfen.
Wann wäre der Punkt des Übergangs denn erreicht? In den Angaben, die die Befürworter dieses Konzepts dazu machen, lesen wir allenfalls etwas von einer Art Pegel, einer unbestimmten Messmarke, bis zu der der Güterfluss gestiegen sein muss. – Umschlag von Quantität in Qualität?
Die Antwort liegt vielleicht im Begriff von Technik, der da ganz selbstverständlich unterstellt ist. Von dieser Technik wird nicht etwa behauptet, dass sie bedürfnis-feindlich ist, im Gegenteil: Sie ist ABSTRAKT gereichtet auf die Totalität ALLER Bedürfnisse, die man überhaupt haben kann; und das dadurch, dass sie darauf zielt, alles, was man will, zu KÖNNEN: Alle NOTWENDIGKEITEN zu meistern. Das Reich der Notwendigkeit ist ein unendliches Feld technologischer Herausforderungen – Herausforderungen, die darauf hinauslaufen, mit dem, was man schon kann, durch Zusammensetzung und systematische Abwandlung noch mehr zu können. – „Mehr“, auf sich selbst bezogen und sein eigenes Mittel: Das kommt einem bekannt vor, aber wichtiger als diese Assoziation ist, dass diese Bewegung eben gerade keine in ihr liegende Schranke hat, sie ist gerade in ihrer reinen Mass-Bezogenheit masslos, kriterienlos. Der Punkt des Übergangs wird so NIE erreicht; er ist nurmehr die Riesen-Karotte zum Antrieb der Esel, die diesen Karren vorwärtsziehen, ohne begriffen zu haben, dass ihre Fortbewegung schon das ist, worauf es einzig ankommt.

Das Reich der Freiheit, des Produzenten-Glücks – haben wir je mehr davon erfahren als dass es etwas ganz und gar JENSEITS aller Gegenwart Liegendes (etwas „Transzendentes“, alles Gegenwärtige Überschreitendes) sein muss? Alle (ebenso unbestimmten) Sehnsüchte richten sich darauf, alles Gegenwärtige hingegen ist entwertet, der Nicht-Sehnsuchts- und Nichterfüllungs-Inhalt schlechthin, den es gilt wegzuarbeiten. (Schon wieder so ein Universalhindernis, das zwischen uns und dem Glück liegt…)
Wer Technik durch ihren Bezug auf sich selbst definiert, hat dies Reich gleich zu Beginn verfehlt – er zielt in eine falsche Richtung, und läuft immer mehr in die Irre, je weiter er damit kommt. – Der Fehler liegt darin, das EXTERNE Ziel nicht wirklich zu bestimmen, auf das Technik und technologischer Fortschritt bezogen bleiben muss; davon haben alle kommunistischen Formeln zumindest eine Ahnung, die uns sagen: es solle endlich bedürfnis-bezogen geplant und entwickelt werden. Es bleibt bei der Ahnung,und insofern beim Allmachts-Technik-Begriff, als man sich den Befreiungschlag im Grund nur als Anhalten der unendlicihen Bewegung (auf dem erreichten hohen Stand der Produktivkräfte) denken kann.
Marx war da etwas weiter; in der Anfangszeit seiner ökonomischen Studien wurde er allem Anschein nach angetrieben unter anderm von einer Kommunismus-Formel, die da lautete (solche Stellen gibt es ja im Umfeld der Grundrisse): Die Teilung der Arbeit endet dann. Damit, so die Idee, würde gleich ein zweifacher Bann gebrochen: Die wechselseitige Erpressung der Produzenten würde enden, aber zugleich das Elend der Einseitigkeit und Verkrüppelung, des Ausschlusses vom gesellschaftlich verfügbaren Reichtum an Lebensmöglichkeiten würde beendet werden. (Der Begriff der abstrakten Arbeit hat dann in der Marx’schen Ökonomie eine erstaunliche Karriere gemacht – aber davon müsste anderswo geredet werden.)
Und dann gibt es da ja noch eine Kommunismus-Formel: Die Entwicklung JEDES EINZELNEN soll die Bedingung der Entwicklung aller sein. – Was heisst DAS denn? Ist über das wahrhaft Revolutionäre dieses Satzes je nachgedacht worden? Er läuft darauf hinaus zu sagen: Das Leben, ja womöglich sogar die Lebensführung von Tag zu Tag einzelner Menschen ist das Feld, auf dem sich ab dann abspielt, was da nur noch als Fortschritt gilt. NICHT „die“ Produktivkräfte, „die“ Wissenschaft, „der“ Lebensstandard, oder was „wir“ (vertreten durch : DIE Medizin, DIE Technik) derzeit schon alles können. Gewiss: das braucht man nicht gegeneinander ausspielen, im Gegensatz müssen diese beiden Entwicklungs-Dimensionen nicht stehen; aber dann muss man sie auch in jene Beziehung bringen, in der sie wirklich zusammenarbeiten, und nicht gegeneinander isoliert sind (wie es die Trennung von Existenzweisen „als Produzent“ und „als Konsument“ womöglich nahelegt).
Wie arbeiten sie zusammen? Wir arbeiten technische Verfahren mit menschlichen Wünschen und (zwanglos und gern betätigten) Fähigkeiten zusammen? Wie sieht eine Technik aus, die unseren BEDÜRFNISSEN ALS PRODUZENTEN gerecht wird – einer Lebensform und Produktionsweise somit, wo man im guten Sinn sagen kann: „Wenn wir gut leben, arbeiten wir zugleich; wenn wir gut arbeiten, leben wir dabei gut: Das gute Leben ist da auch das produktive; der Widerspruch ist gelöst“?

Hallo, libertärer Antikommunist…

21. Juli 2013
Guten Tag und willkommen in diesem Forum. Libertäre wie du haben von den hier erklärten Grundsätzen eigentlich nichts zu fürchten:
„Unsere gemeinsame Zielsetzung ist ein selbstbestimmtes Leben für Alle in
einer freien Gesellschaft.“
Das ist wohl deutlich genug. Wenn es dann so weitergeht: „…Die gemeinsame Organisation der notwendigen Arbeiten wird die wichtigste und schwierigste Aufgabe dieser Gesellschaft sein. Die Arbeitsorganisation kann nicht „von oben“ eingerichtet werden, sondern muss „von unten“ – von der Mehrheit – gemeinsam geplant, gemeinsam gemanagt und gemeinsam erledigt werden.“, so ist darin angesichts des ersten Satzes kein Zwang eingeschlossen. Umgekehrt sollte es genauso sein: Wer sich mit andern zusammenschliessen will, sollte das tun können; wer an einem Markt teilhaben will (darüber, wie der zu gestalten wäre, gehen die Meinungen von prinzipiellen Markt-Befürwortern mindestens so sehr auseinander wie die von Sozialisten über die Sozialismus-Konzeption), soll das können. Monopole, Machtballungen, Magnatentum sind, soweit ich weiss, auch Libertären nicht geheuer.
Soviel fürs erste zum Verlauf der Frontlinien.
Was nun Marx anlangt, könnte man angesichts des letzten hier veröffentlichten Forums-Beitrags tatsächlich zu der Meinung gelangen, er werde „verehrt“ (und daher auch, als Ikone, „angepisst“). Das autoritäre Verehren grosser Geister rechne ich zum im weiteren Sinne abergläubisch-magischen Denken: Man hat Kriterien, wem man Glauben schenken, und wessen Einschätzungen übernehmen kann, ohne die Gründe zu prüfen; die Kriterien hat man aus Erfahrung. Die Erfahrung ist schon wieder eine, in der nicht Gründe geprüft werden, sondern eigentlich Erfolgskriterien. Um die geht es. Auch im Schlechten: Weitab von Widerlegungen, werden da Eigenschaften herangezogen, an denen man ablesen kann, ob etwas „stimmen“ kann, zumindest „stimmig“ ist. Marx nun war im Hauptberuf nicht Seelsorger, sondern Ökonom. Gemeinhin gilt er im akademischen Diskurs (doxographisch) als dritter „Klassiker“ nach Smith und Ricardo. Da ist was dran. Ökonomie, so wie sie da verstanden wird, ist eine Wissenschaft, es geht dort zB drum, das Zustandekommen von Preisen zu erklären, oder die (tatsächliche) Bewegung von Löhnen, Gewinnen, Renten zu beschreiben und deren Ursachen zu begreifen. Von Predigt ist das erstmal ein ganzes Stück weit entfernt. Wenn wir über die Texte von Marx reden, dann nicht als private Konfessionen, womöglich heuchlerische; sondern als solche mit dem Anspruch, uns Erklärungen für wirtschaftliche Tatsachen zu liefern. An dem Anspruch kann man sie messen, denn den erheben sie; an dem können sie auch scheitern. (Ich, um das noch anzudeuten, glaube, dass Marx‘ ökonomische Theorie gescheitert ist, leider auch die aller andern Ökonomen. Ich halte Marktwirtschaft nicht für gemein, sondern für verrückt. Klassengesellschaft hingegen finde ich schädlich, und überholt. Aber das ist eine andere Debatte… die du hier gerne eröffnen darfst, wenn du möchtest. Meine Aufassungen sind übrigens nicht repräsentativ für DAS Forum. Hier spricht jeder nur für sich selbst.

PS: Dein Profilbild ist das von Murray Rothbard, richtig?

Zusätze zu Neoprenes Erwiderung

25. Juli 2013
Also, rider, ich hab mir mal den Beweis von KF Israel angeschaut, und kann in EINER Hinsicht Neoprene nur beipflichten. Bei Israel wird beklagt, die libertäre Ethik werde ignoriert. Aber (ich sehe mal von der FORM Ethik ab, dazu gleich) wenn der Anwendungsfall dieser „Ethik“ eine Welt ohne Arbeitsteilung und bereits arbeitsteiliger Herstellung von so gut wie allem mglichen „Besitzbaren“ und Besitzenswerten ist… einer Welt obendrein, in der nicht ALLER faktischer Besitz mit Sicherheit zsutandegekommen ist unter massivster Missachtung (und bald auch Nichtanwendbarkeit, siehe den ersten Punkt) der libertaristischen Ethik… dann fragt man sich schon, was wir mit den Antworten, die diese Ethik formulieren will, anfangen sollen – wenn sie immerzu nichts zu den Fragen zu sagen hat, die sich UNS hier und heute stellen.
(Ähnliche Vorwürfe werden ja den irrealen Annahmen von ökonomischen „Modellen“ der Realwelt gemacht…)

Zur Ethik als Form, das möcht ich kurz machen: Jede Ethik entfällt, wenn Leute sich schlicht einig sind in dem, was sie (gemeinsam) tun WOLLEN. Auch hier ist der Anwendungsfall aller denkbaren Theorien und Regelsysteme so problematisch: Es werden als Thema des ethischen Nachdenkens immerzu nur konfligierende Interessen angenommen, und wie die dann zu regeln sind. Warum denn? Müsste nicht vorher untersucht werden, warum Leute aneinandergeraten, und wann sie sich einig werden können, derart dass der ethsiche Problemfall entfällt? Eine solche Deduktion der NOTWENDIGKEIT des Auftauchens ethischer Fragestellungen vermisse ich auf seiten nicht nur, aber auch des Fach-Ethikers KF Israel. Diese Deduktion würde begründen, warum ethische Fragestellungen VON INTERESSE sind. Ich behaupte: Es gibt wichtigeres (nämlich eben die Frage, warum Leute sich worum streiten, und ob es dafür irreduzible Notwendigkeiten gibt). Aber wenn ihr euch immer mit Ethik beschäftigt, habt ihr für die Prüfung dieser ihrer Voraussetzung natürlich keine Zeit mehr…

Drum eben..

26. Juli 2013
Genau darum, Neoprene, hab ich ja gesagt. man MUSS doch nicht immer antworten. Aber wenn man kann, ists doch auch schön. Und dem rider… KÖNNEN wir Linken doch antworten, es ist ja schon geschehen. Und zur Gesellschaftlichkeit und der langen Vorgeschichte (etwa der Eigentumsverteilung), also auch Nicht(mehr)-Ursprünglichkeit der Aneignung, hat er rein garnichts zu sagen gehabt bisher. Das sind aber die Einwände, die den auftrumpfenden Anarchokapitalismus, naja, ein bisschen blöd ausschauen lassen: Hat sowas einfaches nicht berücksichtigt. Hat er leider nicht. Da ist Erichs „naiv“ ja fast noch verharmlosend…

Das wäre eigentlich ein höchst interessanter Aspekt, Neoprene…

28. Juli 2013
…denn nicht nur, dass Linke und ihre Gegner (sofern sie sich überhaupt wahrnehmen oder übereinander, womöglich sogar miteinander reden) genau solche Einstellungen wechselseitig vorwerfen – es betrifft ja noch viel weitergehender die Frage: Wie sich stellen zum Desinteresse, zur Vereinfachungstendenz so unendlich vieler Leute in der Bevölkerung, wenn es um existenzielle Randbedingungen ihrer gesamten Lebensführung geht – woo man fast froh sein muss, wenn sie ÜBERHAUPT irgend politisch nachdenken; aber selbst wenn – wie sich stellen zu der Art, in der sie das Wenige dann wieder betreiben, oder wie sie sich zu denselben Aktivitäten Anderer stellen; wo das alles doch unmittelbare Voraussetzung für die Einbeziehung all dieser Leute in die geselslchaftliche Regulierung ihrer Produktion wäre. Dazu sage ich: Dem Kommunismus stehen heute (und früher genauso) MASSENHAFT verbreitete „grundlegende Lebensentscheidungen“ entgegen. Dies Feld, obschon es in JEDEM Versuch zur Agitation permanent begegnet, ist theoretisch kaum aufgearbeitet – geschwiege denn im Konsens der wenigen Theoretiker (denn: womöglich stehen dem schon wieder „grundlegende Lebensentscheidungen“ dieser Theoretiker im Wege).
Ein Glaube und ein Herr gegen den andern (übriigens ganz besonders heftig bei angeblichen Ungläubigen zu bemerken); eine grundlegende Lebensentscheidung gegen die andre. Fahrig und nachlässig begründet, weil vom Begründen nichts abhängt. Nicht für einen selbst. Und die andern… können einem offenbar über sehr weite Strecken gestohlen bleiben…
((Ich sollte an dieser Stelle vielleicht mal erwähnen, dass genau dies, der Glaube und die grundlegenden Lebensentscheidungen, für mich die wichtigsten theoretischen Inhalte seit Jahrzehnten darstellen. Sie kommen in meinen Beiträgen vor als „grundlegende Arten des Umgangs mit (Un)Wissen und (Richtung, Anlass, Ausmass von) für nötig gehaltenem Wissenserwerb – denn das scheint mir, bei aller Verschiedenheit, der gemeinsame Oberbegriff. Dabei unterscheide ich zwischen den grundlegenderen Einstellungen dieser Art zu Welt und Erfahrung („Weltverhältnisse“), und den Einstellungen zu eben diesen Einstellungen bei andern (im weitesten Sinn: politische; was ich von ihnen fordere, dann auch, was ich von den andern erwarte, spätestens, wenn ich bestimmtes sage): was ich von andern fordere, muss ja im Zweifel irgendwie auf dem beruhen, was ich zu tun (oder wenigstens versuchen) für gut halte – also meiner Beurteilung der Welt; davon kann ich, unkorrigiert, bei meinen Vorschlägen an andre ja nicht absehen.))
((Ich sage das nicht aus dem vordergründigen Interesse, Werbung für meine Theorien zu machen, das liegt mir nicht sehr am Herzen. Sondern… weil es schon wieder ein Teil meiner Überlegungen ist herauszufinden, warum den andern (EUCH andern?) diese Themen so wenig wichtig sind – wie sie es schaffen und wie für sich und andre begründen, dass sie sich darum so garnicht kümmern müssen.))

Fehler

28. Juli 2013
Mir sind riders Beiträge am Freitag glatt entgangen, weil ich bloss auf den letzten angezeigten Kommentar geachtet hatte, wie er in der allgemeinen Übersicht auf der Startseite erscheint, und den daneben stehenden link benutzt habe. Dieser Kommentar von Neoprene kam aber nach denen von rider. Was für ein blöder Fehler. Aber durch die Präsentation in der Foren-Übersicht unter dem Titel „letzter Beitrag“ wird man zu diesem Fehler verführt. Nur so ist zu erklären, dass ich in Erwartung von riders vermeitnlich noch ausstehender Antwort in allgemeine Themen ausgewichen bin, statt auf riders Erwiderung zu antworten, wie es doch angebracht war. Das werde ich morgen nachholen.

Antwort

29. Juli 2013
Riders Argunentationsfiguren und Gedankenexperimente setzen ausschliesslich vormoderne Verhältnisse voraus, und stammen von dort her.
((Diese Feststellung gilt leider auch für etliches, das zum Thema „Kommunismus“ geäussert wird. Die Einwände gegen Rider betreffen insofern solche (meist libertär-)kommunistischen Positionen mit.))

1. Unter modernen Vorgaben ist Eigentum an Produktionsmitteln die entscheidende Voraussetzung für den Zutritt zu bestimmten Märkten und die Ausführung nützlicher Tätigkeiten, vor allem der Forschung und Entwicklung. Nicht so sehr „Land“ zur Subsistenz, schon garnicht das mit unmittelbar eigener Arbeitskraft und nichts sonst bearbeitete, machen unter modernen Voraussetzungen Reichtum aus, sondern der Produktionsmittelapparat auf dem je erreichten Produktivitätsniveau.
2. Das Akzeptieren der vorhandenen Eigentumsverteilung (bei rider firmierend unter dem grotesk beschönigenden Titel „mein Erspartes“) als Grundlage für zukünftige Umverteilungen aufgrund von Konkurrenzerfolgen zementiert diese Verteilung oder verschärft noch deren Einseitigkeit. Das Ausscheiden erfolgloser Marktteilnehmer („dumm und faul“) führt normalerweise zum Erfolg ihrer Konkurrenten; das sind weit überwiegend die bisherigen Produktionsmittelbesitzer.
3. Besitzende lenken mit ihrer überlegenen Zahlungsfähigkeit die gesellschaftliche Gesamtnachfrage; ihr Kapital („mein Erspartes“) bestimmt über die Geschwindigkeit des „Wachstums“, letztlich also darüber, was als Konkurrenzerfolg gilt („schlau und fleissig“ gewesen?!). Es darf angenommen werden, dass die Gesamtnachfrage bei veränderter Einkommens- bzw. Besitzverteilung qualitativ und quantitativ eine deutlich andere wäre. (Dass Kostensenkung (unerachtet der Produktqualität) für ALLE ein Argument sein soll, ist nicht Ausduck allgemeiner Gier, sondern von ARMUT.)
(Dabei darf bezweifelt werden, ob die aus breiterer Eigentums-Streuung resultierende Entwicklung der Konkurrenz für die Beteiligten günstiger wäre: Den Anteil der Unvorhersehbarkeit (schlau und fleissig waren immer die, die Glück haben) am Marktgeschehen unterschlägt rider völlig. Es soll ja grade NICHTS abgesprochen sein. Kapitalanhäufung bei einer kleinen Zahl von Besitzern ist eine der wenigen sicheren Prognosen, die man in einer Marktiwrtschaft wagen darf. Fleissig und schlau sind viele – aber nur wenige sind auserwählt… zumal das folgende gilt:
4. Die Chancen zum Markteintritt werden nicht nur durch Ausschluss vonm Zugang zu Produktionsmitteln verstellt; es gibt weitere Schranken, die daraus resultieren, dass platzgreifende grosstechnologische Systemlösungen, oder auch solche mit hohen Skalenvorteilen und hohem Kapitaleinsatz, nicht beliebig oft nebeneinander realisiert werden können, und somit mehr oder weniger Quasi-Monopolcharakter haben.
5. Kapital- („mein Erspartes“)-Besitzer, die ihr Eigentum mehren, externalisieren darüberhinaus in hohem Masse Kosten und bürden sie „allen“ auf; die Idee, dass sie benennbar „einzelne“ schädigen, ist hier garnicht anzuwenden. Die Schädigungen aus grosstechnischen Katastrophen, Ressourcen-Vergeudung, und langfristigen ökologischen Schäden sind teils in ihren Gesamt-Ausmassen nicht abschätzbar, teils nicht bewertbar (was kostet ein Menschenleben? was ein erhöhtes Karzinomrisiko? im Dutzend wird es billiger?), aber vor allem und so gut wie immer UNBEZAHLBAR.
6. Die Chancen einer Subsistenz auf eigenem Land sind weltweit winzig, verglichen mit der Bevölkerungszahl und der bereits in Besitz genommenen Landfläche. Auch die „Bevölkerungsüberschüsse“ sind Produkte vergangener Eingriffe (zB Vertreibung von Selbstversorgern von ihrem Land, massenhaft bis heute anhaltend zB in Brasilien, Zentralamerika, Afrika), die die heutige Kapital-Anhäufung („mein Erspartes“) hervorgebracht und allererst ermöglicht haben, speziell auch Agrar- und Rohstoff-Förderungs-Kapital, dessen Existenz und Geschäftsgebaren von rider als Basis für „künftige“ „ethisch korrekte“ Verhältnisse vorausgesetzt wird. (Davon unabhängig scheint rider davon auszugehen, dass die neuen Subsistenz-Selbstversorger mit puren Händen auf eine ihnen unbekannte Natur loszugehen haben, und ansonsten sehen können, wo sie bleiben: Arbeitsloses und verelendetes Pack weltweit – ab in den Regenwald!)
7. Die Folgen einer Umwandlung letzter verbliebener Naturreservate (Regenwald-Rodung) allein in Subsistenz-Ackerfläche wären katastrophal. Die Techniken der Subsistenz dort sind den meisten völlig unbekannt, vermutlich müssten grosse Bevölkerungen umgesiedelt werden, taugliche Reproduktionsmethoden müssten für sie erstmal ermittelt werden (bis dahin können sie verhungern?).
8. Riders „Ethik“ zieht ausschliesslich „versicherbare“ Schäden von benennbaren Einzelpersonen durch ebenso benennbare Schädiger in Betracht. (Schön arachaisch die Vorstellung, dass dann „sein Arsch mir gehört“: Wiedereinführung der Sklaverei? Privatrache? Du Steinzeit-Ethiker!) Fast alle von (angemessen schlauen und fleissigen) „(Gross)Privateigentümern“ verursachte Schäden sind aber, wie oben angeführt, gerade wegen ihrer Ausmasse nicht schätzbar, reparierbar, bezifferbar, bezahlbar (und aus all diesen Gründen nicht versicherbar).
9. Das von Rider skizzierte Menschenbild unterschlägt, wie hier schon öfter vermerkt wurde, historische Lernverläufe; es macht unmittelbar Einzelindividuen, wie sie gehen und stehen, haftbar für Folgen ihrer Erfahrungsrückstände. Diese Ethik ist eine, die begründen will, warum Vermögens-Besitzer mit genug „Erspartem“ sich um nichts mehr kümmern brauchen. Jenseits aller Ethik aber macht diese ihre Einstellung sie gegenüber so gut wie allen gegenwärtigen Bedrohungen (etwa aus rückständigen, zerrütteten, ökologisch schwerstbeschädigten Verhältnissen weltweit) hilflos. Diese Herausforderungen können nur durch Kooperation maximal vieler Menschen auf höchstem Niveau gemeistert werden. (Freiwilligkeit dieser Kooperation ist schon darum gesichert, weil dafür vor allem EINSICHT erfordert ist, und die ist mit Zwang nicht zu haben.) Wer das tut, was er laut riders Ethik DARF, kommt nicht mehr weit. (Also erneut die Frage, wozu diese Ethik gut ist, wen sie rechtfertigt, was niemandem anzuraten ist.)
10. Wie alle politisch-religiösen Bewegungen, kennt der Libertarismus ein Universal-Hindernis für das Anbrechen reibungsloser und erfolgreicher Vergesellschaftung, DEN STAAT, gegenüber dem gegenüber rider nur ebenso hemmungs- wie begriffs- und hilflose Wut bekunden kann (Staat, so wie die andern „Verbrecher“-Organisationen, die politisch Gläubige kennen, ist da immer nur Hervorbringung unmittelbar mit ihm Befasster und Verantwortlicher; die Verbindung dieser Verantwortungsträger mit dem Rest der Bevölkerung wird teils ausgeblendet, teils auf „Gewalt“ („mit vorgehaltener Waffe“) reduziert. Es wird zB unterschlagen, dass alle möglichen Wirtschaftssubjekte mit Gewalt und Sanktionen bewehrte Schutz- Anforderungen an die Staatsgewalt stellen, die ihnen die Rahmenbedingungen ihrer jeweiligen Konkurrenz gegen den Beteiligten unliebsame Versuche, sich auf Kosten der andern zu bereichern, helfen soll (das Misstrauen aller Eigentümer gegen die andern…). Die moralische Empörung, die der „Abschaffung“ des all-verantwortlichen (darin quasi sakral überhöhten) Monstrums den nötigen Schub verleiht, nährt sich aus einer „ethischen“ Ausnahme- und Elementarsituation, die weit von der Lebenssituation und vom (darum für falsch, getäuscht, verführt, verblödet erklärten) Selbstbewusstsein grosser Bevölkerungsmehrheiten entfernt angesiedelt ist, und, wie eingangs erwähnt, immer nur solche Bestandteile dieser Situation und dieses Selbstbewusstseins überhaupt erwähnenswert findet, die die aus modernen Denk-, Wissens- und Produktionsformen hervorgehenden Besonderheiten darin ausblendet.

tja, das verlangt nach Erklärungen…

29. Juli 2013
… das geb ich zu; aber die Leute sind ja auch mitten im modernsten Kapitalismus (oh – ist der das wirklich?) tiefgläubig. Ist ja auch kein Widerspruch. Ist es so wenig zu erwarten, dass Leute mental nicht auf der (kulturell, gesellschaftlich, nicht individuell etablierten) Höhe ihrer Zeit sind?

Religion stirbt nicht ab und ist nicht überwunden, bloss weil sie nicht mehr kultur-bestimmend ist. Dass sie (sich) so gut (an)passt, ist ihr Wesen – das Moderne müsste sich eigentlich in den modernisierten Köpfen dagegen sträuben. Aber zur Modernität gehören weder ein Begriff von ihr noch von dem, dessen Überwindung sie darstellt.
Vormodernes Denken ist überall beteiligt, wo stagnierende Produktion und Produktivkräfte (korrigierte Stelle; hier stand vor der Korrektur: Produktionsverhältnisse), und sei es auf noch so hohem Niveau, für die Vergesellschaftung vorausgesetzt werden (ergänze: auch in libertären oder kommunistischen Entwürfen). Da optimiert man nur noch, die wesentlichen Richtungen des Produzierens sind vorgegeben und eben eingerichtet. Zum modern ständig wachsenden Wissen, zur Forschungsarbeit hat dies Denken kein Verhältnis, vergisst diese Abteilung der gesellschaftlichen (Re)Produktion einfach, weil sie ihm eh nie wichtig war (oder irgendwie, als eine Routine im Eingerichteten neben vielen, dazugehört). Wissenschaft wird nicht ständig unsere Lebensverhältnisse revolutionieren, weil wir sie garnicht mehr soweit treiben. Von Wissenschaft und technologischem Umwälzen weiss etwa ein rider nur über die Bezeichnungen „nicht dumm und faul“, wie man diese Fortschrittsbewegung anders als kollektiv und geplant organisieren und vollziehen soll, ist ihm kein Problem, weil er sich die Aufgabe garnicht stellt. Oder… sollen doch welche sie sich stellen und zsuammentun. Nun gut – das werden sie. Kommunismus soll ja erlaubt sein, wenn solche wie er draussenbleiben dürfen. Dürfen sie! Unbedingt!

Missverständnis korrigiert für Neoprene

30. Juli 2013
Hallo Neoprene, da war eine Fehlformulierung in meinem Text: ich meinte auf hohem Niveau stagnierende Produktivkräfte, mit denen man sich zB kommunistisch oder auch libertär einrichten will. DAS ist für mich ein Symptom, dass da vormodern gestrickte Denkweisen am Werk sind. Nicht, dass Wissenschaft und Forschung, heroische, geniale zumal, die unverhofft aufgetauchte Probleme einmal mehr komfortabel löst, darin nicht vorkäme. Aber dass die Vergesellschaftung davon abhängig gemacht, dass der Fortschritt in Permanenz und seine Vergesellschaftung zum Thema gemacht würde – das ist eben auch nicht der Fall. Im Zweifel soll ja (auch libertär, siehe rider) der Geschäftserfolg im nachhinein, die Abstimmung der Nachfrager mit dem Scheckbuch, darüber bestimmen, welche Forschungen auf „berechtigtes“ Interesse stossen – über die Anwendbarkeit ihrer Resultate. Der „schlaue“ Entwickler ist entsprechend motiviert: Mit Grundlagenforschung habens die Planer lohnender Investitionen nicht so. Und bei uns „Kommunarden“ ist es eine völlig offene Frage.

Naja…

5. August 2013
…es ist schön zu wissen, dass auch Menschen mit klangvollen Namen (zumindest in gewissen Szenen) und Begründer von dem oder jenem sich über dieselben Dinge den Kopf zerbrechen wie wir hier. Sehr viel Neues und vor allem Problemlösendes (im Rahmen des grob als gemeinsam unterstellten „Kommunalismus“) hat Murray Bookchin leider nicht zu bieten, weshalb ich mich frage, was – ausser der Tatsache, dass er „auch einer“ ist – an seinem Artikel „durchaus interessant“ ist. Ich mein das nicht so polemisch, wie es klingt, ich finde gut, dass es dir um „Durchdachtheit“ geht. Ich kann nur die Selbstsicherheit nicht nachvollziehen, die der Murray`sche Kommunalismus aus der Tatsache bezieht, dass er KEIN Netzwerk von Betrieben im Belegschaftsbesitz und KEIN Verstaatlichungsprojekt sein will. Stattdessen werden da mit einigen Anklängen ans 18.Jahrhundert und der Beschwörung von sehr viel „Ethik“ die möglichen Konfliktlinien überspielt, die durch die schlaue Wahl dieser „mittleren“ Entscheidungs-Ebene (im Artikel selbst ist sogar von face-to-face-Kontakten die Rede) nicht mehr aufbrechen können: als ob es dann keinen Eigensinn von Belegschaften mehr geben kann (die treten sich selbst ja als „Bürger“ ihrer Kommune gegenüber!), und keine Quasi-Besitzverhältnisse durch Standortvor- und nachteile zu bewältigen, stattdessen (und das grad unter Bedingungen der globalen „Arbeitsteilung“) die Kommunen reichlich homogen beschaffen sind, und nur noch „Ressourcen“ (deren geographische Ungleichverteilung grad noch zugegeben wird) gemeinsam zu verwalten haben. Die Frage, wo Arbeits- und Wissensteilung (auch ganz ohne Marx und Markt) in Oligo- und Monopol-artige Machtbefugnisse umschlägt, ebenso die Frage, warum all diese Schliche und Modelle nötig werden, um Konflikte auf der „richtigen“ Ebene auszutragen – Konflikte, mit deren Entstehung man offenbar sicher (aber warum?) rechnet – diese Fragen werden nicht gestellt. Murray ahnt aber wohl etwas. Sonst hätte er es nicht für nötig gehalten, sein Modell mit soviel Ethik zu polstern. Ach, und nebenbei, die Frage des Übergangs (Gewalt mag er ja nicht so) wird nicht mal gestreift: In der Kommune (Stadtgemeinde) wird bekanntlich nicht geschossen, man kennt sich, man versteht sich. Un weiter ebenbei, die Lebensmittel im „county“ sind immer regional, so wie heut schon im Biomarkt. Naja beinah. Drum ist der Stadt-Land-Gegensatz und die Frage, wie die Städter ohne Markt an genug Essen kommen (womöglich noch ordentlich ökologisch produziertes) von vorneherein aufgelöst. Wär doch nur wieder 1789, dürfte man doch nochmal da anfangen und ganz anders weitermachen… Irgendwie macht Murray auf mich den Eindruck, als ob er sich von dieser fixen Idee nicht lösen kann. Aber fixe Ideen haben ja viele…

Kontroversen und ihre Voraussetzungen

7. August 2013
Ich schlage, wie schon öfter bisher, auch in diesem Fall vor, es nicht einfach bei der Konfrontation unterschiedlicher Meinungen zu belassen, sondern sich nach den oft stillschweigenden Voraussetzungen umzusehen, die die Differenzen (oft systematisch auf verschiedenen Themenfeldern) allererst erzeugen. Bei Mario ist die Rede vom „Aufkommen grosser Massenbewegungen“ – das ist eine erste und nicht unerhebliche Festlegung beim Thema „Übergangsmodus“; auch die positiv zitierte Ableitung von Vertragsverhältnissen bei kulturkritik.net deutet auf diese Position – Wolfram Pfreundschuh legt sie (so wie Robert Schlosser hier) seinen Überlegungen zugrunde.
Dabei wird ein ökonomischer Mechanismus (Krisen und Übergang in einen „Feudalkapitalismus“, tendenzieller Fall der Profitrate usw) unterstellt, der den Druck auf die Masse der Bevölkerung massiv wachsen lässt, dabei die Verantwortlichkeit des kapitalistischen Systems desillusionierend krass hervortreten lässt, und damit alle reformistischen Ansätze diskreditiert. Weiters ist unterstellt, dass diese Zuspitzung grundsätzlich immer (und nicht etwa bei ganz umschriebenen Randbedingungen, die zu erforschen wären) beflügelnd auf den Widerstandswillen und die Bereitschaft und Fähigkeit zur Selbstorganisation und gesellschaftlichen Neuorientierung der Betroffenen durchschlägt. Unter diesen starken Voraussetzungen tritt dann die kommunalistische Position an, freilich nicht als Politikmodell, denn sie will ja kein Machteroberungsprogramm sein, auch nicht als Betriebs-Übernahme-Projekt. Vielmehr ist die Vorstellung offenbar die, dass „die Massen“, die dann in Bewegung sind, an einer historischen Weg-Gabelung verschiedene Experten befragen (oder von ihnen beraten werden), wo dann sichergestellt sein muss, dass die Kommunalismus-Befürworter sich durchsetzen werden, indem sie den Staatssozialisten und Anarchosyndikalisten mit für die Massen einsehbaren Argumenten entgegentreten. Den Rest können die Massen dann wieder alleine.
Es versteht sich, dass man sich bei solch einer Übergangs-Konzeption die Frage nicht vorlegen muss, wie man eigentlich eine nennenswerte Anzahl von Leuten, die Teilnahme an eigentumsfrei organisierten Lebens- und Vergesellschaftungsformen erwägt, endgültig dafür gewinnen bzw. deren Bedenken ausräumen könnte.
Die historische Tendenz, die unausweichliche, bringt die Massen demnach eh an den Punkt, wo die Frage der Eigentumsfreiheit nicht mehr besteht – das Privateigentum hat sich so gut wie selber abgeschafft.
Der Rest, etwa bei Murray, ist Idealismus pur, die Massen sind dort vermutlich ganz von selber radikalökologisch drauf, bei den andern Übergangs-Mechanismus-Prognostikern stellt sich die Frage der Ökologie nicht, weil sie irgendwie im Gesamt der mit den gewaltig entwickelten Produktivkräften spielend bewältigbaren, aber bislang vom Kapital nicht angegangen technischen Aufgaben verschwindet.
Der nächste Punkt: Wer das System des Privateigentums im wesentlichen und grundsätzlich für ALLE gegenwärtigen Unliebsamkeiten (Konflikte, Nicht-Steuerbarkeit, Antikommunismus grosser Teile der Bevölkerung) verantwortlich macht, wird sich wenig Sorgen machen, was davon vielleicht in einem eigentumsfreien Zustand fortbesteht. Die ökonomische Analyse ist zwar bis zur Oberfläche, aber nicht bis zur Entscheidbarkeit DIESER Frage vorgedrungen, wahrscheinlich darum, weil sie durch den eingangs erwähnten Glaubenssatz ersetzt ist. – Das Motiv, für „Kommunalismus“ zu votieren, ist dabei simpel genug: Es ist der Versuch, modern schwer überschaubare industrielle Produktion mit ihren vielfältig verschlungenen Produktionszusammenhängen einerseits, gesellschaftliche Kontrolle andererseits irgendwie auf einer Ebene zusammenzubringen, wo der Widerspruch zwischen beidem sich noch halbwegs glimpflich darstellt. Den Rest erledigen „die Massen“ und/oder Moral.

Der Mangel an Rezepten…

10. August 2013
…ist eigentlich der an Theorie, kategorialer und begrifflicher Übersicht.
Ich bin durchaus derselben Meinung wie du, Mario, dass Detailkackerei (egal, wie mans ausdrückt) nichts bringt, die Frage ist, wo sie beginnt: Welche wesentlichen Weichenstellungen sich mit Gründen vorab als richtig oder falsch, wünschbar oder abzulehnen, beurteilen lassen, und wo die Vorab-Entscheidbarkeit und -Begründbarkeit endet. (Das ist eine weitere theoretische Aufgabe – eine Theorie muss prinzipielle Grenzen ihrer Zuständigkeit bestimmen können.)
Aber die Masse an theoretisch nicht Erfasstem in deiner eigenen Darstellung, Mario, ist zu gross. Zuvieles in unserer Lebens- und politischen Praxis ist derzeit undurchschaut und unbegriffen. Vom Standpunkt einer primär am „Gesellschaftlichen“ interessierten Begriffsbildung ist diese Sphäre vielleicht nicht einmal theoriefähig. Die Folgen besichtigen wir ständig in Gestalt unserer eigenen Unentschiedenheit, der Unentscheidbarkeit der Kontroversen, wie vorzugehen ist; und in Gestalt all der praktisch erheblichen Phänomene, die du anführst, Mario, die wir im Gesamtbild nicht unterbringen (der Überschwang, das Unvorhergesehene, die Vorurteile und Rollbacks usw).

Die Grenzen der möglichen Vorschläge und Meinungsunterschiede sind eigentlich hier (und auch in den Debatten zum „Kommunalismus“ bei Neoprene) von uns abgegangen und erforscht worden, das Gebilde (die Marx’sche Theorie und ihre Aus- und Anbauten), als dessen Abschluss sie sich erweisen, also der vorhandene Vorrat an Prinzipien, Erklärungen und Einsichten (solcher wie „der Logik der (!) Negation des Bestehenden folgen“, „des Weiteren bestimmt bekannterweise die Lebenspraxis der jetzt lebenden Menschen ihr Bewusstsein“) erweist sich dabei als sehr beschränkt.
Es ist vor allem darin beschränkt, dass sich darin so wenig Hilfreiches findet zur Frage: Warum die Propagierung des „Richtigen“ auf sowenig Resonanz stösst, und was in den „Köpfen“ ihm entgegensteht (ausser der Sturheit und Borniertheit des ewig „freien Willens“ – vor allem des „Willens, es SO zu sehen und nicht anders“).
((Nebenbei, zur Wiederholung: Was jetzt schon propagiert wird, ist für die, die an die nahenden Krisen glauben, ziemlich unerheblich. Mit ihnen müsste über diese ihre Erwartung gesprochen werden. Solang wir zu faul oder zu selbstbezogen sind, um solche Kontroversen einmal auszutragen, nützt es nichts, ständig die andere Position zu wiederholen („Es ist einzig und allein abhängig von der Meinungsbildung derer, die die Lasten tragen müssen.“ s.o. Peter Decker bei Neoprene.) Die Kontroverse um den tendenziellen Fall der Profitrate und was daraus allenfalls folgt, stünde mal an…))

Damit man mich nicht missversteht: Was ich sage, ist etwas andres als Kritik. Kritik unterstellt ja einen „falschen“, eben kritikwürdigen Bestandteiil in einer bestehenden Darstellung oder Erklärung. – Dass man eine Theorie NUR NOCH kritisieren kann, hiesse, dass sie vollständig ist. Genau das wird aber von mir nicht gesagt (die Möglichkeit, dass das Vorhandene auch noch kritikwürdig ist, scheint mir schon ganz zweitrangig, drum rede ich auch so wenig davon, selbst wenn ich was zu sagen wüsste.) Man kann einen Mangel an Theorie auch nicht einfach BENENNEN, nur auf die Leerstelle zeigen. Aber die ist als solche ja nur kenntlich, wenn dort wenigstens in der Vorstellung etwas steht. Wem dort nichts vorstellbar ist, dem ist nicht zu helfen, ausser man verschafft ihm die Anschauung durch Ausfüllen der Lücke, also Erstellen der fehlenden Theorie. (Ein dritter und von den beiden Fällen von Kritik und Unvollständigkeit völlig unterschiedener ist der Nachweis von Sinnlosigkeit und Unsinnigkeit von begrifflichen Konstruktionen. Etwas, das in Theoriedingen unerfahrenen Leuten NOCH ferner liegt, auch wenn es in vielem, das sie denken und sagen, sehr gegenwärtig ist…)

Darum tue ich mich (objektiv) schwer mit einer Antwort auf Mario, und er ist nicht der einzige.

Worums mir geht

19. August 2013
Ich versuche mal, in folgenden 5 Punkten zusammenzufassen, worum es mir in dem Blogbeitrag geht:

1. Ich werfe die Frage auf: Das, was historische Gesellschaften zu einem Zeitpunkt überhaupt leisten können bzw. – wenn Fortschritt sein soll – als nächstes leisten müssen – inwiefern erlegt es ihrer Vergesellschaftung notwendig Schranken auf? – Welche Grenzen und Begrenztheiten kommen da ins ins Spiel? Dasselbe aber auch umgekehrt: Inwiefern behindern bestimmte Formen von (dann veralteter) Vergesellschaftung Schritte, die historische Akteure als die für sie nächstanstehenden erkannt haben? Das ist sicherlich zumindest das altbekannte Wechselverhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen (die wieder aufgespalten in Formen der Verteilung von Eigentum und politischer Macht einerseits, und Güterflüssen zwischen arbeitsteiligen Stationen ihrer produktiven Verarbeitung, die durch diese Eigentums- und politischen Formen vermittelt werden, andererseits).
Ich hab dann versucht anzudeuten, dass der Begriff Produktivkraft eine Bedeutung bekommen muss, die über die rein technische hinausgeht, und dann sehr wohl herangezogen werden kann, um geläufige Epochen-Einschnitte (antik, mittelalterlich) mit zu begründen; ähnlich für die zugehörigen Produktionsverhältnisse (von denen man sehr wohl sagen konnte, dass und inwiefern sie obsolet geworden sind).

2. Vom Nutzen und Nachteil von historischen Kategorien für das heutige Leben will ich soviel sagen: Es wäre ein schlimmer Fehler, diesen Kategorien-Apparat einfach zu suspendieren, und das – wenn auch verworrene und primitive, aber immerhin vorhandene – Bewusstsein der „Historizität“ vorgefundener gesellschaftlicher Verhältnisse im ML endgültig über Bord zu werfen, statt es begrifflich auszudifferenzieren und auf ein angemessenes Niveau zu heben.
Ein Kunstwort, das ich für das übergreifend Gemeinsame aller historischen Vorgänge (bis hin zu den aktuellen) zu gebrauchen vorschlage, ist der des KULTURELLEN LERNENS. Mit diesem Begriff ist dann unmittelbar ein Problem aufgeworfen, mit dem sich bis heute jede Gesellschaftstheorie herumschlägt, die zu halbwegs verbindlichen Erkenntnissen gelangen will: Nicht Gesellschaften oder Kulturen „lernen“, sondern Einzelmenschen lernen, im Rahmen ihrer Biographien. Wie also gelangen historische Fortschritte von einem Leben in andre, von einem Leben in viele, wie stimmen diese Leben ihre Erfahrungsverarbeitung (im Licht des Gelernten) ab, wie bewältigen sie die Unterschiede, die sich zwischen ihnen auftun, wie gehen sie mit dem Rückstand anderer Bevölkerungsgruppen um?

3. Es gibt nun aber – gerade im Zusammenhang mit der letzten Frage – einen Aspekt, der diese ganzen Betrachtungen unmittelbar ins Zentrum jeder aktuellen politischen Theorie rückt, und das ist dieser: Vormals fortgeschrittene Mentalitäten mögen KULTURELL nicht mehr bestimmend sein; in Bildungsgängen, Biographien, Lebensformen „zurückgebliebener“ Bevölkerungsgruppen spielen sie noch immer eine enorme Rolle. Womöglich (das wäre genauer zu zeigen) in der Weise, dass diese Gruppen die kulturell massgeblichen Inhalte ihrer Zeit in – diesen Inhalten nicht mehr angemessenen – primitiveren Denk- und Erlebens-Formen verarbeiten, und nur auf diese Weise am gesellschaftlich etablierten kulturellen Fortschritt teilhaben. Diese Unangemessenheit der Einstellungen von Bevölkerungsmehrheiten oder verschiedenster grosser Minderheiten, was die kulturell „hegemonialen“ Inhalte ihrer Zeit betrifft, wurde mit dem Wort „Ungleichzeitigkeit“ belegt (diese beiden Kategorien des kulturell „Hegemonialen“ von Gramsci und des „Ungleichzeitigen“ von Bloch sollte man meines Erachtens immer in engem Zusammenhang miteinander denken).

Anm. In diesem Zusammenhang würde ich einer Erwartung von beinah religiösem, zumindest idealismus-verdächtig optimistischem Zuschnitt widersprechen, die sich mit dem Marxschen Ideologie- und Überbau-Begriff verbindet, und zB kürzlich in Mario Ahners Beitrag so vorkam, dass alle möglichen unliebsamen Überzeugungen (Nationalismus, Sexismus usw) vermutlich mit dem Verschwinden monetärer Verhältnisse von selber absterben werden. Es wird da garnicht in Betracht gezogen, dass der Zusammenhang womöglich umgekehrt ist – dass die rückständigen Denkformen auch das Verschwinden des Geldes und den Übergang zu rationellen Vergesellschaftungsformen behindern (sie behindern diesen Übergang schon an sich, darüber hinaus aber könnten sie Anzeichen sein für noch viel fundamentalere und Fortschritts-blockierende Entwicklungsdefizite im Denken der betreffenden Leute.) Anm.Ende

4. Dass dies alles von Linken wenig oder garnicht bedacht wird, hat mit der schlimmen Vernachlässigung einer Kategorie zu tun, die in „materialistischen“ Gesellschaftstheorien geradezu im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen sollte: Die Verteilung der auf gesellschaftlichem, kulurellem Niveau ÜBERHAUPT erreichten fortgeschrittenen Wissensstände und darauf beruhenden Erfahrungsverarbeitungsweisen in der Bevölkerung – das Ausmass, in dem es gelingt, diese Stände zuverlässig zu reproduzieren oder gar auszubreiten, und die politischen, ökonomischen, materiellen Voraussetzungen für weitere Fortschritte in dieser Hinsicht. Dass dies unterschätzt oder garnicht gesehen wird, ist symptomatisch: Die Linke (spätestens die Nicht-ML-Linke heute) sieht sich nämlich garnicht selbst als eine solche kulturell fortgeschrittene Mentalität, sieht wenig Bedarf, die Ursachen ihrer eigenen Fortgeschrittenheit oder umgekehrt für Rückständigkeit anderer zu begreifen. Sie klärt also auch nicht ihr Verhältnis zu weniger weit fortgeschritttenen solchen Mentalitäten und entwickelt somit keinen Begriff davon, wie dieses Entwicklungsgefälle zu anderen Bevölkerungsteilen aufgehoben werden könnte.

5. Das hat sehr viel mit einem kulturellen Rückstand im Denken der allermeisten heutigen Linken zu tun: dass sie nämlich glauben, die Antwort auf die in 2. oben genannten Fragen schuldig bleiben zu dürfen; dass sie sich, mit Marx, damit begnügen, das Lernen (den Fortschritt) von „Gesellschaften“ als ganzen, und die Ausbildung „gesellschaftlicher Verhältnissse“ und ihre langsame oder sprunghafte Veränderung als ganze zu betrachten, statt sich immer wieder Rechenschaft darüber abzulegen, wie diese Entwicklungen im Leben ihrer Träger in der Wirklichkeit, nämlich von Einzelpersonen (die Fortschritte und auch deren blosse Reproduktion in ihrem Leben und Bildungsgängen leisten sollen) umgesetzt werden, und wie die betreffenden Vorgänge somit überhaupt zu ERKLÄREN sind. Die begriffliche Hilflosigkeit in dieser Hinsicht macht sich als praktische in der linken „Agitation“ schlagend bemerkbar. Marx glaubte, aus dieser kategorialen Not sogar noch eine Tugend machen zu dürfen, indem er auftrumpfte mit der von ihm entdeckten „Unabhängigkeit voim Einzel-Willen“ der gesellschaftlichen Verhältnisse und Entwicklungen. Der Wille, und die ihn bestimmenden Gründe, die Auflösung der objektiven Makro- in die unendliche Mannigfaltigkeit zusammenwirkender subjektiver Mikro-Verhältnisse, wurde von Marxisten seither entweder ganz ignoriert, oder aber mit der primitivst-möglichen und denkbar unmaterialistischen Kategorie der FREIHEIT und Grundlosigkeit der „Willensentscheidung“ fürs „Dagegensein“ erledigt. Das eine so begriffslos wie das andre; das eine so ignorant gegenüber der wirklichen historischen Entwicklung und ihren MATERIELLEN Grundlagen im Gesellschaftsleben wie das andre. Und darum gelangt man als Nachfolger von Marx in diesem Punkt auch so leicht zu dem negativen Befund: Geschichte und das Geschichtliche (Wissen davon, Erkenntnisse darüber) kannst du getrost vergessen. Man hat da leider nicht so viel, worauf man verzichten könnte.

Schwierige Texte, verknotetes Denken…

21. August 2013
Ich wollte eigentlich schon Wals Wortwahl von wegen „ambitioniert“ zum Anlass nehmen, etwas mehr über theoretische und begriffliche Arbeit zu sagen.
Erstmal grundsätzlich: Ich bin nicht anders als andere Leute, höchstens anders motiviert. Das heisst, ich verwende SEHR viel mehr Kraft und Aufmerksamkeit auf Aufgabenstellungen, die andere auch wichtig finden, aber eben nicht SO wichtig. Und das mache ich schon sehr lange so, eigentlich mein ganzes (Erwachsenen)Leben lang. Mit andern Worten, ich bin eine völlig vereinseitigt tätige und ausgebildete Person.

Man kann dann fragen, ob wenigstens andere etwas davon haben.

Die Antwort darauf ist nicht sehr erfreulich.
Begriffe, begriffliche Zusammenhänge und Theorien sind keine Gebrauchsgegenstände, die man bedienen und nutzen kann, ohne zu wissen, wie sie genau funktionieren.
(Leute, die versuchen, sie dennoch so zu behandeln, würde ich AUTORITÄR nennen.)

Man kann schon an fremdem Denken entlang sein eigenes ausbilden, aber dann muss es eben auch EIGEN und DENKEN sein. Meist hat einem der andere dann kaum etwas abgenommen. Die Erleichterung durch das „Vordenken“ des Autors ist in Wahrheit eine verdeckte Form von autoritärer Einstellung: Man übernimmt eben nicht die VOLLE Verantwortung für das, was einem am Text einleuchtet oder plausibel erscheint.

Die einzig nicht-autoritäre Form der Präsentation und des Nachvollzugs von Begriffs-Gebilden der einen durch andere wäre dann die Verständigunugs-Situation, wo sie versuchen, ihre Begriffe aufeinander abzustimmen und darin Gemeinsamkeit herzustellen. Da wäre es dann aber wechselweise, und keiner nimmt dem andern was ab, weder die Verantwortung dafür, dass alles (für die Beteiligten) Wichtige bedacht ist, noch die Mühe, die genau das kostet.

Aber der Wegfall der autoritären Komponente legt einen anderen und viel grundlegenderen Mangel von „Theorie“ frei: Sie ist erzwungen, eilt der Erfahrung voraus, die sie organisieren helfen soll, und an der entlang die Begriffe der Theorie (Unterscheidungen, Zusammenfassungen des Wichtigen in diesen Erfahrungsverläufen, das Aufmerksamkeit erregte) gebildet werden. Dass Leute so etwas Verrücktes machen, kommt freilich nicht von ungefähr. Die Ausgangssituation jeder nicht-naturwissenschaftlichen Theoriebildung (von der spreche ich hier) ist eine verzweifelte: Ordnung in das Chaos an Meinungen, Bewertungen, Einschätzungen zu bringen, das (spätestens) in modernen Gesellschaften herrscht, und unbewältigt und unbewältigbar so belassen wird, weil Leute (wenigstens darin sind sie sich einig) auch ohne Verständigung glauben damit zurechtkommen zu können. Solche wie ich, solche, die ihr Leben mit Theorie zubringen, halten das für Wahnwitz. Ihir Versuch, das nicht Bewältigbare zu bewältigen, durch Vorwegnahme JEDER denkbaren Verständigungs-Situation, das Alles-Einordnen-, Alles-(jedem)-Erklären-.Können, ist die angemessen verrückte Antwort. Und natürlich scheitert das – „TheoretikerInnen“ sind tragische Figuren.

Die Angestrengtheit dieser ewig vorwegnehmenden, ewig hinter ihrem unendlichen Stoff zurückbleibenden, also ewig unzulänglichen Arbeit des Begreifens und Begriffsbildens machtr sich natürlich im Schreiben dieser Leute bemerkbar. Neoprene hat genau falsch rum vermutet: Das wirklich Geklärte lässt sich sowohl flüssig als auch dicht vortragen, der Widerspruch zwischen beidem (Stoffreichtum, Übersicht) ist dann gelöst. Wenn es in meinen Texten hakt, dann darum, weil ich selber ständig Neuland betrete. Übrigens auch das Ausdruck der zugrundeliegenden Unruhe: Nie sich Zeit lassen, das immerhin einmal halbwegs Herausgefundene aufzubereiten, ordentlich und geordnet hinzuschreiben. Wenn die Lösung sich andeutet, rennt unsereins auch schon wieder weiter, zum nächsten Problemfeld, wo noch garnichts klar ist, der Zustand also der (für unsereins) schlimmst-denkbare ist. (Und das, nebenbei, im Rahmen eines Alltags, wo es mit beinah allem andern ebenso geht, Ausnahmezustand in Permanenz…)

„Die eigentliche Entdeckung ist die, die mich fähig macht, das Philosophieren abzubrechen, wann ich will.“ (Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, §133)

Form und Inhalt…

22. August 2013
Vielen Dank für das bekundete Interesse, um Besessene wie mich zu motivieren, brauchts leider keine Ermutigung (wir sind ja auch nicht so leicht zu stoppen).
Das mit der leichteren Lesbarkeit im Forum ist ein Argument, allerdings könnte ich auch Absatz-Numerierung einführen, was ich in meinen privaten Texten fast immer mache, das ist dann eine Art inhaltsbezogene Seitengliederung. Mein Gedanke bisher war, dass solche Links wie deiner hier in der Thread-Eröffnung genügen, um auf meinen Text zu verweisen und ihn zur Diskussion zu stellen. Das Problem der Texte ist aber ein grundsätzliches, und es stellt ihre Diksutierbarkeit ein wenig in Frage: Da werden doch ziemliche Rundumschläge veranstaltet, vielerlei kommt zur Sprache und wird verknüpft (das ist ja grad die Absicht, diese behaupteten Zusammenhänge zu zeigen), da könnte von Lesern vieles zugleich zum Thema gemacht werden, oder eben auch nichts – weil (die du es für dich selbst sagst, Wal), die meisten Nicht-TheoretikerInnen kein alternatives Zusammenhangs-Konzept, also keine alternative Theorie, anbieten, und meine von da aus bestreiten wollen. Das erklärt, warum gelesen, aber kaum geantwortet wird (oder wenn, dann so, dass es dem Antwortenden selber unangemessen punktuell und eben zusammenhangslos vorkommt).

Bei der Form gehts ähnlich zu, was renee über ihre Verarbeitungsweise sagt, ist garnicht ihre individuelle Besonderheit, sondern sie möchte einfach begriffliche Klarheit, die aber noch nicht daist. – Nicht alles lässt sich in die Form von Tabellen und knapper Info als Eintrag in die Tabellenfelder bringen, aber ich nehm das mal als renees Vorstellung von Übersicht, und die Forderung danach ist völlig korrekt, bloss dass ihr nicht genügt werden kann. (Sinnvoll die Frage, ob man das öffentliche Auftreten mit Unausgegorenem dann nicht grundsätzlich unterlassen sollte. Von wirklichem Nutzen ist das alles höchstens für andere Theoriearbeiter, die an derselben Materie werkeln…)
Das mit den Absätzen ist leicht umzusetzen, es dient wahrscheinlich auch der Verlangsamung der Lese-Geschwindigkeit, und liefert erste Unter-Glieder, obwohl die Sinn-Bögen meist weiter reichen, und das durch die starke Untergliederung übersehen wird.
Die Kunst in der theoretischen Erfassung von Material ist eben, Material und Übersicht zugleich zu haben. Es ist ein Kraftakt, zu dem man sich nur entschliesst, wenn man gute Gründe hat. Und woher soll man die kriegen (ausser aufgrund autoritären Zutrauens), bevor man den Kraftakt absolviert hat? (Zentrales Argument gegen die Vermittelbarkeit von eigener theoretischer Übersicht an andre…)

Die Schwierigkeiten, von denen ich spreche…

23. August 2013
…sind leider objektiver Art, und durch meine guten oder weniger guten Absichten nicht zu beheben. Darum hat es so wenig Sinn, über MICH zu sprechen oder mit mir zu hadern. Ich habe mich und meine Arbeitsmotive bloss erwähnt, um das Thema dann vom Tisch zu haben, und auf das Objektive zu kommen. Die objektiven Hindernisse für klare Darstellungen kann ich leider nur noch benennen, euch zu überzeugen versuchen, dass es sie gibt, wäre widersinnig – weil dazu gehören würde, die verbesserte Version für dieselben Themen vorzuzeigen. An der würde deutlich, was der weniger ausgereiften Darstellung noch gefehlt hat. Bloss: Ich kann nicht klarer reden, als icih grade kann, und verfüge nur über den vorläufig erreichten Stand an Einsicht. (Die Zwischenbemerkung 3 würde ich darum eher als Arbeitsprotokoll einordnen – das müsste noch eine ganze Zeit lang so weitergehen, bis halbwegs haltbare Resultate in Sicht sind.)

Ich denke nicht, dass die Schwierigkeiten in unserem Dialog nur dumme und äusserliche Querelen sind. Eher sind sie Ausdruck genau der Verhältnisse, die ich in meinen Texten versuche einzukreisen und zu fokussieren: Es geht da um die (unterschiedlichen) Motive der Begriffsbildung (und damit: der Erfahrungsverarbeitung). Wir machen diese Motive nicht einfach selbst, durch Entschlüsse, die so oder anders ausfallen können (insofern: kein freier, grundloser Wille, der jederzeit auch anders könnte; warum sollte er, ohne Grund?). Aber so, wie wir sie erstmal aufweisen, müssen sie nicht bleiben: Ausgehend von unserm Ausgangsstand, lernen wir um und auch dazu. In diesem unserm Dazulernen vollzieht sich, durch unsere Biographie hindurch (so wie zuvor in unzähligen anderen, die wir „beerbt“ haben), ein Stück historischen Fortschritts, von dem, – hoffentlich! – etwas bleibt, das sich tradieren, an andre weitergeben lässt (aber wie? wenn es nicht auf autoritäre Weise geschehen soll? Das ist eine ganz vertrackte Frage…)

Ich verkörpere, durch die leider nicht so ganz kurze Lebensspanne, die ich fast ausschliesslich mit „Theorie“ zugebracht habe, schon auch ein Stück Lernen, Dazu-Lernen. Maximal lehrreich ist das aber wahrscheinlich nur für Leute, die sehr ähnliche Ausgangspunkte wie ich hatten. In Leben wie meinem zeigt sich (spätestens für solche; andre haben das mehr oder weniger immer schon gedacht), dass die kulturelle Form und Zielsetzung „Theorie“, arbeitsteiliges Begriffebilden, grundsätzlich verfehlt ist und niemandem mehr guten Gewissens empfohlen werden kann.

Zugleich zeigt sich (so behaupte ich es wenigstens; auf den ersten Blick: paradoxerweise), wie wichtig (gemeinsame) Begriffsbildung bei der (kollektiven) Erfahrungsverarbeitung ist. Damit sind wir, wie ich finde, zurück bei unserem Haupt-Diskussions-Gegenstand: Dem gemeinsamen Produzieren in gesellschaftlichem Masstab. Und der Frage: Was kann da getrost andern überlassen und AUFgeteilt werden an Aufgaben – und was darf keinem Einzelnen je weggenommen werden, und muss vielmehr von allen GETEILT und gemeinsam „besessen“ werden? Als Kommun(al)isten sagen wir (das ist ja unser Ausgangspunkt): Das Entscheiden soll gemeinsam sein, darf nicht arbeitsteilig an (dann kommunalistische) Politiker, Bürokraten, Wirtschaftsführer, Ökonomen delegiert werden. Zumindest das Entscheidende am Entscheiden, das Wesentliche, wo es einen – eben entscheidenden – Unterschied macht. Im Grund wollen wir nichtmal solche Zwangsverhältnisse, wo sich Minderheiten zähneknirschend Mehrheiten fügen sollen; sondern Entscheiden (in allem Wesentlichen) im Konsens (das war, zur Erinnerung, der Konflikt mit Mattis, der demokratische Abstimmungsprozeduren verlangte).

Aber hinter dem Entscheiden (und darum ist es auch kein „freies“, oder allenfalls genau darin frei, dass es sich so bestimmen lässt) tauchen die GRÜNDE, die vernünftigen und maximal informierten, auf, die auf es zuführen. Und damit… die Grundsätze der Wissensverarbeitung, die Orientierungslinien der Aufmerksamkeit, die Begriffe.

Obwohl Wat und renee sich über mich beschweren, stimmen wir, wie mir scheint (das kann falsch sein, renee, ich WEISS es nicht, ich vermute bloss!), in etwas sehr wichtigem überein. Sie sagen es (bislang) eher implizit, indem sie sich gegen (vermeintliche) Zumutungen (zB meinerseits) wehren, ich dagegen spreche es (spätestens jetzt) unumwunden offen aus: Die Lebensführung, die Lebenspraxis der Einzelnen, also von jedem, jeder von uns, und die Kapazitäten, Handlungs- und Aufmerksamkeits-Spielräume, die DORT verfügbar sind, ziehen dem, was gesellschaftlich Geltung haben kann, Grenzen. Es darf nicht mehr sein, und führt zu nichts gutem, und ist auch auf Dauer nicht haltbar, dass gesellschaftlich wichtige und das Leben aller betreffende Entscheidungen (für Ziele, Werte, Prinzipien) von Einzelnen nicht einmal nachvollzogen werden, geschweige denn bestimmt werden können. Wo es doch geschieht, darf es nur nach sorgfältiger Prüfung (und dann nachvollziehbar für alle) so stattfinden, ob und dass es sich auch wirklich um indifferente Themen handelt, die man getrost den „Zuständigen“ überlassen kann, weil man mit diesen Zuständigen über die Prinzipien des Vorgehens grundsätzlich verständigt ist und einfach keinen Grund hat, ihnen zu misstrauen.

In der derzeitigen Gesellschaft bin ich mit so gut wie nichts vertraut, geschweige denn einverstanden und verständigt, nicht mit den Entscheidungsträgern, nicht mit den Entscheidungen, nicht mit den Gründen, die dafür oder dagegen sprechen. Wo ich überhaupt etwas erfahre, spricht ALLES für grösstes Misstrauen und schärfsten Widerspruch. Dieser Zustand ist aus meiner Sicht VÖLLIG unhaltbar.

Was die Frage aufwirft, warum er den andern, den derzeitigen Normalbürgern, nicht so erscheint. Sie behandeln, für mich völliig unverständlich, unsern gesellschaftlichen Zustand so, als wäre er schon „kommunalistisch“, vertrauen, wo ich es nie täte, befürworten, wo ich tiefgreifende Zweifel oder Einwände habe usw. Ihre Erfahrungsverarbeitung muss eine völlig andre als meine sein. Genau dem wäre zukünftig von seiten einer aus ihrer Sicht fortgeschrittenen kommunalistischen Gemeinschaft (unter anderm, denn sie ist ja auch mit ihrer eigenen Reproduktion beschäftigt) weiter nachzuforschen. – Worin, umgekehrt, besteht wahrscheinlich eine wesentliche Besonderheit der derzeit kleinen Minderheit der kommun(al)istisch Eingestellten? Meine Vermutung ist: In dem Punkt der Reduktion allen Stoffs auf das in einem Leben, ja sogar im Rahmen der täglichen Lebenseinrichtung, Bewältigbaren; und der Verweigerung der Anerkennung für alles, was darüber hinausgeht.

Dieser unscheinbare Gesichtspunkt, dies Beharren, ist revolutionär und etwas epochal Neues. Es ist genau solches Epochales, wie ich es in der 2.Zwischenbemerkung ausgeführt habe: Einfach zu benennen; schwer auszuführen.(Also Brechts Spruch zum Kommunismus: er ist „das Einfache, das schwer zu machen ist“).

Ist „Naturverbrauch“ (übrigens auch „ArbeitsVERBRAUCH“) überhaupt verrechenbar?

23. August 2013
Wal, ich glaube (wie so oft hier), das Problem ist noch viel grundlegender, als es die Konzentration auf die Missverhältnisse PRIVATER Kostenrechnung vermuten lässt.
Zunächst wäre es mit Privatheit ohne weiteres vereinbar, und macht umgekehrt die „gesellschaftliche“ Planung (verglichen etwa mit der real-sozialistischen, die da immerhin die Gesetze der Ware-Geld-Beziehungen „ausnutzen“ wollte) erheblich unübersichtlicher, wenn man statt des einen, integrierten Bewertungsmasstabs für „Äquivalenz“ bestimmter Gütermengen oder -verteilungen in Gestalt von Geld und Preisen von x verschiedenen solchenMasstäben (deine Tabelle zählt etliche solche Vergleichshinsichten auf) ausginge; und allen Teilhabern am Abstimmungs- und/oder Verteilungsverfahren (in einer libertären, egalitären Marktwirtschaft, wie sie den echten Libertären vorschwebt) gleiche Mengen an Stimmen und Gütermengen einräumt.

Es wird dann immerhin deutlich, wie sich einzelne Entscheidungen auf einzelne Dimensionen des „Naturverbrauchs“ auswirken. Aber das in durchaus widerspruchsvoller Weise. Also nicht integriert. („kostet viel Wasser aber weniger Energie..“ – tja. Es erinnert ein wenig an die bekannte Nonsens-Frage: Was ist schlimmer, Durst oder Heimweh?)
Die Wechselwirkungen der fein in Einzel-Dimensionen zerlegten Naturbelastungen (etwa in ihrer Einwirkung auf unsern Organismus) sind so garnicht rationell zu erfassen.
(Das ist auch das Sinnlose an Grenzwerten.)
Die ganze Betrachtunugsweise ist verfehlt.
Und sie ist genauso verfehlt im Bezug auf uns selbst – als Frage: Wieviel Portionen an sich vergeudeten, nicht gelebten Lebens („Durchschnittsarbeitszeit“) soll jeder für das Zustandekommen unseres gemeinsamen Lebensunterhalts opfern müssen?
Warum gehen wir der Frage so wenig nach, wie wir die Beschädigungen unserer EIGENEN Natur beseitigen? Vielleicht würde die uns die ökologischen Rücksichten nicht als Zwang, sondern als ganz unmittelbar spürbaren BEDARF erscheinen lassen…
(Es versteht sich, dass dazu unendlich viel mehr zu sagen wäre.)

Ich stimme deiner Ausgangsthese vollkommen zu, Wal…

23. August 2013
…und finde das Achten auf solche Zusammenhänge äusserst wichtig: Bestimmte produktive Leistungen (etwa ökologisch zu produzieren) KANN nur eine kommunistische und auf interner Verständigung basierende Produktionsweise erbringen.
Das mit dem „Integrieren“ hab ich grad andersrum gemeint, als du vermutet hast: Kein Index, kein Scoring (schon garnicht in monetären Grössen), wo man dann irgendelche Optimierungsfunktionen drüberlaufen lässt, kann die rein QUALITATIVE Planung einer natur-gemässen Produktion ersetzen. Ich denke, diese Planung hat es nicht so sehr mit QUANTITATIVEN Zielen zu tun (möglichst wenig verbrauchen von dem oder jenem…) – das wird sich viel eher einbetten in die (nun sag ichs mal wieder mit meinem Ausdruck:) technologische Gesamtstrategie, die man dort verfolgt – eben einer radikal ökologischen; die hat ein paar einfache (wieder:: „das Einfache, das schwer zu machen ist“) Grundsätze, nämlich solche wie: Kreislaufwirtschaft; oder: Verwendung ausschliesslich von Arbeitsmitteln und Verfahren, bei denen bewiesen und beweisbar ist, dass sie die Biosphäre nicht belasten und beschädigen, angefangen bei uns selbst. Also Anschlus-Hypothese an deine: Quantitative Aspekte des Planens (Verbrauchsgrössen, Grenzwerte) sind dann immer abgeleitet aus qualitativen Zielsetzungen.
Aber die gewagteste These, die ich an deine anfügen würde (oder mit der ich „von meiner Seite her kommend“ Anschluss finde an deine), wäre die: Nur das kommunistische Kollektiv (s.o.) derjenigen, die radikal auf ihre eigene Natur, ihre Bedürfnisse und begrenzten Handlungs- und Aufmerksamkeitsspielräume achten, werden den Anforderungen an eine qualitativ korrekt geplante radikal ökologische technologische Strategie gerecht werden. Und die sind unter Linken (vgl. hierzu deine ernüchterten Feststellungen im Beitrag Franziskas Blog: Geschichtliche Entwicklung der Trennung von Arbeit und Eigentum), geschweige denn in der Restbevölkerung, nichr sehr häufig anzutreffen.
Die Differenz, die sich daran anschliesst, lautet: Diese Leute können das privatwirtschaftliche Wirtschaften nur erst in kleinen Enklaven abschaffen, und für sich das kollektive Produzieren erproben und auf- und ausbauen. Über diese unterschiedlichen Prognosen wird an anderer Stelle vermutlich noch ausführlich zu diskutieren sein.

Franziskas Blog: Geschichtliche Entwicklung der Trennung von Arbeit und Eigentum
24.8.2013

Liebe renee, vielleicht sollt ich ja lieber nochmal meine Texte überarbeiten, statt hier in immer neuen Anläufen meine Absichten breitzutreten. Beides zugleich geht nicht, weil ich nicht soviel Zeit habe zum Schreiben. (Auch ein Faktor, leider…)

Also…

1. Nicht meine Ideen peitschen mich voran (schön wärs), sondern der Wunsch, was klarzukriegen (dazu mehr unter 4. unten). Der lässt mich weiter grübeln und bohren, wo erstmal bloss alles trüb und verworren ist. „Vorankommen“ ist da extrem anstrengend, und die Angestrengtheit zeigt sich unter anderm in der Angestrengtheit des sprachlichen Ausdrucks. Wenn ich Korrektur lese, und meinen eignen Gedanken misstraue, kann ich (passiert andauernd) die erstaunlichsten Schreib- und Satzfehler überlesen, weil ich immer noch auf den Inhalt starre und mich frage, obs so stimmt.

2. Deine Motive der Begriffsbildung bestehen darin, (verstehe ichs recht, wenn ich ergänze: „..mitzuhelfen, dafür zu sorgen“ oä.?) dass eine gewisse Einigkeit darüber herrscht, was diese Begriffe bedeuten. Es ist nun freilich niemand im Besitz der Wörter, und in speziellen Terminologien wird manches anders und oft mehr fixiert verwendet, als im Alltag üblich. BegriffsBILDUNG deutet darauf hin, dass zumindest einige Wörter auch fehlen und die „Bildner“ Bedarf danach sehen (das muss nicht geteilt werden). Die Bedeutung, andererseits, eines Begriffs ist ein weites Feld, nämlich letztlich seine Stellung im SYSTEM der Begriffe und die daraus resultierenden Zusammenhänge*). Speziell philosophische Theorien oder solche, die nahe an ihnen entlang operieren, versuchen, Begriffe aufzuspüren (im philosoophischen Jargon: Kategorien), von denen direkt oder indirekt ständig Gebrauch gemacht wird, nach deren expliziter „Benennung“ (in Worten) also ein starker Bedarf besteht, wenn wir unsere Praxis abstimmen und uns auf gemeinsame Vorgehensweisen verständigen wollen. Dass in diesem grundlegenden Bereich etwas grundsätzlich nicht stimmen oder auch bloss fehlen soll, wäre eine ziemlich bestürzende Entdeckung. Nur als Andeutung: Ja, ich glaube, dass unsere Konflikte als Linke untereinander und mit den Nichtlinken in unserer Umgebung massgeblich mit Mängeln in diesem Bereich zu tun haben: entweder, weil bestimmte Kategorien (wie „Natur“, „Bedürfnis“ ua) nirgendwo in der aktuellen Gesellschaft bereits explizit in ihrem Zusammenhang gedacht werden; oder eine mehr oder weniger grosse Zahl von Leuten Kategorien, die andre schon korrekt im Zusammenhang benutzen, sich nicht klargemacht haben (das ist mE. der Fall bei religiösen Leuten im Bezug auf die Kategorie „Person“).

*) an ungefähr dieser Einsicht haben Philosophen ca. 100 Jahre lang gearbeitet…

3. wg. Kindern: Ich sehe mich derzeit in der äusserst verzweifelten Position, Nachwachsenden keine vernünftigen Lebensformen anbieten zu können, und richte deswegen all meine Anstrengungen darauf, es dahin zu bringen, dass ein solches Angebot möglich ist. – Autoritäres Denken (Übernahme der Einstellungen anderer ohne Prüfung der Gründe, aufgrund von „erfahrungsbestätigten“ Kriterien, was tauglich sein könnte und was nicht) herrscht nicht nur im Erziehungssystem, sondern bestimmt beinah alle Einstellungen normaler Leute um uns herum. Eine solche durchweg autoritäre Lebensform kann nicht nicht-autoritär vermittelt werden.

4. Als verfehlt (und in meinem Fall, als gescheitert) sehe ich alle Versuche von „TheoretikerInnen“ an, „abgehoben“ und allen Erfahrungsmotiven dafür vorgreifend, bereits Begriffe, speziell Kategorien, bilden und in ihren Zusammenhängen denken und erklären können zu wollen. Das Motiv dazu ist normalerweise, andern diese Zusammenhänge dann zu vermitteln und deren Aufmerksamkeit durch Aussprechen oder Hinschreiben des von einem selbst gedachten/gesehenen Zusammenhangs darauf zu lenken. Da die TheoretikerInnen selbst kein unmittelbares (sondern ein ganz andres, übergreifendes, dazu gleich) Erfahrungsmotiv haben für die betreffende Begriffsbildung, ist ihr Vortrag („Kritik“) UNVERMITTELT und den Adressaten aufgedrängt. Er wird von den Adressaten darum zurecht schnell als Zumutung empfunden, und ignoriert. Die als „Kritiker“ der Andern auftretenden TheoretikerInnen wiederum machen sich im allgemienen nicht klar, wie und warum sie selber zu ihrem exzessiv-vorauseilenden Begriffe-Bilden gekommen sind – fast immer ist es ein Vermittlungs- und „durch Worte einen Konflikt klären wollen“- Interesse, vordergründig – aber warum ist dies Interesse bei ihnen so stark ausgeprägt, und bei andern nicht? Würden sich TheoretikerInnen/KritikerInnen darüber Rechenschaft ablegen, würde ihnen vermutlich klarwerden, warum dieses IHR Interesse und IHRE starke Aufmerksamkeit auf Konflikt-Ursachen (Missverständnis, Unverständnis) von den Adressaten nicht geteilt wird. Vielmehr haben die Adressaten sowohl andere (einfachere) Formen des Umgangs mit Konflikten und nehmen (deshalb) Konflikte auch nicht so wichtig. – Grundsätzlich ist das Theorie-Machen im Dienste der „Kritik“ ein wenn auch fortgeschrittener, so doch leider immer noch Ausdruck autoritären Denkens (im vorhin angegebenen Sinn). Diese Einsicht, wenn ich sie durch meine Lebenserfahrung vermitteln kann, ist von wirklichem Interesse bloss für Leute, die ähnlich fanatisch wie ich auf Verstehen, Erklären-Können-Wollen, Vermitteln-Können (durch Reden, Schreiben) gesetzt haben. Andre haben nach einer solchen Aufklärung derzeit eigentlich keinen Bedarf. Das etwa war es, was ich ausdrücken wollte.

5. „Dieses „Entscheidende“ sollte schon klar herausgearbeitet werden, da stimme ich dir zu. Zum jetzigen Zeitpunkt erscheint es mir aber verfrüht, seine Zeit und Energie darauf zu verwenden, dies schon bis ins kleinste Detail zu klären.“ Nun ja, das „kleinste Detail“ ist eben nicht das Entscheidende. Es geht ja nur um das Entscheidende am Entscheidenden 🙂 Die Meinungen gehen aber darüber auseinander (und müssten in dem Punkt erstmal zusammenfinden) was dies Entscheidende ist, und welches die zu kleinen Details.

6. Gemeinsames Entscheiden setzt gemeinsame Einschätzungen (Gesichtspunkte) voraus, was Aufmerksamkeit verdient und was nicht, bzw was man (als Entscheider) wissen sollte und was man nicht wissen braucht. Da ist also von den möglichst gemeinsamen Gründen des gemeinsamen Entscheidens die Rede. Darum reite ich so sehr darauf herum, dass kommunistische Gemeinschaften gemeinsame Regeln der Wissensverarbeitung haben müssen, und alles nach diesen Regeln relevante Wissen auch an alle Mitglieder gelangen lassen müssen. Wieder ein Fall von „einfach gesagt, aber schwer zu machen“.

7. Die blöde und ungeschickte Ausdrucksweise bei mir ist Ausdruck dessen, dass ich meinen Stoff nicht beherrsche (begrifflich geordnet habe, überschaue), sondern noch daran herumdoktere. Darum erscheint er bzw. die Darstellung „kompliziert“. Was ich selbst überblicke, kann ich – wie alle andern – flüssig hinschreiben und erklären. Vielleicht sollte man es sich einfach zur Regel machen, nichts zu veröffentlichen, bevor es nicht so geschrieben werden kann. Oder auch.. nichts derartiges zu lesen…

8. Wieso sagst du: „Leider, ja“, wenn ich versuche, den vielleicht wichtigsten Grundsatz (aus meiner Warte) „kommunalistischer“ Vergesellschaftung auszudrücken? Die Lebenspraxis, Lebensführung jedes, jeder Einzelnen dort und ihre Kapazitäten der Wissens- und Erfahrungsverarbeitung bestimmt, worüber diese kommunistisch vergesellschafteten Einzelnen überhaupt miteinander verhandeln und entscheiden können – keine Vordenker, keine Besserwisser, keine unbegriffenen Experten, keine „Repräsentanten“ ausser solche, mit denen alle, von denen sie „entsandt“ werden, verständigt sind (und die deshalb wirklich, einer, eine für alle andern, mitsprechen können). Wieso also leider? Was in ihrem Leben und Denken nicht Platz hat – was soll es die Lebenden und Denkenden angehen? Was gäbe es daran zu vermissen?

War das jetzt etwas besser verständlich?

Antworten für renee und Wal

26. August 2013
Hallo renee, zum nicht-autoritären Vermitteln: Ich hab halt keine vernünftige und auch nicht-autoritär gemeinschaftliche Lebensform anzubieten, drum hab ich derzeit nichts, was jedenfalls ICH Nachwachsenden anbieten, und nicht-autoritär vermitteln könnte.
Ich glaub zwar sowenig wie du, dass man ALLEIN auf so eine Lebensform kommt. Aber auch wenn das Zusammengehen VIELER beim Versuch, eine solche Lebensform herzustellen, unerlässlich sein mag – es ist noch lange nicht hinreichend. Ich mach mir Gedanken darüber, was da noch hinzukommen muss. Das könnte man durchaus zumindest als meine Ausgangsfrage bezeichnen.
In dieser Frage aber ist (in Wals Worten) „sozialer Sprengstoff“ enthalten. Denn der Basisbegriff bei mir heisst: LEBENSFORM, und nicht etwa: „Produktionsweise“; „Produktionsweise“ nur, wenn sie sich aus einer möglichen Form guten Lebens (Zusammen-Lebens mit andern) ergibt.
Etwas ähnlich Eigenartiges, wenn nicht für Aussenstehende Befremdliches hat sich Wal oben geleistet, mit der Frage an sich und andre: Ob man als Linker glücklicher ist als andre? Womöglich: jetzt schon? So ist wohl schon lang nicht mehr gefragt worden. So, wie auch selten gefragt wird (wie Wal oben es ebenfalls getan hat), warum Linke oft so giftig gegeneinander sind. Andere, ich zum Beispiel, weisen auf die Beschädigungen hin, die sie „im Dienst“ an ihrer linken Zielsetzung erlitten haben (und das war vergleichsweise glimpflich, verglichen mit dem was andre auf sich genommen haben an Lebensverausgabung, Verzicht, Leid). All das sind erste und noch wenig eindrückliche Anzeichen, dass wir hier vermutlich „anders“ links sind als unsere Vorgänger.
An dieses „Anders-Sein“ lässt sich eine allgemeine Bemerkung über Begriffsbildung knüpfen.
Nach einem speziellen Begriff wird Bedarf entwickelt, wenn uns an einer Reihe von Dingen eine wesentliche Gemeinsamkeit auffällt; oder, wenn etwas, das bis dahin einheitlich zu sein schien, sich in wesentlich unterschiedene Abteilungen aufgliedert, sich ein Unterschied daran auftut. Speziell dieser Fall, dass sich etwas als von anderem abgegrenzt und unterschieden heraushebt, Aufmerksamkeit auf sich zieht als etwas besonderes und gesondertes, nennt man im philosophsichen oder wissenschaftstheoretischen Fachjargon sein „Reflexiv-Werden“, im Alltag sagt man oft auch einfach: Es fällt einem auf, wird einem bewusst, man wird aufmerksam drauf.
Vielleicht also werden wir hier grade aufmerksam auf etwas, das uns vorher noch nie aufgefallen ist: Welche Rolle die Lebensführung, Lebenseinrichtung eigentlich in der „Politik“ spielt, die wir vertreten. Vielleicht… erweist sich das Thema aber auch als eins, an dem sich die linken Geister (einmal mehr, auch hier) scheiden.

@Wal:
(1) Linke suchen doch, fast per definitionem, den Zusammenschluss mit andern, wie sollten sie sich da nicht aufregen oder frustriert sein, wenn der immer wieder misslingt, und sie auf Einzelkämpfer-Positionen zurückverwiesen werden (oft nach furchtbaren Anstrengunugen, daraus herauszukommen). – Aber dann muss man auch fragen, wie linke oder radikal-linke Positionen eigentlich zustandekommen: Als Ergebnis wasserdichter Beweise, quasi mathematisch – die dann doch widerlegt werden? Immer wieder frage ich mich, was eigentlich das Marxsche System für das Linkssein der verschiedenen Linken bedeutet. Hat es sie zu Linken gemacht, nachdem sie es vorher nicht waren? Und warum sie, und andre Marx-Leser nicht?

(Auch hier nochmal die Frage nach den Nicht-Linken, auch mal Angehörigen der „Eliten“: Von was werden denn die bewegt – vom krassen Eigennutz und Klasseninteresse? Sind sie keine Überzeugte, stattdessen immer bloss solche, die sich in die Tasche lügen? Haben sie denn da mit den Lohnabhängigen, über die sie „herrschen“, und denen sie „ihr“ (wessen?) System aufnötigen, nicht viel gemeinsam?)

(2) Wal, dein Eröffnungsbeitrag für diesen thread ist noch garnicht wirklich besprochen, es geht dabei um die Vorstellung oder den Begriff von Geschichte im ML, der bürgerlichen Wissenschaft, und bei Marx – und es geht um die Bedeutung, die „Geschichtsbetrachtungen“ somit für die Gegenwart und ihr Verständnis haben.

Wenn ich es recht verstehe, ordnest du dem ML einen Geschichts-Determinismus zu, wo sich gewissermassen ein von Anfang der Menschheitsgeschichte an festgeschriebenes Fortschritts- und Heils-Programm entfaltet, „unaufhaltsam“ und mächtiger als jeder Einzelne oder Gruppe, der und die sich ihm darum nur entweder fügen und dienstbar machen können als Vollstrecker (spätestens in der entsprechenden „Klassenposition“), oder von ihm gnadenlos überrollt werden.

Der bürgerlichen Wissenschaft wird eine Position zugetraut, die ich in ihr kaum wiederfinde – sie ist wesentlich so etwas wie Anthropologie, sucht das Übergreifend-Gemeinsame des Gegenwärtigen ind und mit der Geschichte, auch vielleicht das aus ihr (bei aller sonstigen Veränderung) in die Gegenwart Herüberragende. Dazu ist zu sagen, dass dies allerdings AUCH Kategorien sind, die in einer rationalen Geschichtstheorie Berücksichtigung finden sollten; nur ist die Geschichte damit natürlich lang nicht vollständig beschrieben.
Es fehlt das, was du oben ausschliesslich Marx als Einstellung zuschreibst, was aber, wie ich denke, heute durchaus allgemein in der Geschichtswissenschaft anzutreffen ist, und das ist der evolutionäre Gesichtspunkt, durchaus analog zu seinem Pendant (der „Evolution“) in der „Naturgeschichte“.

Meine eigene Darstellung von Gross-Epochen („Mehrprodukt überhaupt“, „Mehrprodukt in der Fläche“) widerspricht diesem „evolutionären“ Konzept keinesfalls. Ich würde höchstens behaupten, dass die der „bürgerlichen“ Geschichtswissenschaft zugeschriebenen Kategorien „epochen- und kulturen-übergreifendes Substrat“ und „nicht-abgebaute mächtige Restbestände massgeblicher historischer Phänomene“ für Gegenwarts-Analysen ziemlich wichtig sind. Man muss die Geschichte dabei nicht erwähnen (denn die ist erschreckend gegenwärtig). Man kann es aber, um zu verdeutlichen, wovon man da redet.

In EINER Hinsicht (das war mir ja in meiner Zusammenfassung oben sehr wichtig) darf man geradezu das Evolutionäre am Geschichtsprozess nicht ausblenden, wenn es um die Gegenwart geht: Dann nämlich, wenn man, wie ich es befürworte, diese Evolution näher als kulturellen Lernprozess (bleibt zu präzisieren, was das bedeutet!) charakterisiert.
Dann kommen Kategorien ins Spiel, von denen ich hier im Forum immer wieder spreche:

– gesellschaftlich überhaupt verfügbarer Erfahrungsstand;

– Verteilung und Zugänglichkeit von Portionen dieser Erfahrung in der Bevölkerung;

– unterschiedliche (uU zurückgebliebene) Weisen der Erfahrungsverarbeitung.

Damit sind schon Rahmen-Kategorien festgeschrieben, auf die es in jeder Beschreibung eines Gesellschaftszustands wesentlich mit ankommt – neben den Marxschen, die von mir natürlich als ebenso grundlegende anerkannt werden:

– Welche Produktionsaufgaben haben die Leute als nächste zu lösen, wenn sie weiterkommen sollen?

– welche Mittel stehen ihnen auf ihrem Niveau dafür zur Verfügung?

– wie organisieren sie den arbeitsteiligen Anteil an dieser Produktion?

(deine Marx-Zitate, Wal, weisen ja auf die Notwendigkeit hin, dass es für den Anstoss einer zivilisatorischen Entwicklung erst einmal zu einer gewissen Arbeitsteilung und damit Geselslchaftlichkeit der Arbeit gekommen sein muss)

– wie werden dabei auftretende Konflikte bewältigt bzw. in (wodurch? warum?) vorübergehend relativ stabile Verlaufsformen (Klassen- und Eigentumsformen, staatlich gesichert, legitimiert, beaufsichtigt, reguliert) gezwungen, die immer wieder krisenhaft in andere, eventuell auch differenziertere, neuen Aufgaben angemessenere solche Formen übergehen?
(Das sind Fragestellungen, die auch bei bürgerlichen Historikern, wie du wohl aus deinem eigenen Studium weisst, durchaus häufig begegnen und die von ihnen, wie ich meine, für ebenso fundamental gehalten werden wie von Marxisten.)

Die Zutat, die ich da ins Spiel bringe (jetzt nochmal als Benennung eines Ausgangspunktes für renee), ist die von Marx etwas unterschätzte Kategorie der Wissensverarbeitung – was aus meiner Sicht darunter fällt, etwa Religion, wurde von Marx nicht dem massgeblichen und konstitutiven „Basis“-Bereich des Gesellschafts-Aufbaus zugewiesen, sondern für eine abhängige, und in ihren Grenzen eben auch wortwörtlich „Variable“ erklärt. Über die Grenzen der Variabilität und ihre Gründe hat er sich dann wenig Rechenschaft abgegeben, es im grossen ganzen bei der Behauptung, dass dies Bedingte zum es Bedingenden passen muss, belassen. Hier muss, natürlich speziell in Gegenwartsanalysen, wie ich meine, deutlich genauer hingeschaut werden.

Mattis, der bis vor einiger Zeit hier noch Mitglied war, hat bei Neoprene auf das Marx/Engelsistische oder ML-Geschichtsmodell der „vorwärtstreibenden“ Technik-Entwicklung (und der Anpassung der Produktionsverhältnisse und ihrer „Gesetzmässigkeiten“ daran) bis hin zu deren „gesetzmässigen Anwendung bzw Ausnutzung“ im Realsozialismus eine vernichtende Attacke geritten: neoprene.blogsport.de/2013/06/…um-17-juni/#comment-85185

Es bleibt zu fragen, was nach einem solchen Angriff übrigbleibt – was an die Stelle des dermassen Angreifbaren zu setzen wäre – und ob nach einer solchen Ersetzung überhaupt Bedarf besteht.

Um solche Fragen geht es in meinem Blog.

Um mal ein bisschen vorwegzunehmen, was mir da vorschwebt:

Eine „technologische Strategie“ (mein theoretischer Jargon) stellt das Bindeglied dar zwischen einer gesellschaftlich, also kulturell massgeblichen Wissenserwerbsform (ich unterscheide: eine vorreligiöse, eine religiöse, eine moderne), genauer: dem damit jeweils erreichten Wissens- und Erfahrungsstand, einerseits; und den aus diesem Wissen bzw. Erfahrung erschlossenen Aufgaben der einfachen und erweiterten Reproduktion, die man in dieser Gesellschaft bzw. Kultur zu lösen versucht, andererseits.

Die von mir so genannte „INDUSTRIELLE technologische Strategie“ stellt die spezielle Form eines solchen Bindeglieds für die MODERNE dar: Moderner Wissenserwerb (naturwissenschaftliche Forschung) bzw seine spezifischen Resultate liefert quasi die Mittel und auch Zwecke (va in Gestalt von „Bedrohungen“ durch derzeit Nicht-Kontrollierbares in der Welt), mit denen wir unsere Reproduktion modern – arbeitsteilig – gesellschaftlich planen.

Diese Art, wie wir dabei unser Wissen über mögliche Mittel benutzen und im Gesamt der reproduktiven Zwecke organisieren, ist die gewählte „technologische Strategie“, der ich also den Namen „industriell“ gebe (ist ja wohl nicht ganz abwegig, aber hoffentlich auch nicht ganz banal).

Wodurch sie sich auszeichnet gegenüber vor- wie (denkbaren) nachmodernen (etwa „kommunalistischen“) Alternativen – worauf sie eigentlich zielt (Stichwort: Mittel für ALLE möglichen Wirkziele (Effekte, Können), die aber nie konkret „reproduktiv“ (bedürfnis-bezogen) bestimmt sind) – das möchte ich hier in meinem Blog (nach Einschaltung der nächsten Zwischenbemerkung 4: Über Bedürfnisse) weiter untersuchen.

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„Die Straßenränder hängen wieder voll von Grinsegesichtern“

27. August 2013
Wal, darin, was Politiker NICHT tun, wirst du dir, in so allgemeinen Formeln, schnell mit dem letzten Rechtspopulisten einig. Welches Interesse SOLLTEN sie denn vertreten? Ein „objektives“, ein subjektiv bestimmtes? Wessen? Da draussen schwirren hunderttausend Meinungen zu hunderttausend Themen herum, die Prinzipien, mit denen da jeweils votiert sind, sind meist verworren und wenig durchdacht (wie auch, ich mache die Betroffenen nicht verantwortlich).
Das Mörderische an der Demokratie (und darin istsie die Fortsetzung der Marktwirtschaft) ist, dass sie allen Ernstes verspricht, eine hoch differenzierte produktionsweise wie die moderne und ihre gsellschaftlichen Rahmenbedinungen steuern zu können, als herrsche allgemeiner und informierter Konsens über die Ziele – ganz ohne dass diese Informiertheit hergestellt, und der Konsens ausgehandelt wird. Bürgerliche Eliten und ihre Gefolgschaft (die sie wählt bzw „unter“ ihnen arbeitet und lebt) mögen einander hassen, verachten und kein gutes Haar an den jeweils andern lasen – diese Lebenslüge verbindet beide.

Fallstricke kommunalistischer Agitation

28. August 2013
In der Debatte, die Seldon da losgetreten hat, zeigt sich eine erste Hürde für die Absicht, an „kommunal“ definierten“ „Interessen“ anzusetzen: der Zusammenhang mit dem „System“ ist nicht griffig vermittelbar. Schön griffig wären die Immobilienhaie, solche wie noch zu Joschka Fischers Frankfurter Tagen, an und in denen sich das System konzentriert und auf die sich der Gegensatz zuspitzen lässt (Seldon vermisst sie ein bisschen…). Ganz anders, wenn sich die Bevölkerung gedanklich selbst in allen möglichen Dimensionen soziologisch betrachtet und immer wieder breite Streuung von allem möglichen, somit Unterschiede in aller und jeder Hinsicht an sich bemerkt. Irgendwie ist der Gesichtspunkt des GEMEINSAMEN, das man in den Tatsachen aufsucht, des gemeinsamen Interesses, einer, der entweder schon da ist, oder durch die aufgezeigten Statistiken oder gar Theoriefragmente auch nicht mehr hinterm Ofen hervorzulocken ist. Um ehrlich zu sein: Ich glaub einfach nicht, dass Leute Kommun(al)isten werden, weil sie ewig gelackmeierte Eigentümer (ihrer Arbeitskraft und vergleichsweise viel zu mickrigen Vermögen) sind. Vom Eigentümer-Standpunkt, den sie dabei doch erst noch einnehmen sollen, denn da wird ihnen ja vorgerechnet, wie und wodurch sie geschädigt werden, sollen sie irgendwo so wegkommen, dass ihnen gezeigt wird, dass die Schädigung SYSTEM hat. Bloss – wenn sie auf SYSTEM-Ursachen für dies und jenes je geachtet hätten – wenn diese Kategorie überhaupt in ihrem Gesichtskreis läge – würden sie sich im Leben nicht mehr als Eigentümer aufführen. Das ist die ewig und immer wieder auszutragende Debatte über: Wie freiwillig ist eigentlich die Zustimmung? Wir Kommun(al)isten können ja auch Lohnabhängige oder auch andres sein, und sind doch ständig auf die System-Betrachtung fixiert. Unser Status in diesem System ist doch bloss Ausgangspunkt praktischer Erwägungen für die Arbeit daran, dass man davon wegkommt. Das ist nicht der Gesichtspunkt derer, die agitiert werden sollen. Irgendwie ist da der feste Stand-Punkt nicht betreten, von wo aus man die Eigentümerwelt aus den Angeln hebt…
PS: @Neoprene (falls du das hier liest): Das ist unter Umständen kurz und knackig die Erwiderung auf den Wunsch Peter Deckers, die Arbeiter möchten doch endlich mal statt „Missmanagement“ „Management!“ schreien. Ja klar – wenn sie DAS machen, ist die Wasserscheide überschritten. Und das gilt eben auch für alle Versuche des Aufzeigens, dass ihre Schäden System haben. System-Betrachtung ist halt nicht ihrs… Und so Seldons Freunde ihres Viertels…

Der ehrbare Stand der kleinen und Arbeitsleute… verkleinbürgert?

29. August 2013+1
Kurz ergänzt, was Neoprene und Wal schreiben: Die „Teleologie“ und der Determinismus besteht in der Erwartung, die „objektive Stellung“ (im Auge des Erwarters) der Betroffenen erzwinge – am besten noch ergänzt durch „ob sie wollen, oder nicht“ – eine bestimmte, nämlich genau diese Einsicht des Erwarters. Arbeiter als Arbeiter sind prädestiniert, System-kritische Revolutionäre und Kommunisten zu werden. Manchmal, wenn der Glaube wankend wird, hadern die Gläubigen dann mit ihrem Glauben, die Verwendung von „Kleinbürger“ ist so ein Frust-Ausdruck: Tun, als wärn sie sowas wie Eigentümer (von „Humankapital“, wie Ärzte und Anwälte; von „Klein“-Betrieben, wie Handwerker und Bauern). Aber genau das tun sie, abstrahieren von der Besonderheit ihres Eigentums und der unabänderlichen Chancenlosigkeit, und spielen lieber Lotto. Der Glaube ist aber mächtig genug, dass er sich gegen die Anfechtung auflehnt, und dann gleich wieder sich die „objektiven“ Entwicklungen zurechtlegt, die solch eine, naja, dann doch wohl bloss vorübergehende Entgleisung (demoralisiert, desorganisiert durch Vermischung der Stände nach oben, Arbeiten mit Ingenieuren, ABER EBEN AUCH nach unten, ha! gegenwirkende Tendenz!) einordnen lassen. O alte Klassenherrlichkeit, wohin bist du entschwunden…

die Schalter für den Übergang…

29. August 2013+1
Aber genau danach schlage ich vor endlich einmal zu fragen. Was sind das für Schalter? Wieso interessiert das eigentlich niemand? Laufen denn immer noch alle mit einem Zusammenbruchs-Szenario im Kopf herum – so im Sinn von: Der Kapitalismus schafft sich schon von selber ab, da muss man nur geduldig sein? Ich stell immer wieder die Frage: Wieso sind wir Kommun(al)isten, und die andern nicht? Wie sind WIR denn dahin gekommen? Und gleich als nächstes die Frage: Warum nach Antworten auf diese Frage kein Bedarf besteht? Sind die vorhandenen Erklärungen (gibts welche?) so befriedigend?
(Man könnte beides, nebenbei, auch für Religion (Esoterik, „Spiritualität“ etc) fragen…)

Deine These…

30. August 2013
Wal, deine Ausgangsthese präzisiert einen etwas abstrakteren Gedanken: Ökologisches Produzieren muss system-artig geplant sien und KANN garnicht anders geplant werden als nicht-privat. Und wenn, wie du es korrekterweise machst, in die „Öko-Bilanz“ auch noch die uns allen allernächste Natur, unser Körper, mit einbezogen wird (was, nebenbei, bedeutet, dass die Einzelnen sorgfältig auf sich achten und melden, was sie brauchen), dann weiss ich nicht, was eine solche Produktionsweise noch von einer kommun(al)istischen unterscheidet. Das kann man auch als Tendenz-Aussage formulieren: Je mehr so, nämlich natur- und bedürfnis-gerecht, desto un-kapitalistischer und un-privater kann nur noch produziert werden. Und ich meine: genau DAS ist die Formel für die – auf dem Boden der bisherigen – neu entwickelte und sich herausbildende Produktionsweise pder auch Produktionsaufgabe, der der Kapitalismus als veraltetes Produktionsverhältnis hemmend gegenübersteht. Ökologische und Arbeitsschutz-Anforderungen heissen bei Privatwirtschafts-Fans BÜROKRATIE. Der objektive Gehalt darin, die Notwendigkeit, die mit-bilanziert werden, und ins Verhältnis zum Gesamtnutzen dessen, was sie da produzieren, gestezt werden muss, ist ihnen nicht einmal ansatzweise geläufig.
Darauf aufmerksam sein, ist eines, die andern, nicht nur Eliten, sondern auch ihre innerbetrieblichen Gefolgschaften hier und anderswo drauf aufmerksam machen, leider etwas ganz andres. Sie sollen zu so viel mehr als ihrem unmittelbaren Alltagsgeschäft Stellung nehmen, Einsichten ausbilden und nachvollziehen, Informationen und Argumente prüfen… Das alles liegt völlig ausserhalb des Horizonts beider, bürgerlicher Eliten wie ihres dienstbaren Fussvolks. Was in der Hinsicht geleistet wird, ist, wie dein Beispiel zeigt, erbärmlich unzulänglich und wird gleichzeitig lachhaft übertrieben gefeiert. Inszenierungen, Symbolpolitik ersetzen nüchterne und kenntnisreiche Berechnung. Genau so verhält sich eine historisch überholte ökonomische Formation. Sie geht unter, ohne es zu merken.

Die Ursachen der Unterschiede…

30. August 2013
..zwischen uns interessieren mich nicht weniger als die zwischen „uns“ hier (soweit uns was gemeinam ist) und denen da draussen.
Der Übergang zu kollektivem, und – wie sich in unseren gemeinsamen Überlegungen hier andeutet – epochal neuem, weil ökologischen, bedürfnis-orieniterten (und darum anders als zwangfrei-kollektiv garnicht bewältigbarem) Planen der gemeinsamen Reproduktion stellt sich uns als schwierige und in vielen Hinsichten völlig ungelöste Aufgabe dar. Warum stellen sich einige diese Aufgabe, und soviele andere (erstmal) nicht? Sollen wir das rassistisch, biologistisch deuten (nebenbei, warum genau sollten wir das nicht – die Widerlegung dieser Einstellungen könnte auch mal irgendwo hingeschrieben werden..)? Kann man nicht, in aller Vorsicht, aus dem, was die Pioniere als gemeinsamen Bestand in sich vorfinden, auf das schliessen, was den andern derzeit noch fehlt? Und daraus entweder (ich greife dem Resultat nicht vor, erwäge bloss die Möglichkeiten), soweit es sich als beeinflussbar erweist, eine Strategie (und sei es auch eine des „Sammelns“ und gzeielteren Ansprechens derer, die geeigneter erscheinen) oder, soweit es nicht oder kaum beschleunigbar ist, eine Prognose und eine Weise des vorläufig Sich-Einrichtens ableiten?
Warum ist das so uninteressant?
Immerhin hat der Ausgangsthread mit Überlegungen zu möglicherweise verbürgerlichten Arbeitern begonnen (worauf Neoprene, und speziell ich in etwas ironischer Weise, sinngemäss erwidert haben, dass die eigentlich immer bürgerlich waren und für die in sie gesetzten Hoffnungen wenig Anhaltspunkte boten).
Also stimmen diese Überlegungen…? Und wenn nicht – ist es so unwichtig, durch was man sie ersetzt?

Kapitalismus, Manager, Kommunalismus, ökologisches Produzieren

31. August 2013
Bernd, vor allen Hinweisen auf Motive steht die Behauptung von Radikalökologen: dass eine natur-gemässe Produktionsweise technologisch vollkommen anders aufgebaut sein muss als die derzeitige industrielle. Da die Biosphäre und die geophysikalischen Bedingungen ihrer Erhaltung ein den Planeten umspannendes System darstellen,ist es unmöglich, diesem Gebilde gegenüber eine „private“ Stellung einzunehmen. Eine Ressourcen-sparende, mit Natur-Ressourcen und biosphären-gemässen Verfahren arbeitende Technologie muss um Grössenordnungen geplanter und „forschungs-orientierter“ verlaufen als die gegenwärtige. Die Trennung von forschenden und entwickelnden Experten einerseits, Produzenten und „Nutzern“ (von Technologien) andererseits muss dort entfallen. Sogar wenn die kapitalistische Produktionsweise formell niemals aufgehoben und „abgeschafft“ würde, wäre der gesellschaftlich verbindliche Entschluss, natur-gemäss zu produzieren, das Ende einer privaten Verfügung über Produktionsmittel. Ich denke, dass dies die Richtung ist, in die auch Wal denkt.
Ökologische Rücksichten sind nicht einfach eine Dimension mehr in einem Bündel an „zu optimierenden“ Anforderungen an beliebige Industrieverfahren, so wie das heute gesehen wird („Ökonomie und Ökologie kein Gegensatz“): Was Wal oben beklagt, die Neigung zur Kurzfristigkeit und Kurzsichtigkeit der berücksichtigten Einflüsse, die von einer Einzel-Technologie bzw. Produktionsstätte/Betrieb ausgehen, umgekehrt, die fast automatische Externalisierung von Kosten – das ist Ausdruck des systematischen Defizits jeder industriellen technologischen Strategie (und nur mit ihr kann Kapitalismus als politökonomische Form überhaupt gedacht werden).
Ohne die wahnwitzige, wahnwitzig kosten-verzerrende Transport-Infrastruktur müsste „Produktivität“ völlig neu definiert werden, nämlich ständig unter LOKALEN Bedingungen. Dezentrale Fertigbarkeit würde ein wichtiges Konstruktionsmerkmal. Kreislaufwirtschaft würde das Denken in technischen Systemen und MODULARITÄT (Mehrfach-Verwendbarkeit und Synergie-Fähigkeit) des Einzel-Elements darin in den Vordergrund rücken, darüberhinaus (renee erinnert daran) Eigenschaften wie Robustheit, leichte Reparierbarkeit, „fehler-verzeihende“ Nutzbarkeit, Einsetzbarkeit in vielen Umgebungen, Reduktion auf technische Grundfunktionen, die leicht vor Ort von Nutzern (mit bei ihnen vorhandenen technischen Mitteln zB der Metall-Bearbeitung) für spezielle Zwecke aufgerüstet werden können).. Die zusätzlich von Wal sehr zurecht geforderten Rücksichten auf die Benutzer würden weitere technische Anforderungen definieren – bei der Wahl technischer Verfahren würde genau darauf geachtet werden, wieviel Arbeitsteilung sie erzwingen, welche relative Häufigkeit, also Verteilung bestimmter Kompetenzen in wie grossen lokalen Gemeinschaften sie benötigen. Umgekehrt würde ständig darauf geachtet, welche Anteile der lokal überhaupt benötigten Güter, gewichtet nach dem Grad ihrer Wichtigkeit für die Reproduktion der Bewohner, dort oder in der Nähe hergestellt werden können.
Ich möchte es bei diesen Andeutungen belassen, die themen sind ja auch Gegenstand der Überlegungen (vor allem geplanter) in meinem Blog.

Individuen, und Gruppen von ihnen

31. August 2013+1
Was hier als Beispiel für biographisches und „individuelles Material angeführt wird, ist so fahrig und gleichgültig, dass es einzig zur Bebilderung des vorab feststehenden Urteils taugt: Da ist nichts herauszufinden.
Dagegen sage ich: Die Erwartung, es werde IRGENDWIE zu „gesellschaftlichen“ Vorgängen kommen, die den Linken erwünscht sind, das werde womöglich vom Einzelwillen unabhängig oder gleichgüktig gegen die besonderen Verläufe so stattfinden, die in den Einzelköpfen und Einzel-Bewusstseinen sich abspielen – diese Erwartung, und die daraus resultierende Art von Politik waren und sind womöglich der entscheidende Grund für das ansgesprochene politische Scheitern.
Die Erwartung geht einher mit einem theoretischen Defizit, ja geradezu der Weigerung, hier nachzudenken und die Lücke zu füllen.
renee, mich solltest du da nicht erwähnen, ich halte die Fixierung auf „Gesellschaft“, „grosse Mehrheiten“, charakterisiert durch das gemeinsame Merkmal „Lohnabhängigkeit“ (als EINZIGES Merkmal von Interesse; für die Linken schon, für die Betroffenen eben nicht) für theoretisch und praktisch katastrophal.
Es wäre eben wichtig herauszufinden: welche Interessens-Ausrichtung bei welchen Gruppen sie daran hindern, auf dieses gemeinsame Merikmal aufmerksam zu werden. Wal hat sich vor kurzem so geäussert:
„Insgesamt wünschen sich die Menschen den Kapitalismus schön, oder sie trinken ihn sich schön, oder sie weigern sich weiter darüber nachzudenken, weil das Leben sonst noch anstrengender wird. Sind wir radikale Linken denn glücklicher? Für mich kann ich diese Frage bejahen. Aber von außen ist dieses Glück nicht so leicht zu sehen. Von außen haben es radikale Linke schwerer noch als der Durchschnitt. Auch das ist in einer Klassengesellschaft mehr oder minder zwangsläufig. Nein, in unserem Rechtsstaat müssen wir radikale Linke (im Normalfall) nicht um unser Leben fürchten. Aber ansonsten bekommt man als radikaler Linker tausend Steine in den Lebensweg gelegt. Das macht es (scheinbar) irrational radikal und links zu werden und zu bleiben.“
Für Wal endet da das weitere Nachdenken. Ich sage: Da muss es endlich einsetzen.

Was ist denn das Ziel? (Nicht wirklich ein Beitrag…)

1. September 2013
Das Ziel ist: zwangfreie Planung, Abstimmung der Reproduktion der (Welt)Gesellschaft auf (welt)gesellschaftlicher Stufenleiter.
Das zu befürworten nenne ich: (radikal, konsequent) links – von mir aus auch: libertär-kommunistisch, kommunalistisch, um die Staats-Sozialisten draussenzulassen.
Und in DEM Sinn möchte ich schon, MUSS ich ja wollen, dass die andern um mich herum so werden – wie sonst soll die gemeinsame Planung ohne Zwang funktionieren?

Diese Zielsetzung ist nun aber nicht eine, bei der man so ohne weiteres Wörter wie „Mittel, bewirken“ benutzen kann.
Wat ahnt das, und relativiert diese Wortwahl gleich anschliessend mit defensiven Beteuerungen: meine Vorstellung bloss eine unter vielen, die vielen verschmelzen zur gemeinsamen, keine soll bestimmend sein, manche werden überstimmt.

Da ist eine kaum bemerkte Leerstelle: Wie wird denn Gemeinsamkeit hergestellt? Wie im Bezug auf Einzel-Entscheidungen unter denen, die das Prinzip „zwangfreie Einigung“ befürworten und für sich repräsentieren? Wie mit denen, die es nicht tun?

Und da ist ein Fehleindruck, der bei Wal entstanden ist und dringend korrigiert werden muss: Ich rede von (ohne eigenes Verdienst) fortgeschrittenen Stufem nicht des MENSCHseins, denn das ist allen Menschen aller Zeiten (als Lern-Potential) gemeinsam.*) Sondern von Stufen historischen, gesellschaftlichen, kulturellen Lernens, und zwar speziell solchen Lernens, das vom Leben der Einzelnen, die diese Fortschritte verkörpern, nicht abtrennbar ist (abtrennbar in Gestalt versachlichter Medien: niedergeschriebener Argumente oder Wissensresultate, die man aufbewahren kann). Auch wenn diese Einzelnen die Art ihrer Fortgeschrittenheit erst garnicht einordnen, beschreiben oder als solche erkennen können.
*) Dieser Punkt, ausgeführt, wäre die Rassismus- und Biologismus-Widerlegung.

Das Wort „Eignung“ ist eher unglücklich gewählt, die Besonderheit der „Geeigneten“ besteht in einer ohne Einwirkung von aussen, von selbst, unerklärbar woher, bestehenden BEREITSCHAFT, sich zwangfrei mit andern auf der Ebene der Lebenseinrichtung und Lebensführung zu treffen und mit ihnen zusammen weiterzugehen.
Genau DIESE Bereitschaft ist – so meine Vermutung – das bislang fortgeschrittenste Produkt unabsichtlichen historischen Lernens und Erfahrungen-Machens über mehrere Generationen (in allen modernisierten Territorien) weg – Erfahrungen, die auf genau dieser Ebene der Lebenseinrichtung und Lebensführung (mit andern, die einem auf dieser Ebene begegnen) angesiedelt sind. Also in Familien, Freundeskreisen, unter Arbeitskollegen, Nachbarn – den Leuten, die man kennt, mag und nicht mag.
Ein äusserst wichtiger Schritt in dieser öffentlich relativ unauffälligen, nicht-bemerkten oder nicht für bemerkenswert gealtenen, dennoch gesamt-gesellschaftlichen Entwicklung in der Privatsphäre (zugleich Anzeichen für ihr Stattfinden) ist die Auflösung erst der sexistischen Anbindung bestimmter gender-Identitäten und Beziehungsentwürfe ans biologische Geschlecht (übrigens auch in der Variante des HomoSEXUELLEN), dann auch der in den ursprünglichen (heute verschwundenen) genders gebündelten Persönlichkeits-Merkmale, und ihre Rekombination zu völlig neuen Identitäten und Beziehungsentwürfen.
(Das zu erhellen, ist – ob es einem gefällt oder nicht (ich selbst habe es lang nicht gesehen) – der Beitrag einer radikal-feministischen Theorie zur linksradikalen Gesellschafts-Erklärung.)

Kommunismus, im Kern vor allem verstanden als kollektive, rationale Erfahrungs- und Wissensverarbeitung, erwächst aus der „Verschmelzung“ der Lebensführung von Leuten, die genau dazu die an ihnen unabsichtlich historisch ausgebildete Bereitschaft mitbringen – in einer Weise, wie man sie bis dahin allenfalls innerhalb von „Paaren“ für möglich gehalten hat. Aus der gemeinsamen Lebenseinrichtung, der Zusammenführung der Lebenserfahrungen (des WESENTLICHEN und gemeinsam als solchen Begriffenen daran) erwächst die Fähigkeit, ab da (bedürfnisgerecht, ökologisch, und darauf orientiert, das historische Gefälle zur umgebenden Gesellschaft Stufe für Stufe abzubauen) die gemeinsame Reproduktion zwangfrei, geplant, abgestimmt zu gestalten und auszudehnen.

Dies ist nicht der Vorschlag einer Strategie; eher eine vorsichtige Prognose: So wird es gehen, wenn es überhaupt geht.
Kommunismus, das Hauptthema der „Linken“ in der Vergangenheit (auch das im Nachinein höchst aufarbeitens- und verstehens-bedürftig), wird für diese Leute eine absolute Selbstverständlichkeit sein, die man garnicht mehr extra erwähnt. Ich spreche von Leuten, die die FÄHIGKEIT zu einer solchen zwangfreien Maximal-Vergesellschaftung haben, weil sie die BEREITSCHAFT dazu (zunächst: unerklärlicherweise, im Lauf der Zeit klärt es sich dann schon, durch Vergleich der Lebensläufe) einfach von sich aus mitbringen.

Es ist auch keine These, deren „Beweis“ hier angetreten werden könnte (wenn es so etwas wie eine (derzeit höchst überflüssige) Begründung für die Notwendigkeit dieser Entwicklung, somit der Berechtigung der darauf bezüglichen Prognose, gibt, dann könnte man sie auf meiner website finden, wenn man sich die Mühe machen wollte). Die beste Bestätigung, die es geben könnte, wäre die Entstehung einer wachsenden solchen Gruppe, und das, was sie zwanglos, ganz ohne Theorie, über sich und ihr Zustandekommen erzählen könnte. Das wäre abzuwarten.

Übrigens glaube ich, dass einige, die hier schreiben und sich zu gemeinsamen Auffassungen zusammengefunden haben, ins weitere Umfeld dieser Art Leute gehören. (Erster Hinweis hierzu: Die „Geeignetheit“ zeigt sich offen erst an Leuten ca. jenseits 45-50.)

Eine Bitte: Ich schreibe dies eher als eine Art persönliche Mitteilung – nicht mit dem Anspruch, ein Beitrag von allgemeinem Interesse für gemeinsame Fragestellungen zu sein. Dazu ist mir das Windige und derzeit fast schon Polit-Esoterische dieser „Prognose“, so zurückhaltend ich sie auch formuliere, nur allzu schmerzlich bewusst. Darum bin ich auch sehr im Zweifel, ob die Veröffentlichung dieses Textes hier überhaupt angemessen ist, und bin jederzeit bereit, ihn bei entsprechenden Hinweisen zu löschen.

Antwort an Bernd, nochmal das thread-Thema

2. September 2013
Bernd, die Frage ist, was eigentlich Leute dazu bringt, eigentumsfreie Vergesellschaftung zu befürworten: Ist es bereits ihre Klassenlage als Lohnabhängige? Wenn das Sein das Bewusstsein bestimmt – dann erzeugt genau diese Lage ein uneindeutiges Ergebnis: Ich kann da bekanntlich die Stellung einnehmen, dass Lohnarbeit „nun mal“ mein Mittel ist (der Betrieb, von dessen Erfolg die Tauglichkeit dieses Mittels abhängt, ebenso), und versuchen, mit Verbündeten wie Betriebsrat, Management und Sozialstaat über die Runden zu kommen. Oder auch völlig passiv und unpolitisch sein. ch kann Nazi oder Zeuge Jehovas werden. Ich kann Fragen nach dem System stellen, das meine „Klassenlage“ erst definiert, und versuchen, mir auszurechnen, welche Chancen ich hier und in für mich denkbaren Alternativen habe (und wieviel Chancen obendrein, andere in meiner Klassenlage dafür zu gewinnen.)
Seitdem die Hypothese aufgestellt wurde, dass Lohnarbeiter als solche prädestiniert sind, zu „Kommunisten“ (Staatskommunisten? Kommunalisten? „Radikalen?) oder wenigstens Kommunismus-Befürwortern (ist da ein Unterschied?) zu werden, hat es derart viel Entwicklung und Entfaltung des Kapitalismus gegeben, dass man schon mal erste Tendenzaussagen zum Wahrheitsgehalt der Hypothese machen darf, und die lauten dann wohl: Sie hat sich nicht bewahrheitet.
Die Frage, wie und warum Leute zu Kommunismus-Befürwortern werden, ist derzeit unbeantwortet.
Die, die bereits welche sind, begreifen kaum, wie man es nicht sein kann (und haben eigentlich keine Erklärung dafür, wie sie selbst so geworden sind), die, die es nicht sind, begreifen nicht, wie man es werden kann.
(Darin ähnelt das Verhältnis zwischen Kommunismus-Befürwortern und den andern dem von Areligiösen und (in irgendeinem Sinn, also auch esoterisch-spirituell, metaphysisch) Gläubigen. Das ist ähnlich unbegriffen.)

„Notwendige Arbeit“ und „Mehrarbeit“

5. September 2013
Verzeihung, wenn ich mich einmische… ich dachte, der Hinweis auf die beiden Begriffe in der Überschirft könnte vielleicht weiterhelfen.
Es ist nämlich im Szneario mit der neuen Technologie ein Schritt nicht so genau benannt – was IST denn der Effekt dieser Einführung?
Die Lohnkost oder Arbeitszeit, in der der Arbeiter tatsächlich für seine Lebensmittel arbeitet, bleibt gleich, stellt sich aber pro Arbeitstag in einem grösseren Produkt dar – der Anteil für Lohnkost bzw notwendigen Arbeit pro Einheit des Produkts sinkt. Andererseits bleibt der WERT des Produkts erstmal noch derselbe, es sei denn, der betreffende Kpitalist senkt ein bisschen den Preis und macht (mit einer gegenüber dem Ausgangszustand immer noch verbesserten Profitrate) dasselbe auf erweiterter Stufenleiter. Beide Bewegungen kommen mit einem oder auch mehreren Akteuren gleichzeitig vor, so sinkt ja dann auch der Wert – es wird einfach Durchschnitt und üblich, mit dieser neuen Technologie zu produzieren. Wurde schon erklärt.
In den Überlegungen zur Steigerung von relativem und absoluten Mehrwert hat Marx beschrieben, was Kapitalisten sich so alles einfallen lassen können, um das Argument „aber dein Lebensunterhalt ist doch gesichert“ für die Senkung der Stück-Lohnkosten (und auch Steigerung des Durchsatzes, des Produktionsausstosses pro Zeit, heisst heute Flexibilisierung) zu nutzen. Wals Hinweis, das eine habe nichts mit dem andern zu tun, ist also bereits Wiedergabe der Kapitalisten-Position im Hin und her um Lohn und wer wieviel warum (nicht) verdient.
Die Kapitalisten sind Grossgrundbesitzern in vorkapitalistischen Zeiten zu vergleichen: Sie haben schlicht das wichtigste Produktionsmittel, im Fall moderner Gesellschaften ist das die Industrie, in der Hand, und können die unmittelbaren Produzenten zu allem möglichen erpressen. Vor allem dazu, sich das Argument mit dem Lebensunterhalt (der vielleicht immer noch grösser ist als beim Leiharbeitskollegen, oder gar HartzIV-ler, also halt still) gefallen zu lassen. Und das geht solang wie bei Grossgrundbesitzern, bloss dass man die Industrie halt nicht mehr so gut in Selbstversorgungseinheiten stückeln kann, und die Arbeiter, wenn sie diesen Apparat übernehmen, irgendwie zu gemeinsamer Planung kommen müssen. Oder, sie lassen sich weiter erpressen.
Anmerkung 1: Auch im Kommunismus wäre neue Technologie mit Arbeitsmehrprodukt zu erstellen gewesen (und, nebenbei, vielleicht noch anderen Überschüssen, denn in einer nicht mehr GANZ früh-industriellen Produktionsumgebung sind auch Produktionsfaktoren nicht gleichzeitig für alles zu verwenden, müssen Innovationen mit Überschüssen, nicht nur an Arbeitskraft, produziert werden (wenn der Betrieb weiterlaufen soll) (es sei denn, die Produktionsfaktoren werden neu angeordnet, aber das geschieht meist mit neuen Ingredienzien, die eben zusätzlich hergestellt werden müssen).
Anmerkung 2: Den Profit als Lohn für Innovation anzusehen, setzt die Eigentumsverteilung voraus: So mancher hätte vielleicht so manche innovative Idee, man muss aber Eigentümer sein, um die Chance zu haben, sie auszuprobieren. Für Klassengesellschaft gibts einfach kein gutes Argument. Ausser… dass die Lohnabhängigen derzeit einfach nicht genug dagegen haben.

Wählen oder Nichtwählen oder ganz was andres?

5. September 2013
Tja. Sowas gibts unter den aufgeklärtesten Menschen, dass sie den Weg der schwarzen Katze nicht kreuzen, oder ihnen doch irgendwie mulmig ist. Warum sollte es bei sozialmagischem Aberglauben anders sein. Es reicht offenbar nicht einzusehen, dass die Eigentumsverhältnisse der Schlüssel zu allem und jedem wären, und bei der Wahl nicht zur Abstimmung gestellt werden. Man muss dann auch noch eine heilige (Ab)Scheu entwickeln, um den irgendwie offenbar doch bestehenden Verlockungen dieses Nichtmittels zu widerstehen. Könnte man da nicht DOCH ein ganz klitzekleines bisschen bewegen, hat man nicht DOCH ein kleines bisschen Macht in Händen?
Ich sags mal andersrum: Wenn die Hälfte oder mehr der Bevölkerung kommunistisch leben will, wird sich das irgendwie bemerkbar machen. Das Problem ist halt, dass sie nicht wollen. Und nicht, dass mans nicht merkt.

Die Grenzen der (Schadens)Wachstumsziffern

5. September 2013
Der ganze Ansatz zielt auf Schadens-Messung, um anschliessend wie bei Emissionsrechten Konkurrenz um die Lizenz zum (ah, immerhin begrenzten) Schädigen einzurichten – da, wo es noch keine unmittelbaren Eigentümer gibt wie etwa Ölscheichs. Dort sind nämlich DIE lizenziert zur Lizenz-Vergabe. An letzteren kann man ein grundsätzliches Problem dieses „Ansatzes“ erkennen: Welche Preisanstiege sind etwa bei der Annäherung an den peak of oil angemessen? (Beim Öl gibts dann noch ein delikates Wechselverhältnis zwischen Preis und beabsichtigter Kontingentierung (oder besser, Kontingent-Ausweitung)…
Entscheidend aber ist, dass das ganze am Beispiel der knappen mineralischen Ressource entlang definiert ist: Wieviel Kupfer oder Öl (differenziert nach Zugänglichkeit) gibts insgesamt? Das ermöglicht halbswegs homogene Verbrauchsgrössen. Aber es geht ja nicht ums Wasser, sondern Wasset in einer bestimmten Umgebung – indexiere mal die Folgen der Entnahme, die können komplett unterschiedlich sein. Gleiches gilt für Erosion: Mag schon sein, dass Riesen-Erdlöcher fast überall Schaden anrichten, aber in der Wüste Gobi ists vielleicht doch etwas anders als in einem idyllischen Flusstal.
Und dann, andere Form der Ungleichverteilung oder Inhomogenität von Schäden (Schadensverteilung, Entschädigung): Miss Flächenverbrauch, speziell etwa mit Bezug auf Hochwasserpegel-Absenkung: Warum grade HIER und nicht dort bei euch? Und warum soviel, könnten nicht höhere Deiche billiger kommen?
Vollends unkalkulierbar wird das Ganze, wenn klar ist, dass da eine Belastung durch alles mögliche steigt – bloss der Beitrag der Einzel-Immission ist nicht klar, Synergien sind nicht klar usw Toxizität, und Risiko-Abschätzung – wie sollen die denn beziffert werden? Normalerweise ist ja meist nur bekannt, dass irgendwas nicht so ganz gut ist… ansonsten weiss bei vielem die Wissenschaft auch nicht so genau bescheid.

Mehrprodukt ist nicht Mehrwert

5. September 2013
Nein Wat, Mehrprodukt ist da was geplantes und im Konsens aller (bzw derer die mitmachen wollen) Erarbeitetes. Ausser Reserve und Notrücklage gibts ja vielleicht auch noch den Wunsch, da und dort was Neues auszuprobieren und, wenns gut ist, allen zugänglich zu machen. Dafür brauchts auch Reserven. Das geht beim Forschen und Experimentieren schon los. Mehrprodukt ist, was die Leute in ihrer „disposable time“ (und, ich wiederhols nochmal, mit ihren ebenso „disposable means“: frei verfügbare Zeit UND Mittel) über das für Aufrechterhaltung des aktuellen Status quo (seiner „einfachen Reproduktion“) Nötige hinaus machen. Einige oder viele mit Zustimmunhg der andern – wie auch immer. Das hat nichts mit Zwang zu tun, aber mit Konsens schon, sobald die gemeinsamen Überschüsse (Reserven usw) genutzt werden.

explain game, das wärs doch…

5. September 2013+1
Wal, danke für die Klarstellungen… welches gesellschaftliche Sein speziell der deutschen Bevölkerung bestimmt jetzt aber genau ihre Resistenz gegen linke Argumente? (Sind die etwa, was Deutsche anlangt, verkehrt? Das wär dann wohl die einfachste Erklärung…)
In der Debatte gehts, wenn man sich ein bisschen zusammenreisst, eigentlich nicht um Schuldzuweisungen, sondern könnte, genau so, wie ich es sagen wollte und Neoprene es richtig gedeutet hat, um das erneute Aufwerfen der Frage gehen, die offenbar für überflüssig gehalten wird: Warum werden Leute Kommunisten, oder „radikal“ (den Unterschied, den du da neulich gemacht haben wolltest, Wal, hab ich immer noch nicht begriffen)?

Der Satz vom Sein usw kann aufgefasst werden als banal wahr (müssen sich zu ihrer vorgefundenen Situation stellen und dann irgendwie handeln), oder banal falsch (Situation erzwingt ihre Einschätzung in bestimmter Weise), oder schlicht als Zuspitzung einer Kontroverse unter Philosophen, die genau das falsch Herausgelesene behaupten wollen: Die subjektiven Geister können denken und wollen, wie sie lustig sind, die List der welthistorischen Vernunft zwingt sie am Ende, ansonsten um so schlimmer für die Tatsachen (Originalton Hegel). Daran ist, jetzt mal kurz philosophisch gesprochen, soviel richtig: dass auch subjektive Geister nicht ständig Blödsinn denken, sagen, tun können, ohne dass der Verdacht aufkommt (falls da noch jemand ist, der ihn hegt), dass sie die längste Zeit „Geist“ gehabt haben. Sowas kommt vor, ist aber (derzeit, noch) nicht die Regel.

An speziell der Art, wie sich MG und GSP (immerhin!) an einer rationellen Interpretation des Spruchs abgearbeitet haben, ist abzulesen, wie wenig Erklärung er eigentlich bietet (und dazu war er wohl auch nicht gedacht). Die wesentlichen Kategorien, mit denen zu begreifen wäre, was Leute (an Erfahrung usw) brauchen, um ihre vorfindliche Lage so oder anders zu deuten, sind derzeit, soweit ich sehe, im linken Denken nicht verfügbar. Irgendwie hat es ja die ganze Zeit immer die krisenhafte Zuspitzung des Kapitalismus leisten sollen, der sie zur Verzweiflung und zum Äussersten („jetzt hilft nur noch…“ (NPD?)) treiben sollte. Wenn die nicht zureicht.. was dann?

„richtiges Entgelt“ als „Richtschnur“ bzw Mass der Ausbeutung?

5. September 2013
NOCH weniger als mit der geleisteten Arbeit (Intensität, Dauer) hat der Lohn irgendwas ökonomisch Zwingendes mit der Arbeitsproduktivität zu tun. Die wird durch die neue Technologie gesteigert, vielleicht auch noch der Verbrauch an allem möglichen andern gesenkt, also sinken di Stücklohn- und sonstigen -Kosten des Technologie-Einführers. Fängt er nicht an, seinen Vorteil irgendwie zur Gewinnung grösserer Marktanteile zu nutzen, merkt bei gegebnen Marktpreisen für die betreffende Warensorte niemand was davon ausser der internen Buchhaltung. Was er aus seinem Vorteil macht, ist völlig offen, er kanns auch als Preissenkungsspielraum für Nachfrage-Einbrüche nutzen.
Und wenn jetzt die Arbeitsintensität aber gestiegen ist? Was ist dann gerecht?
Antwort: Alles, was die Arbeiter sich gefallen lassen.
Und die Analyse reicht doch, die besagt: Ihre notwendige Arbeit bei heutigem Arbeits-Produktivitätsniveau (was das für eine Produktivität ist, die ständig Natur, Ressourcen und Leute zerstört, steht auf einem andern Blatt) sinkt und sinkt – sie machen sich selber überflüssig, und konkurrieren um die verbleibenden „Arbeitsplätze“ als hohes Gut – das Arbeits-Mehrprodukt ist grösser denn je, soviel steht als Tendenzaussage fest, und die Kapitalisten dürfen es sich komplett aneignen, weil sie die Produktionsmittel besitzen. Noch Fragen, reypoor? (Das ist nicht patzig gemeint, sondern die theoretische Behauptung, dass das (spätestens wnen jemand die Begriffe verstanden hat) eigentlich alles ist, was man wissen muss, und auch wissen kann. Und… dass es für eine „Kritik“ völlig ausreicht. Oder wo sind die Lücken?)

Der Unterschied, auf den es entscheidend ankommt..

5. September 2013
.. ist doch, ob die Mehrarbeit über das zum Erhalt des Status quo hinaus Nötige (sie mag dann im Kommunismus heissen wie auch immer) hinsichtlich ihres Wieviel und Wofür von denen, die sie leisten ohne Zwang selbst geplant und freiwillig geleistet wird – oder ob in beiden Hinsichten erzwungen. An der Hässlichkeit des Zwangs kommt man nicht vorbei, selbst wenn sich die herrschenden „Eliten“ ständig drauf berufen, wieviel Neues da schon alles für die Menschheit erfunden wurde, wie billig es dann immer wieder wird, wieviel Allgemeinwohl-Dienliches mit den erzielten Überschüssen angestellt werden kann: Die Kosten der Produzenten werden dazu nicht ins Verjältnis gesetzt (nichtmal von ihnen selber, derzeit), geschweige denn, dass sie je hätten über dies Verhältnis selber befinden dürfen. Und… wie Wat sehr richtig angemerkt hat: Solang sie nichtmal dürfen, werden sie nicht lernen es zu können. Die Frage, inwiefern sie es können WOLLEN, ist dann ind er Tat eine ganz andre.

Ich möchte an der Stelle noch etwas anmerken, reypoor. Es hat für mich stark den Anschein, als würdest du nach weiteren Argumenten für eine De-Legitimierung des Kapitalismus suchen. Was ich hier bringe, klingt auch stark danach. Bei mir ist es aber garnicht „(de)legitimatorisch“ gemeint, also nicht moralisch. Ich halte die Trennung der Leute in Verantwortliche, meist ja Verantwortliche für irgendeinen mehr oder weniger winzigen Teil-Aspekt des grossen bürgerlichen Getriebes, und Passiv-Unzuständige, über die verfügt wird, vor allem für extrem riskant und daher schädlich. Kapitalistische Geellschaften lernen zu langsam, dafü´r drehen sie ein viel zu grosses Rad, dessen Lauf sie kaum vorhersehen oder beherrschen. An anderen Stellen in diesem Forum diskutieren wir über die Thesen in die Richtung, dass Kapitalismus schlicht unfähig ist, ökologisch zu sein. Wie auch immer – das ist die Richtung, in die meine Kritik geht. Unwissen, Unmündigkeit, Ungesteuertheit, Planlosigkeit sind die schlimmen Folgen der Zwänge, die die Klassengesellschaft ihren Angehörigen allseits auferlegt. Und spätestens darum geht es mit ihr vernünftigerweise nicht weiter.

Eine Frage der Wortwahl, da sollte man sich einigen können…

6. September 2013
„Mehrprodukt“, „Mehrarbeit“ könnte man mit Ausbeutung in Zusammenhang bringen, dann aber auch das von Marx selbst verwendete Wort „Akkumulationsfonds“.
Letzteres trifft eigentlich, was ich meine: Innovation, Forschung, Entwicklung. Mit „Luxus“ hat das nichts zu tun, es ist auch nicht wirklich Gegenbegriff zu „notwendig“ (von Marx wurde es gleich mit unter diesen Titel gebucht), drum hatte ich aus Verlegenheit den Ausdruck „Status quo“ bzw. dessen „einfache Reproduktion“ gewählt. Im Zweifel sind das Namen für zwei Abteilungen des (gemeinsam für „notwendig“ erachteten) kollektiven Plan-Budgets.

@Wat: …sind eigentlich keine Kinkerlitz-Krümel-Themen, die du da ansprichst…
Was stabil reproduktive Verhältnisse (Status quo) anlangt, kann man sich fragen, ob man sowas nicht auch mal anstreben sollte. Und… ob Reproduktion von der Natur erzwungen erscheint, hängt wesentlich davon ab, wie gut und bedürfnisorientiert man diese Reproduktion einrichtet. Kann sein, dass man dann „auf bedürfnis-orientierte Weise das zur Bedürfnis-Befriedigung Nötige erzeugt“. Das wär doch mal was.
Und darum schlag ich ja auch ständig vor, sich beim Nachdenken über kommunistisches Planen das Produzieren daraufhin anzuschauen, ob es vielleicht „bedürfnis-gerechter“ ablaufen könnte als heutzutage. Vielleicht so, dass man es dann nicht mehr auf-Teufel-komm-raus beschleunigen und verkürzen will, um danach endlich wahrhaft freie Zeit zu haben. Ist nur leidvolle Arbeit produktiv, ist Produktives immer entfremdend, anstrengend, möglichst zu vermeiden und zu reduzieren?

PS (2.Bearbeitung): Beim Wiederlesen seh ich grad, dass man missverstehen konnte, welchen „zwang“ ich meine: Natürlich die Erpressung der Arbeiter, sich Lohn-Stückkostensenkungen aller Art gefallen zu lassen. Danach sollen sie sich dann über alle möglichen positiven Folgen freuen, die das um 100000 Ecken rum für irgendwen hat, oder darüber, dass es so schrecklich „effizient“ ist. Sind aber nie gefragt worden, was davon sie eigentlich wollen…

Ich beobachte schon mal…

6. September 2013
Danke Wal, für den Hinweis auf die Untersuchung, da können wir (hier noch ohne Getränk) auf die Frage nach Sein und Bewusstsein zurückkommen… 🙂

Die Allensbacherin lass ich mal aussen vor, aber die linken Soziologen sind auch nicht ohne (homo academicus… ein abgehoben-Bourdieusches Feld für sich, nicht anders, als sies in ihrer Fussnote für die politische Klasse formulieren: ihre Fähigkeit zur professionellen Distanzierung des, hm, Gegenstands grenzt ans Entomologische (Insektenforscherliche)…
Mich fasziniert aus dem ganzen bunten Strauss an Interview-Fragen und Antwortern immer wieder die – auch negative – SYSTEM-Gläubigkeit: Das System leistet oder behindert, fördert Leistung oder Solidarität, und da muss man halt sein System wählen… wieso eigentlich? Wenn ihr leisten wollt, leistet doch. Das System leistet doch nicht. Bloss… beschwert euch dann nicht angesichts der grossartigen „Effizienz“ über mangelnde Solidarität und Arbeitshetze.
Wann werden diese Leute glauben, dass sie alles selber machen (könnten)? Und sie gleich welches system vergessen können…
(Ach… wann werden die Linken endlich das System vergessen? Die System-GLÄUBIGKEIT der Andern nicht, die ist leider sehr real, aber das, woran sie glauben.. Deine Überschrift hätte somit lauten sollen; Was glauben die Andern?)

Oh, das war wohl etwas zu flapsig angegangen…

7. September 2013
…wenn es so sein sollte, entschuldige das bitte. Es gab von seiten der Kommantatoren bei labournet, deren Beitrag du verlinkt hast, eine eigene Untersuchung und auch methodische Kritik am Allensbach-Procedere, darauf hab ich mich bezogen. Und… neben all den vielen, ohne jede logische Ordnung nebeneinander gestellten abgefragten oder in der Runde (bei den labournet-Leuten) erörterten Statementas gab es eben dieses eine: man halte den Kapitalismus (durchaus mit Bedauern gesagt) für alternativlos. Und an der Stelle wurde das dann doch kurz mal für etwas recht grundlegendes gehalten, wenn ich mich recht entsinne.

Eine schlechte Meinung von ihrem System (bei Allensbach mit Bezug auf Kapitalismus breitgetreten) hatten die Leute, mal mehr, mal weniger, „drüben“ (im Realsozialismus) schon lange, und „hier“ seit je her. Woran nie Zweifel auftauchen, ist, ob der Mensch ein „System“ braucht, und was für seltsam widersprüchliche „Leistugnen“ dadurch für ihn erbracht werden. Was ich letztlich sagen will (egal, ob in Anknüpfung an diesen einen peripheren Punkt in einer der Studien, oder ob ichs selber und von mir aus einbringe):

Solang „das System“ Gegenstand der Debatte ist, sei es der kitischen, oder aberd er legitimatorischen, ist etwas grundlegend verkehrt aus meiner Sicht. Und das gilt gerade auch für die Linke (hab ich schon gesagt), die sich von „Abschaffung“ des „Systems“ einen „systematischen“ Gewinn verspricht.
Während ich, um das kurz nochmal anzudeuten, glaube, dass das wesentliche an dieser Gesellschaftungseinrichtung die FEHLENDE Planung, Übersicht, Abstimmung, Konsensbildung ist. (Die „Abschaffung“ des Mangels besteht also darin, das Fehlende AUFZUBAUEN.)
Was sich ihre Befürworter dann an Verrücktheiten (und zugleich schlechten Meinungen davon) einfallen lassen, wie zB Geld, um die Folgen dieses Fehlens zu neurtralisieren, ja geradezu ins Gegenteil zu verkehren (der Markt plant ja soviel besser, informiert viel besser, führt viel konsensfähigere Güter-Allokationen herbei als jede Verhandlung oder faktische Absprache): das ist so gleichgültig, wie der besondere Inhalt irgendeines religiösen Glaubens (und der „Zweifel“, ob er so auch recht ist) über die bereits längst vorhandene (nur uns leider unbekannte) Beherrschtheit der Welt – Hauptsache, es ist überhaupt ein Glaube. Hauptsache, es ist überhaupt ein System, oder eben der Glaube daran. Der Glaube oder auch Aberglaube ans „System“ ist nur eben nicht bezogen auf Welt, sondern Gesellschaft.

Das ist gemeint als sehr ernsthafter Einwand gegen die (mögliche) Hoch- und Überschätzung „schlechter Meinungen“ beüglich Kapitalismus.

Wenns so wäre, sollt es mir recht sein…

7. September 2013
… aber erstens produzieren sie, soweit arbeitsteilig, auch für andre bzw für einander, zweitens produzieren sie auch MITeinander (und können da unterschiedliche Vorstellungen haben), drittens, es gibt auch selbstauferlegte Zwänge.
Und viertens, ich mache bloss Vorschläge, keine Vorschriften.
Das Problem erledigt sich auch aus meiner Sicht insofern von selbst, als sich bloss solche Leute zusammentun werden, die gemeinsame Vorstellungen haben, wie sie miteinander füreinander produzieren. Andre machen sich nicht auf den Weg. Ich teile ja bekanntlich nicht die Erwartung, dass sie sich massenhaft für Kommunismus entscheiden oder da reingetrieben werden, und sich dann fragen müssen, wie sie den nun aufziehen.

Es ist kein Konzept, Wal…

7. September 2013
… sondern eine (begründungsbedürftige) PROGNOSE. Was ich gern hätte, spielt dabei keine Rolle, insofern ists auch nicht „meins“ oder „deins“.
Die Prognose auf längere Frist sieht allerdings anders aus: Die vielen KLein-Kommunen, die da höchst prekär gestartet sind, werden sich zusammenschliessen, und auf je angemessen höherer Stufenleiter produzieren können; und das wird auf Dauer für immer mehr Leute an sich schon immer attraktiver, erst recht aber, wenn gezielt und stufenweise die Kommunen ihren Standpunkt den je ihnen Nächststehenden unter denen, die nicht mitmachen, vermitteln (vorstellen, bei Interesse begründen usw – nicht aufdrängen).
Veganer- und Raucherkommunen können sich meinetwegen entwickeln soviele wie sie wollen, die Zentralfragen bleiben da leider erstmal ungeklrt: Wie produzieren wir gemeinsam unsern Lebensunterhalt? Vegan und Rauchen, das sind Konsumenten-Clubs… Wenns ums Produzieren geht, haperts offenbar mit dem Zusammenschliessen…

Da hab ich wieder was missverstanden..

7. September 2013
.. denn ich denk ständig von der Frage aus, wie wir in eine nach-kapitalistische Gesellschaft reinkommen (und NICHT in „Kommunismus für wenige“, bittesehr! „Kommunismus DER Wenigen“ ist bedauerlicherweise ein Zwischenstadium, weil mehr Leute, wie mir scheint, nicht mitmachen werden, aber doch nicht der Zweck!)

Während deine Voraussetzung zu sein scheint, dass man da irgendwie reingerät, und sich dann fragen muss, wie man mit der Situation zurechtkommt. Und das in dann doch sehr grossen Gruppen. Du weisst ja, Wal, dass ich immer wieder die Frage stelle, wie das gehen kann – relativ schnell, relativ plötzlich, sodass sich da grössere Teile der Bevölkerung mit dieser Fragestellung wiederfinden. Erdrutschartige (naja, langsamere tätens auf mittlere Fristen auch) Überzeugungswechsel bei diesen Bevölkerungsteilen? Solche, von denen die Allensbacher Demoskopin erste Vorzeichen registriert? Politökonomische, grundstürzende Krisen-Erdbeben? Kann man mir da nicht ein paar Stichworte geben?
Umgekehrt: das, wovon ich immer rede, der langsame Aufbau mit kleinen zusammenwachsenden Gruppen, die gemeinsam immer grössere Anteile ihrer Gesamtreproduktion mit eigenen Mitteln bestreiten und das beherrschen lernen, ist Konsequenz der Einschätzung, dass nur solche Leute (die das jetzt wollen) sich auf kurze und mittlere Frist (dh nächsten 10-20 Jahre) auf den Weg machen werden, die aber schon. (Ich gehör ja selbst zu solchen.) Dass diese Leute nicht nur ihresgleichen anziehen, sondern auch ihnen Nahestehende zu ihrer Position bringen können. Dass das Hauptfeld der Differenz zu andern bzw der internen Übereinstimmung die Art der alltäglichen Lebenseinrichtung (darin Produktion und Konsumtion zusammengeschlossen) ist. Das ist, zugegeben, etwas speziell.
Drum frag ich immer wieder nach den Sznearien der Andern… Was seht ihr, was ich (offenbar) nicht sehe?
(Hier nochmal: Die Leute, die sich auf kommunistische Perspektiven einlassen, wollen wissen, wie es gehen soll – warum dies eine Alternative ist, die funktionieren kann. Drum fragen sie: Wie? Ausser marxistischen Linken kenn ich niemand, der da ZWEI Schritte sieht – niemand, der den Eindruck hat, dass da erstmal ein gigantisches Hindernis weggeräumt werden muss. Die „Normalmenschen“, die ich über Kommunismus räsonnieren höre, reden immer nur so: Könnten wir machen (ist im Prinzip, aus dem Stand heraus (ohne „Abschaffung“) möglich, aber wie richten wir uns dann ein? Warum sollten wir es WOLLEN? Den Kapitalismus nehmen wir doch bloss inkauf, weil uns alles andre NOCH schlimmer erscheint. Ich kenn niemand, der Kapitalismus nicht bespricht als Ergebnis einer WAHL, die jederzeit revidierbar wäre. Nicht als Schicksal, oder Verhängnis. Und die Klage, dass man nichts machen könne, bezieht sich nicht auf die Übermacht der Mächtigen, sondern darauf, dass die andern um einen herum immer so ganz andere Auffassungen haben und andres wollen. Und man nichts gemeinsames (nichtmal in Teilpunkten, geschweige denn in so prinzipiellen Fragen) findet, für das genug Leute einstehen.

Richtige Denkansätze?

8. September 2013
Wal, es ging mir nicht um die Hoch- und Überschätzung der DATEN, vielmehr wollte ich mich sehr wohl auf die Denkansätze zu beziehen, die da den Befragten zugeschrieben werden, oder auch (indem sie antworten auf Fragen, die ihnen diese Ansätze unterstellen) von ihnen betätigt werden: Das sind ja sogar solche, die sie mit der Demoskopin, den Alternativ-Soziologen und womöglich sogar dir teilen.
Möchtest du lieber darüber sprechen, dass da immerhin soundsoviel Prozent ganz ganz schlimme Sachen mit „Kapitalismus“ assoziieren? Dass sie zwischen an sich guter Marktwirtschaft und bösebösem Kapitalismus zu unterscheiden gelernt haben (solche Unterscheidungen gabs auch im Realsozialismus, nicht wahr?) Oder möchtest du lieber drüber nachdenken, warum die schlimmen Assoziationen (worauf die linken Soziologen im Artikel bei labournet verweisen) auch schon mal heftiger waren, und irgendwie ihre Konjunkturen haben, grad so wie der Kapitalismus selber?
Der Fehler, den ich bemerke, statt richtiger Denkansätze, lässt sich mal so illustrieren: Wenn jemand ernsthaft auf die Frage (jetzt mal vergröbert) antwortet: Wofür ist Ihrer Meinung DER KAPITALISMUS verantwortlich, was bringt er hervor? und der antwortet dann, womöglich im selben Fragenkatalog zB: a) Effizienz (gut!), und b) Arbeitshetze (leider!) – dann erinnert der mich an diese Sorte Schüler, die den Zwang gut finden, weil sie ja sonst nix lernen, und das für eine erfolgreiche METHODE (das ist sowas ähnliches wie „erfolgreiches System“) ausgeben: Da ich nicht wollte, wars gut, dass ich musste, weil ich dann (wollen) konnte, was ich sollte.

Was in jedem Fall gesollt ist, das ist: „Wachstum“ ALSO Fortschritt, von was auch immer. Toll am Kapitalismus ist, dass er dafür sorgt, dass die effizientesten Beiträge zu diesem Wachstum belohnt, Nicht-Beitragen aber bestraft wird (das ist das Müssen). Dieser Satz ist kaum zu widerlegen (so wie ähnliche Sätze im Realsozialismus), zumal Null- oder Minuswachstum so gut wie immer irgendwelche system-externen Verusacher hat (die Trennung in gutes System, das aber missbräuchlich oder system-fremd gehandhabt wird, wie ein technischer Apparat, bei dem die Gebrauchsanweisung missachtet wird, ist auch aus dem Realsozialismus bekannt).

Innerhalb der Marktwirtschaft, der an sich so guten, gäbe es ja durchaus Alternativen zum bösebösen Wachstums-Kapitalismus (so wies ja auch etwas weniger autoritäre Realsozialismen hätte geben können…)
Das fängt bei der Konsumenten-Souveränität an.
So wie Robert Schlosser es mal für die Produkte der selbstverwalteten Betriebe erwog: Ob man da nicht zertifizierte Siegel nach dem Vorbild der Bio-Siegel einführen könne, die dem „solidarischen“ Verbraucher signalisieren, wo er zugreifen sollte – so könnte man ja weitere Siegel einführen und bündeln, bis hin zu spezifischen Öko-Siegeln (das berührt Fragestellungen aus dem ökologische-Rucksack- und MISP-thread drüben): „Aus arbeitshetze-freier Herstellung“, „langsam+nachhaltig wachsender Betrieb“ usw. Die betreffenden Produktions-Abwandlungen werden aber immer nur dem „Verbraucher“ (und das im Mass seiner Kaufkraft) angeboten, nicht ihm als dem Mit-Produzenten von allem und jedem; denn verfügt wird ja schliesslich immer noch privat über Produktionsmittel. Hier ist, einmal mehr, unterstellt, dass es keine komplexen kollektiven Richtungsentscheidungen über Produktion geben kann, sondern sich alles und jedes sofort in die unendliche Vielfalt persönlicher Präferenzen, und das noch bezogen auf Einzelgüter, und „Meinungen“ über Einzel-Zusammenhänge auflöst: Erdbewegung (hier) ja (dort nein), Wasserverbrauch (generell) nein, Arbeitshetze im Rahmen (und speziell daundda aber unbedingt, !), Langsam wachsen um die 0,7% (mehr oder weniger wäre von Übel, ausser in denundden Sektoren ) usw
Das zerfaserte Stimmrecht, das der Verbraucher da mit jedem auszugebenden Euro in Händen hält, müsste also ergänzt werden um eine Produktionsmittel-Verfügungs-Komponente, die die Zahlungsfähigkeit beschränkt nach Massgabe der Verfügungsrechte über Produktionskapazitäten: Du hast dann ein Energie-Budget (womöglich aufgeschlüsselt nach Energiearten), ein Rohstoff-Budget (dito), ein (qualifikations-?)gewichtetes Arbeitszeit-Budget, ein Innovations- und Forschungsbudget usw – und natürlich darfst du damit vor deinen Einkäufen (wie im Emissionsrechtehandeln) an der produktionsbudget-Börse schachern (tausche 10 Forschungseinheiten gegen 20 Einheitsarbeitsstunden…)

Was fehlt da? Die individuelle Meinungsbildung ist darum so vielfältig, weil sie auf ebensovielen Wissensrückständen und Reflexions-Ausfällen beruht. „Der Markt“ erspart es einem, ordentlich nachzudenken. Das tut er natürlich nicht, sondern die über unendliche viele Irrungen und Wirrungen sich am Ende, wenn es wahrscheinlich zu spät ist, wieder mal durchsetzende bessere Einsicht. Gesellschaften, die derart grosse Räder drehen wie die modernen, können sich solch archaische Informationsverarbeitung aber nicht leisten.
„Markt“ ist der Name der Erwartung, wenn nur alle mit IHREM Wissen miteinander ihre Budgets handeln, werde die bessere Einsicht sich schon als solche erweisen. Das tut sie im allerbesten Falle irgendwann auch, aber eben viel zu langsam. Mit solchen Leuten im selben Produktions-Boot zu sitzen, ist Selbstmord. Schon darum müssen die Leute, die kollektiv planen, ihr eigenes Not-Reproduktionssystem aufziehen, mit dem sie zur Not weitgehend unabhängig werden von dem Chaos, das Gesellschaften grade dabei sind anzurichten, die moderne Forschung und Technik-Folgen glauben mit vormodernen Formen der Wissens-Organisation verbinden zu können. Von der Ungleichverteilung des Einflusses auf Produktionsentscheidungen in Gestalt der Klassengesellschaft ganz zu schweigen…

„Aber das System belohnt doch die rationellsten Entscheider, und verschafft gerade ihnen früher oder später Verfügung über die Produktionsmittel….“
„Aber das System kann doch seine Überlegenheit immerzu nicht unter Beweis stellen, weil systemfremde Elemente es verzerren und missbrauchen…“
„Aber im Sozialismus (als System) müsstest du dafür inkaufnehmen, dass…“
(langsam ausblenden…)

So, Wal, ich hoffe ich habe mal kurz illustriert, was es bedeutet, Fragen nach MEINUNGEN (oder noch besser, Begriffs-Assoziationen, die neueste Form des Urteilens mündiger Bürger?) über Kapitalismus als „System mit Vor- und Nachteilen“ zu stellen und auch noch zu beantworten – statt das als Unverschämtheit und gefährlichen Unfug zurückzuweisen.

IHR seid derzeit meine „Anderen“..

8. September 2013
Erstmal, Wal: Ich habe keine Macht und will keine. Dass die Meinungen der vielen unbekannt sind, ihnen untereinander so wie mir (das ist wohl das einzige, was wirklich feststeht), bespreche ich – in vielleicht schrilleren Formen als andere hier – als historische Katastrophe, die nur noch dadurch überboten wird, dass es keinerlei zwanglose Einflussmöglichkeiten auf die Urteilsbildung dieser anderen, keinerlei VERSTÄNDIGUNG gibt – dass es nicht einmal im Ansatz Instrumente und Verfahren für solche Verständigung gibt, und zwar vor allem bei, IN den Einzelnen nicht, auf die bereits ich, mit meinem winzigen sozialen Erfahrungsschatz (ist der soviel kleiner als der der andern hier?), stosse. Sie sind kaum drauf vorbereitet (und ich leider nur schlecht).

Ich rede nicht mit DEN Lohnabhängigen, ich rede mit euch. Was ich einwende bezüglich der Verwendung von „Kapitalismus“ als „System“-Kategorie, ist einzuwenden von allen, die diesen Einwand ricihtig finden, an allen Orten, wo diese Verwendung auftritt. Diese Verallgemeinerkeit und zugleich (hoffentlich) Relevanz von Einwänden ist die einzige Hoffnung, die ich für eine „horizontale“ und nichtautoritäre Ausbreitung unter „Gleichgestellten“ (im SoziologenJargon: peers) von Gesprächsbeiträgen Einzelner haben kann, die Antworten anderer kommen dann vielleicht irgendwoher an mich zurück. In sich verständigte Gruppen können jedes Mitglied egal wohin schicken, es wird für die andern mitsprechen können in dem Sinn, dass es den gemeinsamen Wissens- und Erkenntnisstand vortragen, und die Einwände anderer repräsentativ für die andern entgegennehmen kann. Ich sehe das Marx-Forum auch als eine solche winzige „repräsentative“ Konsens-Bildungs-Zelle an; sie ist darin nicht so winzig, als das Denken der hier schreibenden Einzelpersonen und ihr Horizont auch ein MASS für das abgibt, was IRGENDWER da draussen kann, der doch darin unseresgleichen ist, dass er grundsätzlich gleiche menschliche Bewältigunugsfähigkeit (und Grenzen der Aufmerksamkeit) wie wir aufweist. Das ist die einzige Kopfguckerei, die ich mir gestatte.

Das Laster aber, das du mir da vorwirfst, Wal, ist in gewisser Weise eher deins: Ich denke im traum nicht daran, mich zur „Arbeiterklasse“ ins Verhältnis zu setzen oder ihr soziologisch nachzuforschen (über Methodik DIESER „Guckerei“ ein andresMal..). Mir genügt, und ich denke: uns allen hier muss genügen, dies langsame „horizontale“ Ausbreiten von Gründen und Gegengründen, hin und her, wo der jedesmalige Gesprächspartner genommen wird als Repräsentant zumindest aller mit DIESER Meinung. (ine ganz andere Form der „Repräsentativität“ als die Merkmalsklassifikation, die der „Befragten-Stichprobe“ zugrundeliegt.. Frommer Wunsch, amit man überhaupt zu ergebnissen kommt, und unfromme Voraussetzung. „Merkmal“ determiniert Meinung, „Merkmal“ definiert auch „relevante Teiil-Gruppe“, somit hab ich die Gruppenmeinung in der Tasche bzw Tabelle.. Was ist DAS denn erst für ne Guckerei, Wal?)
Genau darum wird hier, und sehr zurecht, jeder Einzelbeiträger sehr ernstgenommen: was ER denkt, gilt womöglich so ähnlich für 100000 andere seiner Art, Wenn ich IHM schon nicht antworten kann, dann auch den andern nicht.
Wo, Wal, ist da zumindest bei mir die Arroganz, die du allgemein vorwirfst?

Kommunismus: liebenswürdig aber illusorisch…?

8. September 2013
Wir reden hier nicht über Liebenswürdigkeiten, sondern Überlebensfragen. Die Überlebensfrage lautet: Schaffen wir es, eine auf permanente Wissenserweiterung (allerdings: in welche Richtung?) ausgerichtete Produktionsweise gesellschaftlich so zu orgnaisieren, dass die Abstimmung der „Lebensführung und -gestaltung“ aller Beteiligter der Ausdifferenzierung ihres (dann gemeinsamen) Weltwissens folgen kann? Marktwirtschaft ist die Illusion, dass Wissen nicht gesellschaftlich verarbeitet werden muss (daher die unter Bedingungen von Unwissenheit und „Ungewissheit“ „privat“ und ohne Abstimmung zu treffenden Entscheidungen), um gesellschaftlich produktiv wirksam zu sein. Eine ökologische Produktionsweise, die extrem stark eine WISSENSBASIERTE ist (Missachtung ökologischer Zusammenhänge beruht ganz allgemein auf Unwissen und verweigerter Informationsaufnahme und -verarbeitung), kann so primitiv nicht wirtschaften. Umgekehrt, die gigantischen Konflikt-Verwaltungs- und Fahrlässigkeits-Folgen-Verwaltungs-Apparate zur Korrektur der marktbesoffenen Sorglosigkeit in jeder erdenklichen Beziehung wuchern doch längt vor unsern Augen. Zur Bewältigung reichen die leider hinten und vorne nicht.
Was die Riesen-Zahlen angeht… die hinterlassen ja auch ökologisch entsprechende Riesen-Abdrücke.
Vielleicht ist das alles auch garnicht zu bewältigen ohne gewaltiges Schrumpfen?
(Daran hat nicht mal der alte Malthus gedacht…)

Konflikt-Bewältigung oder Erkenntnis-Gewinnung auf gesellschaftlicher Stufenleiter?

8. September 2013
Hallo Roberto, falls du auch in den andern gegenwärtig aktiven threads dieses Forums liest, wirst du gewisse Parallelen feststellen.
Da gehts immer wieder um irgendwie privates Entscheiden, das aber leider sich auf gesamt-gesellschaftliche Verhältnisse bezieht, die Rückwirkungen auf alle Privatexistenzen haben.
In allem, was der Verfügung „der (Privat)Wirtschaft“ entzogen ist, ist das auch schon heute zugestanden, und wird von Repräsentanten des Gemeinwohl und -willens entschieden, die – heutzutage vor allem durch ihre Parteizugehörigkeit – für bestimmte Richtungen und Werte ihres Entscheidens stehen.
Dafür, dass die derzeitige bürgerliche Eigentümer-Gesellschaft (die Eigentümer von wenig mehr als ihrer Arbeitskraft („Lohnabhängige“) vorneweg) so verfährt, gibt es einen Grund: Entscheidungen, die das Gemeinwesen und alle zusammen betreffen, sind auf unheimliche Weise miteinander vernetzt, eins hat immer Auswirkungen auf andres, man kann nicht einfach nach Lust und Laune hier so, und dort so nach Wunsch entscheiden, weil das hier Gemachte das dortige beeinflusst. Eins der Schlüsselthemen (wenn auch lang nicht das einzige), an denen dieser Zusammenhang augenfällig wird, ist der ETAT und die Zielkonflikte, die daran ausgetragen werden. Aber auch die Rechts-, SozialversicherungsSYSTEM- und Steuer-SYSTEMATIK mit ihren leicht verletzbaren Gleichbehandlungsgrundsätzen liefert unendliche Anschauungsbeispiele. Von all den vielen Zielkonflikten, die aus Sach-Zusammenhängen resultieren (über die dann wieder Experten in Anhörungen unterschiedlich urteilen) noch ganz zu schweigen.
In der geläufigen Demokratie-Schelte von wegen „da werden nicht MEINE Interessen verhandelt (oder gar: da werden sie SYSTEMATISCH missachtet)“, ist dieser Gesichtspunkt meist völlig ausgeblendet. In der speziell linksradikalen Variante dieser Schelte, werden die Lohnabhängigen, die sich als Eigentümer aufführen, gegen sich selbst in Schutz genommen: Indem er die Rahmenbedingungen des gesellschaftlich arbeitsteiligen, aber privat bestimmten Produzierens angemessen erhält, konserviert der bürgerliche Staat die Schäden, die der lohnabhängige Teil der Eigentümergesellschaft inkaufzunehmen hat. Dass die Sachzwänge dieser von derzeit grossen Mehrheiten gewünschten Vergesellschaftungsform wenig Freiheit für „Richtungsentscheidungen“ lassen, stattdessen oft genug mühsam ausgerechnete, für alle involvierten Zielsetzungen sub-optimale Kompromisse erzeugen, wird dieser Form dann so vorgehalten, es ginge beim Wählen doch bloss um den Austrag einer Stellenbesetzungs-Konkurrenz. Tatsächlich aber fällt die Unzufriedenheit mit dieser ganzen Kompromiss- und Expertenrechnerei auf die Kritiker zurück: Wenn ihr konkreter eure „Interessen“ miteinander aushandeln und Konsens darüber finden wollt, dann fangt halt damit an, es hindert euch niemand daran (ausser der Betrieb und eure Rolle darin, welcher erstmal weiterläuft, weil er auf dem massenhaften Zutrauen beruht, solche Verhandlungen seien durch Markt und Wahl überflüssig gemacht).

Ich wähle nicht, weil ich den verständigungslosen Vergesellschaftungszustand für eine historisch-epochale Grosskatatstrophe halte (freilich eine, die beruht auf einem unzulänglich entwickeltem Stand des Denkens und Aufmerksamseins auf grundlegende Kategorien der Vergesellschaftung, in der alle leben; an dieser Unzulänglichkeit ist niemand „schuld“, und man entwickelt auch nicht einfach aus dem Stand heraus Motive, sie zu überwinden. Das Katatsrophale ist also leider lange Zeit unvermeidlich.).

Nebenbei noch eine Verständnisfrage an dich, roberto:
„Die Sozialisten“, wer soll DAS denn sein? Ich kenn nur Leute wie uns hier, die entschlossen sind, ohne die Marktwirtschafts-Illusionen und illusionär-brutalen Hilfeangebote der Klassengesellschaft auszukommen. Man könnte uns libertäre KommunistInnen nennen, damit wir auch ein branding haben. Und jetzt stehen wir da. Was sollen uns Wahlen helfen, wir sind nichtmal untereinander verständigt…

Was denken die Anderen? Eine Bestandsaufnahme

franziska – 8. September 2013
Warum nicht? Ist es so abwegig, was ich sage?
ABER… es gibt ja noch andre hier ausser mir,ich steh dem ja nicht im weg, dass jemand sich mit den Daten von Wal auseinandersetzt.

Ich will ja auch nicht mit Gewalt Brückenbauen, aber…

8. September 2013
… das mit dem Einzelbeitrag will ich noch richtigstellen. Ich sage ja nicht, dass es die Gruppe DIESER Meinungsträger gibt, nur dass alles, das an guten Gründen hier für oder gegen etwas verhandelt wird, ebensoo gut ist an andern Orten, wo dieselbe Debatte sich wiederhol. Und… dass sehr wohl auf die Weise Argumente, Begriffe, Gedanken sich unter Gleichgestellten, die miteinander im Gespräch snid, eben „horizontal“, verbreiten können – ohne dass irgendwo ein autoritäres Gefälle zu unterstellen ist.
An dieser Stelle ist ein sehr erhebliches und für Kommunismus-Aufbau gewichtiges Problem versteckt:
Wie erfährt eigentlich das Einzelmitglied einer sich zwangfrei selbst verwaltenden Gesellschaft von den Meinungen der andern?
(Oh – da behaupte ich ja beinah sowas wie: Dieses dein Problem mit mir oder den Meinungsumfragern ist die Konnkretisierung dieses allgemeineren Problems – es ist ein repräsentativer Einzelfall…)
Und da sage ich: Auf keinem andern Weg als so, wie ich es beschreibe – durch die Gesprächszusammenhänge, in denen Einzelne mit andern Einzelnen sprechen, und die Meinung aller, die mit den da jeweils Redenden verständigt sind, MIT aussprechen – weil man sich einfach mit guten Gründen auf diese Einschätzung verständigt hat.
Unter Verständigten kann jeder für alle andern sprechen, sagt jeder das, was die andern auch sagen würden.
Darum ist Verständigung so wichtig.
Und… sie fängt unter solchen wie denen, die hier schreiben an.
Und… das Mass, in dem sie tatsächlich Verständigung unter sich erreichen, ist auch eine Probe darauf, wie weit andere kommen können.
Denk nicht, der Punkt wäre unerheblich. es ist, wie ich meine, ein SCHLÜSSELTHEMA.

Aber ich wollte ja hier keinen Brückenbau erzwingen… drum sag ich erstmal nicht mehr.

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Arbeitswertlehre

8. September 2013
Reypoor, es freut mich natürlich, dass du dich quasi als „eine(r) von uns“ outest. Und ich teile vollkommen deine Auffassung, dass der Weg in die Gesellschaft der völlig Emanzipierten konstitutiv ist dafür, dass es so eine Gesellschaft überhaupt geben kann – dh sie ist nicht auf beliebigen Wegen erreichbar, vielmehr erlegt gerade diese Anforderung, sich aus kleinen Gruppen und persönlichen Zusammenhängen heraus aufzubauen…

(dh. immer mehr Wissen und dessen Anwendungen in Gestalt reproduktiver Lebenseinrchtungen überschauen zu lernen, dadurch zugleich immer mehr solcher Gruppen zusammenzuführen, ohne die emanzipatorischen Errungenschaften der Anfänge zu verlieren)

… dem Aufbau dieser Vergesellschaftungsform enorme Restriktionen auf, die die scheinbaren Möglichkeiten zu einem ganz schmalen Fortschrittspfad zusammenschrumpfen lassen – einem schmalen Pfad, wo links und rechts der Rückfall in die alten Verhältnisse droht.

Mich wundert, reypoor, dass du das Problem erst bei der Güter-Allkation siehst, es entsteht doch schon bei der Wissensverarbeitung und der Frage, wie sie entweder gesellschaftlich stattfinden kann (in allen entscheidenden Hinsichten) – und in welchen Hinsichten sie abgetreten werden kann an Zuständige.

Genau diese Unterscheidung nach Hinsichten – „Was geht alle an (zumindest die Prinzipien), und was braucht nicht jeder mit zu entscheiden, weil klar ist, wie jeder, der dem Prinzip zugestimmt hat, im konkreten einzelfall entscheiden wird?“ – die wirkt sich auf alle andern Probleme aus, die sich aus reproduktiver Anwendung des gesellschaftlich verfügbaren (und verarbeiteten) Wissens ergeben könnten.

Was wir bisher hier von dir zu denkbaren „institutionellen“ Regelungen lesen konnten, klang für mich irgendwie nach: MIT (immerhin nicht-monetär) gedachten Markt-Mechanismen (Abtreten eigenen Konsums an die mit dem vorgezogenen Bedarf) kommen NOTWENDIG die alten Formen (Zins) zurück (naja das nimmt die Legitimation des Zinses mit aufgeschobenem Konsum (Zeitpräferenz) ein bisschen sehr ernst, oder?) – aber OHNE sie kriegt man solche Allokationsprobleme garnicht erst in den Griff: Wie sollen denn soviel Leute über soviel Güter-Klassen beschliessen uswusw
MaW wie wollen sie einen „gesellschaftlichen Reserve- und Akkumulationsfonds“ gemeinsam verwalten?

Die Antwort geht, grob gesagt, in Richtung einer Hierarchie von Produktionsaufgaben: Nicht alle müssen über alle Budgets entscheiden.
Sie müssen es dann nicht, wenn sie garnicht auf allen Ebenen dieser Hierarchie von Produktions-Entscheidungen, die andere an andern Orten treffen, abhängen.
Das Zauberwort hierfür heisst: DEZENTRAL, oder auch: relative regionale Autarkie.
Abgesehen von den Rückwirkungen auf Steuer- und Planbarkeit der geselslchaftlichen Produktion, spricht für diese Produktions-Strategie*) vor allem, dass diese Produktionsweise als wahrscheinlich einzige ÖKOLOGISCHEN Anforderungen genügt. Und: Sie genügt problemlos der Anforderung, die kommunistische Gesamtproduktion aus kleineren Vorstufen aufzubauen.
*) (im
Kern ist es, was man eine TECHNOLOGISCHE Strategie nennen kann, Strategie der Anordnung und
Kombination von prinzipiell verfügbaren technischen Verfahrensoptionen
im Raum und in reproduktiv sinnvollen Verknüpfungen untereinander

Die Lösung der Aufgabe, eigene Ernährung einer Gruppe nachhaltig (zB ohne Zulieferung von Mineraldünger und Energie von aussen) auf dem von ihr bearbeiteten Gelände sicherzustellen und obendrein möglichst alls Bau- und Renovierungsaufgaben (darum auch bauökologisch) mit dort vorfindlichen Mitteln zu bestreiten (Lehm, Ton, Holz gibts beinah überall) – die wäre schon was sehr weitgehendes. Wir könnten noch elementare Fähigkeiten der Holz- und Metallbearbeitung hinzunehmen, und entweder handwerks- oder manufakturmässige Herstellung einfacher Apparate. Wenn das gelingt, wären wir schon mal recht weit. Die weitergehenden Fragestellugnen ergeben sich aus der Grösse freier Kapazitäten, die solch eine lokal konzentrierte Gruppe von Gruppen nutzen kann, um eine nächst-höhere Ebene mit zentralen Versorgunugs- und Reparaturbetrieben zu betreten.Usw

„Verständigung“ und ihre vorläufig hinzunehmenden Grenzen

9. September 2013
Erstmal, Wat: Ich verwende das Wort „Verständigung“ so, dass es einen objektiven ZUSTAND bezeichnet, der besteht oder nicht besteht, aber nicht durch Beschluss fixiert oder durch Massnahmen erzwungen werden könnte. Er beruht auf freier Einsichtsbildung derer, zwischen denen dieser Zustand besteht – soweit er besteht. Er ist also jederzeit revidierbar. Vor allem muss er, angesichts neu gemachter Erfahrungen, immer wieder hergestellt werden: nur so wird gemeinsam gelernt, und das auf womöglich gesellschaftlicher Stufenleiter – ohne theoretisierende Autoritäten, die schon mal für die andern stellvertretend denken und vorausgehen.

Es gibt dabei einen wichtigen Gesichtspunkt. Es gibt fundamentale Übereinstimmung und Verständigung darüber, und darauf aufbauende Fragestellungen, wo man vielleichit noch im unklaren ist, weder mit sich noch mit andern aus gutem Grund einig. Dieser Aufbau der gemeinsamen Erfahrungsverarbeitung auch grosser Gruppen begründet es, warum sie nicht gleich bei Alltagsdifferenzen und Unklarheiten auseinanderfliegen. Man muss halt wissen, wo das Fundament liegt. Man muss es wirklich sorgfältig geklärt haben. Und: Man muss damit rechnen, sich selbst dort geirrt zu haben.

Das Ungute, das sich hier im thread entwickelt, das (vielleicht) Sich-Mundtot-Gemacht- und Überrollt-Fühlen, berührt, glaube ich, jene Ebene, von der ich neulich so geheimnistuerisch gesprochen habe. Auf dieser Ebene ist (von mir) zuzugeben, dass es sehr verständliche (Aufmerksamkeits- und Verarbeitungs-) Grenzen für den Nachvollzug fremder Gedankengänge und Redeschwälle gibt.

Die Kontroverse löst sich vielleicht SO auf:

9. September 2013
In dem, was die, die „ebensogut wie ich“ irgendwo hin gehen können und das von uns, der in sich verständigten Gruppe, soweit sie verständigt ist, gemeinsam Gewusste, Eingeschätzte, und gleich Begründete dort vortragen – in dem also kommt das Wort „ich“ oder „wir“ nicht vor, jedenfalls nicht im Sinne eines Beschlusses: Sondern allenfalls im Sinne einer „Konsequenz“: Das und das war der Fall, es ist für dasunddas zu halten, daraus ergibt sich vernünftigerweise, dass man (jeder an unserer Stelle) dasunddas jetzt als nächstes versucht. Oder… seht ihr (denen das jetzt vorgetragen wird) anders?
Und, ja, in DEM Sinn ist es auch nie nötig, und wird nie vorkommen, dass jemand für dich spricht, da, wo wirklich nur du es tun kannst. (Das klingt ja nun schon so tautologisch, dass, wie soll ich sagen, schon banale Logik, und nicht erst Moral, verhindert, dass es dazu kommt…:) )

Das „Wir“ entscheidet?

10. September 2013
Welche „wir“ sollen das denn sein, die heute und derzeit sich in alles mögliche fügen müssen, morgen aber schon Grundgesetze umschreiben und die Verhältnisse neu einrichten? Und bis dahin Schaden von „sich“ abwenden müssen, weil sie mit dem grossen Umsturzwerk noch nicht begonnen haben?

Es zeichnet Kommunisten sogar nach deiner Definition aus, dass sie kaum Stoff für Entscheidungen sehen, die NICHT bloss jeder für sich treffen kann, vielmehr haben sie ein dramatisch zugespitztes Urteil darüber, wie nötig es ist, Entscheidungen im Konsens (so die libertären unter den Kommunisten, die Kommunalisten) auf gesellschaftlicher Stufenleiter zu treffen. Und nun schau UNS winzige Gruppe derer an, die hier im Forum schreiben: Jenseits der Befürwortung dieses Prinzips haben wir auf Anhieb so unendlich viel Meinungsverschiedenheiten, dass wir kaum nachkommen damit, sie überhaupt erst aufzulisten und uns klar zu machen. Die Konflikte liegen dabei nicht im Prinzip „ich will für mich x, müsste aber im Interesse aller y wollen…“, sondern in der Unvereinbarkeit der aktuellen Inhalte der Entscheidungen, die „ich für uns alle“ befürworte.
In DIESER Hinsicht unterscheiden wir uns nicht einmal von andern politischen Gruppen, allenfalls in der Sorgfalt und langfristigen Haltbarkeit der Resultate unseres Verständigungsprozesses, wenn wir denn je welche finden werden. Eins aber ergibt sich aus der „libertär-kommunistischen“ Gemeinsamkeit immerhin: Die politischen Aufgabenstellungen, die die andern zu lösen versuchen, sind nicht unsre. Wenn grössere Gruppen oder Teile der Gesellschaft sich plötzlich auf unseren Standpunkt stellen würden, müsste man eventuell überlegen, welche Art vorläufige Notprogramme für die Zeit der Verständigung man einrichtet. Aber davon sind wir unendlich weit entfernt, die libertären Kommunisten gehören derzeit wahrscheinlich zu den winzigsten unter allen winzigen politischen Minderheiten.

Das „Wir“ entscheidet?

10. September 2013
Roberto, welche „wir“ sollen das denn sein, die heute und derzeit sich in alles mögliche fügen müssen, morgen aber schon Grundgesetze umschreiben und die Verhältnisse neu einrichten? Und bis dahin Schaden von „sich“ abwenden müssen, weil sie mit dem grossen Umsturzwerk noch nicht begonnen haben?

Es zeichnet Kommunisten sogar nach deiner Definition aus, dass sie kaum Stoff für Entscheidungen sehen, die NICHT bloss jeder für sich treffen kann, vielmehr haben sie ein dramatisch zugespitztes Urteil darüber, wie nötig es ist, Entscheidungen im Konsens (so die libertären unter den Kommunisten, die Kommunalisten) auf gesellschaftlicher Stufenleiter zu treffen. Und nun schau UNS winzige Gruppe derer an, die hier im Forum schreiben: Jenseits der Befürwortung dieses Prinzips haben wir auf Anhieb so unendlich viel Meinungsverschiedenheiten, dass wir kaum nachkommen damit, sie überhaupt erst aufzulisten und uns klar zu machen. Die Konflikte liegen dabei nicht im Prinzip „ich will für mich x, müsste aber im Interesse aller y wollen…“, sondern in der Unvereinbarkeit der aktuellen Inhalte der Entscheidungen, die „ich für uns alle“ befürworte.
In DIESER Hinsicht unterscheiden wir uns nicht einmal von andern politischen Gruppen, allenfalls in der Sorgfalt und langfristigen Haltbarkeit der Resultate unseres Verständigungsprozesses, wenn wir denn je welche finden werden. Eins aber ergibt sich aus der „libertär-kommunistischen“ Gemeinsamkeit immerhin: Die politischen Aufgabenstellungen, die die andern zu lösen versuchen, sind nicht unsre. Wenn grössere Gruppen oder Teile der Gesellschaft sich plötzlich auf unseren Standpunkt stellen würden, müsste man eventuell überlegen, welche Art vorläufige Notprogramme für die Zeit der Verständigung man einrichtet. Aber davon sind wir unendlich weit entfernt, die libertären Kommunisten gehören derzeit wahrscheinlich zu den winzigsten unter allen winzigen politischen Minderheiten.

Warum das sorgfältige „assessment“ soviel weiter führt

10. September 2013
Tja, Wal, wie könnte ich dir nicht recht geben, nachdem du vorher schon mir so schön rechtgegeben hast :thumbsup:
Aber lass mich einen alten Lieblingspunkt von mir hinzufügen, der gerade noch gefehlt hat:
Das sorgfältige, das systematische „assessment“, die gemeinsame Prüfung, Erwägug aller Gesichtspunkte und die zwanglose gemeinsame Einschätzung (das alles sehe ich in dem Begriff enthalten) – sie enthalten, je umfangreicher sind sind, desto mehr auch Gemeinsamkeiten mit solchen, die ursprünglich nicht hier geschrieben haben. Und entweder sie lesen es hier, oder lassen es sich von uns hier oder anderswo wiederholen: Jedenfalls bietet das möglichst rationale, sorgfältig-erwägende Durcharbeiten des uns allen gemeinsamen Erfahrungs- und Problembestands immer auch eine gewisse Gewähr, dass sich viel mehr Leute am Ende dem anschliessen können, als urspürnglich die Sache unter sich ausgemacht haben. Da ist die Winzigkeit fast schon wieder ein Vorteil…

(Und damit Wat hier nicht wieder Bevormundung wittert, verweise ich nochmal auf die wichtige Unterscheidung zwischen jenen Äusserungen, die wirklich nur jeder allein machen kann, und solchen, die sich auf (potentiell) gemeinsame „assessments“, Einschätzungen, beziehen: Gemeinsam sind sie natürlich NUR so weit und so lang, wie man zwanglos darüber verständigt ist und alle ihre Gesichtspunkte jetzt oder später einbringen konnten und können.)

renee: „unterscheidet sich kaum von dem, was hier diskutiert wird“

10. September 2013
Genau das hab ich auch beobachtet, man kann allenfalls sagen, die Gewichte sind anders verteilt: Während man hier aus der Kollektivität und ihrer Ausweitung das Zentralthema macht, ist es dort eher die („alternative“, aber eben auch „kommunistische“) Lebensweise der „Gemeinschaften“, die im Mittelpunkt steht.
Als wichtigsten Überschneidungspunkt sehe ich dabei die BEDÜRFNISORIENTIERUNG dieser kollektiven Lebenseinrichtung, von der ausgehend sich das Verhältnis zu Natur und Andersdenkenden (die man irgendwann gewinnen möchte) von selbst ergibt. Je mehr hingegen andere Zielsetzungen mit im Spiel sind, zB eine Neu-Organisation der bestehenden industriellen Produktion, unter Verwendung von deren Technologien hoher und höchster Produktivität, wo die letztere für unverzichtbar erklärt wird, egal, was dafür im Leben der Produzenten geopfert wird – da entwickeln sich Überzeugungen auseinander. Und das gilt für die Gegenseite genauso: Wenn da Glaubensbotschaften umgesetzt und verbreitet wwerden sollen, jenseits der privaten Lebenseinrichtung, dann spalten sich die Lager, und wedren immer unverträglicher.
Also: Alle Leute, die sich bedürfnisorientiert mit andern zusammentun wollen, passen vermutlich zusammen, egal aus welchem ideologischen Lager sie ursprünglich stammen.

Institution, Organisation

11. September 2013
Hallo reypoor, erstmal möchte ich mich entschuldigen, weil ich dich neulich in etwas überdrehter Form angegriffen habe, ich hab das anschliessend gleich gelöscht.

In der Sache muss mein Widerspruch aber stehenbleiben. Der Konflikt, in dem du immer wieder ganz selbstverständlich Position beziehst, ist der zwischen der (erwünschten) Grösse von Gesellschaften bzw. dem Ausmass ihrer Arbeitsteilung, und den (unerwünschten) Mechanismen der Steuerung und Koordination, wo die Bedürfnisse der Einzelnen und/oder ihre Einschätzungen und Wünsche nicht mehr berücksichtigt werden können. Stattdessen gelten abstrakte und „mechanisch“ (institutionell, organisatorisch, über „Medien“) installierte Zielsetzungen und sich durchsetzende „Interessen“, bei denen allenfalls darauf geachtet wird, dass sie (ganz gleich, ob Einzelne das nun einsehen oder nicht) „an sich“ „legitim“ sind (und das für die Eingeweihten einsehbar ist; das soll genügen).

Die „Regionalisierung“ und „Kommunalisierung“ scheint in die Härten dieser Steuer-Mechanik etwas Milderung hineinzubringen.

Ebenso die „Demokratisierung“ der Entscheidungs-Prozeduren an den Schaltstellen des Mechanismus.

In diesem Forum ist das schon öfter diskutiert worden, und wird zurecht immer wieder als Problem angesprochen, zuletzt von dir, reypoor. Deinen Befund hast du wohl noch nicht zurückgenommen:
„für die großen stark differenzierten, arbeitsteiligen und sehr
heterogenen Gesellschaften, deren Mitglieder sehr unterschiedliche
Weltanschauungen haben, ist das Konzept weniger geeignet.“

Oben hast du gesagt: Lösung der Allokationsprobleme geht nicht ohne „Einkommen“ (spätestens nicht-monetäres), Lösung von Interessenkonflikten nicht ohne „Institutionen“. Das alles soll zwar nur noch auf dem Weg in eine Gesellschaft der vollständig Emanzipierten vorkommen, ist auf diesem Weg aber unumgänglich.

Ich verlängere jetzt einmal deinen Ansatz, und versuche in meinen bzw deinen (zitierten) Worten zusammenzufassen, worauf er mir hinauszulaufen scheint:
Der ad-hoc-Übergang zur gemeinsam geplanten „Allokation“ und Berücksichtigung der „Interessen“ aller Beteiligten gelingt nur in ganz kleinen und hochgradig homogenen Gemeinschaften gleicher „Weltanschauung“.
Derselbe Übergang in hochkomplexen, arbeitsteiligen und hoch-heterogenen modernen Gesellschaften bedarf der Stützung und quasi „Lenkung“ durch ein System bzw. Abfolge geschickt konstruierter Übergangs-Institutionen (im Sinne von Handlungsregeln, -rechten und -pflichten), die das, was später irgendwann von den „Emanzipierten“ selbstständig gemacht wird, ihnen vorerst noch abnehmen und für sie leisten bzw. ihnen als „Pflicht“ auferlegen, wo sie sich widerspenstig zeigen.

Schau, reypoor, das ist so ziemlich genau die bürgerliche Legitimation von „Institutionen“ generell: „Der Mensch“ an sich ist leider zu schwach, um für das Zusammenleben in so grossen Gemeinschaften gerüstet zu sein, drum braucht er diese ausgeklügelten Institutionen (aber wer macht die?), die ihm sagen, wos lang geht.
Wenn Menschen wie du, die auf eine Gesellschaft der vollständig Emanzipierten, also selbstbestimmt und von Institutionen unabhängig sich mit Andern ihresgleichen Zusammentuenden, hinauswollen, sich das immerzu nur für sehr kleine, „weltanschaulich homogene“ Gemeinschaften vorstellen können – ist das dann nicht Ausdruck dessen, dass sie, also etwa du, völlig ratlos sind, wie man diesen engen Rahmen je überschreiten könnte?
Es sei denn…
… dass man den geschickt zu wählenden Institutionen und Allokationsmenchanismen auch noch zutraut, dass sie den WEG regulieren, und dafür sorgen, dass, man weiss auch nicht wie, die höchst gefährdete „Emanzipation“ der Leute am Ende von selbst, aber eben unter dem Schutz der starken und weisen Institutionen gelingt, wenn sie nicht dadurch sogar herbeigeführt wird.
Ungefähr so hat man sich im Kreis der ML-Ideologen den Sozialismus als Schutz- und Leitmechanismus gedacht, der die Mesnchen in den eigentlich erwünschten Kommunismus hinein- und hinüberwachsen lässt, oder auch hineinführt, hineindirigiert… je nachdem, wieviel Eigenleistung man ihnen dabei zutraute.

Meine libertär-kommunistische oder kommunalistische Antwort darauf ist: Emanzipation und Vergesellschaftung von Emanzipierten ist die Eigenleistung dieser Leute, sie BESTEHT geradezu darin, ihre Ziele selbständig und aus eigener Einsicht zu bestimmen, und die Übereinstimmung mit ihresgleichen selbständig und mit eigenen Mitteln herbeizuführen. Die bisherigen Gesellschaften mögen auf Institutionen, Allokationsmechanismen, Medien vertraut haben. Die Gesellschaft der vollständig Emanzipierten, die vollständig emanzipierte Gesellschaft kann das nur sein, wenn und soweit sie sich von all dem frei gemacht hat.

Und der Weg dahin besteht darin, eine davon freie Vergesellschaftung aufzubauen, SELBST UM DEN PREIS, dass man zwischenzeitlich erstmal nur in sehr kleinem Rahmen vergesellschaftet ist, und zur Umgebung, ohne es zu wollen, in Verhältnissen steht, die von dieser zahlenmässig weit überlegenen, im Hinblick auf das Niveau ihrer Vergesellschaftung aber weit unterlegnen Umgebung bestimmt werden. Entweder, es gelingt den kleinen Gemeinschaftem der vollständig Emanzipierten erstens, zusammenzuwachsen und DADURCH grösser zu werden, und zweitens, eigenständig das zwischen ihnen und der Restbevölkerung bestehende Gefälle abzubauen und ihre Umgebung sukzessive ebenfalls zu emanzipieren – oder dies Unternehmen ist zum Scheitern verurteilt.

Bevor wir über solche Alternativen sprechen, sollten wir uns vielleicht einmal besser darüber klarwerden, worin die „vollständige Emanzipation“ eigentlich bestünde, und wie und warum sie sich auf grössere Gruppen ausdehnen kann.
Warum sie mit vollständigem Freiwerden von Vergesellschaftung durch Institutionen, Allokationsmechanismen, Konfliktlösungsprozeduren, Medien aller Art zusammenfällt. (Geklärt sollte somit werden, was Institutionen, Allokationsmechanismen, Konfliktlösungsprozesuren SIND und was sie leisten.)
Schliesslich: Warum die Vermittlung dieses Verhältnisses an andre NICHT unter dem dann „uns und sie“ überspannenden Dach irgendwelcher geschickter Übergangs-Institutionen usw. stattfinden kann.
Nimm dies, reypoor, bitte erstmal als eine ernsthaft proklamierte politische Position zur Kenntnis. Du musst sie nicht teilen. Aber sie ist erheblich besser durchdacht und begründet, als du es dir offenbar gegenwärtig vorstellen kannst. Wisch sie also bitte nicht vom Tisch mit solchen Allgemeinplätzen wie: Institutionen wird es immer geben, oder der Weg in die vollständige Emanzipation muss mit geschickten Übergangs-Institutionen (Allokationsmechanismen usw) gebahnt werden. Sonst streichst du gleich zu Beginn der Diskussion die Einschätzung durch, mit der du es hier zu tun bekommst und deren Begründung ich (und vielleicht auch die andern „Kommunalisten“ hier) dir gerne vortragen würde.
———————————————–
Jetzt noch eine Frage an dich, reypoor. Du hast Wat nicht auf gleicher Ebene geantwortet: Sie hat (wenn auch reichlich abstrakt) versucht, ihre Lebenserfahrung wiederzugeben. Aber du hast mit einer begrifflichen Überlegung (über Institutionen) geantwortet. Bist du Wat und uns nicht vielleicht noch die Erzählung von der Gruppe mit gemeinsamer Weltanschauung schuldig? Warum ist sie auseinandergegangen, woran lags, dass ihr heute nicht mehr zusammen seid?

Ich aus meinem „kommunistischen Ausnahmezsutands-Alltag“ kann berichten, dass in meinem Umfeld, und das besteht aus Leuten, die HEFTIGST um ihr Zusammenkommen als Gemeinschaft ringen, derzeit nichtmal zwei Leute dauerhaft zusammen passen. Das ist die Engstelle, durch die die Gemeisnchaftsbildung meiner Meinung nach durchmuss, wenn sie von Institutionen unabhängig werden will. Ich hab auch eine Vorstellung, woran das Nichtzusammenpassen liegt und wie Zusammenwachsen gehen könnte. Aber ich würde gern die Erzählung von reypoor lesen – es sei denn, ihr entscheidet, dass das woanders hingehört.

„Beiträge“ zur „Wertschöpfung“

12. September 2013
Dieser thread scheint darauf angelegt, seinen Gang in Mäandern zu gehen… aber gut, so werden eben viele Themen berührt und in Zusammenhänge gebracht (auch wenn dabei vielleicht manchmal die Übersicht verlorengeht)…
Man könnte den Akzent für die Antwort an reypoor andersherum setzen, als Wal es getan hat, und drauf hinweisen: Im Zitat ist von Arbeitszeit die Rede, wo sie mit den zwischenzeitlich hochentwickelten „Agentien“ zusammenwirkt, im „Kapital“ berücksichtigt als „Durchschnittsbedingungen der Produktivität“ in der jeweiligen Branche.
Marx sagt dann weiter, ich übersetze es mal in eine mehr dem „Kapital“ verwandte Terminologie: Der Einspareffekt durch entwickelte Technologie hinsichtlich der bei einem gegebnen Stand der Produktivität überhaupt zur einfachen Reproduktion notwendigen Gesamt-Arbeit ist insgesamt dramatisch, verglichen mit früheren Zuständen. Das heisst, da wird oder würde Arbeit (und eventuell auch andere Ressourcen) freigesetzt für andere Zwecke. Heisst einfach: „Wir alle“ müssten beim gegenwärtigen Stand der Produktivität (naja, jetzt mal rein verstanden als unmittelbare Voraussetzungen zur Herstellung von etwas) nur noch vielleicht 2 -3 Stunden am Tag arbeiten, um „uns“ zusammen mit der nötigen Technologie auf diesem Stand der Produktivität zu erhalten. Und hätten dann genug Zeit, um Produktivität zu entwickeln, oder uns auch mal nach den externen Nebenwirkungen dieser Sorte Produktion umzuschauen…

Anders und „bürgerlicher“ ausgedrückt: Die „Arbeitsproduktivität“ in allen Produktionszweigen hat im Verlauf der Wirtschaftsentwicklung seit der industriellen Revolution enorm zugenommen.

So, reypoor: Nun zur „Wertschöpfung“. Du hattest weiter oben in diesem thread die Frage gestellt, wie man den Wunsch von möglichen „Besitzern“ von Bestandteilen des gesellschaftlichen Akkumulationsfonds, die einen Zins als Belohnung für ihren aufgeschobenen Konsum haben wollen, „institutionell“ behandeln soll. Daraus schliesse ich, dass du jetzt auf weitere Besitzverhältnisse zu sprechen kommen möchtest: Zum Beispiel die Belohnung der Ideengeber für Produktivitätsverbesserungen. Sie könnten ihre Idee ja auch… hm… für sich behalten?

Oder… sagen wir: „die öffentliche Hand“ als Lizenzgeber für nicht-reproduzierbare und in dem Sinn „knappe“ Güter, die für die Vernutzung dieser Güter, je mehr man sich dem Ende der vorhandenen Reserven nähert, „angemessene“ Abzüge von durch die Nutzung möglichen Überschüssen festsetzt. Das simuliert das angeblich so überaus nützliche und zu gesellschaftlich sparsamem Umgang mit knappen Ressourcen anhaltende Verhalten der Besitzer dieser knappen Ressurcen, die diese als (ebenso knappe) Einkommensquelle behandeln.

So. Haben wir einen wesentlichen „Beitrag“ zur „Wertschöpfung“ vergessen? Ich glaube nicht.

Soviel Beiträge, soviel unterschiedlich produktiv fungierende Arten von PRIVATEIGENTUM:
…an einem Anteil des gesamten Bestands an (auf gegebnem Stand sich mit sich selbst reproduzierenden) Produktionsmitteln
…an Arbeitskraft,
…an nützlichem innovativ verwertbarem Wissen (Know how),
…an sich nicht mit sich selbst reproduzierenden und in dem Sinn knappen Ressourcen. Man könnte noch erwähnen das Privateigentum..
…an Überschüssen (Mehrprodukten), die in der aktuellen Art von Reproduktion regelmässig entstehen.

Und jetzt bekommst du (von mir zumindest) dieselbe Antwort wie oben, aber jetzt für ALL diese „Wert“-Quellen: Solang sie in Privateigentum sind, dienen sie ihren Besitzern, mehr oder weniger gut, als Grundlage der Erpressung anderer, ihnen für Weggabe von diesem „Eigenen“ möglichst viel von „deren“ Eigentum abzugeben. Diese ununterbrochene wechselseitige Erpressung aller Eigentümer heisst Konkurrenz und soll angeblich dafür sorgen, dass auf vielen Umwegen, aber irgendwie doch, die gesamte Eigentümer-Gesellschaft einen Fortschrittspfad beschreitet, den sie bei vernünftiger kollektiver Planung und vollständiger Kenntnis aller Randbedingungen in etwa auch beschritten hätte. Bloss dass sie vor lauter Eigennutz ja nicht vernünftig kollektiv planen, und obendrein ihre eigenen Produktionsverhältnisse nicht überschauen können, was nichts macht, weil der allweise, allvernünftige und allwissende Markt das schon für sie übernimmt – sie dürfen ihm nur nicht dazwischen pfuschen. (Das ist Religion pur, halt nicht im bezug auf die Welt, sondern im bezug auf gesellschaftliche Verhältnisse.)

Tja. Das glauben die Kommun(al)isten nun mal alles nicht, sie sagen in frecher Ungläubigkeit: Wenn der Marktgott uns zu was zwingt, was wir ohnehin wollen (und so planen) würden, dann brauchen wir ihn nicht; wenn aber zu anderm, dann schadet er uns. Und da wir das nur entscheiden können, wenn und soweit wir tatsächlich geplant haben, und unter uns Konsens und vollständiges Wissen über alle relevanten Bestandteile unserer Produktion hergestellt haben, darum müssen und können wir es auch gleich selber machen. Dann brauchen wir auch keinen mehr, der „es“ (wirklich? woher sollen wir das wissen?) für uns (auf nie nachrpüfbare Weise) übernimmt.

Mag sein, dass wir dann andre Probleme zu lösen haben (Probleme, die vielleicht zum allerersten Mal überhaupt gestellt werden, nachdem man ihre Lösung vorher dem Marktgott überlasen hatte…) – aber gewiss nicht, wie man die verschiedenen „Besitzer-Klassen“ für ihre opferreichen „Beiträge“ zu einem alles mit allem (in Preisen) vergleichbar machenden „Wertprodukt“ entschädigt oder ihr Vorhandensein möglichst simuliert, weil es ohne Besitz und Besitzer und ihr eigennütziges Besitzerverhalten nun mal nicht geht.

(Nebenbei, ich glaube, dass JEDE (De)Legitimation, die mit der Vorstellung einer solchen Vergleichbarkeit verschiedenster Güterklassen durch EINEN Preis arbeitet, theoretischen Unsinn produziert und nicht funktioniert. Aber das ist ein weites Feld…)

Ja sicher, reypoor…

12. September 2013
.. der aktuelle Zustand wird beschrieben, niemand bestreitet, dass mitten im Kapitalismus Technologien und Innovationen, vor allem produktivitäts-steigernde, wuchern.
Das Dumme ist: sie sind allesamt un Privatbesitz, und Mittel ihrer Eigentümer, sich irgendwas für sie Nützliches von andern Eigentümern geben zu lassen – indem sie diese andern nur unter Bedingungen an die nützlichen Technologien ranlassen. Am blödesten ist das für die, die ausser ihrer Arbeitskraft nicht sehr viel mehr haben, und das ist die grosse Mehrheit. Naja, du kennst das ja, reypoor.
Was war jetzt aber deine Frage im Zusammenhang mit dem Zitat?

Es geht mir ja nicht um Preistheorie, Wal..

13. September 2013
… sondern darum, was reypoor, der den thread eröffnet hat und seither irgendwie einen aus seiner Sicht zusammenhängenden Strang von Fragen entwickelt, eigentlich genau herausfinden möchte. Und meine Vermutung, die sich mir bei meiner Lektüre dieses Fragenstrangs aufdrängt, war nicht, dass er über Preisgestaltung im Kapialismus reden möchte, sondern über Mängel der bisherigen linken (also va Marxschen) Theorie dieser Preisgestaltung, was aus seiner Sicht wiederum ungute Konsequenzen für die Form einer Übergangsgeselslchaft hat. Das ist, zugegeben, alles extrapoliert aus seinen bisherigen Äusserungen, aber anders erschliesst sich mir nicht, worauf reypoor hier möglicherweise hinauswill. Vielleicht erklärt er es ja selbst nochnal. Wenn die Fragestellungen, die durch die ursprünglich andere Interessensrichtung von reypoor angestossen wurden, sich für die Mehrheit hier als die interessanteren darstellen, will ich das gewiss nicht unterbinden, es ist aber dann vielleicht angebracht, diesen Teil des threads in einen neuen zu überführen, und reypoors Thema, wenn es sich denn als eigenständiges erweist, davon abgetrennt zu behandeln.

@Peter
Die Finessen der Marxschen Terminologie an verschiedenen Stellen des Werks auseinanderzuklauben, versage ich mir hier noch, ich habe in der Tat andere Sprachgebräuche bzgl „Wert“ kennengelernt, da mögen sich diverse Traditionen und Milieus von Marx-Lesern unterscheiden.

Marktwert usw ist bei Marx belegt im 3.Bd, ich glaube 9.Kap., wo er sich in eine Text, der ja eigentlich vor Kap.Bd 1 geschrieben war, mit sich selbst über den Ausdruck der bürgerlichen Ökonomen „natürlicher Preis“ (und in ihm angelegte begriffliche Fallstricke) verständigt. Er braucht diese Selbstverständigung an der Stelle, weil er gleich anschliessend die Tendenz zur Bildung einer Durchschnittsprofitrate erörtern will und ein System von Abweichungen der Durchsnittspreise verschiedener Branchen von den Werten der dort verkauften Waren, und auch eine „Verzerrung“ der Angebots-Struktur postuliert als theoretische Erklärung, warum sowas wie eine Durchschnittsprofitrate auf Basis der eigentlich massgeblichen Kategorie Wert (oder des „Wertgesetzes“) überhaupt denkbar ist und ihr keineswegs widerspricht.

Wem gehören die Resultate der „Mehrarbeit“?

13. September 2013
Der letzte Beitrag von reypoor (der Gesellschaft kommen= VON der Gesellschaft kommen, oder DER Gesellschaft ZUkommen) scheint mir in egal welcher Lesart erneut drauf zu verweisen, dass er in Legitimations-Kategorien denkt: die Gesellschaft hats produziert, nicht das Kapital, also gehörts der Gesellschaft, und nicht dem Kapitalisten.
Unter den geschätzt 12 Sozialismen oder Kommunismen, die es nach Wal mutmasslich gibt, dürfte der Gerechtigkeits-Sozialismus sicher einer sein: die Rechnerei, dass nur ja jeder kriegt, im Mass wie er beigetragen hat. (Hierzu gibt es sattsam bekannte Auslassungen von Marx im Zusammenhang des Gothaer-Programm-Entwurfs usw.)
Ich möchte hier nur anmerken, dass diese moralische Fragestellung in unauflösliche begriffliche Schwierigkeiten führt, und niemals zur Definition irgendwelcher kollektiver Handlungsregeln herangezogen werden kann. Unabhängig davon wäre, ähnlich wie bei den Beiträgen des ultra-libertären Gastautors rider650 (immer noch MItglied hier) neulich, zu fragen, ob die Ergebnisse der völlig ungleichien Erwerbs- und Handlungschancen in einer Klassengesellschaft irgendetwas „Legitimatorisches“ an sich haben und in moralischen oder auch nur effizienz-orientierten „Allokations“-Fragestellungen zum Ausgangspunkt gemacht werden dürfen. Das als Fragen an reypoor…

Verständnisfrage an Peter

17. September 2013
Hallo Peter, soweit ich den Begriff „Abschreibung“ verstehe, dient er unter anderm dem Zweck, den von dir heraufbeschworenen Unterschied zwischen „ursprünglich“ und „angelegt“ (sollte natürlich heissen: ANGEWANDT, dummer Schreibfehler, nachträglich bemerkt) (bzw verbraucht) rechnerisch zum Verschwinden zu bringen. Was, wenn ich jetzt nicht ganz daneben liege, dazu führt dass die ProfitRATE (bei gleichbleibenden Auslagen für Roh- und Zwischenprodukte, Hilfsstoffe und Löhne) gerade nicht veränderlich ist und für die gesamte Umschlagszeit bzw. beliebige Teilfristen dieselbe ist.
Der Trick ist doch einfach, durch Abschreibung die materiell „ganz“ in die Produktion jeder Einzelware (oder die während einer Frist hergestellten) eingehenden Produktionsmittel kosten-rechnerisch wie Verbrauchsgüter zu behandeln.
Was Wal wohl als „abtenteuerlich“ bezeichnet, ist die Idee, die Raten anschliessend aufzuaddieren: Aufaddieren kannst du die pro Monat oder sonstige Teilfrist erzeugte Mehrwert- oder ProfitMASSEN; denen stehen dann aber die in der betreffenden Frist verausgabten Abschreibungen und Kosten für Verbrauchsgüter und Löhne gegenüber.
Wie kommst du drauf, dass 3% eine Monats-Wachstumsrate darstellt, die man mit der Zahl der Monate multiplizieren muss (also Raten aufaddieren), um auf die Jahres-Wachtsumsrate zu kommen?

Die Pointe der Unterscheidung…

17. September 2013
Ich bin mal Wals Lexikon-Einträgen zum Thema gefolgt, und sehe da Marx im Kampf mit Adam Smith und Verwirrungen im Zusammenhang mit allgemeinen Bestimmungen von Arbeit und der kapitalistischen Formbestimmung. Der Unterschied dort ist: „die Arbeit wird aus Revenue bezahlt bzw. wird aus Kapitalauslage bezahlt“ vs. „die Arbeit wird unter Mehrwertaneignung durch Kapitalisten (im Rahmen eines kapitalistischen Unternehmens) verrichtet bzw. ohne solche“. Marx stellt klar: Nicht, weil die Arbeit aus Revenue bezahlt wird, ist der entscheidende Unterschied, der hier eine Benennung verdient (er übernimmt dan die etwas unglückliche terminologie von Smith), sondern eben die Frage, ob sie von einem Kapitalisten gekauft und ihr Produkt von ihm angeeignet und an egal wen, ob Revenue-Bezieher oder nicht, verkauft wird. Politisch KANN man daran die Verlängerung machen, dass die Form „unter dem Regime des Kapitals gleistete Arbeit“ erfolgreich dadurch zum Verschwinden gebracht wird, dass insbesondere die so tätigen Arbeiter ihre Mitarbeit in „kapitalverträglicher“ Form verweigern. Die Verweigerung der „Zirkulationsarbeiter“ schädigt und erschwert die Kapitalverwertung, bringt sie aber nicht wirklich zum Erliegen. (Ein isolierter „politischer“ Dauerstreik der Mehrheit der Zirkluationsarbeiter, aber auch nur dieser, ist, gelinde gesagt, etwas reichlich unwahrscheinliches.) Ebenso würde die starke Verteuerung, Verknappung oder gar der Ausfall der Produktion von Luxuswaren und Luxus-Dienstleistungen im Prinzip die kapitalistische Produktionsweise nicht antasten. Es geht da um die irgendwie auch banale Idee, dass die ökonomische FORM „kapitalistische Produktionsweise“, soweit es sich um etwas wie „Verweigerung“ (und nicht gleich politische Enteignung) handelt, nur zu Fall gebracht werden kann durch die Arbeiter, die tatsächlich im Rahmen dieser Form beschäftigt sind.

Naja, Wal, es ging aber hier um Profit pro Zeit…

17. September 2013
…und die Frage, ob und wie die Raten der in bestimmten Teil-Fristen (zB Monaten, Quartalen) erzielten Überschüsse (Profite), bezogen auf die Auslagen in diesen Fristen, in Beziehung stehen zu den Raten der Überschüsse, die in den jeweiligen Gesamtfristen (zB Jahren, Gesamt-Umschlagszeiten) erzielt werden, und den Auslagen in diesen Gesamtfristen.

Es ist nicht meine Verlängerung, Wal..

17. September 2013
..sondern diente nur der Erläuterung, über welche Gedanken-Weiche man überhaupt von diesen ökonomischen Unterschiedden auf Fragen der politischen Strategie geraten kann.

Ok, nochmal…

17. September 2013
Zunächst, entschuldige den dämlichen Verschreiber in meinem Beitrag, natürlich sollte es „angewandt“ heissen.
Dein Sandhaufenbeispiel spätestens macht deine Unterscheidung klar, sie ist aber auch so gut zu verstehen.
Normalerweise lassen Kapitalisten bekanntlich die bereits erfolgreich amortisierten Teile des ursprünglich angelegten fixen constanten Kapitals (man möchte fast in die endlos wuchernden Kürzelausdrucksweisen der Ami-BWL verfallen, so im Stil von UAFC) nicht einfach so als anwachsende „Liquidität“ auf dem Konto liegen, sondern schaut, wie man zwischenzeitlich ausserhalb des eigentlich „operativen“ Betriebs Geschäfte machen kann.
Aber das ist ein Kapitel für sich.
Das Beziehen aler möglichen Formen von Ertrag auf eingesetzte Vorschüsse und deren Unterabteilungen ist eins der Lieblingsthemen der bürgerlichen BWL (daher auch die vielen englischen Kürzel). Daraus spricht vor allem das Bedürfnis, sich so früh wie möglich des Ausmasses zu vergewissern, mit dem die eingesetzten Vorschüsse sich gelohnt haben – oder aber das Geschäft, soweit noch möglich, abzuändern. Ob man Monats- oder Jahresgewinne betrachtet (zu denen sich die Monatsgewinne adiieren), ist doch vom Prinzip her egal. Nicht egal ist, ob das nach bürgerlichen Begriffen überhaupt „Geleistete“ einen Überschuss aufweist, und wie hoch der ist – eben die Wachstumsrate. Wieso sollte das denn der Durchschnitt der monatlichen Zu-Gewinne sein? In welcher Statistik wird der Jahresüberschuss, sei es von Unternehmen, sei es der „Gesellschaft“, so definiert? Also was genau berechtigt, von 3% als allergröbstem offiziellem Schätzwert für „Mehrerzeugnis gegenüber der Vorperiode (Vorjahr)“ zurückzuschliessen auf 36%, wie du es oben getan hast? Das war das eigentlich Abenteuerliche, wenigstens nach meinem Verständnis…

Warum reden wir denn über all das?

19. September 2013
Können wir mal einen Schritt zurücktreten, und kurz (wie es Kim auch schon nahegelegt hat) einmal fragen, was die Berechnungsweisen der Kapitalisten oder „Ausbeuter“ hinsichtlich ihres Geschäftserfolgs für die KRITIK ihrer Ökonomie genau noch für einen Unterschied macht? Alle qualitativen oder groben quantitativen Tendenzaussagen, die Marx da zu bieten hatte, unterstellen vereinfacht Umschlag eines Gesamtkapitals C in einer gegebnen Frist, das sich in die Abteilungen c und v teilt. Die Überlegungen zu den v-Abteilungen mit unterschiedlichen Umschlagszeiten bzw. rechnerischem blossen (Tausch)Wertübertrag („fix“) vs. zusätzlich vollständigem stofflichem Verbrauch in der Produktion der Einzelware (was Ersatz benötigt und rechtzeitige Rückflüsse, damit das Geamtkapital überhaupt weiter umschlagen kann)) („zirkulierend“) – sie dienen doch hauptsächlich dazu, uns davon zu überzeugen, dass die Aussagen des 3.Bandes grosso modo haltbar sind und die Umschlagsgeschwindigkeiten daran nichts grundsätzliches ändern.
Daher möchte ich jetzt dich, Peter, nochmals fragen: Was lässt sich aufgrund deiner Differenzierungen über Marx hinaus feststellen?
Geht das irgendwie in Richtung des Gedankens, „die Profitrate ist aber viel grösser, als wenn der Mehrwert bloss bezogen wird auf…“? Kommt da irgendwas raus, was wir aufgrund unserer Marx-Lektüre übersehen oder fehlbeurteilen, oder das für die Gesamtbetrachtung wichtig ist oder zur Abwehr von Ideologien? Diesen Punkt, wofür die ganzen Betrachtungen eigentlich gebraucht werden, hab ich noch nicht kapiert, Peter. Kannst du versuchen, das nochmal auf den Punkt zu bringen?

Nachträgliche Ergänzung:
Dieselbe Seltsamkeit, die eingangs in diesem thread den Anstoss für die ganze Debatte gab, finde ich in deinem Buch auf S.22, Anm.11, wer will, kann das dort nachlesen: Beide Profitraten sind gleich, bloss dass die „p.a.“ (pro Jahr) sich aus einer viel niedrigeren „Tagesprofitrate“ ergibt – weil halt das eingesetzte Kapital nicht in einem Tag, sondern erst in einem Jahr umschlägt. Worüber genau kann man sich da Illusionen machen?

Selbe Frage wie drüben…

19. September 2013
Anwendbare Mathematik, oje, mir reichen schon seine Bruchrechnungen:)
Sollte man das nicht der BWL und ihren Versuchen überlassen, „unterwegs“ halbwegs herauszukriegen, ob das Geschäft eigentlich gelingt, und wieviel Spielräume beim Preissenken und Konkurrenz-Unterbieten man einerseits hat, und andererseits wie man dabei die Profitmasse pro Zeit optimiert? Angesichts von Liquidität und Eigenkapitalausstattung (die überlegen doch auch ständig, wieviel Kredit mit ins Boot zu nehmen Sinn machen können, und zwar sowohl auf seiten der Geber wie der Nehmer…)
Was änderts am Sachverhalt der Ausbeutung, am Sachverhalt der Klassen, der Erpressung der Nichteigentümer durch die Eigentümer, die Aneignung der Mehrarbeit (und, nebenbei, sämtliciher anderer Mehrprodukte) durch die „Arbeitgeber“, und dem Ausschluss der Arbeitenden von der Entscheidung, wofür gearbeitet wird?

((Warum hat Marx die Fragmente zu Bd 2 und 3 nicht mehr redigiert? Vielleicht, weil die höchst fieseligen Korrekturen an den Fehlern bei Smith und Ricardo zwar für ihn als deren Leser und in gewissem Sinn wissenschaftlichen Erben intern wichtig waren… aber für die kommunistische Kritik keinen so GANZ grossen Unterschied mehr machten?))

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Mensch und Natur: Produktivkraft als Oberbegriff?

19. September 2013
Um ehrlich zu sein: Ich glaube nicht, dass IRGENDWER heute das Verhältnis von „Mensch“ und „Natur“ begriffen hat und übersichtlich darstellen kann. Schon mit „Mensch“ tut man sich ja verdammt schwer… Es sei denn, man hat im weitesten Sinn religiöse bzw. metaphysische (also zB hegelianische, oder, ich fürchte, man muss es so sagen: auch dialektisch-materialistische Einstellungen). Da interessiert einen die GENAUE Definition von „Mensch“ nicht so sehr…
Und… tja, wenn „produzieren“ so abstrakt gebraucht wird (wie es im derzeitigen deutschen Sprachgebrauch eigentlich garnicht üblich ist, im englischen „to produce“ noch eher), dass nur noch gemeint ist: „von sich aus hervorbringen, erzeugen“… so wie der tätige Vulkan Ascheberge, der Kälteeinbruch Nebel, der Golfstrom.. sich selbst…
(erhält..?)..
…dann sind allerdings alle spezielleren Fragen über verschiedene Niveaus des „Hervorbringens“ erledigt, die Hervorbringungen „des Menschen“ SUBSUMIERT als Unterabteilung unter diejenigen der Natur. Aber was ist der Unterschied zu den nichtmenschlichen Hervorbringunugen dort? Und… was die GEMEINSAMKEIT?
Das ist halt nicht beantwortet mit solchen Oberbegriffen wie Produktivkraft – nur wird unterstellt, DASS es eine wesentlich übergreifende Gemeinsamkeit geben wird. Und einen Unterschied. Worin auch immer sie bestehen…

Meine Wiedergabe von Theorie-Resultaten…

20. September 2013
… oder Daten weicht offenbar von der anderer ab. Ich merke mir nämlich alles bloss so, wie es mir bei meiner nachvollziehenden Lektüre eingeleuchtet hat, und wichtig genug war, oder als Standpunkt des Autors seltsam oder verkehrt vorkam; so ist es bei mir abgespeichert, so erzähle ich es andern in meinen Worten. Da kann ich mich natürlich übel irren, und selbstverständlich lasse ich mich durch Zitate oder auch bloss anderslautende Wiedergaben des Textes oder biographischer bzw. editionsgeschichtlicher Daten durch andre zur Nachprüfung bewegen.
Aber erst einmal zitiere ich alles bzw. gebe es wieder bloss aus dem Gedächtnis.
Gemerkt habe ich mir als grobe Reihenfolge: 1867 Band 1 – davor 63-65 die Entwürfe für Bd 3, bis ca. 1873 (aber auch schon vor 67) Entwürfe für Bd.2, bis 1875 nur noch die Neuauflage von Bd.1. Mit 10 Jahren Zeit meinte ich das Jahrzehnt ab 1873, als M. die Arbeit an irgend fortlaufenden „Forschungsmanuskripten“ einstellte.
(Historische recherchen zur Grundrente gegen Lebensende mal aussen vor gelassen.)
Vielleicht wissen andre ja andres oder genaueres dazu…
Also, meine Aussage modifiziert: war ihm also die Weiter-Arbeit am 1.Bd wichtiger als die Fortführung. Und ich find das höchst plausibel.

nur ganz kurz von wegen Hinweis und geistigem Eigentum…

20. September 2013
…kann leider grad nicht auf alles antworten, aber unter Kommun(al)isten gibts ja wohl kein Privateigentum an geteilten Einischten, das wäre ja noch schöner. Und.. unter Leuten, die was gegen Herrschaft haben, wird keinem was verboten, also schreib die Sache um, wie sie dir korrekt vorkommt, wenn nötig mit Vermerk, dass es vorher anders und falsch war, falls jemand deinen Text zweimal liest. Könnte ja vorkommen 🙂 Aber Namen müssen da keine fallen…

Ein paar Anmerkungen…

23. September 2013
1. Die Erwerbstätigenzahl steigt, die Arbeitsstunden bleiben in etwa gleich… könnte besagen: Die Arbeitsintensität ist gestiegen (und nur noch bei kürzerer Arbeitszeit überhaupt auszuhalten)… oder… es handelt sich garnicht mehr um Voll-Erwerbstätige, die eine Familie allein unterhalten können. Beide Masszahlen sind statistisch etwas schwer zu erfassen. (Nebenfrage: Ist von Brutto- oder Netto-Löhnen die Rede?)
2. Die Statistik, die monetäre Grössen wie Löhne, Preise, Gewinne betrachtet, bekommt die qualitative Seite des Prozesses nicht in den Blick: Gebrauchsgüter, die hochwertiger (zB Sicherheitsstandards in PKWs, erschwingliche PCs und Laptops) aber zugleich billiger werden (die Zusammensetzung des Warenkorbs des Durchschnittshaushalts), ökologische und Gesundheits-Schäden, die entweder bewusst externalisiert werden, und dann – soweit überhaupt bewältigbar, noch positiv als Beitrag zur Wohlstands-Entwicklung verbucht werden, oder aber in ihren unmittelbaren Auswirkungen nicht berechenbar sind, nur dass die Belastungen „des Steuerzahlers“ durch Prävention, Kontrolle, Kompensation (Liberale nennen das dann gern: Bürokratie) immerfort steigen.
3. Natürlich beeinflusst die neoliberale Version von Sozialpolitik die Konkurrenz der Arbeiter – nur eben nicht alleine, das ist wohl wahr. Die Bildungspoltik beeinflusst sie. Die Familien- (Frauenarbeit) und Ausländerpolitik („Steuerunug von Zuwanderung“). Die Lenkung von Subventionen, „Standortpolitik“. Die Art und Höhe der Lohnnebenkosten, die „Effizienz des Gesundheitssystems“. Und dann eben auch die Produktivkraftentwicklung.
4. Lässt sich der Vorwurf der „Begriffslosigkeit“ ausdehnen auf jede Form von („unvermeidlich“) Zusammenbruchstheorie (was ist finale Krise andres?), die aus den grundlegenden Spielregeln (vielleicht im Verbund mit ein paar ebenso grundlegenden externen Randbedingungen) des Kapitalismus ableitbar sein soll?

Quantitatives und qualitatives Wachstum

27. September 2013
Hallo Wal, das geht alles so schnell hier, Massen von Argumenten häufen sich an, ich hab Schwierigkeiten, das so schnell zu sortieren und zu verarbeiten…

Oben hast du dich dagegen gewehrt, dass man Statistiken generell bezweifelt, weil ja sonst der Kapitalismus undurchschaubar bleibt.
Nun, für mich IST Undurchschaubarkeit einer der Grundzüge des Kapitalismus!
Und… mir scheint, dass viele wenn nicht alle Versuche, Erfoge und Misserfolge dieser komplett unüberschauubaren „gesellschaftlichen“ Arbeitsteilung „überschaubar“ und messbar zu machen, sich vor allem dem Wunsch verdanken, überhaupt solche Anzeigeinstrumente zu haben und zu irgendelchen Tendenzaussagen und (auf seiten bürgerlicher Politiker) Steuerungs- und Eingriffsmöglichkeiten (souffliert von ökonomischen Experten) zu gelangen (das hat seine Pendants auf seiten linker Kritiker mit Umsturzerwartungen…)

((Ökonomie ist nicht die einzige Wissenschaft, die ihre (höchst zweifelhaften) Grundannahmen und Rahmenhypothesen einem solchen Wunsch verdankt.))

Ich möchte auf einen Gedanken aus dem ersten Beitrag oben zurückkommen.
Steigerung der Produktivkraft KANN einhergehen mit Steigerung des erzeugten Produktquantums; vor allem aber geht sie doch normalerweise einher mit Verbilligung von Produkten, die sich indirekt in der Fertigungskette fortsetzen kann (das gilt (leider) auch für das Produkt“ Arbeitskraft).
Beide Bewegungen stellen erstmal „Erfolge“ dar im Sinne einer Vergrösserung des „Güter-Reichtums“ (für wen, für was, mit welchen Folgen, ist dabei nicht gesagt): Aber in EINER (preis)(Summen)Messgrösse lassen sie sich garnicht darstellen.

((Je länger ich mich damit beschäftige, desto mehr hab ich den Eindruck, dass Ökonomie nichtmal mehr Ideologie und Heuchelei hinsichtlich eines an sich ermittelbaren Sachverhalts ist. Vielmehr glaube ich, dass Ökonomie (als „Wissenschaft“) Wahnwitz ist, und die völlig irrationale Widerspiegelung eines völlig irrationalen (Rechnungs-, nämlich des Geld- und Preis-)Systems.))

Auf eine seltsame Weise mischen sich ja auch Erfolg und Misserfolg in der „Kapitalvernichtung“ der Krise und des Konjunktur-„Abschwungs“: Was da vernichtet wird, ist doch vor allem die Illusion der „enteigneten“, insolventen oder Verluste-machenden Kapitaleigner, bestimmte Portionen „erfolgreich“ produzierenden Kapitals in Händen zu haben. Es war aber keins. Wusste man vorher aber nicht und weiss man vorher grundsätzlich nie. Und sogar jetzt noch: nach der Insolvenz kann mit den „entwerteten“ Produktionsmitteln aus der Konkursmasse womöglich noch ein flottes Geschäft aufgezogen werden.
Irgendwie ist in dieser ganzen Darstellung von wegen, die Kapitale der „Kernzone“ machen einen „Abschwung“ durch, ein falscher Schlag.
So wie im ganzen Profitraten-Senkungs-Konzept. Im Manuskript für den 3.Band des Kapital zum Thema ist von den Überlegungen der Grundrisse nichts mehr übrig. Stattdessen werden gegen die vermerkte „Tendenz“ soviel „gegenläufige“ Momente aufgezählt, dass man erstmal auch nicht mehr weiss, was am Ende theoretisch eigentlich herauskommt. Nicht zu vergessen, so wie ichs hier ja auch festhalte: Die immer grössere Produkten- und Reichtumsmasse, die sich in nominell gleichen „Profiten“ darstellt. Verarmung und Stagnation sieht anders aus. Und… überhaupt nicht unerheblich, die Modifikationen ALLER Aussagen zu Profit und Profitrate durch die (SPÄTER geschriebenen!) Überlegungen von Marx zum Kapitalumschlag im 2.Bd, was wir hier mit Peter Nowak an- aber nicht zuende diskutiert haben: die längerfristig angelegten c-Anteile „hebeln“ da uU immer schnellere und höchst profitable Umschläge der „kürzer“ angelegten Auslagen: bei gleichen Anfangsinvestitionen.

Zur Lohnarbeitslosigkeit und den „goldenen Jahren“ des westdeutschen Kapitalismus.
Wir betrachten immer nur die Sach-Investitionen unter dem Titel c, was aber rasant steigt, sind bei steigender Produktivkraft die entsprechenden Anforderungen an kostenträchtige Qualifizierung der Arbeitskraft. Könnte es nicht sein, dass hier ein (quantitatives wie vor allem qualitatives) Wachstum beschränkendes Moment vorliegt – weil diie technische Entwicklung derart schnelle (und unvorhersehbare) Anpassungen der Ausbildungsgänge erfordert, dass allein schon darum die vorhandenen Humanressourcen hoffnungslos überfordert sind – so wie auch der Streit, wer die Kosten tragen soll: Betriebe oder Staat oder Auszubildende?

Es gibt durchaus bekannte „Wachstums“-schranken oder „-belastungen“ (als Kostenfaktor): Und das ist selbstverständlich vorneweg die Begrenztheit von Lagerstätten und das mangelhaft entwickelte Recyclingwesen bzw. der zu späte Einsatz ressourcensparender Technologie (im Energiesektor). Das kann man garnicht unmittelbar dem Kapitalismus als FORM anlasten, es ist halt die Kurzsichtigkeit der Durchschnitts-Manager; wer langfristige Entwicklungen kostenmässig einplant, hat schlechte Karten, wenn der Durchschnitt der Konkurrenten und/oder der Kunden sich da nicht genauso einsichtig verhält, und alle die kurzfristigen Kostenvorteile (sogar wenn ihnen die Gefahr bereits bewusst ist) schnell noch ausschöpfen wollen (bevor man dann umsteuert).
Ressourcen-sparender Kapitalismus ist selbstverständlich auch möglich, und widerspricht dem kapitalistischen Prinzip nicht im geringsten.
(Ökologischer Kapitalismus hingegen ist, wie ich glaube, ein Widerspruch in sich. Das schaffen sie nun wirklich nicht, so primitiv, wie sie sich Vergesellschaftung von Arbeitsteilung und Wissen vorstellen.)

Zu den Stagnations-Vorstellungen noch eine Bemerkung.
Eine neue Epoche (und das ist nicht so sehr bloss eine neue Epoche der Vergesellschaftung-Form, allein dazu wäre sehr viel mehr zu sagen) entsteht nie aus der Krise der vorhergehenden, Epochen stossen nicht bündig aneinander.
In spezifischen „Krisen“ zeigt sich allenfalls die mangelnde Robustheit und die Grenze der Produktivität einer epochalen Produktionsweise bzw. eines Weltverhältnisses und seiner Vergesellschaftung. Es ist aber, wie ich finde, garnicht einfach, den Zusammenhang herzustellen zwischen solchen Schwäche-Manifestationen und dem Neu-Aufbruch, den man meist nur im Rückblick als solchen erkennt:
Die Traditionslinien des „Spätmittelalters“ laufen doch lückenlos weiter und überdauern ohne weiteres das mörderische 14. Krisenjahrhundert. Der kulturelle Neuanfang namens Renaissance iat nicht so sehr Bruch als selektive Weiterentwicklung und quasi „Neu-Bündelung“ von hochmittelalterlichen Fortschritten in verschiedenen Kulturdimensionen. Beide Stränge, der spätmittelalterliche und der „renaissance-hafte“, laufen lange Zeit nebeneinander her, bis der „neuere“ kulturell hegemonial wird: allein dieser Begriff des „kulturell Hegemonialen“ würde für seine Definition um Grössenordnungen mehr Aufwand erfordern, als hier zu treiben möglich ist. Die historische Sozialwissenschaft ist eine der derzeit kategorial wenigst durchleuchteten und durchdachten überhaupt…)
Ich führe das Muster „längere Koexistenz der Anfangs- und (noch nicht zusammengeführten) Vorstadien eines später hegemonialen (epochalen) Kultur-Niveaus mit den (krisenhaften) Spätstadien seines Vorgängers“ nicht auch noch an der „Spätantike“ vor. Aber man kann sich fragen, ob nicht die mächtige, wenn auch nicht mehr hegemoniale, zu ihrer Zeit antiquierte weil genuin „antike“ Idee einer Universal-Kirche oder -Monarchie (oder gar die der Vereinigung beider Elemente) die späte Erscheinungsform der antiken Grossreichs-Konzeption (und Herrschafts-Legitimation) darstellt.
Das ist, so denke ich mir, darum von Interesse, weil sich am Punkt „Kapitalismus-Krise“ (mit allen Modifikationen, die du gerade auch in diesem thread schon angebracht hast) und „Spätphase“ auch in unserem Falle Übergangs-Szenarien entfalten lassen, bei denen historische Vorbilder für mögliche Verläufe solcher Übergänge als Belege angeführt werden. (So wie im „Histomat“ eine grosse Rolle spielte das nach rückwärts verlängerte Verlaufsmuster Klassenkampf, zugespitzt zu „Revolution“, damit zugleich Ablösung eines der technischen Entwicklung nicht mehr angemessenen Produktionsverhältnisses.)

So – also nun auch von meiner Seite eine grosse Stoffmasse…
Aber die Themen hängen eben auch zusammen, eins ergibt sich aus dem andern, und so muss man sie vielleicht auch behandeln, bevor man in Einzelheiten geht.

Preis-Summen: Was sich in ihnen darstellt und was nicht

29. September 2013
@renee Ich würde sehr gern mehr auf die Schwierigkeiten mit theoretischen Texten eingehen, das bläht aber die Themenmasse in diesem notgedrungen ohnehin schon überladenen thread weiter auf. Ich werd versuchen, das an anderer Stelle unterzubringen, aber es soll nicht vergessen oder unterschlagen sein, was du da gesagt hast.
(Auf deine direkten Beiträge (Wachstumsschranken; sachliche, „humane“) zum thread-Thema muss ich hier aber sowieso eingehen.)

Danke, Wal, für die ausführlichen Antworten.

Ich sehe als Hauptthema dieses threads die Frage: Kann der Kapitalismus „im Prinzip“ immer „weitermachen/gehen“, oder gibt es immanente Schranken für sein wie auch immer geartetes „Vorwärtsgehen“ – und wenn es sie gibt, treten sie
a) phasenweise auf, und hemmen bloss die übergreifend weiterlaufende „Aufwärtsbewegung“? ODER
b) verschärfen sie sich in einem quasi „Krisen-Cresecndo“, ohne dass ein „immanenter“ Kulminations-Punkt, ein Absturz in Stagnation oder unaufhaltsame rezession, auszumachen wäre? ODER
c) gibt es einen solchen Gipfelpunkt, wo dem unaufhaltsamen säkularen (übergreifenden, prinzipiellen) „Aufstieg/Aufschwung“ die ebenso unaufhaltsame Nur-noch-Seitwärtsbewegung oder gar der langsame Abstieg folgt bis hin zum manifesten „SO Nichtmehrweiterkönnen“ (mit den möglichen Ausgängen: Zerrüttung/Zerfall, oder Übergang in stabile nach-kapitalistische Vergesellschaftung)? ODER
d) sind da jeweils dem Kapitalismus EXTERNE Elemente und DEREN Verlaufsformen am Werk (etwa im Sinne der „langen Wellen“, oder Ressourcen-Verknappungen, oder Anhäufung ökologischer Technikfolgen), die die kapitalistisch verwendete Technologie in Probleme stürzen, der kapitalistischen FORM der gesamten Produktionsweise aber im Prinzip nichts anhaben können, vor allem und spätestens, wenn diese Probleme bzw. Technik-Entwicklungs-Stagnationsphasen überwunden sind?

Mir geht es hier jetzt erstmal um die von dir, Wal, gewählten Belege für eine zumindest langfristige Stagnation und Abschwungphase, in Gestalt der BIP-Wachstumswerte. Und, ja,du hast recht: mein Argument hinsichtlich der „Nicht-Darstellbarkeit“ zweier qualitativ unterschiedlicher Formen der REICHTUMSVERMEHRUNG durch ein und dieselbe Messgrösse, nämlich addierte Güterpreise (multipliziert mit Gütermegen) pro Zeit, spielt da die entscheidende Rolle.
Hierzu nun einige Überlegungen, die ich in Punkte aufgliedere, damit du und andre sich in möglichen Antworten je drauf beziehen können:

1. Gesteigerte Produktivität hat, wie du, Wal, selber sagst, den Aspekt: Der Güterfluss pro Zeit beschleunigt sich. Vorrangig, sofern es sich um Arbeitsproduktivität handelt, der Güterfluss pro Arbeitszeit (gleiche Arbeitszeiten stellen sich in grösseren Produktmassen dar).
Aber auch in beschleunigtem Umschlag (Fixkosten pro Zeit verteilen sich auf grössere Gütermassen, die in derselben Zeit erzeugt werden).
Und… es werden von allen möglichen Vorprodukten und Hilfsmitteln weniger Massen verbraucht; umgekehrt halten Produktionsmittel länger: die c-Kosten pro Produkteinheit sinken, nicht nur die Arbeitskosten.
Steigende Produktivkraft hat alle diese Seiten (und hätte sie auch im Kommunismus). INDIREKT wirken sich natürlich all diese Rationalisierungen und gestiegenen Produktivitäten auch auf die Masse an Arbeit (aber auch aller anderen knappen Verbrauchsgüter in der Produktion) aus, die zur Reproduktion des erreichten Produktionsniveaus nötig ist.

2. Nun sagst du, Wal: Die steigende Produktivkraft wird nicht so genutzt, dass nun tatsächlich Produktions-Ingredienzien, etwa die Arbeitszeit, in ihrer Gesamtmasse verringert werden.
Nun ja. Es gibt die Lohn-Arbeitslosigkeit (neben Überarbeit der verbliebenen Belegschaften, aber auch schlicht ihrer Ersetzung durch „tote Arbeit“.)
Und es gibt nachlassende Nachfrage nach allen möglichen, früher heiss begehrten Gütersorten, die jetzt einfach nicht mehr benötigt werden – immer wieder.
Und…
…es gibt eine Umverteilung, Umlenkung, Neuverwendung von Arbeit und Gütern. Nicht unbedingt genau denselben: So wie „Arbeit“ unendlich vielfältig ist, so zB (nicht ganz so vielfältig) etwa „Energie“.

3. Speziell bei „Arbeit“ gibt es unausweichlich die Tendenz, mit wachsender Durch-Technisierung eine immer höhere Zahl von hoch-qualifizierten, hoch-spezialisierten Technikern zu beschäftigen. Eigenartigerweise hast du die diesbezügliche Stelle, die doch etwas sehr Geläufiges und Bekanntes ausspricht, oben nicht verstanden: Die Geschwindigkeit, mit der neue Technik-Entwicklungen eingeführt und massenhaft ausgebreitet werden soll, überfordert die Anpassungsbereitschaft bzw -fähigkeit der verfügbaren Kapazitäten an Auszubildenden und Ausbildungsinstitutionen: Passende Spezialisten sind immerzu knapp, umgekehrt gibt es auch den raschen „moralischen Verschleiss“ von Fachwissen und -können. Kein (zunehmend?) limitierender Faktor?

4. Aber der entscheidende Gesichtspunkt ist der folgende (und das ist einer, der auch die Aussagekraft der BIP- und „Wachstums“-Kategorie bürgerlicher Ökonomen infragestellt): Eine rasante Produktivkraftentwicklung MUSS sich doch so darstellen, dass dieselben oder auch neue (qualitativ hochwertige, „produktivere“) Gütersorten in immer niedrigeren oder gleichbleibenden oder allenfalls langsam wachsenden Preissummen darstellen! Zwar: Stagnation KÖNNTE denselben Effekt haben. Aber das sagt doch bloss, dass solche Preis-Additionen wie das BIP und die daran anknüpfende „Wachstums-Ideologie“ („nur was dazu kommt, kann verteilt werden“, speziell Lohnforderungen können doch nicht höher sein als…) über die REALE Reichtumsentwicklung garnichts aussagen.

5. Auch Kennziffern wie Jahres-Arbeitszeit bzw. Beschäftigtenzahl sowie Lohnausgaben INSGESAMT können sowohl in ihrem Gleichbleiben (Seitwärtsbewegung), als auch bei Bewegungen in beide Richtungen gänzlich unterschiedliche Verhältnisse darstellen. Eine zunehmende Spreizung des Arbeitsmarkts in einen Billiglohn-Sektor und eine Facharbeits- und technische Spezialisten-Hochlohngruppe würde mit den beiden oder auch drei Masszahlen nicht ohne weiteres abzubilden sein. Auch hier ist der Zusammenhang mit steigender Produktivkraft, vor allem, wenn das Ausgangsniveau schon hoch war (und der Industrialisierungs-„Aufschwung“ absolviert), nicht ganz eindeutig: Arbeitsplätze können verschwinden, zunehmend nachgefragte Höherqualifizierung (auf breiter Front oder in bestimmten Fachgebieten, auch stossweise) ebenso wie Entwertung von veralteten Berufsausbildungen und unqualifizierte Beschäftigung könnten zunehmen, in welchem Ausmass jeweils, bleibt (mir jedenfalls derzeit) unklar… Und ich kann auch nicht erkennen, inweifern solche fudamentalen Tendenzen durch einfache Kennziffern eindeutig abgebildet werden.

6. Erst recht fraglich ist für mich, ob man je wird die korrekte Zuordnung von c*) v m zu entsprechenden Bruchteilen der Gesamtarbeitszeit ermitteln können; selbst wenn dies möglich wäre, und die zugehörigen Abteiungen der Gesamt-Lohnsumme bekannt wäre, könnte man sich fragen, ob aus den ermittelbaren Daten sich IRGENDEIN Beleg für einen Zusammenhang wie den tendenziellen Fall der Profitrate (aufgrund höherer c-Anteile, gemessen in Arbeitszeit) ermitteln lässt. Profite in Preisen, bezogen auf Kapitalauslagen in Preisen, sind ja nochmal was andres als Profite in Gestalt von angeeigneter Mehrarbeit (bezogen auf notwendige und Produktionsmittel-reproduzierende)…
Und ich möchte aufgrund meines Punktes 4 ganz erhebliche Zweifel daran anmelden, dass die numerisch sinkenden BIP-Wachstumsraten als Belge für diese Tendenz heranzuziehen sind – abgesehen von den anderen Schwierigkeiten.
*) Hier ist eigentlich „c pro Zeiteinheit“ gemeint, und c stellt den Teil der gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit dar, der für in der Zeiteinheit (zB Jahr) verbrauchte Produktionsmittel (Abschreibung, verbrauchte Vorprodukte, Hilfsstoffe) in eben dieser Zeiteinheit (zB Jahr) aufgewandt werden muss

7. Eine spezielle Frage noch: Welche Begründung gibt es egentlich für Marx Behauptung, dass der Schweregrad von „Krisen“ sich steigert?
Anschlussfrage: Wenn Krise eigentlich nur plötzliche Marktbereinigung ist – also Konkurrenz-Verlaufsform – nebenbei damit AUCH Ausdruck steigender Produktivkraft – wie und wo soll denn da eine Krise DES Kapitalismus herauskommen? Oder was soll den Krise sonst noch sein – Ausdruck von WAS?

Probleme mit/bei dem tendenziellen Fall der Profitrate

5. Oktober 2013
Die Themen im anderen Thread waren: BIP (stagniert), Arbeitsproduktivität (steigt), Lebensstandard (der Arbeiter sinkt), Verwertungsprobleme (in den Kernzonen)…

Ich greife ungern in sich entwickelnde Debatten anderer ein, aber die Betrachtungen zu „Ökonomie“ haben doch recht weit weggeführt vom Ausgangsthema, das in sich erstmal zersplittert zu sein schien; obwohl durch die vier Begriffe in meiner Überschrift der Zusammenhang wohl halbwegs angedeutet ist.
Ich möchte an dieser Stelle Wal fragen, ob die These vom Abschwung der „Kernzone“ infolge „Schwierigkeiten bei der Verwertung“, mutmasslich bedingt durch Steigerung der Zusammensetzung (des v*) und fixen Kapitals) und den dadurch bedingten tendenziellen Fall der Profitrate, weiter von Interesse ist. Dahin hat sich nämlich die anfängliche These, die du, Wal, hier vertreten hast, ausgeweitet: Der gemeinsame Nenner war die Steigerung der Arbeitsproduktivität (sorgt für erhöhte Lohnarbeitslosigkeit und Rückkehr speziell des deutschen Kapitalismus zu „normalen Verhältnissen“) – setzt Technologie voraus – das bedeutet, in kapitalistischen Formen, gesteigerte c-Anteile, das sorgt (letztlich) für Verwertungsprobleme (sinkende Profitraten), also Stagnation. (Über die Gründe, warum Kapitale zu „Volkswirtschaften“ und „nationalen Kapitalen“ zusammengefasst betrachtet werden, wurde noch nicht gesprochen.)
*) korrigiert: des Anteils an c, speziell des fixen Kapitals
Vielleicht ist dieser thread nicht der geeignete Ort, um in die Debatte über die These von der fallenden Profitrate einzutreten.
Es hat im Moment für mich den Anschein, dass dies Thema für die andern (neben Wal und mir), die hier geschrieben haben, nicht im Vordergrund ihrer Interessen steht. Sonst wären die Ausgangsthemen des threads bzw. ihre Erweiterung, wie ich sie verstanden habe, wohl eher aufgegriffen worden.

Erste Andeutungen meiner Probleme mit dieser Theorie

6. Oktober 2013
Vorneweg sei daran erinnert, dass sich der hier in der Vergangenheit überaus produktive Autor Robert Schlosser, abgesehen von seiner Kritik an Forumsmitgliedern, soweit ich weiss, vor allem aus der öffentlichen Debatte zurückgezogen hat, um die Theorie des tendenziellen Falls weiter zu erhärten. Mein bisheriger Eindruck von dieser Theorie ist leider, dass sie das auch nötig hat. Hier möchte ich vor allem folgende Kritikpunkte andeuten:

Marx selber sieht den Hauptverantwortlichen für die Steigerung des c-Anteils am (investierten) Gesamtkapital immer im (angewandten) fixen Kapital: Dieses ist die entscheidende Quelle der Produktivitätssteigerung; mit der Folge, dass sich hinter gleichen Wertquanten grössere Mengen oder höhere Qualitäten an Gebrauchswerten verbergen.
Zentrales Argument (gerade bei Robert Schlosser in seinen Vorabskizzen zum Thema so zu finden) ist nun, dass die Gebrauchswerte (teure neue Maschinerie), die das ständig produktivere fixe Kapital technisch ausmachen, nicht so schnell ihre EIGENE Verbilligung nach sich ziehen, wie es nötig wäre, um den Effekt für die Profitrate aufzuheben.

Aber das ist nur ein Teil des Beweises. Denn es müsste gezeigt werden, dass dasselbe – auf dem Niveau der Gesamtwirtschaft – auch für die Gebrauchsgüter gilt, die wertmässig das (angewandte) zirkulierende Kapital ausmachen: also keine Energie-Einsparung, keine Abfall- und Ausschuss-Minderung, kein Umstieg auf billigere Ausgangs- und Zwischenprodukte macht die Verteuerung durch erhöhten Aufwand für die diese Effekte ermöglichende Maschinerie wett? Man fragt sich, wie blöd Kapitalisten eigentlich sein müssen? Rechnen die denn nicht ihre Kosten durch?

Zu meiner Verwunderung hat Peter Nowak oben nicht den entgegenwirkenden Effekt benannt, den Marx (aus Gründen der Chronologie in der Abfassung seiner Manuskripte verständlich) im 3.Band nicht anführt: erhöhte Umschlagsgeschwindigkeit.

Schliesslich sind Infrastruktur und Dienstleistungssektor nicht einfach eine Sackgasse für verzweifelt Anlage suchende Liquidität, sondern gesamtwirtschaftlich ein erheblicher Beitrag zur Rationalisierug der Lebensführung der tatsächlich beschäftigten Lohnarbeiter, heisst: immer neue Chancen zur Lohnsenkung etwa auch bei Höherqualifizierten (zB auch: IT-Mitarbeiter, die von zuhause oder überall arbeiten können) werden hier eröffnet.

Schliesslich hat mich deine Antwort, Wal, auf meine immerhin Marxsche Gedanken zu dem Thema paraphrasierende Überlegunug zur vor allem qualittativen, aber auch quantitativen Gebrauchswertmasse, die sich hinter der gesamten Preissumme des BIP verbirgt, verwundert: Bei gleichbleibenden BIP-Zahlen kann sich ein Feuerwerk an technischer Innovation abspielen, und nicht nur Lebensmittel sind Gebrauchwerte und „eigentlicher Reichtum“, sondern vor allem die Produktionsmittel, mit dem der „innereste industrielle Zirkel“ bestritten wird, wo mit den fortgeschrittensten Industriegütern, die die Volkswirtschaft aufzuweisen hat, immer neue solche Güter (und zwar Produktionsmittel, nicht Lebensmittel) erzeugt werden*) – ein Prozess, von dem die Lebensgrundlagen der Lohn-Arbeiter und selbst der Eigentümer (erheblicher allerdings: die Daseinsgrundlagen des STAATES) nur einen möglichst zu verringernden Ballast darstellt. Nur, dass dieser fortlaufend sich selbst optimierende Reichtum kein Ziel hat ausser sich selbst. Die Gewinne und Zinsen, mit denen dieser Realfortschritt sich in der Konkurrenz darstellen, sind demgegenüber ziemlich zweitrangig – da gehts ja allenfalls um die Verteilung der Eigentumstitel an Vermögen und Erträgen.
*) auch hier grosse Verwunderung über Peter Nowaks Bagatellisierung dieser Abteilung im Vergleich zur Luxuskonsumtion (da fällt mir allenfalls, als ernsthafter Konkurrent zu diesem innersten Zirkel, die Staatskonsumtion ein… die ist ja durchaus anspruchsvoll…)

(Der Argumentationsfehler in deinem Text oben, Wal, lautet aus meiner Sicht: Steigen von Arbeitsproduktivität (und letztlich aller Produktivität) stelle sich dar als grösserer Güterausstoss in derselben ZEIT, naja bei gleichbleibenden Verbrauch derjenigen Produktions-Ingredienzien, deren Produktivität hier sich gesteigert hat. Richtig. Es WÜRDE sich so darstellen.. wenn man die gestiegerte Produktivität nicht dazu nutzen würde, DIESELBE Menge an Güterausstoss wie zuvor in derselben Zeit mit WENIGER Ingredienzien (ua Arbeit, aber eben auch andere Produktionsfaktoren) zu produzieren und die so freiwerdenden Faktoren anderswo einzusetzen oder einzusparen. Immerhin geht wertmässig die gesellschaftliche Durchsetzung solcher Produktivitätssteigerungen mit Preissenkungen für Güter aller Art einher, was sich auch auf die Kostenstruktur auswirkt.)

Bei allgemein steigender Kaufkraft können sogar nominell sinkende Vermögenswerte für ihre Eigentümer sich als Reichtumsvermehrung darstellen, und zwar auch für die industriell tätigen Eigentümer. Die bürgerliche VWL bemüht sich, im Rahmen ihrer geldpolitischen Theorien, den Einfluss der zentralbank-technischen Kredit-Ausweitung und -Beschränkung von den andern Faktoren, die „deflationär“ oder „inflationär“ wirken könnten, zu trennen, indem sie die Preisentwicklung von Branchen-Produkten und „-Warenkörben“ index-mässigt untersucht. Nur… da gibts viele widersprüchliche Entwicklungen zu registrieren, und keine einfache Auf- oder Abwärtsentwicklung anhand von relativ einfachen „Trend“-anzeigenden Parametern.
Zur Erinnerung: Einfach nur quantitativ wachsende Produktion (wie sie sich vielleicht allenfalls in steigenden BIP-Zahlen niederschlägt!) limitiert sich erstmal (immer wieder, vorübergehend) selbst durch ihre erhöhten Rohstoff-Anforderungen. Ein nicht ganz zu vernachlässigender Faktor für einen „Fall der Profitrate“ infolge steigender Produktivität (anhand der vorübergehenden Limitierung des Faktors Lohnarbeit bei starker „Prosperität“ hat Marx dieses Phänomen selbst beschrieben.)

Soweit die „ersten Andeutungen“…

erste Erwiderungen

7. Oktober 2013
Hallo Peter, danke für deine Kommentare.
Die Maschine muss nicht immer MEHR pro Zeit produzieren (das war oben schon Wals Version von Produktivitätserhöhung), sie kann auch sparsamer produzieren, angefangen bei der Arbeitszeit, die zu ihrer Bedienung und Wartung nötig ist. Darum leuchtet mir nicht ein, wieso zwingend das zirkulierende konstante Kapital steigt statt, was doch Haupt-Zweck der Einführung solcher Maschinen ist, wegen eingesparter Kosten zu sinken. (Dies Mehr pro Zeit als einzige Variante kommt bei dir dann auch bei der Umschlaggeschwindigkeit vor, obwohl es da dann eher um Ökonomie des angewandten fixen Kapitals geht (eine (etwas teurere) Maschine leistet, was vorher mehrere zusammen geleistet haben usw). Die Techniken zur Steigerung der Umschlaggeschwindigkeit sind aber eher andere.
Ich wollte die Bedeutung der „Dienstleistungen“ als Beitrag zur Ökonomisierung der Lohnabhängigen-Existenz (Supermärkte, Kinder/Kranken/Alten-Versorgung ausserhalb der Familien usw) hervorheben, weil sich die Ökonomisierung der Kapitalverwertung durch die einschlägigen Dienstleister wahrscheinlich von selbst versteht. Nichtsdestotrotz auch hier: „faux frais“ also Abzüge vom Profit massiv verringert. Was will man als (industrieller) Kapitalist mehr? Von der Rolle des Kredits und seiner Verwaltung noch ganz zu schweigen.
Das Argument kommt dann nochmal als Verbilligung= „in gleicher Zeit mehr“, es kann aber eben auch heissen: „dasselbe in gleichen Zeiträumen wie früher, aber mit weniger Aufwand“ (was sich uU als Kostensenken, Freiwerden von zahlungsfähiger Nachfrage nach innovativen, noch mehr kosteneinsparenden Gütern bemerkbar macht).
Schliesslich: was echte Teuerung (etwa infolge wirklichen Knappwerdens von Ressourcen, oder infolge von Produktionsschäden und -einbussen) oder Verbilligung ist, und was „Inflation“ und „Deflation“ (im Kern, bei gegebner Beaufsichtigung der Geldschöpfung der Banken: der Zentralbankpolitik; ausserdem noch dem Aussenverhältnis der Währung und den diversen zugehörigen Bilanzen) geschuldet ist, ist halt im Kapitalismus nicht so einfach zu sagen.

Grundsätzlich möchte ich noch für die weitere Debatte festhalten:
1. Die proklamierte Einheit von Produktions- und Zirkulationsprozess wurde im Manuskript von Marx mutmasslich nicht so berücksichtigt, wie er es vielleicht getan hätte, wenn er die später geschriebenen Erkenntnisse des 2.Bandes in den 3.eingearbeitet hätte. „Profitrate“ ist ja letztlich nicht die für Kapitalisten wirklich relevante Grösse, sondern Profit pro Gesamtinvestition und Zeit.
2. Ich vermisse bislang die „System“-Aussagen, die die ominöse „Tendenz“ als eine erweisen, die STÄRKER ist als die (auch nach Marx eigener Darstellung) „entgegenwirkenden Ursachen“. Dazu hat sich Marx in seinem immerhin unveröffentlichten Manuskript zum 3.Bd (verständlicherweise) nicht endgültig geäussert. Genau darum wollen ja Leute wie Robert Schlosser das nachholen.
3. Ich kann die Wachstumszahlen etwa des BIP nicht ohne weiteres als empirische Anzeigen der Tendenz anerkennen, weil sie mit starken Profit-Steigerung pro Zeit- und Kapitaleinheit vereinbar sind (wegen der Verschleierung des tatsächlich hinter den Preissummen versteckten Steigerungen gerade auch des PRODUKTIVEN Reichtums (incl. Senkung der Reproduktionskosten).
4. Ich sehe den innersten industriellen Zirkel, die abstrakte Produktivitätssteigerung (mit immer produktiveren Produktionsmitteln (Kapitalgütern) immer produktivere solche Mittel produzieren), völlig intakt, und behindert allenfalls durch die ihm immer schon externen Faktoren: Ressourcenverknappung, Mangel an (immer höher) qualifizierten Arbeitskräften, Steigerung von Unkosten durch Langzeitschäden aller Art der Produktionsweise. Da konkurrieren die Einzelkapitale und versuchen, einander vorneweg zu sein, was aber das Gesamtkapital in seinem (abstrakten) Wachstum durchaus beschränken kann. Produktivitätsentwicklung kann ich (abgesehen von ihren Auswirkungen auf diese externen Faktoren) derzeit nicht als systematischen Grund für solch ein Wachstumshindernis erkennen. Und ich glaube, das war ungefähr die These, die aufgestellt wurde.

Antworten an Wal

8. Oktober 2013+1
ad (mein Punkt) 2 (fehlende Begründung für das Überwiegen der „Tendenz“). Wal, ich hab doch garnichts von finaler Krise gesagt, mir gings bloss um das „Gesetz“ selbst, das diese Tendenz als eine die ihr entgegenwirkenden Einflüsse überwiegende behauptet.

ad 3 (Aussagekraft des BIP). Lass mich gerade in diesem Zusammenhang (des Punktes 3) noch auf etwas hinweisen. Würde dieses Gesetz stimmen, so müsste ein immer grösserer Teil der geselslchaftlich notwendigen GESAMTARBEITSZEIT pro Jahr in die Reproduktion des konstanten Kapitals investiert werden müssen – weil nur so der gesellschaftlich durchgesetzte Stand der (Arbeits)Produktivität (nebst kostensenkender Ökonomie bei den andern Produktionsfaktoren) gewährleistet ist.

Ergänzung hierzu.
Sollen wir nun sagen: Das Gesetz sorgt selbst dafür, dass die (Gesamt)Arbeit wieder unproduktiver wird, indem es für Ausweichen von Kapitalisten aus dem eigentlich industriellen Sektor in die arbeitsintensiven (und damir nach Marx besonders profitabeln) Dienstleistungsbranchen sorgt? Man muss dann uU ALLE von M. diskutierten Konkurrenz-Mechanismen im Umfeld der Profitrate heranziehen, nämlich
a) seine Überlegungen zur Bildung der Durchschnittsprofitrate: sichtliche Profitabilität*) einer Branche sorgt für „Markt-Verzerrungen“, indem weitere Anbieter zuwandern, und
*) hier nur am Rande: oh – ausgerechnet Lohnintensivität soll die garantieren? das sollten die Kapitalisten nicht gemerkt haben?)
b) seine Überlegungen zum Grund der absoluten Rente: da gibt es eine Markt-Zutrittsschranke für weitere Anbieter (der nutzbare Boden oder andere davon abgeleitete knappe Güter sind bereits von Kapitalen exklusiv genutzt und besetzt/besessen, Konkurrenz kann nicht einfach nachrücken).
c) Die naheliegendste aller Zutrittsschranken ist doch die KAPITALGRÖSSE selber! Man kann halt nicht alle Geschäfte einfach NOCHMAL machen, neben dem Konkurrenten, nach dem Muster: Gebt mir einen hinreichend grossen Kredit, und ich stelle den erfolgreichsten aller Autokonzerne auf die Beine.
d) Marx sieht eine Dynamik immer nur im Sinne einer Bewegung auf relativ stabile Zustände zu (Oszillieren um den Durchschnitt usw) – er rechnet nie mit Dynamiken im Sinne des von bürgerlichen Ökonomen erörterten „Schweinezyklus“ (Überkorrektur einer sichtlichen Marktverzerrung).

Noch eine Ergänzung, auch zur Statistik im ursprünglichen thread (Deutsches Wirtschaftswunder):
Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass quantitatives „Wachstum“ „qualitatives“ nicht mit-darstellt. Das qualitative Wachstum, da grossenteils sich in Betriebsgeheimnisse auflösend, nämlich die erfolgreichen Kostensenkungen durch Neuanordnung der existierenden Anlagen, sowie Investitionen ALLEIN DES UMGESCHLAGENEN also zurückfliessenden Kapitals in technisch ausgereiftere (und deutlich kostengünstigere) Anlagen ist halt statistisch schwer zu erfassen. Nichtmal die (Neu)Investitionsquote ist da aussagekräftig, denn die tatsächlichen Innovationen können sich in den „unterwegs“ zu den zuletzt übrigbleibenden „Jahresprodukten“ anfallenden Kosten (die ja zur Ermittlung des BIP von den Endpreisen der „nicht rpoduktiv verbrauchten Güter“ abgezogen werden!), als scheinbare Erhaltungsinvestitionen und Vorkosten, verstecken. Sie machen dann garkeinen Teil des BIP aus.
Darum hier nochmal die ernsthafte Frage nach den „quantifizierenden“, auch indirekten Kennziffern für diese Bewegung…

Hier ist also viel Fragwürdiges und bislang Unerörtertes…

ad 4: Der innerste industrielle Zirkel schrumpft wertmässig. das sagt nichts über die Reichtumsbewegung BEI STEIGENDER PRODUKTIVITÄT – selbstverständlich auch dieses Sektors! Absolut schrumpft er nicht; und für relatives Schrumpfen gilt eben immer auch die ANDERE Möglichkeit: dass dies die produktivsten, also am schnellsten preis-senkenden Sektoren der Gesamtwirtschaft sind. Werden zB Rechenanlagen, wird Rechenkapazität immer teurer?
Es ist eine gewöhnungsbedürftige, weil die üblichen Sichtweisen einigermassen umkehrende Betrachtungsweise, wenn man sagt: Am liebsten würden die industriellen Kapitalisten den für sie unbrauchbaren Rest der Gesellschaft ganz abstossen (und auf ein bedingungsloses Grundeinkommen-Almosen setzen). Es genügt ihnen doch völlig, was sie an (immer höher qualifizierter, davon können sie garnicht genug kriegen) Arbeit angeboten kriegen, um ihre Produktivität immer höher zu fahren (und das Leben der „billigen“ Lohnarbeiter ganz nebenbei immer billiger (Nahrungsmittelindustrie!) zu machen…). Das ist natürlich das Gegenbild zu dem der „Verwertungsprobleme“: nennen wir es das „Gesetz von der tendenziell zunehmenden (ökonomischen) Selbst-Belieferung des Produktionsmittel produzierenden Kapitals“. ((Woran könnten wir sehen, welches stimmt?))

zu den Schranken:
Dass Kapitalisten vielleicht nicht weitsichtig genug sind (einige sind es dann immer doch, und hatten rechtzeitig den richtigen Riecher für zukünftige Verknappungen), mag sein. Es geht hier nicht um die Anfälligkeit des SYSTEMS, sondern um eine weitere unter vielen Detail-Ursachen für oder gegen den tendenziellen Profitratenfall.
Die Unis mögen vollsein, aber es werden zuviel „falsche“ Fächer studiert… Darum geht die Suche in der Tat schon im Ausland los nach qualifiziertten Ingenieuren… und dan kann die Qualifikation dem Kapital ja nie genug passend zum Job erscheinen. Einarbeitung ist kostenträchtig… Und der technische Wandel schafft eben ständig neue Anforderugnen, da kommt kein Ausbildungssystem mit…

Aber nicht nur die Arbeit hat ein Mehrprodukt…

11. Oktober 2013
(wenn ich das hier mal kurz einwerfen darf…)
… sondern eigentlich fast alle Güter, die überhaupt im Reproduktionssystem immer wieder neu erzeugt werden. Denn, genau wie die Arbeit, fliessen beispielsweise Holz oder Schrauben oder LKWs oder meinetwegen auch Brot (als Lebensmittel unter anderm der Bäcker und ihrer Angestellten) SICH SELBST wieder zu: in Gestalt der (Vor)Produkte, in deren Produktion sie eingehen, die weider in die anderer eingehen, die wieder… bis zumindest ein Teil des Brots, der LKWs, der Schrauben usw wenn auch verwandelt in Gestalt der unmittelbaren Vorprodukte ihrer erneuten Produktion, wieder in diese Produktion eingeht: Ein Teil des Gesamt-Brot-, LKW- usw Ausstosses ist NÖTIG (verwendet unter Durchschnittsbedingungen seiner Produktivität), um im Zusammenhang des GESAMT-Systems der Reproduktion wieder soviel Brot, LKWs usw zu erzeugen. Aber eben normalerweise icht die gesamte Brot–, LKW- usw Produktion; sondern einiges ist überschüssig und kann nach aussen, in Konsum, Luxusproduktion, Steuern und Staatskonsum, oder auch für neue Produktionen eingesetzt werden: das ist das Brot-, LKW-, Schrauben-MEHRPRODUKT. Die Arbeit hat ein Mehrprodukt, es heisst Mehrarbeit. So wie die Mehrarbeit, eignen sich die Kapitalisten auch die Mehrprodukte aller andern Produktionen an (soweit es ihnen der Staat nicht wegnimmt). Wo allerdings genau die Grenze zwischen notwednigem und Mehrpodukt bei einer einzelnen Gütersorte verläuft, vermag heutzutage niemand so genau zu sagen. Also DAS begründet keine Sonderstellung der Arbeit. Übrigens: Die Überlegung gilt auch für die Roboter.

Einige Zwischenfragen…

11. Oktober 2013
„Gesamtschuld“ – wessen Schulden sollen das denn sein?
Und die andre Zahl… ist das die durchschnittliche Privatverschuldung? Muss ich die also mit 80 Millionen multiplizieren, um den Gesamtbetrag (so um die 2,5 Billionen, richtig?) zu kennen?

Anmerkung: Die Banken kaufen nichr unbedingt die Aktien und Staatsanleihen, statt die billigen Zentralbank-Kredite weiterzureichen, vielmehr haben sie selbst vor allem ihre faulen Papiere abgeben dürfen, und haben genug zu tun, ihre Bilanzen zu bereinigen. Darum die harten Bedingungen bei der Kreditvergabe. Je länger das geht, desto unwahrscheinlicher wird es, dass die Staaten ihre Gewährleistungszusagen erfüllen müssen. Dennoch sind genug Spar-Gelder unterwegs, die wiederum die Aktieninflation treiben. Allenfalls da hätte man sagen können: Etliche dieser Aktien wären ohne den Rückhalt durch den Staatskredit womöglich nicht mehr am Markt, da wären Riesenverluste eingefahren worden – und zwar flächendeckend für sehr viele Kapitalanleger („institutionelle“ wie private). Das ist ihnen buchstäblich „erspart“ worden – durch die Kürzungen der Staatshaushalte in den EU-Schuldenländern, durch die einbehaltenen Kredite der Geschäftsbanken, und aussenwirtschaftlich (ausserhalb der EU) dürften auch noch einige Akteure in den emerging markets etwas abbekommen haben (von den Verlusten).
Alles andre hat Wal schon gesagt.

Mal umgekehrt gefragt, renée…

1. November 2013
… GIBTS denn nicht schon unglaublich viel Empörendes und kommt nicht tagtäglich in Zeitungen Büchern Fernsehformaten immer noch mehr dazu? Was genau ÄNDERT sich da eigentlich überhaupt – und sei es noch so langsam? Was in den WIRKLICH WICHTIGEN HINSICHTEN? „Und welche wären das?“ Ja genau das meine ich – die Frage bleibt vor- wie nachher selsam unberührt von allen Skandalen einfach stehen. Ohne Antwort.

((Ich kenn beinah niemand, und durchaus nicht nur Linke, der nicht ständig den verdacht geäussert hätte, beim Telefonieren abgehört zu werden, oder im Internet abgeschöpft, und was dergleichen mehr ist. Niemand, der nicht Politikern beinah alles, oder dann doch sogar alles, zutraut. Niemand, der deren Zwecke teilt, der darum die Mittel („wo gehobelt wird…“, „das mag schmerzlich/nicht die feine Art/furchtbar sein, ist aber noch besser als…“) nicht billigt. Niemand, der die Zwecke nicht weiter kritisieren würde, wenn mal Vorwürfe nicht zutrafen.

Man könnts auch so sagen: Wenn der Kapitalismus und all die Alltagsverrücktheit einen nicht empören und ratlos machen – warum auf einmal Wikileaks usw?

Das, was wir seit je fordern, wenn wir schon mal was fordern, passiert nicht. Warum nicht? Da gibts genug nachzudenken…

Ach nein, Wal, es ist nicht die Grobheit der Datenlage…

1. November 2013
… sondern eher die Unsicherheit hinsichtlich der Kategorien, in denen man das alles analysieren und deuten könnte.
Und… ich weiss nicht, ob der weltweite Angriff der (kapitalistischen) Moderne auf die Vormoderne noch irgendwelcher Legitimationen („kleineres Übel“) bedarf. Wir arbeiten uns hier doch eigentlich eher am anderen historischen Ende ab: da, wo er das grössere Übel ist. Verglichen mit – was?

DU hattest eher die internationalistisch auf – unter Druck geratene – vormoderne Idyllen Fixierten im Auge – ich denk eher ans gender-Thema, und wie es im Verlauf der kapitalistischen Moderne (von der wir beinah alle Stadien, wenn auch Zeitraffer-artig beschleunigt, als zeitgenössische Verhältnisse irgendwo auf dem Globus besichtigen können) seine Gesatlt ändert. So sehr, dass man es garnicht mehr erkennt: Das klasssisch Männliche oder Weibliche scheint mir längst in seine (welche sind das?) Bestandteile zerschlagen, und nur in absurdesten Neu-Zusammensetzungen aus Elementen beider klassich-modern-bürgerlicher „genders“ wiederzukehren – bei biologischen Männern wie Frauen… Ist das wichtig? Ist das Nebensache („Neben-Widerspruch“)? Die Daten, die eine solche Hypothese bestätigen, müssen wohl erst noch erhoben werden..

„Theorie“ hat zwei Seiten…

6. November 2013
Natürlich stimme ich Wal in beinah allem, was er sagt, zu. Für renée möchte ich daher etwas anmerken.
Theorien können mangelhaft sein nach zwei Seiten, womit nur ausgedrückt ist, dass sie zwei verschiedenen – in gewissem Sinn widersprechenden – Anforderungren zugleich genügen sollen: Eine Theorie soll materialreich sein, also ALLES Relevante an ihrem Gegenstand, in Begriffe gefasst, benennen; sie soll aber auch nur das RELEVANTE enthalten, und das ist eine Folge von ÜBERSICHT (Begriffe= praktisch wichtige Hinsichten,in denen etwas anderm gleichen oder sich davon unterscheiden kann).
Von da ergibt sich eine sehr unmittelbare Verbindung zum Thema „Emanzipation“, hier genauer: Durchschaubarkeit von Verhältnissen. Theorien sind darum so wichitg, weil sie es uns erlauben, grosse Gegenstandsgebiete leicht zu überblicken und Daten und Tatsachen, die uns daraus bekannt werden, schnell und relativ mühelos auf unsere praktischen Zwecke zu beziehen (die Theorie hat alles solche Material quasi bereits vor-geordnet).
Das Traurige ist, dass auf sehr vielen „Teilgebieten“ die zuständigen Experten solche Übersicht nicht mal in bezug auf ihr eignes Gebiet entwickelt haben; geschweige denn (und das ist fast der schlimmere Mangel heute; nicht nur bei Linken), dass sie die Art der Verbundenheit der Teilgebiete in ihrem Ganzen gemeinsam im Konsens bestimmen könnten. Von solchen Bestimmungen sind sie unendlich weit entfernt. Nicht nur, dass die Frage der Einbindung der eigenen Spezialgegenstände ins Gesamt des eignen Fachs oder der „Nachbardisziplinen“ bloss wie eine Detailfrage neben unzähligen anderen, mehr „anwendungsbezogenen“ behandelt wird – es scheint nach einem solchen Zusammenhang- und damit Übersicht-über-das-Ganze des Wissbaren-Stiften nichtmal besonderen Bedarf zu geben.

Leute hingegen, die ihre Reproduktion auf grosser, womöglich gesellschafts- und weltweiter Stufenleiter betreiben wollen, und dabei die ÜBERSICHT behalten und entscheidungsfähig bleiben wollen, sind auf Begriffe und Theorien (natürlich auch Kenntnissse) dringend angewiesen.
Eine höchst wichtige (und hier im Moment wahrscheinlich unentscheidbare) Frage ist durch euern kurzen Dialog aufgeworfen: Kommt man zu solcher Übersicht eher mit „bottom-up“- oder mit „top-down“-Verfahren? Für beides gibt es genügend Negativ-Beispiele, nicht zu knapp auch in linken „Diskursen“. Sie spiegeln das eingangs genannte Dilemma der Wissensverarbeitung (spätestens in praktischer Hinsicht) wider: Topdown-Verfahren verfehlen uU wichtige Materialgebiete, behaupten voreilig, „alles“ (alles Relevante) erfasst zu haben. Bottomup-Strategien der Wissensverarbeitung verschieben die Frage, „wie das alles zu verstehen ist und zusammengehört“ auf demnächst, wenn sich der Gesamtzusammenhang im Licht von noch mehr Material beinah von selbst zeigt… während die Unübersichtlichkeit zugleich mit der Masse des Materials wächst und wächst.

Und das ist keine akademische Debatte in dem Moment, wo Leute ihren gemeinsamen (aber im Ursprung arbeitsteiligen) gesellschaftlichen Wissensbestand gemeinsam auswerten und in (wiederum arbeitsteilige, aber im Konsens geteilte) praktische Projekte übersetzen wollen.

Motive, Milieus, Mentalitäten

10. November 2013
Einerseits ist es sehr zu begrüssen, dass sich der Horizont des Marx-Forums für neue Themen öffnet und die Überlegungen zur Emanzipation damit reichhaltiger und realitätsnäher werden. Andererseits fehlen hier noch mehr als anderswo elementarste Kategorien und Begriffe, um auch nur das eigene Alltagswissen zu ordnen.
Ich möchte kurz andeuten, wo mir der grösste Mangel all der hier angebotenen Klassifikationen zu liegen scheint: Sie enthalten so gut wie keine „genetische“ Komponente, also eine Hpothese darüber, wie die so klassifizierten Lebensstile/Mentalitäten/Werte-Orientierungen eigentlich zustandekommen.
((es sei denn, das in den „Sinus-Milieus“ offenkundig verwendete Zwei-Skalensystem wird als eine solche verstanden: Schichtzugehörigkeit und ein sehr unspezifischer individueller Faktor, den man wohl als „Progredienz“ (mein Ausdruck) deuten könnte, überlagern sich demnach: Bei unterschiedlichem Geldbeutel/Bildungsniveau (Gottseidank für die Soziologen geht das ja speziell in Deutschland immer gut zusammen, korreliert hoch) führt Fortschrittlichkeit und Fortgeschrittenheit zu recht unterschiedlichen Resultaten (damit nicht zu grosse Blöcke in der Mitte der Wolke entstehen, wo sich die meisten tummeln, haben sie die nochmal unterteilt, die Extreme hingegen zerfallen in nur grad zwei Abteilungen usw))

In den Diskussionen auf dem Blog von Neoprene findet derzeit eine ähnliche Erweiterung des Blickwinkels statt – hier speziell hinsichtlich des (recht kleinen) linksradikalen „Milieus“.
Ich habe in einem meiner Beiträge dort versucht, die (aus meiner Sicht überhaupt) möglichen Standpunkte von Befürwortern gesamtgesellschaftlicher Eigentumsfreiheit in eine Reihe zu bringen: neoprene.blogsport.de/2013/10/…ganisation/#comment-92522
Hinter dieser „Klassifikation“ (ist es eigentlich nicht, da „Reihe“) steht allerdings ein (von mir erst entworfener, noch nicht veröffentlichter) Erklärungsversuch, der die betreffende Standpunkt-Folge als Ausdruck unterschiedlich ausdifferenzierter Kategorien des Verhältnisses zu Welt und Personen (einschliesslich sie selbst) ihrer „Träger“ begreift. Dabei deutet „Ausdifferenzierung“ auf die Art der erzielten Fortgeschrittenheit; „Kategorie“ auf die Dimension, in der dieser Fortschritt stattfindet: es handelt sich dabei grob gesagt darum, dass einem elementare Voraussetzungen bewusstwerden, unter denen eigenes und fremdes Handeln auf Dauer sinnvoll und insofern „Handeln“ bleiben kann. Die Dynamik hingegen, die das Fortschreiten antreibt, ist nicht erklärt – aber die Tatsache, dass hier Stufen vorgesehen sind, zeigt, dass es sich um Prozesse handeln muss, die – sei es von aussen, sei es durch innere Triebkräfte – immer wieder in Gang gesetzt werden, aber auch zu vorübergehend stabilen Zwischenresultaten kommen. Und: Der Erklärungsversuch muss zeigen, wie all dies massenhaft auf der Ebene der Einzelperson stattfindet. Denn es gilt weiterhin: „Nicht Gesellschaften lernen und verarbeiten Wissen, sondern Einzelpersonen.“ Was immer gesellschaftlich geschieht, muss sich aus dem Handeln, auch dem mit andern (teil-)abgestimmtem Handeln der die Gesellschaft ausmachenden Einzelnen erklären lassen.
Anm 1: Die bekannten Marx-Sätze vom gesellschaftlichen Sein, das das individuelle Bewusstsein bestimmt, und von den „unabhängig von ihrem Willen“ eingegangenen Verhältnissen bedürfen von daher einer sehr genauen Interpretation, die die betreffenden Tatsachen als aus bestimmten Handlungsweisen aller Beteiligter und deren (vorübergehend stabil unentwickelten) Mentalitäten erklärt.
Anm 2: Übrigens war in dem oben verlinkten thread anschliessend auch noch von „bürgerlichen“ Menschen und ihren Mentalitäten die Rede – unter dem Stichwort „Agitation als Mittel zur Herstellung gesellschaftsweit eigentumsfreier Verhältnisse“. Und das unter einem sehr speziell zugespitzten Gesichtspunkt, nämlich den je unterschiedlichen Begründungen, die diese Menschen – unter der Voraussetzung, dass sie Grundprinzipien der Marxschen Kapitalismuskritik korrekt VERSTANDEN haben – für eine Beibehaltung des Kapitalismus auch angesichts dieser Kritik anführen: neoprene.blogsport.de/2013/10/…ganisation/#comment-92993 http://neoprene.blogsport.de/2013/10/04/raeteorganisation/#comment-92522   letzter Absatz (in Doppelklammer: „Und NOCH eine Frage stellt sich..“)

Es versteht sich, dass die Anordnung der Standpunkt-Typen (die ich zu unterscheiden vorschlage) in einer Reihe von STUFEN stillschweigend voraussetzt, dass da ein LERNPROZESS auf individueller Grundlage stattfindet. Was freilich Beschleunigung individueller solcher Lernprozesse auf früher, von andern, bereits erreichte und kulturell etablierte (wie das mit allen vielen Einzel-Angehörigen einer Gesellschaft bzw Kultur geht, wäre zu zeigen) Niveaus unterstellt – die Einzelbiographie bleibt grundsätzlich der Ort, wo solches Lernen einzig stattfinden kann; und zwar so beschleunigt bei zumindest etlichen Einzelnen, dass sogar noch weitere Fortschritte (über das kulturell Erreichte hinaus) darin von ihnen erarbeitet werden können.

Mit diesen Hinweisen ist vielleicht angedeutet, wie das von Wal hier angeschnittene Themenfeld sich zum Hauptthema unseres Forums, der sozialen Emanzipation (präzisiert als gesellschaftsweit eigentumsfrei gemeinsam geplante Reproduktion), verhält:
– wie sehen die INNER-linken Mentalitäts-Differenzierungen aus?
– was steht auf seiten „bürgerlicher Menschen“ der Zustimmung zum linken Projekt entgegen?
– welche Dynamik auf biographischer Ebene lässt Linke der verschiedenen innerlinken Stufen entstehen, was könnte bürgerliche Menschen zum Aufstieg in diese Mentalitäten bewegen („Aufstieg“ insoweit linke Standpunkte als fortgeschritten aufgefasst werden).

Nebenfragen: Wie erklärt man eigentlich: rechte, „individual-libertäre“, „technokratische“ Standpunkte? Ist die Zahl möglicher Standpunkte (gleichen Entwicklungsniveaus) begrenzt? (Was wäre zur Beantwortung dieser Frage für die Lernprozesse vorauszusetzen?)

Wer ist denn das, „die Linken“? Wer – wenn nicht WIR…?

17. November 2013
@Peter: Es war eine Aufzählung dreier verschiedener Standpunkte. Allerdings gibt es in der Tat Anknüpfungspunkte „libertärer“ (sog. „kleinbürgerlich-anarchistischer“) Standpunkte an genuin rechte, was sich zB in „rechtsoffenen“ „Querfront“-Bildungen wie der von Jürgen Elsässer zeigt. Die von Seldon X angeführte Grafik mag einem chaostheoretischen Schema folgen, und irgendwie an einigen Stellen (keineswegs an allen!) Zusammenhänge von politische Mentalitäten abbilden. Hingegen die Erklärung, WARUM es da gewisse naheligende Affinitäten und Übergänge gab und gibt, bleibt auch sie uns schuldig. (Die Kategorie „libertär“ (mit ihrer ganzen Doppeldeutigkeit) halte ich dabei für eminent wichtig – sie ist der Schlüssel, mit dem man sich Zugang zu einer erschöpfenden Systematik politischer Mentalitäten verschaffen kann. Falls du mich fragst, Peter: ja es gibt die Rechtslibertären, und nicht zu knapp, Tea Party, Ron Paul-Anhänger, hierzuland solche Szenen wie recentr.tv (vormals infokrieg), Kopp-Verlag ua. Die werden als nationalistisch verkannt, weil sie grosse staatliche Einheiten ablehnen (Eurokritiker Schachtschneider zB sinngemäss: „Europäische Union? Ich will noch nichtmal eine Bundesrepublik Deutschland… nichtmal „Bundesland“ Baden-Württemberg will ich… von wegen Nationalismus!“).

An den Beiträgen von renée und Henning wundert mich, dass über „die Linken“ in der dritten Person gesprochen wird: DIE sollen in die Puschen kommen (sind sie da nicht eher viel zu sehr drinne…?), oder DIE machen doch soviel Analysen. Ja liebe Leute – da SIND wir doch, hier, haben ein tolles Forum, beste technische Ausstattung, und beraten uns, um zu besseren Einsichten als bisher hinsichtlich der Bedingungen UNSERER Emanzipation zu kommen. Wenn wir uns hier einig sind, können wir ja mal nach den andern schauen. Die Linken sind – wir.

„Die Linken sind wir“ – ganz und gar kein harmloser Satz

19. November 2013
Henning, das war kein simpler Mobilisierungs-Spruch. Erstmal scheint er eklatant Tatsachen zu widersprechen, die Linken sind doch viel mehr als die Handvoll Leute, die sich hier unterhält. Zum andern scheint die GesamtLinke bedeutungslos ohne ihre Verbindung zu den „Massen“, genauer den Massen an Lohnabhängigen. Und diese Verbindung wollte renée ja wohl irgendwie einklagen. Wal hingegen scheint mir einen andern Ansatz zu verfolgen, ihm scheinen alle Avantgarde-Konzepte suspekt. Er würde vielleicht eher sagen, wir sind hier ein winziges Tröpfchen im Meer der Lohnabhängigen. (Um nicht gänzlich in Trostlosigkeit zu verfallen, sucht Wal dann nach Anzeichen für eine Links-Bewegung dieser Lohnabhängigen – etwa in Gestalt der Milieus, die sich mutmasslich im oberen linken Quadranten aufhalten. Fast schon Zweidrittel. Da sind die Aussichten doch nicht gar so schlecht…)
Mein Satz hingegen widerspricht (leider) BEIDEN andern: Tendenziell sage ich, ja, wir sind so ein winziges Tröpfchen, und, ja, wir sind sogar Avantgarde, bloss folgen uns die andern, Lohnabhängige, wer immer, ihrerseits bloss tröpfchenweise. Soweit die Tatsachen(behauptungen).
Es steckt aber noch etwas in dem Satz, das bei genauer Betrachtung noch schlimmer ist als die Tatsachen, wenn sie denn sind wie behauptet: Alle erdenklichen „linken“ Fortschritte können nur als solche angesehen werden, wenn sie im kleinen Rahmen, so wie hier, bewältigbar sind – und quasi nur „horizontal“ ausgebreitet werden (darum der Zusatz von wegen „wenn wir uns einig sind, können wir mal nach den andern (unseresgleichen) schauen“).
Es liegt darin etwas, das dem Zauberwort „Gesellschaft“ opponiert – dem Glauben, sie sei etwas grösseres, ein Subjekt eigener Art, mit viel mehr noch als blosser „Schwarm-Intelligenz“ ausgestattet, unbestimmt leistungsfähig in ihrer unbegrenzten Vielfalt, den in ihr versteckten Kompetenzen und Wissens-Verarbeitungs-Kapazitäten. Dem widerspricht der Satz mit der nüchternen Feststellung: Die Gesellschaft ist nie weiter als der Durchschnittskopf. Den Satz müssen Menschen mit marxistischer Vergangenheit, die womöglich in die Gegenwart hinein andauert, erstmal verkraften. Wenn sie ihn denn akzeptieren. Obwohl es da ja dieses mein Lieblingszitat von Marx gibt, wonach im kommunistischen Zustand die Entwicklung jedes Einzelnen (des Durchschnittskopfs) die Bedingung der Entwicklung aller (der Gesellschaft) ist. Marx hätte ich also schon mal an meiner Seite. (Wo stehn die andern…?)

Anm. Natürlich geht es mir hier nicht um Provokation, sondern darum, auf (aus meiner Sicht) offene Fragen hinzuweisen. Vielleicht Fragen, die derzeit von den Befragten nicht zu beantworten sind. Von daher empfiehlt sich so wie bisher Geduld – aller mit allen; so dringend die Lage subjektiv nach Lösungen verlangt (von wegen: endlich in die Puschen kommen…)

Von Embryonen und Epochen

21. November 2013

Wal nennt es das Entwicklungsmodell von Marx: „…Kapitalismus als Voraussetzung des Kommunismus. Hier müssen alle grundlegenden Organe, die das ausgereifte Individuum (=Kommunismus) schon mindestens als Keim im Kapitalismus herangereift sein.“
Daran ist aber eine sehr zentrale Unterscheidung festzumachen, im embryologischen Bild ausgedrückt: welche Errungenschaften des neuen historischen Individuums vom mütterlichen Organismus bereitgestellt werden (ein Teil der genetischen Informaton, die gesamten Nährstoffe, das homöostatische Milieu, Sauerstoff-Angebot, Immunabwehr, Abwehr gegen Fressfeinde), und was in scharfer Abgrenzung (bis hin zur Immun-Auseinandersetzung) von dem neuen Organismus selbst ausgebildet wird, damit er es mitnehmen kann in die Selbständigkeit… naja das Bild hat seine Grenzen 😉
Tatsächlich gibt es ja das historische Vorbild für diese Schwangerschaftsmetapher: das „Heranreifen“ der bürgerlichen Gesellschaft im Rahmen der feudal-ständischen.
Der Übergang DORT war die „Revolution“ – und er hatte sein Vorstadium in Gestalt der Förderung der neuen Klasse und ihrer Erunngenschaften durch die alten Mächte – die die Überlegenheit dieser Errungenschaften für sich als Mittel nutzen wollten. Dies Modell ist dann von Marx nach „rückwärts“ verlängert und so verallgemeinert worden – speziell noch unter dem Gesichtspunkt der Dialektik von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen. Dabei ist mir immer EIN Paradox aufgefallen: Grade auf den Übergang vom Kapitalismus weg trifft dieses Übergangs-Muster nicht zu; zwar ist Produktivkraft-Entwicklung im Sinne von Industrialisierung DAS Zentralthema kapitalistischer Entwicklungsmodelle in technischer Hinsicht – aber dass da was „keimhaft“ vorliegt, das erst später so richtig wächst und entfaltet wird, ist schwer vorstellbar. Die Rede von der Übernahme der auch schon im Kapitalismus „sprunghaft“ entwickelten Produktivkräfte durch die Lohnabhängigen wird denn auch nicht unbedingt als Vorgang einer Entfesselung dieser Produktivkräfte besprochen – DIE hat viel eher bei einem andern Übergang, dem vom Feudalregime weg, stattgefunden – und in allen „sozialistischen“ Gemeinwesen, die mehr oder weniger direkt mit nachholenden Modernisierugnen sich an solche Regimes politisch anschlossen.

Was nun ich speziell zu diesem Thema beitragen möchte, ist zunächst mal nur dieser Gedanke: Zwischen folgenden theoretischen Gebilden muss ein SEHR enger Zusammenhang bestehen – enger als er bisher von Linken hergestellt wurde:
– Befund, Erklärung, Analyse, Theorie des Eigentums, der kapitalistischen Verhältnisse;
– Kritik (verstanden als durch diese Theorie führbarer Nachweis, dass Schäden für einen Grossteil oder gar die gesamte Bevölkerung durch diese Vergesellschaftungsform notwendig oder (beinah) unvermeidlich oder extrem wahrscheinlich eintreten – Schäden, die durch Änderungen (die anzugeben sind) abgestellt werden können, ohne dass das gleichgrosse oder grössere zur Folge hat (die Theorien, aus denen sich dieser zweite Teil der „Kritik“-Beweisführung speist, können nicht oder nicht ganz mit der Theorie der Kap.Verhältnisse selbst zusammenfallen);
– Zielsetzung, als Konsequenz der Kritik: auch hier kommt ein über die Kritik hinausführendes Element dann hinzu, wenn die Schadens-abstellende Änderung, die in der Kritik benannt ist, eigentlich in der Überwindung eines MANGELS, und nicht einfach im „Seinlassen“ und Unterlassen einer schädlichen Praxis, ihrer ersatzlosen Streichung, besteht: all diese Anteile der „Überwindungs“-Praxis stellen dann allererst zu lösende Aufgaben dar und gehen als solche in die Zielsetzung mit ein
((Hinter dieser umständlichen Formulierung steckt meine Vermutung, dass Kapitalismus wesentlich ein solches Unterlassen, eine illusionäre Mangel- und Sorglosigkeits-Praxis ist, in der die gesamte Eigentümer-Gesellschaft (angefangen bei den Eigentümern ihrer Arbeitskraft, die dies sein wollen) es vorzieht, ständig mit Riesenaufwänden (und die scheinen dann oft das positive Tun im Kapitalismus zu sein – jenes, das sich allenfalls „unterlassen“ liesse) die Folgen ihrer Unbekümmertheit um ihren Produktionszusammenhang und irrwitzig modern-industriell gesteigerten, aber unbewältigten gesellschaftlichen Arbeitsteilung in den Griff zu bekommen versucht, statt sich deren Ursachen zuzuwenden – die, wie ich behaupte, allerdings in Versäumnissen bestehen, die anzugehen wahrhaft „revolutionäre“ Übergänge im Einzelleben heraufbeschwören würden; weswegen dieser Übergang auch so wenig Verheissung ausstrahlt und viel mehr auf Überforderung, Askese, extreme Disziplinierung hinauszulaufen scheint);
– Strategie, gewählte Form des Übergangs: dies angesichts völlig unterschiedlicher Anfangs- und Ausgangszustände, denen sich die Gruppe der Befürworter der „Zielsetzung“ (nachdem sie sich darauf verständigt haben) gegenübersehen. ((Hier steht klassisch die Übergangsform „Revolution“; wenn ich mit meinem Punkt „Kapitalismus besteht nicht in Tun, sondern vor allem aus „Versäumnissen“ rechthätte, würde „Revolution“ sowas bedeuten wie: die grosse Mehrheit einer in kapitalistischen Verhältnissen lebenden Bevölkerung erkennt SYNCHRON diese Versäumnisse, und macht sich an die Arbeit, das Versäumte nachzuholen. Spricht man es so aus, wird auf einmal deutlich, dass diese Synchronizität unter DIESER Vorgabe eigentlich ein geradezu absurder Sonderfall wäre; tatsächlich wird sie ja auch bloss für zwei andere Vorgaben benötigt: a) es soll kein Bürgerkrieg entstehen, mit unklarem Ausgang – die Überlegenheit der Änderungswilligen ist erdrückend; und b) es soll möglichst gleich die ganze Gesellchaft wie bisher arbeitsteilig weiterarbeiten können. Unter MEINER Vorgabe ist sie dann freilich brutal mit der Gesamtheit ihrer bisherigen Versäumnisse konfrontiert; sie soll sie beheben, und dabei Erfahrungen machen, UND obendrein noch halbwegs weiterleben. Das wird hart.

Genauer gesagt: Es geht eigentlich GARNICHT. – Und hier, unter dieser Vorgabe, kommt allerdings das Bild von der Vor-Entwicklung und -Reifung zur Anwendung.
MEINE Theorie und Kritik des Eigentums besagt nämlich, dass seine Überwindung mit solch epochalen Anstrengungen verbunden ist (die heute noch nicht mal in Ansätzen geleistet sind), dass der Weg dorthin ein extrem langer und mühevoller ist, den unmöglich eine ganze Gesellschaft synchron von Anfang bis Ende als ganze zurücklegen kann. Vor allem: Sie will es ja auch nicht.

Die Form des Übergangs ist dann auch keine „synchrone“, sondern ein langames Abbauen des Gefälles (der Ungleichzeitigkeit) des fortgeschrittenen Bevölkerungsteils zu mental je nächst-stehenden Teilen des andern. Durch diese sukzessive Abarbeiten aller Fortschrittsgefälle innerhalb der Gesellschaft machen sich die Fortgeschrittenen allererst und sehr langsam und sorgfältig die Besonderheit ihres Fortgeschrittenseins klar.

Und das sagt auch etwas über den Stellenwert all dieser Gebilde, deren enge Verbundenheit ich mir oben wünsche: Sie sind garkeine Voraussetzung der Bewegung, von der sie handeln, eher deren EXPLIKATION, übersichtliche Darstellung. Nützlich, wenn Leute danach fragen – aber komplett versagend, um Leute zu solchen Fragen allererst zu bringen. Soll man sie dazu in Schulungen, Ausbildungsgänge zwingen, sie dazu verführen, bestechen…? So funktioniert menschliche Aufmerksamkeit nicht – schon garnicht unter Leuten, die sich endlich von solcherart Autorität freimachen, emanzipieren wollen.

Wir, die hier reden, haben, durch unsere Bildungsgänge, wohl allen Anlass, uns über „die Bedingungen unserer Emanzipation“ klarer zu werden als bisher. Wir haben uns vieles beibringen lassen, das uns dazu motivierte, SEHR weitreichende Fragen (mehr vielleicht, als uns guttat) zu stellen.
Soviele andere haben das nicht, können das auch nicht haben.
Aber emanzipieren wollen sie sich doch!

Und tatsächlich… fangen ja, gerade auch junge Leute, mit aus klassisch-links gebildeter Sicht geradezu abstrus unentwickeltem Beusstsein, an, sich ganz selbstverständlich eigentumsfrei zusammenzutun. Das Intern-Eigentumsfreie ihrer Gemeinschaft ist ihnen so selbstverständlich (habe ich bemerkt), dass sie es als Merkmal garnicht mehr erwähnenswert finden, sondern ganz andres als das sie Auszeichnende benennen: Auf sich achten, naturverträglich und unaufwendig leben lernen, rücksichtsvoller Umgang miteinander, sehr sozial, mit Beachtung des Vorrangs von Bedürftigen, Schwächeren (Behinderten, Kranken, Alten); und, immer wieder auch: das Vorläufige, Offene. Die sind sehr hartnäckig darin, andere würden sagen: besessen, fast in pathologischer Weise. Für die bürgerliche Gesellschaft sind sie verloren, trotz erfolgreicher Ausbildung und begonnener Karriere ausgestiegen, oder nie in eine reingekommen, auch nicht jenseits der 30. ((Sarrazin wäre entsetzt, wenn er vom Kindersegen in alternativen Kreisen wüsste, und gewiss bald eine zweite Front in diese Richtung aufmachen…))

Diesen Leuten fehlt es an vielem, das sie wiederum keinesfalls selbst zustandebringen werden, so sehr sie sich auch mühen – es ist ihnen auf IHREN Grundlagen nicht auch noch zugänglich, und muss ihnen von andern, von aussen, geliefert werden – erfunden, hergestellt, unterrichtet… Womöglich auch mal gekauft.
Embryologisch: ein Organsystem kann sich nicht allein entwickeln, es braucht andre, alle greifen zunehmend ineinander, arbeiten „zweckmässig“ zusammen in einem Organismus… und in der Wachstumszeit braucht es eben noch Zuwendungen aus dem einschliessenden Organismus…(von dem es gilt unabhängig zu werden).

Und: Die beiderseitig nötige ABGRENZUNG darf nicht in Feindseligkeit umschlagen…

Das Produktionsverhältnis des „radikalen Kommunalismus“ und die ihm gemässe epochal neue Produktivkraftentwicklung

24. November 2013
(Wegen Überlänge hab ich drauf verzichtet, diesen Text als Beitrag im Thema von Wat „Notwendige Arbeit usw“ einzustellen, an das er eigentlich anschliesst (Verweise auf „oben“ gesagtes beziehen sich auf Beiträge dort); andererseits möchte ich auf Wals Vorschlag eingehen, solche Themen hier im Forum und nicht etwa bloss in meinem Blog mit seinen begrenzten Antwortmöglichkeiten anzusprechen.)

Ich habe mich oben nicht deutlich genug ausgedrückt: Mir ging es vorrangig um Marx’sche Aussagen über Entwicklung der Produktivkräfte, hier um die Frage, inwieweit ein vorbestehendes Produktionsverhältnis zur „Fessel“ für sie wird, die sich zunehmend drückender bemerkbar macht, bis eine „Revolution“ (hier mehr allgemein verstanden als: radikale Umwälzung, Neugestaltung) des Produktionsverhältnisses die Schranke beseitigt, sodass die bis dahin gehemmte Entwicklung in Gang kommt.
„Keimhaft“ entwickelt sind, in DIESER Theorie diskontinuierlicher historischer Entwicklung, auch die technischen Potentiale einer nachfolgenden Epoche; sichtbar werden sie aber vor allem als nicht genutzte, nicht nutzbare CHANCEN zu etwas, das durch die Art der (eben darum von immer mehr Zeitgenossen als immer unangemessener empfundenen) Vergesellschaftung eben nicht ausgebildet werden kann.

Dem scheint nun aber das von mir so genannte Kompliment zu widersprechen, das Marxisten dem Kapitalismus gemacht haben: Er entwickelt die Produktivkräfte – im Sinne von Technik. Er ist sogar das Produktionsverhältnis, das etabliert werden musste, damit diese Entwicklung in Gang kommt.
So wie der Kapitalismus von der Vorgänger-Epoche etwas höchst Reifes, garnicht mehr Keimhaftes übernahm (nämlich was?) – so das eigentumsfreie Produktionsverhältnis, das ihn ablösen soll. Dies im reifen Zustand zu übernehmende ist die industriell zum Einsatz gebrachte, nach allen seiten hin entwickelte moderne Technologie.

Es hat nun mannigfache Versuche gegeben (zuletzt von Peter Nowak oben ), Formen technologischer „Reifung“ auszumachen, die mit einer kapitalistischen Verfassung von Produktion unvereinbar sind – sei es, dass kein Motiv vorstellbar ist, warum kapitalistische Produzenten solche Technologien entwickeln sollte, sei es, weil sie deren Anwendung scheuen oder gar unterbinden müssen, indem die Einführung solcher Technologie unmittelbar der Form und dem Zweck der Kapital-Vermehrung zu widersprechen scheinen.

Dabei fällt mir auf, dass all diese technisch „anti-kapitalistischen“ Optionen einen gemeinsamen Zug aufwiesen: Sie überspielen gewissermassen die Trennung von den Produktionsmitteln, durch sprunghafte Erweiterung des Zugangs aller zu den entsprechenden Geräten: Do it yourself, PCs, 3D-Drucker sollen industrielle Produktionspotentiale für jedermanns Privatzwecke verfügbar machen, und ihn so vom Joch der Abhängigkeit von einem gesellschaftlichen Produktionsprozess befreien, der seinem wahren Zweck entfremdet ist und in Dienst genommen wird für die „verrückte“ Form einer abstrakten, bedürfnis-ignorierenden Vermehrung privaten Reichtums.

Interesssant ist hier die Zerlegung einer zukünftigen utopischen Produktion in eine Basis, die wohl noch „gesellschaftlich“ betrieben werden muss, aber durch zunehmende „Automatisierung“ zu reduzieren wäre, und einen „freien“, kreativen Bereich, in dem (so das utopische Ideal, dem man sich annähern möchte) grundsätzlich JEDER ALLES machen (verfertigen, produzieren) kann. Die technischen Potenzen der Industriegesellschaft also gebündelt übergeben in die Verfügung von Einzelpersonen, die sie für IHRE Zwecke einsetzen. Allerdings sind das dann grundsätzlich produktive Zwecke, Umsetzen der kreativen Einfälle, die der Einzelne hat, und unmittelbare mechanische Vervielfältigung der Erfindung, prototypisch die Entwicklung von lizenzfreier Software – die dann ohne weitere Eigentumsbindung an alle gelangt. Es fehlt dann nicht viel, um auch die Lebensmittel- und Rohstoffproduktion noch in den „Basis“-Bereich einer solchen Ökonomie aufzunehmen – und schon scheint die kollektive, nicht mehr kapitalistische Produktionsweise fertig entworfen zu sein.

Interessant ist dies, weil hier eine sehr spezielle Form von Eigentumsfreiheit installiert werden soll – eine, die sehr stark mit dem Unterschied von notwendig vs „frei, selbstbestimmt“ operiert, und dabei die Kollektivität, Gesellschaftlichkeit von Produktion sehr stark mit dem zu reduzierenden Notwendigen assoziiert, die Freiheit hingegn mit einer Lebensform, wo man von Andern möglichst unbehelligt bleibt und privat, für sich, werkeln darf – auch, wenn man anschliessend das PRODUKT zur allgemeinen Weiterbearbeitung und/oder konsumtitven Nutzung freigibt.

Ob, oder ob nicht die Teilnahme am Basis-Produktionsprozess freiwillig ist, ist dabei zweitrangig – wichtig ist einzig, dass hier eine Vorstellung von wünschenswertem Leben als allgemein konsensfähige unterstellt ist, die Befriedigung vor allem in PRIVATER, zwar neben und auf Basis der VOR-Arbeit anderer, aber im wesentlichen Abschnitt allein und für sich betriebener Arbeit sieht. Geteilt wird mit andern allenfalls der wachsende Pool an Information sowie Produktions- und Lebensmitteln, sowie die Verfügung über die allgemeinen Naturbedingungen jedweder Produktion. – Fragt man, worin die „kreative“ Betätigung bestehen könnte, kommen eigentlich nicht allzuviel Tätigkeitsarten infrage: Sie könnte Wissenschaft sein; dann auch technisches Erfinden; schliesslich Entwicklung innovativer Anwendung für vorhandene Technik in der reproduktiven „Basis“ (innovativ hauptsächlich zu dem Zweck der weiteren Produktivitätssteigerung, Freisetzung weiterer Produktionspotenzen, Freistellung von notwendiger Arbeit durch weitergehende Automatisierung usw) – ein Prozess, der innig mit den technologischen Neuentwicklungen zusammenarbeitet; schliesslich vielleicht noch das ebenfalls innovative „Erfinden“ wünschbarer Erlebens- und Lebensweisen, deren unmittelbare Umsetzung etnweder nicht technikgebunden ist oder aber utopische Technologie erfordert, derart dass man der Technik-Entwicklung damit eine Richtung vorgibt. In dieser Abteilung (der ästhetisch-utopisch-visionären) werden wohl auch die „gesellschaftlich“ nach wie vor unbefriedigten Bedürfnisse ausgesprochen und zum Thema gemacht – das, was an Erfüllung bislang ausgeblieben ist.
Und da fällt nun unmittelbar ins Auge, wie sehr diese Utopie mit dem konvergiert, was bereits heute, in kapitalistischen Formen, installiert sein SOLL. Es verwundert nicht, in diesem Gehalt jenen technisch-utopischen „Keim“ zu sehen, dessen Entfaltung und Wachstum die kapitalistische Form (was nachzuweisen wäre) prinzipiell oder mit grosser Wahrscheinlichkeit verhindert – angeblich; aus traditionell-linker Sicht jedenfalls.
Das Hindernis wird im allgemeinen in folgenden Elementen kapitalistischen Produzierens gesehen:
a) die „bloss profit-orientierte“ Lenkung von Investition und Ressourceneinsatz verfolgt notwendig andere Zwecke als die maximal „bedürfnisgerechte“ Einrichtung nach der utopischen Vorgabe;
b) (Arbeits)Produktivitäts-Erhöhung resultiert verrückterweise im Nebeneinander von überarbeiteten Produzenten und einkommenslosen Nicht-Produzenten, statt in Reduktion der „notwendigen“ Arbeitszeit für alle (und damit Freistellung für „höhere“ Arbeitsaufgaben…);
c) system-bedingt suboptimale Produktionsresultate: Abzüge für „faux frais“, Konkurrenz-bedingte Mehrfachentiwicklung und -Investition (Überkapazität), Eigentums-bedingte Unterlassung von sinnvoller, Tätigung schädlicher Investition, Verzerrung der realistischen „Kostenstruktur“ durch Monopole und/oder „politische“ Preis-Beeinflussung.

Inwiefern könnte man dies alles als Ausdruck von „Fesselung“ einer keimhaft vorhandenen Zukunfts-Technologie begreifen?
Zunächst scheint es ja so, als würden sich (auch) hier (wieder) Verteidiger des kapitalistischen Status quo, die „diesseits“ der historischen Grenze operieren, deren Überschreitung sie zwecks Aufrechterhaltung ihres (mittlerweile) überholten Vergesellschaftungs-„Modells“ verhindern, streiten mit den revolutionären Kräften, die den „im Schosse der bisherigen Gesellschaft entwickelten“ Produktionspotentialen endlich zum Durchbruch verhelfen wollen.
Tatsächlich aber stellen die kritischen Abteilungen a-c ebensoviele Klage- und Anklagepunkte dar, die die Befürworter echter Marktwirtschaft selbst gegen die reale Verfassung dieser Wirtschaft vorbringen: Fehlallokation von Ressourcen, speziell Arbeitslosigkeit, Bürokratie, Managementfehler, Marktverzerrung – all das hindert, auch aus ihrer Sicht, dass der „System“-Vorteil des Marktmechanismus sich ungehindert entfalten kann – und mit ihm die im derzeit erreichten Produktionsniveau enthaltenen Innovationspotentiale.
Ist das bloss geheuchelt?
Woll(t)en sie eigentlich was ganz anderes?
Guten Gewissens kann man das nicht behaupten; die Anklage wegen einer – durch (politische) Fesselung der Marktkräfte gehinderten – technologischen Entwicklung zieht sich ja durch die Geschichte des Kapitalismus – und die vernichtendsten Vorwürfe in diese Richtung wurden und werden ausgerechnet den traditionellen Sozialisten gemacht – jenen also, die mit ihrem alternativen System der Produktionssteuerung und Einrichtung gesellschaftlicher Arbeitsteilung offenkundig – im Namen vergleichbarer Fortschrittsideale – dieselben Zwecke verfolgen.
Evident ist daran auf den ersten Blick garnichts; es scheint sich um einen Glaubensstreit zweier ökonomischer „System“-Konfessionen zu handeln, die noch dazu keienswegs qualitiativ völlig „inkommensurable“ Vorschläge machen, vielmehr für das Publikum, das zur Parteinahme für eine der streitenden Seiten aufgefordert wird, eher „Extremwerte“ auf Skalen zu verkörpern scheinen, die durch Kategorien-Paare etwa von der Art der von Seldon X vorgestellten Grafik definiert werden: Politisierung vs. Individualisierung, Gleichverteilung vs. Ungleichverteilung von Chancen der Beeinflussung von Produktionsgestaltung usw. Was auch bedeutet, dass beliebige „Kompromiss“-Ausprägungen zwischen den Extremen denkbar sind.
Ein GANZ Anderes ist hier nicht zu sehen.
Und technologisch eben auch nicht.
Denn den Vorwurf der „Fesselung“ allgemein nützlicher und nutzbarer Entwicklungs-Potentiale hätte man sich wechselseitig auf JEDEM der Produktionsniveaus machen können, die in der seit 200 Jahren andauernden Geschichte von Industrialisierung und Modernisierung erreicht wurden.

Ist also die dogmatisch zum „Histomat“ verfestigte Marxsche Theorie historischer Entwicklung ein Fehler?
Ich meine: nein. Es müssen allerdings einige Umstellungen vorgenommen werden, damit sie richtig bleibt bzw. wird: Für die Vergangenheit habe ich das versucht mit der Neu-Bestimmung dessen, was die „Entwicklungsaufgaben“ (das Problematische dieses Begriffs bleibt hier erstmal unerörtert) historischer Gross-Epochen gewesen sein könnten: Mehrprodukt überhaupt, Ausbreitung der Mehrprodukt-Produktion in die (überhaupt dafür verfügbare) Fläche.
Für die aktuelle Epoche, unsere,modern-industrielle, habe ich versuchsweise angenommen als Epochenaufgabe: Technik-Entwicklung.
In ihr selbst hat diese Entwicklung eigentlich keine derzeit absehbare Schranke; und – abgesehen vom Streit der Wirtschafts“-Systeme – ist auch – entgegen den affektiv hochbesetzten Idealisierungen der je favorisierten Lösung – auch keine fundamentale Beschränkung vonseiten des Vergesellschaftungszustands zu erkennen.
Es fällt nun auf, dass, je „emanzipations“-orientierter ein linkes Konzept auftritt, das Betonen des Aspekts der Produktivkraft-Entfesselung eine um so geringere Rolle spielt.
Prognosen über die Art der Produktionsweise erscheinen vielmehr als bevormundende Vorgriffe auf die Entscheidungen der dann emanzipierten Produzenten, die man tunlichst unterlassen sollte.
In der bürgerlichen Soziologie und Politikwissenschaft werden Werte-Orientierungen dieser Art denn auch als „post-materiell“ oder „post-materialistisch“ bezeichnet.
Und das wird grundsätzlich als Ausdruck dessen genommen, dass deren Träger in einer stabilen Versorgungssituation leben, wo sich die Frage weiterer technologischer Entwicklung keineswegs mit existenzieller Notwendigkeit stellt, und einschlägige Utopien tendenziell ihre Attraktivität verloren haben.

Ich habe mir an anderer Stelle etwas wie eine Stufenreihe der denkbaren Grade an „Emanzipations“-Befürwortung zurechtgelegt, deren grundlegende Gemeinsamkeit die Ablehnung aller ML-artigen „staatssozialistischen“ Projekte sein dürfte; wobei auch innerhalb dieser Reihe die „emanzipations“-geneigteren Standpunkte den je davorliegenden den Vorwurf einer verbliebenen relativen Nähe zum Staats-Sozialismus machen. Warum gibt es diese Standpunktreihe überhaupt, bzw. was steht eigentlich dem Befürworten eines Maximums an Emanzipation im Weg? Aus Sicht der mir bekannten Vertreter der weniger emanzipations-radikalen Standpunkte gibt es da ein klares Hindernis: die Rücksicht auf den Erhalt gesamt-gesellschaftlicher Arbeitsteilung und Produktivität („ein Mehr an Komfort und Reichtum nehme ich gern inkauf für etwas weniger Freiheit im Einzelnen“ (sinngemäss Mattis s.d.)).

Also auch hier: ein innerer Konflikt über das Mass der „Postmaterialität“.

Die Reihe hat insgesamt 6 Stufen; das Utopisch-Postmaterielle steigt dabei entlang der Reihe an, zugleich auch die Schrillheit der Einwände gegen die drohende Verarmung, die mit solchen Gesellschaftseinrichtungen, vor allem, wenn sie verallgemeinert werden, verbunden wäre (wenn ihnen nicht gleich die Lebensfähigkeit abgesprochen wird ohne einbettende Industriegesellschaft, von der sie abhängig bleiben):

1 Verfahrens-basierter Kommunismus („demokratisch“ politisierte Produktionssteuerung auf gesamt-gesellschaftlichem Niveau)
2 Konsens-basierter Kommunismus (rationale, auf „Argumenten“ beruhende P. usw)
3 Kommunalismus (zB Kommune Bochum)
4 radikaler Kommunalismus (Aufbau grösserer Einheiten aus kleineren, selbstbestimmten)
5 radikal-ökologischer Kommunalismus
6 bedürfnis-orientierter Kommunalismus

Dabei ist ein Bruch zwischen Stufe 4 und 5 zu bemerken: statt auf die Art der Vergesellschaftung zielt die Bezeichnung „radikal-ökologisch“ plötzlich auf ein Sachthema – freilich eins, das sich in die Reihe der je radikalen „postmateriellen“ Werte-Orientierungen einfügt – wobei Konsequenz und „Ausmass“ an jeweiliger „Postmaterialität“ und damit „Radikalität“ sich offenkundig ergibt aus dem Mass, in dem auf die Errungenschaften der Industrialisierung zugunsten des jeweiligen Wertes wieder verzichtet wird.

Aber wird wirklich „wieder“ verzichtet? Oder wird in der Anwendung von modern-industriell entwickelter Technologie eine neue Richtung vorgegeben, die sie vorher nicht, oder eben allenfalls „keimhaft“ hatte? Und… könnte es sein, dass die Reihe der Grade an „Emanzipiertheit“ eben genau die Art des Produktionsverhältnisses näher spezifiziert bzw. den Blick darauf öffnet, der diese keimhaft angelegte epochal neue Aufgabenlösung im Umgang mit Welt und Wissen, also Produktivkräften, allererst in Gang setzt?
Was wäre denn, umgekehrt gefragt, der MANGEL der bisherigen epochalen Aufgabenstellung, wie sehr sie sich auch auf ihren Grundlagen noch weiter entfalten mag?
Meine Antwort darauf habe ich versucht, in meinem Blog hier im Marxforum zu skizzieren (was auch noch fortzustzen wäre): Die kapitalistische und auch staatssozialistische Form moderner Industrieproduktion organisiert im Kern eine Art Selbstreferenz von Technik-Entwicklung: Technologien haben kein wirklich es externes Ziel, sondern jede erreichte Ausbaustufe scheint nur die Eingangsvoraussetzung für eine je nächste. Dabei limitiert sich diese Entwicklung nicht nur durch ihre notwendige Ignoranz gegenüber Voraussetzungen ihres Bestehens und Fortdauerns, die sie selbst nicht hervorbringt und andererseits ununterbrochen durch Verbrauch und Destruktion untergräbt (physische und psychische, kulturell-historische Humanressourcen, Naturbedingungen, planerische Steuerbarkeit) – maW sie stösst nicht nur an ÄUSSERE Grenzen ihrer Entfaltung; sondern an solche, die sie selber setzt, dh sie limitiert sich auch selbst – indem sie, Stufe für Stufe, Bedarf allererst erzeugt, der zuvor nicht bestand, und der immer grössere Aufwände zu seiner Stillung erfordert. Anders gesagt: Diese selbstbezogen, auf „industrielle“ Weise wachsende Technologie erstickt sich selbst in Gestalt der Nebenfolgen, die sie ununterbrochen erzeugt und in ihren nächsten Wachstumsschritten mit-bewältigen muss. Sie tritt auf als Helfer in Nöten, die sie ausschliesslich selbst hervorbringt. Das Feld, auf dem die betreffenden Nebenfolgen angesiedelt sind, ist genau das, das in kommunalistischen Produktionsverhältnissen im Zentrum der Aufmerksamkeit steht: Steuerbarkeit; Natur-Verträglichkeit; Bedürfnisgerechtheit (und darum auch: historisch-kulturelle Nachhaltigkeit, Robustheit, Vermittelbarkeit, Tradierbarkeit).
Soweit lautet also das Fazit dieser Überlegungen: Erst durch eine radikal-kommunalistische Gesellschafts- und Produktions-Organisation wird die Selbst-Limitation industriell-technologischen „Wachstums“ zugunsten einer weitergehenden Fassung von Produktionsaufgaben und deren Lösung überschritten; umgekehrt finden alle vor-kommualistischen Vergesellschaftungskonzepte keinen Ansatz, um die aus dieser Selbstlimitation erwachsende Stagnation und immer extremere Anfälligkeit ihrer Produktionsweise zu überwinden.
Was aber ist der Kern, und das grundlegende Neue der kommunalistischenVergesellschaftung (radikal im Mass, wie sie diesem ihrem Prinzip immer weiter stattgibt)?
Und… hat diese radikal andere Zielsetzung als selbst die der bisherigen radikalen „kommunistischen“ Linken (auch noch der Verfahrens- und Konsens-orientierten, s.o. die Liste 1 und 2) Konsequenzen hinsichtlich der von mir als nur im Verbund zu denkenden Kategorien Befund (Theorie, Beschreibung, Erklärung der bestehenden Verhältnisse) – Kritik – Strategie?
Das wäre in weiteren Texten von mir zu beantworten.
Speziell dem Thema Industrie vs. „nach-industrielle“ technologische Strategie ist ja mein Blog hier gewidmet; die einschlägigen Artikel stehen derzeit dort leider noch aus.

Wie jetzt weiter?

28. November 2013
Erstmal natürlich herzlichen Dank für die ausführlichen Reaktionen. Es ist nicht verwunderlich, dass sie komprimiert bis lang ausfallen – notgedrungen, weil mein eigener Text sich auf einer sehr hohen Abstraktionsebene bewegt. Von da aus führen viele Wege weiter zu vielen Einzelkontroversen, die sich teils anschliessen, an denen sich aber womöglich die allgemeinen Differenzen, da wo noch welche bestehen, erst entscheiden lassen. Und jeder hat natürlich seine eigene Art, anzuschliessen und fortzusetzen.
Wie geht man mit sowas um?
Mein Vorschlag wäre: Bevor wir nicht zu einer gemeinsamen begrifflichen Plattform gelangt sind, auf der wir alle auftauchende Themen in gleicher Weise klassifizieren und einordnen, was meist auch heisst: gemeinsame Prioritäten setzen, solche zumindest überhaupt diskutieren können – solange müssen wir es ertragen, dass wir neben einander her sprechen, und in gewissem Umfang aneinander vorbei. Solang wir aufmerksam sind auf das, was den andern jeweils einfällt, bilden sich da schon allmählich Ansätze, um die verschiedenen Stränge in EINEN zu überführen.

Ich würde gerne Peter Nowak vorschlagen, dass er – statt seine Gedanken entlang der Beantwortung MEINER Überlegungen zu zerfransen – sie eher auch mal in einem eigenen Artikel, vielleicht im Blog, vielleicht auch als Forums-Beitrag, vorträgt – und dann eben in dem Zusammenhang, wie er ihm selbst als der sinnvollste erscheint.
Ich selbst bin ja mit der Darstellung keineswegs fertig, und sollte erstmal (wobei ich gerne eure Erwiderungen versuche zu berücksichtigen) noch fortsetzen, und die Ankündigungen einlösen. Wals Text zeichnet sich durch beneidenswerte Prägnanz aus – und durch erfreuliche Kompromisslosigkeit in der Verfolgung der „kommunalistischen“ (Neu)Ausrichtung von Zielsetzungen. An den derzeitigen Debatten in jüngsten threads bei Neoprene über Konsensfindung http://neoprene.blogsport.de/2013/09/08/waehlen-ist-verkehrt-nicht-waehlen-aber-auch/, Räte-Organisation http://neoprene.blogsport.de/2013/10/04/raeteorganisation/ , Planung im „Kommunismus“ http://neoprene.blogsport.de/2013/08/24/neue-buecher-vom-gegenstandpunkt-und-von-hermann-lueer; kann man besichtigen, ähnlich wie auch an früheren hier im Forum, wie weit der Weg für radikale Linke noch ist, die schon längst dem Staatssozialismus abgeschworen haben oder nie auf diesem Standpunkt waren, bis sie sich mit kommunalistischen Positionen anfreunden können. Dabei zeichnen sich in der Tat deutliche Stufen der Annäherung nach-staatssozialistischer aber „kommunistischer“ Standpunkte an den Kommunalismus ab. Wobei die Gemeinsamkeit der „Kommunisten“ (die inzwischen nur noch eine Fraktion unter den Befürwortern gesellschaftsweit eigentumsfrei geplanter Reproduktion sind) darin besteht, dass sie sowohl im Übergang („Revolution“ im Sinn von: synchron, grosse Bevölkerungsmehrheit macht ihn; nicht notwendig mit Gewalt) zur, als auch im Aufbau der eigentumsfreien Gesellschaftsorganisation „kommunistisch“ insgesamt einen primär „gesamt-gesellschaftlichen“ Ansatz verfolgen, und das hauptsächlich aus Gründen der unumgänglichen Arbeitsteilung, Produktivität und der zu erhaltenden Stufenleiter der (industriellen) Produktionsweise, wie man sie vom Kapitalismus erbt.
Die kommunalistische Fundamental-Formel: Die Produzenten (einschliesslich derer, die aus äusseren Gründen vom Produzieren abgehalten werden) planen ihre Produktion und Konsumtion SELBST, wird dort derzeit noch verworfen; entweder explizit (bei „Verfahrens“-Kommunisten wie dem Autor Mattis, bis letzten Sommer auch hier als Teilnehmer unterwegs, sowie Hermann Lueer), oder aber implizit bei „Konsens“-Kommunisten wie „Krim“ und Neoprene, die wiederum die Frage der Organsiation für zweitrangig halten, solange der ZWECK der Planung gewahrt bleibt; und den sehen sie wesentlich in einer Anpassung der Produktion an einen ermittelten BEDARF. Dass auch Leistungsbereitschaften Gegenstand von Bedürfnissen sein können, oder der Bedarf sollte ins Verhältnis gesetzt werden können zu den Aufwänden und Risiken, die man damit eingeht, wird dort kaum gesehen; Prioritätenkonflikte werden in den dort erwogenen Vorgaben für Planung wesentlich durch Steigerung der Produktion gelöst. Als ob es keine Grenzen bei Ressourcen gäbe, vorneweg der Motive für Einsatzbereitschaft und Leistung; als ob Bedarf und Bedürfnis völlig selbständige Grössen wären, und rein konsumtiver Natur. Erst recht nicht gesehen wird, dass die weitestreichenden und konflikt-trächtigsten Prioritätensetzungen der Gesellschaft ihre Existenz betreffen – Umgang mit Natur, Naturressourcen, Forschung (dem Stellenwert, den sie haben soll). Von Wünschen wiederum, die man unabhängig von der ewig heraufbeschworenen Not und darum not-wendigen Arbeitsmühsal hat hinsichtlich der Lebensführung und -einrichtung, und der Frage, ob sowas mal Gegenstand der kollektiven Planung werden könnte, ist dort nie die Rede. Das Entscheidungsmodell ist vielmehr eines, das im wesentlichen einen statischen Zustand auf hohem industriellen Niveau unterstellt, der punktuell „bedarfs“-angepasst wird. Wissenschaft und Wunsch liegen hingegen ausserhalb der Planungssphäre, und geraten in ihren Fokus erst, wenn punktuell Bedarf nach „Mitteln“angemeldet wird, die dort „gebraucht“ werden: Entweder dann auf Kosten existierender Produktionen, oder eben wieder mal durch Mehrproduktion. Es sind keine Zwecke, die primär und zu jeder Zeit im Zentrum der gemeinsam beschlossenen Produktionsentdscheidungen stehen. Daran ist abzulesen, wie diese „Kommunisten“ zu Welt und Wissen insgesamt sich verhalten; was ich aber hier erstmal nicht weiter ausführen möchte.
(Beitrag unterbrochen, später fortzusetzen.)

alte Planungsdebatten mögen überflüssig gemacht werden, aber gibts womöglich neue?

30. November 2013
Die (technologische) Utopie ist alt: Mit dem „Joch der Arbeitsteilung“ womöglich auch das der Abhängigkeit von Vergesellschaftung loszuwerden. Der Rest ist Simplify, EDV und horizontales Bestell- und Liefernetzwerk. Funktionieren kann das alles nur nach einem im wesentlichen synchronen Übergang der Gesamtgesellschaft.
Ich führe diese Ingredienzien zusammen an, weil sie Marios spezielle Stellungnahme charakterisiert in einem System von zusammenhängenden Fragestellungen, in dem andre anders votieren (vgl. die verlinkten Debatten bei Neoprene) – Mario ist mit diesen Alternativen ungefähr so schnell fertig wie manche dieser andern mit seinen. Für alle Beteiligte an solchen Debatten versteht sich da immer wieder viel zu viel „längst“ oder „bereits heute“ von selbst.

Mir fällt an ALL diesen Überlegungen eins auf: Die Fragestellung ist ausgerichtet auf zwei Zentralbegriffe: PRODUKTION, und Bedürfnis im Sinn von BEDARF.
Im weitesten Sinn also auf etwas, das im wesentlichen (gesamtgesellschaftlich, arbeitsteilig) EINGERICHTET wird, und dann allenfalls noch und immer wieder punktuell verbessert.
Der hochentwickelte Stand der Produktivkräfte wird da übernommen; darüber baut sich etwas auf, das – gleichlautend, nach all diesen Auffassungen – nicht mehr gesellschaftlich-arbeitsteilig geplant werden muss, womöglich auch nicht kann – die kreative Einzeltätigkeit, unabhängig von dem betrieben, was andere derzeit tun, in ihrem RESULTAT aber natürlich ihnen zugänglich gemacht, so wie sie selbst an solche anderer anknüpft. (Im Einleitungsbeitrag von mir war von derlei bereits die Rede.)

Seltsamerweise wird in all diesen Vorschlägen die WISSENSCHAFT als Produktivkraft vergessen; ebenso auch die sich daran anschliessenden technologischen Entwicklungen oder praktischen Konsequenzen. Wenn die Open Source Ecology Technologie auf Selbstversorgung von 200 Leuten zielt – was genau soll das Ziel sein? Soll das die verallgemeinerte Lebensform der Zukunft sein? Gibts dafür irgendeine Notwendigkeit? (Ich würde sagen: ja; aber wie soll man in einem „horizontalen“ Netzwerk von kreativen Monaden darüber noch kommunizieren – solcher, die sich spätestens um die allein zum Erhalt des Status quo nötigen Innovationen nicht mehr kümmern wollen (dafür garnichts vorgesehen haben… wenn doch alles eingerichtet ist…) – ausser dann, wenn die Bestellungen für Lebensmittel immer länger unerfüllt bleiben…? – Der Punkt ist, dass man sich den Gedanken ohnehin schenken kann – denn angesichts des jetzigen Zustands einer chaotischen Vielfalt an Vergesellschaftungskonzepten, die alle übereinander sagen können, dass das je andre „nicht von den liebgewonnenen Allgemeinplätzen loslassen kann oder will“, wird es keine einheitliche Gesellschaftseinrichtung geben. Mal abgesehen davon, dass (schon in Anbetracht der wenig einladenden Diskussionskultur der Linken, von allem andern ganz zu schweigen) ein grosser Teil der Restgesellschaft erstmal beim Eigentum bleiben will.

Erst die Beherrschung ihrer GESAMTEN Reproduktion durch die Produzenten, sowohl technologisch als auch, was das involvierte Wissen angeht (auch das, wovon man WEISS (und nicht etwa bloss glaubt), dass mans nicht selber wissen muss), ist die Antwort auf die Fragestellung des libertären Kommunismus oder des „Kommunalismus“. Beim Open Source Ecology Projekt frage ich mich beispielsweise, wo die Energie (und welche?) für Maschinen herkommt. Lässt sich soviel Energie dezentral gewinnen? Die Maschinen kann jeder bauen „der die Mittel hat“ – welche? Solche zur Metallbearbeitung? Wo kommen DIE her? (Es soll schliesslich irgendwann mal autark reproduzierbar sein – wie gross ist der Bezirk, der das „dezentral“ für sich leistet?) Welche nicht dezentralen industriellen Fertigungsketten bleiben (speziell etwa für die allseits für unentbehrlich befundene EDV)? Ein heisses Thema ist die Gesundheitsversorgung und ihre derzeit ultra-moderne medizin-technologische Infrastruktur. (Wie sieht das „Simplify“-Prinzip DORT aus?) Und ein andres… die Infrastruktur für ökologische Reparatur des Planeten. Und was ist eigentlich mit sowas wie „Sicherheit“? Als ob da nicht lange Phasen mit fortbestehendem Gefälle zu allen möglichen Bevölkerungsgruppen und Staaten weltweit anstehen.

Die Nachlässigkeit, mit der das alles immer wieder für erledigt erklärt wird, ist Ausdruck eines ungeheuerlichen Mangels an Problembewusstsein. Es wäre vermutlich ein (entsprechend) ungeheurer Fortschritt verglichen mit heute, wenn deutlich mehr Leute als bisher wenigstens zu einem gemeinsamen Begriff der anstehenden Aufgabenstellung gelangen würden…

Aber es geht ja genau um die Frage der BASIS

30. November 2013
Peter, deine Einwände sind die bekannten, und ich skizziere kurz MEINE „kommunalistische“ Antwort:

1. Es gibt keinerlei erkennbaren Ansätze, wie ein SYNCHRONER Übergang der Gesamtgesellschaft / bevölkerung (oder auch nur der grossen Mehrheit) zur Befürwortung von Eigentumsfreiheit derzeit in Gang kommen könnte. (Erst recht gilt das in weltweitem Masstab. Du redest vo Konkurrenz mit den Ausbeutern rundum zum Kauf von Rohstoffen. Red doch mal über die Machtkonkurrenz, die du damit in Gang setzt, da kommt keine ökonomische mit!) – Die Einschätzung der Art des Übergangs in eigentumsfreie Vergesellschaftung ist eine entscheidende Voraussetzung für alle weiteren Vorschläge.

2. Die „Genossenschaften“, die Wat vorschlägt, sollen sich intern so schnell wie möglich vernetzen und durch wechselseitige Belieferung vom Markt abkoppeln. Auch unter Ausbeutern und ihren Bälgern finden sich Befürworter von Eigentumsfreiheit; nach meiner Erfahrung sogar mehr als unter „Arbeitern“. (Du wirst bemerkt haben, dass wir hier eher von „Lohnabhängigen“ sprechen.) Ob das praktisch geht unter heutigen, speziell deutschen Ausgangsbedingungen, oder nicht, ist unter uns Lohnabhängigen bzw. Befürwortern von Eigentumsfreiheit (du siehst, man braucht ganz neue Wörter angesichts von unser aller Meinungsverschiedenheiten) strittig, und muss und kann in der Tat abgewartet werden. Lohnabhängige haben jedenfalls hierzuland häufig Ersparnisse, die sie in solche Projekte einbringen können; davon profitieren dann die, die nichts einzubringen haben und selbstverständlich trotzdem beteiligt werden.

3. Wat weist darauf hin, und Wal hat es in letzter Zeit ebenfalls verschiedentlich getan: Die Steuerbarkeit der Reproduktion durch die Produzenten ist eine Anforderung, der man entweder dann doch lieber nur Nachrangigkeit einräumt, ODER man muss diie ganze Produktionsweise neu aufbauen. Und zwar selbst in dem praktisch auszuschliessenden Fall eines synchronen Übergangs der Gesamtgesellschaft („Revolution“), den man unter diesem Gesichtspunkt nur als Katastrophe bezeichnen könnte. – Die Sozialismus-Modelle, die hier kein Problem sehen, sind AUSSCHLIESSLICH befasst mit dem Problem der Einrichtung einer statischen Reproduktion auf gegebnem (hohem) industriellem Niveau. Ökologische Folgeschäden? Ökologische Umgestaltung der Produktion (was bedeutet das eigentlich?), speziell der Nahrungsmittelerzeugung? Ressourcenerschöpfing? Gefährliche, suboptimale Technologien oder (etwa in der Medizin) irrationale Wirkstrategien, falsche Befunde, unsinnige Wissenschaft… GIBT ES DA NICHT! (Wie GLÄUBIG muss man sein (ich spreche niemand direkt an, der hier geschrieben hat, sondern sage das allgemein), um zu denken, dass man hier irgendetas ungeprüft 1:1 übernehmen kann?) – Und folglich gibt es für diese Status-quo-Praktiker und Weiterwurstler auch nicht das Problem, das in Wahrheit das zentrale im Sozialismus ist: Für welche wissenschaftlicihen Fragestellungen treiben wir Aufwand – welche technologischen Neuentwicklungen brauchen wir – wie schnell setzen wir sie um? DENN… Der Kapitalismus war global, der Sozialismus muss ihm, bei sonst drohender Strafe des Untergangs, folgen. Was bedeutet, dass die Produktionsbasis hier herhalten muss, um die weltweite Zurückgebliebenheit und Beschädigtheit riesiger Regionen wettzumachen. Alles das bedeutet eine Produktion in ständiger Bewegung, unter ständigem Anpassungsdruck an existenziell riskante Gefahrszenarios. Das muss von den Produzenten lernend bewältigt und verstanden werden, damit sie es in ihrem Alltag mittragen. Eine sozialistsiche Geselslchaft oder auch nur Teilbevölkerung (was ich für das wahrscheinliche halte) muss, angesichts der Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert ist, eine schnell lernende sein, die ihre Produktion souverän überblickt und extrem schnell (und dennoch im Konsens, und ohne endlose Steitereien) umstellen kann. DARIN wird ihr überragender historischer Konkurrenzvorteil bestehen.

4. Peter, ganz speziell: Rohstoffe wird man vielleicht recyceln. Aber ökologische Zwänge in der Nahrungsmittelproduktion immer noch länger nicht beachten, bedeutet demnächst VERHUNGERN. Die Bodenzerstörung in einer industriellen Agrarwirtschaft verursacht Anfälligkeit der darauf angepflanzten Monokulturen, die man auch durch immer grösssere Herbizid- und Pestizideinsätze nicht mehr beherrscht; die Nährwerte sinken; die Erträge sinken, trotz aller Aufwände; Überschwemmung und Austrocknung der toten Böden (die Wasser immer schwerer aufnehmen) beschleunigen die Katastrophe. Und die Bodenzerstörer kaufen in grossem Stiul das letzte fruchtbare Land in Afrika und Südamerika, um es auch noch (im wörtlichen Sinn) zu verwüsten. Die Nahrungsmittelproduktion ist die Basis; und schon die steht auf dem Spiel. (Und wie produzieren wir Energie? Wie organisieren wir Personen- und Güter-Transport unabhängig von fossilen Treibstoffen, welche Bau-Lösungen finden wir in gemässigte Zonen zum Einsparen bzw. Nachhaltig-Machen der Heizenergie? Welche Ersatzproduktion finden wir für die erdölabhängige Kunststoffproduktion (die obendrein mit hochgiftigen Weichmachern arbeiten muss)? Wie müssen wir weiterhin erwünschte (Hoch)Technologie umrüsten, damit sie komplett recyclingfähig wird? Wie stoppen wir das Einströmen von Industriegiften aller Art in Böden und Atmosphäre? usw. Wohlgemerkt: Ich rede von der MATERIELLEN BASIS!)

Nochmal Basis, nochmal „Reifung“

9. Dezember 2013
Peter, das mit der Fessel-Sprengung muss nicht die plötzliche Form einer Staats-Neugründung oder eines längerfristigen Staats-Umbaus durch Reformen annehmen – die solchen Wiederholungen bürgerlicher Revolutionen kritisch gegenüberstehende Sicht sagt: Was so entsteht, ist dann eben auch ein neuer STAAT – warum gibts in der Gesellschaft überhaupt Bedarf nach ihm? Der eigentliche „Überbau“-Übergang wäre aber das Überflüssigmachen von politischen Strukturen aller Art, die eine wie immer gestaltete Konkurrenz zu beaufsichtigen, beschränken, regulieren hätte; der Bedarf nach solcher Regulierung an der produktiven Basis wäre geschwunden.
Das Ausmass, in dem in der Gesellschaft solcher Bedarf nicht mehr geäussert wird, wäre dann zugleich das Mass der „Entfesselung“ ihrer Produktion – nur, dass der Ausdruck hier fast nur noch ironisch zu begreifen ist – denn das ganze Szenario hat sich gewandelt, es ist eben nicht mehr die sozialistische Variante und „endlich alles gut machende“ Wiederholung de bürgerlichen Revolution. Warum nicht, Peter? Weil dort die eigentliche Emanzipation nicht in der ABSCHAFFUNG besteht, sondern in der Aneignung und Übernahme von Aufgaben (ins eigene Leben, in die eigene Verantwortung) durch die Gesellschaft oder einer wachsenden Teilgruppe von ihr, die vormals vertrauensvoll an Institutionen abgetreten waren, von denen man versprochenbekam und auch sich salber versprach, dass sie das alles viel besser, ja überhaupt nur könnten, und die Gesellschaft, die Einzelnen müssten dem vertrauen. Die Leben aber der Gesellschaftsmitglieder sind auf solche Übernahme nicht eingerichtet; viele, ja die meisten, vertrauen auch immer noch den alten Systemversprechen (ob bürgerlich, oder links). Die Fessel und ihre Sprengung findet anderswo statt, als beim letzten Übergang; nämlich im Einzelleben. Die alte Marxsche Übergangsfigur gelangt da da zu einer überraschend neuen historischen Variante (und nur so bleibt ist sie realisiert): Inmitten von (Zusammen)Lebensentwürfen, die ursprünglich ganz anders, nämlich auch im sorglosen Vertrauen auf ihre institutionelle Vergesellschaftbarkeit, angelegt waren, öffnet sich ein Sektor der Hereinnahme von vormals „Öffentlichem“ – nicht im Sinne von dessen Bornierung und „Privatisierung“ – sondern umgekehrt, im Sinn einer unmittelbaren Übernahme von Zuständigkeit des Einzelnen für den GESAMTEN Reproduktionszusammenhang, in dem er lebt.
Das kann er aber anfangs nicht im allergeringsten leisten.
Denn dieser Zusammenhang ist auf seine Steuerbarkeit durch all die einzelnen nicht im geringsten eingerichtet.
Und ihn dafür umzubauen, ist die Reifung und schliesslich Durchsetzung dees neuen Produktionsverhältnisses.
Wie sich dann zeigt, entsteht genau dadurch und damit eine neue Produktionsweise, eine neue Technologie, die zwanglos den Anforderungen gerecht wird, an denen die alte immerzu nur ihre eigne Begrenztheit und schreckliche Unfähigkeit vorführte.
Das neue Produktionsverhältnis ist ganz von selbst durch die von ihm ermöglichte und in ihm erwünschte Technologie ökologisch und bedürfnisgerecht.
Was theoretisch abzuleiten und als notwendige Folge zu beweisen wäre.

Anmerkung 1: Es mag zeitweise Ungleichgewichte im Anteil der beiden involvierten Dimensionen, Produktivkraft und Produktionsverhältnis, geben, aber insgesamt bleibt der Satz richtig für die gesamte Produktionsweise, die aus ihrem zusammenwirken und -wachsen stabil hervorgeht: Sie reift in der alten Umgebung, wo zugleich de bedarf nach ihr wie die Startvoraussetzungen geschaffen sind; und sie wächst und setzt sich druch, im Mass wie sie sich vervollkommnet, und verdrängt so die Elemente der Vorgängerepoche immer mehr in die Randzone der Gesellschaft, wo sie irgendwann, serh viel später, und dann fast uunmerklich, sich vollständig auflösen.
„Revolutionen“ sind nur kurzfristige Beschleunigungen (meist nach vorhergehenden künstlichen „Aufstauungen“) des historischen Prozesses; in dieser Funktion zugleich masslos überschätzt. Besser nennt man den radikalen Wandel selbst Revolution; aber wegen seines fundamentalen Charakters, nicht wegen der Plötzlichkeit.

Anmerkung 2: Wir zitieren hier doch Marx ausschliesslich zur abkürzenden Wiedergabe von Meinungen, für die wir letztlich selber einstehen. Es klingt aber manchmal ein indignierter Unterton mit, wie man überhaupt bloss dieser unfehlbaren Autorität widersprechen könne. Nun – wenn es so wäre, hilft alles nichts, und man muss den Widerspruch höchstselbst widerlegen. Auch da gilt: Wir müssen es selbst leisten.

also gut: NOCHMAL Basis…

11. Dezember 2013
Peter, an dich dieselbe Frage wie ich sie im von mir eröffneten thread aufgeworfen habe: Wo ist denn die Technologie (als Inbegriff von moderner „Produktivkraft“ verstanden), für deren Entfaltung das Kapital-Verhältnis zunehmend Schranke ist? Derart dass NOCHMAL eine Revolution erforderlich ist, um die Technik jetzt aber so richtig zu entfesseln…?

Der Marxsche historische Materialismus als eine Theorie des „sozialen Wandels“, wie es die bürgerlichen Soziologen ausdrücken, eröffnet mit seinen ALLGEMEINEN Kategorien und Unterscheidungen (Produktionsweise, -verhältnis, -kräfte) gewiss einen ersten rationellen Zugang zur Geschichte, verglichen mit der religiösen Geschichtsphilosophie eines Hegel (wo, nebenbei, immerhin Geschichte überhaupt zum allerersten Mal ins Blickfeld einer theoretisch-begrifflichen Analyse geriet; nur um seither um so nachhaltiger für die nächsten 150 wenn (hoffentlich) nicht 200 Jahre wieder daraus zu verschwinden…). In dieser Allgemeinheit sind die Marxschen Entdeckungen und kategorialen Neuerungen heute ziemlich konkurrenzlos anerkannt, sie sind Inhalt der allgemeinen Bildung und allen wissenschaftlich Tätigen auf dem Gebiet der Geschichte, spätestens in nicht-marxistischer Terminologie, geläufig und ständig bewusst. – Problematisch ist eher der SPEZIELLE Gebrauch, den Marx (und man muss hier sagen: der als Theoretiker anfangende, insofern „junge“ Marx) von diesen Kategorien macht. In gewissem Sinn waren sie ironischerweie am besten geeignet für den Kampf der nachmaligen Sozialdemokratie um Anerkennung der (Nur-)Eigentümer ihrer Arbeitskraft als gleichberechtigte Bürger – dem frühbürgerlichen Staat des 19.Jahrhunderts drohte da in der Tat eine Revolution, die die unvollendete bürgerliche hätte abschliessen müssen, und den neuen Staat der abstrakten Eigentümer-Bürger, der dann doch noch auch ohne Revolution zustandekam, geschaffen hätte. In diesem Staat leben wir. Die diesem Produktionsverhältnis entsprechende Technologie blüht und wird allseits nach Kärften gefördert. Eine systematische Fessel ist weit und breit nicht zu sehen, und wo doch, sind die Befürworter der nicht mehr ganz jungen bürgerlichen Wirtschaftsform die ersten, die sich in Wort und Tat dagegen wenden.

Das allgemeine Prinzip, wenn diese Epoche nicht die letzte sein soll, fordert (wenn es denn stimmt) aber Entwicklung einer EPOCHAL ANDEREN Produktivkraft – eine, die bislang geschlummert hat und angesichts der Unentwickeltheit aller andern garnicht sichtbar werden konnte: Der MANGEL ihrer Entwicklung, die Tatsache ihrer FESSELUNG durch ein unangemessenes Produktionsverhältnis ist ERST JETZT, im reifen Kapitalismus, zu ahnen – der Bedarf nach einem epochal anderen Produktionsverhältnis kann überhaupt erst mit der Reifung dieser neuen Produktivkraft „im Schoss der alten Gesellschaft“ entstehen. Sind dies nicht genau die guten alten historisch-materialistischen Formeln? Muss es nicht etwas in der beschriebenen Art geben, wenn sie weiter ihre Anwendung haben sollen? Und was könnte das sein? So unreif, wie es offenkundig ist. so sehr erst noch PROJEKT und Wunsch, Bedürfnis, nur erstmal von wenigen bemerkt, wie es in dieser Phase sein muss, KANN es nichts allgemein Bekanntes und Festgestelltes sein – obschon es etwas Offenkundiges, vor jedermanns Augen Liegendes sein muss – nur eben als MANGEL, der nicht bemerkt wird. Wer hat denn 1500, ausser, sagen wir Leute wie Leonardo, einen Mangel an Technik bemerkt? Wer einen Mangel an Naturwissenschaft? Mängel, Probleme gabs da genug; auch beeindruckende Ausfälle des herrschenden (theologischen) Wissens-Systems (und auch seiner Renaissance-Alternativen), ihrer Herr zu werden. Aber da war noch ein weiter Weg bis zur Aufklärung und ihren Heroen (Newton, Locke; die ja nur eher Repräsentanten anschwellender Bewegungen von (neuen) Wissenschaftlern und politischen Theoretikern waren – und auch die eher Protokollanten der eigentlich zugrundeliegenden gesellschaftlichen Tendenzen in der Produktion selbst.) – Ich fürchte, wir sind näher an Leonardo als an Newton (obwohl heute alles schneller läuft), wir sind näher an den „alternativen“ Fortschreibungen der alten Problemlösungen („Revolution“) als am Ahnen oder gar Begreifen des Neuen.

Eine von mehreren wichtigen anstehenden Neu-Orientierungen könnte die Neu-Bestimmung eines Begriffs wie Produktivkraft werden.

In speziell deiner 4-Punkte-Liste der „Produktivkräfte“ kommt das der Einzelperson angehörende nur als ein Eintrag neben andern vor, als Arbeit NEBEN und unterschieden von Natur, Technik, Wissenschaft. Andererseits… wurde hier im Marx-Forum schon mehrfach der Gedanke geäussert, dass der Mensch, nein besser: die (Einzel)Menschen, die Leute, die einzige Produktivkraft SIND. (Die Neigung zu dieser Auffassung ist Ausdruck der Tendenz hinter all den „kommunalistischen“ Ansätzen, die sich hier im Forum bemerken lassen… wenn man motiviert ist, auf sie zu achten.)

Das Nebeneinanderstehen und Zerfallen der Produktivkräfte in der Liste, das Nebeneinanderstehen der zwei Auffassungen – sie sind symptomatisch. Denn… die Produktivkräfte sind in der Tat nicht im Besitz, in der Verfügung der Einzelnen. Die Gesellschaft, ja die… die kann so viel und hat soviel. Der Einzelne hingegen hat… ein seltsames VERHÄLTNIS dazu: Es ragt das alles in sein Leben hinein, in Gestalt all der technischen Geräte, des modern-industriell erzeugten Reichtums an Mitteln seiner Lebensführung, auch des Wissenswerten, Kennenzulernenden – von der einen, der Konsum-Seite her; von der andern… nun ja: Da wird weniger gegeben als vielmehr genommen, geradezu sogartig wird ihm sein Leben weggenommen von den Anforderungen der Arbeit, ihren Notwendigkeiten; im Reich der (industriellen) Notwendigkeiten leben wir ja weiter, auch nach der „Revolution“. Daran ändert nicht einmal der dann „abgeschaffte“ Kapitalismus etwas. Aber die „sozialstaatliche“ Dauerkompensation von Folgen der (je) herrschenden Produktionsweise beschäftigt auch die Freunde des Eigentums und der Klassen; dass beispielsweise sozioökonomische Parameter den Bildungserfolg determinieren, gilt als Ausweis mangelnder Funktionalität des deutschen Bildungswesen, nicht als „revolutionäre“ Forderung. Oder doch? Nun – es könnte dahinkommen; so wie immer, wenn das herrschende System hinter seinen eignen Anforderungen zurückbleibt.
Aber epochal neu ist das nie.

„Die Welt besitzt längst den Traum einer Sache…“

Wir haben, so meine ich zu fragen: Welcher Traum, nicht der Welt, sondern von UNS, ist der unerfüllte, den wir uns endlich bewusst machen müssten – welcher „Produktivkraft“-Traum ist noch immer unerfüllt, und würde (wenn es je dahin käme, kann es aber nicht…) bis in alle moderne Ewigkeit, selbst wenn alle Science-Fiktionen umgesetzt wären (…sie sind widersprüchlich), immer noch nicht erfüllt sein?

Ich denke, diese Traum-idee liegt greifbar vor uns: Dass der also jeder und jede Einzelne sich die immer bloss „gesellschaftlich“, an andern, Einzelnen, ausgebildeten, ihnen verfügbaren Produktivkräfte aneignen, sie zu seinen machen kann. „Allseitige Entwicklung“ haben sie das, leider allzu ungelenk, ungeklärt, beinah (fehlt da etwa doch was?) verlegen, Marx zitierend, im realen Sozialismus genannt. – Wie sähe so etwas aus?

Es wäre die materielle Basis für das gänzlich NEUE Produktionsverhältnis namens Eigentumsfreiheit. Letzteres eigentlich eine Negativ-Bestimmung, die noch immer vom Gedanken der Entfesselung durch „Abschaffung“, Wegschaffung eines Hindernisses lebt; statt von dem des langwierigen, eben über eine Epoche sich hinziehenden Aufbau einer völlig anderen Form der Vergesellschaftung – und hier, wichtiger als alles, das daraus erst folgen würde: einer neuen Weise des Produzierens und Arbeitens; einer Arbeitsteilung, bei der unendlich viel sorgfältiger als heute darauf geachtet würde, was daran so indifferent ist, dass es an Verschiedene verteilt werden kann – und was daran unbedingt GETEILT werden muss, wenn die Gesellschaft nicht weiter so zerfallen bleiben soll (letztlich: in Eigentümer), wie sie es heute ist und weiter sein wird in allen Gesellschaften, die diese Teilung, diesen Ausschluss nicht überwinden.
Dies als vorläufige Antwort hier. Ich hatte vor, den oben verlinkten Beitrag in einem neuen thread zu diesem Thema fortzusetzen und die am Ende des bereits geschriebenen (des verlinkten) threads an mich selbst gestellten Fragen zu beantworten.

Entfremdete Arbeit – kapitalistisch, oder modern?

11. Dezember 2013
„Ich (kann) nicht frei entscheiden, was ich tue, sondern (bin) aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, Arbeiten zu verrichten, zu denen ich (jedenfalls in der Regel) keine Beziehung habe und die deshalb als „entfremdete Arbeit“ bezeichnet werden.“

Tja – da sagst du es selbst, Peter. Und dann folgen Bildung, Technik-Entwicklung, Forschung und andre klassisch-aufklärerische und liberale „Befreiungs“- und Entfesslungsthemen. Da rennst du bei allen Ausbeutern offene Türen ein, und das ist keine Heuchelei bei denen. Es ist auch nicht so, dass sie sich angesichts revolutionärer Neuerungen nun versuchen noch rechtzeitig an die Spitze dieser Bewegung zu setzen – da standen sie nämlich schon immer. Ich sage nicht, und sie sagen auch nicht: dass das alles schon längst eingelöst ist, im Gegenteil, jede OECD-Regierung sieht da mit Sicherheit ständig dringenden Reform- und Handlungsbedarf. Aber… wie ich schon sagte: …epochal neu ist das nicht.
Der Mensch als die zu befreiende Produktivkraft – man sieht, Peter, dass du da offensichtlich eben doch „einer von uns“ hier bist, denn ich glaube, so denken wir hier in diesem Forum irgendwie alle, und so votieren wir hier im Zweifel alle. Das ist eben die Gemeinsamkeit, der ich bisher – aus Verlegenheit und mangels besserem – den Namen „Komunalismus“ gegeben habe (den es, wen ich nicht irre, allerdings auch schon vorher gab, ich hab ihn jedenfalls gewiss nicht erfunden).
Und nun schau mal beispielsweise im Blog unseres Teilnehmers Neoprene in die threads Räte-Organisation, Konsensfindung im Kommunismus, Neue Bücher von GSP und Hermann Lueer, und sieh, wie dort von erklärten Kommunisten, die nichts weniger sein wollen als Staats-Sozialisten, mit Zähnen und Klauen das Prinzip verteidigt wird, dass wir auch dann, leider, leider, aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen sein werden, Arbeiten zu verrichten, zu denen wir (jedenfalls in der Regel) keine Beziehung haben und die deshalb als „entfremdete Arbeit“ bezeichnet werden.

Da ist etwas, das den Kapitalismus und seine Abschaffung überdauern würde (wenn es je dazu käme); und zwar nicht nur in der Anfangsphase. Darum ja das Zwei-Stufen-Modell des Sozialismus – da war bereits die Rede davon, den Trennstrich bilden die bekannten Springquellen des Reichtums, die dann so richtig zu sprudeln anfangen. Ein dann doch, mit Verlaub, etwas älterer Traum, der ganz offen auch schon heute in Silicon Valley geträumt wird, auch davon hatten wirs schon, Voll-Automatisierung, oder, wie ich es in meinem Blog in einer der Überschriften auszudrücken versucht habe: Naturalisierung der Technik (eine zweite, eine bessere Natur um uns herum aufbauen), Technisierung (technik-artige Kontrollierbarkeit, „Unterwerfung“) der ursprünglichen, der Restnatur – so kontrollierbar, wie sie wäre, wenn wir sie selbst gebaut hätten).
Das sind die alten Träume der Moderne, die grad dabei sind, in Alpträumen zu enden.
Und – wie man an den nicht enden wollenden Debatten bei Neoprene ablesen kann – sie stürzen die nicht-kommunalistischen Befürworter der Eigentumsfreiheit dort in ernste, um nicht zu sagen unlösbare Probleme. Es sind sich alle einig, dass sie keinen Staats-Sozialismus wollen. Aber wenn nicht die Partei und die Zentrale Planungs-Kommission – wer trifft denn dann die Entscheidungen, wer bereitet sie vor? Da sagt Mattis, der früher auch hier geschrieben hat: Alle; aber sie werden ständig Meinungsverschiedenheiten haben (er bebildert das an Beispielen zu Werte- und Zielkonflikten, Prioritätenkonflikten (Ressourcen-Aufteilung, auch Ressourcen, die verbraucht werden bei ihrer eigenen Erweiterung), unterschiedlichen Wissensständen (wo jeder auf SEINEM beharrt). Und sie werden immerzu abstimmen müssen, und brauchen dafür gültige Verfahren und Prozeduren. – Krim, der Mattis entgegentritt – naja, auch er beharrt, darauf nämlich: dass die Tatsache, dass es unaufgelöste und als unauflösbar angesehene Gegensätze in der Gesellschaft geben soll, diese Gesellschaft ZERSTÖRT. Er sagt: die Erwartung solcher Gegensätze, die man nur noch per Abstimmung entscheiden kann, besiegelt doch das Sich-Abfinden mit dieser Tatsache; also der Zerstörung. – Starke Worte. ((Ich sollte noch sagen, dass Mattis immer wieder mal, aber dazu lässt man ihn meist garnicht erst kommen, Anläufe unternimmt, in sein „Modell“ noch individuelle Sonderwünsche einzubauen, für die man dann.. individuell zum Beispiel mehr arbeiten müsste. Aber das wird schon garnicht mehr debattiert.))

((Das folgende wirft vielleicht vorab ein noch ganz andres Licht auf das, was ich hier fürs Marx-Forum angekündigt habe. Es betrifft einen speziellen Anteil der Arbeitsteilung, den man mit dem „Gegensatz von Kopf- und Handarbeit“ nicht unbedingt erfasst hat.
Ich meine: Die Fragmentierung des modern-gesellschaftlich verfügbaren WISSENS; und das epochale Defizit, dass wir keine abschliessenden rationalen Regeln seiner Verarbeitung haben.))

Alle Planungs-Konflikte, die im „Mattis“-Modell erfasst werden, sind Ausdruck dessen, dass die Beteiligten unterschiedliche Regeln benutzen zur
der Verarbeitung vorhandenen Erfahrungswissens zu (Versuchs)Handlungsentwürfen (für alle Beteiligte – was jeder jeweils tun soll).
Diese unterschiedlichen Regeln MACHEN offenbar einen oder sogar viele Unterschiede, die wichtig genug sind, dass man gegen die Andern darauf beharrt. Die Wichtigkeit dieses oder dieser Unterschiede muss an den Regeln dieser kollektiv-planend-handlungsentwerfenden Wissens- und Erfahrungsverarbeitung wiederzufinden sein – und der offenbar tiefgreifende Dissens (sonst würde man ja nicht so sehr beharren) muss dort, an den Regeln, behoben werden: Die GRÜNDE des Beharrens wären aufzusuchen. Und genau das sagen die Kritiker von Mattis: Die Behauptung, dass es einen wichtigen Unterschied macht, ob man hier (in der Regel-Anwendungssituation) SO (nach dieser…) oder ANDERS (..nach jener Regel) entscheidet, muss BEGRÜNDET, die jeweiligen Regeln gegeneinander GERECHTFERTIGT werden; und der Streit muss entscheidbar sein, oder aber der Regelunterschied muss für indifferent, gleichgültig erklärt werden – dann aber auch der Streit, der daraus hervorging.
Regeln, die uns gestatten, Konflikte zwischen auf dieselbe Anwendungssituation bezogenen epistemischen Regeln ENTWEDER zugunsten einer der konfligierenden Regeln zu entscheiden, ODER sie für irrelevant, den Unterschied für indifferent, unwichtig zu erklären, sind HÖHERE Regeln als jene, über die so entschieden wird. Das Planen und Entscheiden der Streitenden bei Mattis zeichnet sich also nicht so sehr durch eine anti-soziale Eigensinnigkeit aus – der Mangel ist vielmehr bereits einer an ihrem höchsteigenen Planen und Entscheiden selbst, noch vor Eintritt in einen Konflikt: Offenkundig liegt diesem Planen keine HÖCHSTE Regel zugrunde, jedenfalls nicht durchgehend, und an wichtigen Stellen nicht – stattdessen Willkürentscheidungen, unbegründete, die genausogut (es gibt keinen Grund dagegen) auch anders ausfallen könnten, bloss: er WILL es nun mal so, SIEHT es nun mal so, und will diese seine grundlose, bodenlose Willkür auch noch anerkannt bekommen, als hätte sie solch rationalen Charakter, dass jeder Vernünftige das einsehen muss – auch ohne Begründung. Das ist der Widerspruch, in dem sich das Planen und Entscheiden solcher Leute schon vor aller Konfrontation mit Andern (egal ob andern Ihresgleichen oder andern Andern) bewegt. Es ist die Schwäche, sich mit Offenheit und andandauernder objektiver Unkontrollierbarkeit und/oder Nichtwissen bzw. einem „Es erst herausfinden, prüfen, sicherstellen Müssen“ fertigzuwerden. Was „bürgerlichen Individuen“ vonseiten ihrer (verfahrens- und vor allem konsens-) kommunistischen Kritiker (im Gefolge etwa des GSP) vorgeworfen wird, ist dieselbe Irrationalität und Prinzipienlosigkeit, bloss bei politischen Themen, die diese „Iindividuen“ bei ALL ihrem Entscheiden und Planen (soweit man davon sprechen kann) an den Tag legen. Solche Leute können nicht etwa nur nicht im Konsens entscheiden – sie können eigentlich überhaupt nichts vernünftig entscheiden (der Nicht-KOnsens ist Ausdruck davon). Ihr Leben ebenso wie ihr Zusammenleben ist eine einzige Katastrophe. Bloss: Diese Lebens- und Denkweise ist die von beinah allen. Und solang das so ist, gibt es weder vernünftige Pläne, noch vernünftige Vergesellschaftung. Insofern hat Krim völlig recht: Eine Gesellschaft, die so funktioniert (wovon ihr unsägliches Zutrauen in die Leistunhsfähigkeit des Marktes nur ein weiteres trauriges Kapitel darstellt), kann garnicht anders als sich und ihre Leistungen permanent ruinieren. Sie stagniert auf hohem Niveau, aber je länger es so geht, desto mehr Fehler häufen sich an, und irgendwann ists auch mit dem Niveau nicht mehr so weit her.

Krim hingegen bemüht, so wie ich eben in der Rekonstruktion des Fehlenden, den BEGRIFF einer obersten Regel für alle kollektive Planvorhaben IN einer Situation (die Gesamtheit solcher Situationen machen die Gesamtheit der Regelanwendungssituationen aus – wobei immer auch gesagt werden muss, was rational NICHT MEHR zu entscheiden ist und als willkürlich, rationellerweise so oder anders sein könnend, behandelt werden muss – aber dann auch nicht mehr strittig sein kann, es ist eben egal). Krim HAT den Inhalt dieser Regel nicht, er spricht sie (oder das System solcher Regeln) jedenfalls nirgendwo an oder aus, und entfaltet eigentlich nur den Inhalt dieses Begriffs einer „obersten rationalen Regel allen Entscheidens“ als etwas, von dessen grundsätzlicher Existenz und Bestimmbarkeit (wenn man sich denn von Fall zu Fall dann im Detail drauf besinnen würde) man vernünftigerweise ausgehen müsse.

Dies unterstellt, bekam Krim (mit ihm, nebenbei, auch Neoprene, der hier im Forum teilnimmt) eine neue Debatte, diesmal mit Kim B. (ebenfalls hier), der eine „kommunalistisch“ inspirierte Schlussfolgerung vortrug, gegen die Krim sich erbittert wehrte:
Dass nämlich dann auch das Wissen, auf das man eine solche rationale Regel anwendet, EINES sein müsse – also nicht ein in unendlich viele Experten-Expertisen zersplittertes, wo jeder dieser Fachkundigen vor der Frage, was das nun für Folgen habe, kapitulieren muss: Weil alle Randbedingungen für die Antwort im Gebiet anderer Fachleute liegen. Man muss also diese GESAMTEN nötigen Randbedingungen in EINER Situationsbeschreibung zusammenbringen, die dann von allen Experten zusammen, die ja in allen andern als ihren eigenen Fächern Laien sind, maW UNS, zur Kenntnis, und dann zum Ausgangspunkt einer Anwendung der (DER!) rationalen Planregel (soweit die überhaupt einen Unterschied macht) genommen werden kann.

Anm: Die Rationalität der Regel (oder des Regelsystems, das sich aus ihr ergibt) hat vielleicht auch eine gründliche Überprüfung heutiger Experten-Kulturen auf deren Begründetheit und Objektivität hin zur Folge. Dieses Thema ist auch von Peter angeschnitten worden, ich halte es für äusserst wichtig. Denn Menschen wie Mattis und Krim trauen Experten, wie es scheint, BLIND – so wie sie ihre Beiträge verfassen. Nicht blind aber heisst: Die Planregel muss die Prinzipien der Forschung mit umfassen – Prinzipien, deren jederzeit nachprüfbare Befolgung durch Experten der jeweiligen Fächer allererst begründet, dass wir ihnen rational trauen können. Sie sind die Kriterien, wann wir zurecht vertrauen (der jeweilige Experte hat sie eingesehen und ist glaubwürdig darin, den rationalen Vorgaben für seine Forschungstätigkeit zu folgen, es gibt Überprüfung durch uninteressierte ausdrücklich NICHT-PEERS usw) – aber was für ein Aufwand!… Die Auflösung dieses Problems kommt noch, s.u. Anm Ende.

Der nächste Schluss liegt dann nahe zu sagen: Und wenn IRGENDJEMAND dies Wissen so zusammenbringen können muss, dass man ÜBERHAUPT in kontrollierbarer Weise die Regel anwenden kann – dann kann es JEDER. Und wenn er es kann – SOLLTE er es dann nicht auch tun?
Ich habe es immer so verstanden, dass es WAT war, die hier im Forum diese Position energisch vertreten hat: ALLE Beteiligte müssen die Pläne (manchmal,womöglich, SEHR SCHNELL, wenn man sich an Notlagen anpassen muss) mitvollziehen – sie sind es ja auch, die Folgen von Fehlern, und die Kosten von Entscheidungen zu tragen haben. Sie müssten es schon von daher eigentlich wollen. (Dass sie es grundsätzlich könnten, dafür ist nach den voraufgehenden Argumenten gesorgt, sofern die Planung nur überhaupt rational stattfindet.)
Der Einwand kommt dann: Aber die Produzenten unter ihnen, also die meisten, müssen doch produzieren (ua Expertenwissen)! Da können sie doch nicht noch planen! Und… warum sollten sie denn den Planern, spätestens wenn es so eine tolle rationale Planregel gibt (oder gäbe, wie hier unterstellt) misstrauen? Der Einwand gegen Wat (wenn ich sie richtig wiedergebe), selbst noch von weniger radikalen „Kommunalisten“, geht dann so weiter: Man kann doch nicht die Produktion nach dem Fassungsvermögen von Leuten einrichten, die hauptsächlich mit Produktion beschäftigt sind! Man muss es nun mal hinnehmen, dass Planen – wenn nur die Prinzipien feststehen, und stichprobenartige Kontrollen und ansonsten jederzeitige Überprüfung der Planung möglich ist – eine arbeitsteilig betriebene Experten-Tätigkeit ist, neben all den andern, die prinzipiell wohl auch jeder ausüben könnte, bloss dass es darum ja nicht jeder TUT.
Also sie könnten, aber können letztlich nicht, neben ihrer Arbeit; und sie haben letztlich keinen Grund, es zu wollen.
De Antwort geht wieder in eine überraschend andre Richtung.
Wenn die Produktion ökologisch sein soll, erwächst ALLES planungs-relevante Expertenwissen aus der Kenntnis der systemartigen Verknüpfung der Naturvorgänge in der näheren und weiteren Umgebung der Produzenten. Ökologische Produktion KANN garnicht anders entworfen und forschend erweitert werden, als so, dass zumindest in einer bestimmten Umgebung ALLE Produzenten ALLE Natur-Parameter, mit denen sie arbeiten und auf die sie einwirken, kennen, und ihrem weiteren Vorgehen zugrundelegen. Das Wissens-System im Kopf JEDES Beteiligten muss quasi ein Abbild des Natur-Systems sein, an und in dem er sich reproduziert. Auch wenn sein Wissen im Detail nicht ausschliesslich von ihm selbst ERarbeitet ist, so doch dasjenige, MIT dem er ARBEITET.
Die letzte Pointe dieses Gedankengangs führe ich hier nicht mehr aus.
Sie lautet nämlich: Sie müssen nicht nur so produzieren – vielmehr: Wenn sie auf ihre Bedürfnisse achten, werden sie es auch WOLLEN. So sage ich.
Ich hoffe, dass ich auf diese Themen in demnächst zu schreibenden Beiträgen hier im Forum zurückkommen kann.

Probleme mit/bei dem tendenziellen Fall der Profitrate
12. Januar 2014
Ich möchte nochmal dran erinnern: Die nominalen absoluten (zB BIP) wie relativen Werte (zB Wachstumsraten) sagen nicht sehr viel aus über die Produktivität und den Reichtum einer Ökonomie. Es ist halt der Wunsch aller Beteiligter (bis hin zu marxistischen Kritikern), in dem Markt-Tohuwabohu wenigstens etwas die Übersicht zu behalten und sich auf was einstellen zu können.
Ich möchte des weiteren daran erinnern: Dass der „tendenzielle Fall“ der in Marx‘ eigener theoretischer Entwicklung wahrscheinlich letzte heisse Kandidat für eine „Zusammenbruchstendenz“ war, und ganz offensichtlich von den Verteidigern des „Gesetzes“ für solche „Verschärfungs“-Prognosen (in aller Vorsicht) herangezogen wird.
Dabei ergibt sich etwas Seltsames. Während nämlich das „historisch-materialistische“ Rahmenprogramm für die Kapitalismus-Analyse (sagen wir: die Arbeitshypothese, mit der Marx an seine Detail-Untersuchungen heranging) eine epochale „Krisenhaftigkeit“ dieses Produktionsverhältnisse gegen sein Ende hin vorhersah, die aus seiner Beziehung zu irgendetwas an und in den PRODUKTIVKRÄFTEN hervorgehen würde (es würde zunehmend zur Schranke ihrer Entwicklung), hat der Mechanismus, der im Fall der Profitrate unterstellt ist, etwas eigentümlich SELBST-Bezügliches: GERADE DADURCH DASS die Produktivkräfte (durch die immer gleichbleibend harte Konkurrenz der Kapitalisten) wie verrückt entwickelt werden (statt gehemmt), soll sich der Kapitalismus als Schranke erweisen – aber für wen? Die Produktivkräfte? Nein – für sich selbst! Die Profitmacherei limitiert sich selbst, geht nicht mehr, gerade weil sie erfolgreich war. Das ist zwar auch ein Krisenszenario, ein „strukturelles“, genauer gesagt – aber es ist nicht dieses aus der „Dialektik“ oder profaner, Wechselwirkung zwischen Produktivkraft-Entwicklung und ökonomischer Form (Produktionsverhältnis) hervorgehende, wie es eingangs als allgemeines historisches Muster von Marx postuliert wurde.
Im KapitalII-Manuskript übrigens verzichtet Marx auf den in all solchen Fällen davor von ihm investierten Zusammenbruchs-Optimismus, und notiert nüchtern die dem Gesetz entgegenwirkenden Momente. Mag sein, dass das Gesetz sich durchsetzt – und wenn? Dem Kapitalismus macht das – nichts.
Hingegen…
…GIBT es einen höchst wirksamen Aufbau von Zwang zu genau jener Produktivitäts-Steigerung mit immer aufwendigeren technischen Hilfsmitteln – Arbeits-, Energie- und Material-Produktivität: Weil das abstrakte (Kapital) „Wachstum“ in der Tat an externe Grenzen aller Art stösst. Solche, die anfangs nicht bestanden – solche, die anfangs nicht gesehen wurden, aber bestanden und hätten berücksichtigt werden sollen – solche, die sich langsam einstellen. Alles wird immer knapper, immer teurer – und alleine Preise zu HALTEN erfordert angesichts dessen bemerkenswerte technologische Anstrengungen (und Investitionen: c insgesamt steigt, bei gleichem Mehrprodukt). Wenn sich dann trotzdem ehemalige Luxusgüter in wenigen Jahren zu Alltagsgegenständen entwickeln… (aber um welchen Preis in Termen des Natur- und Menschenlebensverbrauchs weltweit, der in den berechneten Kosten nicht auftaucht: er wäre UNBEZAHLBAR) – dann mag das BIP doch sinken wohin es will, und die Profitrate negativ werden: Das wäre dann immer bloss nominal, real entspärche dem wachsender Reichtum. – Jeder weiss, dass neben diese Bewegung eine genau gegenläufige tritt: Die (dabei) unkalkulierten externen Folgekosten, die auf die kapitalistischen Industriegesellschaften zurollen, werden nur in Bruchteilen (etwa als Versicherungs-Schadensfälle) in den „volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen“ verbucht. DA hat man eine Schranke (aber sie wird in den ökonomischen Kennziffern nicht ohne weiteres sichtbar; sowenig wie die noch immer erzielten (Abwehr)Erfolge…).
Man hat noch andre Schranken.
Auch mit Gesellschaften zB kann man nicht über Generationen weg ALLES anstellen, ohne Folgen…
Die Antwort ist, wenn es sehr gut und überhaupt weitergeht, irgendwann.. ein neues Produktionsverhältnis, das den sich abzeichnenden Anforderungen der Produktivkräfte (für ihre weitere gedeihliche Entwicklung; in dem Fall: ökologisch, natur- und bedürfnisgemässes Produzieren) gerecht wird. Im schlechteren Fall… Zerrüttung.

….

Die oben von mir vermerkte Eigenart der „Fall-Tendenz“, dem Marxschen allgemeinen Muster historischer Übergänge eben NICHT zu entsprechen, hätte, im Fall der so wie ehedem geplanten „Übernahme“ des technologisch so ungeheuer produktiven gesellschaftlichen Produktionsmittelapparats durch die Produzenten selbst eine weitere fatale Konsequenz, auf die ich kurz noch aufmerksam machen möchte: Auch wenn die unmittelbare Lebensmittelproduktion und die DAFÜR nötige Arbeit v – eben wegen der Produktivität im industriellen Agrar- und weiterverarbeitenden Sektor der Lebensmittelproduktion („Leben“ müsste hier in vielfacher Hinsicht in Anführungszeichen stehen) – extrem gering geworden ist, also die wirklich für Reproduktion (naja, auf dem gegenwärtigen Niveau) der faktischen Produzenten notwendige Arbeit ziemlich kurz – Mehrarbeit darüberhinaus wird nur noch im Mass geleistet, wie es beschlossen wird -, ist die aufzuwendende GESAMT-Arbeit in diesem modern-industriellen Kontext nicht so schnell reduziert; denn der c-Anteil dieser Gesamtarbeit für (allein nur) die Reproduktion der Produktionsmittel, die die unmittelbare Lebensmittelproduktion so produktiv machen, muss ständig mitgeleistet werden. Wie man den GESAMT-Arbeitsaufwand reduziert, ist dann weniger klar (womöglich durch: erstmal immer weiter malochen, um immer mehr Automatisierung zu erzielen? eine sich selbst erzeugende und reproduzierende Technik? eine – zweite Natur also?); zumal unter den Bedingungen, die allein die AUFRECHTERHALTUNG und Verteidigung des gegebnen Reproduktionsniveaus unter Bedingungen seiner schon bei blossem Weiterbetrieb in der üblichen nicht-nachhaltigen Weise sich erschöpfenden natürlichen Grundlagen immer unwahrscheinlicher machen….
Soviel nochmal zum Thema: Übernahme der von Kapitalismus so toll gesteigerten Produktivkraft.

PS: Robert Schlosser, früher im Forum äusserst aktiv, hat auf die Notwendigkeit von METALLEN für alle moderne Technologie hingewiesen. Seinen Annahmen, dass die Zufälligkeit von Lagerstätten weiträumige Verbindungen in der Produktions-Organisation erzwingt, wäre entgegenzuhalten, dass in Zukunft RECYCLING ALLER ROHSTOFFE und Nachhaltigkeit aller Energieaufwände vitales Interesse einer lebensfähigen (nach)modern-ökologischen Technologie darstellen. Dezentrale Strategien passen dazu aber erheblich besser (schon wegen der vermiedenen Transport- und Infrastrukturaufwände)

@ Wal: Es geht hier, wie du richtig sagst, um THEOREME, also Behauptungen über NOTWENDIGE zumindest extrem wahrscheinliche und kaum vermeidbare Entwicklungen. Und zwar nicht um harmlose, sondern solche, die zum Kernbestand einer Kapitalismuskritik gehören: Ist Kapitalismus durch sich selbst INSTABIL, „kann auf Dauer nicht funktionieren“? Ein extrem wichtiger Satz, wenn er denn stichhaltig ist. So wie auch die Frage (die, nebenbei, ich ganz am Rand oben angeschnitten habe: Ob eine eigentumsfreie Produzentenassoziation, die auf denselben, nämlich industriell-technologischen Grundlagen weitermachen will, um eine vergleichbare Zerstörungstendenz herumkommt?)
Aber… was dir, nunja, nicht entgangen ist, weil es nicht dastand, aber mitgedacht war von früheren meiner Beiträge hier: Der Verweis auf „Bedürfnis“ und „Ökologie“ ist in Wahrheit einer auf ein „Theorem“ mit ähnlichem Anspruch auf „vernichtende“ Kapitalismuskritik, wie (vielleicht) beim Profitratenfall, aber mit mehr Bezug zur Eigentumsfreiheit. Es besagt nämlich: Eine auf unabhängig von einander betriebenen privaten Warenproduktionen (Betrieben, auch Kollektiven) beruhende Produktionsweise, die zugleich auf „modern“-industriell arbeitsteiligen Grundlagen, gesellschafts- und weltweit operiert, KANN ökologischen Anforderungen nicht gerechtwerden und besteht derzeit nur darum weiter, weil und sofern diese Anforderungen (noch) nicht wirklich ernstgenommen werden bzw. sich in ihrer mörderischen Dringlichkeit bereits bemerkbar gemacht haben. Bedürfnisgerecht ist sie allemal nicht. Wäre sie es, wäre sie auch ökologisch. Soweit das „Theorem“, ungefähr zumindest. Ganz nebenbei (darum erwähne ich das immer wieder) WÄRE das so Behauptete eine Weise, der Marxschen allgemeinen Arbeitshypothese über die Wechselverhältnisse von Produktionsverhältnis und Stand der Produktivkräfte zu entsprechen. Man darf halt unter Produktivkräften nicht immer nur die verwendete Technologie verstehen (im Sinn von: Prinzipiell ALLES können, und das mit minimalem Aufwand). Aber das durfte man vielleicht für die vergangenen Epochen auch nicht…

Neoprene: (ursprünglich vor dem Beitrag für Wal Geschriebenes ist völlig unerklärlich im Orkus verschwunden (hatte da ein „at“ vor „Neoprene“ stehen, obs daran lag?)… die neue Software hat ihre Tücken)
Nicht alles auf einmal, der thread handelt von Profitrate und allenfalls am Rand noch von (Selbst)Zerstörung und „Zerrüttung“ (durch Verbrauch historisch nicht beliebig reproduzierbarer „Humanressourcen“). Meine Beiträge zu diesem Gegenstand stehen aus. (Wenn du unbedingt möchtest, schau auf meiner Seite nach ua im Abschnitt „Individualität, gender/Identität(sdrift)“. Aber dort ist es noch unausgeführt.)
zu den Metallen: Also bitte, nicht schon wieder unterstellen, die KLEINSTE Einheit will ALLES herstellen – auch Recycling mag („horizontal“) arbeitsteilig gehen, aber bei Robert seinerzeit gings um die Notwendigkeit, weiträumig Zugang zu Lagerstätten zu haben/behalten.. Ich erinnere mich in dem Zusammenhang an eine vor einiger im Wirtschaftsteil der SZ veröffentlichte Umfrage unter ca. 300 bedeutenden bundesdeutschen (Export)Unternehmen, wie sie sich auf Verknappung strategsicher Rohstoffe einstellten… Die Antwort war: NICHT EINES hatte irgendetwas unternommen, begonnen… obwohl das Problem als solches „bekannt“ war… (Dabei hab ich auch gelernt, dass derzeit Kupfer zu 70% einfach verlorengeht… und da gehts wohl demnächst ohne Wiedergewinnung mit der Förderung zuende…)

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Wozu ist Polemik gut?
14.Januar 2014
„Wenn die politischen Auffassungen soweit auseinander liegen, daß ein „Konsens“ nicht möglich ist, was soll man denn dann anders machen als zu polemisieren?“ (Neoprene)

Was für „Auffassungen“ sind es denn, die sich da gegenübertreten? Es bleibt eigenartig, in welchem Ausmass sich die Träger der linksradikalen „Auffassungen“ nicht für die der andern interessieren – Art und Verlauf des Dissenses festgestellt zu haben, genügt meist. Das „Warum sagen die das, wie kommen sie drauf, wovon nimmt das seinen Ausgang usw?“ können die meisten ja schon für sich selber kaum beantworten: Am Anfang steht nun mal ein Glaubenssatz, der entweder unmittelbar einleuchtet – oder garnicht. Wie soll man ihn noch vermitteln? Wohin käme man, wenn über SOLCHE Sätze auch noch zu debattieren wäre? Ins Uferlose; jedenfalls nie zur Praxis, zur Abhilfe, und da will man doch hin, so schnell wie möglich. Gegen solche Haltungen ist freilich kein Kraut gewachsen, jedenfalls nicht die Forderung nach „Respekt“, formell korrektem Benehmen. (Das rhetorisch militante Getöse in Beiträgen kann man überhören und überlesen, wenn man will – es ist nicht wirklich das Problem.)
Die Nerven liegen doch aus einem ganz anderen Grund immer wieder blank (und der übermässig Genervte und Gereizte sucht sich zuletzt den Anlass, wo er will): Weil die Erwartung, mit dem so schlagend einsichtigen Material Anklang zu finden, trügt; und man sich DA keinen Rat mehr weiss, die Nichtzustimmung nicht nur der ausgemachten Feinde, die jenseits von Gut und Böse sind, sondern der Gutwilligen, Neutralen da draussen sich nicht mehr erklären kann. Auch ihnen gegenüber gilt ja die Frage: Wie dann noch vermitteln? Es ist doch längst alles gesagt, wer hören wollte, konnte hören; und jetzt?
Man kann die Schleife wieder und wieder durchfahren, als gäbe es keine Zeit, und keine misslungenen Versuche.
Man kann auch heraustreten, irgendwann, und mit dem anfangen, was man sich die ganze Zeit glaubte ersparen zu können, nämlich zu fragen: Wie denken eigentlich die Andern? Was überzeugt SIE so sehr wie meines mich? Warum mich dieses, und die jenes? Aber die Antwort darf dann nicht lauten: Sie WOLLEN eben nicht sehen, dass…
Denn da beginnt nur die nächste Schleife.
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Mir persönlich geht es eigentlich noch viel schlimmer.
Denn nicht nur steht mir immer höchst bedrohlich vor Augen, dass meine Ablehnung der Andern (das Ausmass dieser Ablehnung) ja auf Gegenseitigkeit beruht.
Viel schlimmer (erst recht auf diesem Hintergrund): Die Andern, so gut wie alle, erscheinen mir wie Irre (oder wie die Nashörner, in Ionescus Stück).
Wie kann man religiös sein? Wie an den Markt glauben, wie an „Frauen“ und „Männer“? Woher dies gottselige Zutrauen in Autoritäten aller Art, wo spätestens das zweite genauere Hinsehen lehrt, dass da was nicht stimmt – nicht so, nicht auf Anhieb (warum geht das bei Andern immer genau andersrum)?
Zum Ausmass des Irrwitzes der andern gehört dann auch noch seine Ausbreitung: Wozu nicht alles glauben sie Stellung nehmen zu können, wozu allem haben sich diese Verrückt-Nachlässigen und Sorglosen nicht schon längst ein Urteil gebildet? Wer soll das alles widerlegen, wer die korrekten Versionen finden und erfinden, die Bestand haben?
„Der Schlaf der Vernunft erzeugt Ungeheuer“ – aber die rastlose, immerwache, dauer-schlaflose auch.
Die Abhilfe liegt nicht so nah. Und damit muss man leben lernen.

AB HIER.
Arbeitswerttheorie: gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit (abstrakte Arbeit)

((19. Januar 2014 David:
Entschuldigt bitte, wenn ich euch mit Grundlagenstoff belästige.

Bei der Frage, inwiefern die konkret verausgabte Arbeitszeit eines Warenproduzenten als gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit gelten kann, kam mir folgendes (dämliches) Gedankenspiel in den Kopf:

Angenommen, ein Kapitalist gründet ein Unternehmen, das sich darauf spezialisiert, Sandkörner, aus einer vorher gekauften Menge Sand, einzeln (!) mit Pinzetten in Flaschen abzufüllen. Der Arbeitsaufwand, bzw. die konkret verausgabte Arbeitszeit der beschäftigten Arbeitskräfte, um eine mit Sand gefüllte Flasche zu produzieren, ist extrem hoch. Da aber die konkret verausgabte Arbeitszeit, nur hinsichtlich durchschnittlicher Produktivität, durchschnittlicher Qualifikation und vorhandenem zahlungsfähigen Bedarf, als gesellschaftlich durchschnittlich notwendig angesehen werden kann, müsste man doch sagen, dass 0% der konkret verausgabten Arbeitszeit der lohnabhängigen Sandkornabfüller als gesellschaftlich durchschnittlich notwendig und damit als wertbildend gelten kann, bzw. die mit Sand gefüllten Flaschen wertlos sind, da es keinerlei gesellschaftlichen Bedarf an mit Sand gefüllten Flaschen gibt, egal wieviel 18-Stunden-Arbeitstage abgeleistet wurden. Die in das Produkt eingegangenen Anteile des konstanten Kapitals (Flaschen, Sand, Pinzetten) müssten sich damit doch eigentlich auch entwertet haben, da sich das Produkt wahrscheinlich noch nicht mal zum Wert der Flaschen, Pinzetten und des Sands verkaufen lassen wird.

Stimmt die Überlegung so in etwa?))

19. Januar 2014
In der Tat, es ist halt kein Bedarf nach Sandfläschchen unterstellt (das könnte sich ändern).. und, wenn man das im vorhinein weiss, wäre es in der Tat dämlich, so etwas zu machen – und darüber länger nachzudenken.
Nun weiss man nicht so genau, wonach Bedarf besteht, wieviel Bedarf, zu welchem Preis wieviel Bedarf (oder Kaufbereitschaft…). Schon weniger dämlich.
Aber zu einem ganz heissen Thema wird deine Überlegung, wenn es sich um Mehr-Wert handelt. Da stimmt nämlich auf einmal so gut wie nichts mehr von dem, was man sonst von den bekannten Durchschnitts-Bedingungen und -Notwendigkeiten weiss. (Ich erwähne das mal: Das Mehrprodukt der je speziellen warenproduzierenden Arbeit verkörpert sich schliesslich auch in einem Mehrprodukt der betreffenden Warensorte… Reproduktionsnotwendige Kontingente einer Warensorte dürften halbwegs sicheren Absatz haben… aber das Mehrprodukt…? Hat höchst unsichere Schicksale, gerade auch unter „Wachstums-Bedingungen“).
Eine kleine, aber einigen nicht ganz seltenen Verwirrungen zum Thema „Mehrwertrealisieruung“ vorbeugende Begriffsfieselei hat ein früher hier sehr stark vertretner Autor, Robert Schlosser, in diesem Text unternommen. Allerdings… ist das vielleicht bloss die Spitze des Eisbergs, was diese Zentralkategorie des Marxschen Werks betrifft…

Nein, da hab ich dich jetzt ein bisschen verwirrt: Wenn solches Zeug gekauft würde, würde (zumindest nach Marx) auch m mitbezahlt. (ich wollte angedeutet haben, dass die Definition von m als MehrWERT unter Umständen problematisch sein könnte). Wenn nicht, ist – zumindest ökonomisch – sowohl c als auch v+m buchstäblich in den Sand gesetzt. Ich wollt oben auch noch erinnert haben an das, was jeder weiss: Dass derartiges ja nicht nur aus Dämlichkeit passiert, sondern die privaten Produzenten in Marktwirtschaften sogut wie nichts über die Produktflüsse wissen, in die sie da eingeschaltet sind.
Hinterher… ja hinterher, da informiert sie der ausbleibende Absatz so wunderbar darüber, dass.. man irgendwas hätte vorher besser wissen sollen. Aus ihrem Misserfolg können sie selbst (falls sie noch Geld üübrig haben zum Einsatz in dieser Lotterie) sowenig lernen wie andre: Grad im Moment könnten sich die Marktverhältnisse geändert, der „Schweinezyklus“ in die Aufwärtsbewegung gedreht haben – den vorsichtig gewordenen entgeht schon wieder ein Geschäft. Aus den Winken und Hinweisen, die der Markt einem gibt, wird man sowenig schlau wie aus denen irgendeines andern Orakels. Aber was für ein wunderbares Allokationsinstrment er doch ist.
(Nebenbei, hast du eigentlich die Stelle verstanden, wo es heisst: Sieht man von ihren Gebrauchswerten ab, bleibt den (miteinander im Tausch „verglichenen“) Waren nur die Eigenschaft, Arbeitsprodukte zu sein. Geht in ihre Produktion nicht so gut wie immer alles mögliche ein? Hat dir das mit der Arbeit trotzdem eingeleuchtet? Mir nämlich nicht…)

Ok.. also wenn es dich nicht stört, hier gleich von Anfang an in eine Grundsatzdebatte verwickelt zu werden, will ich versuchen, dir die Gründe meines Zweifels an der Arbeitswerttheorie offenzulegen.
Es beginnt mit dem Ausdruck „Tausch“.
Da sagen nun manche, das sei historisch gemeint, so wars mal, so ists aber nicht mehr, das Geld soll abgeleitet werden aus historischen Verhältnissen, dann ist es da, dann kann man weitersehen. Das wäre aber schlecht; denn Marx will ja die modernen, zeitgenössisch-kapitalistischen Verhältnisse erklären, und redet keineswegs in der Vergangenheitsform (im Sinn von: „so WAR das mal, heute ist es aber SO“). Also muss man und darf man annehmen, dass die Rede vom Tausch der Produkte sich auf die Gegenwart bezieht; etwa als Antwort auf die Frage: Da mag ja Geld fliessen… aber was ist es, das das Geld eigentlich VERMITTELT? Hat jemand Geld in der Hand, kann er es ja nicht essen oder damit etwas produzieren, er muss sich erst was kaufen. Wie kommt er an Geld, wenn ers nicht klaut? Indem er was verkauft. Etwas später bietet Marx für diesen, wenn man so will, Tausch eine Kurzform an: W-G-W‘, ein Warenanbieter verkauft sein W, nimmt Geld ein, und kauft sich dafür andre Waren. Wichtig ist dabei: Das macht er nicht einmal, sondern regelmässig – er muss den Vorgang also wiederholen können. Den Sonderfall, dass einer ein Riesen-Warenlager (Lager nicht verderblicher Waren, muss man ja sagen) besitzt, das er langsam abverkauft (wie manche Rohstoff-Quellen-Besitzer), und sich dafür Lebensmittel besorgt, klammere ich mal aus.
Wie und warum kann er den Vorgang regelmässig wiederholen? Weil W‘ die Mittel enthält, mit denen er W herstellt (eigentlich: wieder herstellt, RE-PRODUZIERT). Er verwandelt oder lässt (sich) verwandeln den Mittelvorrat W‘ in W.
Auch ein Tausch, zumindest ein Wechsel, eine Verwandlung, „Metamorphose“; freilich kein Eigentmswechsel, es passiert alles in der privaten Sphäre des Warenproduzenten. Ganz nebenbei: Er darf natürlich als Betreiber des Ganzen nicht verschwinden, muss also auch SICH reproduzieren.
Mit der Bedingung: regelmässig oder überhaupt wiederholbar, ist durchaus eine Relation definiert zwischen W‘ und W – es muss GENUG von allen für diese (Re)Produktion benötigten (Re)Produktionsingredienzien dasein, damit am Ende derselbe Haufen W wieder daliegt wie zu Beginn, als der Warenbesitzer damit zum Markt ging.
Eine INTERNE, eine technisch vermittelte Relation. Reicht das fürs Wiederholen?
Nein – eigentlich nicht. Denn… es gibt auch noch eine EXTERNE Relation. Auf den ersten Blick stellt sie sich dar als die üblicherweise als Tausch-Relation bezeichnete: W hingeben, mit dem Geld genügend, mindestens genauso viel W‘ erwerben, um damit W wieder herstellen zu können. Mit andern Worten: Diese externe, „eigentliche“ Tauschrelation muss die interne widerspiegeln, damit der Vorgang wiederholt werden kann. Falls mit jedem „externen“ Tauschakt sich die Produktionsingredienzien vermindern, ist der Warenproduzent bald die längste Zeit ein solcher gewesen.
Aber… das ist noch lang nicht alles. Sehr zurecht weist Marx in SEINER Darstellung drauf hin, dass diese externen Relationen etwas „gültiges“, nicht-beliebiges enthalten, ausdrücken, anzeigen. Die interne Relation ist ja vorgegeben durch technische, oder auch physische Relationen (dass Arbeitende (vielleicht der Warenproduzent selbst, sofern auch er SICH durch seine Arbeit reproduziert) soweit versorgt sein müssen, dass sie regelmässig weiter ihre Arbeitsleistung erbringen können usw). Die externe aber auch! Das W, das der Warenproduzent weggibt, was immer es ist, fliesst anderen solchen wie ihm (in einer Gesellschaft, deren gesamte Reproduktion im wesentlichen hoch-arbeitsteilig und vermittelt über die externen Tausch-Vorgänge am Markt stattfindet – einer kapitalistischen also) anderen Warenproduzenten (die davon etwas kaufen) zu – als DEREN W‘. Im nächsten Moment ist es nicht nur aufgeteilt, sondern in zahllosen Verwendungen, die davon gemacht wurden, VERWANDELT – in Produkte, zu deren (Re)Produktion es diente. Es sind vielleiciht wenige Produktsorten, vielleicht viele – ganz egal – das Produkt W fliesst, in verwandelter Form, und mit den Produkten, in die es einging, in weitere eingehend, immer weiter durch die verschlungene gesellschaftliche Gesamt-(Re)Produktion. Es fliesst… verwandelt… schliesslich „sich selbst“ wieder zu: Irgendwo weit hinten im Entstehungsprozess der diversen Waren W’1…W’n, die dem ursprünglichen Warenproduzenten von W regelmässig als Produktionsingredienzien zufliessen müssen, sind Portionen von W in irgendetwas eingeflossen, das in immer weiter verwandelter Form… schliesslich zur Produktion von W’1-n beigetragen hat. Auch die externe Relation also hat, freilich unübersehbar viele, technische und physische Anforderungen zu erfüllen, damit der Kreis der Verwandlungen von Produkten sich schliesst – und der Fluss auch tatsächlich fliessen kann.
Eine erste Kritik an Marx‘ Darstellung ist da von meiner Seite aus fällig: Stühle und Leinwand und Stiefelwichse und Lokomotiven und Haus und Kraut und Rüben mögen zwar alle einen Preisausdruck haben und insofern vergleichbar sein; und.. jeder Geldbesitzer kann in der Tat erstmal scheinbar „alles mögliche“ kaufen, auf den Reichtum der Gesellschaft „zugreifen“. Die Frage, wenn es sich nicht grad um Onkel Dagobert handelt (und selbst dann!), was der sich anhäufende Kram in seiner Hand soll. Stuhl- und Leinwandproduzenten können nicht beliebiges einkaufen, und sie verkaufen auch nicht an beliebige andre Warenbesitzer; eben weil das ganze ein gesellschaftlicher Reproduktionszusammenhang sein soll, der auf Dauer (ein)gestellt ist, potentielle Wiederholbarkeit erfordfert wird, „Güterflüsse“ sich sinnvoll schliessen müssen (selbst wenn bei permanentem Wachstum und Innovation immer wieder neue solche Flüsse (an)gebahnt werden… auch dann nicht zwischen beliebigen Stationen) – eben darum tauscht sich faktisch nicht alles mit allem.
An dieser Stelle unterbrech ich mal, damit es nicht zu lang und unübersichtlich wird.
Aber.. die Frage zur Arbeit kann man ja angesichts meiner Überlegung nochmal stellen: Wieso soll da bloss Arbeit zirkulieren (oder in den Produkten stecken) – und nicht alles mögliche andre auch – Produktionsmittel? Wichtig ist der Gedanke: Dass da ein Kreislauf ist; wichtig ist (von Entnahmen, Überschüssen mal abgesehen), dass er (Kreis halt) geschlossen ist. Dies für den Fall, dass eine mögliche Antwort zugunsten von Marx Gebrauch macht von der Vorstellung „… aber die Produktionsmittel lösen sich doch wieder in Arbeit (und am Ende Naturprodukte) auf“.
Während etwa der Hälfte der Lebenszeit von Marx hat das in gewissem Umfang sogar noch gegolten – selbst Maschinen wurden anfangs noch in Handarbeit hergestellt (allerdings mit Werkzeugen, die ihrerseits mit Handarbeit… und Werkzeugen hergestellt worden waren). Aber.. zu Marx Lebzeiten hat sich da was verändert, was die Grundlagen selbst dieser (eher irreführenden) Anschauung von der Arbeit, die „irgendwann am Anfang“ auf Natur losgeht und ab dann, Schritt für Schritt, jedes Produkt erzeugt, erschüttert. Ich habe versucht, das mal etwas genauer zu beleuchten in einem Blogbeitrag. Da gibts die Stufe „Schwerindustrie“ (die „sich selbst“ benötigt…) – Spätestens ab da wurde es für die Nichtbesitzer von Grund und Boden sowie Produktionsmitteln allmählich schwierig, wenn sie weiter am Markt etwas anbieten und als WarenPRODUZENTEN auftreten wollten… (Nachdem sie bereits auf den Markt als Mittel ihrer Reproduktion verwiesen waren – ohne Subsistenzmittel, denn von ihrem Land (angeblich wars da nicht mehr ihres) waren sie ja in England zB durch die „enclosures“ ausgeschlossen worden). Aber dazu kann ich vielleicht später mehr sagen…)

Nochmal zurück bitte, David: Die längerfristig gültigen Tausch-Verhältnisse (sofern es solche gibt; in den längeren Fristen, in denen man sie betrachtet, können um einen Mittelwert oder eine Mittel-Zone schwanken) drücken etwas irgendwie „Vergleichbares“ aus. Wieso DAS denn? Es wird – mit den Modifikationen, mit denen ichs dargestellt habe – „getauscht“. Aber „verglichen“? Schon darüber wundere ich mich…
Aber dann… heisst es: Die Natureigenschaften der beteiligten Warensorten (die diese Waren je geeignet sein lassen, überhaupt irgendeinen konsumtiven oder produktiven Bedarf zu stillen), müssen bei jedem Austausch VERSCHIEDENE sein. Klar: wenn man das gleiche eintauscht, könnt man gleich bei seinem ursprünglichen Gut bleiben. Ok.
Plötzlich ist der Marx aber dann bei EINER Eigenschaft, die… vielleicht nein ganz gewiss keine „natürliche“ ist (daran hätte man bei den Gebrauchs-Eigenschaften auch schon ein bisschen zweifeln können).. aber darum auch nicht ganz unphysisch, eine reine „Geltungssache“ (als so eine kommt eher diese in Betracht: dass es sich um „Eigentum“ des jeweiligen Warenanbieters handelt): Sie sind das Produkt-von-etwas.
Und da sagt Marx: Sie sind das Produkt von Arbeit,. Das kommt unvermittelt. An der Stelle frag ich mich als Leser: Sind sie nicht auch noch das Produkt von anderem – ja allem möglichen?
((Kommt da das eben erwähnte Gesellschaftliche nicht auch so herein, dass eben andre von der Verfügung über dies „alles mögliche“ ausschliessen zu können, die das aber brauchen, es begründet, dass man am Markt was anzubieten hat – das man eben nur weggibt, wenn man dafür was kriegt. Und zwar genug, um… zu überleben und weiterzumachen.))
((Übrigens hat es weng Sinn, andre bloss immer auszuschliessen, da kann amn mit seinem Warenvorrat auch verhungern. Man selbst braucht auch was, um weiterzumachen, um Warenproduzent und Eigentümer-von-etwas zu bleiben.))

Jetzt nochmal: Warum wird behauptet, die verschiedenen Gebrauchswerte seien bloss Produkt von Arbeit, und nicht von Maschinen, Energie, Rohstoffen, Verfahren (also auch Wissen).. abstrakt gesprochen. (Die Arbeiten sind ja auch konkret, und sollen dann abstrakt werden… naja das könnte man mit den genannten Produktionsfaktor-Sorten auch machen.. oder das umgekehrte, sie nämlich in hunderttausend Einzel-Güter zerlegen, die alle, direkt odetr indirekt, in die Produktion aller andern eingehen; so wie die konkreten Arbeiten (besonderen Verausgabungen von (uU qualifizierter, oder auch angelernter) Arbeitskraft) direkt oder indirekt eingehen…

Warum werden die andern „Produktionsingredienzien“ an der Stelle nicht für erwähnenswert gehalten?

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Wie gesagt, ist es mir fast peinlich, dich als Neu-Teilnehmer gleich so zu beharken. Auf keinen Fall soll dir hier die Pistole auf die Brust gesetzt werden: Jetzt antworte! Es hat einfach den Charakter einer offenen Frage, die mich (seit langem schon) umtreibt, und die ich bei Gelegenheit deines Beitrags nochmal rausgeholt habe. Ich werfe diese Frage eher, auch für mich, auf, und stelle sie dir nicht wirklich persönlich. Du musst dich also keineswegs verpflichtet fühlen zu antworten. Aber natürlich freu ich mich, wenn dir (oder jemand anderm) was einfällt, das mir weiterhilft.

David schrieb:
Es muss also etwas qualitativ Gleiches in den getauschten Gebrauchswerten stecken, an Hand dessen sie sich wechselseitig aufeinander beziehen können

Das ist aber ein sehr weitreichender Schluss. Denn… die Tauschrelationen sind, so sagst du, an sich rein aus gesellschaftlicher Konvention („Willkür“) gebildet, und müssen ansonsten nur einer formellen, aber sehr leicht einzuhaltenden Bedingung genügen: Sie müssen symmetrisch und transitiv sein (das war das Beispiel mit: nichts gewinnen durch unterschiedliche Tauschreihenfolgen). Ansonsten können sie also beliebig sein. Ein lustiges Spiel spielen wir – tauschen 1 Ei gegen 2 Autos. Das ist halt so, rein konventionell… Das wär lustig, bei so einer konventionellen Relation würde kein Autobesitzer mehr Eier essen. Würden die Eier- oder noch besser, Hühnerbesitzer in Autos schwimmen? (Naja, nicht wenn kein Autobesitzer mehr Eier will… weil er sonst sein Auto verliert. Und ihm das Ei das dann doch nicht wert ist..) Ok.. das alles kann so nicht funktionieren, oder? Mein Beispiel mit Ei und Auto ist garnicht das von Produzenten, sondern von schlichten Eigentümern, die sich angesichts („willkürlich“) festliegender Tauschrelationen dafür entscheiden können, den Tausch zu vollziehen (weggeben, dafür kriegen), oder nicht. Das sind keine Warenproduzenten. Wenn sie getauscht haben, sind sie auf einmal Besitzer von was ganz andrem! Wie sie da nochmal an ihr ursprüngliches Gut kommen, um den Tausch zu wiederholen, ist schleierhaft. Es sei denn…sie tauschen es zurück! Den Warenproduzenten hingegen gelingt das Kunststück: Sie tauschen sich was ein… und statt das Weggegebene zurückzutauschen, produzieren sie es einfach! Und schon können sies wieder weggeben. Usw. Aber… dafür müssen sie eine Bedingung einhalten:
Jeder Warenproduzent treibt Aufwand, um seine Waren herzustellen… und wenn er das fortsetzen will, muss er diesen Aufwand wieder treiben können: Sein weggegebenes Produkt (bestimmte Warenmenge) muss ihm gestatten, die Produktions-Faktoren (oben hab ich immer gesagt: Ingredienzien) zur erneuten Herstellung einer solchen Warenmenge zu bekommen – damit er den Vorgang (des Produzierens dieser Warenmenge) wiederholen kann. Da kann er nicht beliebige Tauschrelationen zwischen der von ihm produzierten Ware und den Waren, die zur Wiederholung der Produktion braucht, akzeptieren. Oder… wenn solche Tauschrelationen wirklich „herrschen“ würden, und sich daran nichts drehen liesse… dann würde seine Warenproduktion sich eben nicht lohnen, er würde sie nicht anfangen oder schon sehr bald wieder damit aufhören (müssen).
Leuchtet dir dieser Zusammenhang soweit ein?

David: Ok, da haben wir uns wahrscheinlich missverstanden. Mit der gesellschaftlichen Willkür meinte ich ausschließlich die Tatsache, dass überhaupt getauscht wird. Wenn aber im umfassenden Ausmaß getauscht wird, dann hat das unwillkürliche Konsequenzen für die quantitativen Austauschverhältnisse, die sich nun im Wert der getauschten Waren ausdrücken (2 Leintücher sind 1 Stuhl wert).

Also ich übersetze das mit dem „erst willkürlich“ usw. mal in meine Ausdrucksweise:
Im Mass, wie „Tauschen“ anfangs ohne, später mit Geld sich ausbreitet, somit auch gesellschaftliche Arbeitsteilung, werden die tatsächlich sich einpegelnden Tauschverhältnisse immer weniger „willkürlich“, schwankend, situationsgebunden und vom „Belieben“ der Tauschenden bestimmt – stattdessen scheinen sie (zumindest in bestimmten Fristen) nur noch in immer engeren Zonen zu schwanken oder zu streuen; und dafür kann man die Erklärung suchen. – Soweit meine (deutende) Umschreibung deines letzten Beitrags. – Aber ich möchte auf den vorausgehenden Beitrag zurückkommen – die Sache mit der Abstraktion.

Arbeit allgemein lässt sich abstrakt charakterisieren durch Merkmale, die auf jede besondere Atbeitsart zutreffen (zB „ist Verausgabung von menschlichem Handlungsspielraum (mental, motorisch)“, „kann verschiedene Intensitätsgrade annehmen“ usw). Ich bin sicher, dass man im Ingenieurswesen ähnlich abstrakte Merkmalszusammenstellungen (womöglich sogar solche mit Anspruch auf Vollständigkeit) für Maschinen-Funktionen (und „Maschinen-Nutzungsspielräume) finden kann; und so für Verfahren; für Expertenwissen; Energieverbrauchsarten (hier ist die Abstraktion ja bereits von der Physik vorgegeben); Rohstofflager-Verbrauchs-Charakteristiken.
(Ob die Faktorsorten-Liste vollständig ist? Um das zu prüfen, bräuchte man so etwas wie ein „allgemeines Produktionsmodell“. Ich könnte mir weitere Produktionsfaktoren vorstellen, an die man nicht gleich denkt: zB „Ort+Zeitgerechtheit“ des Zusammentreffens von Faktoren an der Produktionsstätte, dh.Koordiniertheit, Geplantheit, Vermeiden von Wartezeiten und unnötigen Transportwegen; oder: „Robustheit“ – Ausmass der Nicht-Schadensanfälligkeit oder Minimierung der nötigen Schadensfall-Reserven ua.)
Alles abstrakt, alles Benennung von Parametern, in denen man ein „Mass der Nutzung“ der jeweiligen Produktionsfaktor-Sorte (und ihrer „Wirk-Dispositionen“: Analogon zur „Arbeitskraft“) entdecken kann. Ähnlich wie bei der (abstrakten oder konkreten) Arbeit, wird man auch bei diesen Produktionsfaktor-Sorten bzw. ihren abstrakten Charakterisierungen ähnlich abstrakte (oder konkrete) Bedingungen ihrer Reproduktion angeben können.
Die Reproduktionsmittel speziell für Arbeit nun heissen bekanntlich Lebensmittel; ansonsten unterscheidet sie nichts von den Reproduktionsmitteln anderer Produktionsfaktorsorten. Das für unsere Debatte Iinteressante daran: Sobald du dir versuchst Rechenschaft abzulegen über das, was alles in diese Reproduktionsmittel eingeht, fndest du – alle sonstigen Produktionsfaktorsorten wieder, einschliesslich dessen, der da reproduziert werden soll – wie die (abstrakte) Arbeit dient er – zumindest zu einem Teil – zu seiner eigenen Reproduktion.

Mein Vorschlag ist nun: Mit dieser Erweiterung sich die Marxsche Theorie nochmal anschauen; man wird dann feststellen, dass die Abstraktheit garnichts weiter dazutut, sondern man auch gleich auf die konkreten Güter, konkrete Arbeiten bzw. Arbeitsfähigkeiten und alles, womit sie jeweils produktiv zusammenwirken, zurückgreifen kann – es macht in Wahrheit garkeinen Unterschied mehr, man braucht die Abstraktion nämlich nun nicht mehr (etwa zur Ableitung des Geldes).

Spätestens unter modernen Bedingungen, in Wahrheit schon lang vorher, haben so gut wie alle „mit allen andern ihrer Art reproduzierbaren Gütersorten“…
(das sind Gütersorten, die alle zusammen einem bei Erhalt der Randbedingungen (Energiezuflüsse usw) reproduktionsfähigen Produktionskreislauf oder -System angehören; jedes geht dort direkt oder indirekt in die Produktion von Gütern jeder andern solchen Sorte ein)
…einen ÜBERSCHUSS oder ein MEHRPRODUKT, das ohne den ihn/es hervorbringenden produktiven Güterkreislauf zu mindern oder zu gefährenden, entnommen werden kann.

Die Überschussrate (bei speziellen Arbeitsfähigkeiten: die „Mehrarbeit“ in dieser Sparte) ist aber nicht notwendig bei allen Gütern die gleiche, im Gegenteil, sie ist höchstwahrscheinlich sehr unterschiedlich.
(Man findet diese Überlegungen von mir hier näher ausgeführt.)

Es sind solche Gedankengänge, die mich erstmal unmittelbar an der Plausibilität der Marxschen Behauptung zweifeln lassen (die ich hier mit eigenen Worten zusammenfasse):
„Allen Gütern, die an regulären (relativ langfristig „gültigen“) Tauschverhältnissen beteiligt sind, ist ausser ihren natürlichen und ihren Gebrauchswert begründenden Eigenschaften NUR die Tatsache gemeinsam, dass sie Produkte von Arbeit (und Natur) sind“.

(Woraus Marx – nicht ganz messerscharf – schliesst, dass das Verhältnis der „Massen oder Mengen Arbeit“, die auf beiden Seiten für die (Re)Produktion der an einem gegebnen Reproduktionssystem beteiligten Güter*) regelmässig im Durchschnitt unter durchschnittlichen Bedingungen (Maschinen, Rohstoffe, Verfahren, Wissen, Kompetenzen usw verfügbar und eingesetzt) aufgewandt werden mussten, genau dasselbe wie das Tauschverhältnis ist: Die Güter tauschen sich im Verhältnis der ihnen aufgehäuften abstrakt-gesellschaftlich notwendigen Arbeit gemessen in Zeit.

*) diese meine Formulierung ist das Pendant für die von Marx eingeführte Zweit-Bedeutung von „gesellschaftlich notwendig“: „hat sich als Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit betätigt“, unter Geld-Bedingungen: stiess beim (mit den Kosten= Durchschnnittsbedingungen der Produktivität einhaltenden Produktionskosten) vereinbaren verlangten Preis auf hinlänglich zahlungsfähige Nachfrage.

(Ich sage: Die Formulierung liesse sich für alle andern „abstrakt“ genommenen Produktionsfaktoren wiederholen, und wird dann genauso falsch wie für die Arbeit. In JEDEM Einzelschritt des Reproduktionssystems oder Produktionsakt wirken spätestens heutzutage ALLE Produktionsfaktoren zusammen. Wieso sollte einer bevorzugt sein? Zumindest, wenn man über Produktion, Preise, Ökonomie redet…)


David: Ich denke, man könnte vielleicht sagen, dass der Wert der Gebrauchswerte eine Tendenz ist, die sich, mit einer Zunahme der gesellschaftlichen Tauschverhältnisse und der Warenform der Gebrauchswerte, immer stärker manifestiert, bzw. es keinen schlagartigen Qualitätssprung in der Geschichte gab, wo dieser einfach komplett aus dem Nichts erschien. Die Warenform des Reichtums, bzw. die für den Tausch produzierten Gebrauchswerte, hat es sicher in allen Gesellschaftsformen schon gegeben, jedoch nicht als die vorherrschende Reichtumsform und als Ausdehnung auf die Arbeit selbst (Lohnarbeit, Ware Arbeitskraft) und auf Grund und Boden.

Zur abstrakten Arbeit als Quelle des Werts: Ich verstehe den Marxschen Wertbegriff so, dass es sich dabei lediglich um ein gesellschaftliches Verhältnis von Personen in ihren Privatarbeiten handelt, bzw. eine Relation, zwischen der individuell verausgabten Arbeit eines Produzenten und der gesellschaftlichen Gesamtarbeit. Da es keine planmäßige oder traditionell überlieferte Verteilung der gesellschaftlichen Gesamtarbeit auf die individuellen Produzenten gibt, wird diese Verteilung über den Wert geregelt. Der Wert sagt aus, inwiefern die individuell verausgabte Arbeit eines Produzenten als gesellschaftlich notwendig, bzw. als notwendiger Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit, angesehen werden kann.

aber die Behauptung lautet, dass die WIRKLICHEN und sichtbaren Tauschverhältnisse von den Quanten Arbeit BESTIMMT sind. Während die „qualitative“ Theorie, die DU jetzt wiedergibst, bloss darauf hinausläuft: dass Leute Produkte privat betriebener Arbeiten tauschen. Wohl wahr. Die quantitative Behauptung ist das Problem. Vielleicht sollte man sie einfach streichen? Die Ausbeutung kann man nämlich auch so erkennen. Die Werttheorie, wo sie quantitative Aussagen macht, scheint mir unsinnig zu sein.
((Ich glaube, dass die Argumente des gesamten 1.Bandes des Kapital rein qualitativ funktionieren. Da wo es wirklich auf Quantitäten (so, dass sie den Akteuren selbst auch auffallen müssten: Zusammenhang zwischen Lohnanteil an der Investition und Profit bei der Produktionspreisbildung (Thema: einheitliche Profitrate) – den sollten sie nicht bemerken, aber implizit iihm entsprechend handeln? Das ist doch Unsinn!) ankommt, im 3.Band, hat Marx nicht weitergearbeitet (die Manuskripte ausgearbeitet); Engels hat es gemacht, weil ER das für nötig hielt). Ich glaube, dass das einen Grund hat. Diese Ökonomie ist für das politische Argument irrelevant.))
….
David: Die Quantität spielt insofern eine Rolle, als dass der Wert eben nicht ausdrückt, wieviel Arbeit schlechthin individuell verausgabt wurde, sondern nur, inwiefern diese individuell verausgabte Arbeit als notwendiger Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit angesehen werden kann. Bei den Sandflaschen wurden meinetwegen 5 Wochen zu je 8-Stunden-Tagen individuell verausgabt, jedoch zeigte sich im Tausch, dass 0% dieser individuell verausgabten Arbeitszeit als notwendiger Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit angesehen werden konnten.

Gewiss. Das gilt für alle Produktionsfaktoren in jeder Einzel-Station des GESELLSCHAFTLICHEN REPRODUKTIONSPROZESSES (der vermittelt wird über Austauschprozesse zwischen – ohne Absprache und insofern „unabhängig voneinander“ – tätigen Warenproduzenten). Es gibt Güterverwendungen – in deinem Fall zB die Fläschchen – die einfach nicht reproduktiv sind, und die auf Dauer nicht fortgesetzt werden können, weil dem betreffenden Produzenten nichts abgenommen wird (oder nicht auf einem Niveau, das es ihm gestattet, den Prozess auf gleicher Stufenleiter zu wiederholen) und ihm dann auch nichts mehr an Produktionsingredienzien zufliesst. Er produziert „auf Halde“. Und das gilt in abgeschwächtem Mass, wenn seine Produktionsfaktor-Kombinationen sich nicht in Produktions-(Rück(Flüsse einspeisen, die ihm die verbrauchten Ingredienzien (mindestens) vollständig ersetzen (er kann auf Dauer nicht soviel davon eintauschen, wie er in der Produktion verbraucht; monetär: seine Kosten sind zu hoch, die Preise, zu denen er allenfalls verkaufen kann, sind niedriger als die Stückkosten. Wir wollten ja, mit Marx, beschreiben, WAS in Gestalt von Gütern und Güter-Produktion es ist, das durch Geldflüsse vermittelt wird).

David: Bezüglich der Produktionsfaktoren: Die Kritik der politischen Ökonomie hat doch auch noch eine erkenntniskritische Dimension, die sich vom Waren-, Geld-, und Kapitalfetisch bis zur trinitarischen Formel im 3. Band von „Das Kapital“ zieht. Diese erkenntniskritische Dimension versucht ja gerade die sich spontan ergebenden Vorstellungen und Intuitionen der bürgerlichen Ökonomie durch eine wissenschaftliche Analyse zu entmystifizieren. Mit Warenfetisch bspw., ist genau die besprochene, sich intuitiv ergebende Vorstellung gemeint, dass der Wert, der sich nach eingehender Analyse als ein gesellschaftliches Verhältnis von Personen in ihren Privatarbeiten ergeben hat, den getauschten Waren als dingliche Natureigenschaft zukommen würde, die sie auch ausserhalb der Beziehung, in der sie als Werte gelten, besitzen würden. Eine ähnlich mystifizierte Vorstellung versucht Marx im 3. Band als trinitarische Formel zu entlarven, nämlich die bürgerliche Vorstellung, Profit/Zins, Grundrente und Arbeitslohn seien die rechtmäßigen Erträge der Produktionsfaktoren Kapital, Boden und Arbeit, wobei er die tatsächliche Quelle von Profit, Zins und Grundrente auf den Mehrwert zurückführt.

Oder meinst du mit Produktionsfaktoren evtl. die Anteile des konstanten Kapitals, die in das Produkt übertragen werden?

David – mir gings erstmal um die Frage, ob Marx für die Kritik des Kapitalismus, die er begründen wollte, eine Preistheorie bzw. eine die realen Tauschwerte erklärende Kategorie wie „Wert“ brauchte (ich sage: nein); zum zweiten, ob die Grösse, die er zur Erklärung heranzieht, das leistet, was Marx von ihr behauptet (ich sage wieder: nein). Wenn diese Behauptung ganz am Anfang aller weiteren Ableitungen keinen Sinn macht, dann auch nicht die Aussagen des 3.Bandes – auf dessen theoretische Erträge ich mit den Verweisen zB auf die Theorie der Produktionspreise anspielen wollte (und damit der „einheitlichen Profitrate“; ich könnte auch gleich die Grundrente dazunehmen: agrarische und mineralische Rohstoff-Gewinnung sei besonders arbeits-, daher lohn- und ausbeutungs-intensiv, wegen der Knappheit des Bodens (eine Zutrittsschranke für weitere Investoren) ergäben sich daraus bleibend überdurchschnittliche Profite, von denen die Differenz zum Durchschnittsprofit (immer in Termen der ges.notw. abstrakten Durchschitts-ArbeitsZeit) an die Grundbesitzer abgegeben werde). Wenn „Arbeitswerte“, also Quanten durchschnittlich gesellschaftlich notwendiger abstrakter Arbeitszeit, zwar irgendwie in allen Produkten „stecken“, aber den behaupteten Einfluss auf die Tauschwerte nicht haben – dann machen Produktionspreise keinen Sinn, die angeblich dadurch zustandekommen, dass der REALE Kapitalvorschuss sich an der Summe der für Produktionsmittel (c) bzw. Lebensmittel zur Reproduktion der jeweils verausgabten Arbeitskraft (v) verbrauchten Arbeitszeit dieser Art orientiert und daran, wieviel Mehrarbeitszeit dieser Art (m) in der betreffenden Branche auf diese Summe entfällt. (Die Übertragbarkeit der so erklärten Kategorie „Wert“ auf ihre „Mehr-“ Abteilung (als würde dort so ohne weiteres derselbe „Durchschnittsbegriff“ bzgl zb „gesellschaftlich notwendig“ gelten – als würden gerade bei Akkumulation diese Produkte nicht in innovative Produktionen gesteckt) hab ich oben schon kurz mal bezweifelt…) Das hat dann nämlich mit dem REALEN Profit und den REALEN Vorschüssen – an denen sich doch Kapitalisten bei ihren Investitionsentscheidungen orientieren würden – nichts zu tun. Oder doch? Darüber entscheidet… die Richtigkeit der Arbeitswerttheorie der „gültigen“ Tauschwerte.

Dass Ökonomen (womöglich auch marxistische; die betreffenden privaten Arbeits-Manuskripte sind immerhin niemals vom Autor selbst veröffentlicht und in dem Sinn „autorisiert“ worden) notgedrungen Unsinn von sich geben, diesen traurigen Erkenntnisgewinn (wenn das denn stimmt) kann und muss ich, ehrlich gesagt, durch Betrachtung ihrer Argumente mir selbst erarbeiten.

Peter Nowak: Hallo David,
die Frage ist, WANN? Der individuelle Tauschwert ist erstmal da, wenn die Warenprodukte auf den Markt gebracht werden. Erst wenn sich dort zeigt, dass niemand den Müll braucht, wird der Tauschwert vermindert (wenn jemqand z.B. die Flaschen gebrauchen kann) oder auf 0 gebracht.
Peter

P.S.: „gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeit“ meint die zur Produktion eines bestimmten Warenproduktes gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit. Das hat erstmal nichts damit zu tun, ob die Warenprodukte Käufer finden!
….
zum PS zuerst: Doch Peter, ges.notwendig hat genau diese ZWEI Bedeutungen, Durcvhschnittsbedingungen der Produktivität (was ja auch einen Markt und Regelmässigkeit der Abnahme voraussetzt, war in dem Beispiel auch nicht erfüllt), und: erweist sich als Teil der ges.Gesamtarbeit (und insofern notwendig) – marktwirtschaftlich gesprochen, aber der Ausdruck sol ja grade eine Erklärung kriegen: Jemand will es und kann den Preis dafür zahlen; woher das Geld? Naja, er hat auch jemanden gefudnen, der SEIN Produkt wollte… usw rückwärts… bis… zu denen, die hier ihr Produkt verkaufen und (in einem der vielen Zweige, in die sich das „Rückwäts“ aufzweigt) ihre Produktionsfaktoren gekauft haben. Wofür sie das Geld durch vorhergehenden Produktverkauf verdienten (aber da beginnt schon ein früherer Durchgang durch den Zirkel).
Mein Punkt, den ich anmerken kann: Die „geselslchaftliche Geamtarbeit“ fliesst durch das system der Produktionsstationen und reproduziert sich dabei, so wie alle andern produkte und Produktionsfaktoren… Es muss sich auch PC, Stuhl, Energiesparlampe usw als Teil der reproduktiven Verwendung des überhaupt in diesem Prozess eingesetzten PCs, Stühle, Energiesparlampen usw „zeigen“. Es ist genau der Schluss des inneren technsichen Zirkels mit dem äusseren, in allen beteiligten PC usw Verwendungen, der diese beiden Marxschen Bedingungen bzw. Bedeutungen von gesl.notwendig umsetzt.

Es gibt offenbar einen Bedarf nach einer Bezeichnung, die Marx nicht endgültig geregelt hat, der von mir verlinkte Aufsatz von Robert Schlosser beschäftigt sich damit: potentieller Wert… und eben realisierter. Oder sowas in der Art.
Naja Davids Frage nach sowas war Anlass des ganzen threads..

David: @Peter Nowak
Bezüglich der Frage, welche individuell verausgabte Arbeiszeit als gesellschaftlich durchschnittlich notwendig gelten kann, folgendes Marx-Zitat, das unmittelbar auf den Abschnitt im 1. Kapitel von „Das Kapital“ Bd. 1 folgt, indem, wie auch von dir, die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit definiert wird:

Ein Ding kann nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein. Wer durch sein Produkt sein eignes Bedürfnis befriedigt, schafft zwar Gebrauchswert, aber nicht Ware. Um Ware zu produzieren, muß er nicht nur Gebrauchswert produzieren, sondern Gebrauchswert für andre, gesellschaftlichen Gebrauchswert. Und nicht nur für andre schlechthin. Der mittelalterlichen Bauer produzierte das Zinskorn für den Feudalherrn, das Zehntkorn für den Pfaffen. Aber weder Zinskorn noch Zehnkorn wurden dadurch Ware, daß sie für andre produziert waren. Um Ware zu werden, muß das Produkt dem andern, dem es als Gebrauchswert dient, durch den Austausch übertragen werden. Endlich kann kein Ding Wert sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutzlos, so ist auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zählt nicht als Arbeit und bildet daher keinen Wert. (MEW 23, S. 55, Hervorhebung von mir)

Außerdem noch ein Zitat, das explizit auf die zahlungsfähige Nachfrage als Kriterium für die Reduktion konkret nützlicher auf abstrakte Arbeit eingeht:

Gesetzt endlich, jedes auf dem Markt vorhandne Stück Leinwand enthalte nur gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Trotzdem kann die Gesamtsumme dieser Stücke überflüssig verausgabte Arbeitszeit enthalten. Vermag der Marktmagen das Gesamtquantum Leinwand, zum Normalpreis von 2 sh. per Elle, nicht zu absorbieren, so beweist das, daß ein zu großer Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeitszeit in der Form der Leinweberei verausgabt wurde. Die Wirkung ist dieselbe, als hätte jeder einzelne Leinweber mehr als die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit auf sein individuelles Produkt verwandt. (MEW 23, S. 122, Hervorhebung von mir)

Es geht doch letztlich darum, inwiefern die individuell verausgabte Arbeitszeit als gesellschaftlich durchschnittlich notwendig gelten kann. In diese Gewichtung fließen folgende Kriterien ein: durchschnittliche Produktivitätsbedingungen, durchschnittliche Qualifikation der Arbeitskräfte, durchschnittliche Intensität der Arbeit und endlich auch die zahlungsfähige Nachfrage. All diese Gewichtungskriterien reduzieren die konkret nützliche Arbeit auf die abstrakt menschliche Arbeit, die einzig wertbildend ist. Diese Reduktion findet im Tausch statt, bzw. dann, wenn sich herausstellt, ob das Zeug gekauft wird, oder nicht. Die Kunst für den Kapitalisten besteht darin, im vornherein schon abschätzen zu können, inwiefern, oder ob überhaupt, seine Investition profitabel sein wird. Das, was die Waren haben, wenn sie frisch auf den Markt kommen, ist ein Preis. Wenn ich an die Sandflaschen denke, dann kann es sich eigentlich nur um Jahre gehandelt haben, bis sie gefüllt waren. Die Lohnkosten, die sich im Preis niedergeschlagen haben, dürften entsprechend extrem hoch gewesen sein. Es stehen also meinetwegen 3 Flaschen mit Sand im Schaufenster, die von 3 Arbeitskräften in einem Jahr hergestellt wurden, jeweils mit einem Preisschild, das bspw. 12.000 Euro aussagt. Der Wert der Ware ist trotzdem, oder gerade deswegen, gleich null (Hätten die 3 Arbeitskräfte Trichter und Schippchen verwendet, wären die 3 Sandflaschen innerhalb von 30 Sekunden produziert und würden damit im Großen und Ganzen nur den Materialkosten entsprechen. Ob sich 3 Flaschen mit Sand, zu je 50 Cent verkaufen lassen, ist eine ganz andere Frage, als ob sie das zu 12000 Euro tun.).

So gesehen, wurde, pro Arbeitskraft, 1 Jahr individuelle Arbeitszeit, über das gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Maß hinaus, zu viel verausgabt.

Peter Nowak: Hallo David,
ja, so steht das bei Marx, ich hätte allerdings nicht gedacht, dass man das falsch verstehen kann, obwohl …. Ich bin versucht, zu sagen: Achte auf den Zusammenhang! Das erste Beispiel bezieht sich nämlich auf selbst hergestellte Produkte zum eigenen Gebrauch, also nicht auf den Markt! Warenprodukte werden aber als „gesellschaftliche Gebrauchswerte“ [Produkte], nämlich für den Markt, produziert. Deshalb haben sie in und nach ihrer Produktion einen Tauschwert (Produktionspreis]. Erst danach stellt sich auf dem Markt raus, ob sie auch einen gesellschaftlichen Tauschwert haben und ob dieser ihrem individuellen Tauschwert entspricht. Selbst in dem Fall einer solchen Entwertung ist aber nicht gesagt, dass das dabei angewandte Kapital (Wertübertragung der Maschinerie, Rohstoffe und Arbeitskraft) und der Mehrwert (hinzugefügt) wirklich vollständig entwertet wird, das hängt noch von anderen Faktoren ab. Ähnlich verhält es sich im Fall der Überproduktion. Marx behandelt diesen Fall so, als gäbe es nur den inneren Markt (vermutlich, weil er so die grundlegenden Mechanismen deutlicher sichtbar machen konnte, denn den britischen Imperialismus kannte er ja).
Du irrst, wenn Du die zahlungskräftige Nachfrage in die „gesellschaftlich durchschnittliche Arbeit“ einrechnest, denn diese Nachfrage ergibt sich erst hinterher, beim Austausch auf dem Markt. Die gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeit bezieht sich aber auf die Produktion. Auch die Sandflaschen lassen sich zu 12.000 Verkaufen, wenn es sich um Kunst handelt.
Beste Grüße
Peter

P.S.: Noch was vergessen: Selbstverständlich kann ich auch einen von mir für mich hergestellten Gegenstand verhökern und insofern hat auch dieser einen Tauschwert. Marx‘ Äusserungen gelten also nicht wie das Evangelium, wie ich Wal schon mal geantwortet habe.

….
„Hallo Peter, ja, so steht das bei Marx, ich hätte allerdings nicht gedacht, dass man das falsch verstehen kann.“
Die wichtigste Bestimmung von Ware und Warenproduktion wird vielleicht am häufigsten vergessen, weil sie die selbstverständlichste ist: Dass sich der Vorgang WIEDERHOLT, dass jemand sich in seiner Reproduktion ganz oder teilweise auf das Warenproduzieren und den Tausch EINRICHTET, und dass offensichtlich andere das auch gemacht haben, sodass er das auch machen KANN, der Markt also das, was der Warenproduzent bzw. die Marktteilnehmer zusammen jeweils brauchen, um weiterzumachen, angefangen bei den Lebensmitteln, auch bereithält, und das zu Tauschwerten, bei denen diese Regelmässigkeit und der Warenfluss unbestimmt lang aufrechtzuerhalten war. Alle diese begrifflichen Sonderfälle – Arbeit verausgabt, dann aber nicht verkauft, für sich selbst produziert, dann aber doch verhökert – sind, damit verglichen, Anomalien. In einer KAPITALISTISCHEN Warenproduktion aber (und das Stattfinden der gesamten Reproduktion der Gesellschaft in Warenform IST nur modern-gesellschaftlich-arbeitsteilig kapitalistisch möglich) häufen sich die Anomalien – Regelmässigkeit ist die Ausnahme, Änderung von Tauschverhältnissen durch andauernde Innovation (die sich dann durch die Warenflüsse hindurch überall hin ausbreiten) die Regel.

Peter N: Hallo Franziska,
Du irrst. Wenn es so wäre, wie Du und David behauptet, würde der Preis eines Warenproduktes erst auf dem Markt festgestellt werden, was ja auch wirklich so von den BWLern behauptet wird. Das ist aber nicht der Fall. Stell Dir ein neugegründetes Unternehmen vor, das erstmals ein neues Warenprodukt auf den Markt bringt. Es produziert dieses Warenprodukt, kennt dessen Selbstkostenpreis (bei Marx Kostpreis) und seinen gewünschten Profit. Daraus errechnet sich der Produktionspreis dieses Warenproduktes, der dessen Tauschwert darstellt. Dies geschieht aber, bevor dieses Warenprodukt auf den Markt kommt. Wenn sich auf dem Markt herausstellt, dass es zu diesem Preis keinen Abnehmer findet, muss der Ausbeuter entweder auf einen Teil seines Profits verzichten oder Kosten sparen, um Konkurrenzfähig zu werden. All das hat aber nichts mit der gesellschaftlich durchschnittlich zur Produktion dieses bestimmten Warenproduktes nötigen Arbeitszeit zu tun, sondern eher mit der Überfüllung des Marktes (das heißt in diesem Fall: mit der gesellschaftlich notwendigen Arbeit, – NICHT: durchschnittlich notwendigen! – ,die bestimmt, wieviel Arbeit aufgewandt werden muss, um die Bedürfnisse der Gesellschaft zu befriedigen!), langen Transportwegen oder anderen Faktoren (Umlaufkosten), die ein produziertes Warenprodukt gegenüber der Konkurrenz verteuern.

Was den Tauschwert angeht, so wird er tatsächlich erst im Verkauf realisiert, was Marx auch schon beschrieben hat. Allein dieser Begriff zeigt aber, dass der Tauschwert auch vorher schon vorhanden war, sonst müsste er im Verkauf entstehen, wie das Gossen und ähnliche Vugär-Ökonomen annahmen.
Peter
​P.S.: Vielleicht noch was dazu: Wenn mehr Warenprodukte einer bestimmten Art produziert werden, als die Gesellschaft braucht, ist zwar das Maß der gesellschaftlich notwendigen Arbeit überschritten worden, dadurch ändert sich aber erstmal nichts an der gesellschaftlich durchschnittlich zur Produktion dieser bestimmten Warenprodukte notwendigen Arbeitszeit. Das ist erst eine Sekundärfolge der Konkurrenz.


Stimmt, man könnte die eine Bedeutung so ausdrücken: durchschnittlich notwendig, und die andre so: gesellschaftlich notwendig. Ich hab grad nicht den Eindruck, als ob da wirklich noch grosse Verwirrung bezüglich der besprochenen Sachverhalte bzw. Terminologien bestünde.

Hallo Franziska,
was Du als „Sonderfälle“ bezeichnest, sind einfach verschiedene Ausdrücke der Tatsache, dass im Ausbeutersystem alles Ware [Tauschwert] sein kann, was Marx gerade als das Wesen des Ausbeutersystems beschrieben hat, weil sich darin alle menschlichen Beziehungen in Geldbeziehungen auflösen (schon im Kommunistischen Manifest so beschrieben).
Peter
….
Ich will Peters Antwort nicht vorweggreifen, aber möchte mich gern zum selben Thema äussern.
Unverdrossen wurde hier weiter Marx zitiert, die Ausdrücke „durchschnittlich bzw. gesellschaftlich notwendig“ auf Arbeitszeit (Zeit der Verausgabung abstrakter Arbeit) bezogen. Dazu hatte ich oben (vorsichtig formuliert) Fragen gestellt, die für mich noch nicht befriedigend beantwortet sind. Solange das nicht geschehen ist, muss ich leider meinen Überlegungen eine andere Bestimmung der Wertkategorie zugrundelegen, nämlich diejenige, die sich ergibt aus den Anforderungen zur Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen Reproduktionszirkels (der weiteren Teilnahme des einzelnen Warenproduzenten an diesem Zirkel).
Das ist nämlich nur der Auftakt für weitere Fragestellungen – sie tauchen in vergleichbarer Weise in jeder Version einer „Reproduzierbarkeits“-basierten Werttheorie auf.. Denn sowohl für die Arbeits- als auch die „Reproduktions-Zirkel“-Wert-Bestimmung ist es wesentlich, dass sie wiederholbare, auf Dauer gestellte Vorgänge beschreiben.
Wie aber, wenn die von Peter angesprochenen „Singularitäten“, erfolgreiche Innovationen und Produktivitäts-Erhöhungen (vor allem letztere), sich häufen und zur Regel werden – wenn also der Begriff „durchschnittlich“ seine Bedeutung verliert – und, schwerer zu durchschauen, mit ihm der Begriff des „nachträglich sich als Teil des gesellschaftlich tatsächlich verwendeten Reichtums Erweisens“ (so übersetze ich die Formulierung von Marx bzgl. der Gesamtarbeit)?
Hier existiert (noch) kein Zirkel, dem Abfluss an Produkt bei seiner „Markteinführung“ korrespondiert kein eingeführter Zirkel, worin automatisch dem Produzenten qua (durch Geld-als-Zirkulationsmittel vermitteltem) Tausch seine Produktionsfaktoren zufliessen. Sein Produkt wiederum muss seinen Weg in und durch die Reproduktion erst finden, etwa dadurch, dass es Nachfrage anderer (Re)Produzenten (etwa solcher ihrer Arbeitskraft) auf sich und von anderen Anbietern, Konkurrenten um solche Nachfrage, abzieht, was Schrumpfen von deren Reproduktionsbasis bedeutet.
Speziell im Falle von Produktivitätserhöhungen aber wächst der Überschuss-über-das-Reproduktionsnotwendige-hinaus (der Ausdruck „notwendig“ drängt sich nicht umsonst in alle Formulierungen zur Beschreibung der „Reproduktionskomponente“ der Werte): Es wird da also etwas gesellschaftlich zur Verwendung freigegeben – die Frage ist, ob es für die gesellschaftliche Reichtumsverwendung taugt. Die Innovationen können dabei reichen von:
a) eigenen Produktivitätserhöhungen oder Innovationen eines Produzenten, die ihm einen Vorteil gegen seine Konkurrenten verschaffen, eventuell aber auch zusätzliche zahlungsfähige Nachfrager anlocken, die die bisherigen Preise nicht bezahlen konnten oder wollten; bis zu:
b) Innovativen Basistechnologien, die Produktivitätserhöhungen und Spielräume für Kostensenkungen bei Käufern dieser Technologie ermöglichen.
Bei einfachen Umordnungen der Reproduktions-Stränge, also Verdrängen von Konkurrenten aus dem Markt durch „Auf-sich-ziehen“ von deren Nachfrage, ist die Frage der Herkunft der zahlungskräftigen Nachfrage noch relativ einfach zu beantworten.
Nicht so bei der Verwendung der durch Produktivitätssteigerungen ständig neu freigesetzten Überschüsse.
Spätestens wenn MEINE Argumente zum Reproduktionszirkel sich als stichhaltig erweisen, sind von JEDER dieser Freisetzungen in der Folge alle vor- wie nachgeordneten Produzenten mitbetroffen, es setzt sich da also jeweils eine „Welle“ in Gang, die die die gesamte in sich selber zurückmündende Kette der hinter- und nebeneinander geschalteten Markt-Teilnehmer, zumindest der Reproduktionszirkel-Stationsbesitzer uner ihnen *) durchläuft.

*) Es gibt auch Marktteilnehmer ausserhalb – jene, die über Portionen der nicht vermehrbaren materiellen Voraussetzungen der Reproduktion verfügen: Rohstoffe und Energie bzw. ihre Quellen.

Die Frage, was mit dem „Mehrprodukt“ in einer hochproduktiven, aber nicht innovativen Waren(Re)produktion geschieht, ist schon spannend genug: Denn es ist die Frage nach dem Mehr-Wert-Anteil am Wert der Einzelware.
Hier ist sogar unter Stagnations-Bedingungen nichts durchschnittlich und nichts notwendig – schon darum, weil die Überschussraten der einzelnen Warensorten völlig unterschiedlich sind.
Die Bestimmung des „Notwendigen“ für diese Wertkomponente sind angesichts der völlig anderen Nachfrageverhältnisse völlig unklar. Aber damit die Bestimmung des GESAMTwerts jeder Einzelware (oder zumindest Warensorte).
Wenigstens ist in einer solchen steady-state-Situation gesichert, dass und welche Überschussmengen pro Zeit entstehen. Darauf kann das Reproduktionssystem reagieren. Bei permanenter Produktivitätserhöhunug in allen Zweigen und zusätzlicher Innovation weiss niemand mehr irgendetwas. Zusätzlich entstehende Überschüsse KÖNNTEN auf der Stelle für weitere Innovationen und Produktivitätserhöhungen verwendet werden; aber die müssen eben erfolgreich sein, sich am Markt durchsetzen. Für welche trifft es zu und für welche nicht? Niemand weiss es.
Dieser völligen Überformung des ursprünglichen Reproduktionssystems und seiner „dauerhaft gültigen“ Tauschverhältnisse (also Preise) durch permanente Revolutionierung dieser Verhältnisse trägt die dazu passende Form des Geldes Rechnung: Aus dem Zirkulationsmittel Geld wird das Zahlungsmittel wird Kredit.
Was bedeutet es nun, wenn hinter dem Kredit der Staat (durch seine Zentralbank) auftaucht? (Ich drücke es absichtlich so vage wie möglich aus, um der Antwort nicht vorzugreifen.)
Diese Frage wird mit einiger Verve seit Jahresanfang bei Nestormachno diskutiert http://nestormachno.blogsport.de/2013/12/19/zum-jahresausklang/, interessant wirds spätestens ab hier http://www.dasgelbeforum.de.org/sammlung/Martin,%20Paul%20C.,%20Der%20Kapitalismus%20-%20Teil%201.pdf
Die Frage des Kreditgeldes treibt aber auch die Freunde der wahren Marktwirtschaft um, und das nicht erst seit heute, wie ein Blick in diese Abhandlung lehrt: Ähnliche Gedanken wie dieser sog. „Debitismus“ äussern alle „heterodoxen“ Kritiker des unguten Kredits (der Geldschöpfung, des staatlichen Zwangs-Zentralbankgeldes), sie sind mithin Kritiker der etablierten Theorien von Neoklassik und Keynesianern.
Die zentrale Frage lautet, ob mit der Euro-„Rettung“ durch Staatskredit die letzte Konsequenz gezogen ist aus der Gleichsetzung der nationalen Währung in Gestalt der Zentralbanknoten mit dem Geld der Gesellschaft (in den Grenzen dieser Nation). Eine Konsequenz, die sich letztlich nur Währungen und ihre „Hüter“ leisten können, die um den Anspruch konkurrieren, Weltgeld dh. DAS (Kredit)Geld (oder Teil davon) der Weltgesellschaft zu sein.

AgneS: Hallo franziska, ich scheine hier endlich mal jemanden gefunden zu haben, der Marx versteht und ihn dennoch richtig kritisiert. Ich will dir gerne zum einen deine Unsicherheit bei dieser Kritik nehmen und zum anderen dir ein wenig helfen.

franziska schrieb:
…mir gings erstmal um die Frage, ob Marx für die Kritik des Kapitalismus, die er begründen wollte, eine Preistheorie bzw. eine die realen Tauschwerte erklärende Kategorie wie „Wert“ brauchte (ich sage: nein);

Korrekt.

zum zweiten, ob die Grösse, die er zur Erklärung heranzieht, das leistet, was Marx von ihr behauptet (ich sage wieder: nein).

wieder richtig
Und das ist schon mal beides sehr wesentlich.

David schrieb:
Wenn im Tausch die Gebrauchswerte zweier Waren willkürlich gleichgesetzt werden, dann muss auch die konkret nützliche Arbeit, die notwendig war, um diese Gebrauchswerte zu schaffen, auf abstrakte menschliche Arbeit reduziert werden, da der konkret nützliche Charakter der Tischlerarbeit tatsächlich nicht mit der Weberarbeit zu vergleichen ist. Es stehen sich also im Tausch nicht konkret nützliche Arbeiten, sondern dieselben Quanten abstrakt menschlicher Arbeit gegenüber, deren Maß die zur Produktion der Ware gesellschaftlich durchschnittlich notwendige Arbeitszeit ist.

Den T-Wert aus den G-Werten ermitteln zu wollen ist augenscheinlich Unsinn. Da sind wir uns einig.
So etwas wie ein Nutzenquantum gibt es nicht. Individuell mag es da ja noch ein Wohlfühlaspekt geben, den, – wenn man sich Mühe gibt – noch mit einer Werteskala versehen kann. Aber diesen eben sehr subjektiven Wertemaßstab zu objektivieren, um daraus den T-Wert ableiten zu wollen – solchen Unsinn können nur eingefleischte VWLer leisten.
Aber – was in diesem Forum wichtiger weil umstrittener sein wird – 😉 :
Den T-Wert aus dem Arbeitsaufwand ermitteln zu wollen, ist genauso augenscheinlicher Unsinn.
So etwas wie ein Arbeitsquantum gibt es – leider – auch nicht.
Individuell mag es da ja noch ein Mühsalaspekt geben, den – wenn man sich Mühe gibt – noch mit
einer Werteskala versehen kann. Aber diesen eben sehr subjektiven
Wertemaßstab zu objektivieren, um daraus den T-Wert ableiten zu wollen –
solchen Unsinn können nur Marxisten alter Schule leisten.
Und beide nehmen sich da eben nicht viel.

Es gibt keinen zu quantifizierenden „abstrakten Nutzen“ und was soll denn bitte soll ein Quantum „abstrakte Arbeit“ sein?
Klar gibt es den Begriff „Arbeit“, der für alle konkreten Arbeiten eingesetzt werden kann, wenn man von der jeweiligen Konretisierung eben abstrahiert. (Das geht mit dem Nutzen übrigens genauso!)
Abstrahiert man vom Konkreten bleibt also kein Quantum, das von selber Qualität ist. Weder beim Nutzen noch bei der Arbeit. Es sind nicht einerseits die Luststöhner und nicht andererseits die Schweißtropfen, die da abzuzählen wären. Und – es ist auch nicht die Zeit selbst, die gemessen wird. Der T-Wert ist weder das Maß der notwendigen noch tatsächlichen Arbeitszeit zur Herstellung des G-Wertes, noch andersherum der bei der Verwertung des G-Wertes freiwerdende (also vorher im GWert steckende) quantifizierbare abstrakte Nutzen einer eingesparten Arbeitszeit. (Beides aber sind durchaus Randkriterien des T-Wertes. – Aber dazu eventuell mal später.)

franziska schrieb:
Nochmal zurück bitte, David: Die längerfristig gültigen Tausch-Verhältnisse … drücken etwas irgendwie „Vergleichbares“ aus. Wieso DAS denn? Es wird – mit den Modifikationen, mit denen ichs dargestellt habe – „getauscht“. Aber „verglichen“? Schon darüber wundere ich mich…

Hier irrst du:
Um gesellschaftlich zu Tauschen, muss die Ware etwas von gleicher Qualität beinhalten, weil nicht jeder individuelle Tausch hier behandelt wird, sondern der objektive gesellschaftliche. Die Gesellschaft hat den Waren auch einen T-Wert (bezifferbar im Preis) gegeben. Das eine ist also mehr wert als das andere – das ist ein Vergleich bzgl einer gemeinsamen Qualität.
Eine Waage vergleicht zwei Dinge nach der Qualität „Gewicht“. dert Maßstab (wie beim T-Wert das Geld) ist das Kilogramm oder Pfund, ….
Aber welche gemeinsame Qualität wird denn nun im T-Wert verglichen?
Und hier kennst du die – eigentlich triviale – Lösung schon:

franziska schrieb:
Plötzlich ist der Marx aber dann bei EINER Eigenschaft, die… vielleicht nein ganz gewiss keine „natürliche“ ist (daran hätte man bei den Gebrauchs-Eigenschaften auch schon ein bisschen zweifeln können).. aber darum auch nicht ganz unphysisch, eine reine „Geltungssache“ (als so eine kommt eher diese in Betracht: dass es sich um „Eigentum“ des jeweiligen Warenanbieters handelt): Sie sind das Produkt-von-etwas.

In der Tat. Jede Ware ist im Kapitalismus erst einmal „Produkt-von-etwas“ – aber nicht zwingend von „Arbeit“, so wie man den Begriff im Allgemeinen verwendet. (Gegen dieses Argument führen dann manche gern die Absurdität ins Felde: `Aber im Allgemeinen eben schon.`und `Ausnahmen bestätigen die Regel` Gleichwohl behaupten sie dann aber gern die Allgemeingültigkeit der Arbeitswerttheorie)

Ware ist immer „Produkt-von-etwas“ und zwar Produkt der Aneignung. Ohne (beidseitig bzw. gesellschaftlich anerkanntes) Eigentum gibt es keinen Tausch, und keinen T-Wert.
Tausch ist eine Form der Aneignung von Eigentum (durch Abgabe von Eigentum)
Arbeit schafft als Produkte nur G-Werte, keine T-Werte. Erst die Aneignung des Produktes, des G-Wertes schafft den T-Wert. Eigentum ist die wirklich einzige notwendige Eigenschaft der Ware.
Übrigens: Eigentum heisst immer Auschluss fremder Nutzung und ist in sofern immer negativ bestimmt.
Gibt die Sache aber für Fremde (dem Möchtegerneigemtümer Fremde) nichts her, ist da auch kein Nutzen, der ausgeschlossen wird, und somit kein Eigentum.

So weit erstmal. Hier empfehle ich, erst mal sacken zu lassen, selbst weiter zu denken, und wenn Fragen auftauchen, …

An alle Mitschreibenden hier.
Der thread ist grade dabei, absolut unübersichtlich zu werden, was angesichts der verhandelten Themen einerseits nicht verwunderlich, andererseits wegen ihrer Wichtigkeit nicht einfach nur hinzunehmen ist.
Wir hatten eine vergleichbare Entwicklung im Zusammenhang mit einer aufflammrnden Nationalismus/Faschismus-Debatte vor Schliessung des Forums im letzten Dezember, damals hat Wal seine Zuflucht genommen zu einer Verfahrensweise, die ich gern übernehmen würde – indem er die Funktion des alten Forums einer Aufspaltung von Diskussion simulierte und einfach neue threads eröffnete. Es ist mein Vorschlag (und ich würde, wenn nicht entscheidende Einwände dagegen kommen, ihn mit eigenen Beiträgen umsetzen), dass wir mindestens zwei Fortsetzungen anschliessen:
1. die von Kim und Peter eröffnete Diskussion über die Rolle des „gesellschaftlich Durchschnittlichen/Notwendigen“ und die (von mir mit angestossene) Debatte, ob man es hier mit einem neuen und auf das „Reproduktionsmodell“ der Wert- und Preiserklärung nicht reduzierbaren, zugelich aber auch nicht einfach bloss marginalen Einfluss auf Tauschwerte zu tun hat;
2. die von AgneS eingebrachte und marx-kritische und/oder -interpretierende Alternativ-Ableitung des Werts;
3. Hingegen die ursprünglich von David und mir begonnene Erörterung der Arbeitswerttheorie und möglicher Kritik daran könnte schwerpunktmässig HIER im thread fortgesetzt weren, sofern es Bedarf danach gibt. (Gibt es, bei mir zumindest.)
———————————–
Ich verzichte für das folgende darauf, mich in die Moderatoren-Position zu begeben und unter dem Team-Avatar zu äussern, spreche aber jetzt durchaus in moderierender Absicht.
Wir haben in diesem Forum schon einige Auseinandersetzungen über „Polemik“ gehabt, es gibt aber eine weitere Quelle, aus der sich erhebliche Störungen für den gedeihlichen Ablauf der Forums-Kommunikation ergeben.
Ich fasse sie mangels besserem unter den Titel UNGEDULD (Polemik könnte man hingegen auch als Unduldsamkeit bezeichnen, dann wird vielleicht in der Wortgestalt die Verwandtschaft dieser beiden Kategorien spürbar…)

1. Zur Geduld beim Antworten gehört, dass man dem andern Zeit zur Besin nung lässt.
(Es geht, speziell in meinem Fall, oft damit los, dass ich schon zitiert werde, bevor ich mal die gröbsten Schreib- und Syntaxfehler, die mir leider reichlich unterlaufen, beseitigt habe. Nach Abfassen meiner Beiträge bin ich aber meist ausgelaugt oder hab andres zu tun, ich komme manchmal erst ein paar Stunden später zum Editieren und Wiederlesen.)

Anm. Ein in dieser Hinsicht problematischer Satz lautet dann: Aber was unwiderlegt dasteht, gilt. Kann man doch nicht stehen lassen. Doch, Peter, man kann. Es wird nämlich, ob es nun dasteht oder nicht, nicht wahrer, sondern bleibt, wahr oder falsch, wie es ist. Auch der andre wird nicht um so überzeugter, je wie-aus-der-Pistole-geschossener meine
Antwort kommt. Die grammatisch fehlerhaften Komparative, die ich scherzhafterweise benutze, deuten darauf: es handelt sich beim Überzeugtsein oder auch „gelten“ um QUALITATIVES, bei dem ein Mass zu denken oder gar die Beziehung auf Zeit, als Geschwindigkeit oder sogar Beschleunigung, wenig Sinn macht.

2. Das Ganze beruht aber auch auf Gegenseitigkeit. Die Zeit, die man dem andern lässt, lässt man auch sich selbst.
Die Sichtweise,, die ich hier, in im Wortsinn moderierender, nämlich zur MÄSSIGUNG und Zurücknahme ermunternder Absicht, vorschlage, ist: Wir stehen alle gemeinsam vor den „Gegenständen“, die wir mehr schlecht als recht sehen.
Wir versuchen uns, jeder und jede, ein Bild davon zu machen, und helfen uns dabei wechselseitig, machen uns aufmerksam auf Auffallendes, korrigieren Fehleindrücke (die sich uns so darstellen). Esgeht im wesentlichen NICHT um das Bild der Andern, an dem ich da arbeite; es geht um mein eignes und darum, mir selber KLAR zu werden.

Anm.Wer Klarheit und Übersicht hat, begreift auch, warum andre derzeit nicht sehen können, was er sieht, und was sie somit, in welcher Reihenfolge (ihre Aufnahmefähigkeit nicht überfordernd) gezeigt/gesagt bekommen müssten. Übrigens begreift er speziell, wenn das der Fall ist, dass die andern garnicht die Spielräume haben, um einer Darstellung zu folgen. Und dann lässt man es auch. Wir müssen hier ja kein Paukprogramm durchziehen.

Insofern wäre Ungeduld IMMER ein Anzeichen von Verworrenheit in wenigstens einer der genannten Hinsichten – derer, in denen BEGREIFEN erfordert ist.

3. Wer Geduld mit sich selber hat, hat sie dann auch mit dem andern. Auch in dessen Gedankengang muss man sich
eindenken, und sich die Zeit nehmen, ihn sich ZUEIGEN ZU MACHEN, als wäre man selbst drauf gekommen. In einem Beitrag würden dann Zitate fast nur noch vorkommen im Zusamenhang mit FRAGEN: War das so oder so gemeint? Ansonsten würde man die Gedanken des andern als objektiv Erwägbare einfach selber mitbehandeln, ohne darauf Bezug zu nehmen als:
Das hast doch DU gesagt. Das kann darauf hinauslaufen, dass man die Fehler des andern, die man bei ihm zu erkennen glaubt, in eine allgemeine und vor allem maximal überzeugend wirkende Form überführt:
Also versucht, das Fehlermuster dahinter zu durchschauen, und ebenso, warum die andern es nicht erkennen – was ihnen dazu fehlt. DAS kann man dann sagen. Man sagt es aber, auch in diesem Fall, erst einmal für sich selbst: Als zwanglose Antwort auf die Frage: Aus welchem Grund übernehme ich Sichtweisen von derundde Art nicht?

4. Verfänglicher Satz, ich äussere ihn dennoch: Das Gespräch ist nachrangig, im wesentlichen sind wir allein mit den Gegenständen, die wir begreifen müssen. Ich könnte es wieder scherzhaft so ausdrücken: Das Gespräch ist bloss die
laut oder lesbar gewordene Form der Selbstbesinnnung.

Ich hoffe, dass diese Bemerkungen ein wenig in Richtung einer VERLANGSAMUNG und Konzentration des Forumsgesprächs führen. Weniger ist oftmals mehr.
((Was zur Polemik zu sagen war, ist beinah vollständig darin eingeschlossen und miterledigt.))

Alles Gute, f.
….
Vorweg an Wal: Es wird doch einem Theoretiker als solchem kein grösserer Respekt gezollt, als wenn man 130 Jahre nach seinem Tod sich an SEINEN Themen und auch grossenteils Thesen und Theorien abarbeitet, fast als wären sie eben erst neu herausgekommen. Ob dem Theoretiker selbst das so lieb wäre, steht auf einem andern Blatt: Denn es bedeutet auch, dass über sein Werk hinaus offenbar wenig Bleibendes und Konsensfähiges geleistet wurde. Und das ist allerdings… erschreckend. Demgegenüber ist die Frage doch eher nachrangig, wer denn dem Buchstaben oder Geist oder beidem nach die wahren Erben und Marxisten sind.
—————————-
Pragmatisch: AgneS weist mich darauf hin, dass ihre Auffassungen stark in Richtung des Kim/Peter-Themas weisen. Wenn das so ist, und AgneS und Peter ohnehin schon ins, wie soll ich sagen, Handgemenge gekommen sind, halte ich mich mit Eingriffen erstmal noch zurück. Natürlich gehören aus meiner Sicht alle DREI Themen zusammen, und das Eigentum obendrein. Und am Anfang aller Klärung steht der Wirrwarr. Also lassen wir ihn vorerst mal stehen und arbeiten an den verschiedenen Strängen weiter. Mal sehen, ob und wie sie zsammenführen.

Hallo AgneS Peter Kim Wal David und alle Mitlesenden, ich beginne mit meiner Antwort, entsprechend der vorläfigen Entscheidung, die Viel-Strängigkeit, die sich in diesem thread entwickelt hat, auszuhalten und damit zurechtzukommen.
Es ist aber klar, dass ich jetzt nicht anfangen kann, wie Peter die vorgegebenen Texte Absatz für Absatz abzuarbeiten. Alles kommt hoffentlich dran, aber an seinem Platz. Wer wichtiges in seinen Beiträgen übersehen sieht, wird sich ohnehin melden, so wie euch kenne ^^

Wofür ist das alles gut?
Meine Behauptung oben war: Man (auch Marx) braucht die Arbeitswerttheorie AWT nicht, um die Tatsache der Ausbeutung und Erpressbarkeit der Lohnabhängigen einzusehen. Man kann sich durchaus fragen, warum sich dann solche (Lohnabhängige, wir) überhaupt für „Ökonomie“ interessieren sollten, wenns ihnen um ihre (uns um unsre) Emanzipation geht. Die banalen Antworten lauten:
a) um begreifen und einschätzen zu können, was da draussen vor sich geht – eventuell auch bloss, um zu begreifen, ob/dass/warum man es eben NICHT begreifen oder einschätzen kann
b) um Rechtfertigungen des Bestehenden (der Ausbeutung) als etwas angeblich „trotzdem Nützliches“ widerlegen zu können;
c) um zu wissen, was auf einen zukommt, wenn man Ausbeutung (Kapitalismus) „abschafft“.

In diesem Zusammenhang sind durch Art und Verlauf diverser „Krisen“ der jüngeren Vergangenheit Fragen aufgetaucht hinsichtlich des „Realgehalts“ und/oder der „Fiktivität“ von Vermögenswerten. Speziell Leute, die ihre Ausbeutungskritik verbinden mit der Übernahme mehr oder weniger aus dem Kapital von Marx entlehnter Argumente, und die damit aktuelle Vorgänge in kapitalistischen Ökonomien bzw Staaten erklären, sehen sich erneut herausgefordert, den gesellschaftlichen „Real“-Reichtm von „fiktivem“ wenigstens begrifflich zu trennen. Das Problem ist: Real (=“wirklich werthaltig“) und fiktiv werden erstmal mit demselben Mass gemessen – Geld. Zumindest im Prinzip soll angegeben werden können, wann und aufgrund welcher Kriterien nach „Entwertung“ aller möglichen Zahlungsversprechen ein Geldbesitzer sagen darf (ich drücke mich absichtlich vage aus), dass ein Vermögenszuwachs in Gestalt von Geld „real“, oder die Zusage eines Schuldners (Kapitalist, Aktiengesellschaft, Fonds, Bank, Staat), aus ihm erwachsenden Geschäftserfolgen Schuld und Zins tilgen zu können, realistisch ist.
Die radikale Antwort lautet: Es gibt keine. Das Geldanlegen und Finanzieren von Staaten geht wieder los und weiter, wenn es unterbrochen war, wenn Geldbesitzer entsprechende Erwartungen haben. Natürlich achten sie da auf durchaus vergleichbare Grössen (bei Volkswirtschaften, Staaten, Unternehmen) wie die Theoretiker – „reale“. Man kann dann fragen, was die Theoretiker ihnen eigentlich voraushaben. Gibt es da eine prinzipielle Differenz? Ich vermute: Nein.
Um diese Vermutung, so ist es geplant, sollen sich meine nachfolgenden Überlegungen hauptsächlich drehen.

Und jetzt zu ersten (kritischen) Rückfragen meinerseits.
1. an AgneS:
1.1. Deine Erwartungen an meine Antwort sind im Moment noch etwas zu hoch; denn du schuldest uns noch eine – wenigstens! – ANDEUTUNG, wieso die Kategorie „Eigentum“ gegen Überlegungen immun sein soll, wie du sie für „Arbeit“ und „Nutzen“ angestellt hast.
1.2. Auch du, wie übrigens Peter, benennst da ein NOTWENDIGES (gemeinsames) Merkmal von Sachen, die T-Werte aufweisen. Was ist das HINREICHEND-NOTWENDIGE, das ihnen allen gemeinsam zukommt?
1.3. Schaut man genauer hin, haben die genannten Qualitäten meist irgendwie RELATIONALEN Charakter (so wie zB Produkt-von…); aber, schlimmer, dieses ihr Verknüpftsein-mit-etwas liefert nichts weniger als zwanglos ein MASS, das das T-Verhältnis erklären könnte.
1.4. Die Relations-Kandidaten aber, die als (dann, wie von dir gezeigt, doch untaugliche Kandidaten) für die Messung infragekommen, scheinen kaum wegdenkbar zu sein: „nützlich, ja womöglich unentbehrlich für die Abnehmer“, „entstanden-aus dem Zusammenwirken von (dafür unentbehrlichen) Produktionsfaktoren“.
1.5. Die ganz besondere Relation, die sich in der Eigenschaft versteckt, Eigentum-von zu sein, schlüsselt sich genaer so auf: Vor der Abgabe Nichteigentum der Abnehmer, dann aber ihr Eigentum; ebenso wie die Produktionsfaktoren ursprünglich Nichteigentum des Produzenten sind, dann aber sein Eigentum; das Beharren auf dem AUSSCHLIESSEN aber würde auch den Eigentümer seinerseits auf der Stelle von Teilhabe am (modern-arbeitsteilig prodzierten) Reichtum der Restgesellschaft ausschliessen (er tauscht mit dem Produkt nicht nur Produktionsfaktoren sondern auch Lebensmittel und Luxusgüter ein).
1.6. Um dran zu erinnern: ICH habe eine Relation benannt, die beansprucht, fürs erste die Tauschverhältnisse zu erklären – aber NUR solche, die „reproduktiv“ Sinn machen: Mit dem Produkt muss man dessen Produktionsfaktoren (incl Konsumgüter für alle Beteiligte) „eintauschen“ können – innere Reproduktionsbedingung; dieser Produktfluss muss über eine geschlossene Kette von sich weit verzweigenden, zuletzt aber konvergierenden vergleichbaren Zwischenstationen in die Produktion der Produktionsfaktoren (nämlich pro abfliessender Produktmenge mindestens genauso vieler, wie für die Produktion mindestens erforderlich ist) einmünden – äussere Reproduktionsbedingung.
((Anm. Die innere Reproduktionsbedingung kann im wesentlichen als Pendant der Bedingung „unter üblichen Durchschnittsbedingngen der Herstellung dieser Produktart“ angesehen werden; die äussere als Pendant von „gesellschaftlich notwendig“). Frage erneut: Wo ist die „gemeinsame“ Qualität – ausser eben, in den genannten Zusammenhängen zu stehen? ((Woraus sich Mindest-T-Werte und Mindestpreise ergeben…)
1.7. Spätestens unter modernen Bedingungen ist es wahrscheinlich, dass aus dem genannten Zirkel Produkte des Produzenten oder deren direkte oder indirekte Folgeprodukte abfliessen, OHNE in die Produktionsfaktoren-Produktion in deren Ausgangs-Dimensioniertheit eingeflossen zu sein: Es gibt von so gut wie allen Produkten ein MEHRPRODUKT.
Wie und nach welchen Regeln wird das getauscht? – Vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die RATE dieser Mehrprodukte wahrscheinlich nichtmal bei zwei solchen Produkten (Waren, Gütern) dieselbe ist.

2. an Peter:
2.1. Ich weiss, dass Marx davon ausgeht, es gebe eine Durchschnitts-Profitrate. Gibt es sie? Woher weiss ein Kapitalist bei seiner Preiskalkulation, was er da drafschlagen kann/muss/ „darf“?
2.2. Arbeit, zugegeben, geht unmittelbar in die (End)Produktion vieler Güter ein; manchmal auch bloss Energie und Maschinenleistung. Daneben aber gehen ebenso immer Energie, Rohstoffe, Zwischenprodukte, Maschinen- und Arbeitsgerät-Gebrauch, Gebäudenutzung, Wissen-wie uswusw ein. Und ohne – geht nichts. Ohne Arbeit nicht, ohne das auch nicht. Geht man zurück, ist es genauso. Verzeihung, Peter – wieso verschwinden plötzlich all die andern Produktionsfaktoren aus der Betrachtung, bloss weil Arbeit AUCH unentbehrlich ist? Sind sie doch auch? Spätestens… unter den gegenwärtig üblichen Durchschnittsbedingungen der Produktivität… (und auch noch bei sehr viel unproduktiveren, vergangenen…)
2.3. Markteinführung, Innovation usw.: Da gibts eine Kalkulation, aber die Produzenten sind ja frei, an ihren Preisen zu drehen, m die „Elastizität“ der Nachfrage (für sie Umsatz) zu testen … da gibts den berühmten break-even-Punkt, die Gewinnschwelle. Und darüber wissen die Banken von vorneherein bescheid???

Wal… all deine „Anfangs“-Aussagen teile ich voll und ganz! Und nur in EINER Hinsicht könnte man sich trösten: die Differential- und Integralrechnung war 130 Jahre nach Newton und Leibniz noch keineswegs in einem guten Zustand. Man kann sagen, sie haben das ganze lange 19.Jahrhundert durch dran rumgedoktert, bis die Beweise so elegant waren (und stimmig), wie wirs im Oberstufenunterricht lernen. Wenn Marx unser Newton war (wenn nicht gar erst unser Kopernikus, Galilei, oder Kepler), brauchen wir uns also nicht zu schämen…

zu Peter: Ich wusste nicht, dass Diskutieren so strengen Regeln folgt? Was dich anlangt, so ist ganz gewiss nicht der Wunsch, du sollst deine Meinung zurückhalten, im Gegenteil, du unterbindest durch die strikte Bezugnahme auf den Text der Andern ein Verständnis deiner Meinung im Zusammenhang. Der geht oft verloren, der Andre muss ihn selbst herstellen. Wenns geht, aber das ist bloss ein Wunsch, wie gesagt, versuch doch mal herauszufinden, was an den Gedanken des Andern der wahrscheinlich ERSTE Fehler ist, aus dem andre folgen. Falls du ihn nicht errätst, wäre es vielleicht besser, statt gleich Los-zu-Kritisieren (aber bitte – klar, das geht auch!), erstmal nachzufragen, ob der andre es so oder so sieht – so wie ichs bei dir gemacht hab. Es heisst halt, und drum hab ich das in meinem „Moderations“-Sermon oben geschrieben, dass man sich mehr auf das mutmasslich GANZE der fremden Argumentation einlassen muss. Dafür ist nicht bloss der andre selbst verantwortlich. Ich sehe, wie oben angedeutet, Gespräche nicht als Argumentations-Turniere mit Hauen und Stechen, sondern gewissermassen als erweitertes Nachdenken über einen Gegenstand. Vielleicht erweise ich mich damit als ein Fall von Asperger-Syndrom, wer weiss…

Wal hat oben ein erstes Resumee aus seiner Sicht gezogen, und das Vorhaben einer sorgfältigen Begründung der Arbeitswerttheorie klingt äusserst vielversprechend. Ich finde es angebracht, dass Wal, so wie angekündigt, dazu einen eigenen thread eröffnet. Aber uns, damit meine ich vor allem Agnes und mich, die dieselbe Theorie eher von einem skeptischen oder alternativen (wenn auch wohl nicht demselben) Standpunkt besprechen, sollte dieselbe Gelegenheit gegeben werden. Daher scheint es mir Sinn zu machen, dass auch wir eigene threads eröffnen und unsere Auffassungen mehr im Zusammenhang darstellen.
In ein anderes Fach, aber nicht weniger einer Auseinandersetzung bedürftig, fallen die Äusserungen von Peter zur Gesprächsführung, die in gewissem Sinn die aus meiner Sicht unabgeschlossenen früheren Debatten hier über Polemik erweitern und fortsetzen würden. Auch die gehören, meine ich, in einen eigenen thread. Schon darum, weil diese debatte die sachliche Auseinandersetzung ständig durchkreuzt und die Konzentration darauf behindert.
Es fragt sich dann, was an und in diesem thread zu tun bleiben könnte, wenn so verfahren würde, wie ich es vorschlage.
Mir persönlich fallen da ein paar Themen ein, die gewissermassen noch vor der von mir vorgeschlagenen Auftrennung der Diskussion in Einzelstränge hier, am gemeinsamen Ausgangspunkt, erörtert werden könnten.
Ander mögen andre solche Themen sehen und einbringen, oder mir beim Vorschlag der Auftrennung nicht folgen.
Ich jedenfalls möchte zu diesen Themen im Anschluss noch jeweils einen Beitrag schreiben.

zu Wal oben: Keine Angst, Wal, ich will nichts Vereinbartes infragestellen, ich sehe nur mit dem Thema Dikussionsstil einen Anschluss hergestellt an Überlegungen, die damals nicht mehr geäussert werden konnten. Und ich finde eine Auseinandersetzung zu den Einstellungen, mit denen wir hier in unser Gespräch eintreten, angebracht – schon aus dem Grund, weil dies Thema offenbar wichtig genug ist, um immer wieder die Sachdebatte zu unterbrechen. Diese Auseinandersetzung sollte einen eigenen Ort bekommen.
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Gut, Peter, das war nun eine Darstellung von der Art, wie ich sie dir vorgeschlagen habe. Danke, dass du dir die Mühe gemacht hast. Sie gehört vielleicht insofern zurecht in DIESEN thread, als sie nochmals die Sorte Argumente zusammenbringt und wiederholt, die am Ursprung der Arbeitswerttheorie stehen, und gegen die in der Tat eine Widerlegung dieser Theorie angehen können muss.

Bevor das geschieht, möchte ich aber grundsätzlich eine Bitte an dich aussprechen. Ich KANN nicht glauben, dass dir nicht bewusst ist, dass ein früher Ethnologe wie Morgan oder gar Platon heutzutage nicht mehr als „Quellen“ für die Früh- und Vorgeschichte herangezogen werden können. Das Wissen darum mag nach wie vor unendlich lückenhaft und auch ungenügend verarbeitet sein – was nach ca. 150 Jahren Archäologie bekannt ist, sollte nicht in dieser demonstrativen Art ignoriert werden, wie du es in deiner Darstellung tust:
Wo, bitte, gibt es auch nur einen einzigen Fall von „Nomadenversklavung“, geschweige denn,, dass dies die Regel gewesen wäre? Das Umgekehrte ist wegen der oftmals viel grösseren Beweglichkeit und waffenteschnischen Überlegenheit der Nomaden der Fall gewesen. Aber wichtiger sind all die wenig spektakulären Formen der Verschmelzung beider Produktionsweisen und der wiederholten Sesshaft-Werdung und erneuten Wanderungsbewegung (etwa auch im Zusammenhang mit Klimaverschiebungen).

Was du von vorneherein ausseracht gelassen hast, ist die Staatenbildung, die auch nicht einfach mit Versklavung gleichzusetzen ist. Und, als materielle Grundlage, die extreme Fruchtbarkeit der früh landwirtschaftlich genutzten Flusslandschaften, die ORGANISIERTE und ausgeklügelte Anlage und Bedienung von Bewässerungsanlagen erforderten. Wichtig ist hier das Element der KOOPERATION innerhalb relativ grosser Bevölkerungen, das ein MehrPRODUKT, nicht einfach bloss MehrARBEIT über die Subsistenz hinaus ermöglichte. Damit ist eine weitere von dir nicht benannte (sondern an der entscheidenden Stelle einfach unterstellte) Kategorie angesprochen: PRODUKTIVITÄT. Es ist nämlich keine Selbstverständlichkeit, dass Arbeit, speziell Nahrungsmittel-produzierende, speziell unter vormodernen Randbedingungen, solche Überschüsse abwirft. Ohne Bodenfruchtbarkeit und ausgeklügelte (vormoderne) Technologie hilft da die härteste Ausbeutung nichts.
Die Verschiedenheit von:
a) Kombination aus Subsistenz und Eigenbedarf und Handel mit Überschüssen,
b) Mehrproduktion ausdrücklich für den (uU überseeischen) Fernhandel zum Erwerb anders nicht zugänglicher Güter,
c) schliesslich die Spezialisierung als ausschliesslicher Handwerker und Warenproduzent (Eigentümer der Produktionsmittel) mit oder ohne Zwischenhandel,
wird in deiner Genealogie zu wenig berücksichtigt.

Mit der Sklaverei ist es auch so eine Sache. Die Arbeiter an den Pyramiden zB waren nach allem, was man an Hinterlassenschaften in ihre Wohnstätten gefunden hat, massenhaft ziemlich gut gestellte Fachleute. Sklavenarbeit im engeren Sinn, also Zwangsarbeit, ist, wie man in neueren Zeiten bemerken kann, nur auf einer sehr niedrigen Stufe der Produktivität möglich. „Sklave“ ist in vielen antiken Gesellschaften, speziell der römischen, ein sozialer Status, der keineswegs endgültig war – Freilassung scheint eher die Regel gewesen zu sein als die Ausnahme.

Die politökonomische Rolle vormoderner politischer Strukturen wird von dir massiv unterschätzt: Kooperation wurde schon erwähnt; nicht nur Produktion wird uU koordiniert, sondern auch die kollektive Vorratsbildung über grosse Entfernungen hinweg. Die innere und äussere Sicherheit stellen eine erhebliche Entlastung der Produzenten von existenziell notwendigen Nebenleistungen dar, sobald sie in ihrer Reproduktion von lagerfähigen und damit auch entwendbaren Produkten abhängig sind. (Vor und neben dem Tausch steht der Raub oder die vorauseilende Tributzahlung oder -eintreibung, nach der einen Seite; nach der andern das den andern „beschämende“ grosszügige Gastgeschenk (das erwidert wird); die Bewirtung der Fremden und Reisenden; die Abgabe zB von Opfern an einen Kultort (die dort verwertet wird). Das ist damals wie heute keineswegs alles unter „Ausbeutung“ und „Zwang“ zu fassen, bis hin zu öffentlichen Festen und Kult- und Staats-Veranstaltungen und dem Aufwand, der dabei gerade auch für die Zuschauer getrieben wird.
Die Frage ist, was die MODERNITÄT zu vormodern entwickelten Produktionsverhältnissen hinzutut. Dazu möchte ich mich im Zusammenhang mit der Frage äussern, die bei der systematisch-theoretischen Erörterung der Arbeitswerttheorie eine zentrale Stelle einzunehmen scheint: Inwiefern lässt sich „alles letztlich in Arbeit auflösen“?
Dazu meinerseits demnächst mehr…

1. Tauscht sich alles mit allem? Wird im Tausch etwas gleichgesetzt? muss es ein „gemeinsames Drittes“ geben?

Dreimal nein, von meiner Seite. – Was ich vorgetragen habe, diese „reproduktive“ Kreislaufidee (worin das „Mehrprodukt“ noch nicht in Betracht gezogen ist), deutet an, warum ich so denke.

Nein, die allgemeine Austauschbarkeit von allem mit allem macht für Warenproduzenten, die als solche ihr Einkommen erzielen, nicht den allergeringsten Sinn. Die „allgemeine Äquivalenz“, wo ein Lager voller Schuhwichse-Packungen gegen eines voller (Geh)Röcke oder eine Lokomotive oder… (Tauschpartner in gehöriger Proportion, quer durch alle überhaupt angebotenen Warensorten hindurch) getauscht wird, hat einen marginalen Ansatzpunkt in der kapitalistischen Realität: Da nämlich, wo Investoren ein zu wenig oder garnicht gewinnträchtiges Geschäft „liquidieren“, dh zu Geld machen, um ein neues Investment zu eröffnen – in einer Branche, die „zukunftsfähiger“ ist – wo man sich also mit entsprechenden Produktionsmitteln eindecken muss. Das eine wird abverkauft, das andre wird neuerworben, ja solche „Tauschvorgänge“ finden statt. Bloss: Auch sie stehen unter dem Vorbehalt, dass die Tauschenden ihren Strang oder besser, ihre Station in der gesellschaftlichen Reproduktion sichern müssen; von dieser ökonomischen Rationalität sind die Wechsel ihrer Engagements bestimmt. Und so JEDE „verrückte“ Tauschbeziehung – Schuhe gegen Strom? Ja, auch moderne Schuhproduzenten brauchen welchen. Man kann sein Vermögen (angespart in jahrzehntelanger Erwerbstätigkeit) zusammennehmen, so man eines hat, und sich einen supermodernen Schaufellader zulegen. man kann den dann vermieten (leasen), oder wiederverkaufen. Für Privatmenschen machen solche Anschaffungen keinen Sinn. –

Hier könnte man sogar von der allerersten Geld- und Waren-Fetisch-Illusion sprechen: Der Schein der allgemeinen Handelbarkeit ALLER Güter, ihre unmittelbare Tauschbarkeit, täuscht über ihren technischen Sachzusammenhang in der Produktion hinweg – und darüber, dass hier die Souveränität im Gebrauch des allgemeinen Tauschmittels massiven Beschränkungen unterliegt.

Es wird auch nichts verglichen; ausser in den Sinn, dass das Produkt mindestens „kostendeckend“ hergestellt werden muss, dh jede Einheit des Produkts muss imstand sein, die in sie eingehenden Produktionsfaktoren „einzutauschen“. Zusätzlich aber muss es in einen gesellschaftlichen Reproduktionsprozess eingespeist werden, der über zahllose auch sich verzweigende Zwischenstationen das Produkt wieder in die Produktionsfaktoren „verwandelt“. Dabei kann ein Teil des Produkts entnommen werden (sein „Mehrprodukt“), ohne dass die Mindest-Menge an Produktionsfaktoren, die zur Wiederholung des Produktionsaktes des fraglichen Produkts erforderlich ist, unterschritten wird.
DAS, wenn man so will, sind die beiden Gleichungen, die in der Realität stimmen müssen, oder umgesetzt sein müssen. Und dabei werden nicht bloss zwei Waren, sondern EINE Ware(nsorte, ein Produkt) wird einer Kombination verschiedener Waren (ihren Produktionsfaktoren) „gleichgesetzt“. Grundsätzlich kann man sagen: Sobald die Verbindung, ausgehend von diesen Produktionsfaktoren, und deren Gleichsetzung mit IHREN Produktionsfaktoren, zum „Produkt“ über ALLE möglichen Verzweigungen durchgängig gemacht ist, muss sich am Ende eine lückenlose Kette von Tauschrelationen ergeben, die die technisch-produktiven Zusammenhänge quasi in der umgekehrten Richtung abbildet.

Damit ist allerdings noch nicht alles über das Gleichsetzen gesagt. Denn diese Art Gleichung (vorwärts, rückwärts gelesen) beruht ausdrücklich auf (Re)Produktionsbeziehungen zwischen zwei Gütersorten, und darauf, dass sie Teil eines funktionierenden Reproduktionsprozesses sind.
Aber diese Bedingungen gelten so nicht für Güter, von deren Überhaupt-Vorhandensein bzw. Zufluss, und das in gegebner Menge, dieser ganze Reproduktionsprozess abhängt – genauer, seine „Stufenleiter“, seine Ausdehnbarkeit in gegebnen Proprotionen (den in den „technisch“ begründeten Tausch-Gleichungen ausgedrückten): Rohstoffe, Energie; in gewissem Sinn auch das (Lohn)Arbeitsangebot. – Würden DIESE Güter in beliebigem Umfang in den Prozess eingespeist werden (oder gegen in ihm entbehrliche, also Anteile seines „Mehrprodukts“, eingetauscht – solche, die aus ihm entnommen werden oder abfliessen können), so könnte dieser Prozess proportional ebenso beliebig ausgedehnt werden – indem jene Anteile seines in gleichen Proportionen mitwachsenden Mehrprodukts, die gegen die „Randbedingungs- oder „Fundamentalgüter/waren“ des Prozesses getauscht werden, gegen angemessen zusätzliche Mengen dieser Güter getauscht werden. Den Fundamentalgüter-Anbietern fliesst dabei ein Teil der von ihnen ans Reproduktionssystem gelieferten Gütermenge in „veredelter“ Form wieder zu; „netto“ haben sie somit auch etwas reproduziert. Was im (uU gewachsenen) Reproduktionssystem verbleibt, ist IHR Überschuss oder Mehrprodukt, der sich gegen… was tauscht? Was sie abgeben, geht in die Produktion von Re- und Mehrprodukt ein; aber das, was ihnen netto aus dem Mehrprodukt als echter Überschuss zufliesst (und sich somit gegen das netto von ihnen ins Reproduktionssystem Abgegebene tauscht), produziert nichts, sondern verschwindet in der Konsumtion der Fundamentalgut-Eigentümer. Sie besitzen eine begrenzte, nicht beliebig ausweitbare Gütermenge (von zwischenzeitlichen Erschliessungen auch mithilfe der zugeflossenen Mittel aus dem Reproduktionssystem wird abgesehen), die für sie Einkommensquelle (Mittel ihrer Reproduktion) ist; aber auf der andern Seite gilt dasselbe: In Gestalt des Mehrprodukts verfügen die Eigentümer des Reproduktionsprozesses in ihrer Gesamtheit ebenfalls über eine „freie“, überschüssige, aber nicht beliebig vermehrbare Gütermenge, die sie zum Tausch gegen verbrauchte und erstmals (zusätzlich) eingesetzte Fundamentalgüter anbieten können.
„Gleichgesetzt“ wird hier immer noch nichts. Was nicht heisst, dass die Tauschverhältnisse ganz beliebig wären. Durch Annäherung an die Grenze der Erschöpfung der Naturquellen eines Fundamentalgutes (eines gegebnen Schwierigkeitsgrades seiner Erschliessung; letztere ist bereits Bestandteil des Reproduktionssystems) wird zugleich ein Punkt der Limitierung der Ausweitung des Reproduktionssystems und seines Mehrprodukts erreicht. Wenn Eigentümer von Fundamentalgütern immer grössere Mengen des Mehrprodukts für Bereitstellung zusätzlicher Einheiten des Fundamentalgutes verlangen, ist irgendwann der Punkt erreicht, wo das durch diese Bereitstellung ermöglichte zusätzliche Wachstum des Mehrprodukts Null wird – weitere Ausweitung des Reproduktionssystems durch proportionales Wachstum lohnt vorerst nicht.*) Alle weitere Steigerung des Mehrprodukts muss sich ab da erstmal durch Produktivitätssteigerung ergeben. Wie aber Ingangsetzung von Produktivitätssteigerung und Innovation (gänzlich neue Güter) durch Tauschvorgänge eingeleitet werden können, ist im Moment völlig ungeklärt. Ich möchte dieses Thema in dem geplanten neu zu eröffnenden thread über Mehrpodukt-Verwendung behandeln.

*) Es lohnt nicht für Nichteigentümer von Fundamentalgut-Quellen. Deren Eigentümer können natürlich, statt an sie abgetretene zusätzliche Mehrpodukte zu konsumieren, diese auch produktiv verwenden, und ihrerseits in die Rolle von Reproduktions-Stations-Eigentümern und Mehrprodukt-Erhöhern eintreten.Ihre Position hat sich dadurch um keinen Deut geändert. Gleiches gilt, wenn Reproduktions-Stations-Eigentümer ihnen zufallendes Mehrprodukt dazu benutzen, von Eigentümer von Fundamentalgut-Quellen diese zu erwerben. Die Begrenztheit der Fundamentalgut-Quelle werden sie nicht los, ganz gleich, wie sie sie intern verrechnen; ebenso können sie den „lähmenden“ Effekt ihrer Erpressung auf die Ausweitung des Mehrprodukts durch die restlichen Reproduktionsstations-Eigentümer nicht verhindern, sobald der Punkt erreicht ist, wo deren zusätzliche Mehrpodukte durch den verlangten Preis für zu deren Produktion benötigte zusätzliche Einheiten eines Fundamentalgutes aufgezehrt würden.

Die beiden folgenden Punkte wären: Die Auflösung von allem in Arbeit – und: Real, nominal, fiktiv, oder: Wie stehen die Kategorien Wert, Preis, Geld in Zusammenhang?
Ich unterbreche hier, damit mein Text nicht zu lang wird.

Zu den Erwiderungen von Peter: Achtung, ich habe ua von dir angemahnte Satz- und Ausdrucks-Fehler in meinem Text nachträglich korrigiert.
Ich antworte erstmal bloss auf Einwände, die ich zum Anlass nehme, meine Ausführungen zu präzisieren:

Peter Nowak schrieb:
Auch das ist falsch! Es wird jedes einzelne Warenprodukt in Geld bewertet, nicht nur Produktionsmittel und Arbeitskraft. Demzufolge ist aber alles mit allem tauschbar, nämlich zwar über das Geld, dieses vertritt aber nur die Rolle der Arbeitszeit.

Peter, genau diese allgemeine Tauschbarkeit von allem mit allem (jede Warensorte befindet sich in der allgemeinen Äquivalenzform, KÖNNTE als allgemeines Tauschmittel fungieren) ist irreal: Warenproduzenten können nur ganz bestimmtes mit bestimmtem „tauschen“, sonst sind sie die längste Zeit Warenproduzenten und Eigentümer ihrer Einkommensquelle gewesen. Und, kleine Nebenstichelei: Tauschen ist nicht Gleichsetzen. NIRGENDWO gibt es einen Anhaltspunkt, warum solches Gleichsetzen zum Vollzug des (Geldvermittelten) Tauschens (zerfallend in zwei für den Warenproduzenten entscheidend verbundene Transaktionen, Verkaufen (von Produkt) und Kaufen (von Produktionsfaktoren) nötig sein soll.

„Zusätzlich aber muss es in einen gesellschaftlichen Reproduktionsprozess eingespeist werden, der über zahllose auch sich verzweigende Zwischenstationen das Produkt wieder in die Produktionsfaktoren „verwandelt“.
Ja, nämlich in die Käufe bei verschiedenen Produzenten.

Ja, der Warenproduzent muss kaufen, aber es muss ihm auch was zum angemessenen Preis angeboten werden – und das setzt eben technische Schliessung des genannten „äusseren“ Zweigs der Reproduktion SEINES Produkts (Teilstation des Gesamt-Güterflusses der überhaupt am Reproduktionsprozess beteiligten Güter) voraus. Kaufen zum angemessenen Preis hat hier eine lange (vom zuvor verkauften Produkt ausgehende) Kette an materiellen Voraussetzungen… Darauf wollte ich hinweisen.

Der thread wird vermutlich langsam ungeniessbar für alle, die nicht unmittelbar mitschreiben. Drei Leute haben sich da offenbar allerhand zurechtgelegt (vielleicht nicht ganz ausgegoren), und fangen an, es öffentlich darzustellen. Dabei reden sie durcheinander, man verliert die Übersicht.
So gehts eigentlich nicht.
Aber nachdem die Fortsetzung des threads schon einigermassen verkorkst und verknotet ist, kann man experimentell noch ein bisschen darin weitermachen, im Themenbrei rühren, und – wenn auch etwas zusammenhanglos – sehen, ob sich die ein oder andre Einsicht findet, an die man anderswo nochmal anknüpfen kann. Ausserdem wärs ja ein Fortschritt, wenn sich die drei „Theoretiker_innen“ hier in einigen Hinsichten ein wenig annähern. Das ist mein Motiv, wenn ich hier weiter antworte.

Ich sehe die historischen Exkurse vor allem als Bebilderung jener Sachverhalte, die im Zusammenhang mit „Tausch“ und „Wert“ so fundamental sind, dass sie eben auch auf früheste Stadien zutreffen. Es ist eine Art, über das „Fundamentale“, die selbstverständlichen Voraussetzungen auch noch in den heutigen viel komplizierteren Verhältnissen nachzudenken.
Vieles an diesen Überlegungen ist nicht wirklich „empirisch“ – es hat eher den Charakter von: So und nur so muss es (gewesen) sein – weil es anders keinen Sinn macht. In der einfacheren Praxis historischer Vorstufen stellt sich dieses zwingend „so und nicht anders“ zu Denkende eben noch unvermischt mit allzu viel anderen Bestimmungen dar.

Dennoch handelt es sich bloss um eine spezielle Art der Darstellung „notwendiger“ Bestandteile der aktuellen Phänomene – es bleibt die Aufgabe des Erklärers, zu begründen, warum es so sein muss und anders nicht sein kann.
Das gilt übrgens sehr speziell für Argumente, warum etwas „nur so und nicht anders zustande(ge)kommen sein kann“, also Resultat einer notwendig so verlaufenden Entwicklung ist, und ohne sie nicht dawäre – nur, dass es sich, einmal zustandegekommen (wenn nur bestimmte allgemeine Randbedingungen fortbestehen), offenbar stabil weiter erhält, sich „reproduziert“.
Auf einem Gebiet, das der hier eigentlich diskutierten Arbeitswerttheorie recht fern zu liegen scheint, sind die drei Theorien thematisch ganz eng beieinander, um nicht zu sagen, sie stossen zusammen. Ich meine die Rolle der Gewalt beim Zustandekommen der heutigen Verhältnisse.
Peter hat eine Art „Genealogie“ (Erklärung des notwendigen Entstehens (aus…), Ableitung) der Mehrprodukt-Produktion angedeutet: „Barbarische“ Subsistenz-(„Acker“)Bauern („Kain“) sind in beinah unvermeidlichen Konflikten mit (Kleinvieh-)Nomaden („Abel“ (korrigiert)) notwendig, da zahlenmässig weit überlegen, die Gewinner, versklaven ihre Kriegsgefangenen, aus deren erzwungener Mehrarbeit entsteht ein Mehrprodukt, dessen Vorhandensein weitere „zivilisatorische“ Entwickungsschritte in Gang setzt. Dazu gehört die Versuchung, bei grossen Eigentums-Gefällen und Konzentration von sachlichem Reichtum an einem Ort (und grosser Armut drum herum), sich diese anzueignen: Erklärung von „Raub“.
„Wilde“ hingegen hatten, nach Peter, kein Interesse, sich zu berauben, darum konnte, ihm zufolge, der von AgneS für eine eigene Benennung vorgeschlagene Fall eines mit nicht-staatlicher Gewalt geschützten (aber auch wegen des Begehrens aktueller Nicht-Besitzer schutzbedürftigen) „Besitzes“ niemals eintreten. Für AgneS sind damit aber entscheidende Momente des „Tauschens“ benannt, die bis heute (in modifizierter Form: man schützt den „Besitz“ eben nur nicht mehr selbst) dafür bestimmend geblieben sind. So sehr, dass im weiteren Fortgang ihrer Theorie zB die zeitliche Abtretung des Besitzrechtes (im Sinn von Nutzung) des „geschützten“ Gutes zur Erklärung von „Zins“ herangezogen werden kann.

Ich wiederum habe in meinen Anmerkungen zu Peter ihm vorgehalten, mehr oder weniger TECHNISCHE und daneben nicht oder nicht unmittelbar gewalt-begründete soziale Aspekte im Zusammenhang mit seinen Gegenständen vernachlässigt zu haben:
lokale Bodenfruchtbarkeit in Verbindung mit Bewässerung, dafür nötige arbeitsteilige Kooperation (Organisation) grösserer Bevölkerungen, Spezialisierung und Arbeitsteilung (incl. beaufsichtigte Verteilung der Erträge auf die verschiedene Gruppen von Arbeitenden), Vorratsbildung zum Ausgleich von Ertragsschwankungen an verschiedenen Orten oder zu verschiedenen Zeiten. Die „Gewalt“ kam dabei herein über die Aufgabe der Sicherung solcher Gemeinwesen gegen Übergriffe von aussen oder innen. Das (vorwiegend agrarische) Mehrprodukt erklärte sich vor allem aus der PRODUKTIVITÄT des Gesamtsystems, der Begriff „Mehrarbeit über die notwendige Arbeit hinaus“ erscheint unter dieser Voraussetzung zunächst schwer abgrenzbar.
Der Übergang zur „zivilisierten“ Staatenbildung entsprang nach dieser Erklärung vor allem der Notwendigkeit für die Subsistenzbauern, zunächst nur zu ihrem Überleben auf eine lokale Klimaänderung zu reagieren – die neue „gesellschaftliche“ („orientalische“ oder „asiatische“) Produktionsweise eröffnete dann aber durch das Ausmass der mit ihr erzielbaren Überschüsse Chancen zu einer Nutzung, die ergriffen werden konnten – oder auch nicht.
Über die Motive, etwa Kult, Repräsentanz, Fernhandel, Grossreich-Bildung und den „Gewaltanteil“ in ihnen wäre näher zu reden. (Vergleichbare Nebenmotive für je dazu gehörende „(geschützte) Besitz“-Wechsel parallel zur eigentlichen „Tausch(handels)form“ hatte ich oben auch angeführt: Steuer/Tribut und/oder präventives „Schenken“ (gegenüber antiken Herrschern bzw. Staaten unüblich??), „beschämendes/beeindruckendes“ Schenken und Gegenschenken, speziell Schutz und Bewirtung von Reisenden und ev. Flüchtlingen, Opfergaben, Feste, „Repräsentanz- und Prestige“-Unternehmen).

Zwei Gedankenfiguren von Peter scheinen mir problematisch:
1. Rauben/stehlen, etwa aus NOT, sollte kein mögliches Motiv sein? Der gewöhnlichste aller Raubzüge in vormodernen Zeiten ist die gewaltsame Landnahme, Vertreibung der bisherigen Nutzer, Ausbreitung in ihr Gebiet hinein, oder wegen Aufgabe bislang genutzter Anbau-Gebiete oder Produktionsweisen (Durchzüge von Gruppen durch bebautes Gebiet (Flusstal) als Sonderfall).*)
Spätestens im Stadium der „Barbarei“ boten sich doch vielfältigste Anlässe dazu.
„Versklavung“ in diese Zeit zu verlegen als reguläres und MASSENPHÄNOMEN, erscheint mir wiederum eigenartig: Wie hätte man denn sich gegen soviele (auch noch untereinander „kooperierende“) Sklaven wehren sollen, wie Fluchten verhindern? Als vorübergehendes Einzelphänomen mag frühe Versklavung denkbar sein, aber die Ableitung eines Zivilisations-ermöglichenden Mehrprodukts einzig aus deren Mehrarbeit ist nicht gut möglich: Das war ausgedrückt durch den Satz oben, dass härteste Ausbeutung solche Erträge nicht erbringt, wenn die Arbeit nicht durch entsprechende Produktivität unterstützt ist. Zu deren Ermöglichung ist aber uU Arbeitsteilung und „Mehrarbeit“ für die nicht unmittelbaren Funktionsträger der Organisation „notwendig“.
*) Die Wild-West-Auseinandersetzungen in den USA fanden statt zwischen Gruppen, die nichtmal die Waffen selbst produziert haben, mit denen sie sich bekämpften. Auch die Kräfteverhältnisse beruhen auf einer Dichte der sesshaften Bevlkerung, die in antiken und frühgeschichtlichen Siedlungsräumen nie erreicht worden sein dürfte. Gleiches gilt auch für die Beweglichkeit dieser Landbesitzer, die den modernen „Nomaden“ (frühe Nomaden hatten keine Pferde!) darin absolut ebenbürtig waren (die waren mit ihren Vieh-Trecks doch eher langsam!). Grundsätzlich glaube ich, dass weit überwiegend berittene Nomaden-Gruppen militärisch überlegen gewesen sein dürften. Übrigens: Die „indoeuropäische“ Ausbreitung im Zusammenhang mit der Kombination aus Ackerbau und Viehzucht (ua Teil der Kurgan-Hypothese), wird derzeit (anders als in dieser Hypothese) als eine langsame, friedliche Ausbreitungsbewegung einer Produktionsweise angenommen.

2. Das wichtigste Motiv für frühes Tauschen ist von beiden Kontrahenten in der Kontroverse übersehen worden: Die Ungleichverteilung von Natur-Gütern und der Fernhandel damit – etwa Feuerstein, Bernstein und andre Schmucksteine, Metall. Was Handwerksprodukte angeht, waren die betreffenden Spezialisten meist relative Monopolisten – spätestens die Händler, die das Risiko des Transports der Ware auf sich nahmen, waren es. Händewechsel von der Art Sammler-Produkt gegen Jagdbeute in frühen Zeiten dürften (das wurde ja auch richtig vermerkt) ziemlich selten gewesen sein, auch da mögen regionale Verteilungen innerhalb von Streif-Revieren eine Rolle gespielt haben. Ansonsten waren beide Tätigkeitsbereiche auf der Ebene der kleinsten Subsistenz-Gruppen „naturwüchsig“, beides war gleich wichtig zur Reproduktion der Gruppe. Die Arbeitsstundenrechnung in diese frühe Phase der Jäger/Sammler zu verlegen, erscheint mir völlig abwegig, und die Überlegung ist aus meiner Warte vor allem von Interesse, um zu erörtern, welche für solche Kalkulationen nötigen Voraussetzungen dort FEHLTEN. Das könnte man ja mal nachholen.

Speziell nochmal zu Erwiderungen von Peters Seite zur Arbeitswerttheorie im engeren Sinn:
Klar, man kann seine Einkommensquelle verkaufen und und sich dafür Lebens- und Luxusmittel vielleicht auch „sinnlose“ neue Produktionsmittel (wie von mir mir oben fingiert) kaufen. Vielleicht reicht das zum Leben bis ins Alter. Aber Einkommen erzielt man dann erstmal nicht mehr, so wie vorher als Warenproduzent (mit oder ohne lohnabhängig Beschäftigte).
Mein Argument immer wieder: Die modern-arbeitsteilige Reproduktion einer Gesellschaft auf Basis von Warenproduktion stellt jede Einzelstation, jeden Warenproduzenten, unter Bedingungen, unter denen er einzig weitermachen kann:
Die eine betrifft seine kleine Produktionseinheit, wo er den (wiederholbaren, „nachhaltigen“) Weg finden muss von einkaufbaren Produktionsfaktoren zu einem verkäuflichen Produkt, auf eine Weise, die sich in den Produktfluss der Rest-Gesellschaft (speziell den Zweig, der über vielfach sich verzweigende Teil-Flüsse und Stationen (mit ebensolchen intern-technischen Reproduktionsanforderungen) von seinem Produkt zu seinen Produktionsfaktoren führt) einfügt – das ist die Bedingung mit der durchscnittlichen, „üblichen“ Produktivität, die sein spezieller Betrieb einhalten muss; die andre ist die Bedingung, dass sich die in diesem Betrieb geleistete Arbeit und Mittelverwendung als Teil der gesamtgesellschaftlichen, ich präzisiere: des reproduktiven Kreislaufs, erweisen muss. Andernfalls fliegt er raus, und ist einkommenslos.
Die Rede vom Gleichsetzen, vom Tauschen, von der Äquivalenz oder Vergleichbarkeit von allem mit allem, ist dann so sinnvoll oder sinnlos, wie sie sich in den beiden für ALLE Beteiligte zusammenhängenden „Tauschakten“ anwenden lässt: Die Relation „… ist gleichviel wert wie…“*) MUSS (zur Wiederholung, eben „Reproduktion“ des Produktionsaktes bzw. des Produkts einschliesslich der Produzenten (über die Zeit dieser Herstellung) MINDESTENS die interne technische Beziehung jeder Produkteinheit zu den für ihre Produktion nötigen Einheiten an Produktionsfaktor-Gütersorten abbilden; um wiederholbar zu sein, muss sich aber ein dauerhafter „Fluss“ zwischen Produkt und den Produktionsstätten für diese Produktionsfaktor-Sorten einstellen – vermittelt über lauter solche durch die internen technischen Anforderungen der zwischengeschalteten Produzenten und Warentauscher begründete „Gleichwertigkeits“ -Beziehungen. Sie und NUR sie stellen die wirklich REALISIERTEN und dauerhaft reproduzierbaren „Tausch“- Verhältnisse dar.
*) selbst diese Relation ist nicht im engeren Sinn als ein „Gleichsetzen“ zu bezeichnen…

Die Besonderheiten, die sich ergeben aus dem Bezug zu Eigentümern (und somit „Tauschpartnern“) von „Fundamentalgütern“ für diesen Prozess, die er nicht selber hervorbringt, aber zu seinem Betrieb (oder proportionalen Ausweitung) auf bestimmte(r) Stufenleiter benötigt, habe ich bereits angedeutet.
Aber ALLES wird anders, wenn man anfängt, die Rolle NICHT-proportionaler Ausweitung einzelner Zweige, speziell: Produktivitäts-Steigerungen, oder völlig neuer Produkte usw in das System miteinzubeziehen. Und sich fragt, wie das die bis dahin gültigen dauerhaft „verwirklichbaren“ Werte bzw. „Gleichwertigkeitsbeziehungen“ verändert. Die Frage erweist sich uU als falsch gestellt; weil dann eben überhaupt nichts mehr von Dauer ist.

Mit Geld KANN man alles kaufen; die Frage ist bloss, wie es dann weitergeht für Verkäufer und Käufer – welche Rückwirkungen welche Kauf- und Verkaufsentscheidungen haben hinsichtlich bestimmter – für die REPRODUKTION der modern-arbeitsteilig produzierenden Gesellschaft von Privat-Eigentümern und Warenproduzenten und -anbietern einschliesslich der „Ware“ Arbeitskraft entscheidender – Gütergruppen.

Wie erklärt man Geld? Wie erklärt man Preise? KANN man sie überhaupt erklären? Macht ökonomische Theorie Sinn, kann sie die – uU verborgene, nicht offensichtliche – Rationalität (die meinetwegen auch „systematisch“ krass einseitige Verteilung von Vorteilen darin) des marktwirtschaftlichen Systems offenlegen und beweisen? Ich sage dazu: NEIN. Kapitalismus und Konkurrenz ist aus meiner Sicht (als Klassengesellschaft) spätestens unter modernen Bedingugen brutal (für wahrscheinlich alle Beteiligte); vor allem aber NICHT RATIONAL – ein System, das Vergesellschaftbarkeit unendlich arbeitsteiliger moderner Produktion VORTÄUSCHT und die ILLUSION erzeugt, dieser Prozess sei von den Einzelstationen, über die er verläuft, irgend sinnvoll und „effizient“ im Sinne des Vorteils der übergrossen Mehrheit der Beteiligten oder einer benennbaren Teilgruppe von ihnen (Klasse) steuerbar.

zu AgneS.
Die von dir abstrakt behandelte Elementar-Situation „Tausch“ schliesst einige höchst unterschiedlicher Motive und Sachlagen ein, was ihren Erklärungswert (der auf das abstrakt Gemeinsame in all diesen Fällen zielt) hinsichtlich der Gründe von Tauschproportionen (der dauerhaften Grenzen, in denen sie allenfalls kurzfristig schwanken) erheblich reduziert. Die speziellen Sachlagen sind dabei zum Teil in bestimmten Phasen der Wirtschaftsgeschichte (auch einzelner Regionen) vorherrschende gewesen, teilweise treten sie, und das bis heute, nebeneinander auf.

Die erste mögliche Unterscheidung von Fällen hast du noch erwähnt: Die Abwägung, ob es sich lohnen könnte, mit Gewalt an das begehrte Gut zu kommen. (Heute höchst aktuell in Gestalt der Installation einer rohstoff-ausverkaufenden lokalen „Regierung“ oder eines Regimes, zustandegekommen etwa als von aussen mit überlegenen Waffen belieferte „Rebellenarmee“ vor Ort, zB als Hutu-Miliz in einer Gegend von Coltan-Abbau). (Ein Extrembeispiel für gewaltsame Aneignung fremden „Eigentums“ ist die Versklavung, oder auch die öfter schon erwähnte Vertreibung der Bewohner von dem bislang von ihnen bewohnten (Subsistenz-garantierenden) Gebiet, mit oder ohne Totschlag.)
Genau dann, wenn diese Erwägung sich verbietet, müssen einige neue Voraussetzungen eingetreten sein: Der „Tauschpartner“ leistet „freiwillig“ für den Fall einer für ihn lohnenden Kompensation mehr, als sich durch Gewalt ihm je abpressen liesse. Der nicht nur historisch, sondern in allen Kulturstufen zu allen Zeiten beobachtbare Typ von „Tausch“ ist der zwischen relativen Monopolisten: Im Prinzip wäre „ihr“ Tauschgut auch für die Tauschpartner aneigenbar, es lohnt sich für sie aber WEDER auf gewalttätige Weise (das war schon ausgeschlossen), NOCH durch Eigenanstrengung: Alle Tauschpartner profitieren mehr, wenn jeder erst das Seine tut, und dann getauscht wird; das gilt dann für ALLE Beteiligte.
Genau das ist im Grund bereits derjenige Fall, den du, AgneS, für allgemein geltend erklärst. Das wiederum scheint mir voreilig. Genauer:
Die Freiheit, für den Tausch zu produzieren, entsteht erst da, wo das für Reproduktion Nötige nicht die gesamten Ressourcen von Produzenten aufzehrt. In DEM Sinn setzt „Tauschen“ IMMER Überschüssigkeit von Ressourcen auf BEIDEN Seiten voraus. Es setzt, weiter, grundsätzliche „Ebenbürtigkeit“ im Reproduktionsniveau der Tauschpartner voraus, denn jedes stärkere Gefälle würde sich in ein militärisches übersetzen (das Niveau der (prinzipiellen) Kriegführungsfähigkeit ist ein Mass des technologischen Niveaus einer politisch geeinten Bevölkerungs-Gruppe schlechthin). Schliesslich ist vorausgesetzt, dass die Überschussproduktion alternative Zielsetzungen verfolgt, die nicht gleichzeitig (nicht auf dem Reproduktionsniveau der jeweiligen (ebenbürtigen) Produzenten) verfolgt werden können: Sonst „würden sie es selber tun“, was die andern für sie leisten.

Der einfachste Fall ist also wieder: Man könnte es, aber dann kann man etwas andres nicht; indem jeder das Seine tut und tauscht, wird der Widerspruch, durch KOOPERATION, gelöst; und die dafür prototypischen Fälle sind: der Fernhandel (wir könnten auch an die Ostsee reisen und Bernstein aufsammeln; ihr könntet auch die Farbpigmente gewinnen, die wir euch anbieten; aber die Wege wären jeweils doppelt so lang; treffen wir uns in der Mitte…), und das Spezialhandwerk (das wir erlernen könnten, so wie ihr unsres; aber dann immer zusätzlich zu dem je eignen, also unproduktiver). Umgekehrt: Überall, wo diese Zusatzbedingung eines Produktivitätszuwachses durch (regionale oder Spezialisierunugs-) Arbeitsteilung nicht gegeben ist, entfällt die Grundlage für Tausch: Wir machen es dann selbst.

Bis hierher lautete die Konstruktion; Überschüsse werden getauscht unter technologich und sozial in etwa Ebenbürtigen, die (möglicherweise ungleiche, aber hinreichend grosse) Produktivitätsgewinne aus Kooperation ziehen. Für ihre Reproduktion müssen die Beteiligten weiter selber sorgen.
Es gibt nun aber zwei Schritte, die weit aus der bisherigen Sachlage herausführen.

Der erste: Reproduktion selbst wird zur Spezialisten-Tätigkeit, die Lebensmittel der Nichtlebensmittel-Produzenten werden von andern mit produziert und Gegenstand des Tauschs.
In gewissem Sinn ist das sogar ein Spezialfall des zweiten: Die (Re)Produktions-Mittel von Spezialisten werden von andern Spezialisten erzeugt; um überhaupt ihre Spezialtätigkeit ausüben zu können, sind sie von andern Spezialtätigkeiten abhängig, der Vorteil, aber auch die Abhängigkeit sind wechselseitig. Ist letzteres nicht ganz der Fall, treten all die hässlichen Formen des Erpressens und des Ausübens von „Marktmacht“ ein, die du, AgneS, erwähnt hast. Ob solche Verhältnisse freilich stabil und dauerhaft sein können, müsste genauer betrachtet werden.

Wichtig ist bei diesen Abhängigkeitsverhältnissen, dass hier die Tauschverhältnisse nicht mehr einfach „Begehrlichkeiten“ der Beteiligten widerspiegeln (gewaltsame Aneignung des Fremdguts schon mal vorab ausgeschlossen), sondern die technisch-reproduktiven Bedingungen der Aufrechterhaltbarkeit (Wiederholbarkeit, „Reproduzierbarkeit“, Nachhaltigkeit, Dauerhaftigkeit) bestimmter Produkt(ab- und zu)flüsse einhalten müssen. Normalerweise wird dies ausgedrückt mit dem Begriff: Kost – alle Beteiligten müssen dauerhaft wenigstens auf ihre Kosten, speziell die Kosten (notwendigen (Lebens)Mittel) ihrer Reproduktion kommen. Allerdings hat man es da mit einer Minimal- Bedingung zu tun – der Normalfall ist, dass Leute auf MEHR als bloss ihre „(Un)Kosten“ kommen wollen; das Dumme in einer vergesellschafteten Produktion mit wechselseitiger Abhängigkeit der Spezialtätigkeiten ist: Dass man hier noch weniger als im Fall der reisenden Händler oder Manufaktur-Handwerker einfach sein Metier wechseln kann. „Marktmacht“ (also Erpressung) kann in all diesen Fällen ausgeübt werden im Mass, wie man nicht mehr einfach nur ALS PERSON oder Personengruppe, also eben durch puren Arbeitseinsatz, zum Marktteilnehmer und Anbieter marktgängiger, also tausch-fähiger Güter, also Warenproduzent, werden kann. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Formen des Ausschlusses: Den von den Mitteln einer produktiven Spezialistentätigkeit, und den zusätzlichen oder alternativen Ausschluss von Lebensmitteln. Das erstere ist die Situation der sog. Nebenerwerbslandwirte, die (nach Feierabend, unter Mithilfe von Familienangehörigen) Lebensmittel nach wie vor für sich selbst produzieren, aber daneben einer für sie lohnenden Lohnarbeit nachgehen; das zweite die der (von Marx im Rahmen der ursprünglichen Akkumulation beschriebenen) Opfer der gewaltsamen Aneignung von bebaubarem Land; das dritte die Lage von Stadtbevölkerungen in Lebensmittelkrisen.

Bei unangetasteten Eigentumsverhältnissen und gleichzeitig extremen Produktivitätsgewinnen durch gesellschaftsweit Abhängigkeits-erzeugende Arbeitsteilung ist Freiwilligkeit der Marktteilnahme hier nicht mehr der Ausgangspunkt: Der Markt ist dann nicht nur kein „Reproduktions“-Mittel mehr, sondern ein Zwangsinstrument – im Mass, wie er eben einzige Zugangsmöglichkeit zu dem in ihm bewegten Produkt-Reichtum darstellt. Aus dem Markt gedrängt zu werden bedeutet Existenzvernichtung.
Auch die weitere Ausdifferenzierung ökonomischer Kategorien ist an Produktivkraft-Entwicklung und Eigentum an den „richtigen“ Produktivkräften gebunden: Das habe ich durch meine Darstellung der Abfolge von einfachen Entwicklungsstufen der sog. „industriellen technologischen Strategie“ zu erfassen versucht. Zentral ist dabei das, was ich den „innersten industriellen Zirkel“ nenne: Die selbstzweckhafte hochproduktive Erzeugung von immer mehr Produktivität: Erzeugung innovativer Produktionsmittel mit den vorhandenen bzw. Steigerung der Produktivität vorhandener Produktion (zur Freisetzung von MItteln für wieder diese beiden Prozesse). Ökonomisch wird dies mit dem Begriff „Akkumulation“ benannt – die Gesellschaft, die Produzenten, ihre Bedürfnisse werden dabei als blosses Anhängsel*), Produktionsmittel neben anderen, behandelt, wozu die Ausübung von „Marktmacht“ von Produktionsmittelbesitzern gegen die vereinzelten Nicht-Produktionsmittelbesitzer beiträgt – ihnen droht ständig die Ausschliessung vom Markt.
((Angesichts ständigen Innovationsdrucks und der Unvorhersehbarkeit der Marktentwicklung gilt dies Risiko in abgeschwächter Form auch für Produktionsmittelbesitzer. NICHT am Markt teilzunehmen, und sei es auch als Empfänger von Gewinn-Ausschüttungen oder Zinsen, ist beinah unmöglich.))

*) Es gibt kaum einen fundamentaleren Irrtum im Verständnis des Funktionierens von Kapitalismus, als die Meinung, „zuletzt“ ende doch alle Produktion in der von Lebens- und Konsumtionsmitteln und müsse ihr doch „dienen“. Das Gegenteil ist der Fall. Die Konsumgüter-Produktion BEHINDERT die Kapital-Akkumulation, und die ist sich Selbstzweck: Investieren, um noch mehr investieren zu können, um noch mehr… ohne Ende. Und am besten schnallen ALLE die Gürtel immer enger – denn dann geht das alles NOCH etwas schneller voran als ohnehin schon. (Nur vorübergehend machen sich in diesem selbstzweckhaften „Wachstum“ äussere „Grenzen“ für es bemerkbar – die sind schliesslich dazu da, durch ökologisches Hightech und ganz toll energie-effiziente (und/oder neue Energie-Arten nutzende) Investitionen gewinnbringend überschritten zu werden. Unproduktive Ausgaben wie die für Mitarbeitende stören da bloss… auch die für den Staat. Auch die für blosse Dividendenbezieher. Und das… wenn überhaupt was, dient dann auch noch der Legitimation des ganzen: Kapitalismus erzwingt besser als jedes andere ökonomische System Wachstum um seiner selbst willen. Was will man mehr?)

Die von AgneS korrekt skizzierte elementare Tauschsituation verliert somit sukzessive Merkmale, das wichtigste ist die grundsätzliche Möglichkeit, auf den Tausch auch zu verzichten. Indem AgneS das AUSMASS des „Begehrens“ oder der Angewiesenheit auf das vom potentiellen Tauschpartner angeeignete Gut nicht thematisiert, scheinen alle denkbaren Fälle dem angegebenen Muster subsumierbar. Tatsächlich ist es, sogar wenn korrekt, zu abstrakt, und gibt zu wenig Auskunft über die widersprüchlichen Wirkungen spezieller Tausch-Situationen auf die Preise (das „notwendige“ Element dieser Preise mag den vorläufigen Namen „Wert“ erhalten“).
Die wichtigste Modifikation erfährt die individuelle Preisgestaltung durch das oben von mir bereits angeführte „Kost“-Element, und die Tatsache, dass die nicht-zufällige, vereinzelte Tausch- (Kauf-, Verkaufs-) Situation, letztlich also: die Möglichkeit, sich als Warenproduzent und Marktteilhaber dauerhaft zu reproduzieren, nur halten lässt, wenn man eine mögliche Station im aktuellen marktvermittelt-gesellschaftlichen Reproduktionszirkel besetzt. (Der Hinweis darauf steckt letztlich hinter der reflexhaften Antwort von Reproduktionskosten-Theoretikern wie Marx und Engels auf die Behauptung, dass Gewinn in der Zirkulation gemacht wird: Die Aufschläge eines jeden werden im Kreis weitergegeben und landen am Ende bei ihm selber.)
Die Schwierigkeit, die sich mit einer hoch-arbeitsteiligen markt-vermittelten Reproduktion verbindet, ist diese: Jeder Warenproduzent hat dabei durch sein Warenkontingent, in seiner Branche, Anteil an dem Mehrprodukt, das aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Produktivität heute in beinah jedem Gütersektor erzeugt wird (wenn auch in höchst unterschiedlichen Raten). Vom Standpunkt einer Reproduktionskosten-orientierten Wert- bzw. Preistheorie können da die Überlegungen von Marx zum Produktionspreis verallgemeinert wiederholt werden: ein Gut, das nur relativ wenig Überschuss abwirft, und somit für die produktive Verwendung (mit ihm zusammen) anderer Mehrprodukte oder des Mehrprodukts eine Engstelle darstellt, wird – sobald die Engstelle sichtbar wird – weit über das im zugrundeliegenden Reproduktionszirkel „reproduktiv“ von ihm Benötigte hinaus vermehrt produziert; der Reihe nach werden so die Güter mit „zu geringem“ Mehrprodukt (die aber nachgefragt werden bei Mehrprodukt-Anwendern) vermehrt produziert, umgekehrt schrumpft die (Re)Produktion derjenigen Güter, die „zuviel“ Überschuss abwerfen (der aber von den andern Mehrprodukt-Verwendern nicht genutzt werdenkann).
Wenn man dann versucht, die tatsächlich durch Geldflüsse veranlassten Güter- und Investitionsbewegungen nachzuvollziehen, und man (als Theoretiker) seine Zuflucht nicht mehr zu einem „prämonetären“ Numéraire wie die abstrakte ges.notw.´Durschn.Arbeitszeit nehmen kann, ist es nicht mehr so einfach, ein Kriterium zu finden, um dem Ausdruck „Profitrate“ oder „Wachstum“ als einer realen Grösse einen Sinn zu geben.

((Mit diesem Problem habe ich mich persönlich hier herumgeschlagen. Das grundsätzliche begriffliche Problem besteht hier darin, die Leistung innovativer Güter, die mit komplett neuen Gebrauchswerten einhergehen, zu vergleichen mit den Gütern, bei denen die Nachfrage INFOLGE der Markteinführung der Innovationen sinkt: Es ist nicht immer leicht zu sagen, inwiefern die Innovationen „dasselbe leisten wie die verdrängten Güter, aber produktiver“, sodass der Produktivitätsgewinn prinzipiell gemessen werden kann. In der verlinkten Untersuchung wird diese Vergleichbarkeit sichergestellt durch Bildung des Begriffs einer „produktiven Grundfunktion“ – eine Präzisierung des Terminus „Gebrauchswert“.))
Die von AgneS beschriebene elementare Tauschsituation (die in dieser Form nur die Betrachtungsweise des einzelnen Warenproduzenten und nicht die unmittelbare Konfrontation potentieller „Tauschpartner“ wiedergibt) besteht (was AgneS sehr wohl berücksichitgt hat durch Dialogfetzen wie „das krieg ich dort aber billiger“) nicht punktuell zwischen Einzelpaaren von Tauschenden (obwohl die einzelnen Akte des im „Tausch“ (Re/Mehr)Produkt gegen (Re)Produktionsfaktoren, Käufe und Verkäufe, konkrete einzelne sind), sondern durch eine schnell riesenhaft anschwellende Masse von Anbietern und Nachfragern bestimmter Güter; ihre Konkurrenz und ihre erpresserischen Verhandlungen (Markt-Transparenz, Preiszyklen spielen eine nicht unerhebliche Rolle) drehen sich keineswegs bloss um die Tauschrelationen eines Paars von Warensorten (x Produkt gegen y Menge eines seiner Produktionsfaktoren bzw. z Menge Mehrprodukt von irgendwas, das zur Neu- und Zusatzinvestition nötig ist), bei denen man „möglichst viel für sich herausschlägt“; sondern auch um die Frage der insgesamt bzw. über eine Frist absetzbaren Menge (darum Preisnachlässe für Grossmengenabnehmer). Für die Preiskalkulation ist es dabei absolut unklar, von welcher Mehrproduktrate grundsätzlich und welcher davon absetzbaren Menge der Einzelproduzent ausgehen kann, letztlich kann er angesichts permanenter Innovation aber auch Verteuerung infolge Wachstums (Verknappung von im System mit sich selbst nicht vermehrbaren Produktionsfaktoren) nicht einmal sicher sein, den bisherigen Mindestabsatz (also in etwa: sein „Reprodukt“) weiter halten zu können. Es ist eigentlich garnichts klar. Und das wahnsinnig (im wahrsten Sinne) effiziente Informationssystem namens Markt informiert leider IMMER zu spät, und so, dass (s. Schweinezyklus) man PRINZIPIELL nichts draus lernen kann. Kapitalismus ist nicht nur brutal – er ist IRRSINN.

zu Peter N.
Peter greift in seiner Theorie auf ein GENETISCHES oder auch „genalogisches“ Erklärungsmuster: Etwas ist in einer bestimmten Situation so eingeführt worden oder entstanden, und hat sich seither (durch alle nötigen Veränderungen durch) notgedrungen erhalten. In seinem Fall ist nicht die, Verzeihung, relative Hanebüchenheit der als exemplarisch konstruierten „Entstehungs“-Situationen für ökonomische Basis-Phänomene von Interesse, sondern vielmehr die Notwendigkeit für Peter, sie für seinen theoretischen Zweck, die Verteidigung der Arbeitswerttheorie AWT, gerade SO konstruieren zu müssen:
1. Um die Behauptung zu rechtfertigen, dass Arbeitsquanten getauscht werden, muss man schon in die Altsteinzeit zurückgehen, wo rohe Kräfte, naja, mit Feuerstein bewaffnete (selbst die ABSCHLÄGE benötigen bereits solchen; Feuerstein wurde über weite Strecken gehandelt, kam ja schliesslich nicht überall vor) auf „Natur“ losgehen, Wilde eben. Abgabe von Überschüssen ist dort allenfalls vielleicht an Notleidende denkbar, ansonsten war (wie in heutigen Naturvölkern) alle Arbeitsteilung IN der jeweiligen Subsistenzgruppe angesiedelt, und die Verteilung dort wurde nicht durch „Tausch“ reguliert. Umgekehrt gab es Spezialisierung der Art, wie ich sie oben angeführt habe, allenfalls in der Fernhandelsvariante, Produkte neuer Technologien wurden normalerweise imitiert, nicht „gekauft“. (Die entgeisterte Frage, ob ich in dieser Zeit im Ernst den Fernhandel für die Haupt-Tauschform halte, kann ich zurückgeben: was denn sonst?)
2. In seinen anfänglichen Überlegungen zum Zusammenhang von Produktionsweise und „Rechtsform“ alias Produktionsverhältnis hat Peter (hier theoretisch ganz Anarchist) mit Umkehr der Betrachtungsweise (suche die mit Änderung der Rechtsform EINHERGEHENDE neue Produktionsweise) schnell mal auch die behauptete Kausal-Beziehung ins Gegenteil gewendet: Die neue Rechtsform Sklaverei erst ermöglicht bzw bewirkt die Produktion eines Mehrprodukts (und geht insofern damit einher). Als es um den Einwand wegen der geringen „Produktivtiät“ von Sklaven-Arbeit ging, las man in Peters Erwiderung eine eigenartige Bestätigung: Sklavenarbeit behindere sogar Produktivitätsentwicklung (hier bezeichnend sein ständiges Schwanken zwischen frühmodern flüchtigen Durchgangs-Produktionsweisen in den USA (unterschiedlose Nutzung von Beispielen dort) und ältesten Kulturstufen). Es unterläuft Peter dabei ein bezeichnender Fehler (den man hier, wegen seines sonstigen Beharrens auf „Logik“ auch mal kurz ausbreiten kann): Die kriegsgefangenen „Sklaven“ (Ex-Nomaden) ersetzen in der „barbarischen“Subsistenz-Landwirtschaft die gefallenen Familien-Oberhäupter (so quasi das Gegenstück zum sonstigen „Frauenraub“ in dieser Zeit). Aber daraus entsteht natürlich kein Mehrprodukt. Dieses ist vielmehr, da WO es endlich entsteht, sich selbst vorausgesetzt: Wenn alle Subsistenz-Stellen bereits besetzt sind, ist in diesen Gesellschaften angeblich genügend Fläche sowie Produktivität vorhanden, um durch WEITERE Sklaven (die dann irgendwie „zentral“ gehalten werden), jenseits der bis dahin betriebenen Subsistenz, sowohl deren Lebensunterhalt ALS AUCH ein Mehrprodukt erzeugen zu lassen. Aber wenn durch Sklaven – warum dann nicht zB durch gewöhnliche Ausdehnung der bereits ansässigen Bevölkerung? Weil für die dafür nötige Mehr-Arbeit niemand die nötige Motivation mitbrachte? Der Satz „Mehrprodukt entsteht einzig durch Mehrarbeit“ (und die letztere durch eine Rechtsform= Produktionsverhältnis, wo Leute – eben Sklaven – dazu erpresst werden) wird so zwar ILLUSTRIERT – er setzt aber sich selbst voraus; denn die Gegenbehauptung „nur bei angemessener Produktivität gibt es die Option, durch Mehrarbeit auch (nutzbares) Mehrprodukt zu erzeugen“ wird ja nicht dadurch widerlegt*), dass die Sklaven zum „Mehrarbeiten“ gezwungen wurden – die Frage ist doch, ob und wodurch dabei nennenswerte Überschüsse herauskamen.
Aber dem AWTheoretiker ist eben die Arbeit zureichende „Quelle allen Reichtums“ (nein, auch die Natur, wie Marx anfügt; nein, auch das erarbeitete Wissen, die Technoloigie, und die vorhandenen Produktionsmittel, die man nicht einfach aus dem Stand durch weitere Arbeit reproduziere kann – wie Marx, spätestens zu seinen Lebzeiten, in der zweiten Hälfte, für die entstehende Schwerindustrie hätte anfügen müssen).
Anm. Vielleicht wird an dieser Stelle deutlich, warum durch die hier angestelltenÜberlegungen nebenbei die Ankündigung eingelöst wurde zu zeigen, warum sich NICHT „alles rückwärts in (dabei „akkumulierte“ Arbeitszeit (der bekannten Qualität) „auflöst…): Real „löst“ es sich frühestens in der Altsteinzeit „auf“. Ökonomisch aber in Arbeit und alle anderen Produktionsfaktoren, mit denen eine Ware REPRODUZIERT werden muss, und da kann man sogar in vormodernen wieviel mehr aber in modernen Zeiten im Reproduktionszirkel soweit zurückgehen wie man will: Man findet Arbeit UND Produktionsmittel, und wieder Arbeit UND Produktionsmittel, bis man auf das Ausgangsprodukt zurückkommt. (Neben „abstrakter“ Arbeit gibts übrigens noch einige andere spätestens heute allgegenwärtige Produktionsfaktoren: Energie zB (eignet sie sich nicht noch viel mehr als „abstraktes“ Wertmass?); „Wissen“; oh, und warum nicht: abstrakte Technologie-Anwendung (technologisches Potential, zu üblichen Durchschnittsbedingungen seiner produktiven Verwendung (also mit der nötigen Arbeit zusammen, die allerdings den in ihr steckenden Maschinenwert bloss überträgt…), also in Kombination mit allem andern, was nötig ist, über Zeiten hinweg angewandt, natürlich nur als Teil der gesamtgesellschaftlichen Verwendung dieses Potentials… )
*) die zeitlos gültigen Diskussionsregeln, die Peter N für befolgenswert hält, sehen vor, dass GILT, was nicht widerlegt ist; begründet muss es nicht sein, sondern offenbar bloss als erstes, VOR einem andern dastehen, das ebenso unbegründet ist. Also: Wer zuerst schreibt, hat recht… Eigenartige Regeln, die das Widerlegen, als ginge es quasi juristisch um einen Rechthabe-Prozess, dem Späterkommenden, als dem „Ankläger“ und Widersprecher, auferlegt, und die Zumutung begründen zu müssen, für eine „Umkehr der Beweislast“ erklärt… (Peter N weist überhaupt eine gewisse Fixierung auf juristische Kategorien und angeblich allgemein bekannte traditionelle Regelsysteme auf, mit denen man formal „Recht“ bekommt und behält, ohne dafür noch gross was tun zu müssen…. Soviel er, was hiermit von mir angemessen gewürdigt sein soll, hier auch getan und geschrieben und argumentiert HAT, das soll nicht vergessen werden. Es wäre sehr zu bedauern, andererseits ihm auch wieder nicht zu verdenken, wenn er angesichts der Querelen um seinen Diskussionsstil die Lust verlieren würde, hier weiter mitzuschreiben.)

3. Obwohl historisch noch einiges hinzukommt (zB das Feudale) – ökonomisch ist, Peter N zufolge, nach Etablierung der Formen 1. und 2. offenbar nicht mehr viel zu entwickeln. Ausser: der Waren-Wert im reifen Kapitalismus, berechnet als Kost plus Durchschnittsprofit (wo schlägt man den nach? steht er im Wirtschaftsteil der Tageszeitungen?) – da kommt, freilich diesmal zur Behauptung (gilt, da unwiderlegbar) einer ökonomischen TATSACHE, eine irgendwie zu irgendwas BERECHTIGENDE Rechenregel zum Einsatz. Die Ware HAT den Wert, der „Ausbeuter“ DARF erwarten… zumal er vorher womöglich Marktforschung hat treiben lassen. Da kann eigentlich nichts mehr schiefgehen. (Dass der Durchschnitts-Profit aus der Mehrarbeit und nur aus ihr stammt, weiss man seit der Jungsteinzeit. Vermittelnd tritt die gloriose Idee von Marx dazwischen: dass irgendwie zwar niemand merkt, dass es die Höhe der Lohnkosten ist, die seinen Profit mehrt, und er daher am besten in arbeitsintensive Branchen investiert, wo bloss leider schon soviel Konkurrenz unterwegs ist… nagut er weiss es nicht, aber er tut es… weil… ers ja am Profit merkt,, wo zu investieren ist…) – Peter N wurden die Ungereimtheiten dieser seiner Wert-Substanzialisierung bereits von andern oben vorgehalten; mir ist wichtig, an dieser Stelle gegen ALLE Werttheoretiker festzuhalten: In einer permanent innovations- und produktivitätserhöhenden Produktionsweise gehen sukzessive die Grundlagen, auf denen IRGENDETWAS wie „durchschnittlich“ oder „notwendig“ abgeleitet werden könnte, komplett verloren.
Und das ist der Übergang zum hier noch ausstehenden Teil: Was heisst unter diesen Bedingungen eigentlich noch „real“ (vs. „nominal“ und „monetär“)?

Ein Nachtrag: Gibt es in einer voll-mechanisierten Wirtschaft noch „Wert“, Mehrwert, Preise?
(Privat geschrieben vor einiger Zeit als Antwort auf eine Frage des TE David; das Thema wurde bereits im thread zur Profitrate erörtert).
Doch… es gäbe Wert, solang die Gesamt-Produktion in Stationen geteilt ist, die in Privatbesitz sind, und die nächste Station auf input aus der vorhergehenden angewiesen ist. Es kann sogar ein Mehrprodukt geben im Sinne von: aus der laufenden Produktion ständig abzweigbaren und nicht direkt oder indirekt in sie zurückfliessenden outputs. Dass die von Robotern transportiert, in Empfang genommen und weiterverarbeitet werden, ändert daran nichts. Die Besitzer der Teilstationen werden mitreproduziert (solang die Roboter was ja manche fantasieren, sie nicht überflüssig machen, wenn sie sich schon selbst beaufsichtigen).

Und… es gäbe ein Aussenverhältnis der Eigentümer der reproduktiven Automaten-Stationen (die sich selbst reproduzieren) zu den Eigentümern der sich nicht selbst erzeugenden RANDBEDINGUNGEN dieses Reproduktionsprozesses, speziell auch seines Wachstums.
Innovativität, wenn das von den intelligenten Automaten auch noch geleistet wird, würde übrigens ein weiterer Preiseinfluss (von den andern unabhängiger) sein – genau wie heute.

Die Anteile an den Automaten-Stationen und Randbedingunugen (Rohstoffe, Energie) können handelbar sein unter den Eigentümern. Wichtig ist also bloss: Ein hocharbeitsteiliger (in solche nicht unmittelbar sich mit sich selbst reproduzierende Stationen zerfallender) Reproduktionsprozess ist portionsweise (also nicht als ganzer) in Privatbesitz – die technischen Lieferbeziehungen sind also mit Eigentumsübergängen verbunden. Und die… müssen so gestaltet werden, dass es nicht zu Umverteilungen der Anteile an den Stationen kommt, sie müssen reproduktiv (und die Besitzer als solche reproduzierend) sein. Und genau wie heute, wo in dem ganzen Prozess eben (unter anderm) Arbeitskraftverausgabung, Arbeitskraftverbrauch an den einzelnen Stationen und (anderswo, nämlich im Haushalt des Arbeiters) Reproduktion der Arbeitskraft stattfindet, müsssen die internen technischen Beziehungen durch die äusseren Eigentumswechsel abgebildet werden – sie müssen mit dem Produkt die Produktionsfaktoren in mindestens der gleichen Grössenordnung eintauschen können (vermittelt über Geld), in der sie zur Produktion des weggegebnen Produkts verbraucht wurden. Das ist die INNERE Reproduktionsbedinguung. Die äussere ist: Faktsich muss sich dieses Produkt in vielfältig verwandelter Form (über viele technische Zwischenstationen) zuletzt verwandelt in seine Produktionsfaktoren, selbst wieder zufliessen. Das ist der äussere Zirkel, der geschlossen werden muss, zum Erhalt der „Reproduktivität“ oder einfach Nachhaltigkeit des Prozesses. Und ob da Arbeit mit drinne ist oder nicht, spielt keine Rolle.

ABER – daraus folgt garnicht soviel gegen die Kapitalismus-Kritik – die bleibt nämlich davon völlig unberührt:
Soweit und solang die Arbeit(skraft) als Ware angeboten und gekauft wird, und ein Mehrprodukt, die Mehrarbeit, hat (wegen der hohen Produktivität der Arbeits- (nämlich Lebensmittel)(re)produzierenden Produktionszweige), eignen es sich die Kapitalisten an, das stimmt ja wohl!
Und: Sie sind Herren über Art und Richtung der Verwendung der Produktionsmittel – Herrn über Grösse, Art, Richtung der Verwendung von Arbeit und Mehrarbeit. Stimmt auch weiter.
Die Bedürfnisse der Leute sind da erstmal nachrangig, Skandal! Daran gibts nach wie vor nichts zu deuteln, und die Legitimation läuft dann immer so, dass die ganzen Zwänge eben doch am Ende für was ganz tolles gut sein sollen, den Fortschritt, das Wachstum, aus dem soviel sonst nicht Erschwingliches bezahlt wird usw. Bloss dass man nie überprüfen kann, welcher Effekt mit welchem Aufwand erzeugt wird… und… man auch nicht mitentscheiden kann. Weg damit! Stimmt auch! Nach wie vor!

Ich setze den „Nachtrag“ nochmal fort. Denn: Der Ausfall der Arbeitswerttheorie lässt die oben geäusserte Kritik zwar bestehen; die ist aber ebenso „nach wie vor“ unter Druck durch noch ganz andere Einwände – teils Kapitalismus-rechtfertigender, teils sie selbst relativierender Art. Ich komme gleich darauf zu sprechen. Vorweg aber noch dies:

Marx hatte sich im 1.Band des Kapital bekanntlich grosse Mühe gegeben, den Nachweis zu führen, dass gerade die allseits als „gerecht“ anerkannten Spielregeln des „Äquivalententauschs“ die Ausbeutung begründen. (Schon um die Gerechtigkeits-Logik dieser moralischen Kapitalismus-Verteidigung nachzuvollziehen, mussten die Tauschgüter „vergleichbar“ oder geradezu „gleichgesetzt“ gedacht werden, was moralisch, aber nicht unbedingt ökonomisch Sinn macht. Als ob Marx nicht gewusst hätte (hat er natürlich), dass die richtig modernen Kapitalismus-Begründungen sich viel drauf zugutehalten, ohne Moral auszukommen, ja sogar aus der Unmoral des Eigennutzes noch öffentliche Wohlfahrt abzuleiten.)
Er musste sich dabei auf eine gültige, „wissenschaftliche“ Sicht der Dinge, die in jedem Falle haltbar war, festlegen, und fand sie in der Form der (zu seiner Zeit ja durchaus noch in gewissem Umfang vertretbaren, und bekanntlich durchaus nicht bloss von ihm vertretenen) Arbeitswerttheorie (oder -erklärung) der Preise – einer unvollkommenen und verbesserbaren (wenn man mir darin folgt) des „Reproduktionskosten“-Typs einer Preistheorie, wie ich das nenne. Es gibt zwei andre solche Typen oder Preiserklärungs-Ansätze: Die Reduktion ALLER Preise bzw. Preis-bestimmenden Einflüsse auf das Modell der Preisbildung für die erschöpfbaren „Fundamentalgüter“ (so oben von mir benannt): das ist die Knappheits-, Grenznutzen- oder neoklassische Theorie. Und: Die ebensolche Reduktion ALLER Preise usw. auf das Modell der Kredit-begründeten Preiseinflüsse, wozu man Keynesianische, monetaristische und zB auch „debitistische“ Preisbildungs-Erklärungen zählen kann. (Die Idee hinter dieser Preistheorie ist, dass sich quasi alle Produkte als Ergebnis von Innovationen und Produktivtätserhöhungen in der Vergangenheit verstehen lassen, und die Preise quasi die „abklingenden“ Residuen dieser Innovationsbewegung darstellen – würden keine (mit Geld als Zahlungsmittel, über „Käufe“, kreditfinanziert, bezahlte) Innovationen „aus dem Nichts“ stattfinden, würde der stagnierende Markt tatsächlich zu dem Reproduktionssystem und Geld zum reinen Zirkulatonsmittel, als das die Reproduktionskostentheorien es besprechen.

Der Ausdruck „Mehrprodukt“ (so wie „Mehrarbeit“) stammt erkennbar aus dem kategorialen Fundus von Reproduktionskost- und „Zirkulations“-orientierten ökonomischen Theorien; mit Knappheit ebenso wie mit Innovation (bzw. auch bloss Produktivitätserhöhung) werden sie theoretisch nicht gut fertig – die Einflüsse dieser Grössen fangen sie gewissermassen mit ihren Begriffen wieder ein, wenn die schon wieder abgeklungen sind, und ihre Dynamik sich verstetigt hat (vgl. „der Mehrwert ist erst REALISIERT, wenn…“ – ja wann eigentlich?). (Darum muss Marx das Wert-konstituierende in Termen wie „durchschnittlich“, „langfristig“, gesamt-„gesellschaftlich“ fassen – die kurzfristigen, „Grenz“-bezogenen und innovativen, regional entstehenden Effekte, die sich erstmal in und auf die gesamte Wirtschaft (der „Gesellschaft“) ausbreiten, können so allenfalls in ihrem Resultat besichtigt und benannt werden – was die Theorie im Mass entwertet, wie solche Dynamik überhaupt der Normalfall, und die vorausgesetzte Langfristigkeit und Durchschnittlichkeit sich nirgendwo mehr einstellt. (Den andern beiden Theorietypen geht es leider nicht viel besser, wie gleich vorweg bemerkt sein soll.)

Die derzeit aktuelle Darstellung der Rolle des Arbeitslohns (und „Wegerklärung“ der „Ausbeutung“) erscheint in einem Rahmen, den Marx seinerzeit bereits polemisch als „vulgärökonomisch“ charakterisierte (der Ausdruck war damals bereits abwertend, aber vielleicht noch nicht so scharf wie es heute klingt, es gab noch die Nähe zu „populär“ („poulär-wissenschaftlich“), vielleicht auch „trivial (wie in „Trivialliteratur“), im Sinne unwissenschaftlich-anspruchsloser Vereinfachung). – Ganz so vulgär, wie Marx das unterstellte, ist die zugehörige Version der Theorie freilich nicht: Sie besagt, dass die „Produktionsfaktoren“ „gerecht“ in Sinne ihres Beitrags zum Zustandekommen des Produkts aus dem Erlös „entlohnt“ werden – also aus dem erfolgreich realisierten Verkauf zum tatsächlich am Markt erzielbaren Preis.
Den Fehler des Jean Baptiste Say, dem solche Ansätze bei Adam Smith vorausgehen, wonach die Produktion pro Zeit sich in das durch „Einkommen“ bezahlte „auflösen“, wird man heute so nicht mehr finden: Dass da immer auch noch Sachkosten (bei Marx: in der jeweiligen Produktionsperiode zu ersetzendes c) und nicht nur „Revenuen“ (Löhne, Profite/Zinsen/(Grund)Renten) zur Bezahlung anstehen, dürfte heute in allen einschlägigen Preistheorien berücksichtigt sein.
Ob man nun die „interne“ Verteilung der (Klassen-)Rollen (Arbeiter-Kapitalist-Grundbesitzer usw), die die „Beiträge“ ermöglichen, „gerecht“ findet, wird dabei nicht erwähnt (die betreffende (Grenznutzen-)Theorie redet sehr gern von den „Produktivitätszuwächsen“ und den Beiträgen DAZU. So wie sie von der NutzenABNAHME aber ungern vom Nutzen selber spriucht und seiner Messung…). Die unterstellte „vulgäre“ Preistheorie ist jedenfalls eine andre (Knappheits-orientiert) als die, mit der Marx seine Pointe von wegen „Ausbeutung BERUHT gerade auf Gerechtigkeit“ konstruiert hat. – Das dürfte seinen aufmerksamen Lesern auch durchaus bekannt sein, die Frage ist, ob die derzeit vorliegende Widerlegung der „Vulgärökonomie“ ausreicht, Kapitalismus-Legitimationen mithilfe von korrekter Kapitalismus-Erklärung (Ökonomie,ökonomischer Theorie) zu erschüttern.
In den Termen der (sei es korrigierten oder auch originalen) „Reproduktionskostentheorie“ formuliert, lauten DIESE, höchst pragmatisch-amoralisch (höchstens „utilitaristisch“) auftretenden Legitimationen:

(0: Die Kapitalisten erzwingen (und werden dazu selbst gezwungen, vgl. 2) die Produktion eines Mehrprodukts, seine Art und Grösse und die Art und Weise seiner Verwendung.)
1. „Genau! Und dafür sind sie gut, denn sonst würde die moderne Gesellschaft stagnieren und das je vorhandene Fortschritts-Potential (die Entwicklung der Produktivkräfte) nicht ausschöpfen.“
(Einwand: „Aber die Produktivkräfte sind doch so entwickelt! Da könnte man doch mal haltmachen…?“
Antwort: „Wann sind sie denn entwickelt GENUG? Und ohne Kapitalisten… bleiibt man eben stehen…“)
2. „Und nichtmal bloss das. Ohne MARKT lässt sich noch nichtmal die stagnierende, geschweige denn eine (durch welche Anreize auch immer getriebene) Fortschrittsbewegung gesamt-gesellschaftlich planen und steuern! Denn: Der Markt schafft ja nicht nur die nötigen Anreize, er liefert auch darüberhinaus als einzige Instanz die unerlässlichen Informationen für korrekte Prioritätensetzung (Ressourcen-Allokation entlang den Fortschritts-Präferenzen der Gesellschaft), nur er korrigiert eventuelle Fehlentscheidungen…!“
3. (hilfsweise, defensiv): „…Und wenn nicht? Nun… wenn ER (der Markt) es nicht schafft, dann schafft das auch sonst kein System! Dann ist moderne Produktion eben ein Stück weit UNSTEUERBAR. Aber nur um das resigniert festzustellen, braucht man keine Revolution. Kapitalismus ist halt mal da, und was andres, das nicht besser ist, müsste man erstmal installieren – bloss, um in etwa dasselbe Ergebnis zu haben? – dafür soviel Mühe?“
4. (noch defensiver, schon keine Legitimation mehr): „Unsre eigentlichen Probleme (zB die ökologischen, technologischen; dass wir überhaupt arbeiten müssen; unsere Lebens- und Alltagsprobleme) sind nicht durch Kapitalismus verursacht, und durch seine „Abschaffung“ nicht behebbar.“ (Quasi:Wenn Kapitalismus schon nichts nutzt, dann ist er doch am meisten, das ihm zur Last gelegt wird, auch nicht schuld.)
5. (am defensivsten): Kapitalismus ist Gegenstand eines religions-ähnlichen politischen oder Vergesellschaftungs-GLAUBENS; der Markt macht so wenig einen Unterschied in der Planung und Steuerung von gesellschaftlicher (Re)Produktion wie der liebe Gott in der Auseinandersetzung mit der Welt: Hier wie dort machen wir ALLES SELBST, vor allem die Fehler (=Markt-unkonformes Verhalten, Sünde). Der Markt bzw. Gott soll aber aber dafür sorgen, dass aus unsern Nichtfehlern dann auch wirklich Erfolge werden: Ohne die beiden wäre alles umsonst… Das SYSTEM macht aber eben keinen Unterschied. Am System liegt NICHTS. Am Kapitalismus sowenig wie an seiner „Abschaffung“ und dem DANN „eintretenden“ SYSTEM(-Zustand)…“

An diesen immer „legitimations-ferneren“ Einstellungen zum Kapitalismus kann man sich klarmachen, warum man sich als Befürworter von Eigentumsfreiheit, also etwas gänzlichem Anderem, mit Ökonomie des Kapitalismus befasst: Die Ist-Aussagen über den Kapitalismus sind Ausgangspunkt zur Abwehr der Alternative, die wir vorschlagen. Und darum müssen wir uns damit beschäftigen. (fortzusetzen)
Ende: 19.2.2014

(verspätet 11.4. auf eine nachträgliche Nachfrage eines Schreibers palmax:
Man sollte Palmax, falls er/sie den thread zuvor nicht gelesen hat, noch darauf hinweisen, dass das Problem der „Durchschnittsbildung“ bzw. Durchschnittsbedingungen der Produktivität uU zu verallgemeinern ist im Mass, wie die Arbeit eben nicht als einzige „wertbildend“ ist, sondern ALLE überhaupt an der Produktion beteiligten Produktionsfaktoren auch an der Wertbildung beteiligt sind; es ist an dem der Arbeitswerttheorie zugrundegelegten (Re)Produktionsmodell in diesem thread einiger Zweifel geäussert worden (gelinde gesagt).
Ansonsten wäre Palmax, rein theoretisch und Marx-philologisch, noch darauf hinzuweisen, dass in die für die (hypothetische) Wert-Bestimmung massgebliche Durchschnittsbildung in der Tat nur die Werte der tatsächlich verkauften Kontingente von Waren eingehen. Wal hat das zurecht nochmals betont.

Ich möchte an dieser Stelle meinen Grundsatz-Ausführungen indiesem thread bezüglich des Werts und der Notwendigkeit ökonomischer Einsicht in das tatsächliche Funktionieren des Kapitalismus einen eher resignativen Nachtrag folgen lassen.
Ich glaube, dass das, was ich in meinem letzten Beitrag oben an (defensiven) Legitimationen aufgeführt habe (die ökonomischer Natur sind und zu etkräften wären), den wirklich entscheidenden Punkt verfehlt. In einer anderen Aufzählung in einem weiteren Beitrag habe ich diesen Punkt zuletzt doch noch erwähnt, ich zitiere mich:
„Schliesslich hat Kapitalismus aus Sicht relativ vieler Leute, auch Nicht-Kapitalisten im engeren Sinn, einige prinzipielle VORTEILE, die sich unter dem Namen FREIHEIT zusammenfassen: Man muss sich eben nicht ständig mit andern und politischen Aufsichtsorganen abstimmen, einschränken, zurücknehmen – im Rahmen seines Eigentums darf man doch tun und lassen, was man möchte. Viele wollen garnicht mehr; viele wollen garnichts andres, als solche Eigentümer sein oder es werden, sobald sie die Chance dazu haben.“
Alle Ökonomie endet VOR diesem Punkt. Auch die Legitimationen des Kapitalismus ebenso wie ihre Erschütterung durch Kritik reichen nicht bis dorthin. Ich möchte fast sagen: Und wenn die ganze kapitalistische Welt zugrundegeht, werden Leute nichts dagegen unternehmen, einfach aus DIESEM Grund.
Sie sind nicht aus ökonomischen Gründen für Kapitalismus, und ökonomische Argumente werden sie im Lebennicht davon abbringen.
Die anderslautende Behauptung von mir hier und anderswo muss ich, dieser meiner Einsicht zufolge, zurücknehmen:
Ökonomische Überlegungen delegitimieren die sekundären Rechtfertigungen des Kapitalismus, wofür er gut ist und/oder inwiefern es sich nicht lohnt, ihn abzuschaffen. Aber man muss sich klarmachen, dass das wirklich pro-kapitalistische Zusatz-Argumente und -Überlegungen sind, von denen nie jemand irgendwas abhängig gemacht hat oder machen wird.
Nur für uns machen diese Themen bezeichnenderweise einen enormen Unterschied.
Die Rechtfertigungen, die da ausgesprochen werden, behandeln nämlich Kapitalismus als Alternative zu einem „System“ gesellschaftlicher Planung.
Und die Probleme, die da auf der einen wie andern Seite je besser oder schlechter oder gleich gut gelöst werden sollen, stellen sich spätestens UNS, denen, die sich vom Eigentum und der damit verbundenen Gewalt und Irrationalität emenzipieren wollen, wirklich. Und DARUM vor allem müssen wir uns fragen (und das Ausmass an Einigung und Differenzin diesen Fragen ermitteln, das der genanten Emanzipation im Wege steht): Wollen wir ein Mehrprodukt, und in welche Richtung soll es sich entwickeln? Wie steuert man eine kommunalistisch organisierte Reproduktion kollektiv, kann man das überhaupt? Welche Probleme, die auch gegenwärtig sich spürbar machen, werden durch dieen Übergang NICHT bewältigt? – All das sind genuin ökonomische Fragestellungen, und auf die muss sich eine emanzipatorische Bewegung und Theorie einlassen und wenigstens die Art und den Umfang an Problemen abschätzen lernen, mit denen denen die von ihr befürwortete Gesellschaftsform konfrontiert sein wird. Sie darf sich nicht in die Tasche lügen, dass sie durch Abschaffun des falschen „Systems“ automatisch dessen Negativ etabliert hätte, das gute und endlich richtige System, mit dem es garnicht anders als gut werden kann. Das wäre nämlich die Wiederholung des oben genannten politisch- oder sozial-religiösen System-Aberglaubens auf links.
Aber das ist nur die eine Seite der theoretischen Klarheit, die die Linke erstmal sich erarbeiten müsste.
Die andere ist: zu begreifen, worauf eigentlich die weit jenseits aller Ökonomie, ja sogar jenseits des DASEINS des realen Kapitalismus liegende Bereitschaft beruht, ihn zu wollen und über allen Irrwitz und alle Schwierigkeiten, die er mit sich bringt, aufrechtzuerhalten und verzweifelt an ihm festzuhalten, sogar GEGEN jede ökonomische Einsicht (wie sie, vielleicht, Linke irgendwann einmal endgültig konsistent vorzutragen in der Lage sein werden)?
Das ist bis heute nicht beantwortet.
Warum sind wir linnks, und die andern wollen Privateigentümer, zur Not auch nur ihrer Arbeitskraft, sein und bleiben?

Edit: Der Thread wird hier http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/320-Franziskas-Fragen/?postID=1935#post1935 fortgeführt!

ENDE DES AWT-threads.
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in die Zeit des AWT-threads fielen ab dessen Beginn die folgenden Beiträge:

Kurt Eisner und die Revolution von 1918
19. Januar 2014
Es gibt aber wenigstens einen entscheidenden Unterschied zu der Zeit vor 100, ja selbst der Zeit vor 50 oder 40 Jahren, in Deutschland sowohl als allen alten westlichen Industrieländern: Die relativ homogenen Milieus sind verschwunden, hinter ihnen die Werte, Rollen, kulturellen Kanons und Curricula, Ausbildungsgänge, Biographien von „Generationen“ synchronisierenden Ereignisse und Erlebnisformen. Die moderne Gesellschaft zerfällt und zerfällt immer weiter, fast möchte man meinen, dieses Zerfallen macht vor dem wörtlich Nichtzerfällbarem, dem In-Dividuum, lang nicht mehr halt.
Warum sollte „die radikalen Linken“, ihr verbliebene Staats-Sozialismus-kritischer Bodensatz, davon verschont bleiben. Die in sich zerfallene Linke wendet sich also, wenn überhaupt, an eine ebensolche Gesellschaft: Wer dort ist denn heute noch so tonagebend, dass er nicht-marginal, und wer so festinstalliert, dass seine Stellung nicht-prekär wäre? Antiquiert, und auch ein bisschen bedrohlich, aber selbst das nicht allzusehr (eben wegen der Marginalität und sofern es nicht in allzuviel Krawall umgesetzt wird) wirkt diese radikale Linke, weil sie dieser zeitgenössischen Realität sich entgegenstellt, statt sie zum selbstverständlichen Ausgangspunkt der Lebenseinrichtung zu machen: In ihren Befunden sowohl (die von so unendlich viel Besonderheiten abstrahieren und von der ganzen unsagbaren Pluralität an Merkmalen bloss zwei übriglassen, auf die es ankommt: Kapitalist, lohnabhängig), als auch ihren Zielsetzungen – EIN Plan von allen für alle… Wenn das nicht totalitär und per se arrogant ist; vor allem aber unzeitgemäss; nämlich, wie ich glaube, im Sinne pionierhafter Fortgeschrittenheit (also das, was von Avantgarde bleibt, wenn der Anspruch verschwindet, jederzeit allen diese Fortgeschrittenheit vermitteln, wenn nicht aufzwingen und oktroyieren zu können; vielleicht sogar der, sich der Art und des Ausmasses dieses Fortschritts ganz bewusst zu sein, den man, ohne recht zu wissen, wie man selber dahinkam, verkörpert).
Die radikale Linke in dieser Lage hat die Aufgabe, neu nachzudenken über:
1. ihren Befund: Wie entsteht angesichts der eingangs genannten Alltagserfahrung der Anschein, nein, allem Anschein vorweg, der GLAUBE, die völlig zerfallene Gesellschaft überhaupt, ja sogar noch zu ihrem Vorteil organisieren zu können?
2. ihre Kritik: Was verschwindet mit dieser halt- und bodenlosen Illusion? Was am gegenwärtigen Elend aber würde bleiben?
3. ihre Strategie: Wenn alle so verschieden sind, kann unmöglich allen dasselbe gesagt werden. Sind nun alle gleich (un)geeignet, um (je zu ihnen passend; wie wäre das?) angesprochen zu werden (womit?)? (Könnten nicht Einsichten zur Art des Zustandekommens der eignen Fortgeschrittenheit dazu etwas beitragen?)
4. ihre Zielsetzung: Wie kann denn nach Vorstellung der radikalen Linke GENAU die völlig zerfallene Gesellschaft sicih, also ihre (Re)Produktion, überhaupt und zu ihrem Vorteil organisieren?

PS: Ein Teil des Moderatorenteams hat die zumindest starke Vermutung, dass „Sachlichkeit“ schon für sich völlig ausreicht. Wenn man jemandes Fehler/Mangel klar durchschaut, kann mans ihm auch erklären (oder lässt es, wenn man begreift, dass er – womöglich grad aufgrund des erkannten Mangels – nicht wird folgen können).

Hallo Wal..
ich hab nicht mehr zur Historie behaupten wollen, als für die erste von zwei Behauptungen (im Anschluss an deinen Text) nötig schien, nämlich: Die Gesellschaft, an die sich die Linke, so wie du sie beschreibst, richtet, ist heute nicht mehr so anders als diese Linke – die Beschreibung trifft auch auf die Adressaten der radikalen Linken zu. Das Traurige ist, dass diese Gemeinsamkeit erstmal einen neuen Gegensatz eröffnet und so richtig scharf hervortreten lässt, und das war die zweite Behauptung: Allein durch die bei allen Linksradikalen (wie gross auch sonst ihre Unterschiede sein mögen) anzutreffende Befürwortung von Eigentumsfreiheit auf gesellschaftlicher Stufenleiter, bringen sie sich alle zusammen zu genau dieser zeitgenössischen Gesellschaft (so anders als die vor 100 Jahren sie auch sein mag) auf Anhieb (erneut) in einen Gegensatz. Wenn nun die radikale Linke ihr Projekt nicht aufgeben will, dann stelle nicht ich ihr die genannten Aufgaben, sondern (so meine ich) diese Aufgaben stellen sich ganz von selbst, angesichts des Gegensatzes und des Programms.

20. Januar 2014

Wal Buchenberg schrieb:
Hinweis zur Diskussion:
Die damalige Konstellation halte ich für unverändert aktuell:
– die Marginalisierung der Linken,
– das Leben der Linken am Rand der Gesellschaft. Was damals Boheme war, ist heute Prekariat,
– die Arroganz der selbsterklärten Avantgarde,
– die gegenseitige Ignorierung bis gegenseitige Verachtung zwischen der (radikalen) Linken und dem Volk.

Das habe ich so verstanden, als wolltest du durch den Vergleich auf etwas heute nach wie vor aktuelles hinweisen.
Die zumindest bundesdeutsche radikale Linke (von letzten Resten DKP MLPD und den kleinen Trotzkisten-Zirkeln abgesehen) will keinen Staatssozialismus und hat auch kein Zwei-Stufen-Konzept. „Arrogant“ und rechthabersiche „Avantgarde“ scheint sie zu sein, weil sie überhaupt noch „kommunistisch“, mithin auf zwangfreie Einigung und Übereinstimmung orientiert geblieben ist – angesichts der modern-gesellschaftlich herausgebildeten Überzeugung, dass sowas ohne Gewalt nicht geht. Nicht die radikale Linke ist da offensiv – sie sieht sich eher unter Generalverdacht gestellt, und muss sich rechtfertigen; sondern die Restgesellschaft. Die lässt ihr nur die Wahl zwischen zwei gleicih unmöglichen Positionen, und kann sich einfach nichts Drittes vorstellen: Entweder, ihr Linken seid eben doch verkappte terroristen, Gewalttäter, rückwärtsgewandte Spinner, vor denen man sich fürchten muss; oder… ihr wollt wirklich was, das so noch nicht dawar – dann seid ihr realitätsfremde Utopisten: Schaut euch doch mal um, schaut euch doch mal an, wer wir hier sind, wir die Nichtlinken: Glaubt ihr etwa, wir würden sowas für möglich halten, dass WIR uns hier einigen? Gottseidank… müssen wir das in wesentlichen Hinsichten nicht, denn..wir haben ja den Markt. Und.. zu seiner Beaufsichtigung und Zähmung, Gestaltung und zur Not Korrektur, den demokratischen Staat. Am Markt sind wir alle beteiligt durch Kaufen… und am Staat durch Abstimmen und Wählen (übrigens auch das Recht, selber zu kandidieren).
Das funktioniert doch… Also was wollt ihr denn?
Was hat denn die radikale Linke im allgemeinen, und wir im besonderen darauf zu erwidern (an Befund, Kritik, Durchführungs- und Zielvorstellungen)?
Wenn sie dem Satz: WIR haben die historisch unüberbietbar beste Form von Vergesellschaftung erreicht, widerspricht, definiert sie sich selbst als Avantgarde – nicht im machttechnischen, nicht im Sinne der Eisnerschen Revolutionsregierung oder gar der Leninschen oder maoistischen Staats-Partei. Wohl aber im Sinne derer, die behaupten, was Besseres als das Bestehende zu kennen. Als Gegensatz reicht das unter heutigen Bedingungen schon mal.

Darum hab ich ja von RADIKALER Linke gesprochen (und die gleichnamige Partei ausgeschlossen, die ist nämlich zu wirklich allergrössten Teilen reformistisch); und von der gegenwärtigen BRD-Szene. Also ausser den genannten üblichen Verdächtigen kenn ich da niemand, der nicht – so wie wir hier auch – drauf beharrt, dass ein Übergang der Gesamtgesellschaft zwangfreie Zustimmung sehr grosser Teile ebendieser Gesellschaft voraussetzt (und darum vermutlich gewaltfrei stattfindet).
Das Bild der radikalen, nicht-reformistischen Linken in westlichen Bevölkerungen und auch der (fern)östlichen wird noch lange Zeit unauslöschlich bestimmt sein von den diversen realen Staats-Sozialismen. Verglichen mit denen… ist Eisners Räterepublik eine Tragikomödie. Und davon (so wie zB auch von der Pariser Kommune) wissen, wenn überhaupt, ausser Historikern und politisch hochgebildeten älteren Mitürgern allenfalls einige sehr wenige und SEHR fleissige Abiturienten aus dem Leistungskurs Klasse 13.
Zum Thema „Eigentümer oder ‚eigentumsfrei‘ “ gab es vor kurzem im Rahmen einer (wie immer dort) umfangreicheren Diskussion einen Nebenstrang http://nestormachno.blogsport.de/2013/12/19/zum-jahresausklang/#comment-17842 . Er liefert nebenbei einige für UNSERE Diskussion über Polemik (deren zusammenhang mit Unsachlichkeit) besonders einschlägige Passagen… Aber – ich will nicht zuviel Fässer gleichzeitig aufmachen (sind ja im Moment schon genug offen).

Ich will dir da nicht ins Wort fallen, Wal..
Aber die Frage kriegen wir doch auch so: Wie soll euer komischer Kommunismus, oder wie immer ihr das nennt (was ihr wollt), denn funktionieren OHNE Staat? Und wie… mit Staat anders als brutal und diktatorisch? Das kann sich doch ein bundesdeutscher Normalbürger (lohnabhängig oder nicht) garnicht anders vorstellen, und das illustriert er doch höchstens, veranschaulicht er, als etwas aus seiner Sicht UNVERMEIDLICHES, mit der Geschichte („die mussten doch…“).
Vielleicht würde er für so einen Eisner, wenn er davon erfahren würde, sogar mehr Verständnis (wenn auch darum keine Sympathie) aufbringen als wir, Wal.
Es ist diese Überzeugung: Sowas GEHT doch garnicht anders!, die sich durch den historischen Verlauf nur bestätigt fühlt, die die Ablehnung GLEICH WELCHEN Linksradikalismus begründet. Sag nicht, dass die marginalisierte Linke GARNICHT präsent ist: Als vermummte Steinewerfer in Hamburg eben schon… Und… da passts ja schon wieder. Nichts ist für Nicht-Radikallinke selbstverständlicher als: dass die „Abschaffung“ des Eigentums (selbst durch sie selbst, in einem Anfall von Raserei oder Verzweiflung) in Chaos und/oder diktatorische Gewalt führen MUSS. Und was am altlinken Verklären vergangener Aufstände so ungut aufstösst, ist doch: Dass man sich dabei über DIESEN Gegensatz zur damaligen wie heutigen Normalbevölkerung hinwegsetzt. (Das gilt, nebenbei, auch für die Steinewerfer…) Und, schlimmer… dass man dem zugrundeliegenden Verdacht derzeit nichts entgegenzusetzen hat.

Aaach Wal, ich wollt eigentlich bloss was nützliches zu deinem ersten Beitrag assoziieren, und komm jetzt aus dem Film nicht mehr raus, von wegen hartnäckig 😀
Wal, die meisten Linken sind AUCH berufstätig, haben AUCH was irgendwo Verwertbares gelernt, und es nicht nicht das, was sie von Normalos unterscheidet (die ihr berufliches Können ja auch nicht von vornherein zum Nicht-Linkssein prädestiniert). (Was prädestiniert dann? Genau die Frage stell ich ja gern immer wieder mal…)
Ich hatte oben deinen Avantgarde-Begriff umgedeutet: In eine objektive Ausgangssituation der Linken – vorausgesetzt nämlich, die behandelt ihr Beharren auf dem Wissen, dem auch du Ausdruck gibst ((„Kapitalismus ist schädlich und ohne schlimme Folgen durch was deutlich Besseres zu ersetzen – durch was genau, ist leider unter uns nicht-staatssozialistischen Linksradikalen umstritten.“)), nicht als Respektlosigkeit oder Arroganz gegenüber denen, die derzeit die Argumente für eine solche Beurteilung entweder nicht kennen, oder soweit sie sie kennen, Einwände dagegen haben.
„Guten Tag, ich bin ab jetzt ihr neuer Ministerpräsident, wer mir widerspricht wird erschossen“ ist als Start für eine gedeihliche Diskussion noch nichtmal dann besonders geeignet, wenn man eine Waffe hat. – Aber was dann? Linke kümmern sich ja oft ungern um den Bewusstseinsstand andre Linke, aber mein Eindruck ist: Noch schlimmer ist für sie die Auseinandersetzung mit den Mentalitäten der Nichtlinken. Dabei ist nicht so sehr bloss Kenntnis dieser Mentalitäten und der verschiedenen Sorten, die man vielleicht sinnvoll unterscheiden könnte, gefragt – in der „zerfallenden“ Gesellschaft mag die Vielfalt wuchern.. ob darum die Grundmuster dessen, was der Einzelne im Kopf hat, so ganz anders sind als bei andern, ist dabei offen. Aber wie man Einfluss nimmt, ob man das überhaupt kann, ist ja mindestens genauso wichtig. Das scheint alles absolutes Neuland zu sein für Linksradikale. Wo sind die Theorien, die uns darüber Aufschluss geben? Es gibt derzeit keine. Und das… halte ich für einen mörderischen Mangel.
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thread:
@Blockupy & P.Grottian: Banken sind der falsche Gegner!

24. Januar 2014
Dein Beitrag, Wal, scheint mir ein sehr fundamentales Problem der radikalen Linken im Verhältnis zu den Lohnabhängigen anzusprechen. Es soll etwas deren Interessen Betreffendes angesprochen werden – die haben sie aber erstmal als Einzelne, und da lösen sie sich auf in zahllose Berührpunkte mit Erscheinungen des Systems der Konkurrenz, die ganz unterschiedliche, jedenfalls kaum einheitliche, „systematisch“ System-bezogene Reaktionen und Bewältigungsstrategien nahelegen. Als Nachfrager (Käufer, Konsumenten) können sie sogar (s.o.) auf die Idee kommen, sich mehr Konkurrenz der Anbieter zu wünschen; sind sie aber selbst auf der Anbieter-Seite, nämlich in ihrem Betrieb, wird ihnen dieselbe Konkurrenz in jedweder Auseinandersetzung als Sachzwang präsentiert, über den sich gewaltsam hinwegzusetzen früher oder später eine Gefahr für den Arbeitsplatz, also ihre Einkommensquelle, bedeuten soll (überprüfen können sies ja oft nicht, aber was kann man im Kapitalismus überhaupt überprüfen). Wird aber beides, ihre Position als Produzent (bzw als dessen Angestellte) und als Nachfrager (Verbraucher usw) aufeinander bezogen, dann meist in politisierter und legitimatorischer Form – übrigens garnicht böswillig, die Befürworter des Kapitalismus GLAUBEN ja an diese Zusammenhänge, nämlich: Durch diesen, per Markt und Konkurrenz gestifteten Zusammenhang, wird die gemeinsame Arbeit aller am Fortschritt (gern dann erstmal: am nationalen, „deutschen“) optimal produktiv. Das kann nun erst recht niemand überprüfen, so wie er auch kaum Alternativen erwägen oder gar einfordern kann: Das System ist längst da,, hat seine Eigengesetzlichkeit, und ist so allgegenwärtig und eingewurzelt wie ein Naturzusammenhang, an dessen Unvermeidlichkeit nur Verrückte zweifeln können. (Die Legitimationen begründen daher auch nie eine Entscheidung für das System, die erschüttert werden könnte; eher schon das Gefühl, es doch irgendwie noch gut getroffen zu haben, gab und gibt ja immer schon Schlimmeres auf der Welt, verglichen mit „uns“, „hier“.)

Der Graben zwischen der je besonderen Einzelsituation des Lohnabhängigen und den Anlässen zur Unzufriedenheit darin, sogar dann, wenn sie vom härteren Kaliber sind, ist schier unüberbrückbar. ALLES liegt näher als das, was Linke vorschlagen. – Das ist der Grund, warum ich derzeit etwas ganz andres befürworte: Nicht ein immer wieder aufs neue Hinausgehen der Linken, sondern ein sich auf sich Zurückbesinnen. Begreifen denn die Linken (ich meine immer die radikalen, die es geblieben sind: die, wie von mir anderweitig behauptet, in Deutschland im wesentlichen nicht-staatssozialistischen), warum sie ihre Vorschläge machen? Ihre höchst diversen? Wo sie sich noch nicht mal auf EINEN einigen können, ja noch nichtmal REDEN darüber scheinen sie zu können? Und da wollen sie, wir im kollektiven Konsens die ganze Riesenwirtschaft selbstverwalten? Wenn DAS nicht (spätestens auf dem Hintergrund der desolaten Verfassung dieser Linken) verrückt klingt, was dann?

Es wird hier sehr stark von dir, Wal, die gegenteilige Position empfohlen: Die Linke soll sich nicht mit sich beschäftigen, irgendwie ist sie auch (die „Altlinken“ sind es) verbraucht, verbittert, verstockt. Wenn es tatsächlich so käme, wie neulich von dir heraufbeschworen – die Lohnabhängigen beseitigen von sich aus den Kapitalismus: dann wären sie ja alle Linke geworden. Denn die Linken sind ja nichts andres als der (derzeit winzige) linke der Teil der Bevölkerung, die das schon jetzt wollen. Wenn der Rest so wäre, gäbe es keine gesonderten „die Linken“ mehr, die dazu (wie in deinem sarkastischen Kommentar) „bäh“ sagen könnten. Sie gehören schliesslich zur Bevölkerung, wenn alle links sind, entfällt die Besonderheit. Wenn wir Linken uns nicht noch irgendeine verborgene weitere Besonderheit andichten, wenn wir uns nicht für etwas halten, was DIE nie werden können, dann heisst, sich mit uns beschäftigen, sofort, die andern mit in den Blick nehmen: Warum wir, und die nicht, die doch genausoviel Grund dazu hätten wie wir? Warum sind WIR links, und die nicht? Warum sind wir es geworden und die (noch?) nicht? Was fehlt denen, das wir haben? Vielleicht kommt man dann mal auf das, was von dem, was wir sind und sehen, ihnen zu vermitteln wäre, und worauf sie aufmerksam zu machen wären.
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thread:
Etwas besseres als den Tod …

Die Frage, die sich an deine These anschliesst, Wal, ist: Wieviel von dem, das sich „im“ Kapitalismus ereignet, ist „ihm“ anzulasten oder gutzuschreiben? Der Gedanke, dass „das System“,im guten wie schlechten, ALLES im Leben der Menschen leistet – oder besser, dafür sorgt, dass aus ihrer Leistung überhaupt etwas Förderliches für sie wird – diese Idee stammt von den Protagonisten des Kalten Krieges. Was sich da äussert, ist aber eher ein nicht auf Natur und Welt als ganzes, sondern das Soziale, Politische, Ökonomische bezogener religiöser Glaube: Wähle das richtige System, und (beinah) alles wird (unbestimmt wie) optimal – unter den gegebnen Umständen. – Zurecht machst du eine Andeutung darüber, dass sich an den Errungenschaften der Epoche etwas ändern könnte: Sie könnten sich als nicht nachhaltig erweisen; der Fortschritt ein EXTREM kurzsichtig entfachtes Strohfeuer, das nachfolgenden Generationen (und vergangenen wie zeitgenössischen wie zukünftigen in der „Peripherie“) mörderische Lasten hinterlässt.
WIE wird übrigens jenseits der 60 oder 70 gelebt – setzt sich der formale Zugewinn an Lebenszeit auch in Erlebenswertes um (vom Aufwand bis Terror der Medikalisierung der ganzen Existenz zu schweigen).
Längst ist in den „Kernländern“ die Hoffnung auf Lebensverlängerung in Panik umgeschlagen: Mit seitenlangen Patientenerklärungen suchen sich die Betroffenen gegen den wahnwitzigen Zugriff der „Gesundheits“-Maschinerie auf ihren Körper zu sichern.
Zu den „Zivilisations-Alterskrankheiten“ folgende Meldung, die ich heute im Ticker gesehen habe: Eine (wieder mal viel zu kleine) Studie deutet auf einen Zusammenhang zwischen stabilen DDT-Abbauprodukten im Blut von Patienten und Alzheimer (im Schnitt bei letzteren 4fach erhöht gegenüber der Kontrollgruppe); an Neuronen-Zellgruppen im, Labor stimulieren diese Substanzen die Produktion des Alzheimer-Proteins; beachtlich immerhin: «Die Stärke des Effekts ist auffallend groß, sie gleicht der des verbreitetsten Gen-Faktors bei der späten Ausbildung von Alzheimer.» Der medizinische Kommentar merkt an, dass die neurotoxische Wirkung unsüpezifisch sei, und ebenso sich auf die Disposition zu Parkinson und Schlaganfall auswirken könne: Allerdings so wie immer: Es ist EIN Faktor unter vielen… (Tja da weiss man natürlicih nix genaues, bevor man es nicht GANZ GENAU weiss…)
Vor kurzem las ich: Alle Metastudien zur Entstehung der Arteriosklerose deuten auf einen bislang unbekannten Faktor X hin, der für 50% des Gesamt-Krankheitsrisikos (alles andre aufgeschlüsselt in die bekannten Risikofaktoren, hat also gleiches Gewicht) verantwortlich sei. Man tippt auf Feinstaub. Feinstaub-Partikel dringen durch die Lungenbläschen-Wände und sorgen für PRIMÄR-Läsionen an Endothel- (also Blut-Gefässwand)-Zellen.

Wer ist jetzt für sowas „verantwortlich“?
Der Kapitalismus?

29. Januar 2014

Sollen wir, Wal, allen Ernstes aus Smiths generellen Hinweisen auf Voraussetzungen der PHYSISCHEN Reichtumsmehrung (in Gestalt der produktiv Tätigen in Relation zur Gesamtbevölkerung UND der Produktivität von deren Arbeit) ein Lob auf Kapitalismus als ökonomisches und Herrschaftsverhältnis ableiten? Sollen wir darin vor allem eine grossartigen Reichtums-Produktionsmaschine erkennen – so grossartig, dass “ ein großer Teil der Bevölkerung überhaupt nicht arbeitet und viele (!) davon den Ertrag aus zehn-, häufig sogar hundertmal mehr Arbeit verbrauchen als die meisten Werktätigen“?
Smith‘ Lob besagt: Der moderne (so nenne ich ihn mal, um den Unterschied zu markieren) gesellschaftliche Reichtum ERLAUBT Einkommens- und Vermögensunterschiede, die in vormodernen Gesellschaften undenkbar waren. Das Umgekehrte hat er nicht behauptet. Vielmehr beweist er Feinsinn genug, die wahre Quelle dieser Unterschiede beim Namen zu nennen: Den genügsamen und fleissigen Arbeiter – er sagt, der untersten und ärmsten Schichten, ich beziehe mal die Lohnabhängigen (Smith sagt (in der Übersetzung): die „Werktätigen“) auf höheren Positionen der Lohnhierarchie mit ein – der NIE nach da oben hinschaut, dahin, wo der Ökonom seine Vergleiche anstellt, sondern immer nur bescheiden UNTER sich, und dann seine Zufriedenheit daraus bezieht, dass es doch welche auf der Welt gibt, die noch schlechter dastehn.
Und wenn du mich schon fragst, würde ich sagen: WEDER die in der Peripherie (die doch wo immer das möglich war, längst dem Weltmarkt unterstellt ist – die enclosures finden doch heute ihre Fortsetzung bis in den letzten Weltwinkel) NOCH die in der Metropole kommen derzeit in die Lage, sich grundsätzlich für oder gegen etwas entscheiden zu können, ja auch bloss ihre Lage BEURTEILEN und für Entscheidungen nötiges WISSEN sich aneignen zu können.
Könnten sie es, würden sie vernünftigerweise sagen: WEDER NOCH. (Und NOCH wird nicht gut, weil WEDER nichts taugt.)
Das Problem ist im übrigen nicht „Überversorgung“, sondern eine Lebensform, die chronisch krank macht, SPÄTESTENS im Alter, und auch aus diesem Elend, wie aus aller Bedürftigkeit, gleich welcher Quelle, ein GESCHÄFT – oder eine Last für Staat und Standort.


thread: transition town

21. Februar 2014
Wal, ich kenne bloss Leute, die schon unendlich und verzweifelt viel probiert haben, und die angesichts ihres Misslingens ratlos und erschöpft zurückschauen und sich und andre fragen, woran das gelegen hat.
Der schlimme Punkt, über den und um den wir hier ständig herum reden, ist der: Im modernen Kapitalismus SCHEINT die Vergesellschaftung riesiger, ja weltweit arbeitsteiliger Produktionszusammenhänge zu gelingen – leider weltweit um den Preis der dauerhaften Erpressung und des Ausschlusses der meisten von Planung, wenn nicht immer wieder auch Schlimmerem für grosse Teile der Bevölkerung – Vergleichbares lässt sich sagen, soweit es um Natur geht. Die sämtlichen Alternativvorschläge wollen die Vorteile behalten, aber die Schäden möglichst reduzieren. Soweit ja ein naheliegendes Anliegen. In der Tat unterscheiden sich die Ansätze der Alternativen (zu denen die transition town Bewegung gehört) in einer wesentlichen Hinsicht nicht von „kommunalistischen“ Ansätzen: In BEIDEN Fällen wird es für möglich gehalten, „schon mal“ mit einer umschriebenen Fragestellung oder Problemlösung anzufangen (ein Problem, das einem aus dem RIESEN-Zusammenhang, der da draussen installiert ist, mehr oder weniger drängend entgegenkommt; neben unzähligen andern; die man jetzt, mit seinen kleinen privaten Möglichkeiten, nicht auch noch angehen kann). Die Idee, bei der man sich dann beruhigt (und die bei näherem Zusehen verblüffende Ähnlichkeit mit der (positiven) Idee der Marktwirtschaft aufweist), lautet: Möge jeder an seinem Platz (arbeitsteilig), im Rahmen seiner Möglichkeiten, sich einem solchen Problem widmen, und alle mit allen irgendwie (das ist das Zauberwort) VERNETZT sein – dann wird alles gut, naja, zumindest vieles (entscheidend) besser. Schaut man sich die Einzelprojekte an, merkt man: Sie sind KOMPLETT zugeschnitten auf die Möglichkeiten für ein Engagement, das IRGENDWIE auf ein hoch über den Köpfen schwebendes Problem (der Klimawandel, die Abholzung der Regenwälder, die Eurokrise, peak oil) zielt und zugleich sich einfach in die Lebensführung vieler Leute einbauen lässt – so wie sie nun mal grade ist. Das ist nun die Seite der LEUTE, die auf die Weise den Eindruck bekommen, „was zu tun“ und zugleich „viele“ zu sein. Es gibt auch noch die Seite der Aktivisten – derer, die angesichts des von ihnen so verarbeiteten Problemdrucks ihr Leben, oft unter Opfern, massiv verändert haben, was sie aus der umgebenden Gesellschaft rausfallen lässt, in Gegensatz zu ihr geraten lässt. Die führen sich, anhand der Bewegungen, die sie da anstossen, nur allzu gerne vor, dass Problemlösungen „auf (zivil)gesellschaftlicher Ebene“ angegangen und angesichts des massenhaften Einsatzes und auch der Aufklärung sovieler Menschen – zuletzt bei denen ankommt, die es dann im eigentlichen und ganz grossen Stil richten müssen, Politikern, Unternehmen; im Zweifel werden sie ausgetauscht, im Zweifel geht es, angesichts des „Drucks von unten“, da oben dann ganz anders weiter. Oder… dieser Druck wandelt sich gleich, ganz von selbst, in sein eigenes „Oben“ und entledigt sich des alten Regimes von Bevormundung und Zwang.
Eine neue Epoche wird aber nicht mit den Mitteln der alten erschaffen. Die IDEE der unbestimmten Vergesellschaftung vieler Einzelprojekte, die ganz von selber sich vernetzen und zusammen Sinn machen werden, ohne dass jemand dafür was tun (oder sein Leben ändern) müsste… das ist auch so eine Idee, bei der man nicht fragen darf, WIE genau das eigentlich gehen soll. Wie sonst auch in der Religion*). Also zB bei Platon. Und noch vielen andern Gläubigen (die den schlimmen Glauben, manchmal auch das Glauben überhaupt, immer nur bei den Andern, von der andern Konfession, sehen, nur nie bei ihnen selbst.)

*) Was Religion ist, weiss auch keiner so recht zu sagen. Grade kommt jetzt die Meldung, dass 90% der Amerikaner (in Europa dürfte es nicht wesentlich anders sein: „echt“ Areligiöse machen hier nach Umfragen grade mal 13% der Bevölkerung aus) sich nicht vorstellen können, dass Evolution ohne eine mitwirkende „Intelligenz“ möglich war. Als ob sich das in ihren politischen Einstellungen nicht bemerkbar machen würde, wenn die Leute “ bissle esoterisch aufgeladen“ (Seldon-X oben) denken…

23. Februar 2014+1
Hallo Seldon-X,
meine Anspielungen auf religiöse Denkformen oben zielten auf eine Beschreibung von „Zusammenhängen und Ursachen“, die eine Ergänzung zu solchen Sätzen wie dem Marxschen „die Leute wissen es nicht (was sie da tun), aber sie tun es“ darstellt. Zum einen GLAUBEN sie, dabei etwas (bestimmtes, für sie nützliches) zu tun, worin sie sich täuschen können; zum andern können sie gute Gründe zu haben GLAUBEN, warum sie (dabei) ganz bewusst etwas nicht zu wissen brauchen, um ihre Zwecke zu verfolgen.
In den von Marx inspirierten Denk-Traditionen werden die zugehörigen Glaubens-Inhalte als Ideologien bezeichnet; und die sind etwas, das sich Leute zulegen, um das, was sie „ohne zu wissen was es ist“ tun, sich nachträglich, beiläufig, irgendwie als für sich und/oder andere nützlich zu erklären. Der Grund für das „sowieso“ hingegen ist nichts derart flüchtig-subjektives, vielmehr ein höchst objektives, „notwendiges“ Gebilde, nämlich eine Produktionsweise, in der eine dem Stand der Produktivkräfte angemessene Vergesellschaftungsform, ein Produktionsverhältnis, die Verwendung dieser Produktivkräfte organisiert. In einem abstrakten Ausruck könnte man sagen: ein System.
Ich glaube nun, dass es die hier dauerhaft schreibenden Leute verbindet, dass sie an der Möglichkeit zweifeln, Arbeitsteilung über ein wie auch immer geartetes „System“ zu organisieren – eines, das den daran Beteiligten die Verständigung und Kontrolle dessen, was sie da gemeinsam machen, erspart. Die üblichen Kandidaten für solch eine „überindividuelle“ System-Lösung der „Vergesellschaftung“ kennen wir ja: den Markt; den Plan und die Prozeduren, wie er zustandekommt; oder eben die oben genannte „Vernetzung“.
Wenn du nun, Seldon-X, für uns hier vorschlägst, dass wir die realen Bewegungen sorgfältig beobachten und uns von ihnen (in dem Sinn) nicht abschliessen sollten, kann man dem ja wohl nur zustimmen, aber VIEL wichtiger ist das andre, das du „Wissen um Zusammenhänge und Ursachen“ nennst. Und in dem Zusammenhang das, was dir wie ein Widerspruch vorkommt: die Verhältnisse (das System?) und/oder das Bewusstsein (mithilfe der System-Änderung?) ändern. In diesen Gedanken von dir steckt allerhand System-Glaube drin – schaff das falsche System ab, dann stellt sich der gute und erwünschte System-Zustand her. Nebenfrage: Wieso gibt es Kommunisten, wie kommen denn DIE zustande, sind die auch Systemprodukte, werden die von selbst mehr? Die scheinen ja irgendwie die Katze-beisst-in-ihren-Schwanz-Figur zu konterkarieren, von der du sprichst: Die Eigentumsverhältnisse schaffen sich ihnen gemässes Bewusstsein, um sie abzuschaffen, bräuchte es ein andres, aber oje, das kann ja erst entstehen, wenn sie abgeschafft sind… So wird das wohl nix, nicht wahr? Der Schluss, den die etwas älteren Kommunisten daraus zogen, ist bekannt: Wir immerhin haben ja das richtige Bewusstsein (eigenartig – diese Ausnahme bestätigt offenbar die Regel auch noch), dann schaffen WIR schon mal ab, dann wird sich das neue Sein schon sein passendes Bewusstsein schaffen. Aber wenns SO nicht läuft – sitzt man wieder in der ausweglosen Systemfalle: System erzeugt Konformität bestätigt System usw. (alternativ: System erzeugt sogar noch den Widerstand gegen es, da kannst du nichts machen…)

Man kann aber auch mal genauer hinschauen, statt sich ewig mit diesem bleischweren Glaubens-Satz vom Sein usw zu begnügen. Warum zB gibts Linksradikale wie uns? Was haben wir, was die andern nicht haben? Es gibt, gleich dazu gesagt, sehr verschiedene von ihnen. Warum? Ausserhalb der Linken gibt es übrgens auch noch andre stark politisierte Menschen, oder solche, die über „die Verhältnisse“ nachdenken (darunter nicht wenig Lohnabhängige) – bloss dass sie ganz andre Erklärungen dafür haben – und auch andere Vorschläge machen als Linke. Und es gibt „unpolitische“ Leute.
Es ist ziemlich eigenartig, dass das System eine Riesen-PRAXIS sein soll, und dennoch das, was sich da Leute masssenhaft dabei denken, so garnicht zählen soll. Weil halt das System so mächtig ist? Oder… weil ihr SYSTEMDENKEN (von Linken bis zu Liberalen) so mächtig ist? (Soweit Denken in dieser Praxis eine Rolle spielt. Und soweit (wieweit tut es das?) nicht – was soll man dann von SO einer Praxis halten?)

23. Februar 2014
Oje, Mario. Der „Industrialismus“ ist dann aber, angesichts aller verfügbarer Reminiszenzen, mindestens genauso vereinnahmungs-verdächtig (während die Wandervögel verboten wurden, die Weisse Rose von dort her kam uswusw – da wird das Begreifen der inneren Konsequenz ersetzt durch die Logik des Tabus (und, nebenbei, die des Gerüchts, „war da nicht was?“): Wer dem Fetisch zu nahe war, ist verhext. Antikommunisten bringen auf die Weise Marx und Hitler zusammen, das geht LOCKER. Und… wer unter allen Nichtfaschisten ist den Neonazis denn näher als die prügelnde Antifa? Wer ausser den Esoterikern selbst ist derart dogmatisch-begriffslos ihnen gegenüber wie ihre Jäger, die inquisitorischen „esowatcher“ von psiram.com ?)
Rationale Modernitäts-Reflexion sollte man nicht mit vormodernen Einstellungen zu Welt und Gesellschaft verwechseln. Die sind allerdings verbreitet – und die radikale Linke, sofern sie sich einrichtet auf die Installation eines bleibenden Produktionsapparats (und geniale Einfälle während der kreativ genutzten „disposable time“), zeigt sich der Dynamik von moderner Wissenschaft, Technologie, Produktivitäts-Steigerung und Fortschritt in Permanenz kaum gewachsen. Wie wenig wiederum auch die alternative Bewegung dazu sich verhält, zeigt die von mir oben schon angesprochene Verwurzelung in der Stadt: Gesucht und gemacht wird, was mit dem eigenen Lebensstil, so wie er sich nun mal vorfindet, grade vereinbar ist. Was objektiv nötig ist, wird nicht für wissens- und bedenkenswert gehalten. Mit den Eliten und deren Argumenten sind diese Leute fertig, bloss suchen sie sich – so wie auch sonst, wenns um ihr Lebensheil geht – die bequemen Glaubenslehren im Internet, da gibts genug Angebote: von der Energie, die frei wird, wenn man sich traut, durch Null zu dividieren bis zur Lichtnahrung – und soviel Menschen guten Willens allerorten, die aufbrechen (das erinnert dann schon an gewisse linke Selbstbestätigungs-Phantasmen).Diese Leute wollen das Beste aus allen Welten, bilden sich ein, dass sies kriegen können (darin, sich was vorzumachen, sind sie geübt) – und rütteln schon darum nicht an den „Produktionsverhältnissen“. Um das noch klarzustellen: Ich halte sie weder für dumm noch uninformiert. Eher schon für gläubig. Und das… ist ein Mangel ganz anderer Art.
Man sollte sich mal drum kümmern.

23. Februar 2014
Aaach Wat… DER Gegensatz ist leicht erledigt: Die Objektivität nehm ich gern auf meine subjektive Kappe, an der Vokabel ist nicht so schrecklich viel gelegen, es ist mehr eins von diesen Beschwörungs- und Beteuerungsworten, auf die man unter Vernünftigen leicht verzichtet. Das „Subjektive“ ist auf den ersten Blick ähnlich, was immer gedacht wird, gehört (irgend)einem Subjekt (wenn auch nicht notwendig bloss einem, oft genug trostlos vielen) an; die Leute, von denen wir reden, ziehen allerdings mit Bann-Sprüchen der Art „das sehe ICH so, das ist MEINE Meinung“ gern die Grenze, über die sie keinen mehr rüberlassen. Und da kriegt niemand nichts ihnen eingeredet, davon bin ich absolut (noch so ein Wort) genauso überzeugt wie du… oder mit dem Wort des Dichters:

Dichter Dorlamm läßt nur äußerst selten
andre Meinungen als seine gelten.
Meinung, sagt er, kommt nun mal von mein,
deine Meinung kann nicht meine sein.
Meine Meinung – ja, das läßt sich hören!
Deine Deinung könnte da nur stören.
Und ihr andern schweigt! Du meine Güte!
Eure Eurung steckt euch an die Hüte!
Laßt uns schweigen, Freunde! Senkt das Banner!
Dorlamm irrt. Doch formulieren kann er.
(Robert Gernhardt)
———————————————————————-
thread: Warum Marx? (von Wal B. angekündigt als SEINE Antwort auf den AWT-thread)

21. Februar 2014
Hallo Wal, bitte entschuldige, dass ich mich erst jetzt deiner Zusammenfassung zentraler Gedaken von Marx zuwende. Sie hat es verdient, dass man sich SEHR ausführlich, sowohl im Detail, als auch mit den Resultaten beschäftigt. Das kann aber – wie bei andern Übersichts-Texten hier (von der Art, wie ich sie von andern erbeten und selber verfasst habe), nur allmählich stattfinden. Neben dem „Abarbeiten“ deines Textes gibt es da noch eine andre Option, nämlich quasi das Auf- und Absteigen in der von dir selbst, durch Hervorhebungen, angelegten Hierarchie zusammengefasst/erstrangig-wichtiger vs. ausgeführt/genauer-begründender Passagen.
Ich will also keineswegs den Begründungszusammenhang ausblenden, wenn ich mich im ersten Zugriff auf die „Pointen“ konzentriere.
((Ein Nebenthema, das ich grad WIRKLICH ausblende, ist, in welchem Zusammenhang („transitorisch“ war bei dir zu lesen) diese fundamentalen Gedanken über „Arbeit“ zur ArbeitsWERTtheorie stehen, die an anderer Stelle so verbissen diskutiert wurde…))

Also „pointiert“. (Jeder dieser Punkte bräuchte zur weiteren Entfaltung eigentlich einen eigenen thread.)

1. Der Kapitalismus, so sagst du (mit Marx), schafft die produktiven Voraussetzungen, um durch Einbeziehung ALLER in den Arbeitsprozess die Mitwirkung ALLER an der Planung dieses Prozesses zu ermöglichen.
(Anm. Ich würde sagen, die Anstrengung der Leute in einer kulturell-hegemonial-modern verfassten Gesellschaft schafft das…)
Wenn aber viel freie Zeit erforderlich ist, um überhaupt einmal sich zu dem gesamten Gesellschaftszusammenhang, in dem man lebt, zu stellen, ihn zu begreifen, und sich zu überlegen, was man überhaupt will – dann ist die Realisierung der kapitalistisch geschaffenen Möglichkeit einer Halbierung der Arbeitszeit (und der Schaffung von Freiräumen zum Nachdenken und Positions-Finden) bereits Voraussetzung dafür, dass diese Chance bewusst gewollt und ergriffen wird: Die Leute müssten Zeit haben, um darüber nachzudenken, ob sie soviel Zeit zum Nachdenken und Regulieren ihrer Produktion überhaupt wollen sollen. Und, wie sie diese Produktion dann gestalten wollen. Ob so ganz anders als es jetzt der Fall ist usw.
Denn:

2. Nicht der +/- sichtbare Reichtum der Kapitalisten allein wird als das Mass für Reichtum*) genommen (dein und Marx‘ Vorschlag, speziell DARAUF zu achten, wird ja durchaus befolgt!), sondern auch die „sichtbare“ Beschleunigung des Fortschritts in ihm. Dass Leute, die durch „unternehmerische Entscheidungen“ zu diesem Fortschritt scheinbar besonders effiziente Beiträge liefern, durch „Profite“ „belohnt“ werden (die meist weniger in „Luxus“ als vielmehr in „noch mehr Verantwortung“ (ihre Ausdrucksweise), nämlich Verfügung (und Entscheidungsbefugnis) über NOCH mehr Anteile des gesellschaftlichen Reichtums übersetzt werden), ist dabei eher nachrangig – das vorrangig Legitimatorische daran ist: Dass Kapitalismus als „System“ mit seinem „Unternehmertum“ als „Leistungselite“ und „dem Markt“ als Anreiz und Korrektiv diese Beschleunigung forciert, lenkt, optimiert, und überhaupt sinnvoll gestaltet (im Gegensatz zur staatlichen, speziell staatssozialistischen Planwirtschaft und ihrer übermässigen, träge-lernunwilligen, feudal- und klerikal-artigen „Bürokratie“). Und darin nun mal unübertroffen und unverzichtbar ist.
*) Dass da wirklich verfügbare und frei-zumachende Überschüsse sind, wird von Befürwortern des Kapitalismus natürlich energisch bestritten, stattdessen sagen sie: dieser ganze Überschuss-Reichtum („Mehrwert“) ist in Wahrheit notwendig und wird, so oder so, für notwendige Nebenkosten gleich welcher Produktion (nicht nur spezifisch der kapitalistischen) draufgehen, nämlich Planung, Steuerung, Innovation usw,. (Andererseits wird auch inner-kapitalistisch zu grosser privater Reichtum, zu einseitige Reichtumsverteilung als obszön empfunden, auch da ergeben sich (von den ganz strengen Markt-Fans freilich wiederum „sozialistisch“ genannte) Umverteilungs-, Besteuerungs- und Kosten-Erstattungs-Konzepte…)

3. Dieser legitimierenden Argumentation scheinen Marx und du ein Stück weit zu folgen: Die Eigentümer der Produktionsmittel hatten wirklich einmal eine wichtige Rolle in der Produktion (die andern sagen: haben sie noch immer), die sie aber an bezahlte Angestellte (also Lohnarbeiter?) abgegeben haben. Nun sind also DIE es, die den Fortschritt organisieren. Wer oder was hat denn nun aber DADURCH seine Berechtigung verloren? Das „System“ der „Spielregeln“, nach denen Marktwirtschaft funktioniert? An dieser Stelle taucht die von mir öfter aufgeworfene Frage auf, wo denn nun eigentlich die Produktivkraft-Schranke ist, über die dieses System, und das immer dramatischer, nicht hinauskommt – inwiefern gilt denn gerade für den Übergang vom Kapitalismus weg das Marxsche „Übergangsmuster“: Das System hat sich gerade durch seine erfolgreiche Umsetzung überflüssig (bzw. zum Hemmschuh für den durch es ermöglichten Fortschritt) gemacht?
Anm. Ich habe bereits früher vorgeschlagen, die Marxschen Überlegungen zum allgemeinen historischen Muster von Übergängen genauer zu fassen. Der Fortschritt der Produktivkraftentwicklung, so scheint mir, wird in solchen Übergängen NEU DEFINIERT – die Aufgabenstellung erweist sich als eine andre, und scheint, in den Augen hinreichend vieler Leute, eine neue Produktions-Organisation zu erfordern. Die neue Aufgaben-Definition (Marx selbst spricht von den „Aufgaben“, die sich die Menschheit nur stellt, wenn sie sie lösen kann) hat ihren Ausgangspunkt an entwicklungsfähigen Vorbildern, die sich „im Schoss der alten Gesellschaft“ entwickelt haben. Das Hindernis, an das diese alte Gesellschaft und ihre Produktionsweise stösst, bestünde demnach darin, sich der (spätestens ab diesem Zeitpunkt) Präzisierung der Produktionsaufgaben, die an diesen Beispielen sichtbar wird, zu verweigern – oder sie garnicht erst wahrzunehmen.

4. Die Antwort – aus der Marxschen Arbeitstheorie heraus entwickelt – , die du, Wal, mit Marx (dem der Grundrisse) zusammen gibst, ist: Das alte System hat den Jobber hervorgebracht (der an beliebigen Stellen der Produktion einsetzbar ist), es hat Kopf- und Handarbeit zusammengebracht, es hat die Bestreitung des Lebensunterhalts so produktiv gemacht, dass alle, WENN denn alle arbeiten, geschätzt nur noch halb soviel wie derzeit arbeiten müssten, wo sie den Reichtum (seht auf den Luxus der Kapitalisten und „unproduktiven“ Arbeiter) anderer Leute vermehren, die dabei eben NICHT arbeiten müssen. – Aber: Dass die Jobber jobben können, verdankt sich einer Mechanisierung, die jedenfalls von IHNEN (als Jobbern) allein nicht hervorgebracht oder weiterentwicckelt, vielleicht nicht einmal ohne weiteres so reproduziert werden könnte; die Anforderungen sind in physischer wie psychischer Hinsicht umfassend (und in DIESER Hinsicht auch „allseitig“), nur leider gehen sie einher mit einer Spezialisierung, die die Ausübenden jeder Spezialtätigkeit und/oder wechselnder „unqualifizierter“ Anlernjobs in gleicher Weise vom GESELLSCHAFTLICHEN Wissen und Können ausschliesst (es ist irgendjemandes, aber nicht ihres – wie sollen sie es beurteilen?); der Fortschritts- oder Akkumulationsprozess mag auf einem hohen Stand einzufrieren und weiteres Wachstum zu stoppen sein – aber nicht nur hat der kapitalistisch-industrielle Komplex eine Lawine an unerledigten Folgelasten angehäuft, die abzubauen womöglich sogar SEINE (solche Lasten freilich ständig weiter produzierende) „Produktivität“ überfordert (Produktivität, die ja nur darum so erscheint, weil unendlich viele Kosten externalisiert und in die Rechnung nicht aufgenommen sind) – sondern, wie nun eigentlich WEITER zu gehen wäre, was man eigentlich anders haben will, ist völlig offen: es gibt keinerlei Produktions-Programm, das auf gesellschaftlichem Konsens beruht und einzig durch die gewaltsam aufrechterhaltenen, veralteten Eigentumsverhältnisse an seiner Realisierung gehindert würde.
Anm. Die angeblich „unproduktive“ Arbeit der Dienstleister erledigt eine Menge von dem, was im so überhaus hochproduktiven „eigentlichen“ Sektor sonst liegenbleibt – die Betrachtungsweise macht eine spezielle der vielen (kosten-externalisierenden) Milchmädchenrechnungen mit, in denen sich die angeblich so produktive Industrie ihre Effizienz schönrechnet. Bis hin zur Frage, ob diese Produktivität auf lange Sicht auf ein Beinah-Nullsummen-Spiel hinausgelaufen sein könnte – Technik muss soviel reparieren und kompensieren,weil zu ihrer Ermöglichung soviel zerstört bzw auf soviel verzichtet werden musste…

5. Ich bin nicht der Meinung von Marx und dir, Wal, dass im Kapitalismus die Quelle all dieser zweifelhaften Errungenschaften zu suchen oder zu finden ist.
Ich glaube, dass was immer hier an (kulturellem, materiellen) Fortschritt thematisiert wird, sich erst einmal der MODERNE als dem kulturell geltenden Verhältnis zu Welt, Wissen, Produktion verdankt; und dass Kapitalismus (ebenso und erst recht die „Modernisierungsdiktaturen“ und Anciens Regimes jedweder Couleur, die ihm vorausgingen) VON ANFANG AN diesem Weltverhältnis NICHT ANGEMESSEN war und es nur auf eine unsagbar verrückte, irrationale Weise umsetzt. Das der Moderne, der mit ihr einhergehenden ständig sich erweiternden Masse von Wissen, Techniken, Produktionsoptionen und Fortschrittsentwürfen einzig angemessene Verhältnis wäre gesellschaftweite libertäre Eigentumsfreiheit und kollektive Planung. Die würde sich binnen kürzester Zeit mit den unsäglichen PROBLEMEN konfrontiert sehen, nein: hätte sich längst konfrontiert gesehen, die die Moderne den in ihr Lebenden aufbürdet; dass Moderne überhaupt „so weit“ hat kommen können (und ich sehe ihre Fortgeschrittenheit als vielleicht unvermeidliches, zugleich aber mörderisches Verhängnis und historisches Desaster!), ist einzig ihrer „Verarbeitung“ in viel primitiveren historisch eigentlich durch Modernität erledigten kognitiven und Vergesellschaftungsformen geschuldet – Modernität ist den Angehörigen kulturell modernisierter Geselslchaften nie als Inhalt vermittelt worden. Niemand weiss auch, bis heute, wie solche Gefälle, solche „Ungleichzeitigkeiten“ abgearbeitet werden könnten. (Ähnliche gab es bereits in religiösen Gesellschaften – die religiösen „Virtuosen“, die die Inhalte dafür entwickelten, haben es nie und zu keinem Zeitpunkt geschafft, ihren Standpunkt mehr als winzigen Minderheiten der jeweiligen Gesellschaften zu vermitteln).

Anm. 1: Die Moderne hat keinen Begriff von dem, was Natur ist, angefangen bei unserer eigenen; aus dem Grund ist Modernität auch nicht auf „naturgemässe“ Weise (ja, was wäre das auch? niemand weiss es zu sagen) VERMITTELBAR.
Anm. 2: Befürwortung von Eigentumsfreiheit und Verständigungsorientiertheit der gesamten Vergesellschaftung sind selbstverständliche Folge der Einnahme einer genuin modernen (an den Wertesystemen (in Wissenschaft, Technologie, Produktion, Fortschrittsentwurf) der Moderne orientierten) Stellung zur Welt. Vergesellschaftung auf der Grundlage von Modernität KANN garnicht anders als eigentumsfrei organisiert sein. Wäre Modernität allgemein eingetreten (was unmöglich ist, da sie sich, wie alle Weltverhältnisse zuvor, auf ihren Grundlagen nicht zuverlässig vermitteln lässt). würden die Probleme mit ihr unmittelbar erfahrbar – nämlich als Sinnlosigkeit moderner Lebensentwürfe.

6. Kapitalismus und bürgerlicher Staat sind nicht objektiv historisch von selbst entstandene Strukturen, die sich dann auch noch die zu ihnen passenden Überzeugungen schaffen. Vielmehr sind es Praktiken, die von hinreichend vielen Leuten für so vernünftig gehalten werden, dass sie sie mit grossem Aufwand und Opfern einführen, fördern, aufrechterhalten, gestalten, fortentwickeln usw – mit der Wirkung, dass wiederum andre, die sich dazu und den so gestalteten Verhältnissen passiver stellen (aber es ihrerseits sich erklären und es überzeugt tun, was sie tun), ihnen in hinreichender Zahl folgen. Und solange die linksradikale Analyse (die Befürwortung gesellschaftsweiter Eigentumsfreiheit dürfte ja wohl das sein, was bei allem wechselseitigen Abscheu und Ärger uns „Linksradikale“ verbindet) dieses Element der (falsch begründeten, fehlerhaften) Überzeugtheit und Art der massenhaften Fehlbeurteilung gesellschaftlicher Verhältnisse, SOWEIT DIE BEURTEILER SIE SELBER MACHEN UND MACHEN ZU KÖNNEN GLAUBEN*), nicht eingehender untersucht als bisher, wird auch das zugehörige politische Projekt in der unproduktiven Position des unvermittelten (moralischen oder autoritären) Forderns steckenbleiben.
*) diese Ausdrucksweise, wie der ganze Absatz, will eine Alternative andeuten zu einer sehr berühmten Formulierung: „In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen.“ Über diesen Satz, vor allem, was die „Willens“-Unabhängigkeit der Verhältnisse angeht, könnte man einen eigenen thread eröffnen. (Ebenso über die Sätze, die dort noch folgen, speziell die über „Ideologien“.)

Nachbemerkung: Beim Bearbeiten kommt mir mein Text (speziell natürlich die Punkte 5 und 6) im Grund unlesbar vor. Dass ich an sovielen Stellen widersprechen muss, wirft beinah schon die Frage auf, ob ich dann nicht lieber das Antworten sein lassen soll. Im Zweifel sollte man meinen Text nicht als Gegen-Argumentation lesen, sondern eher als eine Gegen-Meinungsäusserung, zu deren Begründung ich VIEL weiter ausholen müsste. Aber wenn die Erklär-Strecken so lang werden… muss man sich anfangen zu fragen, wer sie noch abgehen will und kann… Also wieder die Frage, ob man solche Differenzen nicht einfach auf sich beruhen lassen sollte, und (was mich betrifft) besser nichts mehr sagen.

23. Februar 2014
Stimmt natürlich, Moderne hat keinen Kopf und somit auch keine Begriffe, soll(te) heissen: die moderne Mentalität, und das ist eigentlich ein Kunstwort von mir, um was zu beschreiben, das mir wichtig zu sein scheint – ich sag ja, ich müsste eigentlich weiter ausholen.
Auch stimmt: Die (bestimmte Art von Produktivität) ist nun mal DA – es geht ja auch eher drum, ob man sie in der Form weghaben wollen sollen soll.
Wem gehts drum? Mir gehts drum. Aber ich bin halt nicht allein.
Und so ists mit dem Kapitalismus auch. DAFÜR scheint sehr viel zu sprechen – warum soll man Gutes, bei dem man nicht GENAU weiss, wie gut es ist, ob es nur gut ist (es hat auch ungute Seiten, aber andres erst recht), kaputtmachen, zumindest massiv stören, BLOSS um drüber nachzudenken, ob es tatsächlich so gut ist, dass man es nicht stören, ja nicht mal anders machen soll? Aber irgendsowas scheint Wal in seinen Gedanken im Anschluss an Marx zu unterstellen: Die Praxis bietet den Leuten grundsätzlich die Möglichkeit, über sie nachzudenken. Aber… bietet sie ihnen auch gleich noch das MOTIV, das zu tun? Da müssten sie schon sehr weitreichende Eingriffe in die Praxis vornehmen, um auch nur von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Ähnliches gilt ja auch schon fürs „Emanzipieren“. Wofür soll das denn gut sein? Warum soll ich zu allem ausdrücklich meine Zustimmung geben, wenn ich es im grossen ganzen garnicht anders machen würde/könnte als die derzeitigen Entscheider (soviel Sachzwänge!). Und wenn doch – lieber Gott, wie soll ICH das denn entscheiden? Da muss man doch Fachmensch sein… Sollen DIE sich doch einigen…)

So. Das sind doch mal ganz einfache Überlegungen, warum Leute glauben, dass SOGAR WENN da draussen einiges schiefläuft, der Vorschlag mit der „Emanzipation“ und dem alles selber die Hand nehmen, jedenfalls auf den ersten und zweiten Blick, ziemlich absurd klingt.
Und wenn ihnen, auf den dritten Blick, dann noch eine Stellungnahme zum Kapitalismus abzuringen ist, und/oder sie sich für dich extra mal eine ausdenken, dann läuft sie fast immer auf irgendwas von der Art hinaus wie das, was ich im Arbeitswert-Thread in diesem Beitrag aufgeschrieben hab http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/277-Arbeitswerttheorie-gesellschaftlich-durchschnittlich-notwendige-Arbeitszeit-abst/?postID=1729#post1729  (5 Punkte). Tja. Wie gehts von da aus weiter?
Als würde das mit der Emanzipation so naheliegen…

(Dass die Produktivität, die DA ist, womöglich einige RIESEN-Haken hat, ist damit noch garnicht angesprochen…)

23. Februar 2014
Du liest ja auch im Marxforum, renee, bei dir KANN von daher kaum noch was schiefgehen. ^^
Wir reden hier aber von den andern. Und, sagen wir mal, von einer Schlussweise, die da in etwa lautet: Wenn ICH draufkomme, meinen Alltag umstürzen zu wollen, um mal die Grundlagen zu überprüfen (ist es denn überhaupt so bei euch, oder so gewesen?), DANN ja wohl auch jeder andre. Zur Erinnerung: Wir sprechen über einen, wenn nicht DEN zentralen Gedanken von Wal: Kapitalismus schafft eine Möglichkeit; meine Frage ist: Was fehlt, damit sie Wirklichkeit wird?

2. März 2014+3
Genau hier, Wat, liegt das Problem. Wir Linksradikale (schon vor, erst recht seit Marx) reden ja über ein Projekt, das die gesamte derzeitige (womöglich Welt-)Gesellschaft einbeziehen soll.
Offenbar rechnen wir uns da Chancen aus, dass seis mit, seis ohne unser Zutun, die Andern (in ihrer übergrossen Mehrheit) sich in Richtung dieses Projekts, also dieselbe Richtung wie wir, bewegen werden.
Das ist dann schon eine gewisse Prognose hinsichtlich deren Handlungsweise.
Und da ist die Frage, ob die Motive so ganz und gar in den Tiefen der Subjektivität vergraben sind, dass man garkeine Aussagen darüber machen kann, und alle Versuche dazu als nutzlose Spekulation oder „Kopf(rein)guckerei“ abtun muss.
Wenn es so wäre, würde das die hoffnungsfrohe Entdeckung von Marx erheblich relativieren, wonach mit der, naja, der derzeit vorhandenen (aber daran will ich jetzt nicht auch noch rummäkeln) Produktivität Emanzipation MÖGLICH wäre.
Angesichts der Herausarbeitung des Kerns von Marx‘ Beitrag für die Lohnabhängigen-Emanzipation, die Wal hier gegeben hat, möchte ich darum meinerseits eine Anmerkung darüber machen, was da vielleicht noch fehlt (ohne dass damit Marx‘ Leistung geschmälert würde, warum auch soll einer aus dem Stand heraus ALLES zustandebringen).
Ich habe schon öfter in meinen Beiträgen hier auf eine seltsame Lücke in der Marx’schen Geschichtstheorie aufmerksam gemacht: Der historischen Epochen-Gliederung auf seiten der „Produktions-Verhältnisse“ korrespondiert keine vergleichbare auf seiten der „Produktivkräfte“. Aber damit entfällt der Ansatz, um die eigentliche Pointe dieser Theorie zu formulieren, das Wechselverhältnis von Förderung und Hemmung, das zwischen diesen beiden Entwicklungsdimensionen behauptet wird. Welche Produktivkraft-Entwicklung wird jeweils befördert oder behindert, wenn da ein antikes Grossreich, eine regionale Feudal-Hierarchie, eine „bürgerliche Gesellschaft“ sie organisieren oder sich auf dem je gegebnen Stand dieser Entwicklung reproduzieren? Es klingt so akademisch, die Frage für längst vergangene Epochen aufzuwerfen, aber diese Erklärweise ist das Fundament für die Marxsche Prognose (soweit Marx eine solche stellt), dass derselbe Vorgang sich auch an der bürgerlichen Gesellschaft wiederholen muss – wenn es denn (entscheidende Zusatzaussage) einen historischen Fortschritt geben soll.
Tatsächlich hat Wal in seinem Text oben an Marx eine solche Aussage herauspräpariert, wie man sie im Rahmen des („historisch-materialistischen“) Fundamentalkonzepts erwarten würde – etwas von der Art: Der Kapitalismus hat die Produktivkräfte so weit entwickelt, dass…. Planung der Produktion durch die gesamte Masse der Produzenten MÖGLICH wird. Interessanterweise steht im Logo unseres Forums ein Marxzitat, das die Ergänzung zu diesem Satz liefert: Das wird aber auch angesichts der Fortschritte des Kapitalismus dringend NÖTIG – die Produzenten MÜSSEN sich die Produktions aneignen, sonst… ist geradezu ihre Existenz bedroht.
Mir war ja bereits früher aufgefallen, dass DIESE düstere Prophezeiung, die drohend ständig über unserem Forum aufgehängt schwebt, bislang nirgendwo so recht begründet wird.
Wal, soweit ich das recht verstehe, versucht seit längerem mithilfe empirischer Belege den Nachweis zu führen, dass die bisherige kapitalistische Kernzone, EU und USA (was ist mit Japan?), in der Weltmarkt-Konkurrenz ins Hintertreffen gerät und ganz andere Akteure ihr den Rang ablaufen. Für mich ist dabei schwer zu unterscheiden, ob das, was Wal als Beleg anführt, dabei als SYMPTOM oder als URSACHE gelten soll.
Einmal angenommen, es ergäben sich dramatische Zuspitzungen (solche wie, sagen wir, in Griechenland, wo derzeit zwar viele Existenzen, aber nicht unbedingt der Staat oder das System auf dem Spiel stehen) aus IRGENDEINEM Verlauf in diesen Kernzonen – welche Erklärung gäbe es denn dafür? Die, dass dies NOTWENDIGE Folge des Kapitalismus war? Oder ist das wiederum eine dieser akademischen Fragen, die (dann) praktisch absolut keinen Unterscheid mehr machen?
Ich habe versucht, die Wichtigkeit dieses Punkts bereits im Arbeitswert-Thread darzulegen: Legitimation wie Delegitimation des Kapitalismus hängt von Behauptungen (bzw deren Glaubwürdigkeit) ab darüber, wie Kapitalismus funktioniert: dass er notwendig oder sehr wahrscheinlich für die grösste Zahl der Leute den unter gegebnen Umständen grösstmöglichen Nutzen stiftet, oder ihn verfehlt und sogar noch schadet.
Dabei können die Analysen sowohl dauerhaft gleichbleibende ZUSTÄNDE für eine notwendige oder doch sehr wahrscheinliche Folge des Kapitalismus erklären, oder aber eine dauerhafte und auf Dauer in eine bestimmte Richtung gehende Verlaufs-TENDENZ (die entsprechend, als gut oder schlecht, zu bewerten sein soll). Welche Form die Theorie aber auch annimmt: Man kann Kapitalismus nur dann rechtfertigen oder angreifen, wenn sich dies auf einem solchen aus ihm notwendig oder sehr wahrscheinlich folgenden Dauerzustand oder Fakten-Verlauf ableiten lässt. Genau genommen heisst das, dass auch PROGNOSEN (hinichtlich sicherer oder sehr wahrscheinlicher Verläufe, Änderungen zum Guten oder Schlechten, oder unabänderlich schlimme Zustände) möglich sein sollten; denn eigentlich ist nur dann die Behauptung der Notwendigkeit oder eben hohen Wahrscheinlichkeit der Verlaufsform berechtigt.

Wenn wir über Marx’sche Theorie sprechen, ist dies eine der wichtigsten Fragen, die an sie zu stellen sind: Welche notwendigen (bei Marx natürlich negativen) Folgen schreibt sie der spezifisch kapitalistisch vergesellschafteten Nutzung moderner Produktivkräfte zu? (Allein dasjenige, DEM hier etwas zugeschrieben werden soll, zu bestimmen erfordert eine eigene theoretische Anstrengungen: Was IST Kapitalismus – was sagt Marx, und was sagen Kapitalismus-Befürworter? Reden Kritiker und Befürworter überhaupt vom selben? Und… kann man den Beitrag, den jeweils die „Produktivkräfte“ leisten (solche moderner Art: „Industrie“, was gehört dazu: Wissenschaft, Forschung, Entwicklung, Umgang mit Rohstoffen, vormodernen Produktionsweisen und Bevölkerungen, die sie praktizieren; ist DAS jetzt Produktionsverhältnis oder Produktivkraft-Entwicklung?)), und den des zugehörigen „Produktionsverhältnisses“ trennen? Was am derzeitigen „Kapitalismus“ wäre als seine nützliche Seite beizubehalten (oben: die „Produktivität“), was als Quelle notwendiger oder sehr wahrscheinlicher Schäden zu beseitigen und aufzugeben (mit welchen Nebenfolgen, die bei der „Abschaffung“ zu berücksichtigen wären)?

Meinen Fragen liegt allerdings eine Sichtweise der „Produktivkräfte“ zugrunde, die von der Marxschen abweicht, er scheint zu behaupten, dass das Wachstum der Produktivkräfte ein gradweises, letztlich „quantitatives“ ist: Die Gesellschaften seit Beginn der Geschichte können demnach immer mehr und mehr, verglichen mit dem, was sie vorher konnten. Eine QUALITATIVE Gliederung ist dabei nicht zu erkennen – wozu auch.
Die Frage oben nach einer solchen „qualitativen“ Gliederung der Produktivkraft-Entwicklung erübrigt sich dann natürlich… es kann dann eben nur die Rede sein von bestimmten GRADEN der Entwicklung, die entsprechende Fortschritte möglich aber auch nötig machen, damit die Entwicklung nicht STAGNIERT.
Speziell für das „Produktionsverhältnis“ Kapitalismus könnte die Theorie also lauten: Es hat eine durch das vorhergehende (feudale) Produktionsverhältnis drohende Stagnation abgewendet, und seit seinem Eintreten die Produktivkräfte in einem MASS entwickelt, dass… die von Wal (mit Marx) entdeckte MÖGLICHKEIT der Ersparung von grob 50% der bisher notwendigen Arbeitszeit (für ALLE dann Arbeitenden, nämlich Arbeitsfähigen) sich eröffnet hat. Und die Notwendigkeit… besteht einfach erstmal darin, diese Möglichkeit auch zu ergreifen. Ergreift man sie hingegen nicht… droht das, was im Kopf des Marxforums steht – die Menschen müssen zunehmend um ihre Existenz bangen. Also nicht einmal mehr bloss Stagnation, sondern schlimmeres. Ist das richtig so?

Die Frage ist dann aber (und eine kleine Ouvertüre dazu gab es oben ja schon). … selbst wenn hier eine Möglichkeit besteht… oder gar eine Existenzbedrohung – werden „die Menschen“ darauf so reagieren, wie Marx das erwartet? Ist es sicher oder sehr wahrscheinlich? Müssen sie dafür etwas vom Kapitalismus verstanden haben (dasselbe, was die marxistischen und/oder bürgerlichen Ökonomen vom Kapitalismus verstanden haben?)? Und wenn das alles nicht – was hindert sie? (Das wäre erneut die Frage nach dem Motiv, auf eine „objektive Lage“ zu reagieren, sie in bestimmter Weise aufzufassen usw)

An dieser Stelle fällt mir etwas ganz zentrales in der Marxschen Argumentation (oder deren Wiedergabe in Referaten) auf: Wenn vom Kapitalismus die Rede ist, dann kommen Begriffe wie „notwendig“, „ermöglicht“, „ist tatsächlich soundso“ vor. Da wird nicht von den Motiven der Leute gesperochen. Eigentlich wird von denen GARNICHT gesprochen. Oder immer erst, wenn sie eben anfangen, „ihre Geschichte zu machen“. Machen sie vorher nicht? Haben sie keine Motive, für Kapitalismus zu sein, möglicherweise fehlerhafte, aber eben doch Motive (oder Gründe)? Und… ist denn der Kapitalismus nicht ebenso ihrer aller (und sei es auf massenhaften, und massenhaft verschiedenen Fehleinschätzungen beruhende) kollektive Praxis, und gemeinsam gemacht und zustandegebracht, wie hernach die Alternative zu ihm? Wenn es nämlich anders wäre… wie soll denn diese Alternative zustandekommen? Als ob die Menschen aus einem Dornröschenschlaf der Bewusstlosigkeit über ihre Verhältnisse wie durch einen Zauberspruch erlöst (wer soll ihn sprechen?) erwachen und ENDLICH… was auch immer tun.
Sie machen keine Fehler? Sie machen nicht ungutes, für sich selbst und andre – sie MACHEN es? „Sie wissen nicht, was sie tun, aber sie tun es?“ Was doch heisst, dass sie ihr Tun und die fehlerhaften Gründe dafür durchschauen könnten (was bringt sie dazu?). Und es vor- wie nachher IHR TUN ist.

Ich sage: Da konvergiert theoretisch sogar etwas. Denn in den groben Stufen, die das FEHLERMACHEN durchläuft, wird man den Kern der qualitativ unterschiedlichen Stufen finden, auf denen sich die „Produktivkräfte“, – erst gefördert durch ihnen angemessene Vergesellschaftung (Produktionsverhältnisse), später gehemmt durch deren spürbares Unangemessenwerden – entfalten. Dieser Kern besteht in den Verhältnissen zu dem in der jeweiligen Gesellschaft verfügbaren Wissen, dem Begriff davon, ob, wie, wie weit und in welcher Reihenfolge (der Wichtigkeit) es erweitert werden müsste, und mit welchen Risiken Nichtwissen verbunden ist. Ich behaupte: Diese LERNREGEL der Leute zu gleich welcher Zeit bestimmt wesentlich die Art ihrer Produktivkraft – und im Verbund damit die ihrer Vergesellschaftung. Und dabei ist etwas gerade unter Produktivkraft-Entwicklungs-Aspekten extrem Wichtiges zu berücksichtigen: Wie gut es Gesellschaften in Vergangenheit und Gegenwart gelingt, für wie nötig sie es halten, und wieviel Aufwand sie treiben, das in ihnen verfügbare Wissen, vor allem aber die grundlegenden mehr oder weniger fortgeschrittenen STANDPUNKTE, die man zu ihm einnehmen sollte, ihren Mitgliedern zu vermitteln. – Wie kommt der Baumeister zu seiner Konstruktionsidee? Was weiss er über Materialien, wie kommt er zu seinen Bauaufgaben, die er lösen will? Sind es nur rein quantitative Unterschiede (des Wissensstands) die die verschiedenen Produzenten zu verschiedenen Zeiten unterscheiden? Ich glaube nicht. Da ist eine gravierende Lücke in der Marxschen Theorie. Sowohl was die Erklärung der Vergangenheit angeht… als auch die Gegenwart (in der die unerledigte Vergangenheit womöglich unheimlich fortbesteht…)

Aber es taucht auch ein Problem auf: Je weniger Kapitalismus (oder dann eben auch seine Abschaffung) „systematisch“ Wirkungen entfaltet – darum, weil er eine PRAXIS von Leuten ist (spätestens im Ergebnis, als Zusammenwirken unendlich vieler Leute mit viel unterschiedlichen Meinungen, auch unterschiedlich gut begründeten) – wie soll man dann von ihm etwas Berechenbares, Gutes oder Schlechtes, ihn Legitimierendes oder Kritisierendes, erwarten? Je mehr er das aber tut – desto dringlicher wird die Frage: Wie denn je Leute sich aus diesem System durch eigenes Tun sollen befreien können – wann, wie und warum ihr EIGENES Tun beginnt – und… warum es sich dann gegen den Kapitalismus (warum?) richten soll….

Also wer ist schuld am Kapitalismus – er selbst? Oder die Leute? Und wer soll ihn abschaffen? Er sich selbst? Oder die Leute? Und… wer soll danach eigentumsfrei planen…? (Klar: die Leute. Aber warum tun sie das nicht schon längst? WAS HÄLT SIE AB?)

7. März 2014
Hallo Wat und Wal,
ich will versuchen, meinen eignen Gedankengang von oben fortzusetzen und zugleich meine VORLÄUFIGE Antworten an euch (auch ihr habt ja versucht, euch vorläufig kurz zu fassen!) in ihn einzuarbeiten.

Ich finde Wats Redeweise gut: Die Menschen sind selbst die Produktivkräfte – hingegen ihr Wissen, ihre Arbeitsmittel, die Produktionschancen, die sie in ihrer Umgebung vorfinden, ohne sie gemacht zu haben: das sind alles nur Dimensionen ihres Handlungsspielraums. Dieser ihr Spielraum (ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten*), ihre (Produktiv-)“Kraft“) ist aber nur die eine Seite der Praxis, die sich damit entfaltet. Die andre ist die der Pläne und Zwecke, die sie sich setzen angesichts dessen, was sie jeweils wissen oder nicht wissen.
*) Wal hat oben von solch einer Möglichkeit gesprochen….

(Genauer müsste man sagen: Sie setzen sich VERSUCHS-Zwecke, entwerfen Pläne, die sie VERSUCHEN umzusetzen. Oder man könnte sagen: sie bestimmen, angesichts ihres (Noch)Nichwissens, in welcher Form sie das Experiment ihrer Reproduktion machen wollen, oder welches der möglichen Reproduktions-Experimente sie machen wollen).

An vielen Stellen schliessen diese Pläne einander aus – man kann nicht alles zugleich machen bei gegebnem Handlungsspielraum. In den „Produktions-Verhältnissen“ der Leute ist routinemässig geregelt, welche ihrer einander widersprechenden kollektiven (Versuchs)Planentwürfe umgesetzt werden – das heisst meist: WESSEN Entwürfe umgesetzt werden und gelten.
(Dabei können zwar die Gründe, warum diese Entwürfe und keine andern umgesetzt werden, von allen Betroffenen geteilt werden. Das ist aber nicht der Normalfall; meist hat jeder Mitwirkende seine ganz „eigenen“ (oft berechnenden) Gründe, warum er sich an der Ausführung beteiligt – und meist sind das ganz andere als die der Entwerfer.)

Bei Marx‘ Beschreibung dieser beiden sehr grundlegenden historischen Entwicklungsdimensionen (Produktivkräfte, Produktionsverhältnisse) ist nun etwas aus meiner Sicht sehr Ungutes passiert:
Marx fand eine beeindruckend ausgearbeitete RELIGIÖSE („idealistische“) Theorie der Geschichte vor (die von Hegel), die in und hinter der Geschichte, ja überhaupt in und hinter allem und jedem: der Natur, dem Leben und Denken der Einzelindividuen, eine bewusstseinsartige MACHT am Werk sah. Eine Macht, die sich DURCH alle stattfindenden Geschehnisse, auch deren Entwicklung hindurch immer nur „selbst“ verwirklichte, und die alles gestaltete, bestimmte, antrieb: Hegel nannte das den GEIST, eigentlich war aber Gott gemeint. Marx widersprach dem. Aber dabei verwarf er von Hegels Kategorien teils zuviele, die durchaus in einer nichtreligiösen Theorie ihren Platz gehabt hätten (die „Bewusstseins“-Stufen). Teils nahm er seinerseits über-individuelle, „gesellschaftliche“ Quasi-Subjekte an – das System, die Systemlogik, den Systemzweck – die sich durch den Willen der Einzelindividuen („unabhängig von ihrem Willen“) hindurch durchsetzen und „von selbst“ verwirklichen. Das erinnert durchaus an den Hegelschen Geist. Wobei aber Marx weder zu seiner Zeit noch heute der einzige „materialistische“ Gesellschafts-Theoretiker war bzw ist, der zu solchen Über-Kategorien neigt – allein die ökonomische Theorie ist ja voll davon – : das Kapital, der Markt, das Geld, die Wirtschaft, die Produktion, die Kultur, die Gesellschaft, die Geschichte, der Fortschritt, die Wissenschaft, die Öffentlichkeit, das Recht, der Staat – es wimmelt im neuzeitlichen und modernen Denken nur so von solchen Geschichts-Mächten und überindividuell, nämlich „gesellschaftlich“ sich durch sich selbst geltend machenden Praxis-Gestaltungen.

Was nur Ausdruck dessen ist, dass die betreffenden Theoretiker (Marx steht da keineswegs allein) einfach keinerlei Ansatz wissen, um die Phänomene auf Ebene der „Gesellschaft“ zu übersetzen und aufzulösen in die zahllosen „Interaktionen“ einzelner Leute und deren individuelle Handlungsantriebe.

((Anm. Es gibt dasselbe Problem in der umgekehrten Richtung – Analysen „gesellschaftlicher“ Interaktionen von Einzelindividuen lassen sich nicht bis auf die „gesamtgesellschaftkliche“ Ebene verlängern. Die Frage ist immer: Wie kann etwas aus Einzelköpfen und Einzelbegegnungen in die vielen Einzelköpfe all der andern gelangen – wie wird es gefiltert, wie kondensiert, derart dass sich die ungeheure Vielfalt der Einzelereignisse reduzieren und auf einen Nenner bringen lässt? (Einer dieser Nenner ist das Geld; es gibt andere „Medien“, „Normen“, „Institutionen“ in der Soziologie, die das angeblich leisten – bloss sind das schon wieder von Anfang an ÜBER-individuelle Gebilde („dieselben für alle“), die zwischen Individuen, ohne von ihnen gestaltet zu werden, vermitteln sollen…))

Die starke „moderne“ Ungleichverteilung und „Formalisierung“ von Kompetenzen, sei es des Entscheidens (Herrschaft), sei es des Könnens (Arbeitsteilung, Spezialisten/Experten), erzwingt zugleich und ermöglicht die Ausbildung solcher Redeformen, in denen sich „Gesellschaftliches“ als von Einzelpersonen abgelöst, allenfalls von ihnen „umgesetzt“ darstellt – und sich insofern wie eine Quasi-Person („die Gesellschaft“) mit eigenen Zwecken, Willen, Wissen, Fähigkeiten, mit einer ganz eigenen Biographie (der „Geschichte“) zu entwickeln scheint. (Das ist zwar so nie wörtlich und ernstgemeint; WIE es aber gemeint sein soll, ist eine bis heute von Menschen (nicht nur linken, sondern auch „bürgerlichen“), die sich über „Gesellschaftliches“ Gedanken machen, nur unzulänglich gelöste Aufgabe.)

Ich habe oben eine der wichtigsten historischen Entwicklungsdimensionen benannt, die auf diese eigenartige Weise zwischen Gesellschaft und Einzelnen schweben: Nämlich das je irgendwo in einer Gesellschaft verfügbare Wissen.
Dies Wissen „schwebt“ darüberhinaus auch noch zwischen den Polen eines zweiten Widerspruchspaares:
– Es ist einerseits etwas unzweifelhaft an „Bewusstseinsvorgänge“ von Einzelpersonen (als „Subjektives“ an „Subjekte“) Geknüpftes (die aber sich vermehren und vermindern können – durch die Zeit hindurch können ganz verschiedene und ganz unterschiedlich viele Leute dasselbe wissen).
– Andererseits ist Wissen (als technisches „Wissen-wie“ (know-how), aber auch als prognostisches „Wissen-dass“) ein unentbehrlicher OBJEKTIVER Produktionsfaktor – und zwar einer, der sich (hier mehr in der ersten Form: Wissen-wie) auf Fähigkeiten, als auch auf die Setzung von (Versuchs)Zwecken (hier mehr in der Form des Wissens-dass) beziehen lässt. Und… es gibt ganz klar „materielle“ Seiten an und in der
– Wissens-Ermittlung (Experimente sind riskant, kosten…),
– Wissens-Speicherung (aufwendig),
– Wissens-Vermittlung und individuellen Wissens-Erarbeitung (als Bildung und Ausbildung),
für die Arbeitskräfte und Ressourcen eigens bereitgestellt werden müssen, die anderswo fehlen: Diesen Faktor zu REPRODUZIEREN und zu PRODUZIEREN kostet ganz handfest Ressourcen. Zugleich ist seine „Produktion“ weniger als andre in seinen Resultaten planbar (man weiss nicht, was bei einem Versuch/Experiment herauskommt, oder was man bei einer Erkundung finden wird); dennoch geht er in beinah alle andern „planbaren“ denkbaren Produktionen und (Versuchs)Zwecksetzungen als entscheidende Voraussetzung mit ein.

Das in materieller Hinsicht Wichtigste und Nächstliegende daran aber ist (wie so oft) das zugleich am wenigsten beachtete und bedachte: Dass nämlich vorhandenes Wissen auch die wichtigste Grundlage seiner eigenen ERWEITERUNG ist – auch in dem Sinn, dass es sie behindert. Genauer sieht das so aus:

Das Wissen für sich genommen (oder, in Wats Formulierung oben, das Handeln, in dem es sich als „Erfahrung“ ergab) „sagt“ uns in den seltensten Fällen, auf welche Weise wir Schlüsse daraus ziehen und daran anknüpfen sollen, durch Tun und Unterlassen. Selbst, ob etwas überhaupt Beachtung finden soll oder unwichtig ist, indifferent, keinen Unterschied (für unsere Praxis) machend, FOLGT nicht einfach aus dem Sachverhalt selbst. Wir haben immer eine REGEL, wie wir beurteilen und schlussfolgern – eine Regel, die im Kern darauf hinausläuft, aus dem uns verfügbaren Gesamtwissen (bis hinauf zum neuesten, zuletzt-hinzugekommenen) zu erschliessen, was wir nun tun wollen, und wie weiter verfahren – ob (und was) wir weiter suchen, untersuchen, probieren, versuchen. Dabei werden wir – geplant oder ungeplant – weiteres Wissen erwerben – wir werden LERNEN – und die Regel könnte somit bezeichnet werden als eine LERNREGEL.

Unsre Lernregel, so behaupte ich, ist die höchste Regel, die wir überhaupt in unserer Praxis befolgen.
Sie ist die Regel, die unsere gesamte Praxis BESTIMMT.
Sie ist die aktuelle Konkretisierung (beim gegebnen Wissensstand) dessen, was wir unter Rationalität*) verstehen –
*) oder auch: Zurechnungsfähigkeit, Besonnenheit, (Erwachsenen)Vernunft, letztlich: Personalität schlechthin

(Man könnte sagen: Sie stellt den von Wat behaupteten Zusammenhang zwischen (bisherigem) Handeln bzw den dabei gemachten Erfahrungen, und unserm Denken und weiterem Handlungsentwerfen allererst her – sie ist es, durch die unser Handeln (im genannten Sinn) sinnvoll unser Denken formt.)

Viele „aufgeklärte“ Geschichtstheoretiker ohne ein religiöses Geschichtsverständnis glauben, dass es hier eine geschichtsübergreifend durchgängig einheitliche „vernünftige“ oder „rationale“ „Erkenntnis“- und Erfahrungsverarbeitungs-Regel, gibt – das einzig veränderliche darin wäre demnach bloss die langsam historisch anwachsende Erfahrung.
(Diese Erfahrung wird unendlich vielfältig umgesetzt, verwertet, verarbeitet in Gestalt von Kompetenzen, (Versuchs)Zwecken, Begriffssystemen, Übersichtsdarstellungen, Ausbildungsprogrammen, individuellen Wissensständen, die hinter gesellschaftlichen zurückbleiben, dazu aufschliessen, sie (individuell) überholen).

Wenn es stimmt, dass die Lernregel der Kern der Wissensverarbeitung, deren Stand aber der Kern des je erreichten „Stands der Produktivkräfte“ ist, und dass es nur eine, eben die „vernünftige“ Lernregel gibt – dann ergäbe sich genau die Behauptung, die Wat aufgestellt hat: Die durch die immer gleiche menschliche Vernunft (Intelligenz usw) verarbeitete Erfahrung wächst einfach an. Es gibt keine Stufen darin, höchstens eben ein je erreichtes MASS oder Grad, letztlich eben eine MENGE an Wissensinhalten.

Aber dem ist nicht so, wie sich bei näherer Betrachtung zeigt.

Vielmehr gibt es, so glaube ich, auch in der Wissensverarbeitung Reifungsstufen (also so, wie Hegel es behauptet hatte) – allerdings sind sie selber nochmal vom anwachsenden Wissen abhängig, und ändern sich in langen Fristen aufgrund von Wissenszuwächsen.
(Das hatte Hegel ignoriert: Bei ihm hat „der Begriff“ oder die Regel es hauptsächlich mit sich selbst zu tun, ihren „inneren Widersprüchen“, und ist dafür nicht auf äussere Anstösse angewiesen, produziert vielmehr die gesamte Entwicklungsdynamik aus sich selbst heraus; das ist das Unmaterialistische an Hegel. Womit er bzw. sein Denken bloss ein unterscheidendes Etikett erhält, aber über richtig und falsch noch nicht entschieden ist.)

Die langfristige Abhängigkeit des Inhalts der Lern-Regel vom Wissen begründet, warum diese Regel über extrem lange Dauern (und viele Generationen weg) extrem stabil bleiben kann, selbst wenn sie unvollkommen (und an sich „reifungsbedürftig“) ist: Sie limitiert oder verlangsamt den Wissenserwerb – sie verhindert womöglich über lange Zeit den Erwerb gerade DES Wissens, das sie ändern („reifen“ lassen) würde. Diese OBJEKTIVE Selbst-Limitierung des Wissenserwerbs ist durch keinen guten SUBJEKTIVEN Willen abkürzbar oder überwindbar. Sie ist der harte, letzte Grund für die Zähigkeit und Lngwierigkeit der Geschichte – verstanden als Lern- und Reifungsprozess.

((Anm.1: Es gibt aber, später, auch das Umgekehrte: Wenn Träger von Lernregeln auf (in ihrer Gesellschaft kulturell verfügbare) Erfahrung stossen, das sie auf ihren Grundlagen garnicht gesucht oder erzeugt hätten, kann es sein, dass sie beschleunigt zu solch einer Reifung gelangen: Diese Reifung ist durch die in ihrer Umgebung vorfindlichen fortgeschrittenen (ua. Bildungs- und Ausbildungs-)Inhalte GEBAHNT und erleichtert.))
((Anm.2: Die Eigenarten des Wissens erklären die eingangs genannten Schwierigkeiten nicht nur der Gesellschaftstheoretiker, sondern mehr noch die Probleme verschiedener Gesellschaften/Produktionsverhältnisse zu verschiedenen Zeiten, mit dieser Kern-Dimension der Produktivkraft-Entwicklung fertigzuwerden: Wissen „schwebt“ zwischen den Subjekten und der gesamten „Objektivität“, weil es die wichtigste, und DIE ARBEIT/PRODUKTION VORBEREITENDE Verbindung zwischen beidem ist; und: Subjektiv entsteht es, subjektiv wird es erarbeitet, ausgebreitet, übernommen – aber im Mass, wie es wächst – wie kann der Bestand ein gemeinsamer bleiben? Wie sollen Entscheidungen Wissender von Unwissenden mitgetragen werden können, die die Gründe und Entscheidungsgrundlagen nicht beurteilen können? Wie soll der Zusammenhang zwischen Wissen und ihrer ALLER (Versuchs)Handeln (bzw den Entscheidungen, die es festlegen) sein, wenn grosse Teile der Betroffenen und Mitwirkenden garnicht über den Zugang zur wichtigsten Ressource vernünftiger Entsscheidungsprozesse verfügen? Wie kann ihr Verhältnis zum „gesellschaftlich“ gültig Entschiedenen dann bestenfalls aussehen? Wie und als was können „Gesellschaftstheorien“ dies (Produktions)Verhältnis dann bestenfalls beschreiben, wie kann dies Produktionsverhältnis sich dann bestenfalls gestalten? Vom Wissen hängt ab, was (in der gesellschaftlich(-arbeitsteilig)en) Produktion und Ko-Operation) geschieht…))

Ich hatte oben schon behauptet, und wiederhole es hiermit: Diese Reifungsstufen sind sehr eng verbunden mit den von mir bei Marx vermissten Stufen (und eben nicht nur Graden) der Produktivkraft-Entwicklung.

Hierzu muss ich aber gleich ein paar Anmerkungen machen:

1. Das historisch immerfort weiter wachsende Wissen zu kontrollieren fällt im Verlauf der Geschichte immer schwerer, es wird immer aufwendiger, vor allem den Nachwachsenden den Anschluss an das vorhandene Wissen zu vermitteln. Was immer sich an Errungenschaften an irgendwo gesellschaftlich verfügbar gemachtes, entdecktes Wissen (oder Wissensverarbeitungsregeln, als Konsequenz aus Wissen) anschliesst, ist erst einmal nur wenigen Einzelindividuen zugänglich. Das gilt speziell für die wissens-abhängigen „Reifungsstufen“ des Lernens selber.

2. Die Reifung hat die Form NICHT des Übergangs zu etwas gänzlich Neuem und Anderen. sondern einer Präzisierung der vorausgehenden bzw. Anfangs-Lernregel. Das begründet einen extrem häufigen, ja fast normalen Vorgang:
Inhalte (verarbeitete Erfahrung), die durch eine fortgeschrittene Lernregel zustandekamen (mit ihr aus Erfahrung abgeleitet oder ermittelt wurden), können „zurückfallen“ und Inhalte für eine Wissensverarbeitung werden, die auf einem primitiveren, gegenüber dem fortgeschrittenen „entdifferenzierten“ Niveau liegen. Und das kann selbst dann der Fall sein, wenn die „fortgeschrittene“ Weise des Lernens einer Gesellschaft „kulturell“ die massgeblichen Wissensinhalte für ihre Praxis (Reproduktion, Fortschritt, Wissenserwerb usw) vorgibt: Der Anteil der Angehörigen dieser Gesellschaft, die WIRKLICH ständig Wissen (auf Basis des schon vorhandenen) weiter auf dem fortgeschrittenen Niveau verarbeiten, kann sehr gering sein. Man kann dann sagen: Diese Gesellschaft steht KULTURELL auf dem fortgeschrittenen Niveau – aber eben nicht ihre Mitglieder; bzw. die meisten dieser Mitglieder verarbeiten bekannte und neue Inhalte in unreiferen Formen (mit einer unreiferen Lernregel) als der kultur-bildenden.
Anm. Da hat man ein Beispiel für die oben schon angesprochene Ungleichheit der Begründungen: Die meisten Mitmachenden und Ausführenden haben „eigene“ Gründe, warum sie von Andern Entwickeltes vielleicht gutfinden und gutheissen – ganz andere Gründe als die Entwickler selbst. ((Ich halte dieses AUTORITÄRE Vertrauen, sowohl der Autoritäts-Gläubigen, als auch der Autoritäten, für eine Katastrophe.))Anm.Ende

3. Gesellschaften sind also nichts weniger als homogen in ihren Weltverhältnissen, vielmehr kommen extrem unterschiedliche Entwicklungsstadien (spätestens in der eben beschriebenen Form des „Zurückgefallenseins“) gleichzeitig und nebeneinander vor. Je fortgeschrittener „die Gesellschaft“, desto weiter zieht sich das Spektrum der (historisch, kulturell) eigentlich überholten Lernregeln (Weltverhältnisse, Mentalitäten), mit denen mehr oder weniger grosse Teile der Angehörigen einer Gesellschaft die in dieser Gesellschaft KULTURELL HEGEMONIALEN Inhalte verarbeiten, auseinander. Und es gilt: Je primitiver die Verarbeitungsform, desto häufiger ist sie vertreten. Das ist keine Verunglimpfung der „Zurückgebliebenen“, sondern die bittere „materialistische“ Einsicht, dass Lernen, Vermitteln, Erfahrungen machen können eine fundamentale Produktionsaufgabe darstellt, die sich nicht einfach nebenbei und von selbst erledigen lässt:
Um jemand in seinem individuellen Bildungsprozess auf ein fortgeschritteneres Lernregel-Niveau gelangen zu lassen und ihn somit zum gesellschaftlich erreichten Wissensverarbeitungsniveau aufschliessen zu lassen, müssen Ressourcen aufgewandt werden; ob das geschieht, hängt ab vom Reichtum der Gesellschaft, seiner Verteilung, und dem MOTIV, das in ihr besteht, solch eine Anschluss-Arbeit überhaupt zu leisten. (Auch das hängt von der Vorbildung des Fortbildungs-Willigen ab…)
Anm. Nicht zu vergessen: Man muss wissen, wie das fortgeschrittene Niveau eigentlich zu vermitteln wäre. Von keinem der aus meiner Sicht bislang erreichten Fortschrittsniveaus der Wissensverarbeitung und obersten Lernregel lässt sich das derzeit sagen. Noch eine Katastrophe! Anm.Ende

Also: Je fortgeschrittener eine Gesellschaft ist, desto mehr „unreife“ und historisch-kulturell bereits überwundene Verarbeitungsniveaus kommen an und in ihren Angehörigen vor: Die Vielfalt der Formen der Begriffs- und Meinungsbildung wächst, die Zahl der möglichen (unterschiedliche Fortschrittsniveaus verkörpernden) „UNGLEICHZEITIGEN“ Mentalitäten und historischen „Zurückgebliebenheiten“ gegenüber dem kulturell bereits erreichten Niveau nimmt zu. Und das fällt bloss darum nicht auf, weil eben das Zurückgebliebene nie ausdrücklich auftritt als „zurückgebliebene Lernregel“, sondern als unergründlich „subjektive“ Quelle von speziellen Schlussfolgerungen und Interpretationen jenes allen Zeitgenossen überhaupt zugänglichen Erfahrungsmaterials, auf das (als das gesellschaftlich, „kulturell“ massgebliche) sich zwar alle gemeinsam, bloss eben auf mehr oder weniger iihmeigentlich nicht angemessene Weise, beziehen. Keine Gesellschaft hat es bisher geschafft, ihre Angehörigen sämtlich auf den kulturell in ihr etablierten Stand des Lernens und Wissenserwerbs zu heben: Katastrophe! (sie wussten und wissen nichtmal, wie sie es tun könnten, vgl. die Anm eben).

4. Genau daran scheitert dann aber derzeit der Vorschlag an diese gegenüber den Inhalten, mit denen sie umgehen sollen, zurückgebliebenen „Produktivkräfte“, sich in eine von ihnen allen durch gemeinsame Einsicht getragene kollektive Produktions- und Wissensverarbeitungs-Organisation einzubringen. Denn den primitiven Weltverhältnissen korrespondieren je ensprechende Vorstellungen von vernünftiger Vergesellschafung – bei verschiedenen WELTVERHÄLTNISSEN sind sie entsprechend verschieden; und werden in ASYMMETRISCHER Weise gegeneinander geltend gemacht. (Hier ist die Erklärung zu suchen und zu finden, warum die einen „links“ und dies in dieser oder jener Weise sind, reformistisch, staatssozialistisch, anarchistisch, konsens- oder (räte)demokratisch-kommunistisch, komunalistisch usw – oder auch, warum es Faschisten, Libertäre, Konservative, Liberale, Sozialdemokraten, und ausserdem noch jede Menge un- und vorpolitischer Menschen gibt.
Zwei (nicht weiter begründete) Thesen dazu:
a) Niemand kann in seinem Vergesellschaftungskonzept weiter sein als es seinem Weltverhältnis entspricht.
b) Auch Inhalte aus fortgeschrittenen Vergesellschaftungskonzepten können in primitivere Formen zurückfallen – entsprechend den zugehörigen Weltverhältnissen.
c) Bei gleichem Weltverhältnis können die dazu passenden Vergesellschaftungskonzepte unreifere und reifere Formen annehmen – sie bilden (im Rahmen des zugrundeliegenden Weltverhältnisses) eigene Entwicklungsreihen*).
*) die unten für das Weltverhältnis „OPP“ angegebene Reihe der Stufen der dazu passenden Vergesellschaftungs-Konzepte lautet zB: Gewalt – Vertrag – (Klassen)Staat – Gerechtigkeit.

5. Ein Weltverhältnis (eine oberste Lernregel) muss etwas sehr, sehr fundamentales sein:
Es hat eine kognitive Seite – eine Seite des Organisierens von Erfahrung und Wissen.
Es hat aber auch eine praktische Seite – was zu tun ist, wie man sich zum Unbekannten stellt – zB auch zu den damit verbundenen RISIKEN.
Damit kommt sogar eine AFFEKTIVE Seite hinein*).
*) Spezielle Affekte beim Umgang mit dem eigenen (Un)Wissen und Ungewissheit sind die sog. Erwartungsaffekte wie:
Hoffnung/Depression; Angst; Ungeduld/Ärger/Aggression; auch Sucht (im Sinne einer „Zwischenbelohnung“, wenn etwas länger dauert als erwartet) würde ich dazu zählen.

Und… es hat eine begriffliche, ja überhaupt praxis-konstitutive Seite: es konkretisiert, was man sich unter „sinnvollem Leben, Arbeiten, Handeln überhaupt“ vorzustellen hat – etwas wie die Definition von „Sinn(voll vs. sinnlos)“. Schliesslich definiert diese Regel (mit der bei egal welchem Wissensstand abzuleiten ist, was als sinnvolles zu (versuchen zu) tun bleibt), was wir an Handeln bei uns wie andern verstehen – weil es vernünftig ist – und „so, wie wir es an Stelle des andern getan hätten“. Sie definiert also, was wir akzeptabel, so erwartbar (als Verhalten auf den
Erfahrungs-Grundlagen des jeweils andern), legitim, verständlich, normal, vernünftig, richtig, spätestens unter den Verhältnissen des andern finden – und was unverständlich, verrückt, unnormal, krank, „nicht mehr nachvollziehbar“ finden. (Man sieht, wie wichtig es für eine differenzierte Vergesellschaftung wäre, die Zurückgebliebenheit der Weltverhältnisse anderer, wenn es denn sowas gibt, zu berücksichtigen.)

Es scheint nicht verwunderlich, dass ich auf diesem Hintergrund RELIGIÖSES DENKEN (oder „das REligiöse Weltverhältnis, von mir abgekürzt REL) als eine der Durchgangs- und Reifungsstufen der „obersten Lernregel“ begreife. Marx schlägt dieses Weltverhältnis ohne weiteres dem „Überbau“ zu, sieht nichts Materielles und zur Produktion Gehörendes darin.
Ich würde gerne meine bisher sehr allgemein gehaltnen Thesen zur Wissensverarbeitung als dem Kern der historischen Stufen der „Produktivkraft“-Entwicklung anhand dieser „Stufe“ in einem weiteren Beitrag näher erläutern
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((Um eine vage Andeutung zu geben, was ich ausserdem noch für Stufen dieser Art sehe, behaupte ich hier nur noch soviel – aber nur, um die Art, wie mit diesen Kategorien operiert wird, einmal grob zu illustrieren
Es gibt nur folgende Reifungsstufen der obersten Lernregel:
A. vermeintlich erfahrungsgestützter Umgang mit Erfahrung, in Wirklichkeit prinzipienloser („OPPortunistischer“).
Wie sich zeigen lässt, mündet diese Wissenserwerbsform in etwas, das kulturell vor langer Zeit massgeblich war und die Form MAGISCH-ABERGLÄUBISCHEN DENKENS annahm. Tatsächlich ist ohne weitere Korrekturen diese Lernregel die erste und einzige, mit der Leute arbeiten, wenn nicht ihnen aktiv angebotene und vermittelte (oder, schwerer, passiv selbst gemachte) Bildungserfahrungen (im Vollzug historischer Reifungsschritte) sie den historisch-kulturell bereits absolvierten Weg persönlich nachvollziehen lassen.
Diese Lernregel ist in früher historischer Zeit bereits kulturell in eine andere übergegangen (die Weise des Übergehens durch Erfahrung mit dem Erfahrungserwerb, den die jeweilige Lernregel nahelegt, nenne ich ihr Scheitern):
B. RELigion. Religiöses Denken wird als kognitive Form extrem unterschätzt. Für genuin religiös (auch metaphysisch) Denkende ist diese Form aber unhintergehbar, der Mangel daran ist für sie undurchschaubar (leider auch für so gut wie alle derzeitigen Atheisten oder besser, Areligiösen: Der Fehler der Religion scheint für sie festzustehen, aber nicht greifbar zu sein). Die von Trägern eines genuinen REL Weltverhältnisses entwickelten Inhalte fallen, wenn keine besonderen Anstrengungen zu ihrer Vermittling unternommen werden, bei andern in einen OPP Rahmen zurück; ich nenne diese in Aberglauben OPP zurückgefallene Form von REL: Gläubigkeit. (Der Unterschied ist: Wo man in REL eine Hypothese hat, hat man in OPP eine „aufgrund von Erfahrung berechtigte Erwartung“.)
C. MODernes Denken: fällt erst recht in REL und damit als Rahmen in Gläubigkeit zurück, und kommt bei so gut wie allen Leuten heutzutage garnicht anders vor als nur in dieser Form. Linksradikale unterscheiden sich dadurch von ihrer Umgebung, dass sie MODernität in einem genuinen RELigiösen Rahmen denken. (Das wäre genauer zu zeigen.)
Es lässt sich, wie ich glaube, weiter zeigen:

Den OPP Weltverhältnissen, auch gläubigen (solchen mit REL-) oder RELigiös-degereniert-MODernen (gläubig-MODernen) Inhalten sind Gewalt, Vertrag, (Klassen)Staat und Gerechtigkeitsdenken angemessen.

Das dem genuinen RELVerhältnis angemessene Vergesellschaftungskonzept ist das einer GELDFREIEN Tauschwirtschaft (denkt an die Tauschkreise und Geldkritik der Esoteriker…).
Wenn (das zugehörige REL-Weltverhältnis in OPP, und mit ihm..) sie in eine Vertrags-Konzeption zurückfällt (in der sie sich nie etwickelt hätte), kommt die Geld-Vorstellung hinzu. Wenn diese (von Leuten, die dahin gelangt sind, vernünftig gefundene) Vergesellschaftungsform auf Basis eines ihr zugrundeliegenden MOD-gläubigen OPP-Weltverhältnisses tatsächlich umgesetzt wird, kommt ein bürgerlicher Staat und entwickelte kapitalistische Klassengesellschaft heraus.usw.
Das dem MOD Weltverhältnis einzig angemessene Produktionsverhältnis WÄRE libertäre gesellschaftsweite Eigentumsfreiheit.
D. Ich glaube, dass sich derzeit in fortgeschrittenen (kapitalistischen) Industrieländern sehr diskret Anzeichen für ein NACHMODernes Weltverhältnis ergeben…))

Alle Weltverhältnisse weisen zusätzlich je zu ihnen gehörende (leider scheiternde) Formen des Versuchs auf, Andersdenkenden ihr Weltverhältnis und die auf ihrer Grundlage je legitim und vernünftig erscheinenden Vergesellschaftungskonzepte zu VERMITTELN (sofern sie nicht, moralisch oder autoritär, einfach Anerkennung dafür fordern):
Empathische Einfühlung (OPP),
Kritik (REL),
selektiv-begriffsbildungs-stimulierende Erfahrungsvermittlung (MOD).

7. März 2014
Tja. Das wundert mich nicht. ((Auch wenn ich mich (so wie sonst) weiter bemühe, nach dem ersten vergrübelten Abfassen meinen Text zu glätten und dämlich ausgedrückte Stellen zu verbessern.))
Auch du, Wat, hast ja in deiner „Theorie“-Darstellung „Schnipp“ machen müssen. Auch Wal konnte nur noch versprechen, Belege usw nachzureichen.
Wie sollte es auch anders sein in einem thread, der tendenziell das Gesamtwerk von Marx auf den Begriff bringen und es zugleich auf den Prüfstand heben will.
Auch ich habe nur etwas sehr Komprimiertes und extrem Erläuterungsbedürftiges schreiben können.

Ich kann aber auch direkt an deinen Text anknüpfen.
Warum begründet ein bestimmter Stand der Produktivkräfte den Wechsel des Produktionsverhältnisses?
Muss ich diesen Stand dann nicht BENENNEN können? Muss man das nicht begründen durch die ART der jeweils ausgebildeten Produktivkräfte? Es kann doch nicht IRGENDEIN Stand sein, oder? Wird nicht sonst der Satz über den Zusammenhang zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen völlig nichtssagend und nicht mehr nachvollziehbar?
Weil ich diesen Eindruck habe, darum hab ich nach den Stufen in der Produktivkraft-Entwicklung gefragt, und die genaue Angabe der den jeweiligen Übergang „erzwingenden/ermöglichenden“ Produktivkraft-Stände bei Marx vermisst.

(Ausserdem hab ich einen eigenen Vorschlag gebracht, wie man diese Stufen vielleicht definieren könnte. Nämlich als unreifere bzw. reifere Formen des Umgangs mit verfügbarem Erfahrungswissen. Und ich hab behauptet: Die Leute, die jeweils so ein Verhältnis zu Welt und Wissen (selbst ausgebildet oder nachvollzogen) haben – die haben AUTOMATISCH auch bestimmte Vorstellungen, wie und warum ihnen bestimmte Formen der Vergesellschaftung vernünftig erscheinen. Die können garnicht anders als es sich so denken. Sonst müssten sie ihr „Weltverhältnis“ ändern. Das wäre aber auszuführen.)

ENDE thread Warum Marx?
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thread: Kapitalismuskritik – wie geht das?

9. März 2014+2
Hallo Wal, mir erscheint sehr wichtig, was du da angefangen hast: Die linksradikalen Kritikpunkte am Kapitalismus sowohl zusammenzutragen als auch zu unterscheiden; und sich zu fragen, in welchem Verhältnis diese Punkte zueinander stehen. (Vielleicht auch noch: sich zu fragen, warum verschiedene Kritikpunkte von verschiedenen Gruppen besonders betont werden…)

Mir wäre zunächst wichtig, auf einen Zusammenhang hinzuweisen, dessen Bedeutung ich schon mehrfach (vor allem zuletzt im AWT-thread) hervorgehoben habe:
Die KRITIK am Kapitalismus (oder seine „Delegitimierung“) setzt voraus, dass man sicher sagen kann, wie er funktioniert – was er notwendig an Wirkungen erzeugt, an was er grundsätzlich, durchgehend „schuld“ ist, oder welchen Verlauf er sicher oder mit grosser Wahrscheinlichkeit nehmen wird.
Man müsste dann diese sicheren oder sehr wahrscheinlichen Wirkungen BEWERTEN können; man muss sich sicher sein können (und das begründen), warum die grösste Zahl der Angehörigen kapitalistischer Gesellschaften diese Bewertung (spätestens wenn sie sie kennen und begreifen) teilen werden.
Dann müsste man sagen können, durch was man den Kapitalismus ersetzen will: Und auch da muss man die erwartbaren Wirkungen und Verläufe mit guten Gründen vorhersagen können. Oder man muss (mit guten Gründen) sagen können, was es für Folgen hat, ihn „abzuschaffen“ und „ersatzlos zu streichen“.
Und auch diese Folgen des Ersetzens und/oder Streichens muss man bewerten.
Man muss dann noch nachweisen, dass die Bilanz im zweiten Fall absehbar deutlich besser ausfällt, als im Fall des Fortbestehens von Kapitalismus.
Und bei all dem sollte man nicht vergessen, dass auch die Befürworter des Kapitalismus Argumente für ihn anführen – dass sie über ihn nicht so ganz anders reden als viele Linksradikale über den Sozialismus, dass er nämlich das bessere Wirtschafts- und Produktions-Organisationssystem darstellt, und – da spalten sie sich in ähnlich viele Fraktionen (oder soll man sagen: Konfessionen?) auf wie die Linksradikalen – dass er eigentlich garnicht seine Leistungsfähigkeit voll entfaltet, und in verschiedensten Hinsichten sehr reformierunugs-bedürftig ist (dazu machen sie Vorschläge – bis hin zur reformistisch-sozialdemokratischen Linken.)

Die beiden Hauptrichtungen der an Marx‘ Kapital sich anschliessenden Kapitalismus-Kritik sind in der Tat nur dann auseinanderzuhalten, wenn man die ökonomische Theorie dahinter nicht kennt oder nicht anerkennt: Dass nämlich die Lohnabhängigen seit Beginn des Kapitalismus von der Verfügung über das von ihnen produzierte Mehrprodukt ausgeschlossen sind: Von Anfang an konnten und können sie bis heute nicht bestimmen, wieviel sie dafür mehr als zu ihrem aktuellen Lebensunterhalt notwendig arbeiten wollen; sie können Art und Richtung der Mehrproduktion, die ihnen da zwangsweise auferlegt wird, nicht bestimmen. An diesen Verfügungs-Verhältnisssen ändert sich auch auf Dauer nichts: Während der von ihnen produzierte Reichtum an Produktionsmitteln in unfassbarer Weise wächst, bleiben die Lohnabhängigen immer weiter von ihm und der Verfügung über ihn ausgeschlossen. Schlimmer noch. Die Konkurrenz, der vielgelobte Hauptantrieb der modernen Marktwirtschaft, wirkt sich so aus, dass mit allergrösster Wahrscheinlichkeit immer grössere Teile der (Welt)Bevlkerung vom Zugang auch nur zu dieser Quelle ihres Lebensunterhalts ausgeschlossen werden oder gleich garnicht erst in ihre Nähe gelangen. Alle andern Lebens- und Produktionsmöglichkeiten aber werden weltweit systematisch von kapitalistischen Unternehmen (meist mit Gewalt) zerstört und/oder angeeignet; es gibt darum weltweit zur Lohnarbeit und Lohnarbeitslosigkeit auch keine Alternative.

In der marxistischen Tradition der Kapitalismuskritik wird also klar gesagt: Die Quelle für beide Kritikrichtungen (Armut/Ungleichverteilung von Einkommen; Mangel an Verfügung über Art, Ausmass, Richtung des Einsatzes der Produktionsmittel) ist dieselbe, man kann garnicht das eine Übel weghaben wollen ohne auch das andre zu beseitigen. Daran ändert sich auch durch eine eventuelle Korrekturbedürftigkeit im Detail der dahinter stehenden ökonomischen (Arbeitswert-)Theorie von Marx nichts.

Leider trifft diese Kritik nicht mehr ins Zentrum der Rechtfertigung des Kapitalismus als eines notwendigen ÜBELS, als das er (ähnlich wie die Demokratie) höchst defensiv heute besprochen wird.
Und da wundert mich, Wal, dass du eine weitere Richtung der Kapitalismus-Kritik, die zugegeben viel schwächer ausgearbeitet und weniger lautstark geltend gemacht wurde und wird, nicht immerhin erwähnt hast: die an Kapitalismus als einem tauglichen STEUERUNGSINSTRUMENT einer ansonsten nicht beherrschbaren, nicht organisierbaren, unübersehbar chaotischen modern-arbeitsteiligen Produktion auf gesellschaftlicher, ja globaler Stufenleiter.
In dieser Funktion soll Kapitalismus unersetzlich sein – so seine Befürworter; die anerkannt negativen Nebenfolgen, die für diese durch nichts zu ersetzende Steuerungsleistung inkaufzunehmen sind, müssen dann eben politisch korrigiert werden: Der Staat ist der (ua. sozialpolitische, zentralbank-aufsichtsführende) Reparaturbetrieb, der (ua. gesetzliche, politische) Rahmensetzungs- und auch allgemeine (ua. Infrastruktur, Wirtschafts-politische) Randbedingungen-Formungs-Betrieb des Kapitalismus (den er in seiner „Kernkompetenz“ nichtsdestotrotz, eigenem Verständnis der kapitalistisch-demokratischen Staatsvertreter zufolge, nicht ersetzen kann).

Solange dieser Ideologie nicht vonseiten einer ökonomischen Theorie widersprochen werden kann, ist die bisherige linksradikale Kritik zwar nicht gänzlich entkräftet – Armut und (Mit)Bestimmungsausschluss gelten auch unter Kapitalismus-Befürwortern, wie du oben selbst andeutest, als mehr oder weniger grosser Skandal – ; sie verliert aber entscheidend an systematischer Durchschlagskraft, und löst sich auf in eine unübersehbare Vielzahl von Einzelgefechtsfeldern, wo hin und her gestritten werden kann, ob die reformistischen politischen Korrekturen oder womöglich sogar das unkorrigierte Wirkenlassen der Marktkräfte die heilsameren kompensatorsichen Wirkungen zeitigen – oder ob sie das niemals leisten werden, und die Marxsche Skepsis gegen die Reparierbarkeit der Systemschäden eben doch die Oberhand behält.

Die von dir angeführten und verworfenen Zusammenbruchstheorien sind eine traditionelle linksradikale Form, die Verteidigung des Kapitalismus auch auf diesem Feld zu unterminieren: Kapitalismus KANN demnach der selbst proklamierten Aufgabe garnicht gerecht werden, einen optimalen technischen Fortschrittspfad aus jeder Ausgangslage heraus zu bahnen.
Theorien dieser Art haben die Adressaten der linksradikalen Agitation meist nur in Form von reichlich dogmatischen Behauptungen erreicht („schon wieder Krise – Kapitalismus kann halt nicht anders, das Ende ist nahe“). Ansonsten wurden sie von ökonomischen Fachleuten aufgegriffen und unter ihnen debattiert – mit durchaus ähnlichem Ausgang wie im Falle der „Ausbeutungskritik“: Ja, es gibt Korrekturbedarf, der Staat muss beaufsichtigen, aktive Wirtschaftspolitik treiben – aber eine GRUNDSÄTZLICHE Neigung zur andauernden, langfristigen Instabilität (oder auch bloss „Suboptimalität“) scheint ökonomisch nicht begründbar.

Und dann gibt es noch eine weitere Entlastungsstrategie, die einem bei den unerledigten Kritikpunkten begegnet: Sie folgen demnach nicht aus dem Kapitalismus, sondern haben wesentlich andere, ausser-ökonomische Ursachen, die man nicht dem Wirtschaftssystem und seinen Spielregeln anlasten darf. Auch hier besteht demnach Regelungsbedarf. Aber auch hier versagen Versuche sowohl marxistischer als auch anderer Kapitalismus-Kritiker, dem System eine innerökonomisch begründete prinzipielle Unfähigkeit anzulasten, mit bestimmten Herausforderungen zumindest LANGFRISTIG fertigzuwerden – es garnicht, oder nur soviel schlechter zu können als jede Alternative, dass ein aufwendiger Umsturz und Übergang zu einer solchen Alternative lohnt.

Schliesslich hat Kapitalismus aus Sicht relativ vieler Leute, auch Nicht-Kapitalisten im engeren Sinn, einige prinzipielle VORTEILE, die sich unter dem Namen FREIHEIT zusammenfassen: Man muss sich eben nicht ständig mit andern und politischen Aufsichtsorganen abstimmen, einschränken, zurücknehmen – im Rahmen seines Eigentums darf man doch tun und lassen, was man möchte. Viele wollen garnicht mehr; viele wollen garnichts andres, als solche Eigentümer sein oder es werden, sobald sie die Chance dazu haben.

Angesichts solcher „kleinbürgerlicher“ Wünsche haben Linksradikale bislang nur noch böse schimpfen können…

22. April 2014
Ich komme erst jetzt dazu, auf einen weiteren Punkt des Eingangsbeitrags einzugehen – die von den beiden dort erwähnten Autoren so genannte. „Künstlerkritik“ – jene, die Marx längst schon mit seiner Entfremdngstheorie vorweggenommen zu haben scheint. Es soll eine Kritik am „Kapitalismus“ sein – einem offenkundig, nicht zuletzt auch in vielen linken Theorie-Diskursen, nicht mehr weiter zerfällbaren historischen Gebilde, das man entweder als Ganzes (wahr)nimmt oder garnicht.
Demgegenüber erinnere ich ja mit einiger Penetranz an die Idee des noch relativ jungen Marx, dies Gebilde unter zwei Gesichtspunkten zu analysieren, Produktionsverhältnis, Produktivkräfte – zwei Kategorien, die sich nur scheinbar unwiderruflich zu einer monolothischen „Produktionsweise“ vereinen – die Dynamik der „Produktivkräfte (unterstellen wir sie mal als „gegebene“, „unaufhaltsam sich von selbst durchsetzende“ Kraft DES Fortschritts von Technologie und Wissenschaft) soll es ja sein, die – nach der „historisch-materialistischen Arbeitshypothese“ (wie ich sie mal vorsichtig nennen möchte) – allererst den Eintritt in dieses neue Produktionsverhältnis, als gesellschaftlicher (Organisations)Form, dieser technischen Errungenschaften, sobald sie in der Welt sind, erzwingen. So, wie sie unaufhaltsam, beflügelt durch dieses ihnen ZUNÄCHST sehr angemessene Produktionsverältnis „entfesselt“, es von sich abstossen und als veraltet und nur noch hinderlich zusammenbrechen lassen: Der durch ihn beflügelte Fortschritt der Technik selbst ist es, der den Kapitalismus zusammenbrechen, zumindest in die Krise geraten lässt. – Die Marxsche Ökonomie sollte, wesentliches Motiv, als Resultat sichere Belege für diese Hypothese beibringen; viel kam nicht heraus, aber durchaus Erwägenswertes: die Tendenz zum Wachstum der Lohnarbeitslosigkeit und der „Reservearmee“, Hand in Hand mit der immer anspruchsvolleren, somit kostenträchtigeren, wiewohl kostengünstigeren technischen Ausstattung der Industrie-Arbeitsplätze – dem Wachstum der „Kapitalintensität“ (vgl. dazu den einschlägigen thread ) und dem umstrittenen Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate AUFGRUND des konkurrenz-getriebenen und erzwungenen Fortschritts der (ua Arbeits)Produktivität.

Die Produktivkräfte (hier von Wat gern mit den Produzenten selbst identifiziert) brauchen also den Kapitalismus, dann stört er sie zunehmend, und sie schaffen ihn sich vom Hals. Da sind sie dann schon riesengross und reif geworden, verglichen mit den mickrigen Ausgangspunkten. Aber analytisch spätestens, wenn nict praktisch lassen sie sich ohne Kapitalismus vorstellen, und bald womöglich auch ohne ihn organisieren.

Also das ist, was uns vom Kapitalismus bleibt (manche loben ihn ja gerade dafür, schreiben ihm diese Geburts-Hilfestellung bei der (naja für einige Menschheitsgenerationen leider etwas schmerzvolle und opferreiche) Produktivkraft-Entfesselung als „historisches Verdienst“ zu und bedanken sich in gewissem Sinn dafür. (Dass sich Staatssozialisten für mangelhafte Erbringung derselben Leistung kritisierten bzw. soweit erfolgreich, gelobt haben, wurde ihnen beides zum Vorwurf gemacht…)
Die Frage ist nun, worauf sich eigentlich die Kritik der Entfermdung bezieht: auf die spezifisch kapitalistische Form der „entfesselten“ Produktivkräfte?
Wer meine Beiträge hier im Forum seit Beginn (oder auch nur meine Selbstdarstellung in meinem Profil) gelesen hat, wird wissen, dass ich das verneine.
Stattdessen sage ich: Da bleibt durchaus etwas… Unschönes zurück. Iich nenne es:die Moderne.
Ob oder ob nicht deren Errungenschaften ihrer vorübergehenden Verschmelzung mit dieser Vergesellschaftsform zu verdanken sind, will ich dahingestellt sein lassen.
Dass wir ie MÄNGEL jedenfalls mitnehmen, scheint überall da durch, wo uns Linke in Erinnerung gebracht wird, dass auch der Sozialismus ein „Reich der Notwendigkeit“ sein wird, mit – wie könnte es, angesichts von soviel Entfesselung, anders sein – überaus produktiven, aber leider darum auch in ihrem Betrieb reichlich anspruchsvoll gewordenen „Produktivkräften“; die (nach wie vor entfremdete) Arbeit geht da so schnell nicht aus, kann allenfalls unter mehr Leuzten als zuvor aufgeteilt werden, mehr auch darum, weil etliche, die es vorher nicht getan haben, mit anpacken werden. Und dann… kann man nur hoffen, dass das hoch anspruchsvolle Produktivitätsniveau zum Sprungbrett wird, um sich, man weiss nicht wie und wann, durch noch weitere Steigerung der Produktivität (hauptsächlich in der FREIZEIT der Produzenten erarbeitet!?), der ganzen Notwednigkeit zu entledigen und ins Reich der Freiheit einzutreten. Arbeit ist dann überhaupt schon das wichtigste Lebensbedürfnis aller…

Ich gebe hier nur schnell diese Thesen zu Protokoll:
Die sog. Künstlerkritik, ebenso wie die der Entfremdung, gilt der MODERNE. Was die – (analytisch) getrennt vom Produktionsverhältnis „Kapital“ ausmacht, ist – ausser in den trivialen Oberflächen-Kategorien Aufklärung, Naturwissenschaft, technischer Fortschritt, Produktivität, grosse und grösste Industrie, Urbanisierung, zunehmende Naturbeherrschung – wenig durchschaut.
In dieser ihrer undurchschauten Selbstverständlichkeit ist Moderne aber vor wie nach dem Kapitalismus vor allem eins: ALTERNATIVLOS.
Es wird Zeit, darüber nachzudenken.
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thread: Maidan und die Linke

10. März 2014+3
Mario, Kim, Wal…
es könnte sein, dass alle Beteiligte rechthaben, nur in einem nicht: dass sie DIE „Verantwortlichen“ für die Lage versuchen dingfest zu machen, und deren Zwecke versuchen zu erraten. Was die Akteure wollen, muss sich einer entscheidenden Voraussetzung stellen: Dass die Ukraine ein GROSSES Land mit einer (verglichen mit anderen Staaten aus der Konkursmasse des Ostblocks) relativ grossen Bevölkerung ist – und damit ein Sanierungsfall, der für egal welchen Kapitalgeber derzeit einige Nummern zu gross ist. Zumindest, wenn die derzeit in der Bevölkerung und den „Eliten“ mit einem Anschluss an eine der sich anbietenden Parteien noch verbundenen Ansprüche halbwegs befriedigt werden sollen. An das „zerfallende“ Jugoslawien und die diversen faschistischen Fraktionen dort erinnert manches, bloss: der Brocken ist grösser, und die strategische Situation ist durch das unmittelbare Angrenzen an Russland brisanter. Und das ist so ziemlich das Einzige, wovon Bevölkerung wie Herrschende (soweit da noch welche sind) annehmen können, dass sie es in die Wagschale werfen können. Der Anschluss an egal welche Seite ist zum Verzweifeln, für sich bleiben ist zum Verzweifeln… Und die beiden Seiten WOLLEN vielleicht noch nicht mal wirklich die Konkursmasse, die ihnen da vor die Füsse fällt. Jedenfalls nicht um jeden Preis. Nur eben (die EU) auch keinen ukrainischen Staatsbankrott (mit entsprechenden Kreditausfällen) und Chaos an der Ostgrenze; ebensowenig (die russische Föderation) solches Chaos an der Südwestgrenze, und den Ausfall erhoffter Wirtschafts-Kooperation, von denen es ohnehin nicht soviele gibt. Aber vor allem keine Frontlinie, in der die Ukraine auf der je ANDEREN Seite steht.
Wieder mal ein schwieriges Problem der internationalen Politik…

15. März 2014
Am Fall Ukraine erhärtet sich ein Verdacht, der die radikale Linke notwendig bereits seit längerem beschleichen könnte:
Es gibt riesige Bereiche der politischen Praxis da draussen, die sogar weit reichende, womöglich dramatische politische Konsequenzen haben können – aber auf fatale Weise stehen sie „quer“ zu den eigentlich linken Anliegen.
Man könnte sagen: Die radikale Linke wird weltfremd (statt mit ihren Analysen ins pulsierende Herz der kapitalistischen Wirklichkeit zu treffen). Man könnte aber auch sagen: Die radikale Linke entfernt sich von den Geschehnissen, die Distanz dazu wird grösser. Es ist ja nichtmal so, dass die linken Analysen soviel schlechter geworden wären. Es ist nur so, dass an den analysierten Ereignissen ENTWEDER ein entscheidender Gehalt theoretisch noch nicht erfasst ist – ODER aber, dass sich aus ihnen – so zugespitzt womöglich die Entwicklung verläuft – für den eigentlich radikal linken Politikansatz kein praktischer Anknüpfungspunkt ergibt – ausser dem ganz banalen (wenn auch aus linksradikaler Sicht natürlich korrekten): Bei Abschaffung der Konkurrenz gäbs das alles nicht.
Man kann es hunderttausendmal wiederholen, bei allen Anlässen, wo es angebracht ist (und es IST an hundertttausend Stellen angebracht).
Nur… das führt ja nicht weiter.
Warum wird die Konkurrenz, die unsagbar schädliche, nicht einfach „abgeschafft“?
Warum, zum Teufel, GIBT es sie überhaupt, gibt es sie noch und immer noch und unausrottbar immer weiter?
Die radikale Linke war und ist es gewohnt, sich den historischen Brennpunkten zuzuwenden, dort analytisch präsent zu sein, der bewussteste Teil der tatsächlichen Bewegung usw. Das kann sie (Seit an Seite mit den ebenso genau hinschauenden Angehörigen der politischen Klassen bzw. Interessierten – mehr oder weniger ebenso genau analysierenden Jounalisten und Wissenschaftlern) weiter tun. Aber es wird sich da nichts weiter Neues ergeben.
Der Grund ist, dass man bei der ODER-Alternative oben stehenbleibt.
Die entscheidende Schwäche der Linken, weshalb ihre Analysen über die sach-orientierten von Nicht-Linksradikalen nicht hinausweisen, ist theoretischer Art. Ihr fehlen ZENTRALE Kategorien zur Erklärung der Verhältnisse, gerade bei den wichtigsten „Warum?“-Fragen, die man sich als Linksradikaler stellt, bekommt man heute keine Antwort.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen weiteren Text zur Ukraine verweisen, vor allem auf die sarkastischen Fragen im letzten Teil.
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thread: Die Weltwirtschaft seit der Krise

25. März 2014±0
Wal… noch immer auf der Jagd nach dem verlorenen Profitratenfall?
Die Messung von „Wachstum“ in Gestalt des BIP ist eine genuin staatliche, „volkswirtschaftliche“ Betrachtungsweise – nicht zuletzt, weil die Berechnung des Steueraufkommens an dieser Grösse „Volkseinkommen“ (dem „allgemeinen Nutzen“, wie du es in deiner Antwort ansprichst) ansetzt.
Die eigentlichen Akteure der kapitalistischen Produktionsweise orientieren sich an ganz anderen Erfolgs-Grössen (und dann kaum an denen von „Volkswirtschaften“), ein heisser Kandidat fürs erste wäre das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Aktien, das langfristig irgendwo zwischen 15 und 30 pendelt – und dann schau dir mal die Aktienindices (spätestens auf dieser Basis) an. Da kommen ganz andre Wachstumszahlen raus.
Wer sagt denn, dass stagnierende oder sinkende Reallöhne ein MISSerfolg sein sollen? Die sind doch das MITTEL der Reichtumsproduktion, nicht ZIEL. Was aber „real“ bedeutet, ist ein weites Feld.
Grundsätzlich gilt: Produktivität erhöhen heisst: Produkte verbilligen, Kaufkraft (aller möglichen Käufer: Unternehmen, „Verbraucher“, öffentliche Hand) stärken. Hinter der BIP-Zahl steckt durchaus Ausweitung des Produktionsvolumens (und des Umsatzes) – bloss in immer geringerem Masse mit fortschreitender Produktivkraftentfaltung; denn dann nehmen die Verbilligungen zu. So wie die Reservearmee. Die Einkommen aus Kapitaleinkünften. Die Lebenserwartung. Und der (Staats)Reichtum, mit dem die wachsenden Nebenkosten für das alles zumimdest teilweise bezahlt werden sollen…
Wenn es schon kein Zusammenbruchs-Szenario sein soll – dann ein Verarmungs- und Verfalls-Szenario? Warum bist du darauf (allem Anschein nach) so festgelegt – warum geht dein politisches Denken immer nur von dieser Prognose aus, und weiss sonst nicht weiter?

25. März 2014+1
Nein Wal, an deine Gurgel will ich bestimmt nicht, was soll ich da – was ich sage, bezieht sich durchaus streng auf die Sachverhalte, die du ansprichst. Es sind da in der Tat zwei sehr grundsätzliche Anfragen an dich:
In der einen geht es darum, was für ein „Erfolgsmass“ das BIP denn darstellt, und was man daraus tatsächlich ablesen kann. Haben wir nicht schon bei Marx gelernt, dass die Selbstdarstellung kapitalistischen Wirtschaftens mit Vorsicht zu geniessen ist? Und das garnicht mal immer nur wegen einer jederzeit unterstellbaren absichtlichen Irreführung der Öffentlichkeit – viele Täuschungen wurden doch schon als Selbsttäuschung entarnt.
Zum andern geht es um die Frage, welchen Stellenwert deine hartnäckig verfolgten Recherchen und deren Aufbereitung hier für uns im Rahmen unserer Titel-Fragestellung haben: was ist deine Arbeitshypothese? Wenn ich sie hier ein bisschen zugespitzt zu benennen versuche, dann geschieht das auch ein wenig aus Verzweiflung: Einsam gehst du deinen Weg, und die Strecke der Froschgrafiken und Thesen wird länger. Aber wieso ist es wichtiger und besser, DIESE Datenlagen ins Auge zu fassen, als zB Nationalismus, oder Religion, oder die Finanzkrise oder… ich will sagen: Man kann Themen sowohl inhaltlich behandeln, als auch hinsichtlich ihrer Wichtigkeit-für… Und bei uns hier gibts ja eine klare Vorgabe, wofür die Diskussion gut sein soll. Diese Verbindung zur Lohnabhängigen-Emanzipation kann ich aber derzeit nur erraten – sie wurde früher, etwas expliziter, durchaus schon vorgetragen, und da – wenn ich mich recht entsinne – als Verarmung der Kommunen im Sinne der untersten Ebene des Staatsaufbaus (aber auch, eignes Thema!, hypothtetische Versorgungseinheit…wir denken da etwa mit Marx an die französische Stadt des 19.Jahrhunderts…). An einer solchen Entwicklung wollte, wenn ich es nicht ganz falsch in Erinnerung habe, das Bochumer Programm anknüpfen. Das Bindeglied müsste dann wohl eine Prämisse der Form sein: Eine Existenzkrise der Stadtgemeinden und der Lebensmöglichkeiten von Menschen in solchen Gemeinden ist oder könnte sein eine GÜNSTIGE Bedingung, wenn nicht ein Zwang, durch den sie in Richtung einer Aneignung der lokalen Produktion und Lebensmittelversorgung usw gedrängt werden – vor allem, wenn diese Existenzkrise auch noch mit dem Abbau von Arbeitsplätzen und hoher Lohnarbeitslosigkeit einhergeht.
((Im letzten SZ-Magazin stand eine auf Langzeit-Recherchen im Banker-Milieu beruhende (so beteuern die Autoren, Hagelüken ist einer der wichtigsten Wirtschaftsredakteure dort), man muss sagen: Illustration einer Vor-Horror-Krisenlage. Die endet mit einem Kurzausflug in den Europawahlkampd eines FPÖ-Kandidaten und insinuiert: Wehe wehe, noch so eine Krise (un die kommt, und was für eine! so die Autoren..), und die EU als ganze fällt den Rechtspopulisten in die Hände… Insinuiert, legt es nahe… aufgrund von Prämissen, die offenbar einfach als geteilt unterstellt werden…))
Wal, schau, es gibt doch ein viel einfacheres Argument, warum nach höheren Wachstumraten es so nicht weitergehen kann, und das hat zu tun mit den Verhältnissen von Gütermengen bzw. Ausstattung von Haushalten und Betrieben mit ihnen, und der schieren ZAHL zu versorgender Betriebe und Haushalte, die nicht mitwächst. Es ist leicht, und geschieht natürlich auch ständig, eine bestehende erfolgreiche Produktionslinie auszuweiten – sie WÄCHST. Dieses quantitative Wachstum wird vor allem im BIP als Grössenänderung dargestellt. Innovation und speziell Produktivitätssteigerung – was wesentlich die sog. Wettbewerbsfähigkeit ausmacht – ist in Grössen eines Preisvolumens nicht erfassbar. Bei Rankings der wettbewerbsfähigsten Industriestaaten wie zb diesem  http://www.wiwo.de/politik/ausland/wef-ranking-2013-die-wettbewerbsfaehigsten-laender-der-welt/7093666.html#image liegen keineswegs die Staaten mit den Spitzen-BIPs vorne.
((Das ist sicher lang nicht alles, was man zur Indikatorfunktion des BIP oder auch Zweifeln daran sagen kann. Aber es genügt vielleicht, um die Signifikanz des BIP für die Anzeige von Profitraten infragezustellen. Und bitte, Wal – dies ist kein generelles Herumnörgeln an Statistik und empirischen Daten, sondern eine spezifizierte Anfrage hinsichtlich einer spezifischen Anzeigefunktion eines bestimmten Indikators.))
Was meine generellen Absichten hier angeht, so muss ich sagen, dass eine Ausdrucksweise wie „Wal hat eine Agenda, und franziska hat eine“ usw mir mittlerweile irreführend erscheint, soweit es dabei um mich geht. Ich komme hier selbstverständlich wie alle andern herein mit einer Reihe Arbeitshypothesen, Aufmerksamkeitsorientierungen, Relevanzkriterien. Aber ich komme eben darum damit hier herein, um dann Fortschritte zu machen, produktive Hinweise und vor allem Korrekturen zu bekommen. Ich mache nicht gerne Fehler. Darum haben meine „Einwände“ grundsätzlich Anfrage-Charakter, so wie auch meine Thesen. Mir geht es NICHT um Behaupten, Durchsetzen, Geltendmachen und in Geltung-Versetzen eines bestimmten Inhalts. Mir geht es um Klärung, und KANN es garnicht um andres gehen. Denn… du hast mich pessimistisch genannt, Wal. Tatsächlich aber bin ich verzweifelt und deprimiert über das Ausmass meiner, und, wie mir zu meinem grossen Schrecken immer deutlicher wird, auch aller anderen Leute Verwirrung und Unklarheit bei beinah allen existenziellen Themen, von denen unser Leben abhängt. Für Hauen und Stechen hab ich da sowieso keine Kraft übrig, und auch kein Motiv.
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thread:
Sinkt die Profitrate des Kapitals?

28. März 2014
Wal, deine Absicht, Behauptungen über „finale Krise DES Kapitalismus“ zu widerlegen, teile ich voll und ganz. Die Alternativthese, die du zu verfolgen scheinst, die nämlich von der Verlagerung der relevanten Standorte in die „Peripherie“, finde ich nicht präzise genug formuliert, als dass ich ohne weiteres zustimmen könnte.
Was nun deine Feststellung zur Profitrate einzelner Kapitale oder Kapital-Fraktioonen, auch regionaler, nationaler, oder welcher auch immer, angeht, so möchte ich hier an einen ganze einfachen Sachverhalt erinnern: MEHR WETTBEWERB.
Der bedeutet immer: Umverteilung, Neuverteilung der überhaupt erzielbaren Profite. Standort-Nachteile (es gibt ja auch einen Standort-Wettbewerb) und LOKALE Folgen (zb Verlust vorübergehender regionaler Wettbewerbsvorteile; beides gibt es in „Kernländern“ wie „Peripherie“) der Ausbreitung der kap.Produktionsweise auf den gesamten Globus, eben die Globalisierung können natürlich nicht als Beleg einer „globalen“ „Verwertungskrise“ DES Kapitals interpretiert werden. Die (derzeit völlig offene) Frage ist, ob wir allgemein-theoretische Gründe haben, mit der Tendenz zu solch einer Verwertungskrise spätestens des globalisierten Kapitalismus zu rechnen. Die Frage ist offen, und über sie nachzudenken (auch über ihre mögliche Unentscheidbarkeit allein mit theoretischen Überlegungen), erscheint mir berechtigt und für politisches Handeln durchaus relevant. (Ich selber beschäftige mich damit; wie könnte ich da die Beschäftigung mit diesem Thema vorwerfen (also keinerlei „üble Nachrede“ dieserhalb von meiner Seite, wie du sie im andern thread bemerkt zu haben glaubtest).
Alles Gute, f.
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thread:
Aufstieg und Niedergang des (europäischen) Kapitalismus

1. April 2014
Nun, Wal – wenn der Weltmarkt sich ausweitet, werden die Anteile einzelner Regionen am Welt-BIP sinken.
Die Freunde des Kapitalismus, die ihn für die allein-seligmachende Vergesellschaftungsform halten, drängen auf diese Ausweitung, und rechnen schon jetzt allen Beteiligten vor, welche ungeheure Vorteile sie von Freihandelszonen und dem Abbau von Marktschranken haben. Was würde man von ihnen andres erwarten?
Wer und was immer regional gebunden bleibt (es gibt auch Lohnarbeitermigration), reagiert auf Befunde wie deinen natrülich im Sinne der Standortkonkurrenz: „Mehr Wettbewerb“ bedeutet, noch innovativer, noch kostengünstiger, noch näher am Markt (in jeder Hinsicht) zu produzieren – oder solches Produzieren politisch zu ermöglichen. Strukturwandel, das Ende immer neuer „goldener Zeiten“ haben die alten kapitalistischen Industriestaaten und -regionen schon viel hinter sich, man ist es gewohnt. Kapitalismus weltweit bis 2050, weltweite Standort-Konkurrenz, das Ende aller Idyllen – weltweite Konkurrenz auch der Lohnarbeiter. So wollen es die Globalisierer. Und ob und welche Region davon grade profititiert, und bei der nicht eben menschenfreundlichen Form kapitalistischer Produktivität momentan die Nase vorn haben wird – was genau, Wal, geht es die Kritiker dieser Vergesellschaftungsform an? Kapitalismus ist schädlich, zu jeder Zeit, in jedem „Stadium“, auf jedem Kontinent. Er mag unvermeidlich sein, angesichts der Unerfahrenheit und Begriffslosigkeit derer, die in ihn bisher eingetreten sind, ihn gewollt bzw. auszuhalten gehabt haben; aber gut ist er nicht, für nichts, UND NIE GEWESEN. (Falls du da anderer Meinung bist, Wal, was schon mehrfach anklang – wäre es da nicht an der Zeit, dass du uns den Augenblick (oder auch mutmasslichen Ort) nennst, wo, oder diejenige Tendenz in ihm, wodurch guter Kapitalismus in schlechten, nun aber wirklich abzuschaffenden umschlägt.)

2. April 2014
Nicht „streiten“, Wal – lieber „gemeinsam klären“. Wer sich aufregt, denkt nicht gut. Fortgeschrittene und komplexere Einsichten bilden sich nicht im Handgemenge.

Rein mathematisch hab ich den Unterschied jetzt nicht ganz verstanden, aber egal – es wurde von mir ja nicht bestritten, dass die ANTEILE an Weltproduktion und Welthandel bei insgesamt wachsendem Gesamtvolumen sinken. (Dass dies bei (uU stark) wachsendem Gesamtvolmen der Weltproduktion stattfindet, ist insofern nicht unbedeutend, weil sich das auf alle absoluten und begrenzten Grössen auswirkt: Konkurrenz um Rohstoffe und nicht beliebig ausweitbare Kapazitäten steigt; hingegen der Reichtum einer Volkswirtschaft (nicht unbedingt der Bevölkeruung) in absoluten oder Pro-Kopf-Zahlen kann weiterhin sehr hoch sein. Die „Anteile“ dieser Volkswirtschaft an einem sich weltweit ausbreitenden Marktsystem können klein sein, so wie heute die von Finnland oder Singapur.

Ich möchte aber erneut, Wal, deine Aufmerksamkeit auf die Untauglichkeit des BIP-Wachstums zur Erfolgsmessung gerade fortgeschrittener Industriegesellschaften lenken: Wo sich Investitionen um Innovation und Prreis-Senkung drehen, kann doch eine blosse Preis-SUMME und deren Wachstum nicht der massgebliche Parameter für das „Gewicht“ oder die Weltmarkt-Rolle und überhaupt internationale Wettbewerbsfähigkeit sein: Die Volkswirtschaften (nationalen Ökonomien), die da verglichen werden, sind in unterschiedlichen Stadien ihrer Entwicklung; für die Schwellenländer und die Prozesse der flächendeckend nachgeholten Industrialisierung, Modernisierung, Urbanisierung etc mag das BIP ein Indikator sein, er nimmt an aussagekraft ab im Mass, wie diese Entwicklung erfolgreich verläuft. (Er behält, wie ich schon gesagt habe, seine Gültigkeit, wo es um den Blick des Staats auf das „Nationaleinkommen“ geht, auf das er zur Bestreitung seiner Aufgaben zugreift.)

Die linke Theorie, gegen die du anschreibst, ist kein Gesetz, aber sie gilt auf kurze und mittlere Fristen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit: Die Schwellenländer sind stark exportabhängig, und sie verdienen hauptsächlich am Export ihrer Natur-Reichtümer, wozu in gewissem sinn auch der Reichtum an arbeitswilligen Arbeitskräften gehört. Es ist schon ein Fortschritt, wenn die im Land bleiben können, oder wenn die eigenen Rohstoffe wenigstens teilweise im Land selbst verarbeitet werden. Vor allem, wenn dann noch Freiheit der Güter- und Kapitalflüsse hinzukommt,also die voll entwickelte ausländische Konkurrenz in den heimischen Markt einbricht, ist die Art der „Eingliederung in den Weltmarkt“ erstmal auf absehbare Zeit zementiert. Wie es weitergeht, hängt stark ab von der Bereitschaft lokaler Eliten und Bevlkerungen, sich auf die Angebote und Zwänge einer modernen Industriegesellschaft auf Weltmarktniveau einzulassen, lokal Kapital zu akkumulieren oder ausländisches anzuziehen usw. Die Entwicklung ist hoch störanfällig und prekär, das gilt besonders für den Staat und die „Eliten“, die den Prozess einigermassen steuern sollen, dabei „fördern“ und „reglieren“ müssen, und die vom Wirtschaftssystem ignorierten und externalisierten Kosten seiner Fortschritte ihm in halbwegs mit diesem Fortschritt vereinbaren Formen ihm (und der gesamten Bevölkerung) auferlegen müssen.
Im weltweiten Kapitalismus wurden und werden Prognosen von der Art der deinigen seit Jahrzehnten jahrzehnt- wenn nicht jahrfünft-weise und noch schneller geäussert und verworfen. Kein Wettbewerber, eine erfolgreiche Industrie kann ihrer Erfolge dauerhaft sicher sein. Der technologische Fortschritt ändert ständig die Kosten- und Nachfrageverhältnisse. In den 80er Jahren warf Japan einen Riesenschatten über die Weltwirtschaft, in den 90er Jahren „setzten die kleinen asiatischen Tiger zum Sprung an“ (die Standardfloskel), in den 00erJahren war Deutschland Europas „kranke Mann“ und „Schlusslicht“ usw.
In den Nationen wiederum, die schon einige Jahrzehnte bis Jahrhunderte an Industrialisierung und Modernisierung hinter sich haben, ist das Phänomen des ständigen „strukturellen Wandels“ nur allzu bekannt – auch das des „Sich neu Erfindens“ und „Durchstartens“. Da kann es sein, dass Südbayern und das Saarland die Rollen des Boom- und (blossen) Touristik-Gebiets tauschen, womöglich nicht nur hin, sondern auch wieder zurück.
Bei immer freierer Beweglichkeit von Kapital,. Wissen/ideen/Technologien, Gütern und vor allem auch Arbeitskräften (wie es für den eigentlich globalen, den wirklich modernen Welt-Markt abgestrebt wird) sind „Standorte“ nachrangig.
Den chinesischen Lohnarbeitern aber könnten die deutschen als Vorbild dienen: schaut, wo man landet, wenn man sich erst mit Billiglöhnen verheizen lässt, und sich aufgrund des so erarbeiteten Erfolgs selber überflüssig macht und wegrationalisiert wird. (Wal – welche ultramoderne Technologie soll denn das sein, die zugleich mit Billiglöhnern betrieben wird? Da geht normalkapitalistisch was nicht zusammen. Die Billiglohn-Zone wandert… und ist in Bangladesh gerade durch, vielleicht geht sie weiter nach Nigeria? Und danach kommen… steigende Löhne und steigende Lohnarbeitslosigkeit (als obs die in China nicht längst gäbe, und wie!)

Was die Prognose und das Bild so trübe macht, sind eher noch als alle Kriege Krisen Naturkatastrophen die Zufälle der Konkurrenz und der technologischen Entwicklung.
Und…
… die Unklarheit über das, was unter Umständen WIRKLICH die massgeblichen Tendenzen für einen historischen Wandel begründet, der nicht mehr bloss Fortsetzzung der bestehenden (ihrerseits höchst dynamischen) Verhältnisse wäre, sondern Bruch (aber nicht Abbruch und Rückschritt). Also Fortschritt, der den Namen verdient.
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thread:
Kapitalintensität/ Kapitalismus ohne Wachstum

9. April 2014+1
Ich habe länger gezögert, ob ich mich hier äussern soll, daher die etws verspätete Antwort 1.. und die etwas verfrühte Antwort 2.

Antwort 1:
Konkordanz, ich glaube du hast da was komplett missverstanden: Es geht bloss um den Vergleich der Wachstumsraten verschiedener Grössen – der Satz, auf den du dich beziehst: „Also wächst der Kapitalstock schneller als die Produktion.“ bedeutet doch nicht, dass die Produktion aufhört oder das Kapital nicht mehr zum Produzieren verwendet werden kann, sondern es geht um die Relation der Zuwachsrate von Kapitalstock einerseits, Produktion (also wohl BIP oder verwandte Grösse) andererseits. Der einzige Schluss, der daraus gezogen wird, steht ja da: Die Kapitalintensität, also die Kapitalmenge, die nötig ist, dieses BIP zu produzieren, also der Quotient (nötiger) Gesamtkapital(stock) pro BIP, wird grösser. Wohingegen der Anteil der Löhne an den Gesamt-Kapitalvorschüssen sinkt, der Gesamtsachverhalt läuft also hinaus auf das bekannte: Arbeiter werden durch Maschinen ersetzt und wegrationalisiert.
((Natürlich berührt das unser Problem mit dem Fall der Profitrate – wo ein ähnlicher wie der hier beschriebene Tatbestand (bei Marx: lebendige Arbeit wird zunehmend durch „tote“, geronnene, ersetzt) als Ursache dafür genommen wird, dass die Profitraten langfristig sinken.))

Antwort 2:
Mein lästiges Herum-Kritteln an der Verwendung von BIP und „Wachstumsraten“ hat ein ernsthaftes theoretisches Motiv (ob sich das bei näherer Betrachtung in Luft auflöst oder Bestand hat, mus sich irgendwann zeigen), das ich aber hier noch nicht vorgestellt habe.
Grundsätzlich möchte ich die Aufmerksamkeit lenken auf eine Unterscheidung zwischen mindestens DREI Begriffen von „Wachstum“, die in der gesellschaftlichen (Re)Produktions-Wirklichkeit (der „Real-Wirtschaft“) freilich untrennbar verknüpft sind; die Unterscheidung hat somit erstmal „bloss“ analytische Bedeutung:

1. der auf den Stand des Ge- und Verbrauchs aktuell oder dauerhaft nicht mit sich selbst vermehrbarer Güter bezügliche Begriff (also Rohstoffe, Energie, zwiespältig: Arbeit(skräfte), „Kapazitäten“ aller Art – kapitalistisch etwa als: Schranken für den Marktzugang, relative Monopole (es ist allerhand erfordert, um „dasselbe (wie ein Konkurrent) auch“ zu machen).
Wachstum bedeutet hier: Annäherung an die GRENZE des je zu bestimmten Konditionen Verfügbaren;

2. der Wachstums-Begriff, der sich auf die Grösse des Mehrprodukts bezieht. Mehrprodukt ist der ohne Schädigung (Schrumpfung) des ihn erzeugenden Reproduktionsprozesses entnehmbare Überschuss.
Dieser Überschuss kann dann ua. in ein proportionales „Wachstum“ durch Zusatz-Einrichtung entsprechender Produktions-Anlagen (Akkumulation) fliessen.
Er kann aber auch für andere Zwecke, Luxus, Staat usw entnommen werden.
Sein Wachstum bedeutet: Erhöhung dieses Überschusses als ganzes bzw Erhöhen der Grundlagen für „Akkumulieren“ und Erhöhen der „Profitrate“ in diesem Sinn.
(Anm. Darin enthalten ist das Problem, dass die Mehrproduktraten der einzelnen Güter völlig unterschiedlich sein können, also jede Ausweitung der bestehenden Reproduktion einhergeht mit kleineren und grösseren Korrekturen der Proportionen der an Reproduktion und somit Akkumulation beteiligten Gürterarten. Hier ist auch darauf hinzuweisen, dass ein physischer Überschuss oder Mehrprodukt darum nicht gleich verwenbar ist für spezielle Zwecke wie Rüstungs- und Luxusproduktion… aber das ist ein eigenes Thema);

3. jenes Wachstum, das sich ausdrückt in einem Phänomen der Art „dasselbe mit weniger Aufwand herstellen (können)“ – ein Begriff, der höchst erläuterungsbedürftig ist, aber sonst mit dem Ausdruck „Produktivitäts-Erhöhung“ (oder eben Wachstum der Produktivität) belegt wird.

Obschon das genuin kapitalistische Wachstum mit dem Wachstumsbegriff 2 gleichgesetzt wird, handelt es sich immer um eine Kombination aus allen 3 Wachstumsformen. „Auskommen ohne Wachstum“ im Sinne des Begriffs 1 ist das, was ökologich als „Nachhaltigkeit“ beschrieben wird. Man kann sich vorstellen, dass solche Nachhaltigkeit, auch in kapitalistischen Formen, sehr wohl mit Kombinationen aus 2 und 3 zu bewerkstelligen sein könnte, und genau dahin gehen auch die Überlegungen der Befürworter eines „ökologischen High-Tech-Kapitaliusmus“.

(Die Profitrate muss, sage ich, bei anwachsender Produktivität weder steigen noch sinken, sondern kann im grossen ganzen gleichbleiben; ob das Mehrprodukt gesteigert oder auch gesteigert akkumuliert wird, hängt von ganz eigenen Bedingungen ab, über die irgendwann mal genauer zu reden wäre.)

Ich hatte im AWT-thread eine Betrachtung über „Real vs. Nominal“ angekündigt, es steht davor eventuell auch eine ebenfalls angekündigte über „Geld – Was wird da eigentlich verglichen?“ an…
Ob das nun dort oder in meinem Forums-Blog erscheint, ist egal für die Frage, ob dies alles nicht zu komplex, zu unausgegoren und/oder umfangreich ist, um hier im Forum sukzessive präsentiert zu werden. Leider beeinträchtigt das auch die Fortsetzung meiner angefangenen Forums-Blog-Überlegungen zur „industriell-technologischen Strategie“, die auf jeden Fall zur Sprache kommen müssten bei einer Betrachtung der „Real“-Vorgänge in einer modern-arbeitsteiligen Produktionsweise – etwa einer kapitalistischen.

9. April 2014
Wal, es geht, umgekehrt gesagt, selbstverständlich immer nur um RELEVANTE Einflussgrössen auf die Zahlen – also solche, die die damit zu gewinnenden Erkenntnisse (und uU weitreichende praktische Schlussfolgerungen daraus) ernsthaft infragestellen. Wo die Tendenz (und Konsequenz) unberührt bleibt, wäre die Kritik unangebracht. In einigen Fällen ist es derzeit noch nicht recht entscheidbar, wie der betreffende Einfluss zu gewichten ist. Meine eigene Vermutung zielt im übrigen weiter als bloss auf eine Kritik des BIP: Ich fürchte, dass sich zeigen lässt, dass es AUS PRINZIP unmöglich ist, die von mir angeführten „Wachstumsraten“ durch EINE Zahl darzustellen. Das läuft vielleicht auf etwas hinaus wie eine die Marxsche Kritik des Kapitalismus ergänzende Einsicht: Kapitalismus kann die ihm zugeschriebene Steuerungs- und Allokationsfunktion AUS PRINZIP nicht (stattdessen bloss auf völlig irre und chaotische Weise) erfüllen. Damit würde die aus meiner Sicht heute massgebliche Legitimation erledigt, die sogar herhält, um die (heute oft garnicht mehr wirklich geleugnete) Ausbeutung im Marxschen Sinn: Erzwingung von Art, Richtung, Ausmass des gesamten Mehrprodukts und der Mehrarbeit und deren Aneignung durch die Kapitalistenklasse zu rechtfertigen. – Ich habe schon öfter gesagt, dass dieser Strang der Kapitalismuskritik (in der Linken traditionell behandelt unter dem Titel: Anarachie der Warenproduktion) derzeit vielleicht theoretisch zu wenig bearbeitet wird.
Du siehst, Wal, zumindest meine Absichten dabei sind gute. (Dies Hegel, dem schlimmen Idealisten, zum Trotz gesagt…) :saint:
Entscheidend am Ende ist natürlich, ob die Gründe gute und überzeugende sind.

11. April 2014

Das BSP oder besser BIP will ja ein Näherungswert sein für das in einem Jahr geschaffene und im gleichen Jahr konsumierte gesellschaftliche Neuprodukt (v + m).

v+m? Kann es sein, dass da die Abschreibungen vergessen wurden? Aber selbst die wären ja bloss ein Teil des Gesamt-c, das in diesem Jahr eingesetzt wurde. Näherungswert für WELCHEN Parameter, der UNS hier interessieren muss, und SEIN Wachstum oder Schrumpfen soll also das BIP sein?
Welche Schwierigkeiten mit diesem statistischen Wert sich sonst noch verbinden, lässt sich erahnen, wenn man einmal etwas konsequenter dem Stichwort „BIP-Deflator“ nachforscht. Bei jedem Blick hinter die scheinbar zuverlässige rationelle Oberfläche der kapitalistischen Ökonomie tun sich ABGRÜNDE auf…

Aber wir müssen uns immer wieder auch fragen, was all das eigentlich mit dem Thema „Emanzipation“ zu tun hat…

11. April 2014
Vorschlag einer Modifikation in einem Punkt, Kim: Wenn die Politik die Vorgaben mit hinreichend langen Übergangsfristen macht (und darauf wird ja im Dauerdialog zwischen den beiden Hauptinstanzen der „wirtschaftskonformen Demokratie“ (Angela Merkel) durchaus geachtet), dann kann das in den stillzulegenden Produktionszweigen investierte Kapital herausgezogen werden, ohne in dem Sinn „vernichtet“ werden zu müssen, jedenfalls nicht in seiner Gesamtheit.

12. April 2014
(Der Beitrag wurde nachträglich überarbeitet.)
Ich glaube nicht, Wat, dass wir hier wirklich eine Kontroverse haben. Eher schon ist es so, dass wir klären, worin kap. „Wachstum“ bestehen kann – und inwiefern es dafür in der offiziellen Statistik oder sonstwo zuverlässige Zahlen gibt.
Also von meiner Seite aus jetzt einige Anmerkungen zu dem vorher Angesprochenen (und ich glaube nicht, dass ich dir, Wat, damit IRGENDETWAS wirklich Neues sage):

Erstens… gibts da nirgendwo im real existierenden Kapitalismus ein Versprechen, dass Gewinne überhaupt oder gar mit gleicher Rendite wieder angelegt werden können. (Das ist das altbekannte Zinseszins-Problem.)
Auch die bürgerliche Ökonomie weiss darauf eine prinzipielle Antwort: Kapitalangebot übersteigt Nachfrage (Anlagemöglichkeiten), also sinkt der Preis, der dafür gezahlt wird (der Zins). Oder die Erträge sinken.
Dann könn(t)en die Kapitalisten (oder die Begünstigten der Pensionsfonds und Lebensversicherungen – es ist ja so vieles im Kapitalismus an denKapitalerfolg gebunden (worfden) ihre Gewinne immer noch aufessen, das ist doch auch was. Immerhin gibt es da noch GEWINNE, bloss dass die nicht AUCH noch mehr werden. Was es – zumindest nicht ohne Kapitalexport – gibt, ist die ewige Akkumulations-Dauerparty zu Traumrenditen. Es wird schon, wenn auch langsamer vielleicht, weitergehn… Und ein paar werden, wegen überzogener Erwartungen, auch ihrer Gläubiger und MIt-Investoren, pleitegehen, oder Verluste hinnehmen müssen, tja…
Also: Die WOLLEN zwar immer das Maximum, aber sie kriegen es nicht. Aber selbst der schlimmst-mögliche Fall ist einer, wo noch Gewinne entstehen, und es bei der erreichten „Stufenleiter“ der Gewinne (profite) erstmal bleibt. Schlimm wäre das bloss, wenn die ausländische Konkurrenz gleichzeitig technische Fortschrittsmöglichkeiten (und/oder ökonomische: niedrige Löhne) anderswo ausnutzt und damit in den heimischen Markt einbricht. Aber wenn die andern technisch fortschreiten können – warum sollten die (ihrerseits technisch hochgerüsteten) einen es nicht auch? Und… die Drohung mit den Billiglöhnen der andern setzt die eigenen Lohnabhängigen gehörig unter DRuck… Internationaler Lohnabhängigen-Wettbewerb belebt das Geschäft…

Zweitens… gab es von mir oben diesen dezenten Hinweis auf die verschiedenen Wachstumsformen. Und da sehe ich als eine, zugegeben, extreme Möglichkeit sogar die: Dass die Preissumme SINKT! Dass also auch das Allerheiligste, das BIP zB – SINKT! Allen Deflatoren zum Trotz! Und warum? Weiil (und das könnte schon mal in fortgesdchrittenen Verhältnissen passieren) die Produktivität in der geamten Produktion derart steigt, dass eben ALLES billiger wird.
Vielleicht steigt sogar die Profitrate, das muss sie aber nicht. Sie kann dabei auch gleichbleiben. Fürs gleiche Geld kann man sich definitiv mehr kaufen, jeder, auch Kapitalisten, auch Investoren.
Es kann, nebenbei, auch sein, dass dieser „Fortschritt“ mit Verschleiss- und Verbrauchsintensitäten verbunden ist, die sich leider aufgrund des Marktverhaltens der Eigentümer (oder ihrer Konkurrrenz) dieser verschleiss- und verbrauchsanfälligen Güter, oder auch der nicht eben mal schnell ausweitbaren Kapazitäten (die gehören zu diesen Gütern mehr oder weniger befristet dazu), nicht so schnell zeigt. Es kann sein, dass die Produktivitätserhöhunugen darum (weil zu verbrauchsintensiv auf seiten dieser Güter) nicht ewig so weitergehen können. Aber: Diese Bewegung ist in die Wachstumszahlen des BIP durchaus eingepreist – und zwar buchstäblich. Es ist diejenige Form des Wachstums, die am meisten zur Legitimation des Kap. angeführt wird: Er ist so schrecklich innovativ, er senkt die Kosten so sehr von allem und jedem, macht es darum der Masse der Konsumenten zugänglich…

Drittens… Die wichtigste Region für diese Art Wachstum aber bleibt der Öffentlichkeit ganz verborgen… die nämlich, wo keine „Verbraucher“ am Werk sind, sondern Produzenten unter sich sind – die da ganz mit sich selbst beschäftigt sind, und sich wechselseitig oder im Kreis beliefern, das ist egal: In Marxschen Begriffen ausgedrückt: Produzenten von immer produktiver hergestelltem konstantem Kapital, das zur Erzeugung von NOCH produktiverem ebensolchen dient. Ob das nun ständig MEHR wird im Sinne von Tonnenideologie: bei gleichen Preisen kommt etwas hinzu, oder eben in einer gleichen Preissumme MEHR Produkt darstellt (dh die Preise sinken), ist für diese Herrschaften tendenziell egal. (Nicht ganz… das Kostensenken hat auf Dauer schon den Vorrang vor allem übrigen…)
Die „Verbraucher“ aber… ja die… speziell die bei ihnen arbeiten… die würden sie am liebsten ganz los. Die STÖREN nämlich diesen wunderbaren Prozess des immer-produktiveren Herstellens von immer grösserer Produktivität – koste es EXTERN (an Natur- und Menschenzerstörung); was es wolle.
Oder,, so wie Kim das gezeigt hat: Wenn es in die Produktivitäts-Definition mit einbezogen und preislich (spätestens durch politische Auflagen: zB handelbare Emissions-Zertifikate!)) dargestellt werden kann – bittesehr. Dann wird der innerste Zirkel der kap.Produktion eben ökologisch. Und weiter gehts…
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thread:
Franziskas Fragen

13. April 2014
Es wäre vielleicht angebracht anzugeben, wo „franziskas Fragen“ ursprünglich standen, nämlich hier.

Nun, Wal, dann heisst es eben „Reserve- und Akkumulationsfonds“. Über Ausmass, Art und Richtung dessen, was dort zu produzieren ist, muss man sich einig werden. Dabei ist es, nebenbei, nicht mit blosser Arbeitsbereitschaft getan. Es werden nämlich auch dafür (Versorgungs-Sicherheit, Forschung und Entwicklung: Erhalt des Status quo; Fortschritt über ihn hinaus) wieder Produktionsmittel gebraucht – Kapazitäten, Ressourcen aller Art. Die für andres dann nicht eingesetzt werden können.
Und…
.. die notwendige Arbeit umfasst die Arbeit und Kapazitäts-Nutzung für Reproduktion AUCH der Produktionsmittel, also „c“, wenigstens auf dem gegebnen Stand.

Links ieS ist nach meinem Verständnis, wer gesellschaftsweit eigentumsfreies modern-arbeitsteiliges Produzieren befürwortet. Das ist und war ein winziger Bruchteil der Gesamtbevölkerung. Ich bin da absolut derselben Meinung wie du (und auch viele andre Linke ieS): Der Grossteil der Bevölkerung nimmt zu der Gesellschaft, in der er lebt, keine sonderlich bewusste Stellung ein, und „entscheidet sich“ da nicht mit wohl überlegten Gründen und nach sorgfältiger Prüfung für oder gegen. Wenn ich sage: keine BESONDERS bewusste Stellung, so heisst das: es gibt wohl die ein oder andere Erwägung, dies und jenes Argument… Bloss beschäftigen sich die meisten damit nicht sehr lange, haben sich in ihrem Leben nie allzu lange damit beschäftigt. Das gilt übrigens auch für das, was sie „eher ablehnen“. Danach, ob „die Linken“ (die sich selbst so bezeichnen; oder nach meinem Verständnis) etwas korrekt nachweisen können oder nicht, fragt so gut wie niemand.

Nein, Wal. Der linke Standpunkt (wie oben definiert), theoretisch, praktisch, wie immer, ist der Standpunkt einer winzigen Minderheit. Und wenn er so attraktiv ist – dann sollte diese Winzigkeit der Minderheit mal erklärt werden.
Dass Kapitalismus „Menschenwerk“ ist und vielleicht durch irgendwas besseres ersetzt werden KÖNNTE – dazu, das zu bejahen, können vielleicht sogar grössere Minderheiten in der Bevölkerung gebracht werden, wenn sie es nicht schon von sich aus tun. Das wird sie nicht abhalten, sich in ihrer Lebensplanung zum Gegebnen WIE zu einer Natur zu verhalten, an der man nichts ändert. Und genau diese Trägheit ist es, die theoretisch näher ins Auge gefasst werden sollte. Und… auf die die Frage zielt: Warum wir – und sie nicht?

13. April 2014
Mario – Wal hatte ausdrücklich danach gefragt, welchen Sprachgebrauch ICH empfehlen würde (wer ist „für dich“ links?).
Mein Sprachgebrauch zieht eine scharfe und klare Trennungslinie; er macht zum Kriterium ein Befürworten, eine Zielsetzung – nicht einen Weg. Genau darum gibt es INNERHALB der Gruppe der Linken (für mich gleichbedeutend mit: „linksradikal“, was alle andern Links-Bindestrich-Einstellungen wie in Links-liberal usw ausschliesst) in meinem Sinn eine weitere Trennung: Nämlich einmal die, die für den (dann „revolutionsartigen“, wenn auch aus ihrer Sicht nicht notwendig gewalttätigen) Übergang zur gesellschaftsweit eigentumsfreien Produktion primär, von Anfang an, Einbeziehung des grössten Teils der (womöglich Welt-)Gesellschaft vorsehen; und zum andern diejenigen, die solch eine (zwangfreie) Einbeziehung später für gut und richtig, aber anfangs auf keinen Fall für möglich und noch nicht einmal für wirklich wünschbar halten. Die ersten bezeichnen sich selbst als Kommunisten, hinzuzufügen ist (was sie selbst auch so sagen würden): nicht-staatssozialistische. In Debatten mit solchen Leuten habe ich, um ein Wort zu haben, für die andere „Fraktion“, der ich mich zuzähle, den Ausdruck „Kommunalisten“ gewählt.

Bei dir, Mario, kommt nun ein Gedanke vor, der mir auch schon bei Wal auffiel: „Praktisch“ soll die Mehrheit zur „Bewusstwerdung“ und Befürwortung der Eigentumsfreiheit hinfinden – bloss dass dabei das, wozu sie finden soll, irgendwie immer schon vorausgesetzt ist, damit sie „es“ erfahren kann. Das soll man vielleicht (wohlwollend) verstehen als einen Lernprozess mit kleinen Schritten: Der GROSSE Schritt kann nicht gemacht werden, aber der je nächste Schritt – dafür kann man jeweils das Interesse und die Aufmerksamkeit der Massen schon mobilisieren. Und dann kommen die ewigen Quengler, und beklagen: dass es nicht gleich der ganze ist… Nein, der Einwand lautet anders.
Die Voraussetzungen habe ich (mit nachfolgender Zustimmung immerhin von Wat und renee) vor einiger Zeit mal hier dargestellt. Da ergibt sich: Die MODERNE Produktion mit ihren Grundlagen erscheint überhaupt nur aufgrund der magisch-abergläubischen, in jedem Falle ARCHAISCHEN Illusionen der kapitalistischen Markt-Religion zweckmässig steuerbar. Wenn Leute anfangen, sich WIRKLICH zur Frage der Steuerbarkeit dieser Produktionsweise zu stellen (und nur WIRKLICH modern denkende Menschen wollen das; es sind die wenigsten), sehen sie sich auf der Stelle mit diesem Problem konfrontiert. Wer es nicht sieht, will auch nichts davon hören. Es hat keinen Sinn, es ihm aufreden zu wollen. Und ein KLEINES BISSCHEN rührst du, Mario, mit deinem Eingangs-Hinweis daran: Was soll denn erforscht werden, mit welchen MItteln? Fortgeschrittene Forschung unter modernen Vorgaben zieht schnell die gesamten Ressourcen der Gesellschaft auf sich – und je mehr geforscht wird, desto mehr Aufgabenstellungen ergeben sich…
Oder will man keine moderne Forschung (die wird jedenfalls nicht mit Schreibblock und Kugelschreiber betrieben…)
…und sich daran anschliessende Entwicklung…
…und ständige Umwälzung der Produktionsweise (denn genau das passiert unter modernen Vorgaben ständig!)
…und kein Mehrprodukt und nichtmal einen „Akkumuluations- und Reservefonds“ (letzteren zB zur Reparatur der in der Vorepoche angerichteten ökologischen Schäden; und… zur Beseitigung der fortbestehenden Ungleichgewichte und Ungleichzeitigkeiten in der bereits grundsätzlich eigentumsfrei organisierten Bevölkerungsgruppe – auch DAS trägt zu ihrer RE-Produktion bei, höchst NOTWENDIG!)?
…Aber wenn DAS erstmal in die persönliche „Bedarfs“-Planung (jedes einzelnen) MIT eingeht und eingehen muss… dann wird das Problem deutlich.

13. April 2014

Wal Buchenberg schrieb:
Dass sich Lohnarbeiter bewusst für den Kapitalismus entscheiden würden, ist eine spinnige linke Idee.

Wer hat diese Idee denn je so geäussert?
Das „Dafürsein“ funktioniert doch komplexer, und höchst verschieden bei einzelnen…
Die Durchdachtheit der Gründe, überhaupt das Bekanntsein mit möglichen Gründen „für Kapitalismus“… mag ganz verschieden sein (und da entscheidet lang nicht bloss der Bildungsgrad, sondern auch etwas wie „Politisiertheit“ – dass jemand überhaupt differenzierter zu politischen (Grundlagen)Themen Stellung nimmt)…
Und dann sind das nur erst die eigenen Gründe eines jeden…
Wer setzt sich denn (gerade auch unter „Linken“) wirklich mit den Gründen ANDERER auseinander, nimmt sie zur Kenntnis, sortiert sie, überschaut sie, denkt drüber nach?
Wo wäre der Kapitalismus, wenn er auf Gründe, und begründete Zustimmung, und Verständigtheit darüber angewiesen wäre? Er wäre eine Utopie…
Und gerade weil er nicht angewiesen ist, sondern die Leute glauben, auch so gesellschaftlich produzieren zu können, OHNE Einsicht, ohne Zwang, ohne zwanglose Verständigtheit darüber: Darum ist Kapitalismus solch ein Wahnwitz.
Und nur weil er solch ein billiger, illusionär-sorgloser Wahnwitz ist – darum „funktioniert“ er auch so gut… naja.. SOLANG er „funktioniert“.

14. April 2014

Wal Buchenberg schrieb:
franziska schrieb:

Welche Probleme, die auch gegenwärtig sich spürbar machen, werden durch dieen Übergang NICHT bewältigt?

Das kommt mir vor wie eine Leerformel. Da müsstest du schon etwas deutlicher werden. Offenbar hast du ja bestimmte Probleme im Sinn.

Genau DAS ist eins der Probleme, die durch Übergang ins eigentumsfreie Produzieren nicht erledigt sind, sondern sich in ihrer ganzen Schärfe erst bemerkbar machen: Wie schafft es eine auf modernen Grundlagen produzierende Gesellschaft, die ihre Technologie und diese verwendende Produktion auf Wissenschaft und Forschung aufbaut, ihren Wissenserwerb einerseits arbeitsteilig voranzutreiben, andererseits kollektiv zu kontrollieren? Das Problem ist weder gelöst, wenn Experten getrennt von der sonstigen Gesellschaft (also so gut wie ALLEN) ein Entscheidungsmonopol bekommen, noch, wenn die Expertise an ignoranten Laien (und das sind alle andern Experten, wie kompetent sie auch jeweils im EIGENEN Fach sein mögen) scheitert, die mit ihr nichts anfangen und sie nicht beurteilen können.

15. April 2014
Tja Wat, da redest du teilweise schon über Problemlösungen… Manche sehen aber das Problem noch garnicht.
Und ich habe ausdrücklich nicht Wissenschaftler gesagt, sondern bloss Wissen und Wissenschaft und ansonsten „Experten“… und davon dass da eher jeder für irgendwas wahrscheinlich sogar mehr als eines, Experte sein wird… und sich diese Experten miteinander nicht verständigen, weil sie eben alle füreinander Laien sind. Wie verwalten sie das „gesellschaftlich“ verfügbare Wissen, wie planen sie gemeinsam seine Ausweitung – dazu gehört materielle Ausstattung auch bloss der jeweiligen EXPERIMENTE.

15. April 2014
Kein Überbau, keine Eltern… wir selbst HABEN dieses Problem längst. Das derzeit VERWENDETE gesellschaftliche Wissen übersteigt die Fassungskraft der Einzelnen, meine, deine, in grotesken Grössenordnungen. Niemand kann entdscheiden, was zum Entscheiden für ihn zu wissen wichtig wäre und was nicht. Selbst das Wichtige ist unendlich zuviel. Wir können unsre Reproduktion nicht kontrollieren, weil wir das dafür nötige Wissen nicht haben. Das wird nicht, das IST bereits das Problem.

15. April 2014+1
Um zu entscheiden, muss das dafür nötige Wissen IN JEDEM EINZELNEN vorhanden sein. Und da fragt doch jeder HEUTE SCHON: Wie soll das denn gehen – wenn ich da mitmachen soll, wenn „wir“ „zusammen“ was anders machen wollen..
Da stehen uU schmerzhafte Entscheidungen an, über die hier im Forum auch schon andeutungsweise gesprochen wurde.

Da sagen die einen: Ich will aber den gegenwärtigen Riesen-Arbeitsteilungs-Zusammenhang sofort und auf der Stelle so wie er ist, weiterführen, Und… das geht auch irgendwie (sagen die einen; zBb über eine kollektive „Bestellpraxis“ und anschliessende „Arbeits(an)gebots“-Runden); oder andre sagen: … da verzichten wir eben aufs Entscheiden über alles und jedes… oder auch das meiste… (solang wir nur die (räte)demokratische Kontrolle behalten zu korrigieren, wenn uns was nicht passt).
Und wieder andere sagen: nein, ich will nur an einer gemeisnchaftlichen Reproduktion beteiligt sein, wo ich wirklich ALLES wesentliche mit überblicken und nachvollziehen, darum beurteilen und in meinem Sinn mittragen und entscheiden bzw mit andern drüber verhandeln und mich verständigen kann. Dann muss das eben ganz langsam und sorgfältig „von unten her“ aufgebaut werden. Und jeder nächste Ausbau-Schritt für alle Beteiligte nachvollziehbar und verktraftbar. Jeder Einzelne überblickt das GANZE der (Re)Produktion, an der er beteiligt ist. Dafür, SO vorzugehen, und (Re)Produktion komplett neu aufzubauen, sprechen nicht nur politökonomische, sondern extrem gewichtige TECHNOLOGISCHE Gründe, die in dem Fall eng mit ökologischen verknüpft sind. Wobei die Ökologie am eignen Leib der Produzenten beginnt (ihren Bedürfnis- und Leistungsspielräumen (speziell: Aufmerksamkeits-Spielräumen)die heute und bei heutiger Technologie GNADENLOS MISSACHTET WERDEN).

Und, Wat, das ist SCHON HEUTE ein Problem, weil Leute, für die das nicht geklärt ist, und ZWISCHEN denen da nicht Übereinstimmung herrscht, sich auf so eine Gemeinschaft und ihren Aufbau niemals einlassen: Weil sie sonst nämlich befürchten müssen, unter grössten Anstrengungen gerade mal vom Regen in die Traufe zu kommen…

Und noch eins…
Es gibt heute kein „Zusammen“, weil die illusionäre Hoffnung vorherrscht, die da oben hätten den Überblick, den die andern hier unten zu anstrengend und für (bei ihrer Lebensführung) eigentlich garnicht erzielbar halten. Die da oben aber… glauben mit all ihrer Anstrengung grad soviel hinzubekommen, dass den Rest… der liebe Marktgott erledigt, der Fortschritt, die Wissenschaft, die Gesellschaft und all die andern kleineren und grossen Mächte, die grösser sind als wir kleinen Menschlein.
Bloss… diese Mächte gibts nicht. grösseres als jeden Einzelnen von uns GIBTS NICHT auf der Welt – nicht wenns ums Lernen und Denken geht.
DAS ist die Einsicht, die den Übergang weg von Kapital und Riesen-Wissens- und Arbeitsteilung und autoritärem Gedöns und Staat und Staatssozialismus begründet. Und alles andre steckt, wie man sieht, tief im Morast vormodern-religiösen Denkens fest.
..

28. April 2014
Tja, Mario, in deinem Beitrag (und ich meine auch in früheren von dir) gibts gleich zwei Beispiele für den Jux, wo jemand erst einer Streitpartei und dann der andern rechtgibt, und wenn jemand ihm das vorhält, dann dem auch noch. So ist man bei der Konfliktlösung allerdings fein raus: Das eine gilt, das andre auch.
Franziskas Sichtweise, die du nachvollziehst, lief unangenehmerweise drauf hinaus, dass die „Praxis“, wenn die betreffenden Detailfragen nicht beantwortet werden, garnicht erst in Gang kommt.
Und wenn zb. Wissen und Fähigkeiten („dann“) nicht zentralisiert sein sollen, aber auch nicht jeder „alles“ wissen muss und kann – wo wär denn dann das PRINZIP, mit dem man es entscheiden kann? Auch so eine dieser „Detail-Fragen“…
Und, naja das ist fast schon ein drittes Beispiel deiner Denkweise: Wir machen uns eine produktive „Nutzer“-Oberfläche, um mal so in der IT-Sphäre zu bleiben, aus der die ganze Konstruktion irgendwie stammt – , und was so an Tiefen-Produktion und Hard- wie Software „drunterliegt“, geht einen ja nix an, wenn man seine selbstentworfene Jeans ausm 3D-Drucker zieht. Wer entwickelt denn DEN, wer (re)produziert ihn – er sich selbst? (Mein Stichwort dazu: die Utopie der „Naturalisierung von Technik“…) Oder… ist die DAFÜR nötige Technologie dann umso weniger überschaubar und „leicht zu bedienen“…? Und was ist mit der Materialfrage? (Mich erinnert diese 3D-Geschichte an die Metaphysik bezeichnenderweise eines Mathematikers, du kennst das vielleicht, Descartes (später wiederholt bei Kant): Die Dinge sind (geomterische) FORM, besetzt mit MATERIE. Wir spielen also zB künftig auf einer Kunststoff-Gitarre mit Kunststoff-Saiten… (der Rest kommt wohl ausm angeschlossenen Synthesizer)…

28. April 2014
Oje Wat.
Bei dir ist aber auch JEDE Überlegung schon „Detail“ – auch wenns um die allerallgemeinsten Prinzipiem geht.
Und an die soll (?) darum niemand denken, weil schliesslich ALLE erstmal aber ganz bedingugslos frei und assoziiert sein wollen, und ganz abstrakt sich die Klassenordung vom Hals schaffen. (Sagst DU. Wenn ICH mutmasse, was andre wollen könnten oder nicht, bevormunde ich die…) Sie kriegens SPÄTESTENS dann (oder eben in ERWÄGENDER Vorwegnahme, sowas machen Menschen im allgemeinen, bevor sie sich zu Lebens-Umstürzendem aller Art entschliessen) mit vielen andern zu tun. Die einen denken dies, die andern das. So wie wir hier im Marx-Forum.
Und bei manchem Vorschlag, wie so eine freie Assoziation eingerichtet werden könnte… fällt MIR halt schon mal ein Einwand, ein Gegenargument, eine Begründung warum oder warum-nicht, ein… bei der ich einfach nicht WEISS, wie „die andern“ darauf noch entgegnen können – und wenn sie noch so viele sind.
Umgekehrt kenn ich ein paar Einwände von andern, bei denen ich einfach nicht weiss, wie man denen in einer solchen Assoziation gerecht werden könnte – die WOLLEN da nämlich nicht hin, die WOLLEN lieber im Kapitalismus lohnabhängig bleiben.
Und da ists nun so, die letzteren wollen nicht mit mir, und mit dne ersteren will ICH nicht in derselben Assoziation sein.
Assozieren sich also bloss die, die miteinander wollen und können. Und da, das prophezeih ich dir, bleiben erstmal nur GANZ WENIGE übrig, die LANGSAM mehr werden. Aber da (meine) Gründe (für so eine Vorhersage) dich nicht interessieren, müssen wir das dann wohl abwarten…

28. April 2014
Ja also sind wir ja schon zwei (naja wusst ich doch schon vorher ^^ )… das reicht ja erstmal. Dann können WIR uns ja schon mal unterhalten über die, hm, „Details“, oder einfach Themen die uns in dem Zusammenhang wichtig sind. Und da ergibt sich manchmal so etwas wie zwangslos gemeinsame EINSICHT… ZWANGLOS, Wat!! Und trotzdem GMEINSAM!! Niemand SOLL da was, nicht mal zuhören, wenn er/sie nicht will… und doch… hilft es manchmal, dass mehr als eine Person mit mehr als einer Person als ihr selbst übereinstimmt.
Herrje, Wat… ist denn diese Möglichkeit so sehr aus der Welt, dass einem da auf der Stelle Bevormundung, Vorwegnahme, Beeinflussung, Sollen, Durchsetzung, Gewalt, Zwang, Staatssozialismus um die Ohren gehauen werden? Wie sollen denn Entscheidungen jemals kollektiv getroffen werden, wenn man nicht mal ZUSAMMEN nachdenken und BERATEN, erwägen, überlegen darf (?) bzw es einfach TUT?

29. April 2014
Meine Haupttätigkeit, Mario, BESTEHT im Aufbauen einer“wirklichen Bewegung“.
Und, ganz unschwurblig gesagt: Was soll denn das Lob des Reflexionsvermögens, wenn seine Betätigung von dir gleich anschliessend als „was sich ein paar Hansel im Internet ausmalen“ abgetan wird?
Es ist bei euch beiden, Wat und dir, aber auch vielen andern Linken, was zu bemerken:
Ein Stück weit wird schon die Marschrichtung angegeben, Stichworte gegeben:
Leute wollen was ändern, dies oder jenes, auf kommuanler Ebene..
oder: 3D-Drucker, Fablabs allgemein und Projekte wie Open Source Ecology
Also UNGEFÄHR so oder so ähnlich könnts kommen, wirds kommen, und soll auch…
(andres, das kommen KÖNNTE; wird befürchtet und abgelehnt: Geld, (demokratischer Staatssozialismus… oder ein bisschen davon doch? Da scheiden sich die Geister…)
Aber INSGESAMT, und übergreifend,, hofft man auf eine ENTWICKLUNG, die weit über alle Einzelpersonen und „paar Hansel“ hinausgreifend, gleich die ganze Gesellschaft, naja auf kommunaler Ebene zumindest, in Gang bringt…

Da sag ich mal ganz unschwurblig:
Keine Gesellschaft kann mehr, als JEDER ihrer Hansel.
Die einzelnen, blöden kleinen Hansel wie ich und ihr, die sind das Mass der Dinge.
„Die Gesellschaft“ kriegt nicht mehr Verständigung hin, als so zwei oder drei Hansel wie wir… oder eben mehr, wenn sich welche finden, und sich an die Arbeit (ihrer Verständigung) machen. Wer sollte es sonst tun?
Alles andre ist.. eine politische Version von Religion. (Meine ich.)

30. April 2014
Hallo Mario, vielen Dank für deine ausführliche Antwort. Was ich dazu vielleicht sagen könnte, führt mE wieder mal zu weit, ist Vorgriff auf (leider) nur viel umständlicher und mit viel Aufwand gut Darstellbares. Darum hab ich es in meinBlog gestellt, wer will, kann es dort nachlesen.
Wat hab ich persönlich per PN geantwortet, im weiteren Sinn ist mein Blogbeitrag natürlich auch Antwort an sie.

——————————————-
thread:
Kapitalismus kann funktionieren

Mesrine:
Kapitalismus kann funktionieren, sagen die kapitalistischen Parteien, die Partei „Die Linke“, usw.

In einem extrem einfachen Modell (z.B. auf einer uns unbekannten Insel mit z.B. 50 Menschen) gibt es nur einen Unternehmer, bei dem alle Bewohner dieses Wirtschaftsraums (außer dem Unternehmer selbst) als Beschäftigte arbeiten und bei dem alle Beschäftigten deshalb einkaufen müssen. Der Unternehmer zahlt allen Beschäftigten insgesamt pro Monat z.B. die Lohnsumme 1 Mio Euro.
Die Lohnsumme sei die einzige Ausgabe die der Unternehmer hat. Der Unternehmer hat keinen Privatkonsum. Der Unternehmer muss alle seine Produkte monatlich insgesamt z.B. zu einer Preissumme von 2 Mio Euro verkaufen, die größer als seine monatliche Lohnsummenausgabe ist.
Wie soll aber mit einer Summe von 1 Mio Euro Waren im Wert von 2 Mio Euro gekauft werden können?

Es wird nach einem kapitalistischen Modell gesucht, das „funktioniert“.
Wer Interesse daran hat, wie dieses nach Meinung von Wirtschaftsverbänden, den Parteien des Bundestags, usw. _KOKKRET_ aussehen soll
(so konkret, dass man es auf einer EDV-Anlage implementieren kann), der kann dies nachlesen unter
kapitalismus-modell.de

mfg
mesrine

27. April 2014
Willkommen im Marx-Forum, mesrine, dein erster Beitrag hier wirkt aber ein wenig atemlos. Wieso MUSS das Unternehmen so hohe Preise fordern? Weil es Gewinn machen muss? Und… die „selbstgebastelten“ Modelle auf der verlinkten website, die irgendwie eine Schwierigkeit thematisiert, ein „funktionierendes“ „kapitalistisches Modell“ zu finden… welche Realität modellieren die denn?
((Nebenbei, funktioniert jetzt die kap. Wirtschaft SELBST nicht, oder bloss ihre theoretische Betrachtung? Oder… wenn das zweite nicht, auch das erste nicht? Oder was heisst da: kapitalistisches Modell, das (nicht) funktioniert?))
Ein bisschen erinnern Modell und Wortwahl an den Debitismus… sind deine Gedankengänge von dort her motiviert?
Denn…
…mir fällt auf, dass Gewinn“ bei dir (ähnlich wie beiden Debitisten) sich irgendwie aus einem Preisaufschlag ergeben soll.
Und genau diese Sichtweise hat der Autor, unter dessen Namen man sich hier zur Diskussion trifft, vehement bestritten: der war immerhin soweit zu sehen, dass solche Preisaufschlagsspielchen bestenfalls in Inflation enden, wenn es nicht auch ein REALES Wachstum gibt. Wobei… das Schöne am Wachstum ist, dass manchmal die Preissummen schrumpfen, und es trotzdem von allem mehr gibt, weil es nämlich tatsächlich produktiver hergestellt werden kann.
So… und jetzt modellier das mal, mesrine….

28. April 2014
Hallo mesrine, du nimmst die Antwort nicht ernst, die dir gegeben wurde, weil du offenbar an diese Möglichkeit garnicht gedacht hast (widersprich mir bitte, wenn es anders sein sollte):
Wo durch Einsatz einer Kombination von Produktionsfaktoren nicht ein REALES Mehrprodukt produziert wird über das hinaus, was zur Reproduktion der Produktionsfaktoren nötig ist, gibts keinen Gewinn und nichts zu verdienen. Es ist ja nicht nur eine Frage der Preissummen; wenn schon die Arbeiter das gesamte Produkt aufessen, ist es eben weg, und kann nicht nochmal verkauft werden. Also muss von irgendwas MEHR dasein (können) als vorher, Arbeitstag für Arbeitstag, Woche für Woche, Jahr für Jahr. Man kann es aufessen, als Kapitalist, als Staat, man kann es auch (wenn die Proportionen stimmen) in die Erweiterung und/oder Neugestaltung der laufenden Produktion stecken (das muss und kann man, nebenbei, sogar, wenn es kein solches Mehr gibt: einfach aus den in den produzierten Waren steckenden Gegenwerten der eingesetzten Produktionsmittel, die NICHT Arbeit waren, mit denen „das“ Unternehmen („das“ Kapital) von Anfang an in den Prozess eingestiegen ist, und die „es“ auf wundersame Weise nach Verkauf aller Waren, sofern DER funktioniert (weil die Preise „stimmen“ und die Mengen und die Nachfrage und die Zahlungsfähigkeit der Nachfrager: übrigens auch Kapitalisten müssen nachfragen und verbrauchte Kapitalgüter ersetzen) schon wieder in Händen hält. Damit auf Dauer immer mehr produziert wird, und die gleiche Preissumme immer mehr Güter kaufen kann, weil deren Produktion immer produktiver (in jeder Hinsicht) wird – dafür ist NOCH NICHTMAL DAS MEHR erforderlich, das kann durch schlaue und innovations-orientierte Um- und Neugruppierung der Rückflüsse auch passieren – das Mehr ist allerdings nützlich und eröffnet Freiräume, wo man sonst hätte vorübergehend wessen Gürtel auch immer enger schnallen müssen…

Zur Lösung des Geldsummen- und Umsatzrätsels, das du uns da präsentierst, darf man vielleicht an einige uralte Lösungen aus den Frühzeiten der ökonomischen Theorie erinnern, wonach nie das gesamte Produkt (auch nur eines Unternehmens) abgesetzt wird, sondern (also im Modell: „sequenziert“!) Portion für Portion, und das Geld ZIRKULIERT von einem Marktteilnehmer zum nächsten – der erste verschwindet nach Absolvieren von Verkauf und Kauf auch schon wieder aus dem Markt, und so der nächste und übernächste… nur die (verglichen mit den Umsätzen kleine) Geldsumme bleibt ständig zurück. Und auch hier empfiehlt sich ein Blick auf die PRODUKTIONS-Sphäre, mesrine: Warum geht das (normalerweise) immer weiter so? Weil diese Leute über wieviel Zwischenstationen und Verzweigungen auch immer, „IM KREIS HERUM“, in einem arbeitsteiligen REPRODUKTIONSPROZESS miteinander in Verbindung stehen. Und in diesem Prozess ist JEDER von ihnen bloss „Durchfluss-Station“, sein Produkt Vor-Produkt des je nächsten – einschliesslich der (eine etwas hässliche, aber durchaus realistische Analogie) Produzenten ihrer Arbeitskraft, die ebenfalls dieses „Produkt“ verkaufen, ihre Kosten erstattet bekommen, und darum so weitermachen können – leider ist für sie meist kein Mehr drin, weil sie in erfolgreich „wachsenden“ und produktiven Ökonomien systematisch in immer grössere Konkurrenz zueinander gedrängt werden (fh steigende Lohnarbeitslosigkeit durch Einsparung von Arbeit) – und… weil es ziemliche Anstrengung kostet, in ihrer Vereinzelungssituation durch Kartellbildung (bei den (sehr viel weniger zahlreichen) Produktionsmittelbesitzern, wenns um Arbeitskosten geht, ziemlich häufig) für sich noch was rauszuschlagen. Tja. Sie können halt nicht mal so eben ihr Geschäft liquidieren und die Branche wechseln.
Also zwei Antworten fürs erste:
a) Wo kein reales Mehr, da kein Gewinn, und
b) wo keine reale PRODUKTIVE Zirkulation der Güter, da auch keine „funktionierende“ Geldzirkulation (die sie abbildet).
Falls es noch Schwierigkeiten mit den Einkommensarten gibt (ich übersetz das mit der Lohnsumme mal so), kann man das später vielleicht auch noch sortieren. Ich schreib über diese Themen übrigens grad in meinem Blog…

mesrine: Versuch bitte, das was du in Worten formuliert hast an einem _konkreten_ Zahlenbeispiel (ich nenne es Modell) zu demonstrieren (in ein Zahlenbeispiel zu übersetzen)
Auf der Seite kapitalismus-modell.de macht dies auch z.B. Hajosli

mfg
mesrine

29. April 2014
Nein mesrine, das mache ich nicht – darum, weil wir uns über die zwei wesentlichsten Voraussetzungen eines solchen Modells erstmal einig werden müssten:
1. jene von mir oben als erste eingeführte These, dass die Voraussetzung für „Gewinn“ in REALEN Überschüssen über das hinaus besteht, was jeder der beteiligten Branchen an Produktionsfaktoren pro Zeit zugeführt werden muss, damit sie ihr Produkt pro Zeit produzieren kann;
2. dass allein die TECHNISCHE Verknüpfung der Branchen/Betriebe die Form eines – wenn auch in sich sehr verzweigten – KREISLAUFS hat (aus dem an allen möglichen Stellen Entnahmen stattfinden, die nicht wieder ins System eingespeist werden: eben Überschüsse), und dass die Produktion eines Betriebs an die elementare Voraussetzung geknüpft ist, dass dauerhaft die Produktmenge, die er pro Zeiteinheit abgibt, durch die restliche Wirtschaft in einer Weise verarbeitet wird, dass ihm pro Zeiteinheit MINDESTENS die Produktionsfaktoren zur Verfügung gestellt werden, die er zur Erzeugung der abgegebenen Produktmenge pro Zeiteinheit benötigt.
Also, mesrine:
Wäre die Unterstellung der Erzeugung eines physischen Mehrprodukts in JEDER der beteiligten und arbeitsteilig miteinander verbundenen (Re)Produktionsstationen (Betriebe; Haushalte (produzieren die „Ware Arbeitskraft“) unabdingbar für jede Modellierung einer kapitalistischen Ökonomie?
Wäre ebenso unabdingbar die Unterstellung einer kreislaufförmig-„zirkulären“ direkten oder spätestens indirekten Verknüpfung aller Betriebe mit allen, derart dass für alle überhaupt an diesem Produktions-System beteiligte Betriebe gilt, dass die je pro Zeiteinheit ans System abgegebene Produktmenge vom Rest-System derart produktiv verwendet wird, dass das System pro Zeiteinheit mindestens die zur Erzeugung dieser Produktmenge nötigen Produktionsfaktoren liefern kann (und auch tatsächlich liefert)?
Wir reden hier, mesrine, über TECHNISCHE Voraussetzungen, die über die vermittelnde ökonomische Form (markt- oder planwirtschaftlich) noch nichts aussagen.
Es ist aber, wie ich glaube, bereits diese Ebene, auf der sich die von dir aufgeworfenen Rätselfragen (wg. realitätswidriger Modell-Annahmen) auflösen lassen. Darum müssen wir darüber zuerst sprechen.

mesrine: Die Ausgangssituation war das von mir vorgestellte und von dir als realitätswidrig bezeichnete Modell.
Das kannst du so machen.
Meine Bitte:
Lege doch du die Voraussetzungen fest und gib mir dazu ein _konkretes_ Zahlenbeispiel.
Auf der Website kapitalismus-modell.de ging diese Aufforderung u.a. an die Verfechter einer wie auch immer bezeichneten Marktwirtschaft, die es nicht schafften Voraussetzungen (die sie _selbst_ festlegen konnten) mit einem dazugehörigen _konkreten_ Zahlenbeispiel anzugeben, wie so eine Marktwirtschaft ohne Überproduktion „funktionieren“ kann.

mfg
mesrine

5. Mai 2014+3
Mesrine hat bislang weder hier noch auf meine private Mail geantwortet*), darum will ich vorerst abschliessend noch etwas nachtragen:
Zum ersten, es riecht eben doch stark nach Debitismus und („Kapitalismus – ein System das funktioniert“) Paul C.Martins These, dass der Gewinn bloss aus immer neuer Verschuldung bezahlt werden kann und anders nicht.
Von einem Mehrprodukt wissen diese Leute (die Debitisten) nichts, und wollen davon nichts wissen – obwohl sie genau wissen, und grössten Wert legen darauf zu ermitteln, wie es BEZAHLT wird. Essen Kapitalisten GELD, fragt man sich da…
Der Normalkapitalist tritt in eine Produktionsperiode ein mit Produktionsmitteln, und einem Fonds, von dem er (meist recht gut) leben kann; die Arbeiter treten mit mehr oder weniger nichts ein, und kriegen in vereinbarten Fristen ihren Lohn, den sie für die nötigen Ausgaben verwenden. Das Schöne ist, dass der Kapitalist am Ende genau wieder so dasteht wie zu Beginn: Er hat immer noch die Produktionsmittel (die verschlissenen wurden ersetzt), und er hat den Fonds nicht nur aufgegessen, sondern auch erneuert.
In mesrines Beispiel findet diese Bewegung gänzlich ohne die Arbeiter statt: Die haben nicht nur ihre Lebensmittel produziert, sondern waren produktiv genug, genau das eben Beschriebene zu tun: in dem oder den Betrieben der Insel-Kapitalisten die verschlissenen Produktionsmittel zu ersetzen und deren Konsum. Den Rest verrechnen die Kapitalisten intern.
*) Das ist mittlerweile geschehen, die Beschwerde deswegen muss also zurückgenommen werden.

mesrine:

6. Mai 2014
>
>weder hier noch auf meine private Mail antwortet…
>
Entschuldigung, ich habe deine email erst jetzt gelesen.

>
>..MEIN eindruck der ist, zugleich, dass dein rechenbarkeits-test erstmal etwas überflüssiges hat:
>was du in ein beispiel kleidest, gerade dieser einfachste fall mit der lohnsumme, ist doch mit beinah >einem satz beschrieben, braucht es da noch beispiele?
>
1)
Die Wahrheit ist KONKRET.
Und einfache Beispiele sind dazu da um dann komplexere Sachverhalte leichter zu verstehen.
Zumindest geht es mir so. Ich habe nicht die Begabung komplexe, abstrakte Zusammenhänge anders zu verstehen.

2)
Warum legst du nicht deine Voraussetzungen und dein Modell fest und gibst ein Zahlenbeispiel?
Danach kann man immer noch reden und die Kommunikation fortsetzen.

3)
Warum man in der Wissenschaft Modelle benötigt, muß ich vermutlich nicht erklären.

>
>oder… bist du so ein eingefleischter edv-mensch, der nur noch die software basteln will
>und druchrattern lassen?
>

nein

mfg
mesrine

2)Neues Modell (mit Unternehmerkonsum)
Voraussetzungen:
Es gibt in diesem extrem einfachen Modell (z.B. auf einer uns unbekannten Insel mit z.B. 50 Menschen) nur einen Unternehmer, bei dem alle Bewohner dieses Wirtschaftsraums (auch der Unternehmer selbst) als Beschäftigte arbeiten und bei dem alle Beschäftigten (der Unternehmen ist auch Beschäftigter des Unternehmens und zahlt sich in dieser Funktion als Geschäftsführer deshalb auch einen Lohn) einkaufen müssen.
Der Unternehmer zahlt allen Beschäftigten insgesamt pro Monat die Lohnsumme L.
Die Lohnsumme sei die einzige Ausgabe die der Unternehmer hat.
Der Unternehmer muss alle seine Produkte monatlich insgesamt zu einer Preissumme P verkaufen, die größer als seine monatliche Lohnsummenausgabe L ist.
Dies ist notwendig, damit er einen Gewinn macht (L ist eine Ausgabe, P ist die erwartete Einnahme, wenn er alles verkaufen würde).
Also muß gelten:
P > L.
Der Umsatz kommt von dem Geld der Bewohner her, das diese bei diesem Unternehmen ausgeben, wenn sie einkaufen.
Da aber jeder Bewohner Beschäftigter des Unternehmens (auch der Unternehmer in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer) ist, ist der Umsatz des Unternehmens maximal der Lohnsumme (wenn nämlich alle Bewohner nichts sparen).
Es gilt also:
U <= L
Damit gilt insgesamt:
U < P
Das heißt der Unternehmer kann nicht alle Waren verkaufen (Überproduktion).
Das Modell „funktioniert“ also nicht!!

mfg
mesrine

7. Mai 2014
Hallo mesrine, schön, dass du dir Zeit nimmst, die Diskussion weiterzuführen.
Deine Erwiderungen wiederholen deinen ursprünglichen Gedanken zwar immer wieder, aber den zentralen Einwand der marxistischen ökonomischen Theorie scheinst du nicht aufnehmen zu können: die Sache mit dem „Mehrprodukt“ (real produzierter Überschuss jenseits der „Kosten“ usw). Leider verhalten wir auf der Gegenseite uns derzeit nicht soviel anders:Dein hartnäckiges Nichtbegreifen müsste nämlich auch einmal begriffen werden.
Hier ein Versuch dazu:
Mesrine kann den Einwand möglicherweise darum nicht verstehen, weil er von der subjektiven Preistheorie der Neoklassik ausgeht.

Die Arbeiter und vielleicht auch mitarbeitenden Kapitalbesitzer haben demnach IRGENDEIN Produkt geschaffen, von dem feststeht, dass es an sich für ihren Konsum und wer weiss noch alles ausreicht. Aus mesrines Sicht funktioniert sein Gedanke, weil er unterstellt, dass nur die Kosten der Produktion eines Gutes, also Vorschüsse bzw Auslagen der Unternehmer sich in zahlungsfähige Nachfrage nach dem Gut umsetzen. Da Kapitalismus aber nun mal nur vorstellbar ist mit Gewinn, stellt sich die Frage nach der Zahlungsfähigkeit, die diesen Gewinn (oder Absatz der Gütermenge, der zu dem so kalkulierten Preis allererst diesen Gewinn erzielen würde) ermöglicht: In diesem Modell gibt es sie nicht und kann es sie nicht geben.
Die Erklärungen, die mesrine von mir oder Kim B. bislang bekommen hat, gehen somit völlig an ihm vorbei.

Da ich in VWL Literatur nicht sehr bewandert bin, weiss ich es nicht – es sollte mich aber sehr wundern, wenn mesrine dies Problem als erster vorträgt. (Im Kern ist es ja das Uralt-Problem der Erklärung der Herkunft des Profits.)
Der Debitismus von Paul C. Martin, den ich oben schon erwähnte, entfaltet das Problem (witzigerweise entlang von Marx‘ Reproduktions-Schema), und versucht den Kerngedanken des Debitismus als dessen Lösung zu präsentieren, wonach kapitalistisches Wachstum (das dort erwünscht ist) einzig durch ein Schulden-Schneeballsystem getrieben sein kann. Was bei Paul C. Martin noch recht auftrumpfend zugunsten von Kapitalismus angeführt wird, gerät bei mesrine – sollte das nicht doch noch ins debitistische Fahrwasser einmüden – zum Nachweis seiner Unmöglichkeit.

Der Schluss läuft gerade andersherum als der von Marx/Engels: die schlossen nämlich vom Funktionierenkönnen des Kapitalismus zurück auf die Fehlerhaftigkeit der „Erklärung des Profits aus der Zirkulation“ (also durch mehr oder weniger willkürliche Preis-Aufschläge auf die Kosten), hier hingegen wird lieber letzteres als selbstverständlicher Ausgangspunkt unterstellt, und dafür der Kapitalismus für fehlkonstruiert.

Für Vertreter der subjektiven Werttheorie ist der GESAMTE Preis willkürlich. Sagt man, etwa: Aber ein Verkäufer muss doch wenigstens auf seine Kosten kommen?, erwidern sie: Er musste ja seine Produktionsfaktoren nicht so teuer einkaufen, dem Kauf nicht zustimmen. Dann… wäre der oder die Faktor-Verkäufer vielleicht mit ihrem Preis runtergegangen. Oder auch nicht. Dann findet das ganze eben nicht statt. Niemand wird gezwungen, zu verkaufen oder zu kaufen. Mit den Folgen… müssen die Marktteilnehmer selber fertigwerden.
Die Frage nach den Voraussetzungen für Preise und Mengen, unter denen Verkäufer und Käufer dauerhaft (wiederholbar, eben „reproduzierbar“) ihre Transaktion durchführen können, stellt sich hier nicht.
Da hier nichts „notwendig“ ist, lässt sich auch nicht der Begriff eines „Aufschlags“ darauf bilden. Die Kategorien der Reproduktionskostentheorie sind nicht anwendbar. Die Argumente, die von solchen Kategorien Gebrauch machen und sie selbstverständlich unterstellen, treffen notwendig auf Unverständnis bei der je anderen Seite.

Man sollte nicht vergessen: Diese Preistheorie bildet sich am Paradigma des (Ab)Verkaufs eines Warenlagers, speziell einer Lagerstätte oder Quelle von Rohstoffen. Das ist, wovon Anbieter Eigentümer sind, woran sie Interesse haben, wofür sie selbst etwas von ihrem Eigenen zu geben bereit sind. Wie sie an ihre Ware gekommen sind, fragt niemand.
In der subjektiven Werttheorie herrscht die Vorstellung einer linearen Fertigungskette, die vom Roh- über Vor- und Zwischenprodukte bis zum „Endprodukt“ geht. Endprodukte… werden von „Verbrauchern“ gekauft, die dafür mit ihrem „Einkommen“ bezahlen. „Ausgetauscht“ werden vorrangig „Endprodukte“, die Vorprodukt-Produzenten bekommen etwas weitergereicht (oder sie haben es schon bekommen) aus dem Erlös. So geht Arbeitsteilung, so Produktion, so Austausch.
Um den Begriff eines NOTWENDIGEN Preisbestandteils zu bilden (wie wir es hier tun, vom Standpunkt einer (etwa speziell der Marxschen) Reproduktionskostentheorie des Wertes bzw der Preise), den wir (bzw dessen Komplement: Überschuss, Mehrprodukt) den subjektiven Werttheoretikern hier entgegenhalten, fehlt es denen an zwei wichtigen Voraussetzungen:
1. an der Idee der ZYKLISCHEN Verknüpfung von Produkt-„Linien“ (wie verzweigt auch immer), und
2. am Begriff der Bedingungen der WIEDERHOLBARKEIT (Reproduzierbarkeit) eines produktiven Schritts und des DAMIT verknüpften „Tauschakts“, den ein Produzent DAFÜR vollziehen muss: Mit seinem Produkt die Produktionsfaktoren eintauschen.zu müssen.
Erst recht fehlt dann der dritte Gedanke, der für jede Reproduktionskostentheorie der Werte massgeblich ist:
3. dass gesellschaftlich eine geschlossene (wenn auch verzweigte) Stafette von solchen Produktions- und Tauschschritten zum ursprünglichen Produzenten zurückführen muss, und dass Warenproduzent zu sein bedeutet, in einem solchen (Durchfluss)System eine Stelle besetzt zu haben.

Also der Unterschied eines (zur Fortsetzung der Produktion) notwendigen Teiles des Produkt-Ausstosses pro Zeit und eines „überschüssigen“ (umgerechnet auf den Preis der Einzelware: eines notwendigen vs eines „Surplus“-Bestandteiles des Preises) wird hier nicht gemacht; es gibt dann auch keinerlei Grundlage, „hinter“ den tatsächlich bezahlten Preisen irgendein Mehr oder Weniger zu entdecken – ausser Zahlungsbereitschaft und vor allem Zahlungsfähigkeit gibt es keine Grundlage, um zu beurteilen, ob oder ob nicht ein Warenkontingent zum gegebnen Preis verkäuflich ist. In mesrines Beispiel scheitert der Verkauf an der mangelnden Zahlungsfähigkeit; der Gewinn kann nicht realisiert werden, weil die im Preis kalkulierte Kost (und sie begründende reale Zahlungen), die ihm vorausgeht, einzige Quelle (und zugleich Schranke) der möglichen Zahlungsbereitschaft der „Kunden“ darstellt.

mesrine:

8. Mai 2014
>
>Hallo mesrine, schön, dass du dir Zeit nimmst, die Diskussion weiterzuführen.
>Deine Erwiderungen haben im Moment den Mangel, dass du deinen ursprünglichen Gedanken zwar immer wieder aufs neue wiederholst,
>aber den zentralen Einwand von seiten der marxistischen ökonomischen Theorie irgendwie nicht verarbeiten zu können scheinst,
>die Sache mit dem Mehrprodukt. Ein bisschen verhalten wir auf der Gegenseite uns derzeit genauso, weil dein hartnäckiges
>Nichtbegreifen vielleicht auch begriffen werden muss.
>

Bis auf das Zahlenbeispiel von Kim habe ich fast nichts von euch verstanden.
Es ist mir zu abstrakt. Vielleicht kann ich nicht sinnentnehmend lesen, oder bin einfach zu beschränkt.
Die Diskussion mit Prof. Ortlieb kann ich aber nachvollziehen (kapitalismus-modell.de)

Siehe auch:
math.uni-hamburg.de/home/ortlieb/

mfg
mesrine

8. Mai 2014
(In diesem Beitrag ist mesrines vorangehende Antwort an Wal leider noch nicht berücksichtigt.)
Kurzer Zwischenruf erstmal, mesrine, zu Punkt 2) deiner Antwort an Kim: Die „neuen“ Produktionsmittel wurden von einem TEIL der Arbeiter produziert, die andern Arbeiter haben für sich und die Prod.mittel-Produzenten die Lebensmittel produziert (die alle zusammen kaufen). Was da an Prod.mitteln neu (oder „re“-)produziert wird, ist Ersatz für Verschleiss an den Prod.mitteln, die von Anfang an in den Betrieben des Insel-Unternehmens herumstanden, und mit denen alle Arbeiter das jeweils von ihnen zu Produzierende hergestellt haben. Ein weiterer Teil der Arbeiter erarbeitet den (Luxus)Konsum für alle, die nicht ihrerseits „produktiv“ arbeiten, ausserdem, optional, Lebens- und Produktionsmittel für in dieser Produktionsperiode oder danach neu hinzukommende Arbeiter, die in denselben Proportionen wie die bisherigen zusätzlich beschäftigt werden („Akkumulation von Mehrprodukt“). Grundlage für all das ist die hohe Produktivität der Lebensmittelproduktion, die erklärt, dass nur ein Teil der Gesamtarbeit nötig ist, um ALLE Arbeiter zu ernähren; die „überflüssigen“ Arbeiter arbeiten dann, wie gezeigt, in der Produktionsmittel-Re- und Neu-Produktion, sowie für die Ernährung und den Konsum der Eigentümer der Produktionsmittel (die, ohne irgendeinen Beitrag zur produktiven Gesamtarbeit zu leisten, konsumieren, sowie über Art, Umfang, Verwendung des Gesamtvolumens an „Arbeitsplätzen“ und damit auch darüber entscheiden, ob jemand ohne Produktionsmittel überhaupt etwas zum Leben hat.)
Das Mehrprodukt (akkumulierte Prod. und Lebensmittel, Luxuskonsum) über das „Re-Produkt“ (Prod-mittelverschleiss, notwendige Lebensmittel) wird hier ohne Durchgang durch Käufe und Verkäufe direkt von den Produktionsmittelbesitzern angeeignet, die sich darin als echte Nachfahren der vormaligen Feudalherren erweisen; bloss, dass die Insel-Bevölkerung nicht mehr vom Zugang zu Land und Selbstversorgung durch Landwirtschaft ausgeschlsosen ist, sondern zusätzlich vom Zugang zu modernen Produktionsmitteln, die ihre Arbeit allererst so produktiv macht, dass „Fortschritt“ bzw Reichtumswachstum der Prod.mitteleigentümer UND deren Luxus (aller Art) möglich ist. Würden die Arbeiter die Prod.mittel für sich selbst gebrauchen können, so würden die Nichtarbeitenden mitarbeiten, die Einzelnen also weniger arbeiten, und das Ausmass von Produktion für Fortschritt und Extrakonsum über das Nötige hinaus von den produzenten selbst festgelegt. Ob die Arbeiter das WOLLEN, ist Sache ihrer Entscheidung und… eine Frage von Entschlossenheit und Fähigkeit der Prod.mittelbesitzer, ihr Privileg zu verteidigen.

Der Unterschied dieser „irreal“ einfachen Insel-Wirtschaft zur real-kapitalistischen ist also erstmal und vor allem: Bloss die Lebensmittel der Arbeiter kommen überhaupt in den Handel, und werden mit der Gesamt-Lohnsumme bezahlt. Alle andern Güter werden NICHT gehandelt und werden nicht durch Kauf- und Verkaufsakte ihrer Bestimmung zugeführt. „Gewinne“ zu machen ist in diesem Kapitalismus nicht nötig, weil Mehrarbeit und Mehrprodukt der Arbeiter UNMITTELBAR im Besitz des oder der Unternehmen sind, die „intern“ über deren Verwendung entscheiden, und, nebenbei, den „Beschäftigten“ die Bedingungen ihres Einsatzes diktieren.
Am ehesten könnte die Insel die Verhältnisse in einem „staatssozialistischen“ System wie Kuba abbilden.
Interessant wäre uU Zug um Zug dem Wirtschaftssystem der Insel die „realen“ Vorgänge hinzuzufügen – was „intern“ innerhalb des Insel-Unternehmens verschoben wird, muss dann durch die „Zirkluation“, also den Markt oder Handel, hindurch – Preise und Zahlungen zwischen Unternehmen müssen das vermitteln, was bis dahin die interne Unternehmens-Planung und -Bilanzierung erledigte. Die mithilfe von „Gewinn“ zu bezahlenden Produkte sind im bisherigen Modell noch garnicht am Markt aufgetaucht – es gab noch garkeine Notwendigkeit für irgendjemand, seinen (zB Lohn)Kosten irgendwas „draufzuschlagen“, um sich etwas vom produzierten mehrprodukt anzueignen (falls er das will). Sehn wir zu, ob sich aus der Modell-Erweiterung ergibt, dass der Gewinn nicht zu bezahlen ist…

8. Mai 2014
Tja, mesrine… in den selbstgebastelten Modellen finde ich immer nur die Grösse „m“ als „Aufschlag“ auf L und P. Den Geldbeträgen L und P entsprechen tatsächliche Produkte, dem m aber nichts. Wenn das die Voraussetzung sein soll, braucht man sicht nicht zu wundern, wenn kein funktionierender Kapitalismus rauskommt. Das TATSÄCHLICH PRODUZIERTE Gegenstück zum Geldbetrag m wurde von uns (gesellschaftliches) „Mehrprodukt“ genannt. Es existiert tatsächlich. Und es existiert auch Nachfrage danach, weil JEDES dauerhaft am Markt teilnehmende Unternehmen sowohl an seiner Produktion als auch an seiner Verwendung teilhat.
Wenn du nicht zugeben magst, dass es dies Mehrprodukt als reales Produkt gibt, hat es keinen Sinn, sich über seine Verteilung Gedanken zu machen. Was nicht existiert, kann nicht verteilt werden, nicht verbraucht werden, nicht akkumuliert werden.

mesrine:
1)
Der Mehrwert muß am „Markt“ durch den „Aufschlag“ REALISIERT werden.
Oder wie willst du dies sonst in Geldeinheiten abbilden?

2)
Wenn dir das Modell ungeeignet erscheint, dann modifiziere (oder entwickle neu) es nach _deinen_ Vorstellungen, so daß es „funktioniert“ und sich in Geldbeträgen (wie in der Realität) abbilden läßt.

PS:
Verarbeite bitte auch die Kritik von H.Ortlieb.

mfg
mesrine

8. Mai 2014
Nun ja, mesrine, gehn wir doch einfach auf das Kuba-Modell von oben zurück: Die Arbeiter sind schon raus, die Löhne auch, da gabs kein Problem. Jetzt… nehmen wir der Form nach DEIN Modell, bloss sagen wir dort ganz formal statt „L“ „m“ und lassen „P“ stehen. Dein Problem kam doch immer bloss durch den blöden Preisaufschlag namens „m“ rein, den haben wir jetzt aber an die L-Stelle gesetzt, und einen dritten Summanden, ausser P und m, gibts nicht. Die Kapitalisten kaufen voneinander. Sie HABEN was, sie GEBEN einander was, das Geld fliesst… Wenn das Mehrprodukt*) existiert, gibts so wenig Schwierigkeiten, damit zu handeln, wie mit den andern Gütern. Am liebsten bleiben Kapitalisten überhaupt unter sich, und kaufen nur noch voneinander, produzieren füreinander. Das gibt ECHTES Wachstum: Produktionsmittel, um noch mehr Produktionsmittel und immer produktivere, innovativere herzustellen. Konsum stört da bloss. Die Kapitalisten (Antwort an Prof.Ortlieb!) sind sich selbst ihr liebster Markt, UND DER EXPANDIERT, und wie, wenn ihnen nichts in die Quere kommt (Kriege, Sozialklimbim, Klimawandel. und andere „Grenzen des Wachstums“).
*) irgendwie scheint das Wort dich zu irritieren: MEHRPRODUKT. Nicht „Mehrwert, der realisiert werden muss“ – sondern PRODUKT, und jeder Produzent hat davon (mehr oder weniger) in seinem Warenlager liegen – fertig zum Vertrieb. Der Witz ist: Er weiss nicht so genau, wieviel davon er hat…

9. Mai 2014

Kim B. schrieb:
damit sie ihm ein Mehrprodukt in Form von Konsumgütern und zu ersetzenden Produktionsmitteln erzeugen

Damit keine Verwirrung entsteht: Die „(wg Verschleiss) zu ersetzenden Produktionsmittel“ gehören NICHT zum Mehrprodukt; sie werden, so wie die Lebensmittel ALLER Arbeiter, von einem Teil der Arbeiter produziert (oder während eines Teils der Gesamtarbeitszeit aller Arbeiter, in der sie nicht ihre Lebensmittel und nichts von dem eigentlichen Mehrprodukt produzieren).
Das Mehrprodukt KANN auch zT aus Produktionsmitteln bestehen, aber dann solchen, die nicht schon zuvor existierende (aber beschädigte und verschlissene) ersetzen, sondern neu hinzukommen, die den Reproduktionsprozess erweitern: Akkumulation. (Ein Sonderfall wären Produktionsmittel, die Innovationen verkörpern und zT oder ganz verschlissene und beschädigte zwar ersetzen, aber nicht von derselben Art wie die Vorgänger sind, sondern produktiveres Produzieren ermöglichen.)

9. Mai 2014

mesrine schrieb:
Der „normale“ Kapitalismus (Anzahl der Unternehmer > 1) funktioniert doch aber so, daß die Arbeiter
nicht nur den _Eigenkonsum_ der Kapitalisten erwirtschaften, sondern auch noch ZUSÄTZLICH den _Gewinn_ , den der Kapitalist für Neuinvestitionen benutzt.
Auf diesen Fall beziehe ich mich in meinem Modellen.

Mesrine, das Problem für das Funktionieren des Kapitalismus schien zu sein: dass der Preisbestandteil, der den gewinn des Kapitalisten repräsentiert, letztlich nicht bezahlt werden kann, weil nichts zuvor verkauft (und bezahlt) wurde, aus dem sich irgendeine Zahlungsfähigkeit für diesen Preisbestandteil (oder das ihn repräsentierende Quantum des Gesamtwarenbestands, das darum nicht absetzbar wäre) ergibt. Die Antwort darauf lautet jetzt: Doch, das gibt es: JEDER Kapitalist hält einen Anteil des gesellschaftlichen Mehrprodukts in Händen, in Gestalt des Überschusses über das hinaus, was er selbst und alle andern von speziell seinem Produkt zur Aufrechterhaltung des Produktflusses benötigen. Es ist ER, der es in Händen hält, nicht seine Arbeiter oder „die Gesellschaft“; ER kann davon, soviel nachgefragt wird, verkaufen, und sich seinerseits mit dem Erlös aus dem Mehrprodukt anderer Kapitalisten bedienen.
Es sind eben nicht nur Lebensmittel für Arbeiter (während einer Arbeitsperiode) und Ersatz-Produktionsmittel (für diese Periode) erzeugt worden; sondern auc wirklich eine weitere Produktmasse, mit der gehandelt werden kann, und die sekundär, in weiteren Arbeitsprozessen (auch die Lebensmittel-produktion hat einen Überschuss!), zu allem möglichen, Rüstungsgüter, Luxus und Repräsentation, Abgabe an „unproduktive“ Eigentümer von Rohstofflagerstätten usw vor allem aber eben für die von dir erwähnte Neu-Investition, verarbeitet werden kann.

9. Mai 2014

mesrine schrieb:
1)
Ich verstehe dich so, daß du ein System betrachtest, das ohne Arbeiter auskommt und sich an deren Stelle Roboter befinden, die nichts konsumieren.

Nein – ich hab nur ganz konsequent das oben Begonnene weitergedacht – nämlich, dass der Monopolkapitalist ersetzt wird durch eine Reihe von Unternehmen, bei denen die Insel-Arbeiter beschäftigt sind. Eins dieser Unternehmen lässt (einen Teil der Arbeiter) produzieren und liefert (quasi stellvertretend für alle andern) die gesamten Lebensmittel in, sagen wir, eine Supermarktkette aus, und nimmt dort aus dem Verkauf den gesamten Lohn aller Arbeiter als Gegenwert ein. Darum sagte ich: Die Arbeiter, die Löhne, die Konsumgüter der Arbeiter sind erstmal draussen.
(Die Arbeiter-Lebensmittel-Produzenten haben einen Teil ihres Gesamtprodukts gegen die Löhne von Prod.mittel-Betrieben (incl. der Abteilung, die für „Prod.mittel-Akkumuluation arbeitet) sowie von Kapitalistenkonsum-Produzenten abgegeben. Ansonsten bekommen sie von ihren eignen Arbeitern deren Löhne zurück. Mit alldem können sie ihren eignen Konsum bestreiten, ausserdem ihre verbrauchten Prod.mittel ersetzen und vielleicht auch ein wenig akkumulieren: mehr als die verbrauchten Prod.mittel kaufen, für mehr Arbeiter als ihre bisherigen Lebensmittel produzieren und entsprechend mehr in der nächsten Produktionsperiode einstellen.
Verbleiben zwischen den andern Insel-Kapitalisten zur Verteilung: P für verbrauchte Produktionsmittel – zurückbehalten von den Prod.mittelproduzenten für sie selbst (die für die Lebensmittelproduzenten sind schon weg), und m für Mehrprodukt, welches sich teilt in mkk= Kapitalistenkonsum und mak= Akkumulationsressourcen (zusätzliche Lebensmittel, aber die sind schon raus, und zusätzliche Produktionsmittel). Die mkk- und mak-Betriebe werden beliefert aus den Mehrprodukten von Prod-mittel- und (bereits vorab besprochen) Arbeiter-Lebensmittel-Betrieben. Sie behalten sich jeweils ein kleines mehrprodukt für ihren eignen Konsum bzw Akkumulatioon hurück bzw tauschen es gegen das jeweilige Pendant der andern aus.
Von Robotern war nicht die Rede.
—————————————————————
Sämtliche Güterbewegungen zwischen den Betrieben lassen sich erstmal darstellen als Produktflüsse, die dafür sorgen, dass nirgendwo Stockungen entstehen und die technischen Anforderungen in der Zusammensetzung der Produktionsmittel bzw dazu gehörenden Arbeitseinsätze gewahrt bleiben. Dazu gehören bestimmte Preise, wenn keine Ungleichgewichte entstehen sollen. Normalerweise wird sowas, bei vielen Kapitalisten (dazu gehört auch: Kredit, Reservefonds – nie ist ja die Kostenkalkulation so auf Kante genäht wie in den Modellen), durch „Schweinezyklen“ reguliert – also durch vorübergehende Angebotssenkungen bei „unhaltbar“ niedrigen Preisen und oder übermässigen Angebotssteigerungen (später dann Überproduktion, Verlust bis Pleite einzelner, vorübergehend) bei „zu hoch gewordenen“ Preisen (Preise, die sich wiederum in einem derart kurz-geschlossenen System von Anbietern wie im Modell auch direkt fortsetzen würden und zu ihren Urhebern als gestiegene Kost zurückführen würden).

Solche ausgleichbaren Schwankungen von Preisen und Angebots- wie Nachfragemengen, die um „optimale“ Werte, uU auch neue solche Werte nach Produktivität-Erhöhungen und/oder Knapperwerden nicht vermehrbarer Güter, pendeln, sind zu unterscheiden von dauerhaften Tendenzen des Systems, von seinen Optimalzuständen sich zu entfernen und zu entgleisen, eben nicht zu „funktionieren“. Gibt es eine solche Tendenz? Das ist hier die Frage.

10. Mai 2014
OK mesrine, was lernen wir daraus? Ich meine, das folgende:

1. „Wachstum“ limitiert sich immer fürs erste selbst – es wird NICHT exponentiell, sondern die Wachstumsrate (Profitrate) sinkt auch sehr schnell – weil eben Input-Güter existieren, hier die Arbeiterzahl, die im System nicht oder nicht so schnell vermehrt werden können.
((Folge: Die Besitzer dieser Güter können Preis- in diesem Fall Lohnerhöhungen durchsetzen; was nicht immer, aber oft bedeutet: Dass sie das Angebot wieder ausdehnen können (zB mehr Kinder aufziehen; mit aufwendigeren Fördermethoden schlechter zugängliche Lagerstätten von Rohstoffen erschliessen usw). Dann geht das Wachstum, verlangsamt, durchaus weiter. Nicht zu vergessen dabei ist: Die Kapitalisten werden meist nicht zahlreicher – ihr (langsamer, aber sehr wohl ständig wachsender) Reichtum verteilt sich also nicht auf immer mehr Personen; die MASSE ihres verfügbaren Vermögens ist bereits ziemlich gross… Anders verhält es sich mit dem Staatskonsum, der durchaus mit der Menge der Bevölkerung anwachsen kann.))

2. Der Knappheit infolge Erschöpfung von begrenzten Kapazitäten aller Art entgegen wirken technische Innovationen, die zu Einsparungen in grossem Stil führen (dadurch Verbilligung der limitierten Güter, Wachstumsbeschleunigung bzw. Erschliessung von noch mehr Einsparpotential). Einen ähnlichen Effekt haben die Skalenvorteile im Rahmen von Wachstum.

3. Die Kostensenkungs- und Einspar-Strategie verweist auf ein ganz anderes Wachstumsmotiv als das von dir oben angegebene (hier die vielleicht schwerwiegendste aller Differenzen zu dir und den Annahmen, die du deinen Modellen zugrundelegst):

mesrine schrieb:
2)
Aber erst mal ein grundlegender Gedanke zum „normalen“ Kapitalismus:
Alle Produktionsmittel, die alle Kapitalisten (auf lange Zeit betrachtet) herstellen lassen, dienen doch _nur_ dazu alle Konsumgüter herzustellen, die alle Arbeiter und alle Kapitalisten verbrauchen, wobei der Kapitalist seine Konsumgüter bekommt, ohne dafür gearbeitet haben zu müssen.
Ist das richtig?

Nein, mesrine, das ist, glaube ich, so ziemlich das Gegenteil dessen, was den funktionierenden Kapitalismus ausmacht: Dort ist nämlich Einsparung und Innovation zur Erzeugung von immer mehr Einsparung usw SELBSTZWECK: Produktionsmittel (Kapital) werden immer produktiver gemacht, um immer produktivere solche herzustellen. Die Abnehmer dabei sind Kapitalisten, und in je grösserem Stil sie diese Art Fortschrittsspirale vorantreiben können, desto kapitalistischer gehts zu in einer Wirtschaft. Konsum… ist da letztlich Abzug von Investitionen: Löhne stören, Sozialfälle stören, Natur stört, Staatskonsum stört, sogar Dividenden nud Zinsen stören – und darum soll all das am besten auf ein absolutes Minimum begrenzt werden…

Willkommen also im realen Kapitalismus, mesrine. Und WIE der funktioniert!

mesrine:
Ich verstehe deine Argumentation überhaupt nicht:
Warum werden denn Produktionsmittel überhaupt gebaut, wenn sie nicht irgendwann
in Konsumgütern (die für Kapitalisten und Arbeiter hergestellt werden) „aufgehen“?
Die Produktionsmittel sind irgendwann verschlissen und haben ihren Sinn dadurch gehabt,
daß sie zur Herstellung von Konsumgütern notwendig waren.
Produktionsmittel haben doch keinen Selbstzweck!
Wenn der Kapitalist die Produktionsmittel nicht benötigen würde, um Konsumgüter herzustellen, wäre er ein „dummer“ Kapitalist, denn sein Konkurrent würde diese Konsumgüter dann billiger, ohne vorher Produktionsmittel zu erzeugen, herstellen.

mfg
mesrine

10. Mai 2014
Nun, mesrine, eben weil alle Kapitalisten miteinander um Nachfrage konkurrieren und dabei Produktionsmittel benötigen, ist deren Verbilligung (durch produktivere Produktionsmittel) so ein lukratives Geschäft. Natürlich wird auch die Konsumgüter-Produktion immer billiger (dank immer produktiverer Produktionsmittel), schon richtig – auch sie ist schliesslich ein Geschäftszweig mit jeder Menge Konkurrenz. Bloss… so richtig bei sich selbst sind die Kapitalisten eben, wenn sie diesen Innovations-Zirkel auf Kosten aller andern Produkte ausweiten können. Je anspruchsvoller sie dabei werden, desto schneller stossen sie freilich an Grenzen -ua. Mangel an höchst-qualifizierten Arbeitskräften, die würden sie am liebsten auch noch in eigener Regie produzieren, grad so wie sie sie brauchen – wenn sie nur wüssten, wen und wieviel sie übermorgen brauchen werden…

Viele Menschen, die Marx gelesen haben, nennen das: Entfesselung der Produktivkräfte.
Und… im Prinzip haben sie gegen diese „Dummheit“ wenig einzuwenden (ausser, dass immer grössere Teile der Bevölkerung vom Produktionsprozess und damit ihrer einzigen Einkommensquelle, der Lohnarbeit, ausgeschlossen sind; hingegen der Reichtum der Gesellschaft und seine Verwendung von immer kleineren Teilen der Bevölkerung kontrolliert wird. Ob sich das bei Übernahme einer ausser Rand und Band geratenen Technologie durch die Bevölkerung ändern lässt, ist sehr die Frage… (vgl. dazu diese und die folgende Überlegung zu „Vollautomatisierung“ in meinem Blog…).

Ich, um das kurz anzudeuten, habe beim realen Kapitalismus einen ganz anderen Verdacht. Ich glaube, dass seine Befürworter diese ganzen Dummheiten (vgl. Selbstzweck usw) sehr wohl begehen wollen, und es ihnen sehr ernst damit ist. Nur… dass sie (ob zum Guten oder Schlechten, lass ich dahingestellt) dieses ihr Ziel nur mit solch einem wahnwitzigen Verschleiss an Ressourcen, natürlichen, menschlichen, technischen, verfolgen knnen… dass sie sich ihm nur um Grössenordnungen langsamer, und dafür um Grössenordnungen „krisenhafter“ nähern können, als sie es sich immer wieder erhoffen. Das erschüttert sie aber nicht. Denn es gibt ja nirgendwo eine Anschauung, die zeigt, dass „es“ auch rationeller ginge; die Behauptung, das dies das beste aller „Systeme“ ist, ist unwiderlegbar. Zum andern… steht die Zielsetzung, der dies mörderische Verschleiss-Geschehen dient, VÖLLIG ausser Frage, sie heisst: Fortschritt, gemeint ist: technologischer.
Generation für Generation soll sich DAFÜR opfern, so das Konzept; nur so lässt sich Sinn und erfülltes Leben (durch aktive Teilhabe an der Fortschritts-Spirale) denken. Und das, mesrine, ist MEHR als bloss ein Vergesellschaftungs-Programm – es ist eine Stellung, ein Verhältnis zur Welt, zum Wissen von ihr, und seiner Er- und Verarbeitung. Und das… ist ein ganz eigenes Thema…

12. Mai 2014
mesrine, wenn keine Arbeiter dasind, kann auch nichts zusätzlich in Produktionsmitteln und Löhnen für sie angelegt werden, das hatten wir aber schon. Das gleiche gilt für den Fall, dass keine technologischen Neuerungen verfügbar sind, mit denen produktivere Produktionsmittel hergestellt werden können; oder wenn dafür nötige Rohstoffe fehlen All das sind Ramdbedingungen für mögliches Wachstum, die aus dem wachsenden System heraus nicht erzeugt werden können, deren Begrenztheit also die immanenten Wachstumspotenitale des Systems und damit die Gewinnmöglichkeiten begrenzen. Dann gibt es immer noch die Möglichkeit, dass Kapitalisten ihren Gewinn „verfuttern“ – eine doch recht komfortable Art, auf bessere Zeiten (Beseitigung der genannten Schranken) zu warten. Warum, mesrine, bestehst du so sehr auf den extrem „günstigen“ Annahmen? Schon deine Wachstumsraten sind ja exorbitant hoch, sowas gibts nur in ganz frühen Stadien der kapitalistischen Expansion – man muss sich, umgekehrt, einmal klarmachen, welche Massen an Reichtum in einer fortgeschrittenen Gesellschaft schon bei mickrigen 1% Wachstum erzeugt werden. – Was für dich „Überproduktion“ ist, ist tatsächlich die heute nicht mehr konkurrenzfähige, gestern noch ultramoderne Produktionsweise bzw von ihr erzeugte Waren (die zu dem Preis nicht mehr absetzbar sind). Die betreffenden Warenlager und Produktionsmittel werden „entwertet“ – normalerweise, indem das betreffende Geschäft zwangsweise oder freiwillig „liquidiert“ wird – der Verlust des Investors ist zum Nutzen des Waren-Käufers oder Aufkäufers der Konkursmasse: Entsprechend billig eingekauft, kann das „veraltete“ Material (etwa die Produktionsmittel) sich auf einmal höchst profitabel nutzen lassen.
Gewinn machen ist das ZIEL des Konkurrierens und des kapitalistisch motivierten Produzierens – aber wer sagt denn, dass das Ziel ständig erreicht wird? Es wird nicht dauerhaft verfehlt – das reicht. Realistisch ist dabei das Nebeneinander all der Formen des Anlegens und Nichtanlegens bzw. Entwertens vermeintlicher bzw tatsächlicher Gewinne. Produktionsmittel und deren „autonome“ oder besser „abstrakte“ und „selbstreferentielle“ Höherentwicklung spielen, wie schon behauptet (zB auch hier S.5 oben, Zitat Vockel), dabei eine zentrale Rolle (nebenbei wird genau das („alles wird immer billiger, Anreiz zu ständiger Innovation“) auch zur Legitimation des Kapitalismus angeführt).
Das alles zu modellieren wird natürlich etwas schwieriger…

hajosli:

12. Mai 2014
Kommentar zur Diskussion Marxforum mesrine

Hallo,
in den Beiträgen von mesrine, Kim, Franziska und Wal möchte ich zunächst das Gemeinsame hervorheben.

Gemeinsamkeiten:

Im Gegensatz zu den Vorstellungen in der vorherrschenden heutigen Volkswirtschaftslehre vertretet ihr die Meinung, dass nur durch die Arbeit von Werktätigen Warenwerte hergestellt werden. In der Volkswirtschaftslehre spricht man dagegen von den Faktoren Kapital, Boden und Arbeit. In dieser Hinsicht teilt ihr die Auffassung von Marx, aber auch von den Klassiker (Schmidt, Ricardo usw.). Marx wirft diesen aber vor, dass sie den gesellschaftlichen Charakter der Arbeit nicht in ihren Theorien aufnehmen.

Unterschiede:
Dem Modell von mesrine wird nun vorgehalten, dass in ihm der Mehrwert nicht erscheint. Dies wird bei mesrine vor allem deutlich, wenn er meint Lohnsumme < Preissumme und Franziska dahingehend missversteht, sie meine Lohnsumme = Preissumme. An einer anderen Stelle antwortet er auf Wal, der das marx’sche Modell der „einfachen Reproduktion“ mittels Zitat referiert hat, Die gesamte Lohnsumme beträgt auch 600.000 Euro, einschließlich der 100.000 Euro, die er an sich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer zahlt und die er in Konsum umsetzt. Hier wird klar, dass er den Profit, als der der Mehrwert erscheint (Profit = Einnahmen minus Kosten) als Einkommen des Unternehmers deklariert. Das ist in der Tat die übliche Darstellung der Volkswirtschaftslehre.

So heißt es bei Mankiw in seinem Buch „Grundzüge der Volkswirtschaftslehre“ bei der Darstellung eines einfachen Modells der Volkswirtschaft (S. 22):
Die Haushalte geben Geld aus für den Kauf von Waren und Dienstleistungen von den Unternehmen. Die Unternehmen verwenden diese Einnahmen aus den Güterverkäufen teilweise dazu, um die Produktionsfaktoren zu entlohnen (z.B. Löhne und Gehälter für ihre Arbeitskräfte). Was übrig bleibt, ist der Gewinn des Unternehmers, der selbst auch zum Haushaltssektor gehört. Somit fließen Ausgaben für Güter von den Haushalten zu den Unternehmen und Einkommen in Form von Löhnen, Mieten und Pacht sowie Gewinn von den Unternehmen zu den Haushalten.

Danach wäre auch bei den Arbeiterhaushalten die Differenz aus Einnahmen – hier Lohn – und Ausgaben Profit. Das ist natürlich absurd, weil die Eigentumsverhältnisse an Produktionsmittel und die Situationen der Arbeiter völlig vernachlässigt werden. Man kann das machen, um die Kreislaufverhältnisse in einem Modell darzustellen. Auch Marx schildert implizit in seinem Modell der „einfachen Reproduktion“ einen solchen Kreislauf. Die „einfache Reproduktion“ hat aber die Bedingung, dass der bei der Produktion entstehende Mehrwert von den Produktionsmittelbesitzern (Kapitalist) selbst „konsumiert“ wird. Der Profit als in Geld ausgedrückter Mehrwert fließt an den Kapitalisten, indem er Konsumgüter kauft zurück. Das sind dann aber nicht die in seinem Unternehmen beispielsweise produzierte Schuhe – so viel Schuhe kann er nicht konsumieren! Insofern ist das im Austausch ein gesellschaftlicher Vorgang.

Den Unterschied Eigentümer zu sein oder frei von Produktionsmittel erlebt jeder Arbeiter, wenn er seine Arbeitsfähigkeit verkauft oder in Lohnverhandlungen. Weil Unternehmen um die Profitrate konkurrieren – wer die höchste Profitrate hat, wird überleben – diese aber aus dem Quotienten von Profit zu den Kosten gebildet wird, ist der niedrigst mögliche Lohn für dieses Überleben notwendig. Dies wird auch nicht durch genossenschaftliches Eigentum verändert und mündet dort häufig in Selbstausbeutung.

Vielleicht wird man durch eine betriebliche Sichtweise blind für die Entstehung und Verwendung von Mehrwert. Ein Betrieb schießt Geld vor, um über den Umweg der Warnproduktion und deren Vermarktung schließlich Mehrgeld zu erzielen – den Profit. Es gilt die Formel G – W – G + ∆G.
Wenn für G Kosten steht und für ∆G Profit, stellt sich aus betrieblicher Sicht in der Tat die Frage, woher kommt der Profit. Diese lässt sich beantworten, wenn die Gelddimension verlassen wird. Wie entsteht Mehrwert?
Der arbeitende Mensch ist in der Lage, mehr Werte herzustellen als er zum Leben benötigt. Dazu ein Beispiel, das zugegebenermaßen sehr vereinfachend ist: Ein einzelner Mensch, der von Kartoffeln lebt, kann seinem Kartoffelacker mehr Kartoffeln abringen, als er nötig hat. Besitzt er mehrere Acker, so kann er dort Arbeiter einstellen, die den Acker bewirtschaften und dieses Mehr an Kartoffeln einstreichen, weil er Besitzer ist. Marx hat dies einleuchtend dargestellt, indem er den Arbeitstag eines Arbeiters untersucht.

Er bezieht sich auf die triviale Tatsache, dass Menschen, um zu arbeiten, Arbeitszeit verbrauchen. Ihr 8-Std.-Tag kann z. B. aufgeteilt werden in 3 Std., wofür sie ihren Lohn erhalten. Das entspricht dem variablen Kapital (v) und der Tauschwert der Ware Arbeitskraft. Mit dem Lohn können wiederum Waren für die Wiederherstellung (Restitutions) der Arbeitsfähigkeit gekauft werden. Ein anderer Teil, z.B. 2 Std. dient zur Anschaffung von neuem bzw. verbrauchtem Material. Das ist das verbrauchte konstante Kapital (c). In weiteren 3-Std. wird für den Mehrwert (m) gearbeitet.

Ich habe nun versucht, diese Marx’sche Darstellung mit seiner Begrifflichkeit auf das Modell von Karl zu übertragen. Das Resultat lässt sich hier nachlesen:
hajosli.wordpress.com/2014/05/11/lohnmodell-mesrine/. http://hajosli.wordpress.com/2014/05/11/lohnmodell-mesrine/
In einer intensive Diskussion mit mesrine stellte ich es dort vor, bin aber erst hiermit dazu gekommen, eine Reaktion nachzufragen.

Neben diesen Link-Hinweisen möchte ich auf meine Ausarbeitung über die Arbeitswertlehre von Marx hinweisen:

hajosli.wordpress.com/2014/05/11/arbeitswertlehre/ http://hajosli.wordpress.com/2014/05/11/arbeitswertlehre/

PS Franziska hatte meine Dokument:
hajosli.files.wordpress.com/20…rtlehre-c3bcberarb-ii.pdf http://hajosli.files.wordpress.com/2014/05/modell-arbeitswertlehre-c3bcberarb-ii.pdf
zitiert, dass ich erst gestern rein gestellt habe. Toll. Mit den e-medien bin ich ein wenig unerfahren.

hajosli

12. Mai 2014
Ergänzung **) s.u, 13.5.2014 12.45 Uhr. Kleinere Korrekturen 14.5. 11.00 Uhr
Hallo Hajosli, schön, dass du dich an unsern Klärungsversuchen beteiligst! Was mich anlangt, muss ich mich leider aus der Gemeinsamkeit der Arbeitswert-Theorie-Befürworter ausschliessen – ich habe hier immer bloss „immanent“ (von den Voraussetzungen des besprochenen Textes ausgehend) mitgeredet, aber was die „Warenwerte“ und die Einflussgrössen darauf betrifft, vertrete ich leider sehr abweichende Auffassungen*). Du wirst vielleicht bemerken, dass ich (und so auch Kim) hier immer nur von einem Mehr-PRODUKT spreche und den Ausdruck MehrWERT erstmal vermeide.

*)Einiges davon findest du angedeutet in unserm langen thread zur Arbetswertthweorie , wobei dort gleich mehrere Diskussionsstränge ineinandergewoben sind, und man einige Geduld aufbieten muss, um sich da durchzuarbeiten. Auch in meinem Blog hier im Marx-Forum findest du Andeutungen, speziell in den letzten Beiträgen (motiviert durch die lange Debatte über die AWT), ausserdem eine Kritik der Marxschen Ökonomie auf meiner website. Allerdings sehe ich mich in der Pflicht, alle nötigen Argumente HIER auf den Tisch zu legen, und dann auch was auszuführen, das anderswo von mir schonmal geschrieben wurde.

Bei der Gelegenheit ein Korrekturvorschlag für deine Darstellung des Arbeitstages bei Marx: Für die Reproduktion des dabei verbrauchten „c“ wird dort, unter modern-kapitalistischen Bedingungen, nicht eigens gearbeitet, den Wert des während des Arbeitstages verbrauchten c aufs Produkt zu übertragen, sei vielmehr, sagt Marx, kostenlose Nebenleistung der Arbeit; der Arbeitstag ALLER Arbeiter setzt sich also nur zusammen aus notwendiger (zum Ersatz der Reproduktionskosten, bei Marx natürlich gemessen in Zeit der Verausgabung abstrakter ges.notw. Arbeit) und Mehrarbeit (erzwungen durch die Konkurrenzsituation der von den Produktionsmitteln Ausgeschlossenen, wie du oben zurecht betonst). Die (Re)Produktion von v-Gütern LM (Lebensmitteln, umgesetzt in Arbeitsfähigkeit) und c-Gütern PM (Produktionsmitteln) für die GESAMTE Gesellschaft geschieht arbeitsteilig, unter Verbrauch von PM (Rohmaterial etc, Maschinen-Verschleiss) und LM, in den entsprechenden kapitalistisch betriebenen Zweigen dieser Reproduktion.

Anders als in vormodernen Verhältnissen (wo wirklich mal die eigenen PM herzustellen waren in einem Teil der Gesamtarbeitszeit; das wird von Marx zu Vergleichszwecken, in den „Grundrissen“, glaube ich, vorgerechnet) treten die Kapitalisten dieser Geschäftszweige in jede Produktionsperiode mit einem schönen Bestand an modernen Produktionsmitteln (sowohl für Konsumgüter- als auch Prod.mittel-Herstellung) ein, die nicht mehr zu produzieren sind. Die Arbeiter der LM-Branche produzieren damit dann höchst produktiv in ihrer notwendigen Arbeitszeit die Lebensmittel für die Arbeiter der PM-Branche mit, letztere in IHRER notwendigen Arbeitszeit die (Ersatz)PM für die Lebensmittelbranche.

((Das KÖNNTE man, wenn man unbedingt will, anschliessend SO ausdrücken (es ist aber eher irreführend):
Der „Gesamtarbeiter“ oder der Durchschnittsarbeiter (dessen Pensum= Gesamtarbeitszeit/Arbeiteranzahl bei gleichem Arbeitstag in allen Branchen) produziert in einem Teil seiner notwendigen Arbeitszeit Lebensmittel, und in einem andern reproduziert er ausgefallene Produktionsmittel – noch immer ganz so wie Marx‘ vormoderner Selbstversorger aus den Grundrissen. Die (fiktiven) Verhältnisse der Anteile am Einzelarbeitstag entsprächen dem Verhältnis der je in den beiden Branchen beschäftigten Arbeiter.))**)

Der Austausch zwischen beiden ist, glaube ich, von dir, hajosli, sogar eingehend erörtert worden, ich überleg mir, ob ich darauf nochmal zurückkomme. Etwa im Zusammenhang mit „prämonetär“ und „monetär“ (und der Erklärung von Geld und Preisen bzw. dessen, was sie an Real-Bewegungen, -Verhältnissen, -Eigenschaften, -Transaktionen darstellen (sollen) – in Kategorien, die Geld und Preise nicht bereits voraussetzen. Diese Erklärung (man könnte sagen: eine „Werttheorie“) halte ich allerdings für äusserst notwendig, und das Fehlen von Klarheit in diesem Punkt für ziemlich katastrophal: Darin bin ich also eher klassisch „prä-“ eingestellt… Nur dass ich am Ende keine Ökonomie herauskommen sehe, sondern… wenn ich recht habe… was ganz andres…)

**) Um die gesamte v-(Arbeit(skraft)) der Gesellschaft zu (re)produzieren, ist nicht Verausgabung der Gesamtheit dieses v erforderlich (es kann etwas von ihm bzw seinem Produkt an die PM-Arbeiter abgegeben werden); ebensowenig ist das gesamte PM-Ersatz-c (die dafür nötige Arbeitszeit) nötig, um das gesamte PM-Ersatz-c der Gesellschaft zu produzieren (es kann etwas zum Ersatz der PM im LM-Sektor abgegeben werden bzw dafür aufgewandt werden).
Das Gesamtprodukt der Gesellschaft (ohne m) ist v+c bzw die von der Gesellschaft (der Arbeiter) aufgewandte Gesamtarbeitszeit ist v+c (das BIP, noch ohne m).
Tatsächlich ist aber v=vLM+cLM und c=vPM+cPM, und wegen vPM=cLM gilt auch: v=vLM+vPM und c=cLM+cPM
zb
vLM 0,1
cLM 0,1
vPM 0,1
cPM 0,7
In diesem Zahlenbeispiel sind die technischen Bedingungen versteckt (ua die, auf die Marx durch den vergleich mit dem vormodernen Selbstversorger anspielte), unter denen ausgedehnte Industrieproduktion möglich wird: Der Eigenbedarf der Lebensmittelproduzenten ist relativ gering, es sind wenig Arbeitskräfte dort beschäftigt, die Herstellung ihrer Produktionsmittel ist ebenfalls sehr produktiv, schliesslich ist die gesamte Lebensmittelproduktion sehr produktiv, 1 Lebensmittel-Arbeiter ernährt sich selbst und zugleich 4 Industriearbeiter (0,1+0,1 vs 0,1+0,7).
Es wird aber auch deutlich, wie anspruchsvoll die Bedingung der Tauschbeziehung (vPM=cLM oder „Gleich-Wertigkeit“ von vPM und cLM) zwischen den Sektoren ist: Die Deckung des „Bedarfs“ des LM-Sektors nach produktiven PM hängt ab vom LM-Bedarf, letztlich der Arbeitsintensität der Industrie. In der Anfangszeit der industriellen Agrarwirtschaft noch unproduktiv produzierte LMl limitieren aber das Wachstum der Industrie, und damit sich selbst. Entscheidend ist der Produktivitätszuwachs in der Industrie, und die flächendeckende Mechanisierung der Lebensmittelproduktion. Damit nähern sich die Zahlenverhältnisse denen des Beispiels (zumindest, was die Produktivität des Agrarsektors angeht: so waren in etwa die Verhältnisse in Deutschland 1900).
—————————————————————————————————-
Eine kleine Anmerkung noch, vielleicht auch aus Anlass der an sich guten und robusten Intervention vom Wal oben:
Zur Kritik des Kapitalismus ist der ganze Aufwand, ihn zu verstehen, nicht unbedingt erforderlich – man kann also schon mal fragen, wofür Leute mit Interesse an Lohnarbeiter-Emanzipation sich darüber so sehr den Kopf zerbrechen sollten.
Das Dumme bei solchen Fragen ist, dass man die Berechtigung der einen oder andern Antwort erst abschliessend beurteilen kann, wenn man sich den Kopf schon zerbrochen hat. Das ist schon auch ein bisschen zum Verzweifeln…

20. Mai 2014
mesrine, dir muss das ZENTRALMOTIV der kapitalistischen Moderne persönlich vollkommen fremd sein, wenn du dich so hartnäckig weigerst, es in deinen Modellen einmal in Erwägung zu ziehen: Abstraktes Reichtums-Wachstum – zu keinem bestimmten Zweck, ausser MEHR zu werden. Bloss… dass sich dahinter (die Freunde des Kapitalismus hören nicht auf, es zu betonen) ein ständiges Mehr an (zahlungsfähig nachgefragten) Gütern, vor allem an produktiver Güterproduktion, verbirgt. Für den Fall, dass du das „Leck“ für die „Luxuskonsumtion“ nicht siehst, dessentwegen selbst im grösste Reichtum noch immer von allem viel zu wenig da ist, sage ich mal das Stichwort: STAATSKONSUM. Da ist auch mitten im funktionierenden Kapitalismus derart viel Reparatur- und Regelungsbedarf, soviel auch allein schon an kapitalistischem Rechnungs-, Verwaltungs-, Kommunikations- und Verkehrswesen (hier mehr im Sinne des Handels mit allem möglichen), dass der Gedanke an „Überproduktion“ nicht so schnell aufkommt. Um die, nebenbei, gehts ja auch nicht, sondern um solche Produkte, deren Preise für die Zahlungsfähigkeit und/oder -bereitschaft möglicher Käufer zu hoch sind (beides muss zusammenkommen, damit es Käufer gibt).
Wat hat sich hinsichtlich der spezifischen Krisenursachen, die der Forums-Namenspatron benannt hat, zurückgehalten, auch hier (nach den andern höchst nötigen Stichworten: abstraktes (auf sich selbst bezogenes) Produktivitätswachstum, Finanzierung von kapitalistischem Rechnungs- und Transaktionswesen sowie der Staatsausgaben) nur ein Stichwort: das KREDITWESEN. Nicht dass das Kreditegeben zur Ursache der Krisen erklärt werden soll (obschon es für „normalen“ Kapitalismus unerlässlich ist), will ich damit sagen; bloss, dass am ständigen (und oft unerwarteten) Pleitegehen und Liquidieren von vormals florierenden Geschäften abgelesen werden kann, dass es beim ständigen „Mehr“ in erster Linie noch nicht um die Luxusdampfer (wenn solche, dann eher um die Flugzeugträger) geht, sondern um die nackte (Weiter)Existenz und den Erhalt des Kapitals. Der wahre Lohn des „Rattenrennens“ namens Konkurrenz ist, weiter daran beteiligt sein zu dürfen.
Füg mal DIESE Motive in dein Modell (deinen Begriff) von Kapitalismus ein… dann kommst du der Realität schon näher, meine ich. Und auch der Tatsache, DASS das „funktioniert“, naja, in SEINEM Sinne zumindest…
((Wat hat schon recht: Kapitalismus gibts nur ganz oder garnicht. Und darum IST auch seine Definition (sein „Wesen“, das, was all seinen Abwandlungen im Kern gemeinsam ist) ohne die genannten Elemente unvollständig. Warum es das ist (und sie von mehr als bloss peripherer Bedeutung sind), müsste genauere Analyse zeigen. Beim Analysieren muss man sich immer den (angeblichen) Einstein-Spruch vor Augen halten: Mach die Erklärung so einfach wie möglich. Aber nicht einfacher.))

mesrine:

20. Mai 2014
Hallo Franziska,
1)
mittlerweile frage ich mich, wie der Kapitalismus überhaupt noch funktionieren kann, wenn die Regelung so schlecht ist. Deswegen das folgende Beispiel:

2)
Betrachte wieder mein letztes Beispiel.
Ich will dort bewußt den Staatskonsum weglassen (d.h. den Staat als Wirtschaftsakteur entfernen) und dann dieses Gedankenexperiment verwenden:
Wenn die Unternehmer Unternehmerluxusartikel produzieren (die Arbeiter kaufen von ihrem Lohn die für sie lebensnotwendigen Produkte) und die Produktivität immer mehr steigt, wird es einen Zeitpunkt geben, wo die Unternehmer mehr produzieren, als sie konsumieren können. Dies ist der Zeitpunkt, ab dem die Unternehmer nicht mehr _alle_ Unternehmerluxusartikel aller Unternehmer aufkaufen wollen.
Selbst wenn einzelne Unternehmer dann wieder (zur Überbrückung) Investitionsgüter herstellen, sind diese doch auch nur dazu da spätere Unternehmerluxusartikel herzustellen (in diesen aufzugehen). D.h. es müsste Überproduktion geben.
Ist deswegen Staatskonsum eine notwendige Bedingung für einen „krisenfreieren“ Kapitalismus, der nicht sofort (nach ein paar Produktionsperioden) chaotisch wird (in eine Krise stürzt)

Mit freundlichen Grüßen
mesrine

20. Mai 2014+1
Ja aber lieber mesrine, genau das ist ja die (immer verzweifelter verteidigte) politische Lebenslüge oder eben Zentral-Legitimation aller echten Kapitalismusfans (einer verschwindenden Minderheit der Bevölkerung, auch wenn sie zahlreicher sein mögen als wir Kapitalismus-Kritiker): Dass der ganze monströse Riesen-Produktionsorganismus einer modern-arbeitsteiligen Gesellschaft sich von Privatsubjekten, die ohne Absprache einzig IHREN Produktionsbetrieb gestalten können, mit den Mitteln, die sie dort (naja, mithilfe der angestellten Lohnarbeiter) „erwirtschaften“, nur mithilfe von Preisen und „Angebot und Nachfrage“ „steuern“ liesse: Keine Ungleichgewichte (oder wenn, dann korrigieren die sich aber auf der Stelle selbst); keine Stockungen, Fehlallokationen, verfehlte Fortschrittsoptionen usw. – und das alles, ohne dass jemand sich darum wirklich kümmern müsste. (Naja, die Rahmenbedingungen müssen stimmen… und sind bisweilen recht anspruchsvoll… dafür ist der Staat zuständig, genau da, wos einem passt, aus allem andern soll er sich raushalten).
Aber das nur am Rande.
Denn du beharrst weiter darauf, dass das Investieren bloss ein Aufschub des Konsumierens (etwa der Kapitalisten, also deren Luxuskonsum) sein kann.
Mesrine, erinnere dich doch mal an folgendes: „Leben“ und womöglich GUT leben also luxuriös, wollen Kapitalisten immer nur von Erträgen. Deren Grundlage aber ist ihr Kapital. Ihre Erträge wachsen aber doch nur mit diesem Kapital. Darum ist man kein Kapitalist mehr, im Mass, wie man sein Kapital verzehrt also aufzehrt und vernichtet. Worin aber besteht denn das Kapital im wesentlichen? Worin besteht das, was dies Kapital vermehrt? Worin anders als Produktionsmitteln? Klar hängt da noch mancherlei andres dran – aber DAS ist der Kern: Kapitalvermehrung mithilfe von Kapital; auf technisch: vorhandene Produktionsmittel werden mithilfe von vorhandenen Produktionsmitteln (also ihnen selber) vermehrt bzw. produktiver gemacht. Und das hört eben nie auf, schon allein, weil aufhören und stillstehen zurückfallen bedeutet – und bald sind die schönsten Produktionsmittel nur noch Ramsch und Konkursmasse (s.o.). Die spinnen also nicht, die Kapitalisten – die tun, was ihnen ihr Vergesellschaftungssystem namens „Konkurrenz“ zwingend als Pflicht (gegen sich selbst, aber auch aus Verantwortung für die „Arbeitsplätze“) auferlegt. Und dass sie ganz am Rand noch was für sich selbst (oder zB die Investoren, die das Sparvermögen der Gesellschaft verwalten; die haben wir bisher noch vergessen) abzweigen, das ist zu vernachlässigen. Es geht schliesslich… ums schiere Überleben.
Das mit dem Chaos und der Krise hat einen anderen Grund (und „überproduziert“ ist trivialer- wie irreführenderweise jedes grad konkurrenz-unfähig gewordene „Kapital“ (noch nicht mal echtes Kapital ist es mehr):
Kein Manager kann dauerhaft vorhersehen, bei welchem Preis er wieviel von seinem Zeug absetzt; jede Erfahrung, die er dabei auch bei sorgfältigstem Starren auf eigne Verkaufsstatistiken und die der Konkurrenz (soweit die ihn das mitkriegen lässt) macht, kann jeden Moment fast buchstäblich entwertet sein. Alles kann sich jederzeit völlig anders darstellen. Das gilt für die Stufenleiter der Produktion: Wo soll man sie ausweiten? Wo zurückfahren? Wo zugunsten des Umsatzes die Preise senken? Wo das Umgekehrte tun? Und es gilt für jede Innovation und Investition dafür: Welche Produktionszweige sollte man ganz aufgeben? Was sollte man anzubieten oder allererst zu entwickeln versuchen, was könnte sich lohnen? Niemand weiss es. Nichtmal die Risikokapital-Geber, nichtmal die Banken, die Kredite vergeben. Was immer aber sich an Misserfolg oder Schwierigkeit alias „vorübergehender Liquiditätsengpass“ in diesem Tohuwabohu einstellt, lässt sich, zumindest vorübergehend, mit ein BISSCHEN Mehrkapital alias Kredit heilen und wiedergutmachen. Oder auch ein bisschen mehr Mehrkapital (wenn mans denn kriegt). So ist es nun mal, wenn man Lotterie spielt und Verluste wieder reinholen will – durch genau das, was zu Verlusten geführt hat. Irgendwann ist der Kredit erschpft. Und dann ist Krise. – Wer dann (als Unternehmen) noch zahlen kann (und was auf dem Konto hat), kann dann auf Einkaufstour gehen, und passende Bankrott-Betriebe zum Billig-(Investitions)Preis aufkaufen. Dann lohnt selbst dort auf einmal wieder vieles… Was so nicht überlebt, wird zugemacht. Für echte Kapitalismusfans ist dieses kostspielige Umkreisen des „optimalen Wachstumspfades“ das absolute Nonplusultra: Wie toll doch die Selbstreinigungskräfte des Marktes funktionieren. Sie vergessen dabei bloss:
Dass (so wie Gott, dieser Helfer in lauter Nöten, die er als Allmächtiger auch gleich hätte unterbinden können) exakt dieser wunderbare Markt die Anwendung solcher „Kräfte“ allererst nötig macht.

mesrine:
1)
Die Produktionsmittel sind immer (unsichtbarer) Teil der Konsumware, sozusagen in ihr aufgegangen. Der Kapitalist hofft, alle von „ihm“ produzierte Konsumware zu verkaufen und damit seinen Profit zu realisieren. Die Produktionsmittel sind nur Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck (am liebsten wäre ihm er bräuchte keine).
Der Kapitalist, der diese Konsumwaren abkauft und sie nicht alle konsumieren kann, hat ein Problem mit den nicht konsumierten Konsumwaren:
Wenn sie verderblich sind, gehen sie kaputt. Sie müssten also langlebig sein z.B. Häuser, Gold, usw.)
Aber auch langlebige Konsumwaren verlieren an Wert:
Wenn er z.B. immer Gold kauft und deshalb viel Gold produziert wird, verlieren diese langlebigen Konsumwaren auch an Wert.
Der so modellierte Kapitalismus funktioniert also nicht, weil er in einer Dauerkrise mündet.

2)
Deswegen braucht man meiner Meinung nach den Staat als wirtschaftlicher Akteur:
Der Kapitalist muß jetzt nicht notwendig Konsumware für andere Kapitalisten herstellen
(die diese nicht alle „verfressen“ und „versaufen“ können), sondern Ware, die garantiert
vom Staat als wirtschaftlicher Akteur verkonsumiert wird (Eisenbahnen, Busse, Autos, Brücken, usw.),
Woher bekommt der Staat dieses Kapital, mit der er diese Waren kaufen kann?
Er holt sich dazu einen Teil (als Steuern) von den Kapitalisten.
Er kann damit aber auch nicht alle von den Kapitalisten erzeugten Waren abkaufen, da dann die Steuern so hoch wären, daß die Unternehmen keinen Profit mehr machen würden.
Also kauft der Staat den Rest der von den Kapitalisten erzeugten Waren durch Aufnahme
von Staatsschulden.
Dieses so modellierte System funktioniert also nur durch die Staatsschulden.
Siehe auch die Beschreibung von Hajosli (wenn ich dies richtig verstanden habe)
hajosli.files.wordpress.com/20…krisekurzkommentarneu.pdf

mfg
mesrine

22. Mai 2014
Man muss mesrine fast dankbar sein, dass er einen zwingt, hier ganz schulmässig die fundamentalsten Wahrheiten über Kapitalismus, naja zumindest solche aus meiner Sicht, auszusprechen. Allerdings scheinen etliche dieser Wahrheiten mesrine so fremdartig, dass es zwei Anläufe braucht, um sie ihm nahezubringen. Aber.. man kann die Wahrheit ja nicht oft genug sagen.

Das Wachstum der Gewinne, so argumentiert mesrine zurecht, kann nicht ewig weitergehen, wenn Konsum, wessen immer, das ZIEL wäre: noch die irrsten Konsumwünsche, zumindest Einzelner (die Masse der Bevölkerung soll ja in diesem „Modell“ aussen vor bleiben), sind irgendwann befriedigt. Wäre Luxus-Konsumieren Bedingung dafür, dass Gewinnemachen geht, dann wäre es wohl limitiert.

Mesrine hat freilich den Gedanken mit den Erträgen oben bislang nicht so recht gewürdigt. Denn diese Idee verkörpert etwas durchaus Anspruchsvolleres, als der Einwand mit den befriedigten Luxuswünschen vermuten lässt.

Da sitzt also jemand und versucht, seine grössenwahnsinnigen Projekte zu realisieren, dafür presst er den grösstmöglichen Überschuss aus den ihm verfügbaren Ressourcen, hier wesentlich Arbeitskräften, heraus: Für den Bau von Pyramiden, Domen, Prunkschlössern, oder auch Kriegführen. Genau das ist der klassische Standpunkt vormoderner Potentaten. Sie müssen die jeweiligen Gesellschaften und deren Reproduktionsvoraussetzungen schon ziemlich unter Druck setzen, um ihre ausserordentlichen Pläne zu verwirklichen. Meist bedeutet das: Überforderung, Überdehnung des Potentials, und am Ende Zusammenbruch. The possibilities aren’t infinite yet, in vormodernen Zeiten…

In solchen Zeiten leben wir nun aber nicht mehr. Der Anspruch, den der moderne Kapitalismus mit seiner Gewinn-Kategorie verkörpert, ist um Grössenordnungen verstiegener als jedes Despotenprojekt, denn…
erstens… geht es dabei nicht um vorübergehende Zielsetzungen. Das Zusatz-Einkommen, das durch Akkumulation ermöglicht wird, soll auf Dauer gestellt sein. Darum scheint es ja auch irgendwann jeden noch so grössenwahnsinnigen Wunsch zu überschreiten. Aber…
zweitens …: Es ist eben garnicht berechnet auf jemals abschliessbare Projekte. Der Wahnwitz des alten Fujitsu-Werbespruchs (ähnlich das berühmte „nichts ist unmöglich“ von Toyota) bringt es auf den Punkt, es geht ausschliesslich um „possibilities“, die Möglichkeit und Fähigkeit, zu tun, was man will; nicht bestimmtes, nur eben ALLES überhaupt Denkbare. Erst Einfaches… und dann immer Komplizierteres.
Dieses Allmachts-Ideal stösst, wie seit längerem bekannt, an „Grenzen des Wachstums“. Es sind nicht Ziele, die es limitieren, sondern naturgegebene Voraussetzungen, die mit Mitteln des Systems (SOWEIT dies der Fall ist) nicht günstiger zu gestalten sind. Um sich von diesen Grenzen, nach jeder Annäherung (durch „Wachstum“) an sie, wieder zu entfernen, gibt es in der Moderne ein Mittel, es heisst: Erhöhung der Produktivität. Nicht von dem oder jenem – alles steht ja ohnehin mit allem in Beziehung – , vielmehr von allem, jederzeit, so schnell wie möglich. SO werden die Grenzen überschritten – indem man sie nicht überschreiten muss. Und der Allmachtsplan darf weiter verfolgt werden…

Und weil das so erwünscht ist, darum finden die Kapitalismus-Freunde das Konkurrieren auch so grossartig: Es gibt ja keinen stärkeren Antrieb, als um die schiere Existenz, heisst in dem Fall: den Erhalt der eigenen Einkommensquelle, kämpfen zu müssen. Und der Kampf dreht sich nun mal darum (und darum das ewige „Rattenrennen“), ob man so produktiv und billig sein kann wie „die Konkurrenz“. Was aber ist das dafür zu betätigende Mittel? Ersatz poduktiver alter durch NOCH produktivere Produktionsmittel, als die zu ersetzenden. Und natürlich sollen diese Produktionsmittel nicht zu teuer sein… also werden auch sie, GERADE sie, wieder möglichst verbilligt. Womit und wie? Auf dieselbe Weise…
Wenn Kapitalismus bzw Konkurrenz herrscht, als Vergesellschaftungsform, dann kommt sehr wahrscheinlich genau das heraus. Dass man es auch noch für erwünscht hält, dazu muss andres hinzukommen. Dass technischer Fortschritt (in dem oben genannten Sinn von: systematischer Erschliessung und Vorhaltung technischer Fähigkeiten für alle erdenklichen Zwecke) zum Selbstzweck wird, muss er kulturell (und politisch, hier spätestens zB: militärisch) erwünscht sein – nur dann ist er imstand, dem Resultat der Konkurrenz (der Vermehrung des „abstrakten Reichtums“ namens Kapital) einen legitimierenden Sinn zu geben.

Ich fasse zusammen und merke an:
Die Innovation in Permanenz des Produzierens von Produktionsmitteln mit Produktionsmitteln als Selbstzweck ist also ÖKONOMISCH unter modernen Poduktionsbedingungen Resultat der (kapitalistischen) Konkurrenz; erwünscht ist dies Resultat, derart dass es sie sogar noch (obwohl sie das nicht nötig hat, sie läuft auch ohne das) zusätzlich legitimiert, weil es ein kulturell etabliertes Praxis-Programm umzusetzen hilft, das unmittelbarer Ausdruck des Weltverhältnisses der Moderne ist.
Wie beides, die kapitalistische Vergesellschaftung und dies kulturelle Programm zusammenkommen, ist ein andres Mal zu erklären (die Erklärung wäre eine Alternative zu der von Marx).

mesrine:

23. Mai 2014
Hallo Franziska,
>
>Die Innovation in Permanenz des Produzierens von Produktionsmitteln mit
>Produktionsmitteln als Selbstzweck ist also ÖKONOMISCH unter modernen
> Poduktionsbedingungen Resultat der (kapitalistischen) Konkurrenz;
>
Dieses Denkmodell ist (wenn man keine weiteren Bedingungen voraussetzt) konsistent:
Jeder Kapitalist produziert Produktionsmittel, die von anderen Kapitalisten
aufgekauft werden. Mit diesen Produktionsmitteln werden wieder neue
Produktionsmittel produziert (die alten gehen darin auf),
die die von anderen Kapitalisten aufgekauft werden, usw.

Fragen:
Wo wird dies in der kapitalistischen Praxis gemacht?
Kannst du mir dies konkret an Beispielen beschreiben?
Welches sind konkret die Produktionsmittel, aus denen nicht irgendwann
Konsumgüter gemacht werden?
Gibt es empirische Daten, die über die Menge (in Geldeinheiten) dieser
verschwendeten Produktionsmittel Auskunft geben?

mfg
mesrine

23. Mai 2014
mesrine, ich hatte nicht gesagt, dass JEDER Kapitalist Produktionsmittel produziert – bloss, dass hier ein „innerster Innovations-)Zirkel“ modern-kapitalistischer Produktion existiert, der sich (wenn die Restgesellschaft, vor allem die Lohnabhängigen, das mitmachen) selber antreibt, und (mit den oben von mir genannten Beschränkungen: knappe Kapazitäten, deren Begrenztheit ständig überwindende Innovation) im Prinzip keinerlei externen Begrenzung aufweist – es sei denn bezüglich der Geschwindigkeit,mit der er sich vorwärtsentwickelt. Selbstverständlich zweigt aus diesem Zirkel etwas in die Konsum-Produktion ab – auch Konsumtionsmittel sollen ja immer produktiver hergetellt werden. Umgekehrt verbrauchen auch Arbeiter und Eigentümer in diesem „Zirkel“ Konsumtionsmittel.

Vergiss bitte nicht den Hinweis, mesrine: Der Wettbewerb selbst, der anderweitig so hochgelobte, die Konkurrenz selbst zwingt allen an ihm und ihr Beteiligten diesen rasenden Innovationstrieb auf – man weiss nie, was die andern machen, man weiss nie, was am Markt passiert – und es geht IMMER und jederzeit um die EXISTENZ. Also nicht um ein irres Fortschrittsideal, das sich die Beteiligten in den Kopf gesetzt haben. DAS haben allenfalls jene, die für Legitimation dieses „Systems“ als maximalen Fortschritt auf ihm optimal angemessenen „Fortschrittspfaden“ empfänglich sind.
Ob nun solche Leute dir darin folgen werden, wenn du sagst: der Einsatz von Produktionsmitteln für diesen Zweck „vergeude“ sie… das darf bezweifelt werden.
Die andern… interessiert ohnehin nicht sonderlich, was mit „ihrem“ Produkt geschieht die „abstrahieren“ davon) – Hauptsache, ihr Kapital (die einen) und ihr Arbeitsplatz (die andern) bleiben bestehen, denn ihre (mehr oder weniger gute) Existenz hängt davon ab.

23. Mai 2014
Hallo Franziska,
leider hast du meine konkreten Fragen nicht beantwortet, wie z.B.
Welches sind die Selbstzweck-Produktionsmittel ?
Wie viele Selbstzweck-Produktionsmittel werden hergestellt?
Ich habe darüber keine Vorstellung.

mfg
mesrine

23. Mai 2014
Nun mesrine – genau so abstrakt geht es zu, wie es dir nicht in den Kopf will: Die Verbilligung von EGAL WAS ist das Ziel – das heisst, durch die neue Maschine wird irgendein Kostenfaktor pro Produkteinheit in geringerem Mass verbraucht – heisst: weniger Ausschuss und Abfall, weniger Leerlauf und Stillstand, weniger Arbeit, weniger Energie. Wovon, mesrine, ist man denn in einem kapitalistischen Betrieb besessen – wenn nicht davon: Entweder etwas Besonderes zu produzieren, das niemand sonst anbietet – oder wenn doch, die Mitanbieter im Wettbewerb um Marktanteile zu „schlagen“ – und das geht, spätestens wenn man es mit ebenso hart kalkulierenden Kunden, nämlich andern Betrieben, zu tun hat, normalerweise über ein gnadenlos günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis.

Nochmal, mesrine: Es braucht doch garnicht unterstellt zu werden, dass Produktionsmittel NUR in die Produktionsmittelproduktion eingehen*) – warum sollten sie nicht irgendeinen Effekt haben, der an vielen Stellen genutzt werden kann? Schliesslich geht es allüberall um Anlagen, mit denen grosse Stückzahlen möglichst automatisch hergestellt werden. Aber auch energiesparend… Oder auch mal um Präzisionseffekte… (aber auch die möglichst schnell umgesetzt)… All das brauchst du EGAL WO (s.o.). Es gibt überhaupt nichts, dessen Produktion BILLIGER zu machen sich nicht auszahlen würde – du brauchst halt Kapital (und willige Arbeitskräfte, die den ganzen Terror, der damit verbunden ist, mitmachen).
*) für die Leser meines Blog-Artikels zum Produktionsmodell (den ich somit auch mesrine zur Lektüre anbiete) wird vielleicht deutlich, dass mesrine hier dieselben früh-industriellen Produktionslinien (und nicht -Zirkel) zuu unterstellen scheint, wie ich sie hinter der ökonomischen Theorie von Marx vermute.

Und jeder Verteidiger der bestehenden Verhältnisse wird sich über deine Ausdrucksweise ziemlich verwundern: VERSCHWENDET nennst du es, wenn alles immer billiger gemacht wird? Wie, glaubst du, kam und kommt all die Elektronik unters Volk, wenn nicht an jedem Produktionsschritt ununterbrochen gefeilt wird und alles weg-rationalisiert und weg-investiert wird, das dem Prinzip „Geiz ist geil“ im Wege steht? Und die Elektronik, spätestens in der Produktion von Elektronik, geht auch in Industrie-Roboter und Autos (LKWs inclusive) ein…
Wenn mans genau nimmt, mesrine, können sogar die Investitionen in die Verbilligung des Massenkonsums, also Rationalisierung der Landwirtschaft zB, unter dieser Rubrik abgehandelt werden: Denn das eröffnet Lohnsenkungs-Spielräume, die Leute verhungern nicht, sondern kaufen bei Aldi beinah schon wie die Fürsten ein. Ist DAS nun gut oder schlecht, vergeudet oder nicht?
Die Antwort auf deine Frage lässt sich darum so schwer geben, weil es rein technisch vermutlich überhaupt keine exklusiv Produktionsmittel-produzierenden Produktionsmittel gibt. Der Maschinen- und Anlagenbau, die Elektronik-und chemische Industrie, der Strassen-Fahrzeug-, Flugzeug-, Schiffsbau, die extraktiven Industrien uvam beliefern SOWOHL die Konsumgüter- und Dienstleistungsindustrien (zB Medizintechnik, Grosskücheneinrichtungen…), ALS AUCH alle ihresgleichen. Um die „ihresgleichen“ geht es in meinem „innersten Zirkel“. Um die andern… geht es den Apologeten, den Verteidigern der Errungenschaften des Marktes: Von der ewig sich weiterdrehenden Fortschrittsspirale profitiert das allgemeine Publikum, ständig, erst, indem es Produkte bekommt, die es zuvor überhaupt nicht gab; und bald drauf die so billig, dass fast jeder sie sich (naja mit abnehmender Qualität vielleicht, aber immerhin) leisten kann. Was willst du DAGEGEN sagen, mesrine? Bist du am Ende ein Fortschrittsfeind? Na bitte… Also sag nicht: Was dem Fortschritt dient, ist vergeudet.
Es sei denn… es fallen dir noch ganz andre Argumente ein (und die gibt es, durchaus…)

mesrine:

25. Mai 2014
Hallo Franziska,
1)

franziska schrieb:

Und jeder Verteidiger der bestehenden Verhältnisse wird sich über deine Ausdrucksweise ziemlich verwundern: VERSCHWENDET nennst du es, wenn alles >immer billiger gemacht wird? Wie, glaubst du, kam und kommt all die Elektronik unters Volk, wenn nicht an jedem Produktionsschritt ununterbrochen gefeilt wird und alles weg-rationalisiert und weg-investiert wird, das dem Prinzip „Geiz ist geil“ >im Wege steht?

Ok, das ist das aber „kein Produzieren von Produktionsmitteln mit Produktionsmitteln als Selbstzweck“, sondern eine Produktivitätssteigerung und damit nicht notwendig eine Vergeudung.

2)
Ich hoffe, deine Argumente richtig verstanden zu haben und versuche diese in einem Modell zu verarbeiten.
Ein 2-Kapitalisten Modell auf einer Insel:
Zwecks Vereinfachung können die Konsumgüter auch Produktionsmittel sein (wie z.B. ein Computer zum Spielen als auch zur Herstellung von Robotern benutzt werden kann oder Weizen als Konsum und als Produktionsmittel verwendet werden kann).

Beispiel:
Auf einer Insel gibt es 2 Kapitalisten, wobei alle Arbeiter bei diesen beschäftigt sind.
Kapitalist K1 macht aus (mit Hilfe) Robotern und Arbeitern als Investition Computer.
Die Arbeiter werden wie üblich billig mit Konsumgütern (das sind hier Computer) abgespeist.
Kapitalist K2 macht aus (mit Hilfe) Computern und Arbeitern als Investition Roboter.
Bemerkung:
Damit man einen Kreislauf bekommt sind hier die Computer gleichzeitig auch Produktionsmittel.

Beschreibung:
Der Betrieb jedes Kapitalisten hat einen Input (Geld für Löhne und Produktionsmittel) und einen Output ( Konsumgüter und/oder Produktionsmittel)
Nach Abzug des Unternehmer- und Arbeiterkonsums hat der Kapitalist seinen Input mit der Wachstumsrate r>1 vervielfacht.
Dieser Output an Produktionsmittel wird von einem anderen Kapitalisten gekauft.
Zusammen mit Ausgaben für Löhne ist dies der Input eines anderen Kapitalisten.
Nach Abzug des Unternehmer- und Arbeiterkonsums hat auch dieser Kapitalist seinen Input mit der Wachstumsrate r>1 vervielfacht.
Unter diesen Annahmen würde das Wachstum exponentiell wachsen.
Das würde bedeuten, daß für den gleichen Konsum der Kapitalisten immer mehr Produktionsmittel produziert werden. Irgendwann würde vermutlich diese Sache einem Kapitalisten zu heikel werden und er würde die Produktionsmittel des anderen Kapitalisten nicht mehr kaufen. Das wäre eine Möglichkeit der Krise.
Wenn man jetzt – wie du es machst – noch die Erhöhung der Produktivität voraussetzt, könnte folgendes passieren:
Nach ein paar Prouktionsperioden will ein Kapitalist seinen Betrieb (z.B. die Roboter) „modernisieren“ um damit die „Gewinnrate“ r zu erhöhen.
Das geht aber nur dadurch daß er kurzfristig nicht alle Investitionen (Input von Arbeitern und Produktionsmitteln), sondern nur einen Teil zur Produktion der gleichen (wie bisher) Produktionsmittel verwendet.
Den Rest nutzt er zur Modernisierung seiner Roboter. Dadurch geht seine „Gewinnrate“ kurzfristig zurück (r<1), doch nach der Modernisierung steigt durch die erhöhte Produktivitätssteigerung die „Gewinnrate“ noch stärker als vorher.
Und man hat wieder (siehe oben) eine Möglichkeit der Krise, die nur hinausgeschoben wurde.

mfg
mesrine

26. Mai 2014
Dieser thread spricht, und das ist ja durchaus erfreulich, sehr fundamentale Themen an, die Nebenfolge ist, dass es unmöglich wird, alles gleichzeitig zu beantworten, ohne extrem ausufernd zu werden (das hatten wir auch schon, s. zB. den thread zur Arbeitswerttheorie). Obwohl ich gerne auf Gedanken in Wals letztem Beitrag eingehen würde, konzentriere ich mich – aus dem genannten Grund – erstmal weiter auf die Debatte mit mesrine. (Staatskonsum, Krise, Notwendigkeit der Beschädigung von Lohnabhängigen und Natur sind (Wals) Folgethemen (oben), die korrekt angegangen werden können, wenn wir uns hier – was darum das fundamentalere ist – über die Beschaffenheit des kapitalistischen „Wachstums“ klar und darum einig geworden sind.)

((Nach Abfassung dieer Passage kam hajoslis vortehender Beitrag hinzu. Zumindest diese Äusserung von hajosli führt weit über die Debatte mit den Mesrine-Modellen hinaus und knüpft nicht unmittelbar an sie an. Da sie dennoch als sachlicher Beitrag von hajosli gemeint sein dürfte, schlage ich vor, sie hier zu belassen, aber zugleich eine Kopie davon zur Eröffnung eines neuen threads zu benutzen. Damit hajosli Gelegenheit bekommt, mögliche Verbesserungen an seinem Text selber vorzunehmen und/oder eine Debatte über seinen Beitrag ausserhalb des Kontexts dieses mesrine-threads hier zu verschieben bzw selbst die Form dafür zu wählen, schlage ich vor, dass hajosli einen solchen thread mit dem hier verffentlichten oder einem angemessen abgewandelten selbst eröffnet, falls er das möchte. Alternativ wäre auch an eine Veröffentlichung als Beitrag in einem eigenen Forums-Blog von hajosli zu denken (diese Funktion wird von der Forumssoftware angeboten.)
(Nur als Hinweis: Anderswo in diesem Forum wurden Beiträge vonseiten der Moderatoren in neue threads verschoben, ohne nachzufragen. Ich habe das in diesem Fall anders halten wollen.
Anm an hajosli: Der von dir im voraufgehenden Beitrag gesetzte link „hajosli.wordpress.com/wp-admin…dit&message=6&postpost=v2“ funktioniert nicht, man braucht Admin-rechte dafür. Die Bearbeitungsfunktion für deinen Beitrag öffnet sich, wenn du mit dem Mauszeiger rechts am unteren Ende in deinen Beitrag reingehst.))

Zurück zu mesrine.
Ok, mesrine, jetzt haben wirs doch beinah geschafft, nur einen Schritt weiter noch, und du bist von den Produktionsmitteln, die auch konsumtiv genutzt werden (der Computer ist die moderne Version des Saat- und Nahrungsmittels, zB Weizen), endlich bei den Produktionsmitteln, mit denen man Konsumtions- und Produktionsmittel produzieren kann: Der „selbstbezügliche“ Zirkel der Produktionsmittel wäre dann erstmal geschlossen, und kann sich in Richtung Fortschritt drehen.
Dein Problem, mesrine, würde sich auflösen, wenn die vermutete Verbindung zur Steigerung der Proditrate nicht besteht: Die wird von Innovationen interessanterweise nicht tangiert (allenfalls die INDIVIDUELLE, nicht hingegen die gesellschaftliche).
Dieser Punkt ist von grösster Wichtigkeit, weil die meisten ökonomischen (Wert-)Theorien, also die auf neoklassischer ebenso wie auf Reproduktionskostenbasis (wie die Marxsche, also vollendet-klassische Theorie) operierenden, in diesem Punkt massive Konfusionen aufweisen, die tief in der systematischen Anlage dieser Theorien begründet sind und darum auch nicht leicht korrigiert werden können.

Akkumulation ist die Erweiterung ALLER bestehenden Branchen des aktuellen Reproduktionssystems zu einem ungefähr gleichen Prozentsatz bei ungefähr gleichbleibenden Proportionen in der Aufteilung der jeweiligen Branchenprodukte auf die selben Abnehmer-Branchen wie im zugrundeliegenden Reproduktionssystem. Letzteres ist die Basis des akkumulierten Überschusses, monetär: („durchschnittlichen“, üblichen) Profits, als Bestandteil aller Preise von Waren, die in diesem System (re)produziert werden.
Innovation ist eine aus Bestandteilen des aktuellen Mehrprodukt und zurückfliessenden Anteilen des Reprodukts ermöglichte Neuordnung von mehr oder weniger grossen Produktionsstrecken innerhalb des bestehenden Reproduktionssystems,, sei es zur vergleichsweise produktiveren Produktion in einer Branche, sei es zur Produktion erwünschter, bislang aber so nicht oder nicht mit vertretbarem Aufwand produzierbarer neuer Produkte, die es bisher nicht gab. Dies spielt sich in verschiedensten EINZELBRANCHEN ab, und betrifft, was den Effekt der gestiegenen Produktivität angeht, Reprodukt und Mehrprodukt in gleicher Weise. An der Profitrate wird DADURCH nichts verändert, wohl aber uU die individuellen Profitraten vieler vor- und nachgelagerter Einzelbranchen neu justiert (die Feinanpassung der einzelnen Mehrprodukte an die Abflüsse für Luxus- und Staatskonsum ebenso wie für Akkumulation findet teils über Preis-Schwankungen, teils über Mengenanpassungen statt.) – Innovation vermehrt den sachdienlich-sachlichen Reichtum der Gesellschaft (ihren Nutzen), damit auch ihre Optionen, bei gleichbleibenden Bedürfnissen, die nun stärker abgesättigt sind, sich andern Aufgaben zuzuwenden, unter anderm vielleicht weiteren Innovationen. Es KANN sein, dass sich durch die Eingriffe auch an der gesellschaftlichen Mehrproduktrate, an Art und Zusammensetzung des faktischen Mehrprodukts (den Entnahmen ua) etwas ändert; so wie es sein kann, dass sich Umfang, Art und Zusammensetzung der nicht vermehrungsfähigen Kapazitäten (Rohstoffe, Energie) durch die Verwendung in innovativen Produktionen vieles ändert. (Produktiver im Sinne des Reproduktionssystems produzieren, also mehr Reichtum ohne zusätzliches Wachstum herstellen, KANN bedeuten, dass mehr Rohstoffe und Energie verbraucht wird, es KANN auch sein, dass das alles sparsamer stattfindet, oder Verbrauch einiger Roh-Güter zunimmt, der anderer zurückgeht; Innovativität kann unter beiden Gesichtspunkten lohnend erscheinen.)

Also: Innovation und der innerste, selbst-bezügliche Fortschrittszirkel moderner Industrieproduktion bedeutet nicht quantitatives, sondern vor allem qualitatives Wachstum, Ausweitung technologischer Fähigkeiten der Gesellschaft und insgesamt ihres Reichtums (wem immer der dann zugutekommt). Der Mittel-Verbrauch zugunsten der Entwicklung von technologischen Innovationen greift zwar wahrscheinlich immer auch auf Mehrprodukt-Anteile zurück; aber weder ist er auf ständiges „Wachstum“ in quantitativer Hinsicht angewiesen, noch auf ständigen Mehrverbrauch an Rohmaterial und Energie. Vor allem aber: Der Aufwand für diesen Zweck lässt alle anderen Verbrauchsformen hinter sich. Er allein würde bei weitem ausreichen, um sämtliche „Gewinne“ vollkommen aufzuzehren; nur der Staatskonsum und die nachträgliche Bewältigung (übrigens auch meist mithilfe von Innovationen) der nicht in Kostenkalkulationen berücksichtigten (auch nicht versicherten) Schäden, die modern-kapitalistische Produktion an Mensch und Natur anrichten kann, halten da mit. Und erst an zweiter Stelle folgt der Konsum – der nicht unerhebliche von „Reichen“ (Kapital und seine gewinnträchtige Anlage ist freilich erstmal von der Eigentümerstruktir unabhängig – auch die Unternehmen selbst halten Geld-Vermögen und Beteiligungen, speziell solche der Finanzbranche, Banken, Versicherungen…), die dann auch zB als Mäzene und Stifter fungieren können (was sonst der Staat tut, der sie besteuert), aber ebenso auch der durch Beteiligung der Bevölkerung, auf welchem Wege immer, an der Reichtumsentwicklung der Gesellschaft. Verbilligung vormaliger Luxusprodukte ist dabei nicht der seltenste Weg.
———————-
mesrine… man modelliert, um solche Erwiderungen zu bekommen. Dass es so kommt, ist also beabsichtigt, und kein Einwand gegen das Modellieren, noch gegen die Einwände gegegen Modell-Konstruktionen.
Mein grundsätzlicher Einwand gegen die Anlage speziell DEINER Modelle (also in Wirklichkeit: deiner Vorstellungen und Begriffe von dem, was Kapitalismus im Kern ausmacht) ist, dass du die Gewinnverwendung kontrafaktisch auf Konsum orientiert siehst statt auf technologische Entwicklung (und das aufgrund von Konkurrenz-ZWÄNGEN); dass du die Kostenträchtigkeit der letzteren gnadenlos unterschätzt; und… dass du die GEFÄHRDUNG des Gewinnemachens selbst, die vielfältigen Misserfolge und Fehlallokationen, das Scheitern in der Konkurrenz und die gigantische Verschleuderung von Ressourcen, die allein dadurch entsteht, nicht im Blick hast. Kapitalismus funktioniert… aber anders, als du es beschreibst.
Bitte vergiss auch nicht die folgenden zwei schon angesprochenen Punkte:
a) die angedeutete alternative Krisenerklärung oben – das Unterliegen in der Konkurrenz (in allen ihren Dimensionen: zuviel von so stark nicht Nachgefragtem vergleichsweise zu teuer für die falschen (nicht wie erwartet Zahlungsfähigen) produziert…) wird überdeckt durch Kredit, und sichtbar erst durch die Kreditkontraktion, wenn Anleger ihr Geld retten wollen, und der Erhalt der Zahlungsfähigkeit zum Prüfstein wird, ob man weiter Kapitalbesitzer ist, oder in den Bankrott geht (mit der Folge, dass – zum Schaden für die Gläubiger, die auf ihren Verlusten sitzen bleiben – zu günstigen Erwerbs- und Einstiegspreise das ganze Unternehmen oder Teile davon von Konkurrenten erworben werden können)
b) es gibt sowohl gewinnfinanzierte Nachfrage anderer Profit-Erwirtschafter (also die Nachfrage der „Profiteure“ untereinander, zum wenigsten zu Konsumzwecken; es handelt sich auch um Unternehmen, nicht so sehr Privatpersonen, Eigentümer, „Kapitalisten“), als auch die durch zeitweise an andre als Kredit abgetretene Nachfrage zur Finanzierung von Innovationen, aus deren Ertrag nicht nur die Schuld getilgt, sondern auch der Zins zurückgezahlt werden kann. „Gewinne“ sind nicht die Ursache von Nachfragelücken, „Überproduktion“ und „Zuviel“ gibt es bloss als (vorübergehende, nicht systematische) Erscheinungsform des Konkurrenzmisserfolgs (der allerdings gesellschaftlich mit Fehlallokation von Ressourcen und Verfehlen des LETZTLICH durch alle Misserfolge hindurch sich erfolgreich durchsetzenden „Fortschrittspfads“ (der allerdings auf genau diese Weise nur „ermittelt“ wird) gleichgesetzt werden kann).
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Ich merke an, dass ich mich zu den von mir hier benutzten Kategorien wie Reproduktionssystem, Mehrprodukt, Innovation, nicht vermehrbare Kapazität (Rohstoffe Energie ua), Preis, Wert, Profit, Zins ua. in den letzten Beiträgen in meinem Blog geäussert habe und auch noch weiter äussern möchte.
….

6. Juni 2014
hajosli hat seine Ankündigung wahrgemacht und einen Mail-Kontakt begonnen – sollten sich dort Resultate von mutmasslichem allgemeinem Interesse ergeben, wird das Forum informiert werden.
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Zu mesrine noch zwei verspätete Anmerkungen:
1. Etwas formell, aber nicht ganz zu vernachlässigen ist vielleicht der Hinweis, dass zuviele „Modell“-Vorstellungen konstruiert sind mit Bestandsgrössen, quasi Warenlagern, die geräumt werden müssen. Die Anschauung der Besitzer solcher Lager, und vor allem von Produzenten FÜR diese ihre Lager (vgl. „auf Halde produzieren“ usw) ist aber sehr stark geprägt von Flussgrössen, Geschwindigkeit des Absatzes – darin ist die Möglichkeit von zwischenzeitlichen Preisänderungen als Reaktion auf schleppende Umsätze eingeschlossen. Fristen, die ablaufen und vielleicht verlängert werden könnten, spielen ja auch bei der (Nichtmehr)Kreditgewährung eine grosse Rolle. Im aktuellen thread über die fraglich profitraten-steigernde Funktion von Abschreibungen  http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/332-Abschreibungen-und-ihre-Auswirkung-auf-die-Profitrate/ wurde der Vorteil einer schnellen internen „Abbezahlung“ der langlebigeren Produktionsanlagen ua. damit erklärt, dass quasi die Kriegskasse des Unternehmens gefüllt ist und genug eigene Liquidität (ohne Finanzierungskosten) bereitsteht für zusätzliches Roh- und Hilfsmaterial, Vorprodukte und Arbeitskräfte für den Fall plötzlicher Beschleunigungen des Absatzes. Grundsätzlich ist der Rückfluss des investierten Kapitals immer das Prekäre, und der Warenbestand wird höchst kritisch darauf überprüft, ob er auch schnell genug zu den Kunden abfliesst, und dabei die Preis/Mengen-Vorstellungen des Unternehmens, nach denen schliesslich auch die Produktion kalkuliert und eingerichtet wurde, sich ungefähr realisieren.
Das ist nun die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise des Einzel-Unternehmens, und so die eines jeden entlang der Stafette der Abnehmer und Zulieferer. Für die These dieses Threads (und den leisen Zweifel daran, der dahintersteht), ist nun aber folgendes sehr bedeutsam, und das lässt sich aus mesrines Modell-Konstruktion für künftige dieser Art mitnehmen:
2. Bei jeder Aussage über die (wahrschenliche) Werthaltigkeit einer unterstellten Produktmenge muss im Grundsatz die Frage beantwortbar sein, woher eigentlich die Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit, also zahlungsfähige Nachfrage in Höhe des Wertes (oder besser noch darüber) kommen kann – und in welchen Fristen. Bei Marx kommt dieser Prüfstein vor als das Wert-Kriterium, wonach sich die unter Durchschnittsbedingungen der Produktivität pro Exemplar dieser speziellen Warensorte verausgabte abstrakte Arbeitszeit, bezogen auf bestimmte Mengen solcher Waren in bestimmten Fristen (also „Waren-Flüssen“ in bestimmter Grössenordnung), auch „als Teil der ges.Gesamtarbeit“ betätigt haben muss – und das ist die Marxsche Version der Forderung nach einer Beantwortung der Frage, woher eigentlich Zahlungsbereitschaft und -fähigkeit für diesen „Fluss“ herkommen sollen. Vor allem, wenn man über die Front der UNMITTELBAREN Käufer und Abnehmer hinausfragt und sich den Zusammenhang der Warenproduzenten tatsächlich mal auf gesellschaftlicher Ebene, unter dem Gesichtspunkt seiner Dauerhaftigkeit, ansieht (oder seiner Reproduzierbarkeit: die meisten oder doch recht viele Warenproduzenten, vor allem kapitalistische im engeren Sinn, halten sich dann doch in ihrer Stellung und verschwinden nicht alle gleich wieder vom Markt)
Daran erinnern Modellierungsversuche in der Art desjenigen von mesrine.

mesrine: nochmal nach 6 Monaten Pause:
15. Dezember (!) 2014
Nach einiger Überlegung habe ich doch noch ein einfaches Modell gefunden, in dem Kapitalismus „funktionieren“ kann:
Beispiel:
Auf einer Insel gibt es n (z.B. n = 3 ) Kapitalisten, wobei alle Arbeiter bei diesen beschäftigt sind.
Der Betrieb jedes Kapitalisten hat einen Input (Geld für Löhne und Produktionsmittel) und einen Output ( Konsumgüter und/oder Produktionsmittel).
Ich weiß zwar nicht, wie das Verhältnis von Output zu Input heißt ich nenne es einfach mal
Gewinnrate r = Output / Input.
Der Kapitalist steckt einen Input in das Unternehmen rein und erhält dafür einen Output
(so wie bei einer Bank: man gibt Geld und erhält später dafür mehr Geld).
Die Gewinnraten aller Unternehmer sollen >1 sein (damit der Kapitalismus funktionieren soll).
Es soll folgende Waren/Kreislauf vorausgesetzt werden:
U1 –> U2 —> U3 –> U1 –> U2 –> usw.und

I/O von U1:
============================================
P + L –U1–> 2P+2L-2L=2P
also r1 = 2P/(P+L) > 1
Mit P Produktionsmitteln und der Lohnsumme L werden also 2(P+L) Waren produziert,
wobei der Kapitalist davon L konsumiert und die Arbeiter von U1 auch ihren Lohn L dort konsumieren.
Der Rest 2(P+L)-2L = 2P sind Produktionsmittel, die an U2 verkauft werden.
============================================
Ähnliches gilt für U2 und U3,also:

I/O von U2
============================================
2P+L –U2–> 4P+2L-2L=4P
============================================

I/O von U3
============================================
4P+L –U3–> 8P+2L-2L=8P
============================================

I/O von U1
============================================
8P+L –U1–> 16P+2L-2L=16P
============================================

Man sieht, daß die Produktionsmittel in diesem System laufend teurer werden.
Das ist auch nicht verwunderlich, da alle r > 1 sind.Müßte das nicht auch für
jede reale kapitalistische Wirtschaft gelten,
vorausgesetzt sie ist gerade krisenfrei und alle r > 1?
Kann Kapitalismus also nur mit latenter Inflation funktionieren?

mfg
Mesrine

16. Dezember 2014
Nachtrag 19.12. Meine nachfolgenden Antworten benennen den aus meiner Sicht wesentlichen Fehler in mesrines Modell entweder garnicht, oder nicht präzise. Der besteht nach meiner Einschätzung darin, dass mesrine das Zyklische eines Reproduktionsprozesses mit den Schritten eines Akkumulations- und Innovationsprozesses zusammenwirft. Die „U“, die im Modell in einem Zyklus verbunden sind, müssten dann in Wahrheit eigentlich Stadien ein und derselben reproduktiven Einheit darstellen – das U liefert sich die innovativen Ersatz-PM, die aus seinem Mehrprodukt heraus entwickelt werden, dann gewissermassen selbst zu, speist „akkumulierend“ die innovativen PM in seinen Reproduktionsprozess ein. Dabei „wächst“ es auch – aber viel wichtiger ist dabei die ständige Revolutionierung des PM-Apparats dieser reproduktiven Einheit (eigentlich: einer ganzen Ökonomie, sich kapitalistisch reproduzierendn Gesellschaft). mesrines ganze Modelliertätigkeit und die Geschwindigkeit, mit der er immer neue Etwürfe vorlgt, beruht eigentlich darauf, dass er sich über das Fundament, auf dem überhaupt das „r>1“, Wachstum, Profit usw entsteht, also was da vorausgesetzt ist und unabdingbar ins Modell übernommen werden müsste, keine Rechenschaft gibt. Diesen fundamentalen Mangel von mesrines Modellen hätten meine folgenden Beiträge berücksichtigen müssen, und ich halte sie im Moment, da sie es nicht tun, für eine unmittelbare Erwiderung auf mesrines Modellbildung nicht geeignet.
Andererseits wird genug über Themen gesprochen, an denen entlang sich die grundsätzliche Kritik von mesrines Kapitalismusmodellen entfalten lässt. Eventuell gehe ich darauf in einem letzten Beitrag unten noch einmal ein. f. 19.12.2014 13:00 uhr.
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Hallo, mesrine, das mit den Produktionsmitteln, die die Kapitalisten voneinander kaufen, scheint angekommen zu sein. Ok. Ich sehe nun aber im Modell erstmal bloss: die P werden mehr. Aber „teurer“? Woran sind in deinem Modell überhaupt Preisbewegungen (oder Preissummenbewegungen relativ zu Stückzahlen) zu erkennen? Der Witz, mesrine, ist. meine ich, nicht die tonnen-ideologische Vermehrung von Produktionsmitteln (wer, bei gleichbleibender Atbeiterzahl, soll die eigentlich bedienen?), sondern deren gesteigerte Produktivität (in jeder Hinsicht). Man KÖNNTE, wenn man unbedingt wollte, aus deinem Modell vielleicht die Vermehrung des Kapitalstocks (aber das ist eine Preissumme, keine Stückzahl) relativ zur Arbeit ablesen. Deren Notwendigkeit haben wir dann freilich noch nicht begriffen (folgt sie aus der schieren Tatsache, dass es ein r>1 geben muss?)
Mal abgesehen davon, dass die Überschussraten wiedermal fantastisch sind, kein unersättlicher Staat sich am Output bedient, die Arbeiter nicht mehr vom Kuchen wollen, obwohl ihre Arbeit relativ immer knapper wird (was ihre Konkurrenz vermindert) (soweit also womöglich auch mal „Strukturwandel“ von P nach mehr L),… offenbar immer alle Produkte absetzbar sind*) und alle Investitionen so lohnend wie gedacht (kapitalistische Konkurrenz gibts in deinen Modellen nicht.. da werden Geschäfte nämlich auch mal in den Sand gesetzt). Also alles anders als im realen Kapitalismus… was den aber nicht am Funktionieren hindert. Es ist also nicht die ganz grosse realistische Modell-Wirtschaft, die wir alle auf unsern Wunschzetteln stehen haben. Aber… noch ist ja nicht Weihnachten…

*) Bei einer, wie unterstellt, zyklischen Abnahme des Mehrprodukts (an genau einen Käufer) gäbs dann auch noch ein kleines Finanzierungs-Problem auf Käuferseite…

mesrine:

16. Dezember 2014
>
>Ich sehe nun aber im Modell erstmal bloss: die P werden mehr.
>Woran sind in deinem Modell überhaupt Preisbewegungen (oder Preissummenbewegungen relativ zu
>Stückzahlen) zu erkennen?
>
Du hast recht, das hatte ich nicht erwähnt.
Bei jedem Produktionsschritt werden die eingekauften Produktionmittel wertvoller („veredelt“).
Dies geschieht dadurch, daß sie z.B. intelligenter werden.
Aus Computer werden z.B. Roboter gemacht, die bei jedem Durchlauf (Input-Output) wertvoller, weil intelligenter (bessere Sensoren, Softwarem usw.) werden.

>
>Der Witz, mesrine, ist. meine ich, nicht die tonnen-ideologische Vermehrung von
>Produktionsmitteln (wer, bei gleichbleibender Atbeiterzahl, soll die eigentlich bedienen?),
>sondern deren gesteigerte Produktivität (in jeder Hinsicht).
>
Genau, es werden nicht mehr (im Sinne von Stückzahlen) Produktionsmittel hergestellt, sondern nur
wertvollere.

>
>Mal abgesehen davon, dass die Überschussraten wiedermal fantastisch sind, …
>
Es sind Beispiele, die das Prinzip verdeutlichen sollen, daß es nämlich unter den genannten Voraussetzungen Inflation geben muß.

>
… obwohl ihre Arbeit relativ immer knapper wird (was ihre Konkurrenz vermindert) (soweit also auch
>Strukturwandel von P nach mehr L), und… offenbar immer alle Produkte absetzbar sind*).
>
Es soll ein Modell konstruiert werden, wo Kapitalismus theoretisch funktionieren kann.

>
>…Aber… noch ist ja nicht Weihnachten…
>
Dann sag mir bitte ein reales kapitalistisches Wirtschaftssystem, das während seines Bestehens eine
Inflationsrate 0 hat.

>
>*) Bei einer, wie unterstellt, zyklischen Abnahme des Mehrprodukts (an genau einen Käufer)
>gäbs dann auch noch ein kleines Finanzierungs-Problem auf Käuferseite…
>
Da gibt es Banken.
Da in dem Modell alles verkauft wird (keine Überproduktion) , bekommen die auch wieder ihr Geld zurück.

mfg
me
….

17. Dezember 2014
Bitte den Nachtrag oben im Eintrag Dienstag, 16.12. beachten.
mesrine! mit Verlaub – was du vorträgst, macht keinen Sinn. Und ich bin geneigt, unsern Dialog, den ich privat gerne fortsetze, den Lesern des marx-forums nicht mehr länger zuzumuten. Warum?
Nun – es hat den Anschein, dass du dir von einer Formel mit Voraussetzungen der von dir hartnäckig variierten Art irgendeine schlagende Einsicht, eine Entscheidung der Frage: Kann Kap. funktionieren – ja oder nein? versprichst. Dabei drehen sich die entscheidenden Vorgaben, die du immer wieder machst, um die Tatsache, dass da ein offenkundig irgendwie kollektiver (wenn auch kaum mit kapitalistischen Merkmalen ausgestatteter) Produktionsorganismus bei seinen Produkten eine Wachstumsrate r aufweist, und damit nicht fertigwird, weil die Prinzipien seiner „stationären“ Wirtschaftsweise mit der Einspeisung des ständig zuwachsenden „Plus“ nicht zurandekommen – es ist das Grundmuster etwa auch der debitistischen Theorie (die ich darum anfangs in dieser Kontroverse erwähnt habe), die sich stark um das Problem der Bezahlbarkeit (woher kommt sie?) für die zusätzlich in die Zirkulation eintretenden Güter dreht. Bei dir war es die Überschreitung der Bedürfnisgrenzen aller möglichen Konsumenten, die das Prinzip des ständigen Wachstums (in einer begrenzten (Insel)“Welt“) zu Fall bringen sollte. Dein neuer Einfall ähnelt auf den ersten Blick den früheren: Irgendein Makel MUSS sich dem ständigen Wachstum doch anhängen lassen, jetzt ist es „Inflation“; die ist allerdings übel und läuft drauf hinaus, dass alle Güter immer intelligenter und darum „wertvoller“ werden. Das ist natürlich sehr bedauerlich – auch wenn darüber, so dein vergiftetes Zugeständnis, der Kapitalismus noch nicht zusammenbricht.
Ich sag jetzt mal meine Einwände, soweit die für Mitlesende, vielleicht, hoffe ich, ein bisschen von Interesse sein könnten:

1. Inflation ist ein simultaner Anstieg der Preise aller Güter, deren Relation zueinander („Tauschwerte“, Tauschproportionen) wird nicht berührt, muss nicht berührt sein (es sei denn, es handle sich um „regionale“ Preisanstiege etwa von Importwaren). Die von dir unterstellt zunehmende „Intelligenz“, technologische Leistungsfähigkeit der immer weiter hochgerüsteten Produktionsmittel wird verWERTbar vor allem dadurch, dass sie Kosten für irgendwelche Produzenten in einem Mass senken hilft, dass die Anschaffung der teuren Technologie sich auf Dauer bezahlt macht. Dieser Effekt hat in deinem Modell, mesrine, insofern Platz, als du über die PREISE der geometrisch-progredient leistungsfähigeren PM noch nicht gesprochen hast. Im realen Kapitalismus wird sowas bloss angeschafft, wenn es sich rechnet (und das im Vergleich zB mit „an sich“ unproduktiveren, weil arbeitsintensiveren Lösungen – das ist alles eine Frage der Höhe der Löhne – als Kostenfaktor). Die Geld-Beträge, die da in Gegenrichtng zum Fluss der ständig leistungsfähigeren PM fliessen, könnten also gleichbleiben oder sinken – die PM sind nicht nur immer leistungsfähiger, sie können auch – EBEN DARUM! – viel billiger als früher hergestellt werden. Der Effekt kann zeitverzögert eintreten, zugegeben. In deinem Modell, mesrine – MUSS er eintreten. Denn du unterstellst, dass – Innovationszyklus für Innovationszyklus (bei dir gleichbedeutend mit Produktions-Zyklus, naja) – der die drei Wirtschaftseinheiten (Branchen/Unternehmen/Wirtschaftssektoren, was immer) verbindende Reproduktionszirkel geschlossen bleibt. Das würde sich sofort ändern, wenn die angebotene Technologie, ihrer zunehmenden „Raffinesse“ wegen, als würde es sich um Gadgets zur Freizeitgestaltung handeln, zugleich teurer würde – aber bei ihrer Anschaffung die Produktivität der nachfolgenden Sektoren unverändert liesse. Wie sollten die dann die gestiegenen Kosten finanzieren? Das sehen auch mögliche Investoren und Kreditgeber so. Und darum… wird der ganze innovative Krempel sich in dem Fall nicht verkaufen lassen. Tja – auch das ist Kapitalismus („Überproduktion“ ist meist keine sehr präzise Umschreibung des angesprochenen Sachverhalts…)

2. Die zB. debitistische Dramatisierung des Schuldenmachens als unvermeidliches Schneeballsystem (woher bloss die Nachfrage nach kreditfinanzierten neuen Waren? aus noch mehr Kredit!) stimmt nicht: Wahstum, Akkumulation, könnte bedeuten, dass sich da der bestehenden Zirkulation ein aus – innovativen, oder auch bloss Mehr-Produkten derselben Art wie die schon existierenden – gespeister zusätzlicher Zirkel, oder eine anteilige Erweiterung der bestehenden Zirkulation, eine akkumulierte Extra-Portion aufgelagert hat. Und das funktioniert, weil – nicht anders als in der bestehenden Zirkulation – dadurch reproduktive Zirkel GESCHLOSSEN werden. Gelingt es, können Kredite (aus dabei erwirtschafteten Gewinnen) den Kreditgebern mit Zins zurückgezahlt werden, danach läuft das Geschäft (das sich ja reproduziert) ohne sie. Oder… das mit Kredit- oder Eigenmitteln finanzierte Projekt hat keinen Absatz, nicht zu diesen Preisen, kommt nicht auf seine Kosten – der Zirkel schliesst sich nicht – dann geht irgendjemand irgendwann bankrott, oder hat zumindest einen Verlust.
Aber im Erfolgsfall ist das gesamte Produktionssystem um einen Zusatzanteil GEWACHSEN, die Wertschöpfung (bei gleichbleibendem Preisniveau) tatsächlich GESTIEGEN. (Das heisst Wachstum, und wird im allgemeinen nicht als Mangel angesehn. Es ist aber das, was du, mesrine, modelliert hast.)

3. Dieses „Irgendwann“ wird hinausgeschoben, wenn jeder drohende Zahlungsausfall mit immer neuen Krediten verhindert oder überbrückt werden kann. Das ist dann in der Tat ein Schneeballsystem, das freilich gutgeht bloss für die privilegierten Kreditgeld-Empfänger, die nah genug an der Quelle sitzen, um immer als erste die immer höheren Preise mit nochmal mehr Geld bezahlen können, die andern müssen schauen, ob sie ihre Preise auch angemessen im Takt hochgesetzt haben, und „mit-inflationieren“. Das wird schnell unübersichtlich, selbst wenn die Währung (wie auf der Insel) kein Aussenverhältnis hat…
Aber das, nämlich Inflation, ist, wie hoffentlich einzusehen ist, ein ganz anderes Thema.

4. Man kann sich dann noch fragen, wie das mit der Neu-Einführung innovativer Produktionstechnologie und der Anpassung vorhandener Produktionsanlagen klappen kann. Ein Stichwort dazu lautet: Vermehrte/verminderte Kapazitätsauslastung, Umschlagsgeschwindigkeit, stockender/beschleunigter Um/Absatz. Wenn nichts oder zuwenig fliesst… wird das Geschäft, so oder so, beendet, „liquidiert“. Kann sein, ein Konkurrent kaufts zu einem Preis, bei dem der Weiteebetrieb eine zeitlang sich sogar noch lohnt…

5. Dass man Kredite tilgen, und Zinsen zahlen kann… das hat damit zu tun, dass normalerweise jeder ordentliche Produzent mit seinem Geschäft eingeklinkt ist in die gesellschaftsweite Erstellung eines Mehrprodukts, über die bestehende Basis-Reproduktion hinaus. Es weiss halt keiner, in welchem Ausmass er daran beteiligt ist. Aber vom Mehrprodukt war ja weiter oben schon die Rede…

mesrine:

17. Dezember 2014

franziska schrieb:
mesrine! mit Verlaub – was du vorträgst, macht keinen Sinn. Und ich bin geneigt, unsern Dialog, den ich privat gerne fortsetze, den Lesern des marx-forums nicht mehr länger zuzumuten. Warum?

Das fände ich sehr schade, da dann andere nicht mehr durch deine Antworten zu feedbacks inspiriert werden und dann meine Vorstellungen durch weniger Menschen auf ihre Korrektheit überprüft werden können.
Übrigens:
Was macht dich eigentlich so sicher, daß deine intuitiven, an keinen _konkreten_ Beispielen überprüfbaren, allgemeinen Überlegungen denn alle korrekt sind?
Ich könnte dir in der Geschichte – sogar der präzisen Wissenschaften – Beispiele nennen,
wo 100%-„richtige“ intuitive Behauptungen plötzlich durch konkrete Gegenbeispiele widerlegt wurden.

… weil die Prinzipien seiner „stationären“ Wirtschaftsweise mit der Einspeisung des ständig zuwachsenden „Plus“ nicht zurandekommen

Ja, ich komme mit dem „Plus“ noch nicht klar:
Durch das Verhältnis r>1 (in einem funktionierenden Kapitalismus) wächst mindestens ein Parameter
über alle Grenzen. Außer man findet mindestens einen anderen Parameter der dieser Tendenz entgegenläuft.
Ist das bei dir „dann geht irgendjemand Bankrott“.
Das würde bedeuteten, dass der Bankrott von mindestens einem Kapitalisten systemimmanent wäre und ich dies noch in das Modell einfügen müsste?
Kannst du mir gegenläufige Tendenzen nennen, die ich dann modellieren kann?

1. Inflation ist ein simultaner Anstieg der Preise aller Güter, deren Relation zueinander („Tauschwerte“, Tauschproportionen) wird nicht berührt, muss nicht berührt sein (es sei denn, es handle sich um „regionale“ Preisanstiege etwa von Importwaren).

Du kannst dies nennen wie du willst.
Fakt ist, dass in dem Modell von mir bis jetzt noch ein Parameter über alle Grenzen wächst.

Dieser Effekt hat in deinem Modell, mesrine, insofern Platz, als du über die PREISE der geometrisch-progredient leistungsfähigeren PM noch nicht gesprochen hast.

Doch:
Die Preise der Produktionsmittel habe ich P genannt.
siehe unten
(eine Ausschnitt aus meinem Modell des 1. Kapitalisten (mit FINANZIERUNG durch die Bank))

Die Geld-Beträge, die da in Gegenrichtng zum Fluss der ständig leistungsfähigeren PM fliessen, könnten also gleichbleiben oder sinken – die PM sind nicht nur immer leistungsfähiger, sie können auch – EBEN DARUM! – viel billiger als früher hergestellt werden.

Das kann ja alles sein.
Trotzdem ist r > 1 mit der Konsequenz unbeschräkten Wachstums eines Parameters.

Das würde sich sofort ändern, wenn die angebotene Technologie, ihrer zunehmenden „Raffinesse“ wegen, als würde es sich um Gadgets zur Freizeitgestaltung handeln, zugleich teurer würde – aber bei ihrer Anschaffung die Produktivität der nachfolgenden Sektoren unverändert liesse.

Trotzdem muß r>1 sein.

Wie sollten die dann die gestiegenen Kosten finanzieren? Das sehen auch mögliche Investoren und Kreditgeber so

Hier noch mal eine Ausschnitt aus meinem Modell des 1. Kapitalisten (mit FINANZIERUNG durch die Bank)
I/O von U1:
============================================
P + L –U1–> 2P+2L-2L=2P
also r1 = 2P/(P+L) > 1
Mit P Euro Produktionsmitteln und der Lohnsumme L Euro werden also 2(P+L) Euro Waren produziert,
wobei der Kapitalist davon L Euro konsumiert und die Arbeiter von U1 auch ihren Lohn L Euro dort konsumieren. Der Rest 2(P+L)-2L = 2P sind Produktionsmittel, die an U2 verkauftwerden.
Zur Finanzierung:
Den Input P Euro + L Euro hat U1 bei einer Bank ausgeliehen.
Da er einen Output von 2P Euro hat, kann er davon die ausgeliehenen (P+L ) Euro zurückzahlen.
Denn: 2P Euro – (P+L) Euro > 0 , da P > L (laut Voraussetzung letzes Posting).

Dies schaftt er auch beim 2. Durchgang: (mit FINANZIERUNG durch die Bank)
I/O von U1
============================================
8P+L –U1–> 16P+2L-2L=16P
Zur Finanzierung:
Den Input (8P+L) Euro hat U1 bei einer Bank ausgeliehen. Da er einen Output von 16P Euro hat, kann er
davon die ausgeliehenen (8P+L ) Euro zurückzahlen.Denn: 16P Euro – (8P+L) Euro > 0 , da P > L (laut Voraussetzung letzes Posting).
============================================

mfg
me

18. Dezember 2014
Bitte den Nachtrag oben vom Dienstag, 16.12. beachten.
Zur Vermeidung von Missverständnissen: Mein Zögern, hier weiterzumachen, bezog sich wirklich bloss auf die (möglichen) Leser, und sollte kein Ausdruck von Verärgerung über die vorgetragenen Meinungen sein. Also gut. Vielleicht ergibt sich ja etwas von allgemeinem Interesse…

Das Hartnäckige und Genaue der Modellierung hat zwar was für sich, der Mangel zeigt sich aber auch schlagend: Man wird da leicht betriebsblind, verliert entscheidende Realitätsaspekte aus den Augen. Umgekehrt ist freilich der grosspurige Über-Blick aufs Grosse+Ganze leicht zu täuschen…

Die wichtigste und nächstliegende Frage hat hier bisher niemand gestellt: Ist r>1 (woraus sich mesrines Problem ergibt) überhaupt realistisch?
(Nebenfragen:
Ist die Gleichsetzung des Unternehmens-r mit einem gesellschaftlichen Pendant dafür ausriehcend – oder besser, berechtigt die Aufsummierung, Durchschnittsbildung, was immer, der zugehörigen Grössen für Einzelunternehmen dazu, daraus „makroökonomische“ Grössen zu erschliessen ?
Oder aus letzteren Rückschlüsse zu ziehen auf die anders nicht zu beurteilende Lage der Einzelunternehmen?
Stimmt die Gleichsetzung: (Durchschnitts)Profitrate=Akkumulationsrate=Wachstumsrate?
Stimmt sie auch nur annähernd?)

Ich hab persönlich nicht so recht glauben können an all das exponentielle Wachstums-Getöse, habe es aber auch nie nachgeprüft. Eine sehr kurze Google-Recherche, die ich dann doch mal vor kurzem unternahm, hat schnell folgende Website erschlossen: wachstumsstudien.de/
Deren Kernaussage:
„Nach wie vor wird angenommen, dass Volkswirtschaften grundsätzlich mit konstanten Raten von zwei, drei oder mehr Prozent wachsen können, wenn nur geeignete Rahmenbedingungen vorhanden sind. Das IWS belegt jedoch anhand von Zahlenmaterial des Statistischen Bundesamtes und der OECD, dass dies ein Irrtum ist: Entgegen der Annahme wachsen entwickelte Volkswirtschaften typischerweise nicht um konstante Prozentraten und somit exponentiell, sondern lediglich um konstant absolute Beträge und damit linear. Lineares Wachstum wiederum hat zur Folge, dass die durchschnittlichen Wachstumsraten allen Bemühungen zum Trotz beständig sinken.“

Mit anderen Worten: Wenn die Befunde stimmen, funktioniert Kapitalismus garnicht „so“ (oder nur in wenigen Ausnahmefällen, deren besondere Voraussetzungen die Abweichung erklären: Darum hat sich das Institut besonders gekümmert…)
Das erstmal vorneweg.

Wir haben hier vielleicht soweit Konsens hergestellt (der von Anderen, nur zur Erinnerung, falls jemand mal in meinem Forumsblog nachgelesen hat: vgl. „Mehrprodukt – was ist DAS denn?“) , nach wie vor vehement bestritten wird), dass es in entwickelten Marktwirtschaften einen sich – bei konstanten Ressourcen aller Art – selbst erhaltenden industriellen Basisprozess gibt, der ein MEHRPRODUKT erzeugt, das ihm entnommen werden kann, ohne ihn dauerhaft zu schädigen, also zum Schrumpfen oder gar zum Erliegen zu bringen. Dieses Mehrprodukt kann für die immer gleichen Zwecke, oder auch (zB wegen Sättigungseffekten) für wechselnde Zwecke herangezogen werden, und dabei regelmässig vollständig verbraucht werden. Einer dieser Zwecke ist die Ausweitung bestehender Produktionskapazitäten; ein weiterer die Entwicklung neuer Warensorten und Produktionsverfahren. Für die jeweiligen Gesellschaften stellt sich dies dar unter dem nicht-ökonomischen Titel FORTSCHRITT, die speziell wirtschaftliche Seite dieses Vorgangs heisst bekanntlich WACHSTUM, bei einigen auch AKKUMULATION (damit ist speziell gemeint die Re-Investition von Gewinnen).

Jeder Fortschritt der Produktion greift in bestehende reproduktive, sonst stabil weiterlaufende Lieferprozesse innerhalb des „Basisprozesses“ ein:
– Neuartige Güter ziehen Nachfrage auf sich und verdrängen solche nach gut eingeführten und gut verkäuflichen;
– blosse Erweiterung von Produktionskapazitäten zieht fast immer unproportionale Rückwirkungen auf die Fertigungs- und Lieferketten in Produktionsstätten nach sich, die vor wie hinter demjenigen Unternehmen/Branche liegen, wo der Eingriff stattfindet.
– Speziell die Erhöhung von Produktivität, die Senkung von Stück-Kosten und das Ausnutzen der entstehenden Preissenkungs-Spielräumen gegenüber der Konkurrenz senkt Nachfrage nach Produktionsfaktoren (die jetzt verstärkt eingespart werden), und setzt Nachfragepotentiale bei denen frei, die jetzt einen Teil ihrer Einkäufe billiger als zuvor tätigen können.
Fortschritt, als Summe aller Eingriffe dieser Art in die bestehende Reproduktion, findet in modernen kapitalistischen Industriegesellschaften ständig statt. Keineswegs führen diese Eingriffe regelmässig zu den Erfolgen, die sich ihre Urheber von ihnen versprechen. Das mag vielen der Entscheider, die solche Eingriffe gestalten, auch durchaus bewusst sein: Überall ist Risiko; die Entscheidungen werden „unter Ungewissheit“ getroffen.

Nichts ist weniger selbstverständlich als robuster, dauerhaft haltbarer und ausbaufähiger „Fortschritt“ unter diesen Umständen.

Von den äusseren Ressourcengrenzen war da noch garnicht die Rede, nur von den „inneren“ Reibungsverlusten: Investieren ist Stochern im Nebel der unbekannten gesellschaftlichen Produktions-Zusammenhänge…

Zwei von den drei genannten Fortschrittsdimensionen, eigentlich die beiden im engeren Sinn mit Modernisierung und technologischem Fortschritt assoziierten, gehen dabei garnicht mit „Wachsen“ des Produktausstosses einher:

– Verdrängen bestehender Warensorten oder Marken vom Markt und Auf-Sich-Ziehen der Nachfrage nach ihnen bedeutet einen Wechsel der Güterart, damit vielleicht auch von Produktionsfaktoren; ein „Mehr“ auf Dauer ist damit erstmal nicht verknüpft.
– Preise senken – das also, worum sich die Konkurrenz am meisten dreht, soweit dabei nicht neue Güter auf den Markt gebracht werden – massenhaft und flächendeckend erfolgreich umgesetzt, führt ENTWEDER zu einem Anwachsen der Gütermasse bei gleichbleibender Preisumme ODER sogar schrumpfender Preissumme.
Lassen wir nun die Erweiterungen, das schlichte Vervielfältigen bestehender, bewährter Verfahren (meist auch bloss zum Verdrängen der weniger erfolgreichen Konkurrenz) daneben auch noch stattfinden; dann überlagern sich die drei Fortschritts-Tendenzen in ihrer Wirkung. Eine der drei ist hinsichtlich des „Wachsens“ neutral, die beiden andern üben einander tendenziell neutralisierende Wirkungen aus.

Nun wird hier die ganze Zeit von „Wachstum“ gesprochen, als einem Fortschritts- und letztlich „Erfolgs“-Mass; der Erfolg der Gesamtwirtschaft wird dabei angesehen als letztlich Summe der Erfolge all ihrer Teile – der Unternehmen. Deren Erfolg aber bemisst sich offiziell als PROFITRATE; und garnicht unbedingt als „Wachstum“. „Wachstum“ bei Unternehmen KANN die Form annehmen der Erweiterung; oft genug geschieht das, wie schon bemerkt, auf Kosten konkurrierender Unternehmen, die dann notgedrungen schrumpfen, vom Markt verschwinden oder „geschluckt“ werden. Grösse (also auch Grösserwerden, wachsen) bedeutet oft, aber nicht immer: produktiver produzieren können, Absatz vergrössern (uU durch Auslastung bestehender Kapazitäten). Produktiver heisst freilich nicht immer: profitabler! Oft genug heisst es einfach: ÜBERHAUPT weiterhin profitabel sein, ÜBERHAUPT noch dasein, Profite erwirtschaften. Aber doch nicht ständig MEHR davon. Schön wärs! Bei gleichbleibender PREISSUMME des Produktausstosses aller Unternehmen (abzüglich der Vorleistungen), mithin bei Null-Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, kann demnach alles mögliche passieren. Die Profitrate (wessen? die durchschnittliche= und was hat man an DER?)… mag fallen, steigen, gleichbleiben – und das alles kann gleichzeitig höchst unterschiedlich in unterschiedlichen Branchen stattfinden. Ich würde sagen, tendenziell wird das Ptofitemachen eher schwieriger, der „Mangel an sozialer Ein- und Vorsicht“, der nun mal leider nötig ist, damit es sich so richtig unbekümmert (zB ohne „Bürokratie“, die die Unternehmen gerne beklagen; in manchem womöglich sogar zurecht, wer weiss das schon so genau..) entfalten kann – der wird vielleicht da und dort zuletzt doch kompensiert, von vorsichtig gewordenen Kunden, von aufsichtführenden Behörden, von den um Misserfolgs-Erfahrungen reicher gewordenen Unternehmen. Warum sollte die Profitrate nicht fallen? Es gibt viele Gründe, warum sie es tun könnte… Unter anderm auch jenen, in den man die einschlägige Marxsche Arbeitshypothese (vom tendenziellen Fall der Profitrate) zuletzt neu eingekleidet hat: Kostensparende Investitionen amortisieren sich nicht mehr, weil sie davor schon von NOCH kostengünstigeren überholt werden… Oder den ganz einfachen Grund, unüberbietbar einfach, trivial, naheliegend: Dass sowieso schon zuviel Anbieter unterwegs sind, zuviel Kapital angelegt werden sollte, und es nun ist. Die Möglichkeiten, Profite zu machen, sind begrenzt zu einem Zeitpunkt; auch die, den Fortschritt (auch den kapitalistisch definierten) aus einer Ausgangslage heraus zu beschleunigen…

Andererseits behauptet der derzeitige shooting star der linksliberalen Szene Piketty: r>g, die Profitrate ist höher als das Wachstum, es findet Umverteilung von unten nach oben statt – und das sei langfritig immer schon und eben heute wieder der Normalfall kapitalistischer Entwicklungsdynamik. (Steigende Konkurrenz der Lohnabhängigen, politisch orchestriert, international global inzwischen, vor allem auch das kräftige Wegrationalisieren ihrer Arbeitsplätze spielt dabei eine gewichtige Rolle.) Wie auch immer das gerechnet wird….
Sowas wäre also auch zu erwägen.

Das gibt mir Gelegenheit, an mein Argument zu erinnern, dass im Posten „Einkommen aus Unternehmen und Vermögen“in der „Verteilungsrechnung“ des BIP als nicht ganz unerheblicher Bestandteil das cfix mit Lebensdauer<1Jahr sowie die komplett neu (re)produzierten czirk-Vorräte, soweit nicht in der Jahresproduktion von Abschreibung(sgütern) und Konsumgütern verbraucht, enthalten sind – und das sind trotz lean production immer noch ca 13% des BIP – vormals 17%; wenn das mit dem Abbau der Vorratshaltung (wird seit 15 Jahren nicht mehr eigens ausgewiesen) so weitergeht, hat man einen schönen Puffer, um die gleichzeitig ansteigenden Gewinne hinter einem scheinbar gleichbleibenden Betrag bzw. Anteil dieses Postens am BIP zu verbergen. (Gemeint sind die gesamten Vorräte, nicht bloss die in die Brutto-Investitionen eingehenden Vorrats-ÄNDERUNGEN.)
Ich führe das hier einzig aus dem Grund nochmal an, weil ich es bisher nicht in dieser Form (nämlich bezogen auf die „Jahresvorräte“) vorgetragen habe, und die andern Varianten des Arguments waren verkehrt.

So, mesrine – wo bleibt nun dein r (oder g?)>1? Kapitalismus „funktioniert“, glaube ich, ganz gewiss ohne diese Voraussetzung. Wachstums-, Ptofit- und Akkumulationsrate sollte man dabei sorgfältig auseinanderhalten. Und man sollte vielleicht drauf gefasst sein, dass ein grosser, wenn nicht der grösste Teil des kapitalistisch gestalteten Fortschritts in fortgeschrittenen Industregesellschaften statistisch stumm bleibt – weil er mit konstanten oder sogar tendenziell sinkenden Profit- und Wachstumsraten vollkommen vereinbar ist.

18. Dezember 2014
Bitte den Nachtrag von oben, Dienstag 16.12. beachten.
mesrine, falls dir der Bezug zu deinem Modell nicht klargeworden sein sollte, hier ein Nachtrag.

Die Hauptrückfrage an dich ist: Welche für „Kapitalismus“ relevante, mutmassliche (und empirisch überprüfbare) gesellschaftliche Realität möchtest du eigentlich modellieren?
Das Einzelkapital…?
DAS Kapital im Sinne des sich auf Dauer erhaltenden „kapitalistisch“ verfassten Sektors der Gesamtgesellschaft…?
Das Wachstum der im wesentlichen auf der Geschäftstätigkeit dieses Sektors beruhenden (aber mit welchen Einschränungen?) wirtschaftlichen Leistugsfähigkeit alias Bruttoinlandsprodukt der betr. Gesellschaft…?
…oder der Weltgesellschaft?

Ist der Zusammenhang zwischen Profitrate des Einzelkapitals, einer wie immer zu bestimmenden solchen (durchschnittlich? oder wie?) von Branchen und Gesamtkapital, Wiederanlage von Gewinnen (oder auch Rückflüssen aus Abschreibungen) („Akkumulation“ bzw. Netto/Brutto-Investitionen), nebenbei: den Gewinnen oder Renditen wessen? zählen zB Immobilienbesitzer dazu? Versicherungen? Pensionsfonds? – und schliesslich dem Bruttoinlandsprodukt oder gewissen Tranchen davon, und den damit verbundenen (Schätz)Grössen – ist dieser Zusammenhang, frage ich, so klar, dass du dies alles in deinem Modell garnicht auseinanderhalten musst?

Die von dir zuletzt vermissten entgegenwirkenden Faktoren sind benannt:
1. Erfolgreicher Akkumulation der einen entspricht in sehr vielen Fällen der Misserfolg anderer,
2. Kapital „wächst“ grossenteils VERDRÄNGEND; und das wichtigste Mittel ist Verschieben vorhandener Nachfrage (nicht Ausweitung), sowie Kosten- und Preissenkung (bei Absatzsteigerung auf Kosten der Konkurrenz; Wirkung: der Marktanteil der billigeren Waren vergrössert sich, der Durchschnittspreis auf diesem Markt sinkt, und so auf allen Märkten).
3. hohe Profitraten einzelner Anbieter und/oder Teilmärkte locken Investoren an, das Angebot steigt und limitiert die Gewinnmöglichkeiten;
4. erfolgreiches Geldverdienen, starke Sparneigung, hohe Kreditschöpfung verstärkt das Gesamtangebot an Kapital relativ zu sinnvollen und überhaupt möglichen Profit versprechenden Anlagen.
Also von wegen – einmal Kapital, immer Kapital!
Und erst recht – aus jedem Profit wird sofort wieder Kapital – von wegen!

Eine Bemerkung zum „Teurer-, weil Intelligenter-Werden“ und der durchgehenden Dauer-„Veredelung“ von Produktionsmitteln:
Es stimmt – und so hatte ichs auch behauptet: langfristig schraubt sich da was sehr selbstbezogen in die Höhe. Das war das Argument: Der Konsum der Kapitalisten limitiert das Kapital-Wachstum nicht. Aber der Spiralprozess, der da im Grundsatz unterstellt wurde – er ist ja zugleich durch die verrückte Form „Konkurenz“, durch die er durchsoll (und die ihn angeblich so wunderbar beflügelt), unendlich anfällig. Der Begriff „Amortisieren“ ist oben ja bereits gefallen – die so überaus produktiven Anlagen von gestern müssen ihre (uU teil-kreditierten) Entwicklungskosten schon auch noch in Gestalt von Absatzsteigerungen und Markterfolgen mit den daran produzierten Waren einspielen. Da kann man sie nicht heute schon wieder ersetzen… durch noch produktivere. Und: Wenn alle in etwa gleicher Weise erfolgreich waren, alle Kredit bekamen – sind auch alle gleich produktiv – die Preise sinken, aber die Absätze steigen nicht – die Nachfrage nach dem Produkt wächst nicht so stark wie nötig. AUCH ein Konkurrenzeffekt: Zu schnell zuviel des Guten – und schon setzt die Pleitewelle (oder Schliessen von Betriebsteilen, Abbau von Produktionskapazitäten) ein. (Andererseits: Hätte man die Chance nicht genutzt – dann hätte der eine, oder die wenigen, die es taten, den Markt übernommen. Wie mans macht, ists falsch….)
Der andre Teil vom Argument bleibt bestehn: Wo alles GERADE durch genau darauf zielende Technik-Hochrüstung der Produktion immer produktiver also billiger produziert wird, schlägt das auf den Kostenaufwand für die betreffende Technologie selbst zurück – teilweise; teilweise aber wird dieser Aufwand durch entsprechende Einsparungen (an Arbeit, Energie, Material aller Art – deretwegen die innovativen Anlagen ja installiert werden!) bei ihrem Einsatz kompensiert. (Das war in deinem Modell nicht repräsentiert.)
Falls aber nicht – wird nicht zähneknirschend weiter alles bezahlt, was kommt, und abbezahlt, was schon angeschafft wurde, stattdessen tritt ein: Verlust, Bilanzbereinigung, Zurückfahren von Produktion (und damit auch des Kaufs entsprechender Analge) – oder auch Ende des Kredits, Zahlungsunfähigkeit, Pleite. In Summe: Krise. – All das steht der Preissummen-„Inflation“ (oder wie immer man sie nennt) entgegen, die du in deinem Modell erwartest.

19. Dezember 2014+1
Nach einigen Krämpfen, in deren Verlauf ich ua. meine Beiträge oben am liebsten löschen wollte, und deren Produkt immerhin der Nachtrag im Text vom 16.6. ist, melde ich mich jetzt, ausnahmsweise, nochmal zu Wort und verlängere die bereits ausgerollte Beitrags-Tapete. Ich glaube, dass mir der Mangel an mesrines Modell präziser vor Augen steht als bei Abfassung der letzten Antworten an ihn, und würde das gern darstellen.

Mesrine war/ist in seiner Modellbildung extrem fixiert auf den Nachweis, dass ein r>1 auf egal welcher Ebene zu unüberwindlichen Schwierigkeiten oder ökonomischen Folgeproblemen führt.
Ich hatte oben schon angesprochen, dass zumindest auf der Ebene des BIP diese Rate garnicht bestehen muss.
Mesrines Fixierung auf den zu führenden Nachweis hatte zur Folge, dass er es nicht für nötig hielt, zwischen unterschiedlichen Grössen r auf verschiedenen Ebenen zu unterscheiden, und erst in zweiter Linie deren Zusammenhang (etwa durch Aggregierung, Aufsummierung ua) zu untersuchen. Grundsätzlich hat mesrine einfach unterstellt, dass im Kapitalismus irgendwie alles mit r>1 „wächst“.

Aber Gewinne machen, ja sogar Gewinne teilweise investieren, bedeutet nicht: im selben Ausmass, oder überhaupt: wachsen.

Einzelkapitale sollten Gewinn machen, das ist wahr. Aber dieser ihr Ertrag muss nicht und kann auch nicht ständig akkumuliert werden: Der Gewinn, bezogen auf das Kapital in einer Periode, die Kapitalrendite oder Ertragsrate, wie immer man das nennt, ist NICHT zugleich auch schon die Wachstumsrate dieses Kapitals.
Einer der Gründe dafür ist: dass innovative Produktionsmittel nicht nur aus Gewinnen, Zuwächsen bezahlt werden, sondern wesentlich als Ersatzbeschaffungen vorgenommen werden, also aus den Abschreibungen bezahlt werden – mit einem Aufschlag für den Fall, dass sie, wie mesrine das ausdrückt, „veredelt“, also produktiver sind als die voraufgehenden, und diese höhere Produktivität sich über ihre gesamte Lebensdauer derart kostensenkend auswirkt, dass der höhere Anschaffungspreis mehr als kompensiert wird. (Das „Veredeln“ der Produktionsmittel muss nicht mit einer „genau entsprechenden“ Verteuerung innovativer Anlagen einhergehen – auch Produktionsmittel werden immer produktiver produziert…)

Diesen Standard-Vorgang in den Einzel-Unternehmen darf man sich nun nicht einfach aufaddierbar vorstellen, als wäre das Gesamtkapital irgendwie ein Aggregat aus solchen Einzelunternehmen, und als müsse man, um SEINE Entwicklung zu betrachten, nur die entsprechenden Parameter der Einzelkapitale aufsummieren.
Dazu ist in meinen Beiträgen oben sehr viel gesagt worden: Die gewinnträchtigen Produktivitätssteigerungen, solche, die auf teureren, technologisch leistungsfähigeren, kostensenkenden Produktionsanlagen (also „veredelten“ im Sinne mesrines) beruhen, haben meist Folgen für die Mitbewerber (Verdrängen, Gewinne sinken, Konkurrenzdruck steigt etc). Der Verlauf der Konkurrenz und die Zufälle der Ausgangsbedingungen in den Einzelbetrieben, ihre Grösse (zum guten wie zum schlechten), das timing, der Einführung technologischer Neuerungen sorgen dafür, dass uU Konkurrenzbetriebe verschwinden und/oder aufgekauft werden können – das kann ua heissen, dass Preisdruck aus dem Markt genommen wird; im Normalfall führen alle, die in diesem Markt bestehen wollen, die neue Technologie ein, die Preise sinken, die Gewinnmargen nicht unbedingt – sie steigen bloss auch nicht notgedrungen.
In der Wertschöpfung stellt sich dieser Vorgang paradoxerweise als quasi „Misserfolg“, nämlich Sinken der Preissumme aller Güter heraus.
Oder… er würde sich so darstellen… wenn nicht auch, durch die gesunkenen Preise, Nachfrage freigesetzt würde, die sich auf neue, bis dahin unerschwingliche Güter (auch Produktionsmittel) richten kann, die ab jetzt absetzbar werden: Wertschöpfung (also BIP) steigt.

Über die Bedingungen, unter denen das „gutgehen“ kann, kann man nachdenken, es ist aber bis hierher keinerlei immanent-„destruktives“ Prinzip erkennbar, das auf gesamtwirtschaftlicher Ebene das massenhafte individuelle Gewinnemachen behindert, mit unerwünschten (ökonomischen) Folgen belastet oder gar zum Erliegen bringt. (Von der möglichen Erschöpfung endlicher Randbedingungen des Systems abgesehen. Aber das war nicht mesrines Thema.)

Und.. weder auf der Ebene der Einzelkapitale, noch auf gesamtgesellschaftlicher ergibt sich, dass ein je vorhandener Bestand in geometrischer Progression wachsen muss, damit weiter Kapitalismus herrscht.
Es gilt bloss (und anspruchsvoll genug): Einzelkapitale müssen Gewinn machen, und sie müssen damit und aus ihren Abschreibungen die in ihrer Branche sich durchsetzenden Innovationen (uU als Eigenkapitalbeitrag zu Krediten) finanzieren können. Mehr Wachstum braucht es auf dieser Ebene nicht – das aber schon.

Auf der Ebene der „Volkswirtschaft“ stellt sich „Wachstum“ durch technologischen Fortschritt keinesfalls in seinem ganzen Umfang als exponentieller BIP-Zuwachs dar. Wenn das oben von mir verlinkte „Institut für Wachstumsstudien“ rechthat, war das auch nie so.
Das heisst nicht, dass ein kapitalistisch gestalteter „Fortschrittspfad“ unproblematisch begangen wird, und dass es dabei nicht zu ungeheuren Reibungsverlusten, Rücksichtslosigkeiten, Ressourcenverschleuderungen durch das verrückte und schädliche Prinzip „Konkurrenz“ (von der allgemeinwohl-dienlichen „Ausbeutung“ noch zu schweigen) kommen kann. Es heisst auch nicht, dass dieser Wachstums- und Fortschrittspfad ständig und unaufhörlich nach „oben“ führen muss – statt mehr oder weniger immer wieder Phasen der „Seitwärtsentwicklung“ zu durchlaufen – aus Gründen, die ua. mit langfristigen technologischen Entwicklungstrends und (nicht stattfindenden) „Durchbrüchen“ und wechselseitiger Verstärkung und Zusammenarbeit von Innovationen auf verschiedenen Gebieten zu tun haben.
Aber aus niedrigen Wachstumsraten sollte man keinesfalls per se auf eine Krise DES Kapitalismus, regional oder international, schliessen.
Dahinter kann sich durchaus erfolgreiche Geschäftstätigkeit und vor allem immer weiter gehende Innovation und Produktivitätssteigerung abspielen. – Soweit vorläufig meine These. Es wäre dem Thema, nämlich die Tauglichkeit von mesrines Modellbildung zu beurteilen, nicht angemessen, noch in diesem thread (der eigentlich früher schon beendet zu sein schien) in eine allzu ausführliche Debatte darüber einzutreten.
Das sollte, denke ich, anderswo geschehen.
Ich möchte aber EINE Ebene noch erwähnen, über die ebenfalls anderswo mehr zu reden wäre: die des Gesamtkapitals, unabhängig vom Schicksal einzelner Unternehmen, die kommen und gehen. Gibt es hier eine dauerhaft „auto-destruktive“ Tendenz in Gestalt einer NOTWENDIG auf Dauer (bei anhaletendem konkurrenz-erzwungenem technologischem Fortschritt) immer geringer werdenden Profitrate – wie es im Anschluss an die bekannte These von Marx vermutet wird?
Dazu möchte ich anmerken, dass diese These steht und fällt mit der Behauptung, dass die Arbeitswerttheorie im Marxschen Kapital auch nach Durch-Mechanisierung „reproduktiver Basissektoren“ (Landwirtschaft, Rohstoffgewinnung, Maschinenherstellung) der Gesamtproduktion ihre Geltung behält. Das bezweifle ich. Auch darüber wird eher an anderer Stelle als ausgerechnet hier zu diskutieren sein.

mesrine:

19. Dezember 2014
Da mir leider die Software oben nicht die Möglichkeit gab, direkt auf dein obiges Posting zu antworten
vorweg (zu meinem eigentlichen Beitrag) dies:
>
>Ich hab persönlich nicht so recht glauben können an all das exponentielle
>Wachstums-Getöse, habe es aber auch nie nachgeprüft.
>Eine sehr kurze Google-Recherche, die ich dann doch mal vor kurzem unternahm,
>hat schnell folgende Website erschlossen: wachstumsstudien.de/
>Deren Kernaussage:
>“Nach wie vor wird angenommen, dass Volkswirtschaften grundsätzlich mit konstanten Raten
>von zwei, drei oder mehr Prozent wachsen können, wenn nur geeignete Rahmenbedingungen
> vorhanden sind. Das IWS belegt jedoch anhand von Zahlenmaterial des Statistischen Bundesamtes
>und der OECD, dass dies ein Irrtum ist:Entgegen der Annahme wachsen entwickelte
>Volkswirtschaften typischerweise nicht um konstante Prozentraten und somit exponentiell,
>sondern lediglich um konstant absolute Beträge und damit linear. Lineares Wachstum
>wiederum hat zur Folge, dass die durchschnittlichen Wachstumsraten allen Bemühungen zum
>Trotz beständig sinken.“
>Mit anderen Worten: Wenn die Befunde stimmen, funktioniert Kapitalismus garnicht
>“so“ (oder nur in wenigen Ausnahmefällen, deren besondere Voraussetzungen die
>Abweichung erklären: Darum hat sich das Institut besonders gekümmert…)
>Das erstmal vorneweg.
>
>…
>Mesrine war/ist in seiner Modellbildung extrem fixiert auf den Nachweis, dass ein
>r>1 auf egal welcher Ebene zu unüberwindlichen Schwierigkeiten oder
>ökonomischen Folgeproblemen führt.
>Ich hatte oben schon angesprochen, dass zumindest auf der Ebene des BIP diese
>Rate garnicht bestehen muss.
>
1)
Vermutlich hast du das nicht richtig verstanden.
Ganz allgemein:
Wenn eine mathematische Größe wächst,( z.B. linear, aber nicht notwendig linear),
kann zwar ihre Wachstumsrate sinken, aber sie ist immer größer 1.
Speziell geht bei einem linearen Wachstum die Wachstumsrate gegen 1, wenn die Zeit gegen unendlich geht.

einfaches Beispiel:
Nimm ein lineares Wachstum beschrieben z.B. durch die Ursprungsgerade
(steigt mit 45°)
y = t mit t in Jahren
Größe von y z.B.
y nach 10 Jahren = 10
y nach 11 Jahren = 11
also Wachstum q_11 = 11/10 = 1,1 > 1

y nach 100 Jahren = 100
y nach 101 Jahren = 101
also Wachstum q_101 = 101/100 = 1,01 > 1

Wenn dir die Beispiele nicht genügen, kann ich einen allgemeinen Beweis liefern.

2)
Ich habe in meinem Modell _nur_ vorausgesetzt, dass r >1 ist.Ich habe _nicht_ vorausgesetzt, daß r eine Konstante ist.
Es wäre vermutlich besser gewesen, die zeitlich Abhängigkeit von r mit r(t) darzustellen.

==================================================================================

Jetzt zu meinem eigentlichen Posting:
>
>Meine nachfolgenden Antworten benennen den aus meiner Sicht wesentlichen Fehler in
>mesrines Modell entweder garnicht, oder nicht präzise.
>Der besteht nach meiner Einschätzung darin, dass mesrine das Zyklische eines
>Reproduktionsprozesses mit den Schritten eines Akkumulations- und Innovationsprozesses
> zusammenwirft.
>
Diese Zyklen können ja theoretisch gleich groß sein.

>Die „U“, die im Modell in einem Zyklus verbunden sind, müssten dann in Wahrheit eigentlich
>Stadien ein und derselben reproduktiven Einheit darstellen – das U liefert sich die innovativen
>Ersatz-PM, die aus seinem Mehrprodukt heraus entwickelt werden, dann gewissermassen selbst zu,
>speist „akkumulierend“ die innovativen PM in seinen Reproduktionsprozess ein.
>Dabei „wächst“ es auch – aber viel wichtiger ist dabei die ständige Revolutionierung des
>PM-Apparats dieser reproduktiven Einheit (eigentlich: einer ganzen Ökonomie, sich kapitalistisch
>reproduzierendn Gesellschaft).
>

Die verschiedenen U, also U1, U2, U3 sind Unternehmer, die Produktionsmittel bzw. Waren erzeugen.

>
>mesrines ganze Modelliertätigkeit und die Geschwindigkeit, mit der er immer neue Etwürfe vorlgt,
>beruht eigentlich darauf, dass er sich über das Fundament, auf dem überhaupt das „r>1“,
>Wachstum, Profit usw entsteht, also was da vorausgesetzt ist und unabdingbar ins Modell
>übernommen werden müsste, keine Rechenschaft gibt.
>
r1 > 1, r2 >1, usw. ist die Annahme, dass jedes Unternehmen Profit macht.
Das Modell zeigt, daß dies in diesem Modell unter den Modellannahmen sein kann,
daß es also konsistent ist, aber nicht notwendig realistisch.
Ich dachte früher, dass schon so ein Modell nicht möglich wäre.

I)
Die Modellannahmen sind aber unrealistisch, weil davon ausgegangen wird, daß
jeder Output auch verkauft wird, dass es also ein Art zentrales Planungsbüro gibt,
das eine Struktur mit den zugehörigen Relationen vorgibt.
Kapitalisten wären dann keine „Kapitalisten“ mehr, sondern Funktionäre dieses zentralen Planungsbüros
und man hätte dann keinen Markt mit Konkurrenz und Risiko.

II)
a)
Um ein realistischeres Modell zu bekommen, müßte man die durch die Konkurrenz verursachten Unwägbarkeiten des Kapitalismus modellieren, also nichtdeterministische Elemente einfügen
(also nicht aus a folgt b , sondern aus a folgt b oder c)
Oder wie du es beschreibst:
„Investieren ist Stochern im Nebel der unbekannten gesellschaftlichen Produktions-Zusammenhänge…“ und „Überall ist Risiko“

b)
Diese verschiedenen Verhaltensweisen (Tendenzen im kapitalistischen Wirtschaften)eines kapitalistischen Systems könnten sein

1)hohe Profitrate –> erzeugt Konkurrenz (viele wollen Kapitalisten wollen verdienen) –>
erhöhtes Angebot –> niedrigere Preise –>
1. Möglichkeit: einige Kapitalisten geht Pleite (r<1)
2. Möglichkeit: Kapitalist steigert Produktivität (nimmt Geld auf)
3. Möglichkeit: neuartige Güter verdrängen alte Güter, Kapitalisten gehen Pleite (r<1)
4. Möglichkeit: niedrige Preise erzeugt weniger Konkurrenz (es gibt weniger zu verdienen)

2)erhöhte Konkurrenz –> einige Kapitalisten steigern Produktivität (um Vorteile gegenüber anderen Kapitalisten zu haben)–> Kosten (Arbeit, Material, Energie) und Preise für Waren fallen, also höhere Nachfrage –> Konkurrenz wird weniger und einige Kapitalisten gehen Pleite (r<1)

3)weniger Konkurrenz –> Kapitalisten können höhere Preise verlangen –> Profitrate steigt

Gibt es noch weitere mögliche Verhaltensmuster?

mfg
me

21. Dezember 2014
Also gut – der Beweis gelingt entgegen allen Erwartungen, und der Mathematiker freut sich.
Nicht so die Ökonomie-Kritikerin.
Denn… nicht nur, dass durch die ausgiebige Beschäftigung mit der mathematischen Struktur gewisser Modellannahmen diese Annahmen quasi geadelt werden als solche, die diese Aufmerksamkeit verdienen; schlimmer noch: die BEGRIFFLICHEN Voraussetzungen, auf die da die Aufmerksamkeit gerichtet bleibt, werden zur Gewohnheit, ja geradezu zementiert; und das muss alles nicht sein, nur geschieht es genau so, und auch sehr wahrscheinlich so;
denn… um den Kern durchgeführter „Beweise“ und ihrer Modell-Voraussetzungen lässt sich ein „Hof“ denken aus weiteren solchen Voraussetzungen, und das Prinzip zu ihrer Bildung lautet: „So oder so ähnlich… muss es doch, wird es doch sein…“
Die Aufmerksamkeit ist jedenfalls beschäftigt. Sie ist abgelenkt. Von der Frage: Wie es IST – wie die Annahmen lauten MÜSSTEN.
Und da ist die Grundannahme jeder mathematischen Modellbildung betroffen. Denn die sagt ja: Modellierbar immerhin… muss Ökonomie doch sein!
Aber wie, wenn das Nachdenken über die Prinzipien der bürgerlichen Politischen Ökonomie (der Theorie wie der Praxis) genau das Gegenteil herausfände?
((Und das gilt, paradoxerweise, sogar noch für solche Theorien, die eine notwendig selbst-zerstörerische und Zusammenbruchs-Tendenz dieser Sorte Ökonomie, auf deren eigenen Voraussetzungen, behaupten…))

Das ist der Grund, warum solche wie ich solchen Versuchen wie deinen immer mit einem Unbehagen gegenübertreten… und die erhöhte Aufmerksamkeit fürs Modellieren schon für den Ausdruck eines (bezogen auf kapitalistische Ökonomi) allzu positiven Vorurteils (was deren Rechen- und Berechenbarkeit angeht) ansehen…
——————————–
Speziell möchte ich kurz nochmal nachfragen, welche Art von Technologie das sein soll, die in derart kreisförmiger Verknüpfung sich mit sich veredelt: Die Ausgangsprodukte der Vorgänger-Station sollen ZUGLEICH das Veredelte UND das Produktionsmittel ihrer eigenen Veredelung sein? Und… was soll „Veredelung“ denn bedeuten, wenn es nicht IRGENDWO auch mal zu Kostensenkung führt? Bloss – wo soll sich DIE denn in deinem Modell abspielen? (Teure Technologie wird normalerweise eingesetzt, um Stückkosten zu senken…) – Die Dimension des kosten-senkenden Einsatzes höher-entwickelter Produktionsmittel – auch in ihrer eigenen Produktion, das ständige Freisetzen von Produktionsoptionen ist so nicht modelliert. Allenfalls… der Prozess eines raschen (Wieder)Aufbaus einer vorhandenen Industrie bei angemessenem Fachkräfteangebot – und grenzenlos frei verfüg- und einsetzbarem technologischem Wissen. Selbst dann noch sind die „U“ in deinem Modell allenfalls zu verstehen, wenn man sie ansieht als riesige Blöcke aus in sich verzweigten Produktions- und Handelsstationen, die aus sich einen für den nächsten Block je benötigten Mix aus Gütern entlassen; sagen wir: U2 ist ein industrielles Basissystem, U3 ein darauf aufbauendes Mehrprodukt-Verwertungs- und Innovations-Entwicklungs- und -Einführungssystem. Kapitalistisch funktionierende „Unternehmen“ können nicht sinnvoll in der Weise verknüpft gedacht werden, wie du es modelliert hast. Ich will das jetzt aber nicht weiter vertiefen.
——————————–

Die Annahme „r>1“ für den Einzelbetrieb, solang es ihn gibt, ist mit einer riesigen Zahl von weiteren Annahmen vereinbar, deren jede in sehr unterschiedliche Richtungen weist. Ob das Wachstum der Gesamtwirtschaft, verstanden als Preissumme wie etwa das BIP, exponentiell sein soll, die Raten also nicht grundsätzlich ständig abnehmen sollten, und das zum Ausgangspunkt politischer Eingriffe werden soll – oder ob es eben von vorneherein als linear, und mit einem vergleichsweise bescheidenen konstanten Zuwachs stattfindet – das macht schon einen gewaltigen Unterschied. Erst recht macht es einen Unterschied, wenn der reale Erfolg des Gesamtkapitals in dieser Wirtschaft, der mit deren Fortschritt gleichgesetzt wird, durch diese Ziffer AUS PRINZIP zunehmend weniger, und womöglich bereits nichtmal mehr näherungsweise repräsentiert wird (was alles bereits als ideologische und Verschleierungs-Tendenz aufgefasst werden könnte: Was wird nicht alles mit Wachstumsschwäche gerechtfertigt! Was nicht damit, dass die „Arbeitsproduktivität“ einfach nicht stark genug gestiegen sei, verglichen mit der „Kapitalproduktivität“ (gesamtgesellschaftlich, also mit BIP- und BIP-artigen Preissummen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ermittelt); und beides – angeblich – ganz entschieden zu wünschen übrig lasse…))

Es gibt einfach groteske Fehl-Modellierungen und künstliche Probleme, wenn die Wachstumsraten zu hoch angesetzt werden. Weil dann die Potentiale zum Hoch- oder Runterfahren von Produktion, das Auslasten von Kapazitäten und im weiteren Sinn, die zum relativ reibungslosen Ausweiten oder Stillegen von Produktions-Kapazitäten, ignoriert werden müssen, und man sich fragen muss, wie „das“ dann eigentlich geht. (Die immer wieder angesprochene debitistische Theorie, an die auch deine Modelle erinnern (wenn man sich die doch etwas gewagten Annahmen über die „Finanzierung“ anschaut) baut sehr stark auf gekünstelten Annahmen und Problemstellungen auf, die viel mit plötzlich anfallenden riesigen Zahlungs-Lücken zu tun haben… die sind dann allerdings nicht mehr zu schliessen.
Die Anpassungsfähigkeit der Einzelkapitale an Schwankungen der für sie relevanten Märkte ist aber ein wichtiges Moment nicht nur von Wachstum und dessen (anzunehmender) Stetigkeit, sondern überhaupt der Haltbarkeit des ganzen Systems. Solche System-Fundamente sollte man nicht einfach (zB durch unbewältigbare Steigerungsraten von was immer) wegmodellieren.
————————-
Dass deine „U“ für Unternehmen standen, war mir schon klar, aber was du da modelliert hast, noch dazu mit „Realitäts-bezogenen“ Interpretationen wie „Veredeln“ und „Inflation“ (wohl im Sinn von „anhaltendem Teurerwerden“) – das drückt im Grundsatz eine aus meiner Sicht völlig verkehrte Sicht des „Wachstumsprozesses“ aus.
Und das habe ich in dem Nachtrag zum 16.6. oben sagen wollen (und dann nochmal oben im 2.Absatz dieses Beitrags „Speziell möchte ich kurz nochmal nachfragen…“).
Was zyklisch verbunden ist, und in solchen sich reproduzierenden und grundsätzlich stabil reproduzierbaren Lieferbeziehungen steht – das ist nicht das, was „wächst“. Was zuwächst, die Überschüsse, wird für alles Mögliche genutzt und entnommen.
Einiges davon wird benutzt, um Vorhandenes auszuweiten – „Akkumulation“. Aber… das geschieht nie, ohne dass der ursprünglich reproduktive Basisprozess sich verändert – einige seiner Branchen, oder Betriebe in ihnen, in Sättigungs- oder Sprungkost-Zonen hineinwachsen.
Einfaches Vervielfältigen des Vorhandenen, dasselbe nochmal danebenstellen – das ist zwar die naheliegendste, in „Aufbauphasen“ (nach Kriegen, in Schwellenländern) vorübergehend häufigste, ansonsten aber wahrscheinlich die seltenste Verwendung, die von Überschüssen gemacht wird.
Der Überschuss-Sektor – eine rein begriffliche Kategorie; empirisch existiert sie nicht! – setzt als ganzer dem gesamten (Re)Produktionssystem eine Art zweite Etage auf. Denn das für seine eigene Reproduktion nicht Benötigte fliesst in Produktionslinien ein, deren Produkte gegeneinander „getauscht“ werden – die Nachfrage stammt von (regelmässigen) Verkäufern solcher Produkte, und aus den Verkäufen der in diese Produktlinien eingespeisten Teile des Basis-Mehrprodukts – wie indirekt auch immer diese Nachfrage ausgeübt werden mag – etwa durch „Anlage suchendes Investitionskapital“, das als Kredit oder sonstige Beteiligung erscheint, und die wichtigste Sorte aller Mehrprodukte finanziert: Innovationen. Auch sie können nämlich als Produkt angesehen werden. Nur leider – aufgrund der im Patentrecht kodifizierten Spielregeln, oder den begrenzten Möglichkeiten, Produktionsgeheimnisse zu bewahren – eines mit bloss befristetem Gebrauchswert – zumindest für die spezifisch kapitalistische Verwertung.

WENN man eine Form dingfest machen will, in der und durch die hindurch das Prinzip „immer neue Produktionsmittel mithilfe immer neuer Produktionsmittel produzieren“ verwirklicht wird – dann ist es diese: Ein irgendwo erwirtschafteter Überschuss, vielleicht aber auch bloss ein befristet nicht benötigter Geldbetrag, wird investiert in Forschung Entwicklung, Erprobung, produktive Realisierung und Markteinführung eines Produktionsmittels, das in einem speziellen Produktionssektor, bisweilen auch mehreren, die Produktivität hinsichtlich bestimmter Kostenfaktoren deutlich steigert. Die im Markt-Sinn erfolgreiche Einführung der neuen Technologie hat Konsequenzen: 1. die Investitionen können in der Anfangsphase aus den erwirtschafteten Gewinnen mit Zins zurückgezahlt werden (hier zu beachten: anfänglich mögliche Differenz des neuen zum früheren Marktpreis des Produkts, bei insgesamt gesunkenen Kosten kann dieser neue Marktpreis eine zeitlang über dem endgültigen liegen), der Vorgang kann sich wiederholen; 2. die eingesparten Kostenfaktoren werden weniger nachgefragt und daher womöglich billiger, 3. die Verbilligung des Produkts setzt irgendwo Nachfrage frei, speziell solche im Mehrprodukt-Sektor – es können sich Spielräume für weitere Investitionen dieser Art öffnen.

Es könnte aber auch sein, dass die Einsparungen gesamtgesellschaftlich nicht nochmal anderswo verwendet werden, sondern tatsächlich einfach – eingespart werden. Die Produktion könnte schrumpfen. Und das… bei gleichbleibend hohen Profiten der tatsächlich aktiv fungierenden Einzelkapitale, und fortlaufender Steigerung der Produktivität der Gesamtproduktion durch Innovationen. BIP-Wachstum <1 ist mit prosperierendem Kapitalismus vollkommen vereinbar. (Die Lohnabhängigen haben vorher wie nachher nicht soviel davon… Ausser, dass die Lohnarbeitslosigkeit und damit die Konkurrenz zwischen ihnen weiter steigt.)

22. Dezember 2014
>
>Die Aufmerksamkeit ist jedenfalls beschäftigt. Sie ist abgelenkt. Von der Frage:
>Wie es IST – wie die Annahmen lauten MÜSSTEN.
>Und da ist die Grundannahme jeder mathematischen Modellbildung betroffen.
>Denn die sagt ja: Modellierbar immerhin… muss Ökonomie doch sein!
>Aber wie, wenn das Nachdenken über die Prinzipien der bürgerlichen
>Politischen Ökonomie (der Theorie wie der Praxis) genau das Gegenteil herausfände?
>

Warum soll es denn prinzipiell nicht möglich sein, die Waren- und Geldströme
in einem Wirtschaftssystem zu erfassen, zu protokollieren bzw. abzubilden?
Vielleicht war es auch von meiner Seite aus schon schlecht, das Wort Modell zu benutzen,
weil es so abgehoben klingt und zum Widerspruch reizt.
Mit Modell meine ich, dass man die verbale Begründung (Argumentation) auch durch BEISPIELRECHNUNGEN versuchen sollte darzustellen.
Damit kann man die Argumente besser nachvollziehen.
Gerade die Beispielrechnung im letzten Posting von mir („der Beweis gelingt entgegen allen Erwartungen“) zeigt doch wie eine verbale Argumentation von dir durch eine konkrete Rechnung widerlegt wurde:
„Die Wahrheit ist KONKRET“.
Der Politikwissenschaftler (Marxist?) Michael Heinrich macht doch auch Beispielrechnungen.
Was spricht da so dagegen?
Ich kann viele deiner Argumente nicht nachvollziehen (vielleicht fehlt mir auch Begabung Sinn entnehmend zu verstehen)
Warum untermauerst du sie nicht durch einfache Beispielrechnungen?
Warum scheust du diese Beispielrechnungen wie der „Teufel das Weihwasser“?

Vielleicht noch ein triviales Beispiel für unsere unterschiedlichen Argumentationsmuster:
Herr A leiht Herr B Geld und Herr B leiht Herr A Geld.
Dadurch „folgt“ doch „intuitiv“ und „logisch“ sofort :
Da jeder Jedem Geld leiht, hat keiner Forderungen an den Anderen.
So könnte man verbal argumentieren.
Anhand von verschieden Beispielrechnung könnte man aber auch zeigen, daß dies nicht stimmt.
Deswegen ist es doch sinnvoll solche Beispielrechnungen zu machen.

>
>Speziell möchte ich kurz nochmal nachfragen, welche Art von Technologie
>das sein soll, die in derart kreisförmiger Verknüpfung sich mit sich veredelt:
>Die Ausgangsprodukte der Vorgänger-Station sollen ZUGLEICH das Veredelte
>UND das Produktionsmittel ihrer eigenen Veredelung sein?
>

Beispiel:
Mit Computer baut man Roboter. Mit Robotern und entsprechender Software baut man neue Platinen.
Mit diesen baut man wieder Computer, usw., also:
Computer –> Roboter –> Platinen –> Computer —> …
Aber zugegeben: das habe ich mir jetzt so zusammenkonstruiert.
Aber Grundlage einer jeden Beispielrechnung von mir ist, dass jedes Unternehmen einen Input
und einen Output hat. Bei endlich vielen Unternehmen bedeutet das, daß man diesen
„Graphen“ (jedes Unternehmen wird durch einen Punkt mit einem Input und einem Output)
durch einen Kreis darstellen kann (Wirtschaftskreislauf).

>
>Und… was soll „Veredelung“ denn bedeuten, wenn es nicht IRGENDWO auch
>mal zu Kostensenkung führt?
>Bloss – wo soll sich DIE denn in deinem Modell abspielen? (Teure Technologie wird
>normalerweise eingesetzt, um Stückkosten zu senken…) –
>

Da hast du Recht!
In meiner Beispielrechnung spielt sich das noch nicht ab.
Hast du denn eine Idee, wie man das in eine Beispielrechnung einbauen kann?
Vermutlich muß es ein q<1 geben, was den Output billiger macht.
Aber ein q<1 bedeutet für einen Unternehmer eine „schlechte Kapitalrendite“
Er bekommt weniger raus, als er reingesteckt hat.
Auf Dauer kann das (für ihn) nicht „gutgehen“.

>
>…. baut sehr stark auf gekünstelten Annahmen und Problemstellungen auf,
>die viel mit plötzlich anfallenden riesigen Zahlungs-Lücken zu tun haben…
>die sind dann allerdings nicht mehr zu schliessen.
>Solche System-Fundamente sollte man nicht einfach (zB durch unbewältigbare
>Steigerungsraten von was immer) wegmodellieren.
>
Du behauptest: Meine Beispielrechnungen („Wachstumsraten zu hoch angesetzt werden.“)
sind unrealistisch. Das stimmt vermutlich!
Aber: Dann gibt mir bessere KONKRETE Beispielrechnungen!

>
>…., aber was du da modelliert hast, noch dazu mit „Realitäts-bezogenen“ Interpretationen
>wie „Veredeln“ und „Inflation“ (wohl im Sinn von „anhaltendem Teurerwerden“)
>

Genau: Teurer werden!

>
>Was zyklisch verbunden ist, und in solchen sich reproduzierenden und grundsätzlich
>stabil reproduzierbaren Lieferbeziehungen steht – das ist nicht das, was „wächst“.
>

Doch, in den Beispielrechnungen wachsen die Preise.

>
>Was zuwächst, die Überschüsse, wird für alles Mögliche genutzt und entnommen.
>

Stimmt, das habe ich noch nicht berücksichtigt:
Bei r>1 macht der Unternehmer auch noch Gewinn. Und mit dem kann er alles Mögliche machen (z.B. investieren).

>
>Der Überschuss-Sektor – eine rein begriffliche Kategorie; empirisch existiert sie nicht! –
>setzt als ganzer dem gesamten (Re)Produktionssystem eine Art zweite Etage auf.
>

Bau das doch mal KONKRET in eine Beispielrechnung ein!

>
>Und das… bei gleichbleibend hohen Profiten der tatsächlich aktiv fungierenden
>Einzelkapitale, und fortlaufender Steigerung der Produktivität der Gesamtproduktion durch
>Innovationen. BIP-Wachstum <1 ist mit prosperierendem Kapitalismus vollkommen
>vereinbar.
>

Dem widerspreche ich!
Zeig mir das an einer KONKRETEN Beispielrechnung!

mfg
me

24. Dezember 2014
Mesrine, dir fehlt es sowenig an „Begabung“ wie irgendjemand sonst, eher schon am Motiv, zusätzlich zu oder auf Kosten von dem, was du sonst für wichtig hältst, auch noch das „verstehende Entnehmen von Sinn“ zu üben – wenigstens auf einem betimmten Gebiet (mehr können auch die gewitztesten Sinn-Entnehmer nicht, ohne sich auf das nächste Gebiet wieder genauso mühsam einzulassen und sich darin halbwegs virtuos auskennen zu lernen). Die meisten Leute, die – so wie du – versuchen auszudrücken, woran es ihnen da möglicherweise fehlt, kennen keinen allgemein eingeführten Ausdruck, einen bildungssprachlichen etwa, den sie da einsetzen könnten. Das zeigt, nebenbei, wie wenig die entsprechende „Kompetenz“ bei uns kulturell verankert oder gar „kultiviert“ wird. Mein Vorschlag für einen solchen Ausdruck lautet: BEGRIFFSBILDUNG. (Die steckt, meine ich, auch hinter deiner Rede von der „verbalen Argumentation“. Übrigens: Es war deine eigne Erwartung, dass sich das PM-Wachstum nicht würde modellieren lassen, die dann überrachend widerlegt wurde… ICH hatte eigentlich garnichts erwartet…)

Und nun schau, mesrine, wie oft du sagen musst: dies hab ich vergessen, und jenes, SO ist es natürlich unrealistisch usw. Oder erinnere dich, wie sich deine Modelle vom Anfang angesichts einiger „verbaler Argumente“ in diesem thread verändert haben.
Nein, mesrine, ich hab garantiert keine Angst vor Mathematik und formal gut rechenbaren Einkleidungen einer Hypothese über die real existierende Ökonomie Ich bin nur von einer solchen Hypothese, allein schon in Gestalt einer „verbalen Argumentation“, weit entfernt. Wenn du sehen wilst, wie (wenig) weit ich mit meinen Grübeleien gediehen bin, wirf einen Blick (mehr muss wirklich nicht sein) in mein Forumsblog.

Zu deinem Widerspruch:
Ich hatte ausdrücklich unterschieden zwischen dem r des Einzelkapitals, und das muss in der Tat >1 sein und bleiben, sonst macht dies Unternehmen Verluste; und dem g, mit dem die Wertschöpfung einer Region (zB BIP) in einer Frist (zb Jahr) steigt oder sinkt.
Die Behauptung war, dass erfolgreich kostensenkende Einzelkapitale das gesellschaftlihe g in Richtung 0 treiben können und sogar ins Minus drehen lassen können, während sie selber ständig auf ihre immer kostengünstigeren Auslagen den immergleichen Profit der Rate r machen. Aber bloss, wenn zugleich ständig die vormals teurer produzierende Konkurrenz vom Markt verschwindet – und das können sie selber sein, die rechtzeitig ihr Geschäft auf neue Technologie umgerüstet haben und es fortwährend tun. Ebenso verschwinden uU ganze Branchen, deren Produkte nicht mehr benötigt werden – was ist nicht alles an Branchen, etwa bei Büroartikeln, durch die Digitalisierung überflüssig geworden – einschliesslich den zugehörigen Lohnabhängigen (die wachende Lohnarbeitslosigkeit schlägt sich natürlich als Kostensenkung im rationalisierenden Betrieb und als sinkendes BIP (g sinkt) nieder (weniger Lohnabhängigen-Konsumausgaben; HartzIV-Empfänger, Aufstocker, Niedriglöhner haben nun mal keine grossen Budgets) – gesamt-kapitalistisch gesehen, ist das nun aber nicht unbedingt ein Misserfolg! Die Profitrate r der verbliebenen Marktteilnehmer stimmt nämlich weiterhin…)

Und jetzt nochmal das grundsätzlich Verkehrte deines Wachstumsmodells (nicht dass es Modell ist, reizt zum Widerspruch!):
„Zurückgezahlt“ werden die Kredite mit Tranchen eines neuen Kredits, der je doppelt so gross sein muss wie der alte – klassisches Schneeballsystem; wenn nicht der Kredit ständig ausgeweitet wird, bricht der ständig wachsende Zirkel zusammen.
Real, das hatte ich oben schon gesagt, sieht das aber so aus, dass – selbst wenn solche Innovations-Zyklen wie von dir skizziert (Computer-Roboter-Platine-Computer…) existieren – jede dieser Innovationen Anwendungen auch ausserhalb ihrer eigenen Höherentwicklung hat – DORT, in diesen Anwendungen, dann meist einer „Schlüsselindustrie“ (wie eben den elementaren IT-Produkten, Chip, Platine usw), wird das Geld verdient (als Überschuss über Produktions- und Entwicklungskosten), mit dem die nächste Innovation in Angriff genommen werden kann – auf demselben Gebiet, zur Weiterentwicklung der eigenen Produkte, oder als zB Risiko-Investition in ein innovatives Projekt. Also irgendwo müssen überschüssige und wirklich erwirtschaftete Geldbeträge dasein, die ebenso überschüssige Produkte kaufen, mit denen die Neu-Entwicklung bis zur Marktreife vorangetrieben werden kann. Und diese Produkte müssen dann entweder einen neuen reproduktiven Zirkel ausserhalb oder oberhalb aller schon bestehenden Reproduktion eröffnen (das würde sich als BIP-Erhöhung und g>1 niederschlagen) – oder aber, sie verdrängen und „zerstören schöpferisch“ bestehende Produktionsanlagen, entwerten sie „moralisch“, durch ihre überlegen Kosten-günstige Produktivität. Schliesslich können sie auch, vielleicht zusätzlich, oder auch ausschliesslich, Nachfrage nach Gütern etablierter Branchen (zB Digital-Kameras: Foto- und (traditionelle) Foto-Film-Industrie) auf sich ziehen.
Diese Art von Einführung und Durchsetzung eines innovativen Produktionsmittels oder einer Produktsorte hast du nicht modelliert, weil du den Basis-Prozess nichtmal im Ansatz repräsentiert hast: Schon die Lebensmittel werden absurderweie von jeder der bei dir involvierten Branchen (Computer/Roboter/Platine) selbst produziert (Betriebskantine?) – eine Einführung dieser Produktionsmittel in eine Lebensmittel- oder andere Produktionsmittelbranche als Teil des Gesamt-Reproduktionsprozesses kommt nicht vor – also die ANWENDUNG ausserhalb der Selbstreproduktion (Rohstoffe, Energie, Bau- und Transportgewerbe, Gesundheit, Büroartikel – alles wird uU von den Produkten der drei Schlüsselbranchen mit-betroffen).
Und klar – das wird dann auch schnell kompliziert….

25. Dezember 2014
>
>Und nun schau, mesrine, wie oft du sagen musst: dies hab ich vergessen, und jenes,
>SO ist es natürlich unrealistisch usw. Oder erinnere dich, wie sich deine Modelle vom
>Anfang angesichts einiger „verbaler Argumente“ in diesem thread verändert haben.
>

manche deiner verbaler Argumente kann ich nachvollziehen (viele aber nicht) und versuche sie deshalb in meine Modelle einzuarbeiten.
Daß sich dadurch die Modelle ändern ist offensichtlich.
>
>Nein, mesrine, ich hab garantiert keine Angst vor Mathematik …
>

Warum gibst du dann zusätzlich zu deiner „verbaler Argumentation“ nicht noch eine Beispielrechnung?

>
>Zu deinem Widerspruch:
>Ich hatte ausdrücklich unterschieden zwischen dem r des Einzelkapitals,
>und das muss in der Tat >1 sein und bleiben, sonst macht dies Unternehmen Verluste;
>und dem g, mit dem die Wertschöpfung einer Region (zB BIP) in einer Frist (zb Jahr)
>steigt oder sinkt.
>Die Behauptung war, dass erfolgreich kostensenkende Einzelkapitale das
>gesellschaftlihe g in Richtung 0 treiben können und sogar ins Minus drehen lassen können,
>während sie selber ständig auf ihre immer kostengünstigeren Auslagen den immergleichen
>….
>

Wenn bei _jedem_ Kapitalisten r>1 ist, verstehe ich deine verbale Argumentation nicht.
Warum gibst du („Nein, mesrine, ich hab garantiert keine Angst vor Mathematik“)
dann zusätzlich zu deiner „verbaler Argumentation“ nicht noch eine von mir geforderte Beispielrechnung?

>
>Und jetzt nochmal das grundsätzlich Verkehrte deines Wachstumsmodells
>(nicht dass es Modell ist, reizt zum Widerspruch!):
>“Zurückgezahlt“ werden die Kredite mit Tranchen eines neuen Kredits, der je doppelt so
>gross sein muss wie der alte – klassisches Schneeballsystem; wenn nicht der Kredit ständig
>ausgeweitet wird, bricht der ständig wachsende Zirkel zusammen.
>…
>
>…Produktions- und Entwicklungskosten), mit dem die nächste Innovation in Angriff
>genommen werden kann – auf demselben Gebiet, zur Weiterentwicklung der eigenen
>Produkte, oder als zB Risiko-Investition in ein innovatives Projekt. Also irgendwo müssen
>überschüssige und wirklich erwirtschaftete Geldbeträge dasein, die ebenso überschüssige
>Produkte kaufen, mit denen die Neu-Entwicklung bis zur Marktreife vorangetrieben werden
>kann. …
>

Ich verstehe deine verbalen Argumente nicht
Warum gibst du („Nein, mesrine, ich hab garantiert keine Angst vor Mathematik“) dann zusätzlich zu deiner „verbaler Argumentation“ nicht noch eine von mir geforderte Beispielrechnung?

mfg
me

EDIT und Anmerkung der Moderatoren:
Lieber mesrine,
wenn du hier an Mitdiskutierende (nicht zum ersten Mal!) FORDERUNGEN stellst, wird eine Grenze überschritten.
Vor allem Franziska hatte sich sehr viel Mühe gegeben und viel Zeit aufgewandt, um auf deine Argumente einzugehen.
Du willst ihr aber die Möglichkeit nehmen, so zu antworten, wie sie es für richtig hält.
Das ist „politische“ Kampfdebatte, die auf „Niederlage eines Gegners“ aus ist, aber keine Diskussion auf gleicher Augenhöhe, die nach gemeinsamen Wahrheiten und gemeinsamen Lösungen sucht.
Lass es bitte gut sein!
Die Moderatoren
hier endete der mesrine-thread.

Es gab aber noch private Emails dazu:

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thread: Abschreibungen und ihre Auswirkung auf die Profitrate

26. Mai 2014
Vielleicht denkt er an „schon abgeschriebene“ Bestandteile des fixen Kapitals, die aber noch funktionieren und ab da „kostenlos“ weiterverwendet werden. Des weiteren… sind Abschreibungen, die als Kosten in tatsächlich realisierten Preisen einberechnet waren, bereits in die Geldform zurückverwandelt – und stehen für Neu-Investitionen zur Verfügung. Oder zur Ausweitung des laufenden Geschäfts. Jedenfalls ist alles Amortisierte und in Geld Zurückverwandelte gegen „moralischen Verschleiss“ immun – auch das beruhigt. Und der Staat.. erlaubt den Schnell-Abschreibern, ihre Gewinne (in dieser Phase) kleinzurechnen und das Amortisiert-Abgeschriebene ganz schnell in neue noch produktiovere Anlagen zu stecken, Zeit ist Geld. Oder, wie im Fall der kostenlosen Weiterverwendung, Finanzierungs-Spielräume zu schaffen…
Mehr fällt mir da im Moment nicht ein, nichts, worauf nicht jeder andre auch kommen könnte. HIer zumindest sind wir ja alle Laien… Kann man Altvater oder Altvater-Kenner nicht direkt fragen?

6. Juni 2014
Ich will hier noch anmerken, dass uns das mutmassliche Hauptmotiv für Altvaters Bemerkung hier garnicht auf- und eingefallen ist, nämlich (ich rate da mal) dass durch beschleunigten Umschlag des fixen Kapitals bzw. eben getätigte Abschreibung die so hergestellte „Liquidität“ des Unternehmens eingesetzt werde kann, um die Kapazitäten voll auszulasten, also bei gleichem Kapital-Grundstock ohne Zuatzkosten zusammen mit dem erhöhten Roh- und Hilfsstoff-Durchsatz auch mehr Arbeiter in gleicher Frist, in den gleichen, bereits abbezahlten Produktionsanlagen zu beschäftigen, und damit mehr von der (marxistisch gedacht) einzigen Quelle des letztendlichen Profits, der Mehrarbeit „einzusaugen“ und damit in gewissem Umfang der „tendenziellen“ Belastung der Profitrate durch die steigenden Kostenanteile der „toten“ und als solche nicht mehrwertträchtigen Arbeit (konstantes Kapital c) entgegenzuwirken. Sowohl das Problem als auch die Idee, dass es durch Beschleunigung des Umschlags von zirkulierendem Kapital gemildert würde, beruhen auf der marxistischen Erklärung, dass nur Lohnarbeit „Wert“ und dann auch „Mehrwert“ schafft, somit als einzig mögliche Quelle des Profits fungiert.

9. Juni 2014
Wie gesagt, Kim, ich rate hier nur, wer immer daran interessiert ist, sollte die betreffenden marxistischen Ökonomen (oder ihre Texte) befragen. Aus „marxistischer“ Sicht könnte ein erfolgreich durchgeführter Rückfluss der Auslagen für fixes konstantes Kapital lang vor der üblicherweise erwartbaren Nutzbarkeitsdauer der betreffenden Produktionsmittel – ein Rückfluss, der dann eigentlich eine unproduktive Rücklage bildet – zur eigenfinanzierten Ausweitung (also etwa Verdoppelung) der Auslagen für zirkulierendes c sowie v führen (also etwa Ausschöpfung vorhandener Kapazitäten durch mehrere Schichten) – womit (immer weiter „marxistisch“ gesprochen) entsprechend mehr Mehrarbeit eingesogen, und berechnet auf die Gesamtauslage mehr Profit in gleicher Zeit erwirtschaftet würde – was hinausläuft auf eine Art „Hebelung“ des anwendbaren Kapitals bei gegebner Grösse des ursprünglich ausgelegten. Die Operation ist riskant, weil dabei ja die Rücklagen für Ersatz des (abgeschriebenen) c erstmal produktiv investiert und durch gesteigerten Absatz wieder reingeholt werden müssen – ob die Nachfrage das hergibt, bleibt dann abzuwarten. Aber wenn sie gelingt, wäre dem Sinken der Profitrate (nach wie vor „marxistisch“ gesprochen) -sie sinkt „tendenziell“ wegen hoher c-Anteile (org.Zusammensetzung) nicht nur vonseiten des individuellen Kapitals, sondern sogar gesellschaftlich etwas entgegengesetzt – im Sinne der Marxschen Theorie. Es war eine Vermutung zur Frage, was ein Vertreter dieser Theorie wie Altvater mit seinem Gedanken gemeint haben könnte. Wir hatten dieselbe Vermutung hier schon irgendwo, wie ich (ohne nachzuschlagen) meine mich erinnern zu können, in den drei threads über zirkulierendes Kapital usw – dort wurde die Auffassung von Peter Nowak geäussert.
Auch aus nicht-marxistischer (oder allenfalls marx-ähnlicher) Sicht ist die Frage der Beschleunigung von „Umschlägen“ von Teilen des gesellschaftlichen Kapitals von Interesse im Zusammenhang mit der hier immer wieder aufflammenden Debatte über die Aussagekraft des Bruttoinlandsprodukts – Kosten, die vielfach in andern Kosten verschwunden sind, und das im Kreis herum (aber dabei anwachsend, ohne – ausser in Bruchteilen – sich in irgendeiner der in der BIP-Rechnung zum „End- und Verbrauchsprodukt“ (das keine Kost mehr sein soll) erklärten Waren niederzuschlagen).

11. Juni 2014
Ich fürchte, da hab ich mich jetzt missverständlich ausgedrückt: Eben nicht die (ursprüngliche) „Auslage“ für zirkulierendes Kapital wird erweitert, sondern bloss das ANGEWANDTE zirkulierende Kapital – das ursprünglich überhaupt angelegte Kapital hingegen wird nicht vergrössert, wohl aber der (aus marxistischer Sicht) nun durch vermehrtes „Einsaugen von Mehrarbeit“ entstehende Profit, der auf dies ursprünglich angelegte Kapital entfällt – wodurch die Profitrate steigt.

12. Juni 2014
Das mit der Verwirrung könnte stimmen, fürchte ich… bloss: im Rahmen der marxistischen ökonomischen Theorie, rein immanent argumentiert, macht der Gedanke, meine ich, Sinn: die durch Einsatz der „vorzeitig“ zurückgeflossenen (bzw in der Kostenkalkulation so angesetzten) Fix-Kapital-Aufwendungen möglichen Zusatz-Investitionen in Roh- und Hilfsstoffe (angewandt-zirkulierendes c zus.) sowie zusätzliche Beschäftigung (v zus.) ermöglicht in der Tat eine Vergrösserung des in gleicher Zeit, mit dem gleichen Produktionsmittelapparat bzw. Gebäuden usw erwirtschafteten Mehrwerts alias Profitmasse -und die Profitrate wird dabei darum grösser, weil diese vergrösserte Masse bezogen wird auf die gleiche Ausgangs-Investition c+v.
Man lässt da also die Rückflüsse nicht liegen und sich „aufschatzen“, bzw. als Bankguthaben via Kredit anderweitig „arbeiten“, sondern wendet sie im eigenen Betrieb an. Die Pointe dabei ist, wie so oft in der marxistsichen Theorie, dass die ganze Erklärung ihre Basis darin hat, dass die Lohnarbeit einzige Profitquelle, und die Höhe der gezahlten Löhne damit ausschlaggebend für den erzielten Profit ist. Niemand merkt es zwar – aber, wie allgemein bekannt: „Sie wissen es nicht, aber sie tun es“ – die Theorie hat trotzdem recht.
Anm.
So beim notorischen Transformationsproblem, beim tendenziellen Fall der Profitrate, und so in der Erklärung des Zustandekommens der (absoluten) Grundrente aus der besonderen Arbeitsintensität der extraktiven Industrien. (Alle drei Thesen haben es mit der Idee zu tun, welche Auswirkungen der Lohnanteil an der Gesamtinvestition – als eigentliche Bestimmungsgrösse des Profits – auf konkrete wirtschaftliche Vorgänge hat: allgegenwärtige Abweichungen von den „eigentlich gesellschaftlich notwendigen“ Angebots/Nachfragestrukturen (Ausgleich der individuellen Profitraten zur allgemeinen); generelles Sinken der Profitrate mit (konkurrenz-erzwungenem) technischem Fortschritt (steigendem c-Anteil, steigende Kapitalintensität), durch die „Zutrittsschranke“ des Grundeigentums geschützte Extra-Profitabilität der „arbeitsintensiven“ extraktiven Industrien (daher kein durch Überangebot bewirktes Sinken dieser Profite in Richtung Durchschnittsprofit; stattdessen wird der Extraprofit vom Grundeigentümer abgeschöpft)
Alles das sind Konsequenzen der Marxschen Arbeitswerttheorie der Preise.
Das für mich äusserst Befremdliche an diesen Theoriekonstrukten ist, ich wiederhole es, dass sie ernsthaft behaupten, der Anteil der Löhne an der Gesamtinvestition sei die für den Gesamtgewinn entscheidende Grösse, sogar derart, dass Kapitalisten sich (zwangsläufig) danach richten müssen (etwa indem sie in lohnintensive Branchen gehen und die Extraprofite dort abzuschöpfen versuchen, solang bis es (durch Angebotsüberhänge) keine solchen mehr gibt; oder Extraprofite machen, weil keiner so blöd ist, in kapitalintensive Branchen zu gehen, und man dort darum oligopolistische Preise erzielt…). Niemand sollte das bis heute bemerkt haben?
Mir ist noch nichtmal klar, ob die so angestrengt abgeleitete Durchschnittsprofitrate überhaupt empirisch nachweisbar ist. Muss man erklären, was es garnicht gibt? Und… Zutrittsschranken zu Märkten gibt es mannigfaltige (zB die nötige Kapitalgrösse ist eine…) – die bürgerliche VWL ist voll von theoretischen Beschreibungen solcher speziellen Markt-Situationen, und wie das Preise beeinflusst. Die Wachstumsraten (des BIP) sinken… warum? Weil die Auslagen für Sach-Kapital pro Arbeitsplatz so hoch sind, verglichen mit dem Lohn? (Ist der BIP-Überschuss überhaupt ein Mass für“Profit“?)

13. Juni 2014
Oje, jetzt müssen wir wohl genauer werden, weiss nicht, ob Anlass und Thema unsern Schreib-Aufwand und den der Leser (falls das überhaupt jemanden interessiert) rechtfertigen…
Richtig ist dein ebenfalls „Marx-immanent“ gedachter Einwand, Kim, dass für eine Erhöhung des Fixkapital-Kost-Übertragungsanteils am Preis der verkauften Ware erstmal bloss das ebenfalls in diesem Preis enthaltene „m“ verfügbar ist. Allerdings… wenns mal zusammengekommen ist, kann es eben zum zusätzlichen „Zirkulieren“ eingesetzt werden…
Der Vorteil der beschriebenen buchhalterischen Strategie des „beschleunigten oder hohen Abschreibens“ beruht dann auf zwei wesentlichen Voraussetzungen:
1. Man verbucht in den ersten Phasen (oder für die ersten Kontingente) des Verkaufs einer langfristig angelegten Produktmarke (für die eben auch erhebliche, ebenso lange Fristen hindurch produzierende Maschinen, Gebäude usw anzuschaffen waren) keine Gewinne, behandelt also das reinkommende „m“ als zusätzliche Rückzahlung der Auslagen für diese Bestandteile des Produktivvermögens. Das heisst, man versucht erstmal aus der Verlustzone zu kommen und den „break-even-point“ zu erreichen (oder ihm möglichst nahezukommen)
2. Ob, oder ob nicht, man sich durch diese „vorzeitigen“ Zusatz-Abschreibungen über die auf die gesamte Frist zu berechnende „Durchschnittsabnutzung“ einen Spielraum für die von mir beschriebene Anwendung der so sich bildenden Rückfluss-Masse für Ausweitung der laufenden Produktion eröffnet, hängt dann wohl von sowas wie „Sprungkosten“ ab – eine zweite Schicht in einem bestimmten Rhythmus zu fahren, verlangt eben gewisse Minimaleinsätze an Zusatz-Lohn und Roh/Vor/Hilfsprodukten (angewandtem zirkulierendem konstanten Kapital). Da muss wohl schon einiges zurückgeflossen sein. (Aber wenn, s.o., dann kanns auch ZIRKULIEREN, dh. es fliesst eben aus den Zusatz-Erträgen auch immer wieder zurück – vorausgesetzt, der Absatz ist so gross – aber nur dann schöpft man ja auch die Kapazität derart aus…)
Allerdings könnte man die Strategie ja so erweitern, dass man mal versucht (marxistisch gesprochen), ob man das neue Produkt anfangs auch mal über Wert verkaufen kann (und später, bei der Verramschung, dann unter Wert, sodass sich das ausgleicht). Alles Tricks, um sich durch „vorzeitiges“ Reinholen der in jedem Fall nötigen Rückflüsse zum Ersatz des angewandten fixen konstanten Kapitals eine Eigenfinanzierung ENTWEDER von zusätzlicher Kapazitätsauslastung leisten zu können (im besseren Fall), ODER aber (im schlechtesten Fall) die „ökonomische“ Lebensdauer der Maschinen durch volle Kapaitätsauslastung zu verkürzen, dh sie sind in Fristen abbezahlt, die kürzer sind als die üblicherweise zu erwartenden Dauern ihrer Funktionsfähigkeit – das eröffnet Spielräume für „vorzeitige“ Neuinvestitionen auf dem dann erreichten neuesten technischen Stand (dh Verhinderung von „moralischem Verschleiss“).

In deinen Erwägungen würde die „organische Zusammensetzung“ des zirkulierenden Kapitals czirk+v eine gewisse Rolle spielen, und zusätzlich die nach der minimalen technischen Stückelung, die bei einer „Aufstockung“ der Produktion (also etwa: wieviel kostet eine Zusatz-Stunde, Zusatzschicht usw) berücksichtigt werden muss – also die Frage (marxistisch gesprochen), ob die von dir genannten Mehrwertraten genügend Spielräume für einen Einsatz der „überdurchschnittlich abgeschriebenen“ Fixkapital-Erträge aus aktuellem Warenverkauf eröffnen. Aber… es muss ja nicht gleich Verdoppelung und eine ganze zweite (oder dritte) Schicht sein… Kleinvieh macht auch Mist. (Wobei das eher die Frage der Frist ist, bis zu der man den zusätzlich einzusetzenden Anfangs-Betrag für ab dann selbstlaufendes zirkulierendes Kapital beisammen hat…)
Ist es soweit und so auseinandergesetzt korrekt?
—————————————————–
thread: David Harvey´s Sicht des Profitratenfalls

18. Juni 2014+1
Wal hat recht: Empirie, das was tatsächlich da draussen läuft, ist natürlich letztlich, worum sich alles „theoretische Bemühen“ dreht – sie richtig einschätzen und erklären zu können, ist das Ziel. ERKLÄREN (oder auch: begreifen, verstehen können usw) heisst nun freilich: Das bloss zufällig sich Ergebende (das auch (wieder) anders sein oder werden kann) von dem unterscheiden, was notwendig so ist und geschieht, wie wir es beobachten.
Der (Streit-)Punkt, an dem du, Konkordanz, hier versuchst, etwas zu begreifen, ist: Ob die Profitrate langfristig NOTWENDIG, nämlich aufgrund fundamentaler „Spielregeln“ des kapitalistisch verfassten Wirtschaftens, sinken muss – wenn sie es tut, muss man sich fragen, ob aus diesem, oder andern Gründen; und wenn nicht, warum die behauptete Wirkung ausbleibt. Darüberhinaus ist allein die Ermittlung der WIRKLICHEN Profitrate eine nicht ganz einfache Angelegenheit (die Kapitalisten haben allen Anlass, ihre Geschäfte der „Empirie“ und öffentlichen Debatte sowohl vonseiten ihrer Konkurrenten, als auch der politischen Aufsicht, erst recht ihrer Gegner, zu entziehen…)

((Wir haben übrigens im Forum bereits verschiedentlich und immer wieder über diesen wichtigen Punkt gesprochen.))

Harvey spricht einen wichtigen Punkt an: Es gibt ja nicht nur die langfristig eingesetzten Teile des Produktivvermögens, Gebäude, Maschinen, deren Kosten-Ersatz nur sehr langsam über den Verkauf der Waren, die an und in ihnen produziert werden, hereinkommt; sondern es gibt auch das Material an Roh- und Hilfsstoffen sowie Vorprodukten, dessen Kosten als „zirkulierendes“ Kapital bezeichnet werden: Es heisst so, weil die Kosten für den gesamten Verbrauch dieses Materials pro Ware durch den Verkauf wieder an den Betrieb zurückerstattet werden, und für Produktion der nächsten Ware (Roh- und Hilfsstoffe, Vorprodukte) wieder verfügbar sind. Harvey glaubt, dass durch Innovation (und entsprechende teure Maschinen) die Kosten für diesen Teil des konstanten Kapitals c stark verbilligt werden können, und sich damit die Wirkung der immer teureren Produktionsanlagen auf die organische Zusammensetzung (steigende c-Anteile) neutralisieren lassen könnte. (Falls man die Maschinen selbst billiger produzieren kann, wäre das auch ein Faktor, seine Wirkung ist allerdings geringer zu veranschlagen – insofern gehen deine Vermutungen oben über die Verbilligung der Produktion speziell von MASCHINEN etwas in die Irre; billigere Energie hingegen verbilligt die Produktion überhaupt JEDER Ware – fast noch mehr als Arbeit wird ja heutzutage bei so gut wie jedem Produktionsschritt Energie verbraucht. Energiekosten gehören weitestgehend zum zirkulierenden Kapital (Heizkosten für die Produktiongebäude eher nicht); einen Preisvorteil erlangt man freilich bloss, wenn Maschinen den Energieverbrauch pro produzierter Wareneinheit senken.)
Marx selbst hat diesen Einfluss der Verbilligung des zirkulierenden Kapitals in der Aufzahlung „entgegenwirkender“ Ursachen miterwähnt, dazu gehört auch die gesteigerte Umlaufsgeschwindigkeit, Skalenvorteile ua.
Es gibt eine gewichtige Hypothese, warum sich dieser Gegen-Einfluss wiederum nicht so stark bemerkbar machen muss, und das ist die, dass die teuren, aber die Kost von „zirkulierenden“ Elementen des Warenpreises (Lohn, Roh- und Hilfsstoffe, Schwund usw) stark reduzierenden Produktionsmittel immer häufiger noch vor Ende ihrer normalen Haltbarkeitsdauer „moralisch verschleissen“, also technisch überholt sind, sodass sie sich nicht mehr „amortisieren“ können oder bezahlt machen.
Strittig ist zwischen marxistischen und nichtmarxistischen linken ökonomischen Theoretikern, wo eigentlich die Quelle des Profits liegt – ob Arbeit die einzige Qualle dafür ist, oder ob das (Industrie)System als ganzes den Profit erzeugt, allerdings unter kräftigem, um nicht zu sagen brutalem Verbrauch nicht nur von Arbeit, sondern eben auch Mehrarbeit (die Ausbeutung wird also von beiden Theorie-Fraktionen kritisiert, das ist kein Differenzpunkt).
Die Steigerung der Kapitalintensität bzw. Arbeitsproduktivität (dh. Steigerung des Sach-Kapitals auf Kosten des Lohnanteils an den Gesamtauslagen der Betriebe) ist dann nicht mehr Grund für ein Sinken der Grösse „Gewinn durch Kapitaleinsatz“ – also der Profitrate. Die Frage, ob die Profitrate wirklich fällt, und welche Indikatoren es dafür geben könnte, ist derzeit kontrovers. Ebenso, welche weiteren Faktoren für ein solches Sinken verantwortlich sein könnten. EIN heisser Kandidat aus meiner Sicht ist die steigende Verknappung von nicht vermehrbaren Produktionsfaktoren aller Art, deren Preise immer mehr ansteigen, ohne dass sich das noch durch Innovationen auffangen liesse. Oder auch dieser: dass der Staat wenigstens zum Teil dem Kapital jene Kosten auferlegt, deren es sich durch „Externalisierung“ versucht zu entziehen – Umweltauflagen und Auflagen zuru Arbeitssichereit, Sozialversicherungen, Bildungskosten, Besteuerung allgemein und speziell Abgaben für Infrastruktur. Kapitalisten nennen sowas gerne „Bürokratie“, die sie schrecklich überflüssig finden…
Zuletzt sollte man vielleicht drei höchst banale Gründe für sinkende Profitraten erwähnen (die auch bei Marx, wenn auch zT in speziellen Zusammenhängen, vorkommen), nämlich:
1. Marktsättigung, ein neues Produkt (eine Technologie? lange Kondratjew-Welle?) ist eingeführt, flächendeckend sind erstmal alle versorgt, die es brauchen und bezahlen konnten…
und
2. …“verstärkter Wettbewerb“: Zuviele Anbieter wollen sich am Erfolg beteiligen – wer nicht dabei ist, verpasst die Chance – leider sind es immer etwas zuviele, die sonst was verpasst hätten…
und
3. … der Mangel an aussichtsreichen und zugleich finanzierbaren Geschäftsideen und/oder Problemlösungen (bei – s.o. Kapazitätsverknappung, Marktsättigung, auch hier Kondratjew… – abnehmenden Optionen auf blosse proportionale Erweiterung der bestehenden Geschäfte).

19. Juni 2014
Ich möchte noch etwas nachtragen, was ich in einem anderen Beitrag schon früher angesperochen habe:
Niemandem, der aus einem produktiven Unternehmen (also ua durch Beschäftigung von Lohnarbeitern und Aneignung von deren Mehrarbeit) Gewinn zieht, ist versprochen, dass er mit dieser Summe Geldes ein ebenso profitables Zusatzkapital in der Hand hält, dh dass sein Profit problemlos AKKUMULIERBAR ist. In beständig wachsenden Industriegesellschaften gibt es für spezielle Einzelkapitale und -Branchen wachstumsbedingt, abhängig von der Grösse, die sie jeweils erreicht haben, nicht bloss Produktivitätsgewinne=SkalenVORTEILE – es gibt auch SkalenNACHTEILE, wie man sie nennen könnte – Sättigungseffekte, die eine besinnungslos immer weiterlaufende quasi-automatische proportionale Erweiterung des laufenden Geschäfts (schon in der Form, dass der reinkommende Profit gleich wieder ins Umlaufvermögen gesteckt wird und die laufende Produktion erweitert (vgl Zusatzschichten usw) verhindern. Die Grössenordnung des Geschäfts steht somit von der Kosten- wie der Absatzseite ständig infrage, und muss der erreichten Marktsituatioon möglichst vorausschauend (aber wer kann das?) angepasst werden… Nicht aus jedem Geld kann mehr Geld gemacht werden, nicht zu jedem Zeitpunkt – nicht zu jedem Zeitpunkt einer wachsenden Volkswirtschaft nach dem Eintritt in ihre kapitalistische Modernisierung – nicht zu jedem Zeitpunkt der technologischen Entwickung (die ihre Konjunkturen hat, vgl.Kondratiew usw) – nicht in jeder Stellung innerhalb des Weltmarkts, den die jeweilige Volkswirtschaft (noch ganz abgesehen von politischen und währungsbedingten Handelshindernissen) einnimmt.
Was als Indikator fallender Profitraten des tatsächlich angewandten Kapitals gilt, ist in wahrheit Ausdruck sich einengender Akkumulations- und Erweiterungsmöglichkeiten – beides sollte man nicht verwechseln.
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thread: Verwendung des Bruttoinlandprodukts und Klassenverhältnisse in Deutschland 1970 – 2010

30. Juni 2014
Nagut, vielleicht sollte man sich auch nicht soviel dabei denken.. Ist nicht unsere Produktionsweise und unser Eerfolg, der da bemessen wird…
Das vorausgeschickt, möcht ich noch diese Anmerkungen nachtragen:
Verzeihung, aber die Abschreibungen machen einen ganz gewaltigen Unterschied – selbstverständlich sind die ERSATZ- doch immer auch ERNEUERUNGS-Investitionen. Dazu kommen die Auslandsinvestitionen, soweit es sich um das ökonomische Wohlergehen speziell der deutschen Unternehmen handelt. Der immer neue ZUWACHS über diese (ihrerseits längst riesigen) Erneuerungsinvestitionen hinaus, der in absoluten Zahlen seinerseits riesig ist, soll immer noch weiter dieselben Raten aufweisen wie in Regionen, die ihren Kapitalstock derzeit erstmal auf internationales Normalniveau bringen? Und das bei insgesamt ständig weiter wachsender Produktivität, also selbstverständlich auch bei der Erzeugung der Produktionsmittel (heisst: hinter der Preissumme verbirgt sich ein unabschätzbarer Zuwacchs an technologischen Möglichkeiten und Produktivitätsgewinnen – zu annähernd gleichen oder nicht allzuviel höheren Preisen wie in der Vorperiode)? Für im bürgerlichen Sinne reife Volkswirtschaften gelten andere Erfolgs- also Wettbewerbsfähigkeits-Indikatoren als für sich entwickelnde. Ansonsten gilt, global wie national: Die Konkurrenz schläft nicht. Zurückfallen kann da jeder jederzeit, wenn die Anstrengungen nachlassen… (Spätestens wenndie „Handelshindernisse“ politisch beiseitegeräumt sind – der politische Teil der Konkurrenz…)

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thread: Alle planen alles – wie?

26. Juni 2014+2
Hallo Mario, es ist ja nicht das erste Mal, dass diese Fragen hier aufgeworfen werden. Die zweite, neben der nach dem „Wollen“, die du auch selber stellst, ist fast die wichtigere: KANN denn irgendjemand (selbst wenn er wollte) dies „alles“ planen?
Die wichtigste Strategie, um darauf halbwegs positiv antworten zu können, läuft darauf hinaus, „einfache“ Verteilungs- und „Rechen“- Verfahren zu konstruieren – was übrigens mE ein sehr wichtiges Motiv ist, um in der Theorie an der Arbeitswerttheorie festzuhalten: Der schon im Kapitalismus „wirksame“ „numéraire“ wird dann herangezogen, um sich Planungsprozesse einfach, durchschaubar, und dennoch von jedermann kontrollierbar denken zu können.
Alles, was mit dem numéraire nicht erfasst werden kann, ist dann ein „Problem“ das man „dann“ aber schon auch noch lösen wird*) – mit Abstimmungen, Verfahren, oder irgendwie dann doch im Konsens. So der Umgang mit knappen Ressourcen aller Art, mit Risiken (Aufwendungen für Produktionsmittel-Reproduktion – ein weites Feld…) und Innovation bzw Fortschrittsplanung, angefangen bei Forschung (wo man nie im vorhinein weiss, was rauskommt, somit die Argumente und Verläufe nachvollziehen muss, um mitberaten und entscheiden zu können.)

*) zu jedem dieser praktischen Probleme der „freien Produzenten-Assoziation“ gibt es ein ähnlich gelagertes THEORETISCHES im „Kapital“ – nämlich das, zu erklären, wie diese auf den ersten Blick mit dem Arbeitswert-Konzept oder (Tausch)Wert-Bestimmungs-Konzept unverträglichen Einflüsse auf die langfristigen Tauschwert-Mittelwerte (gibt es solche überhaupt, oder ist die Entwicklung nicht viel zu schnell dafür?) sich am Ende doch daraus ableiten lassen…

Den Kern des vereinfachten Rechnungswesens aber, das wirst du immer wieder feststellen, wenn nicht-staatssozialistische Linke überhaupt zu dem Thema sich äussern, ist: Dass man am liebsten den Wachtsumsprozess im wesentlichen einfriert, da ja die Produktivität längst so hoch entwickelt ist. Als ob man es da mit einem stabilen und robusten Status quo und nicht einem Hexenkessel an verworrenen und nichtmal im Ansatz zu überschauenden Produktionszusammenhängen zu tun hätte… mit Folgeschäden… mit seit Jahrzehnten aufgeschobenen Problemlösungen… mit den in kapitalistischen Gesellschaften prinzipiell nie in Angriff genommenen Problemen…

… zu denen gehört das Problem der Konsensbildung und Steuerungsfähigkeit ihrer gesellschaftlich betriebenen (Re)Produktion durch die Produzenten an vorderster Stelle. Und… man darf erwarten… solang diese Frage nicht INNERHALB („im Schosse…“) der kapitalistischen Umgebung im Prinzip gelöst ist und wird, wird es keinen Übergang auf gesellschaftlicher Stufenleiter zu eigentumsfreier also nicht-kapitalistischer (oder nicht-kapitalismus-ähnlicher, zB staatssozialistischer) Vergesellschaftung geben. Nur wenn das getrennt wird, kommt die Frage in der Form des „und wie machen wir/sie es dann?“ vor. Ich sage: Niemand macht „es“, der die Antwort nicht weiss.

PS Ich verweise mal auf einen früheren Beitrag von mir http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/184-Kommunistisches-Rechnungswesen-3-%C3%96kologischer-Rucksack-und-MIPS-Ma%C3%9Fzahl/?postID=1436#post1436, in dem ich mich ausführlicher zu dem Thema geäussert habe.

26. Juni 2014+1
Wal hat das für Materialisten zentrale Stichwort genannt: Arbeitsteilung. Materialisten (ich denke mal, das sind wir hier doch alle, nicht wahr 😉 ) schauen halt nicht nur aufs Produktionsverhältnis, sondern auch auf seine Beziehung zum mittlerweile erreichten Stand der (Re)Produktion – wird es von ihr erzwungen, ist es ihr hilfreich und förderlich, und in der Beziehung alternativlos… oder… ist es mehr hinderlich, womöglich bereits Fessel? Kapitalismus mit dem unumgänglichen Zutrauen in die geheimnisvoll-undurchdringlichen Marktkräfte sieht da auf den zweiten Blick nicht mehr so gut aus: Hunderttausende kleinere und grössere Unternehmer und Manager wissen nicht, was sich in den (Re)Produktionsstrecken hinter wie vor ihnen abspielt, oder auch demnächst abspielen wird – aber entscheiden sollen und müssen sie. Und ausgerechnet dass sie NICHT wissen und NICHT vorhersehen (können), soll auch noch die STÄRKE dieses „Systems“ ausmachen? ((Solcherlei Sprüche sind nicht mal mehr zum Lachen, die sind vielmehr Ausweis der Tatsache, dass die Fortexistenz des „Systems“ schon lang nicht mehr, wenn es überhaupt je mal so war, von Begründungen und Legitimationen abhängt.))
Die zentralen Plankommissionen im Staatssozialismus haben sich vormals gern damit gebrüstet, wie doch SIE die Anarchie der Warenproduktion hinter sich lassen… wer von denen hat denn die Frage aufgeworfen, ob SIE können, was sie ständig zu tun vorgaben? Und da meine ich nun keineswegs das, was ihnen wohl leidlich schlecht und recht grade mal gelungen sein dürfte – das Ausrechnen, wieviel Input für wieviel Output von welchen Industriebetrieben zustandegebracht werden muss, damit das ganze so halbwegs im Fluss bleibt (wenn dann doch mal was stockte, aus wieviel hunderttausend Ursachen – was hat man sich da nicht das Maul verrissen über das System und sein Scheitern am selbstgestellten Anspruch… das andre System hat ihn garnicht, und schwupps! kanns schon nicht dran versagen…)

Ich meine also vielmehr den Anspruch, EFFIZIENT zu sein in allen möglichen Hinsichten, und das nicht bezogen auf die einzelne Anlage, sondern auf das Produktionssystem als GANZES. Solche Rechnungen, wie man sie erstmal vonseiten ökologischer Institute in Sachen Energiebilanz für einzelne Produktionsstrecken (vom Roh- zum Fertigprodukt) vorgelegt wurden – wo dann auf einmal so manche Umweltfreundlichkeit garnicht mehr so grossartig ausschaute. Und die WIRKLICH energieeffizienten Strategien auf einmal sehr sehr schmale Pfade und Durchlässe suchen mussten im Dschungel der verfügbaren Technologien… Und das galt dann solchen einzelnen Produkten wie etwa der Solaranlage… der soundso produziertem (prüfe dasselbe Endprodukt für hunderte alternative Zwischenschritte…).
Wie, wenn man das mal für ARBEIT anfinge durchzurechnen? Aber nicht bloss bezogen auf Einzelprodukte… sondern auf die GESAMTPRODUKTION? Und dann für Emissionsarmut… Reyclingfähigkeit… Risikoprophylaxe in allen möglichen Hinsichten… vor allem, was den ökologischen Fussabdruck angeht… und dann das Querrechnen: …wieviel Mehrarbeit kostet das dann wieder? wieviel Mehrenergie, wieviel Fläche und wasser wird da verbraucht für welchen Zugewinn? Welche ANDEREN Risiken werden vergrössert, wenn das EINE kleiner werden soll?
Und wie ist das eigentlich mit der Sorgfalt der Erkenntnis-Gewinnung, die all solchen Rechnereien vorausgeht?
Stimmt das denn alles, was jemand herausgefunden haben will?
Muss aufwendig überprüft werden, was irgendeiner für überprüfensbedürftig hält?
Wie entscheidet sich sowas?
Und… wer will und KANN überhaupt sich mit all diesem Kram befassen? Produziert werden soll schliesslich auch noch…
Damit das hier nicht mit bloss rhetorischem Fragen endet, will ich wenigstens soviel andeuten: Es ist die moderne technologische Strategie selbst, die hier an eine Schranke stösst. Nicht eine Schranke im Sinne von FESSEL, etwas am Sich-Entfalten-Hindern. Eher eine im Sinne von… Uferlosigkeit. Und Kapitalismus… liefert genau die Sorte Verblendung und Vernebelung, um dies uferlose technologische Wuchern weiterlaufen zu lassen. Un VERHINDERT die nicht nur theoretsiche, nein vor allem PRAKTISCHE Rückbesinnung und Fokussierung auf bewältigbare Fragestellungen, die in unserer Produktionsorgansiation längst ansteht. DARUM ist er eine Fessel für die weitere Entwicklung der Produktivkräfte… Und genau darum ist der kommunalistische Übergang zeitgemäss..

29. Juni 2014
Nun Mario – da zeigt sich in der Tat ein „bis dato selten diskutiertes Problem“. Die Gründe, warum hier so wenig weitergedacht wurde, habe ich auch schon mal verusucht anzudeuten in meiner erweiterten Antwort an dich im Blogbeitrag über „Denkblockaden“ (ursprünglich stand da noch: linke Denkblockaden, das kam mir aber erstmal zu vorschnell-allgemein vor, als dass ich es so stehenlassen wollte).

Man KANN, wenn man unbedingt möchte, die Schwäche der derzeitigen – an Konzepten des theoretisch „frühen“ Marx orientierten – linken Vorstellungen von historischer Dynamik durchaus mithilfe genau dieser Konzepte verdeutlichen. Das reicht dann bis hinein in deine eigene Wiedergabe dieser Gedanken, Mario, indem du nämlich den Werner Imhof zitierst und den auch bei ihm sich beinah reflexhaft einstellenden Spruch vom Sein oder der Praxis, das und die das Bewusstsein bestimmt. Es wurde ja diesem „Sein“ immerhin eine Dynamik zugetraut, die – das genau sollte das sog. „Dialektische“ daran sein – zu seiner EIGENEN Aufhebung führen soll. Und… was haben nicht die historisch-materialistisch eingestellten Marxleser nach solchen sich abzeichnenden Mustern einer Dynamik im Kapitalismus gesucht! Eigenartigerweise mit einem stark aufgeweichten, also viel zu breiten Begriff von dem, was da zu finden wäre: Etwas irgendwie Sprengendes, stark Krisenhaftes. Oft auf seiten der sog. „Widersprüche“,die dann im wesentlichen als „Klassenkampf-Zuspitzung“ gedeutet wurden, und die sich unmittelbar aus dem vorher schon eingerichteten Klassenverhältnis ergeben sollten – durch Momente des ProduktionsVERHÄLTNISSES also, NICHT der GESAMTEN PRODUKTIONSWEISE. Tatsächlich ist aber die von Marx ursprünglich formulierte Arbeitshyothese zu notwendigen Verlaufsmustern der historischen Entwicklung (zumindest da, wo und insofern wie diese Entwicklung „fortschrittlich“ war) sehr stark bezogen gewesen auf ein Wechselverhältnis zwischen beiden Entwicklungsdimensionen, und da kommen neben den Produktionsverhältnissen vor allem die Produktivkräfte vor. In den „Widerspruchszuspitzungen“ hinggen tauchen die Produktivkräfte nur noch auf als eine allgemeine Eintrittsbedingung – die Arbeiter sind da schon durch die technischen Anforderungen ihres Berufs soweit vor-erzogen (diszipliniert, auf Kooperation ausgerichtet, „modernisiert“ und aus traditionalen Zusammenhängen herausgerissen usw), dass sie zur Teilnahme an Klassenkämpfen BEFÄHIGT und motiviert sind, die ihnen, andererseits, durch die ökonomische Dynamik speziell des Kapitalismus auch massiv aufgezwungen werden. Die Produktivkräfte und ihr Widerspruch zu den Produktionsverhältnissen bzw. Gefesseltwerden durch sie treten da zwar noch in Erscheinung, aber nie so, dass sich da eine völlig neue AUFGABE stellt, die im Rahmen des alten, hier also bürgerlichen Produktionsverhältnisses nicht mehr lösen lässt. Die Produktivkraftseite ist vielmehr QUALITATIV immer dieselbe; die kapitalistische Weise, die technisch einzig angemessene moderne, gesellschaftlich-arbeitsteilige Reproduktion zu organisieren, behindert auch garnicht irgendeine Produktivkraftentwicklung – nur die Leute, die die Produktivkräfte nutzen oder, wie hier im Forum ja nicht ohne Berechtigung gesagt wird, die die Produktivkräfte SIND, werden am Leben gehindert und leiden. Der Widerspruch spitzt sich also zu als einer zwischen zwei Produktionsverhältnissen, dem von dem nur wenige etwas haben und die meisten nichts, und eben dem andern, von dem letztlich alle profitieren würden.
In dieser stark auf die inner-gesellschaftliche Auseinandersetzung (den Klassenkampf) bezogenen Sichtweise ist das Wechsel-Verhältnis zwischen Produktivkraft- und gesellschaftlicher Entwicklung reduziert auf die Relation des „Hemmens“ und „Förderns“ von etwas im wesentlichen eigengesetzlich Verlaufendem; diese relativ bruchlose Eigengesetzlichkeit des technischen Fortschritts, ganz ohne „Dialektik“, überträgt sich dann auf die obere, die Überbau-Dynamik: Da „entwickelt sich“ auch was ziemlich von selbst, wird reif, und verlangt dann, aber auch erst dann, beherztes Zugreifen vonseiten der „wissenschaftlich“ informierten Beobachter des Geschehens – jenen, die eben den rechten Zeitpunkt einzuschätzen wissen.
((Diese Tendenz der an Marx angelehnten Fortschritts-Konzepte hat inzwischen noch einen weiteren Schritt absolviert, den nämlich, die „Struktur“-Aspekte, das Von-selbst-Zustandekommen, erst recht das Sich-von-selbst-Erhalten der bürgerlichen Verhältnisse, inspiriert zB durch die Ausführungen zur ursprünglichen Akkumulation im Kapital, immer stärker in den Vordergrund treten zu lassen. Über Technik und ihre Weiter-Entwicklung wird da schon garnicht mehr geredet, die ist demnach längst auf dem Stand, wo beinah alles geht – irgendwie war sie das auch schon fast immer. In den letzten Stadien dieser Drift der linken Theorie-Konzepte treten, wenn überhaupt, nur noch genuin gesellschaftlich verstandene Gebilde zueinander ins Verhältnis, der Staat und die Gesellschaft, schliesslich die Gesellschaft zu sich selbst. Ein Wechselverhältnis mit einem ihr Äusserlichen kommt da garnicht mehr in Betracht. Parallel zu dem allen läuft die zunehmende Betonung des WOLLENS, wohingegen die Kategorie des Etwas-(noch)-nicht-Könnens und womöglich mühsam Herstellen-Müssens immer mehr in den Hintergrund tritt und verschwindet.))

Der kurze Exkurs in eine Skizze linker Theoriegeschichte sollte zeigen: Worüber „bis dato diskutiert“ wurde und wird, ist kein peripherer Punkt; der Bedarf nach Antworten auf bestimmte Fragen oder auch der Ausfall eines solchen Bedarfs ist Ausdruck fundamentaler linker Betrachtungsweisen der gesellschaftlichen und historischen Dynamik insgesamt.
Das Imhof-Zitat macht nun Gebrauch von einer Gedankenfigur, die die vorausgehenden Konzept-Driften versucht zumindest oberflächlich zu überspielen, es kommen da Formulierungen vor, die zum Ausdruck bringen: die Produzenten oder Lohnabhängigen müssen oder werden etwas SELBER TUN. Das ist erstmal insofern Konzept-übergreifend, als es offenlässt, ob sie sich bloss zu etwas entschliessen müssen, das sie längst können, oder ob da AUFGABEN warten, die sehr wohl auf ein vorerst und noch länger bestehendes Unvermögen verweisen. Aufgaben, die man sich stellen muss/müsste, oder die sie sich stellen müssen/müssten; Aufgaben vielleicht auch, die sich ihnen, einem stellen, und die man als ungelöste spüren und erkennen, vielleicht auch anerkennen und als zu lösende (also ungelöste, obwohl fühlbar und sichtlich Bedarf besteht), womöglich sogar dringliche akzeptieren und sich zueigenmachen müsste.

Hinter diesen kognitiven („Bewusstseins“-) Operationen jenseits des blossen „Wollens“ und sich Entschliessens (zur Revolte, dem Systemwechsel, der für sich beinah alles gut werden lässt) taucht dann aber wieder der Spruch au vom SEIN, das das Bewusstsein BESTIMMT.
Die Lohnabhängigen sollen Herren des Verfahrens sein? sollen „ihre Geschichte selber machen“ können, statt die Tendenzen, Systemwechsel und überhaupt das ganze autonome Bedingungsgefüge, die Notwendigkeiten und Möglichkeiten, kurz: ihr gegenwärtiges Sein, gehörig zu würdigen, und ihre Bestimmtheit durch es am Ende zu erkennen? Was sollen sie da eigentlich zugeben – einen Satz der Form: Wir können diesunddies nicht soundso sehen, wollen, einsehen, weil wir durch dasunddas bestimmt sind? Ganz ähnlich also, wie Patienten auf der Analytiker-Couch über sich reden sollen?

Wenn dem „Sein“ einmal die bestimmende Rolle zugesprochen wird, gibt es sie so schnell nicht wieder her. Die Leute sind nun mal bestimmt – welche Seins-Dynamik könnte sie DAVON befreien? Schmeisst das Sein selbst sie irgendwann in die Unbestimmtheit und Freiheit rein, die sie bräuchten, um sich ihm, „selbstbestimmt“, gegenüberzustellen? Oder… lässt „es“ sie langsam zu solcher Bewusstheit reifen, dass sie sich „ihm“ und „seiner“ überlegenen Weisheit gewachsen zeigen, anders ausgedrückt, dass sie sich die Pläne des Seins zueigen machen, und „seine“ Ziele eigenständig nachvollziehen können, und so selbstbestimmt, aus Einsicht, wollen können, was das Sein will dass sie tun (und wozu es sie bestimmt)? Oder… setzt es sie irgendwann unter so höllischen Druck, dass sie (nach wie vor bestimmt!) garnicht mehr anders können als sich aufzulehnen und sich zur einzig Heil-bringenden Wende, zur Umkehr, zum höchst unbequemen Umsturz all ihrer Verhältnisse entschliessen?
Wird an diesen Paraphrasen langsam mal deutlich, wie THEOLOGISCH diese Redefigur eigentlich ist?

Was hier nicht mal im Ansatz begriffen und theoretisch bewältigt ist, lässt sich auf zwei Fragen zuspitzen:
1. Wie kann man Vorgänge in der Gesellschaft erklären als Resultat des Zusammenwirkens von Einzelpersonen – ohne Zuhilfenahme irgendeiner Kategorie, die über das Einzelpersonen Zuschreibbare hinausginge?
2. Wie kann man Vorgänge in der Geschichte erklären als Resultat von Lernprozessen, die sich im Leben von Einzelpersonen abspielen?
Es ist nicht nur die linke Theorie, die an der Beantwortung dieser Fragen versagt. Die aktuellen Vorstellungen von Gesellschaft und Vergesellschaftung verfügen nicht über die für eine Beantwortung nötigen Kategorien. Solange theoretisch nicht klärbar ist, wie Geschichte und aktuelle Verhältnisse (ökonomische, politische…) aus den massenhaften Handlungen von (höchst unterschiedlichen) Einzelpersonen hervorgehen und den (höchst verworrenen) Verhältnissen, die SIE BEWUSST UND WILLENTLICH eingehen*) (uU allerdings mit von ihnen teilweise (von einen so, von andern anders) bewusst inkaufgenommenen, oder auch unerwarteten nicht vorhersehbaren Nebenfolgen) – solange ist nichtmal im Ansatz klar, wie sie Änderungen dieser Verhältnisse und deren Ergebnis zu ihrem Vorteil herbeiführen könnten, oder Bedarf navh solchen Änderungen entwickeln. Ein Kontinent an ungeklärten Fragestellungen liegt da vor uns. Wer die Geschicke der Leute freilich gelenkt sieht von Mächten, die grösser sind als sie – die Geschichte, das Kapital, der Markt, der Staat, die Gesellschaft, die gesellschaftlichen Verhältnisse, das System, den Diskurs – der hat keinen weiteren Bedarf nach Erklärungen. Auch nicht nach der, wie je daraus etwas wie „Emanzipation“ entstehen soll.

*) auch die vielzitierten Marx-Sätze von den Verhältnissen, die sie unabhängig von ihrem Willen eingehen, ebensosehr die Formel „sie wollen es nicht, aber sie tun es“ gehören hierher

30. Juni 2014
Mario – das mit der Sperrigkeit meiner Grübeltexte tut mir aufrichtig leid. Zu meiner Entschuldigung kann ich nur dies anführen: Ich sehe mich leider gezwungen, stark vom linken Mainstream abweichende Auffassungen vorzutragen. Vielleicht ist ein Forumsbeitrag letztlich auch nicht das geeignete Format für die Vorstellung solcher Gedanken. Kann sein. Jedenfalls: Um dabei nicht allzuweit auszuholen, muss ich meine Ausführungen meist auch noch komprimieren. Dass das auf Kosten der Lesbarkeit geht, dürfte dann nicht mehr wundern. Ich bemühe mich freilich, meine Texte nachträglich zu verbessern. Das zieht sich allerdings oft über ein paar Tage hin.

Also nochmal mein Gedankensgang:

1. Die Histomat-Ausgangsfigur bei Marx lautete:
„Die jeweils alte Produktionsweise (also Prod.kräfte PLUS dazu passendes Prod.verhältnis) macht, dass Prod.kräfte soweit fortschreiten, dass altes Prod-verhältnis nicht mehr dazu passt – es stellt sich rein technisch eine ganz neue Aufgabe, die nur durch eine andere Organiation der ges.Arbeitsteilung (Prod.verhältnis) gelöst werden kann“

2. Diese Formel, in DIESER Bedeutung (sicher gibt es da andere Lesarten) wird aber in der staatssozialistischen ML-Tradition garnicht wirklich dem vorgestellten Übergangsszenario zugrundegelegt. Erst recht in linken nach-ML-Konzepten (zB MG/GSP, Zivilgesellschafts- und Systemtheorien) ist vom Produktivkraft-Fortschritt nicht mehr die Rede (der ist den meisten eher schon zu weit gediehen) – im Sinne von materiellen Problemlösungen, die anstehen, aber wegen des Prod.verhältnisses nicht angegangen werden können,, so dass die betreffende Art bon Stagnation sich immer deutlicher bemerkbar macht.

3. Grund dafür ist, dass sowohl in der Erklärung der bestehenden Prod.weise als auch für ihre Überwindung ausschliesslich innergesellschatliche Zustände, Verhältnisse, Konflikte verantwortlich gemacht werden; die „Abschaffung“ der falschen Verhältnisse IST bereits fast identisch mit der „Herstellung“ einer optimalen Prod.weise – dann klappts auch mit den Prod.kräften. (Bzw die oder ihre gehemmte Entwicklung sind dort von vorneherein nie ein Problem). Es ist mehr die Gesellschaft selbst, die behindert wird – und nicht mehr „ihre“ technologischen Fähigkeiten oder materielle Arbeitsorganisation.

4. Die (Über)Betonung DES Gesellschaftlichen, vor allem des Unheilvoll-Gesellschaftlichen (als der Quelle ALLEN Übels; nach dessen Abschaffung alles gut werden muss) macht sich aus meiner Sicht nicht erst in der Konzeption des Übergangs in emanzipierte Verhältnisse bemerkbar. Sie beschädigt vielmehr bereits die (aus meiner Sicht „unterkomplexen“) Analysen der bestehenden Verhältnisse, die radikale Linke vorlegen.

5. Der Mangel der Theorie des Bestehenden entwickelt sich spätestens zum schrillen Widerspruch, wo es um Praxis geht – oder, wie du, Mario, es selbst formulierst, die darauf beruhenden praktischen Konzepte „können der Logik gemäß gar nicht in die soziale Emanzipation führen“.

6. Zentrale These, um den Widerspruch zu beseitigen: Die Einzelnen können sich nur emanzipieren von einer Praxis, die schon vorher ganz und gar als IHRE und Resultat des Zusammen- und Durcheinanderwirkens ihrer aller Handlungen (und Unterlassungen) begriffen iat. Auf Ebene dieser Praxis muss sich somit klären lassen, welche Elemente dieser Handlungen zu unguten Konsequenzen führen: (schlechte) Gründe, Irrtümer, mangelnde Motive (an etwas zu denken) uvam. Da die gesellschaftliche Praxis schon heute eine PRAXIS ist, muss sie sich auch mit Praxis- also Handlungskategorien erklären lassen – nur dann ist wäre diese Praxis auch änderbar. Damit sind die beiden von mir angeführten Fragerichtungen beim Erklären der Verhältnisse eröffnet.

Forts. folgt

30. Juni 2014+1
Die grosse Differenz, die hier deutlich wird, ist eigentlich die zwischen nicht-staatssozialistischen Kommunisten, und denen, die ich (aber nicht nur ich) „Kommunalisten“ nenne. Die Differenz bezieht sich auf den Begriff „Revolution“.
Ich lass mir den Revolutionsbegriff (etwa im Zusammenhang mit „industriell“) durchaus gefallen und einleuchten – als Namen für Epochenwechsel. Bloss: die dauern dann 100 Jahre oder mehr. Das ist die Perspektive.
Nicht-staatssozialistische Kommunisten wollen alles, und zwar sofort. Oder.. demnächst.. Ich nenne das: politische Esoterik. Wer, Mario, soll denn das kopflos-spontane „revolutionäre“ Schnellschusswerk vollbringen? Sorgfalt, Besonnenheit, Umsicht, Erprobung, Lernen zählen da nichts mehr? – es wird, es muss auch so gut gehen?
Das Grosseganze soll soviel mehr sein als irgendeins seiner Teile?, und wenn schon auf sonst nicht – darauf dürfen die kleinen Teile, die paar Hansel wie wir hier, fest vertrauen? Ich vertraue aber nicht dem Grossenganzen, da kann ich ja genausogut bürgerlicher Ökonom und Kapitalismusfreund sein, die reden ja genauso daher; sondern halte mich an den mir liebsten unter allen Marxsprüchen: Die Entwicklung JEDES EINZELNEN ist Bedingung (und Mass) der Entwicklung (und Entwickeltheit) ALLER. Nicht DIE GESELLSCHAFT lernt, denkt, entscheidet, sondern eben DIE EINZELNEN. Das blosse Stattfinden von Kommunikation, etwa in Foren wie diesem, ist dabei blosse Randbedingung, und garantiert für nichts: Was wird denn da geredet, wie gut klappt die Transmission der wirklich weiterführenden Errungenschaften aus wenigen Köpfen in die aller (und umgekehrt) – vor allem: wer bestimmt, was weiterführend ist – wenn nicht eben jeder Einzelne? Und dann… muss er es erstmal kennen können… und somit ist SEIN Fassungsvermögen Mass des „gesellschaftlichen“. Es sei denn… wir akzeptieren Arbeitsteilung… im Kennen und Wissen… im („Vor“-)Denken… (und dann fast schon notwendig:) im Entscheiden… da ist sie ja schon, die Avantgarde (wer bestimmt undernennt sie?)

30. Juni 2014
Der von mir in meiner Darlegung oben und in der Zusammenfassung Punkt 6. angesprochene Mangel in der theoretischen Analyse des Bestehenden bzw seiner KRITIK hat ein strenges Pendant in den Aufgaben, denen sich, soweit ich das erkennen kann, die kommunalistischen Kommunen stellen müssen. Die KRITIK (oder Analyse) des Bestehenden benennt dabei VERSÄUMNISSE. Die Kommunen müssen das Versäumte nachholen.
Um das ganz plakativ zu sagen: Kapitalismus ist, nach meiner Einschätzung, nicht Ursache, sondern ein verschärfter Ausdruck der folgenden Mängel bzw. Versäumnisse, die sich auch mit einer nicht-mehr-kapitalistischen Moderne weiterhin verbinden werden:
a) es gibt keinen Begriff von NATUR;
b) es gibt keinen Begriff von GESCHICHTE (oder den historischen Lernschritten, die kulturell aber nicht individuell absolviert sind, und die nötig sind, um Menschen überhaupt mal auf die Höhe der Kultur ihrer Zeit zu bringen)
c) es gibt keinen Begriff von PERSON oder, ganz banal: von uns selber: Wo wir in der Natur und Geschichte stehen.
Oder, kurz und knackig: „Wir“ kapieren derzeit so gut wie nichts.

Diese fehlenden Begriffe (ok, MIR fehlen sie; andere vermissen sie wahrscheinlich nicht einmal) lassen sich drei zentralen Aufgaben der zukünftigen Kommunen zuordnen:
a*) sie müssen ÖKOLOGISCH produzieren – aber wie geht das?
b*) sie müssen das „historische“ Gefälle zwischen sich und den bürgerlich gebliebenen Menschen in ihrer Umgebung, die NICHT eigentums- und herrschaftsfrei und NICHT emanzipiert in „unserem“ Sinne leben wollen (fragt mich nicht, WIEVIELE der Gesamtbevölkerung das sein werden – die Zahl wird bei annähernd 100% liegen – die Kommunalisten sind eine WINZIGE MINDERHEIT), überbrückbar zu machen lernen; nicht nur, um mehr zu werden und den Gegensatz zu ihrer Umgebung aufzuheben; sondern vor allem: um ihre historischen Errungenschaften, Ergebnis historischen Lernens, TRADIERBAR und somit nachhaltig zu machen: Wie soll man es erhalten, wenn es Nachwachsenden nicht zuverlässig vermittelbar ist? Und die Umgebenden bürgerlichen Individuen… das SIND die historisch unvollständig „Nach- und Mitgewachsenen“, denen man den Weg zur eigenen Position bahnen lernen muss;
c*) kommunalistisches Produzieren orientiert sich an den BEDÜRFNISSEN der Produzenten. Wie aber erkennen sie die? Wie trennen sie sie von Programmen, denen sie sich voreilig verschrieben haben – wie trennen sie sie von sekundären, kompensatorischen Bedürfnissen und affektiven Zuständen, die sie sich im Lebensvollzug und der lebensland entbehrungsreichen Arbeit an diesen Programmen erworben bzw zugezogen haben? Und, wenn und soweit da etwas erkannt wurde, ist es ja noch nicht befriedigend in eine Produktionsweise umgesetzt, die zugleich das in a* und b* formulierte Programm (auch eines; wie setzt man es bedürfnisgerecht um?) realisiert.

In diesen wenigen Sätzen ist eine Epochen-Augabe (es ist nämlich in Wahrheit EINE Aufgabe – kein Punkt kann unabhängig von den andern verwirklicht werden) ausgesprochen. SPÄTESTENS indem vom Bedürfnis geredet wird, findet die „reduktionistische“ Fokussierung auf UNS EINZELNE statt. Denn die Kategorie Bedürfnis gehört dem Einzelnen an. (In Wahrheit, so behaupte ich… gilt das für die andern beiden Punkten nicht weniger – schon wegen ihrer extrem engen Verwobenheit mit der Kategorie „Bedürfnis“ (immerhin etwas Physisches – Ausdruck des Stücks Natur, das wir sind!). Aber das muss ein andres Mal begründet werden.)

3. Juli 2014
Mario – du hast meine anscheinend allzu diskreten Hinweise auf die Besonderheit des kommunalistischen Ansatzes, zumindest wie ICH ihn vertrete, offenbar nicht verstehen können, drum sag ichs mal in aller Deutlichkeit: ES GIBT (da) KEIN „DANN“, dem ich/wir vorgreifen könnten, und wird nie eins geben. (Sage zumindest ich.) Wenn je etwas deinem nichtlinearen Chaos, Freisetzung von kreativem Spirit und jenem Anfangspunkt „Eine Situation kann potentiell in eine Revolution ausarten, wenn.. viele Menschen fast gleichzeitig durch äußere Ereignisse so beeindruckt werden, dass sie aus ihrem Gleichgewicht geworfen werden“ entsprechen würde – dann wäre es eine der Verlaufsformen, in denen sich bürgerliche Gesellschaften durch ihre Geschichte quälen. Übrigens haben sie ja meist auch so begonnen.

Meine Vorstellung von Revolution im Sinne von epochaler Umwälzung habe ich oben angedeutet. Sie beginnt noch jedesmal ABSOLUT UNSCHEINBAR. Also genau so, wie (nicht nur) du das für völlig aussichtslos hältst. Ich verweise dazu auf meine schon beinah ironische Verwendung der früh-marxschen Gedankenfigur, wo sich Materialismus zumindest als das Zugeständnis buchstabiert, dass die Produktivkraft-Entwicklung („dialektisch“, naja) nicht einfach bruchlos neben der Art ihrer gesellschaftlichen Organisation herläuft, sondern als deren BASIS ihr – mit zunehmendem Fortschritt – auch Anforderungen stellt, die von dieser Organisation dann ebenso zunehmend VERFEHLT werden und eine andere und neue, ein neues Produktionsverhältnis anstelle des alten, ERFORDERLICH machen. Ironisch ist mein Bezug auf dies Theorem, weil es bestenfalls als eine von vielen Ausgangsideen zu einer – von mir aus „materialistisch“ zu nennenden – Theorie der kulturellen Entwicklung und letztlich Geschichte anzusehen ist (eine Theorie, zu der man vorschnell die rudimentären einschlägigen Ideenskizzen von Marx und Engels aufblasen wollte).

Die zunehmende Fokussierung aufs Gesellschaftliche, die ich der Linken im Zuge ihres historischen Reifungsprozesses bescheinige, hat aber genau dies zur Voraussetzung: Dass die Produktivkräfte nichts erzwingen und in keiner Weise durch ein ihnen zunehmend weniger gerecht werdendes Produktionsverhältnis behindert sind, es vielmehr allenfalls um die („gesellschaftlichen“) Zwecke ihrer Verwendung geht.
Dabei unterstelle ich dieser Linken nicht einmal, sich zu Technik und Produktion ähnlich naiv um nicht zu sagen, PRIMITIV zu stellen wie die Parteigänger der herrschenden Verhältnisse.
Sie ist nur leider (und wenn ich mit meinen Einschätzungen rechthabe, ist es auch anders nicht zu erwarten) bei diesem Thema „produktive Praxis“, was die fundamentalen Kategorien betrifft, in denen es gedacht werden soll, ebenso religionsartig eingestellt wie bei der Beurteilung der dieser Praxis angemessenen Arbeitsorganisation.
Die Praxis wird analysiert als „erreichtes Produktionsniveau“, bei dem man es doch mal – als quasi einer maximal hoch entwickelten traditionalen Produktionsweise – bewenden lassen könnte – seine Erzeugung gehörte ja im Wesentlichen zu den historischen Dienstleistungen des „abzuschaffenden“ Systems. Also in die Vorgeschichte…
Wer redet da noch von der Notwendigkeit ständigen Forschens, technologischen Entwickelns, und darauf beruhender permanenter realer Umwälzungen der Produktionsweise und strategischer Fortschrittspfade (nicht zuletzt, um noch mehr Forschungs- und damit Fortschrittspotential produktiv freizusetzen)? Das soll künftig, als wäre es keine PRODUKTIVE Aufgabe und in die GESAMTE Ressourcenplanung zentral einzubeziehen, in aller Gemütlichkeit in der „disposable time“ statt, der Zeit fürs Kreative und zündende Einfälle… Ansonsten gehörte das permanente „Umwälzen“ eher zum Kapitalismus, und ist dann somit beendet.
Wissenschaft und Forschung ist aber der Kern jeder modernen (und auch die Moderne überbietenden) Produktionsweise, sie zu ermöglichen sogar das Ziel jeder Reproduktion.
Ich wiederhole: Das ist nicht kapitalistisch, das ist MODERN.
Und nicht der Kapitalismus hat diese Entwicklung angestossen, sondern die MODERNE.
Und… anders als Marx behauptet hat, ist er meines Erachtens diesem Weltverhältnis und Epochenprogramm, das die Moderne ist und sein will, keineswegs angemessen.
Höchstens… der kulturell massenhaft in vormodernen Rahmen-Programmen aufgegriffenen Moderne – DAZU passt Kapitalismus. Allerdings.

So ähnlich geht es aber auch der linken Vergesellschaftungsidee. Die Linke denkt nicht modern. Das typische Weltverhältnis der typischen Linken ist eine religionsartig-entdifferenzierte Form von Modernität. Es gibt, wie eben schon angedeutet, das erheblich schlimmere, weil aus dieser religiös-entdifferenzierten Form nochmal in gläubig-abergläubische Erwartungshaltungen gegenüber der ERFOLGSTRÄCHTIGKEIT der eigenen (kollektiven) Aktivitäten zurückfallende religiös-moderne NORMALDENKEN. Bloss… gegenüber dem Gehalt, um den es da geht, ist sowohl die linke, absolut-minoritäre als erst recht diese noch weiter entdifferenzierte Mentalität der gesamten Normalbevölkerung und ihrer „Eliten“ zurückgeblieben bzw. hinter das in ihm erreichte Niveau zurückgefallen.
Und zurückgeblieben sind (wie ich behaupte und an anderer Stelle ausführe) dem entsprechend dann auch die politischen Konzepte.
Die Linke hat sich, in all ihren Fraktionen, nur EINEN Schritt von ihrem historisch nächst-verwandten und darum meist-kritisierten Pendant unter den Vergesellschaftungskonzepten entfernt, ich meine das marktwirtschaftliche.
Während dort der Markt das all-mächtige, all-weise und all-heilsame SYSTEM sein soll, will die verbliebene Linke dasselbe – bloss eben gerade durch seine ABSCHAFFUNG. Genau dann spätestens aber ist der optimale Systemzustand erreicht, die Hindernisse für freie, solidarische, kreative Betätigung und Entfaltung des kollektiven „Spirit“ ein für alle Mal weggeräumt.
Solang aber der Heilszustand (das GANZ ANDERE, entgegengesetzte SYSTEM) nicht eingetreten ist, kann und darf man nichts vorwegnehmen – ALLES (eben das System!!!) wird ja so ganz anders sein, als jede vorwegnehmende Ausmalung sich träumen lassen könnte.
Besser als ALLES was ihr euch vorstellen könntet, ihr vereinzelten Kleingeister!
Pfingsten weltweit gewissermassen, Ausgiessung des Geistes über alle…

Von den Aporien (ausweglosen Problemen) des modernen Weltverhältnisses redet da niemand mehr – Ökologie? Wissensverwaltung? Bedürfnisorientierung? – erledigt sich auf die bekannt-unbestimmt-optimale Weise von selbst.

Aber dann… ((Mario oben: „Aber ich gebe zu, es gibt diverse Fragen die auch ich mir beantwortet wissen will…“)) gibt es (ganz zuletzt, im „PPS“) wie bei jedem Glauben, doch noch den ZWEIFEL, und die Zweifels-FRAGEN, wo man, bitteschön, schon vorweg ein bisschen mehr konkrete Gewissheit haben möchte, ob man auch den RECHTEN Glauben hat:
a) Wie ist denn das Verhältnis der Pfingst-Begeisterten zum weniger begnadeten Rest der Bevölkerung ((„Wie sind Mehrheiten überhaupt aus der Passivität und Vereinzelungen herauszuholen…“)), angefangen bei den Andersgläubigen, die sich vielleicht nicht so einfach überrennen lassen, falls es dann für eine MEHRHEIT erstmal doch nicht reicht (die aber bitte synchron und ganz schnell, durch die „äusseren“ Ereignisse, durch die“viele Menschen fast gleichzeitig…so beeindruckt werden, dass sie aus ihrem Gleichgewicht geworfen werden“): Wie missioniert, ah nein agitiert man den Rest? Wie verhält man sich bei Gegenwehr der bedrohten Mehrheiten – spätestens jenseits der nationalen Grenzen?
((Marios Szenario oben entwirft (soweit darf man offenbar entwerfen?) eine historische Situation, die derart paradiesisch ist, dass man sich fragt, wie sie je mal auf mehr als sagen wir 100 oder 1000 Kulturpioniere wird zutreffen können: Völlig entgleist, finden sie nicht nur die innere Stärke, Ruhe, Musse, sondern auch noch die äussere Bedingung des Freigestelltseins und der Verfügung über alle nur nötigen Optionen zum Experimentieren vor. Quasi Ferien von der Geschichte – daneben und raustreten dürfen und erst wieder reinkommen müssen, wenn die Praktiken erfolgreich funktionieren und eingeübt sind, und überhaupt alles fix und fertig an andre tradierbar eingerichtet ist… Ja genau, Mario – SO in etwa wird und kann es nur gehen. Bloss nicht für moderne Riesengesellschaften mit „Bruch“ und „Mehrheiten“… sondern für die genannten 100-1000 Pioniere… die produktive Lebensführungs- und Alltags-Einrichtungs-Avantgarde im Sinne deines unten zitierten Kommentars… Wenn es mehr wären… dann wär das nicht mal mehr bloss ein sozialistisches Pfingsten, sondern obendrein Weihnachten Ostern und Himmelfahrtstag in einem… der alte Bloch hat ja so gern in diese Richtung schwadroniert und geschwärmt: Ubi Lenin, ibi Jerusalem… (hat er tatsächlich geschrieben und ernstgemeint))

b) Wenn Planen des gesellschaftlichen Riesenorganismus im Kapitalismus schon so aufwendig ist (ohne dabei wirklich zu gelingen, wo doch bloss jedes Unternehmen für sich und allenfalls der Staat (oh: Bürokratie!) grade mal das Allernötigst-Notdürftigste für alle plant) – wie erst, wenn mal die wirklichen Anforderungen (ich hatte oben einen kleinen Vorgeschmack gegeben hinsichtlich der „systematisch“ ausgerichteten Effizienz-Berechnungen) auf dem Tisch liegen?

c) Und wie, wenn die dann auch noch EXPLODIEREN angesichts der vielfältigen individuellen Präferenzen ((Mario oben: „Wie und woran werden Bestellungen (siehe Kommune Bochum) begrenzt und wie verhält es sich mit Luxuswünschen und unliebsamen Arbeiten?“))? Die „Mehrheit“ vollzieht, wie ihr angetragen, den „Bruch“ – sonst ändert sich nix? Systemwechsel sehen anders aus…

Wie schön, dass diese Zweifel aber auch wieder zu beruhigen sind: Solang nicht beinah alle mit an diesem Strang ziehen, maW das Reich Gottes ausgebrochen ist.. nein so redet die andere Konfession, das stört jetzt hier… solang jedenfalls ist alles eitel Menschenwerk und hinfällig. Kann also auch nichts widerlegen von dem, was immer erst noch kommt. Und vorher… bleiben wir im ewigen Wartestand.

Auf dem Gebiet des Verhältnisses zur Welt als ganzer nannte man solch einen negativen, einen „Abschaffungsglauben“ vor anderthalb Jahrtausenden mal: Gnosis.
Auf dem Gebiet der Vergesellschaftung unter religiös-modernen Vorgaben heisst es: Kommunismus.
Es ist leider eins so unmaterialistisch-vormodern wie das andre.
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Und WIE unmaterialistisch das ist, ganz deskriptiv und ohne Verurteilung, nur den Unterschied einmal festhaltend, gesprochen – das ist noch einmal am Bezug auf die Konzepte von Pfreundschuh zu sehen, ich zitiere mal den letzten Kommentar von Mario in meinem Blog (franziskas Blog, Kommentar vom 01.07.2014 16:33 zum Beitrag Thesen und Bemerkungen 3: Denkblockaden )

„Ich kapier so langsam worauf du hinauswillst: Ich halte meine system- und chaostheoretischen Ansätze nach wie vor für korrekt, aber sie geben eben nur das „große Bild“ ab. Sie erklären nicht wie Leute konkret, vor Ort zusammenfinden, was sie verbindet und was es denn ist, dass sie zusammengefunden haben und was sie perspektivisch zusammenschweißt. Die Linke konzentriert sich deiner Meiung nach zu stark auf die politisch-öffentliche Sphäre und vergisst den Lebensalltag der Menschen wo bereits elementare Prozesse stattfinden. Viele Linke finden ja selbst derart, über „private Veranstaltungen“ und Freundschaften zusammen, blenden das aber irgendwie aus und meinen, es ginge nun stets darum dass die neu zusammengefundene Avantgarde jetzt die „dumme Masse“ in der Öffentlichkeit belehrt. Das klassische Avantgardekonzept. Verstünde man „Avantgarde“ aber anders, als jene die sich bewusst sind was sie zusammenschweißt, eingebettet in ihrem konkreten Lebensumfeld, sähe es anders, und wohl auch produktiver aus. Es wäre ein erster Schritt den unsäglichen Belehrungs-Politizismus hinter sich zu lassen und die realen Gegebenheiten zu verändern und eine Grundlage zu legen, praktisch wie im Bewusstsein, um am „Tag X“ einen Plan parat zu haben. Ausgehend von einer neuen Arbeits- und Netzwerkorganisation von unten. Ich denke, die Problematik liegt darin, dass das kulturelle Miteinander völlig ausgeblendet wird oder bloß als Folklore und Symbolik hochgehalten wird. Der reale Lebensalltag interessiert nicht mehr. Aber dabei müsste es genau darum gehen: Den Aufbau eines alternativen Milieus. Alternative Treffpunkte, Clubs und Wohnmöglichkeiten. Und wenn wir überlegen war es genau dieses Milieu das die Arbeiterbewegung ja ausmachte, vereinte und zu einer Millionenbewegung werden ließ. Ich denke, darauf will auch Pfreundschuh hinaus wenn er von dem Aufbau einer kommunalen Reproduktionindustrie spricht.
Mehr dazu siehe hier: kulturkritik.net/begriffe/wiki.php?bstab=W unter dem Begriff Widerstandskultur.“

An sich wäre das alles überaus erfreulich, was Mario da anführt – kommunalistisch durch und durch. Bloss… dass am Ende wieder „der Tag X“ stehen muss, der unbestimmte aber unumgängliche Sprung, ohne den man sich ein Wachsen und Gedeihen der neuen Vergesellschaftungsform offenbar einfach nicht vorstellen kann.
Und obwohl es „Reproduktionindustrie“ heisst, ist von PRODUKTION weder bei Mario noch bei dem herbeizitierten Pfreundschuh irgendwo in nennenswerter Form die Rede. Technik scheint bei ihnen zu sein, was sich von selbst versteht. Forschung? Im wesentlichen gelaufen und an ihr Ende gekommen… Es geht um Inner- und Zwischenmenschliches, der Rest ist die Riesenwirtschaftsmaschine, bei der es gilt, die fertig eingerichteten Arbeitsplätze zu besetzen und die dort zuzubringenden Arbeitszeiten auszurechnen. Die Maschine scheint so organisiert (Danke, Kapitalismus, immerhin das für uns geleistet!), dass sie sich durch stetes Ableisten der „notwendigen Arbeit“ (die offenbar von selbst bestimmt ist – Produktivität der einzelnen Produktionen scheint dauerhaft festgeschrieben – um die Optionen und Richtung ihrer Erhöhung wird nicht gestritten werden?) irgendwie von selbst miterhält (reproduziert). Produktion, Reproduktion, Wissen Technik Qualifikation, Fortschritt, aufgeschobene und ungelöste Probleme, Ressourcenerschöpfung, ökologische Katastrophen, Ungleichzeitigkeit (geschieht der „Bruch“ national oder international?) – kein Thema! Welcher Art die „erschütternde“ und die Weltbevölkerung synchron in Revolutionslaune versetzende Erfahrung sein soll… keine Ahnung. Du sollst dir kein Bildnis machen… Ansonsten ist (Pfreundschuhs Kapitalkommentar geht zumindest auf seiner derzeitigen Website grad mal bis K1 Kap.7 (Die Rate des Mehrwerts), ansonsten weiss er dass Feudalkapitalismus ist (was war vorher?)) wahrscheinlich weltweit wiedermal und ständig, bis auf weiteres, 1789, naja, die kapitalistische Variante…)
Wie soll das gehen?

4. Juli 2014
Wal, deine Erwiderung scheint mir in zwei wesentlichen Hinsichten an den oben debattierten Auffassungen vorbeizugehen:
1. Niemand hier spricht irgendwem Fähigkeiten ab, darum geht es hier nicht. (Bei den Fertigkeiten ist es anders, aber die hat im Moment vielleicht überhaupt niemand, man muss sie ausbilden und entwickeln; sagt ja auch Marx…)
Worum es sich hier handelt, sind die MOTIVE etwas zu tun und zu lassen, und die Frage, wie und woran sie sich bilden, und wie weit man da überhaupt Aussagen machen kann.
2. Der Begriff Avantgarde ist von mir nur in dem Sinn von Mario aufgegriffen worden – und auch das bestenfalls ironisch, man kann ihn gerne auch fallenlassen, es ging mir eh um einen völlig veränderten Inhalt – wie er in seinem Kommentar gemeint war, nämlich als Gruppe derer, die früher als andere motiviert sind, auf eine neuen Produktionsweise umzustellen und die anfangen, die dafür nötigen Techniken und Fertigkeiten zu entwickeln.
Niemand zwingt diese Leute, das zu tun, niemand vermutlich wird sie auch daran hindern (da müsst es schon arge Rückfälle hinter erreichte politische Niveaus geben), und sie ihrerseits werden nie irgendjemanden zwingen.
Wenn sie „wirken“, dann einzig durch ihre Praxis – auf Leute, die ihnen mit verwandten, wenn auch ETWAS weniger entwickelten Motivlagen gegenübertreten. Derart, dass es der bereits eingerichteten Gruppe (neben ihrer sonstigen Arbeit) gelingt, immer wieder die Differenz zu einzelnen solchen, ihnen Nächststehenden zu überbrücken. Jeweils nächste „Nächststehende“ werden auf diese Weise gewonnen (und bringen auch ihrerseits etwas ein, das die Gemeinschaft verarbeiten kann und muss) – und der kommunalistische Sektor der Gesellschaft wächst, langsam, sorgfältig, jeden Erweiterungsschritt sorgfältig absichernd und konsolidierend.
Was auf diese Weise vor allem zur Routine wird, ist die Art und Weise, wie man, Standpunkt für Standpunkt, Leuten das Hineinwachsen in die fortgeschrittene kommunalistische Gemeinschaft ermöglicht – zunächst werden es bloss Erwachsene sein, die von sich aus schon (ohne eignes Verdienst) durch zufällig an sie gelangte Resultate historisch-kulturellen Lernens prädestiniert sind, sich für das Angebot, das die kommunalistische Gemeinschaft durch ihre anschaubare Praxis darstellt, zu interessieren (wieder geht es mehr um Motivlagen als sonst was) und die Annäherung an diese Gemeinschaft und die Art ihrer kollektiven Lebenseinrichtung zu vollziehen.
Die Fernststehenden werden zuletzt gewonnen; und wenn das gelingt, ist die Gemeinschaft imstand, sich selbst und ihre Errungenschaften, mit den auf diese Weise gewonnenen Routineschritten des Motivierens (von anfänglich sehr anders Motivierten und Fernststehenden, über die je nächst angenäherten Positionen), den allerfremdesten überhaupt, nämlich den aus dem Naturzustand in sie hineinwachsenden Kindern und Jugendlichen, zuverlässig zu vermitteln. Keine Epoche zuvor hat das leisten können – weder für Erwachsene, noch für Kinder. Das wird EINE der grossen Neuerungen der neuen Epoche sein.
Was zum andern zur Routine wird, ist der sehr langsame und behutsame Ausbau der Produktion in einem bestehenden Gelände, und die Zusammenarbeit, das Zusammenwachsen der kleineren Kollektive einer Region zu einer Produktionsgemeinschaft, die schwierigere Aufgaben meistern kann. Die Reihenfolge wird vorgegeben von den Elementarbedürfnissen und dem, was an Produktionsaufgaben dafür zu lösen ansteht.
Wenn wir über Probleme der Industrie-Landwirtschaft (und zwar in ihren heute fortgeschrittensten, bereits ansatzweise „biologischeren“ Formen, mit zB pflugloser Bodenbearbeitung, Gründüngung, Direktsaat dort hinein und entsprechenden Maschinen – wenig boden-verdichtend) sprechen würden, würde VIEL deutlicher werden, warum hier eine epochal neue technische, eine Reproduktions-Aufgabe zu lösen ist.
Wie überhaupt meine Vorschläge sich zentral um (RE)PRODUKTION drehen, ihren Aufbau, und die ihr angemessene Produktions-Organsiation.
Untrennbar ist da verbunden: das Bedürfnis-gemässe, und das Ökologische.
Es ist am Ende nichtmal mehr die Frage, ob uns die Industrie-Arbeit gefällt oder als notwendiges Übel weiter das Leben der Produzenten beschädigt – sie beschädigt uU die Lebensgrundlagen aller in einem solchen Ausmass (und das beginnt bei der (agrar)industriellen Lebensmittelproduktion), dass diese Produktionsweise aufgegeben werden muss und die technischen Errungenschaften der Moderne nur in einem extrem ausgeklügelten, sorgfältig aufgebauten Produktionsorganismus, auf einem ganz schmalen technologischen Fortschrittspfad, weiter genutzt und entfaltet werden dürfen.

Es gibt hier eigentlich nichts zu streiten. Wer auf „Revolution“ als plötzlichem politischen Umschwung weiter warten will und vorher nicht aktiv werden möchte, den kann niemand davon abbringen.
Umgekehrt wird wohl kaum von den hier vertretenen Kommunalisten – andere sehe ich hier nicht schreiben, auch Mario und der von ihm zitierte Wolfram Pfreundschuh machen nur kommunalistische Vorschläge – irgendjemanden abhalten wollen, wer immer es möchte und kann, eine kollektive Selbstversorgung, lokal und in kleinem Rahmen, wenn auch wachsend, aufzubauen.
Die nicht-staatssozialistischen Kommunisten bei zB neoprene, wo ich und andre hier zeitweise geschrieben haben, haben uns angegriffen für solche Pläne, weil da Aktivitäten abgezogen würden für das Agitieren, eben das, was Mario das „politizistische Belehren“ (die Vertreter dieser Strategie selbst sprechen gern von „Kritisieren“) nennt. Der Mangel dieser Art, auf Leute loszugehen, könnte an anderer Stelle einmal genauer besprochen werden. Ansonsten vertritt, glaube ich, hier niemand diesen Ansatz.

5. Juli 2014
Mario: Nein, die Ähnlichkeit zum klassischen Keimform-Konzept ist bloss „scheinbar“.
Ich kann schon darum nicht das sog. „Durchrobben“ durch die bestehende Produktionsstruktur befürworten, weil ich diesen Aufbau technologisch für eine Sackgasse halte. Diese Auffassung deutet sich in meinem Forumsblog an unter dem Titel einer Kritik der „industriellen technologischen Strategie“. Dazu stehen einige votwegnehmende Bemerkungen in dieser „Zwischenbemerkung“.
Ich glaube, dass eine völlig neue Produktionsweise aufgebaut werden muss – eine, die anderen technologisch-strategischen Prinzipien als den modern-industriellen folgt. (Ich drücke die völlig anderen Zielsetzungen ja immer wieder aus mit der Formel: Ökologisch – bedürfnisorientiert – Ungleichzeitigkeiten abbauend. Und deute noch an, dass diese Anforderungen eigentlich EINE sind (durch „Bedürfnis-orientiert“ allein bereits abgedeckt).
Die Anforderungen sind ausserdem so, dass die Experimental-Gemeinschaften (das werden sie selbst im Wachsen lange Zeit bleiben, weil immer neue Aufgaben zur Lösung anstehen) für andre Reproduktionsformen (Lohnarbeit) keine Zeit haben. Deshalb müssen sie auf ihnen überlassene oder selbst eingebrachte private Reíchtumgsressourcen zurückgreifen.

An der Kurz-Zitat-Collage fällt mir auf, welch schrille Widersprüche der Anspruch auf schnelle „Gesellschaftlichkeit“ nach sich zieht:
Nicht nur, dass die Frage, woher denn plötzlich all die vielen Linken kommen sollen („Krise“?), VÖLLIG unbeantwortet ist…
Es wird dann auch noch, nachdem die kapitalistisch betriebene Reproduktion der Gesellschaft zurecht als für sie „unentdeckter Kontinent“ beschrieben ist, eine allgemeine „Planungsdebatte“ eingefordert.
Aber bitte VOR der Umwälzung… damit man „das Schiff“ (oder doch Kontinent?) Kapitalismus dann aber auch wirklich verlassen kann!
Und es muss ganz schnell gehen… sonst geht das Schiff (der Kontinent?) womöglich vorher mit Mann und Maus unter (Atlantis??). Wo doch Weltkrise ist… Aber anders gäbs wieder keinen Anlass zum Verlassen des Schiffs/Kontinents bzw. Betreten des anderen (Arche?).
Am Anfang werden. nein dürfen es grad eben noch wenige sein, naja eine transnationale linke Diaspora, vernetzt wie andere Subkulturen zB die Zeugen Jehovas… Macht nix, die können Schiff/Kontinent durch geschickte Sabotage auch alleine versenken. (Dann MUSS ja der Rest gefälligst umsteigen…)
Dass das auch umgekehrt mit einem selber gemacht werden kann, verhindert das „Entkoppeln“: Unsern Konsum eignen wir uns schon mal vorab an, und machen ihn vom sonstigen Produktionsgeschehen unabhängig. DAS ist natürlich was ganz andres als die „grosse Industrie“ (die man so schnell nicht verwalten lernen kann) wegzulassen – da draussen dampft und schnurrt sie ja immer noch (wenn auch jederzeit subversiv-kybernetisch stillzulegen). So kann man die Aneignung (“ dort ansetzen, wo das Verhältnis von Produktion und Konsumtion greifbar wird ohne dazwischengeschobene Instanzen“) aufschieben, bis die Planung (Debatte läuft!) steht. Bis dahin ist man – „entkoppelt“. Wenn auch nicht zu lange… uswusw

(Man kann noch anfügen, was sich bei Kurz nicht findet, aber was Mario nahelegt: „Konterrevolutionäre“ (das ist eigentlich heute die gesamte Normalbevölkerung, also „alle Andern“, oder?) sind ein Problem. Wie man ihm beikommt? Naja, indem man ganz schnell ganz viele wird… Aber bist du (vorher) nicht radikal und das flächendeckend (zur Not als Kadertruppe im Vorgriff auf die Rekrutierung des regulären Heers: kybernetisch-subversiv), versuchst stattdessen harmlos zu sein (nur so ein bisschen kybernetisch usw)… dann kriegen sie dich erst recht (Warum aber sollten sie?). Nebenfrage, Mario: Welche Krise soll um Gottes willen verschärft werden durch „Herausnahme“ von was? Was da allein an ökonomischen Meinungen unhinterfragt herumgeistert…)

Das geringste Problem macht sich Kurz, aber natürlich nicht nur er, mit der Frage: Wo die neuen Linken eigentlich herkommen sollen. Oder, ob Konsens unter denen, die sich (dann) irgendwie links(radikal) einordnen, überhaupt entsteht, und was ihn verhindert. (Das ist ja alles „dann“… „dann“ ist schliesslich alles anders als heute, weil heute ja nicht „dann“ ist… wenn es „soweit“ ist. Naja, in den nächsten Jahrzehnten muss dann aber schon mal „dann“ sein… sonst gehts nimmer.)
Das ist insofern konsequent, als ja das System sich irgendwann die ihm Angehörenden, nachdem „es“ von sich aus entstanden ist, subsumiert und eingenebelt hat…. Seither laufen sie in seiner „Spur“. Wie schön, dass es, das System, selbst, wie im Dornröschen-Märchen, die im System-Schlaf, dem System-Fluch Befangenen dank seiner eigenen, systematisch unvermeidlichen „Krise“, dann auch wieder freigibt. Plopp. Abgesehn von einigen Muttermalen (oder wie nennt man das) kommen sie aus der Epoche raus, als wär nix gewesen… und können nun endlich ganz allgemeinmenschlich kollektiv zu wirtschaften anfangen. Nein – erst schnell noch Planungs-Debatte. Aber dann.

Das, was mir an diesem ganzen Denken am übelsten aufstösst, ist: WIE wenig an brennend offenen Fragen dort für theoretisch bedenkens- und überhaupt beantwortenswürdig gehalten wird – wieviel dort offenkundig unbegriffen, unanalysiert, unerklärt bleiben kann. Weil es sich („dann“?) offenbar von selbst erledigt. Die Frage ist allenfalls WAS tun, von dem, das sich allem Anschein nach („dann“?) von selbst dafür anbietet. Die Frage WIE überhaupt? braucht nie gestellt zu werden. Das ist das Eigenartige: Auf DIESEM Niveau kann, äusserst kurzatmig und mit Erkenntnissen, die offenbar jeder aus dem Stand heraus hat, also Banalitäten, über Zukunftsstrategien hin und her geredet werden. Oder eigentlich eher: Schnelle Urteile gefällt werden, zack zack geht das, dies wird abgewiesen, jenes erledigt (da „utopisch“). Aber geh EINEN Schritt über diese Feststellungen hinaus – und es trifft dich der Bannstrahl: NOCH ist ja nicht „dann“ – alles weitere und die Details – „dann“. Und Gegenargumente, Fragen nach der Ausführung sind Details. Das gehört sich nicht… „jetzt“.

PS: Zu diesem fatalen Dualismus von „jetzt“ (noch nicht) und „dann“ wurde, durchaus aus Anlass der früher begonnen Debatte mit Mario, im oben schonmal verlinkten Forums-Blogbeitrag zu (linken) Denkblockaden argumentiert. An den sei also nochmal erinnert…

6. Juli 2014+1
In dieser inner-kommunalistischen Auseinandersetzung verkehren sich auf seltsame Weise die Fronten. Denn…

…ausgerechnet diejenigen, die (wie ich) die zentralen Zielsetzungen jeden modernen Produzierens ernstnehmen: Forschung, technologische Entwicklung, und deren Übersetzung in eine aktuelle Reproduktion und einen von da ausgehenden Fortschrittsentwurf – ausgerechnet die, die das ernstnehmen und GENAU DARUM das Problem der kollektiven Planung, nämlich Wissensverwaltung haben (und noch einige Probleme mehr) – ausgerechnet die werden von den Befürwortern des (im grossen ganzen hinreichend entwickelten) Produktivkräfte-Niveaus auf seinem gegebnem Stand verdächtigt, zur Vormoderne zurückzuwollen – darum, weil diesen Befürwortern des – produktivkräftemässig gesprochen – (dann nachkapitalistischen) Status quo die extrem aufwendige (und schon darum primitiv-moderne) industrielle Form der Umsetzung der modernen Werte völlig alternativlos vorkommt.

Aber nichts zeigt die Verwurzelung dieser Freunde des vergangenen Fortschritts in vormodernem Denken mehr an als diese Gedankenfigur: dass man sich auf dem erreichten Niveau doch mal einrichten könne; dass Forschung und Entwicklung kein Teil, womöglich sogar der zentrale, der Produktion ist; und dass die gesellschaftliche Wissensverwaltung dabei kein Schlüsselproblem darstellt.
Entweder es ist nicht modern; oder (Forschungs- und Fortschritts-)Planung ist ein Problem: nämlich der Wissensvermittlung, -verbreitung, (kollektiven) Verarbeitung.

Und so mit „Gesellschaft“.
Entweder sie ist nicht emanzipiert und selbstgesteuert (von wem und wie illusionär immer stattdessen: dem Markt oder der Partei oder eben diffus: „der“ Gesellschaft“, wer immer das ist), oder die gesamten Probleme der kollektiven Verständigung brechen über die Produzenten herein, nicht nur die der kollektiven Wissensverarbeitung, sondern auch die der Findung dauerhaft haltbarer Prinzipien dafür und der Einigung darauf, und der Fähigkeit zu ihrer Vermittlung an anders oder womöglich sich noch garnichts Denkende (die Nachwachsenden).

Die Linke sieht die Nichtlinken nicht als selbständig Denkende und Urteilende; und in der Hinsicht als Ihresgleichen; stattdessen bespricht sie diese andern als im Bann jener „Verhältnisse“ gefangen, die sie bekanntlich „unabhängig von ihrem Willen“ eingegangen sind.
Mit dieser Einordnung hat sich die Linke jeder Einwirkmöglichkeit begeben, und sich selber zur Passivität verdammt. Nichtmal zu VERSTEHEN gibt es noch etwas, denn das System (K1-3) begriffen zu haben, heisst alles Relevante kennen. Der Rest ist Warten – Warten auf den Bruch des Banns (den „Bruch“, den Plopp, die KRISE – wenn das System die in ihm Gefangenen massenhaft freisetzt), oder Warten auf hinreichend viele grundlos oder abgründig individuelle solche Brüche und Entscheidungen gegen das Bestehende. Und obwohl doch alle determiniert sind, sind einige determinierter – die einen, Ausbeuter, Kapitalisten, Machthaber, sind, obwohl doch genauso verblendet und auf ihre „Charaktermaske“ festgelegt, irgendwo doch verantwortlich, die andern hingegen büssen wohl in den Augen der strengen Betrachter durch ihre Betroffenheit als Opfer, was sie durch Nichtauflehnung (mit)verschulden.

Aber so, als System, hat die Linke nun mal die Verhältnisse im Gefolge von Marx gedeutet; ihr Verhältnis zu den Leuten im System ist davon geprägt, eine unüberbrückbare Distanz (im erzwungenen Reden über „sie“ in der dritten Person kommt es zum Ausdruck; wie redet man sie, die Bewusstlosen, unbewusst Ausgelieferten, zur Einsicht Unfähigen, je an? Am besten garnicht!)
Entweder sie sind unmündig, oder die Linke braucht eine komplett neue Theorie.

Die Frage, wie die grosse Ausnahme zustandekommt, die Linke selbst, ausgerechnet die nächstliegende Frage von allen, wenn man mehr werden will, wird nicht gestellt. Marx selbst murmelt was Verlegenes von wegen Bildungselementen und besonderer indivdueller Anstrengung.

Aber… es gibt ja auch keine Antwort auf die Frage, wie man ANDERS als links wird. Da wird man schliesslich vom „Sein“ geprägt. Nichts scheint marxistischen Linken näher zu liegen, als diese Erklärung. Dabei sollte nichts sie mehr verwundern und Anlass zum Fragen sein…

MIR geht es jedenfalls so: Ich verstehe die Normalmenschen da draussen nicht, sie sind mir absolut fremd… und ich finde nichts wichtiger und dringlicher als Antworten zu finden auf die Fragen: Wie denken die Leute da draussen, WAS denken sie, höchst unterschiedlishes, und in Abhängigkeit von dem, was andre ihnen sagen… und was hindert sie zu denken wie ich?

Jemand wie Wal hat seine beinah physische Abneigung gegen solches Fragen schon mehrfach bekundet.
Ich selbst erinnere mich an einen vergleichbaren Ekel, der offenkundig die Autoren der so ganz anders als Wal gepolten MG bzw des GSP befiel, wenn sie – sprachlich gewissermassen mit spitzen Fingern, einmal aus Gründen der Vollständigkeit der System-Erklärung, „Psycho“-Themen anzupacken hatten…
Ein ewiges Anhängsel der eigentlichen Theorie, eine Zumutung, ein Übergriff gar, eine Indiskretion… ein Wühlen im (fremden) Dreck.
Daneben aber gibt es die Idealisierung der Opfer… „Sie“, die so ganz anders sein werden, wenn „sie“ nur erst einmal „soweit“ gekommen sind…
Und die Verurteilung der Täter, der Mächtigen, der Politiker und Besitzenden, die doch eigentlich (auch) nur die Systemzwänge umsetzen… (tun das nicht alle?). Aber entweder tun sie es irgendwie zusätzlich auf gemeine Weise, statt zerknirscht, wie es ihnen offenbar anstünde… frech und die Opfer verhöhnend, statt ihr Tun bereuend und letztlich ablehnend… Offensiv und voll Zuversicht, wo sie eigentlich ratlos und verzagt sich zu geben hätten. Dafür kann man sie, die doch auch nur im Bann der Verhältnisse leben, schon ein bisschen hassen… (Bloss, dass sie bei den Opfern populär sind… und die Linken… eher nicht.)

Man darf fast sicher danach gehen: Wo moralische Empörung hochkocht, ist eine Lücke im Begreifen.
Täuschung, Fehler, Gründe für Fehler, mangelnde Motive der ansdern, etwas bis dahin Unterlassenes zu tun (zB Begriffe zu bilden) – gibt es für die derzeitige Linke nicht. Nur den Bann (der Verhältnisse). Und eben sie – die offenbar unerklärlich davon Verschonten, die Linken, die dem System danken, oder doch es verfluchen? müssten, dass es, aber warum nur, in seiner unerklärlichen Bosheit etwa? immerhin sie hat – vor der Zeit? – zustandekommen lassen…

7. Juli 2014+1
Danke, Mario, für deine Hinweise. Wenn jemand Texte von aussen hier ins Gespräch bringt, gehe ich davon aus, dass sie ihm so wichtig sind wie selbst Gesagtes. Grundsätzlich sollten wir uns hier als Einzelpersonen gegenübertreten, die ihre eigenen Auffassungen an Ort und Stelle ausdrücken, und mit dem Platz versuchen auszukommen, der halt in einem Forumsbeitrag bloss verfügbar ist. Ich muss mich jetzt also auch kurz fassen, wenn ich auf deine Aufforderung eingehe. Drum schreibe ich nur drei sehr einfache Prinzipien hin, die freilich – wenn sie beherzigt würden – aus der bisherigen (radikalen) Linken etwas Neues, und, wie ich glaube, besseres machen würden ((worin das alte Linkssein durchaus aufgehoben wäre, ums ein letztes Mal mit dem alten Hegel-Kalauer zu sagen)):

vom Kritisieren weg- und übergehen zum Begreifen (das Kritisieren ergibt sich daraus);
vom Gesellschaftlichen (Prod.verhältnis) zum Produzieren (Prod.kräften) (die Vergesellschaftung ergibt sich daraus);
vom Grossen zum Kleinen (das Grosse ergibt sich daraus).

Als wichtigster Grundsatz sollte aber vor und über allem stehen: BEDÜRFNISGERECHT. Daraus ergeben sich (wie zu zeigen wäre) auch die Prinzipien.

Warum gehen in der Gartenbau-Kooperative (auf deren Berichte du verlinkt hast) bald die altbekannten Konflikte um Leistungsbereitschaft und gerechte Lastenverteilung los?
Natürlich, weil Lasten zur Verteilung anstehen, und Anstrengung gefordert ist.
Die wird man, ohne gewaltige Umstellungen in der Produktionsweise, so schnell auch nicht los.
Der blosse Entschluss dazu reicht nicht mal ansatzweise (obwohl, den Gesichtspunkt immer als leitenden im Blick zu haben, ein notwendiger Anfang ist).

Das Gartenbau-Kollektiv tauscht seine Anstrengung gegen die der „Begärtnerten“. Würden da Ungleichgewichte entstehen, würde wohl bald auch von Ausbeuten oder „Ausgehaltenwerden“ gesprochen.
Fixiert man sich dann auf die („gerechte“) Verteilungsfrage, bleibt – wie so oft dann – der alternative Ansatz ausser Betracht: Niemand soll sich anstrengen. Dann bräuchte man auch keine Gerechtigkeit.

Witzenhausen, wo diese Leute wohnen, hat einen Namen in der alternativen Szene, wegen des Studiengangs Ökologische Landwirtschaft und einem weiteren Lehrinstitut (DEULA).
Das dürfte kein Zufall sein, die Leute werden, denke ich mal, dort ausgebildet worden sein.
Das „Ökologische“ an der Nahrungsmittel-Produktion scheint eine echte Leistungsanforderung – eine weitere, unter so vielen; noch schlimmer: Je ökologischer, desto vormoderner und mutmasslich schweisstreibender.
Für das ökologische Bauen und Renovieren scheint Ähnliches zu gelten.
Und mit „low tech“ beim Geräte- und Maschinen- oder gar Anlagenbau wird alles verbunden, bloss nicht das Attribut RAFFINIERT.
(Vgl. Kurz und seine „mikroelektronische (!) Naturalwirtschaft“).

In diesen drei Abteilungen einer alternativen Lebenseinrichtung steckt bereits eine Epochenaufgabe.
In den drei Prinzipien, die ich genannt habe, auch.
R.Kurz denkt, zurecht, immer wieder auch über die „Logistik“ der Aussteigenden und System-Kritiker nach.
Die Frage ist also, in Marx‘ Formulierung, wie man Jagen Fischen und Kritisieren (oder eben besser: Begreifen) verbindet.
Und: Wie man der bisher nicht leistbaren Anforderung, GLEICHZEITIG das Grosse (Gesellschaft, weltweit) und die kleine Lebenseinrichtung vereinbar zu machen, dadurch gerecht wird, dass man sie in ein sorgfältig bedachtes STRATEGISCHES NACHEINANDER überführt – wo man genau durch das, was man als nächstes (im Rahmen seiner Kräfte und Möglichkeiten) tut, zugleich den bestmöglichen nächsten Schritt in einem insgesamt auf eine neue Einrichtung aller Verhältnisse weltweit zielenden (Versuchs)Entwurf macht.
Die Einsicht, worin so eine Strategie und Entwurf besteht, müsste man freilich schon haben; sonst wird man sich auf das Kleinklein eines Selbstversorgungs-Gartenbaus oder einer „renaturierenden Kultivierung“ nicht einlassen.
Ab hier… geht oder ginge es in die Details – das ist die Kehrseite der Besinnung aufs „Kleine“: es wird auf einmal SEHR konkret. Wer konkret und praktisch wird, gibt viele Optionen auf. Er muss wissen, was er tut. Weil fast alle das NICHT wissen, und KEINEN strategischen Entwurf haben, misstrauen sie (zurecht) aller konkreten Praxis, und wollen sich alle Optionen offenhalten. Sie dürfen sich dann aber nicht beschweren, wenn es erst noch unpraktisch bleibt – man kann nicht ALLES zugleich. Nicht auf Anhieb.
Würde es praktischer werden…
…müssten wir über fortbestehende Unzulänglichkeiten des Permakulturkonzepts für Selbstversorger reden und zB über Prinzipien des Bodenaufbaus, Bodenlebens, der (ganz radikal) Frage der Vermeidbarkeit von Düngung uvam…
…über die Frage, was zu einer mutmasslich vollständigen Ernährung gehört, und darum auf dem eigenen Grundstück unbedingt sollte hergestellt (und konserviert) werden können (incl. Gewächshäusern – womöglich (aber wie?) beheizten), aber ohne Tiere (naja Geflügel – zur biologischen Schädlingsbekämpfung…) – weil zu aufwendig)…
…oder, um mal was ganz andres zu erwähnen, die steuerfreie Übertragung von Reichtum aufgeteilt in Tranchen in Höhe des Schenkungsfreibetrags (derzeit 20T Euro) – um sich die Bürokratie einer Genossenschaftsverwaltung vom Hals zu halten. Würde das zunehmend massenhaft (wenn du auf dem Land lebst, beginnt „Masse“ bei sehr kleinen Gruppen) umgesetzt, muss man überlegen, wie man die ausfallende geldliche Steuerleistung durch – womöglich vorauseilende – Angebote ehrenamtlicher Tätigkeiten in den Gemeinden, wo man lebt, (mehr als) kompensiert. Die FEINDSELIGE Grundeinstellung zur Umgebung sollte man vielleicht lieber durch, sagen wir mal, eine tendenziell THERAPEUTISCHE oder soll ich sagen, KLNISCHE ersetzen (es gibt da eigentlich kein gutes Bild, auch diese wecken mancherlei falsche Assoziationen); jedenfalls wäre diese Haltung wahrscheinlich näher an dem Befund (noch so ein Medizinerwort), der sich aus einem BEGREIFEN ergibt..

Alles Begreifen hat auch eine emotionale Seite, du musst ertragen, was du siehst. Dies ist nun historisch nicht die erste Epoche, die in die Phase ihrer Stagnation und sich abzeichnenden Scheiterns eintritt – also eine Periode, wo allzu lang aufgeschobene Problemlösungen sich in zunehmenden Ausfällen bemerkbar machen, und zugleich die immer schon vorhandenen Schwächen des epochalen Weltverhältnisses (und der Vergesellschaftungsformen, zu denen es führte) natürlich nicht behoben sind, also immer krasser sich als VERSAGEN (selbst) AN (den selbstgestellten) AUFGABEN (wieviel mehr an den objektiven) zeigen. Andererseits hat die Epoche auch Errungenschaften, an die anzuknüpfen ist; bloss, dass sie VIEL weniger wert sind, und meist an anderer Stelle liegen, als die Vertreter der Epochenprinzipien selber glauben. In dieser verwirrenden historischen Gemengelage muss man sich orientieren lernen – und auf einiges gefasst machen – nicht NUR Schlimmes – aber das eben auch. Historisches Bewusstsein und das Ein- und Nachfühlen der Situation früherer Kulturpioniere kann sich da als hilfreich erweisen. Denn… ob wir das wollen oder nicht: Das ist es (glaube ich), was wir sind. Heisst: Eine winzige Minderheit, die noch einige Zeit eine blieben wird (und zwar selbst dann, wenn sie „erfolgreich“ ist – sowohl aus ihrer, als auch der Aussensicht).

8. Juli 2014
Danke für deinen Zuspruch, Mario – da wären wir ja, wenigstens unter Kommunalisten, schon mal einige Schritte weiter. Ob die Mitlesenden uns soweit folgen wollen, oder sich entsetzt über unsere, spätestens meine radikalökologische Schrebergarten- und Kirchturmsperspektive (aber dafür bin ich doch recht breit aufgestellt) abwenden, wissen wir nicht.

Dass die Krahl-Leute den Einzelnen wichtig finden, gefällt mir natürlich. Warum richtig, darüber wäre viel länger zu reden. Dass der Einzelne ein oder das Ensemble gesellschaftlicher Verhältnisse ist… naja, es hört sich (in den Zitaten zumindest) noch nicht so schlagend an. Die Frage muss doch in die Richtung gehen: Was gehört unumgänglich dem und den Einzelnen an, und kann ihnen, bedauer- oder erfreulicherweise, wie immer, nicht (zB „arbeitsteilig“) weggenommen werden? Der Masstab der Bedürfnisgerechtigkeit, wenn er ernstgenommen wird, deutet die Richtung der Antwort an…

Ansonsten muss ich an zwei Stellen (das folgt aus der bislang von mir vertretenen Position) widersprechen:

a) das „Aneignen“ muss nicht immer nur in Gestalt der Betriebsbesetzung gedacht werden, es kann durchaus per Schenkung stattfinden (im Fall von Land ist das uU sogar der einzig mögliche Weg, um das Vorkaufsrecht der Landwirte zu umgehen – es erstreckt sich nicht auf Schenkungen, und ist – ursprünglich als Bollwerk gegen Bodenspekulation gedacht – heute ein gewisses Hindernis für die Ausbreitung alternativer Anbauverfahren, vielleicht nicht das grösste, aber eines. Nur um mal anzudeuten, nach wieviel Seiten man sich da umschauen muss… (von der Spekulation der verbliebenen Agrarbetriebe auf extrem lukrativen da subventionierten Mais- und Rapsanbau wg. Biodiesel noch garnicht zu reden; ebensowenig vom richtig rücksichtslos betriebenen Flächenverbrauch beim Ausweisen von Verkehrswegen, Gewerbegebieten und den hübschen Einheits-Neubau-Siedlungen am Rand der verfallenden Altbau-Dorfkerne…).

b) „…sich ausdehnen entlang der vorhandenen Produktionsbeziehungen“, das hatten wir schon bei R.Kurz oben. Für das, was radikalökologishe Selbstversorger (vielleicht) alles machen (sollten/werden), sind die Arbeitsgeräte womöglich noch garnicht erfunden (natürlich gibts auch schon wieder jede Menge Zeugs, das man auf Verwendbarkeit durchmustern muss). Aber das meiste davon ist dermassen „low“ tech, dass mans mit wirklich wenig Aufwand selbst herstellen kann. Die Frage ist eher, wie (spätestens recycelt) die Produktionskreisläufe geschlossen und die gesamte Fertigungstiefe in die eigne Verfügung geholt wird. (Da könnte langfristig eine Schwäche des Open Source Ecology Projektes liegen – da wird uU zuviel auf verfügbare Vorprodukte (nicht nur recycelte Rohmaterialien) aus Industrieproduktion zurückgegriffen.) Dezentral, regional-subsidiär (indem „überbetrieblich“ in der (Gross)Region für die (Gross)Region produziert wird), modular, robust, cradle-to-cradle, natürliche Werkstoffe… sind so einige erste Bestandteile einer anderen technologischen Strategie. Solang man den Anbau nicht beherrscht, braucht man darüber nicht zu sprechen. Und der kommt, wenn er – radikalökologisch orientiert, entlang der Ansätze, die dafür schon existieren – gelingen sollte, sehr weitgehend ohne „Arbeit“ ieS und Arbeitsgeräte aus – hingegen nicht ohne Beobachtung und exzellente Kenntnisse von Naturzusammenhängen… Eine ganz andere Entwicklungsdimension von „Agrartechnologie“…

Ein Hinweis zu den oben stehenden drei Prinzipien und ihrem proklamierten Bezug zu „Bedürfnisgerechtheit“.
Wir haben allgemein, aus neheliegenden Gründen, heute einen sehr eingeschränkten Begriff von Bedürfnis. Denkt etwa an den Spruch: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. Bedürfnis und Bedarf ist da immer nur bezogen auf Dinge, die wir brauchen zum VERbrauchen („Konsumieren“), Lebensmittel, Wohnung, Kleidung, Heilmittel. Niemand denkt heutzutage dabei an Formen der Lebenseinrichtung, die wir brauchen, um GUT zu leben, etwa das Einhalten und Beachten von Leistungsgrenzen (aber auch Leistungsantrieben), das (in diesen Grenzen, entlang dieser Antriebe und ihrem Wechsel, flexibel) angenehm abwechslungsreich und zugleich ohne Hetze tätig Sein, oder das Verfolgen genuin eigener Wissens-Interessen, die sich als authentische Frage- und Klärungsinteressen aus dem einem Bekanntgewordenen und Erfahrenen zwanglos ergeben.
Erst auf diesem Hintergrund wird dann deutlich, wie man „bedürfnigereccht“ und einen Grundsatz wie „vom Kritisieren zum Begreifen“ überhaupt zusammenbringen kann: Auch das Begreifen(wollen) hat, wenn es bedürfnisgerecht betrieben wird, seine Grenzen, kommt nur in diesen Grenzen (und der damit vorgegebenen „Geschwindigkeit“) voran.

((Darauf spiele ich immer wieder an, wenn ich sage, dass Leute ein MOTIV brauchen, wenn sie von sich aus (sich oder andre) nach etwas fragen sollen oder, dass sie voon sich aus etwas problematisch finden müssen, wenn sie sich für die Antworten derer, die ihnen darin vorangegangen sind, interessieren, und sich daran (Begriffs-bildend) abarbeiten sollen („Der Kern aller Bildung ist Begriffsbildung.“)
Was sollte sie aber motivieren – wenn nicht Erfahrung und wieder Erfahrung (selbst die verselbständigte oder gar obsessive Neigung zum (oder übermässige Aufmerksamkeit fürs) Denken, wie man sie unter „TheoretikerInnen“ wie, etwa, mir (leider) antrifft, beruht auf spezifischen (und sehr eindrücklichen, uU kindlichen) Erfahrungen damit, welche Konsequenzen (uU in ihrer Bedeutung überschätzten) drohen könnten, wenn etwas unbegriffen ist. An dieser kleinen Nebenbemerkung zeigt sich etwas Verallgemeinerbares: Ein ursprünglich garnicht objektiv berechtigtes Motiv kann Ausgangspunkt für Anstrengungen sein, die zuletzt zu (zunächst garnicht gesuchten oder vermuteten) Einsichten führen, hinter die man dann nicht mehr zurückkann; oder die dann wirklich zu weiterem Nachdenken herausfordern.))

Die Rede von Bedürfnissen ist darum so schwierig, weil es kein „natürliches Bedürfnis“ gibt, das nicht von „gelernten“, also gewussten und subjektiv zueigengemachten Bedarfs-Notwendigkeiten überformt werden kann – wo man sich sorgt, ängstigt, auch um die Möglichkeit, etwas zu versäumen und Chancen zu verpassen. Daraus entstehen allenthalben die Programme, auch politische, die uns alle veranlassen, Leistungsgrenzen auf breiter Front zu überschreiten.
(Dies soll gleich ergänzt sein durch die Erinnerung daran: Dass aufgrund von Macht- und Eigentumverhältnissen einige deutlich bessere Chancen haben, andere zur Beachtung und Beförderung IHRER „Programme“ und zur Missachtung eigner Bedürfnisse (aber auch eigner Programme) zu nötigen . Also diesen sehr abstrakten Hinweis nicht missverstehen im Sinn einer kurzschlüssigen Psycho- und Wellness-Lösung „mach dich frei von…“, die nur hinausläuft auf eine effizientere Freizeit-Regeneration der Arbeitskraft…)

Die drei Prinzipien benennen, wie man jetzt sieht,wichtige „Programm“-Felder, speziell linke. Zunächst hat es den Anschein, dass gewissermassen inner-programmatisch gesprochen wird, also etwa die ZWECKMÄSSIGKEIT des Kritisierens, Gesellschafts- und „Totalitäts“-bezogenen Agierens infragegestellt wird (zugunsten von Begreifen, Produzieren, „kleinem Rahmen“). Dass es dabei auch noch „bedürfnisgerecht“ zugehen soll, käme da quasi nur als viertes Prinzip, als eine rein äusserlich zu beherzigende Anforderung hinzu. So ist es aber nicht gemeint. Die Bedürfnisgerechtheit ist vielmehr die Leitformel, die die Anpassung der (hier „linken“) (Vergesellschaftungs)Programme, also das Kritisieren, auf die ganze Gesellschaft bezogen usw ERZWINGT. Sie zu missachten, so die Behauptung, führt dazu, erst gegen sich selbst und dann aber ganz schnell gegen andre GEWALT auszuüben. Diese Gewalt stört erst, auf Dauer aber ZERSTÖRT sie jeden Erfolg. Nicht in irgendeinem konstruktiven Sinn. Sondern durchaus so, dass alle Lebensverhältnisse bloss zerrüttet sind, ohne dass daraus notwendig gelernt würde: Dieselben Grundsätze der Programmbildung: festgestellter Bedarf geht vor (vor Bedürfnis nämlich), führen (selbst bei geänderten Programmen) gleich ins nächste Desaster.
Die Behauptung lautet also: Wer – bei sich und andern – Bedürfnisse, gerade auch die bislang garnicht in Betracht gezogenen, nicht achtet und beachtet, der befürwortet Formen der Vergesellschaftung und überhaupt des Lebens, die nicht haltbar sind.
Und wenn etwas aus der bisherigen Geschichte, die ja lang genug leidvoll genug verlaufen ist, zu lernen ist: Dann das.

9. Juli 2014
vorweg zu sturzbach:
Dir liegt an Kritik, ich übersetze das mit: Nachweis der notwendigen Schädlichkeit einer Handlungsweise, zusammen mit dem Nachweis, dass die damit notwednig verbundenen Schäden ohne gleichgrosse oder grössere Schäden (zumindest erhebliche Risiken in diese Richtung) zuverlässig vermieden werden können.
Die „Kritik“ der wirklichen Verhältnisse, wenn sie den Namen verdient, hat also nicht nur die erste Abteilung, sondern muss (was zB Mario ständig abgebrochen, zumindest abgekürzt haben will) auch von der Alternative reden. Falls du je „agitiert“ hast, wirst du feststellen, dass die Ablehnung linker Systemalternativen sich fast durchgängig speist aus Argumenten (vonseiten der Adressaten) der Art: Das geht überhaupt nicht (kann ich mir nicht vorstellen) – das geht schon, aber wird nicht SOVIEL besser, dass der Aufwand lohnt – das wird schon besser, aber unsere eigentlichen Probleme liegen anderswo. (Vieleicht auch, aber das ist schon keine Argumentation ieS des Adressaten mehr: MEINE Probleme liegen anderswo.)

Vielleicht verstehst du, sturzbach, warum – von diesem Begriff von Kritik her gesehen – mir deine Entgegnung oder Entgegensetzung nicht einleuchtet.

Es gibt eine Erwiderung auf Marios statement und Zitate; leider muss jetzt auch ich anfangen, dafür länger auszuholen.
Ich wähle dafür wie schon früher den Weg einer Veröffentlichung als Blog-Beitrag. Falls dieser als für die Debatte einschlägig und verwertbar angesehen wird, kann man sich ja ab jetzt darauf zitierend beziehen.

Noch ein Wort zum Stichwort „Glauben“. Ich sehe weit und breit keine Ableitung weder für die „Krisenerwartungen“ der radikalen Linken noch für die daran oder aber an unvermittelt, „frei“ vollzogene massenhafte Entscheidungen geknüpften Hoffnungen oder Strategien eines „Bruchs“. Daran muss man also erst recht glauben. Deine Beschwerde, sturzbach, lautet also, dass dir zugemutet wird, einen Glauben durch einen andern zu ersetzen. Der Unterschied ist: Dass ich für meine Ableitungen die Argumente durchaus vorzutragen bereit bin, und ja nicht behauptet habe, dass man diese nicht erst abwarten müsse. Es ist bloss, angesichts des ständigen und durchaus vor-theoretischen Abwinkens bei den von mir angesprochenen Themen, schwer zu erwarten, dass ich etwa mitten in einer Debatte wie dieser hier, so ohne weiteres mit Aufmerksamkeit für solche Ableitungen und Beweisgänge rechnen darf. Das ist auch der Grund, warum ich meine Darstellung fürs erste in mein Forums-Blog auslagere, und abwarte, ob es für diese Theorien überhaupt Leser und Diskussionspartner gibt. Die Erklärungen sind notwendig ZUNÄCHST theorie-programmatischer Art. Tatsächlich ist aber das Theorie-Programm eine Exposition wichtiger Grundbegriffe und Hinweis auf mögliche Zusammenhänge. Es ist schwer zu sagen, wie anders Interesse erzeugt werden könnte. Die Alternative dazu, die aber nicht minder mühsam ist, geht über das Aufgreifen etablierter Themen und Theorien und sorgfältige Detailarbeit DARAN, ich versuche das parallel (ebenfalls in meinem Forums-Blog) mit ökonomischer Theorie. Beides ist anstrengend; beides setzt voraus, dass man in etwas möglicherweise Falsches oder zu nichts Führendes Mühe investieren soll. Das kann aus dem Stand heraus von niemandem erwartet werden. Darum verhalte ich mich hier vorsichtig und belasse es bei Ankündigungen. Für mehr ist hier derzeit kein Platz.

11. Juli 2014+1
Der Beitrag von Kim war während meiner Antwort an sturzbach aus irgendwelchen Gründen nicht sichtbar, drum hab ich ihn noch nicht berücksichtigt.
Vielleicht gibt es an dieser Stelle wenn schon keinen Dialog, so doch ein paar weitere Hinweise.
1. Es ist von mir wiederholt betont worden, und zeigt sich im Grund an fast jedem Punkt, wo man sich mal unter die Schlagabtausch-Oberfläche vorarbeitet: Dass die praktischen in Wahrheit theoretische Auseinandersetzungen sind, dass die Unentscheidbarkeit der Konflikte zwischen Praxis-Vorschlägen sich zurückführen lässt auf weiträumige Ausfälle im Begreifen dessen, womit man es da zu tun hat.
Ich sage es mal ganz direkt und mäkelig: Die verbliebene radikale Linke hat darum so verwirrend viele theoretische Meinungen und Ansätze, weil es keine wirkliche Theorie gibt. Der furchtbarste Mangel dieser Linken ist ihr Mangel an Begriff.
2. Mario unterschiebt mir oben eine äusserst seltsame Meinung, für die er eigentlich nirgendwo einen Anhaltspunkt finden wird: Auf Kongressen und Internetforen soll etwas herausgefunden werden? Das ist die Welt der Autoren, die Mario zitiert, vielleicht auch seine; meine ist es nicht. Eher schon die Arbeit „auf irgendwelchen Feldern und Höfen“, Höfe dabei ohne den Zusatz „Hinter“; und, in der Tat, die werden zusammengekauft und/oder verschenkt. Aber dann beginnen auch schon die sehr empirischen, sehr experimentell und forschungsorientierten PRODUKTIVEN Bemühungen. Sie gelten etwas technisch, produktivkraft-mässig völlig Neuem, das man weder in der (Agrar)Industrie da draussen noch auf den alternativen Hinterhöfen finden wird. Der „Kontext“, den Mario immer bemüht, ist jetzt wie „dann“ derselbe, denn es geht hier um ungelöste Produktionsaufgaben (für deren Lösung es aber erforschungswürdige Ansätze gibt). Die Lebensformen, die sich daran anknüpfen, sind so SELBSTVERSTÄNDLICH kollektivistisch und eigentumsfrei, dass das nicht mal mehr zum Thema gemacht wird. Und von den Leuten, die sich danach DRÄNGEN, in Gemeinschaften mit solch einer Lebensführung aufgenommen zu werden, muss niemand je auf einem Keimform-Kongress gewesen sein, oder sich in einem Internetforum mit Argumenten präpariert haben: So zu leben und sich einzurichten, tut ihm und ihr einfach gut.
3. Das allein wäre noch kein hinreichendes Argument. Dass man selbst eine prekäre Reproduktionsbasis gefunden hat (die Frage der „Logistik“ für linke politische Arbeit hat immerhin auch R.Kurz umgetrieben; hier wäre eine Antwort darauf!), enthebt einen ja nicht der Notwendigkeit, sich zum Rest der (Welt)Gesellschaft um einen herum zu stellen -WÄHREND man sich reproduziert, und das erstmal als Angehöriger einer winzigen Minderheit. Das Produzieren so zu gestalten, dass es für alle Beteiligte mit der Wendung nach Aussen vereinbar wird, IST der aktuelle Kontext. Worauf willst du denn warten, Mario – auf welches „dann“, auf wieviel Leute (die dann wieder mit dir zusammen auf die noch ganz anderen „Kontexte“ und das weitergehende „dann“ warten, bei dems dann aber richtig losgehen soll… ohja, mit VIELEN VIELEN Fehlern, aber DANN ist schliesslich „dann“, da machen Fehler nichts mehr aus (Kim hat sich zu dieser Seltsamkeit schon geäussert))?
4. Im Zentrum steht die ganz einfache Frage, die ich wieder und wieder aufwerfe: Warum sind wir so, wie wir sind, wollen das, was wir wollen – und die andern nicht? Was fehlt denen, das wir haben? Wie vermittelt man es ihnen zwangfrei? Zwangfrei, auf solch ein „kognitives“ Thema bezogen, bedeutet: Zwanglos anknüpfend an die bestehende Erfahrung des andern, und die Fragen, die sich für IHN dort stellen, ihm den nächsten Schritt ermöglichen. Dazu muss ich selber die Schrittfolge kennen – ich hab sie ja selbst, anfangend vom selben bildungslosen Ausgangsnaturzustand des Kindes und Jugendlichen, zurückgelegt.
5. Warum ist diese naheliegendste aller Fragen für derzeitige Linke so uninteressant – vordergründig; denn wenn insistiert wird, merkt man: sie ist geradezu TABU. Warum? Weil vor allem, das eine Antwort liefern könnte, sich bleischwer und unüberwindlich der Satz vom Sein, das das Bewusstsein bestimmt, aufbaut. Diesem Satz könnte man (wie so oft in den schwerfälligen Disputen der linken Theologen) eine ganz einfache Wendung geben, die ihn leicht einsehbar und so garnicht mehr sozial-metaphysisch erscheinen liesse: „Seins-artig“ wie ein Stück selbsterzeugter Natur sind die MANGELHAFTEN Begriffe von ihrem Tun, die den Leuten ungut auf die Füsse fallen, weil ständig alles anders kommt als gedacht – wüssten sie es, würden sies bedenken, so würden sies auch ändern. Es geht da nicht so sehr um ein „nicht wissen“ (sie wisen es nicht, aber…“), viel mehr, und so ists präziser ausgedrückt, um ein Nicht-Gedachthaben an, Nicht-Aufmerksamsein auf (die Möglichkeit von…) – also Unterlassungen von jederzeit Nachholbarem; um es zu tun und nicht länger zu unterlassen, fehlt aber ein MOTIV.
So einfach könnten Auflösungen sein, so leicht (und produktiv) die nächsten Denkschritte – wenn nicht… auch im bleiernen Festhalten am Dogma vom Bewusstseins-determinierendem Sein eine Unterlassung aufscheinen würde: Hier wird nämlich gesprochen vom gesellschaftlichen Sein; und, naja, letztlich dann auch vom Bewusstsein der Gesellschaftsmitglieder, garnicht als Einzelner, sondern als – Gesellschaft. Gesellschaften haben ein Bewusstsein, nicht Einzelne? Da wird einem schon etwas metaphysisch zumut… DER Satz lässt sich eben nicht mehr so einfach mal ins Produktiv-Fortspinnbare wenden, stattdessen wandelt er sich um in das Bekenntnis eines „materialistischen“ (ausgerechnet) Glaubens, über den und das man nicht mehr hinauskommt.
6. Einzelne sind uninteressant in dieser Sozialreligion, natürlich dann auch einzelne und vereinzelte Linke, die Frage nach ihnen ist uninteressant, sie sind ja keine Gesellschaftsmacht, Klasse, sonstwie relevant, die paar Hansel, die sie derzeit NOCH sind. An Mario ist zu studieren, wie entlastend dies Denken wirkt: Die Lösungen aller „trefflich“ aufgezählten Problemewird „dann“ geradezu System-Charakter haben – solang Einzelne (wer sonst) sich dran zu schaffen machen, kanns ja nur scheitern – WEGFEGEN wird der entfesselte revolutionär-produktive Geist alles mühsam daherkriechende Kleinklein und Stückwerk – verstehst du,Kim: DAS ist der entscheidende Unterschied zwischen jetzt und „dann“ – und der Grund, warum Lösungen jetzt grundsätzlich misstraut werden muss, und auf die andern, „dann“, zu warten ist.
7. Und es stimmt schon: Da endet die Gemeinsamkeit. Man muss sich deswegen ja nicht beschimpfen. Bloss reden… reden kann man wohl auch nicht mehr miteinander. Die Voraussetzungen sind einfach zu verschieden.

12. Juli 2014
Vielleicht sollte man die Leser kurz darüber informieren, dass Wal sich in einen internet-freien Wanderurlaub verabschiedet hat und darum derzeit nicht mitdiskutieren kann. Falls jemand sich gewundert hat, dass von ihm so garnichts kommt.
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zu Wat
Naja das macht man wohl so, dass man versucht, sich da und dort nochmal deutlicher zu erklären, wenn man glaubt nicht verstanden worden zu sein 🙂
Nur beklage ich mich garnicht darüber (kann man ja auch nicht so gut, verstandenwerden ist schliesslich nichts, das man vernünftigerweise FORDERN darf), und auch sonst beklage ich mich eigentlich nicht, sondern versuche nur aus meiner Sicht die Differenzen zu beschreiben, die da derzeit sichtbar werden.
Und mein Eindruck ist NICHT, dass Mario mit dieser Ausschliesslichkeit wie du auf den Punkt hinauswill, dass man, wenns um EMANZIPATION gehen soll, doch den Entscheidungen der ANDERN (Einzelnen) nicht vorgreifen darf.
Also DIR, liebe Wat, kann man ja den „Vorwurf“ (hm… mache ich VORWÜRFE? möcht ich eigentlich nicht…) am allerwenigsten machen, du würdest den und die Einzelnen nicht in Betracht ziehen, bei dir gehts ja schon fast in die umgekehrte Richtung, vor lauter Einzelnen-Autonomie fragt man sich, wie so auf SICH Bedachte je mal was ZUSAMMEN auf die Beine stellen sollen, bei soviel Rücksicht aufeinander.
Aber das war, wie mir scheint, nicht Marios Hauptproblem, der sagt nämlich: Wir können hinter das gegenwärtige Vergesellschaftungs-Niveau nicht zurückfallen, und er sagt: Kernelemente der bisherigen Industrie müssen – vorerst – übernommen werden. Nicht, dass es bei Mario GARNICHT ums Mitmachen und die Entscheidungen der Einzelnen geht – er wirft ja die Frage auf, ob Vorhaben vielleicht daran scheitern, dass Leute sich nicht beteiligen wollen. Aber er sieht eben noch andre Probleme, Sach- und Koordinationsprobleme, die nicht so sehr mit dem Wollen der Einzelnen als ihrem (Nicht)Können (vor allem auch dem Zusammenführen dieses Könnens) zu tun haben. Und… Mario benennt ja auch Elemente eines Vorgehens, die nun ihm speziell vorschweben, das „Open Source Ecology“-Projekt und andere Prinzipien, er hält es für wichtig, seinen/unseren kommunalistischen Ansatz erstmal breiter zu verankern usw.
Und es ist ja richtig, dass wir hier in diesem Forum derzeit näher beieinander zu sein scheinen, zumindest in dem, was wir nicht wollen, als wir es anderswo mit anderen wären, um das mal in aller Vorsicht auszudrücken.

Ich könnte nun speziell DEINEN Einwand, Wat, sehr einfach entkräften, indem ich drauf hinweise, dass sich hier absolut einzelne Leute unterhalten, darüber was ihnen so vorschwebt und was sie befürworten würden; und sie BERATEN darüber und sagen sich ihre Gründe für und gegen. Niemand spricht für irgendjemand ausser sich selbst. Autonomer und einzel-person-bezogener gehts nicht. Das kann man eigentlich nur noch ablehnen dadurch, dass man sagt, aber wenn wir uns hier einigen, greifen wir dem vor, was all die Abwesenden da draussen später wollen könnten, drum sagt man am besten nix. Und wer Emanzipation will, muss sich eben so verhalten, das kann man ihm/ihr doch nicht auch noch vorwerfen.

Aber wenn JEDE zwang- und druckfreie Beratung schon im Verdacht der Bevormundung von gleichwem steht, der daran irgendwann später beteiligt sein könnte – wie sollen wir denn dann je zu GEMEINSAMEN Projekten kommen?
Wenn Leute jetzt schon anfangen, ihr Leben neu einzurichten, wird niemand gezwungen, der nicht mitmachen will, und nichts ist endgültig. Bloss… IRGENDWANN muss jemand wohl auch mal sagen, oder sich drauf besinnen, was er/sie überhaupt will… sonst kehrt sich der Zwang aus lauter zuvorkommender Zwanglosigkeit um, und überhaupt niemand darf IRGENDWAS tun, bevor nicht ALLE sich erklärt haben. Und das… kann dauern.

12. Juli 2014
Nochmal kurz zur Erwiderung auf Mario oben.
Ich sehs nicht so, dass das ein ganz und gar argumentloses Konfrontieren vom Positionen ist. Wobei überhaupt mal die Kontroversen zu benennen und sich zu verständigen über die Punkte der Nichtübereinstimmung und da halbwegs (gemeinsame) Übersicht herzustellen, bereits eine Arbeit für sich darstellt. – Es steht bloss derzeit die Antwort von Mario aus auf einige Anfragen bzw. Einwände (ok, einfach nochmal in leicht veränderter Form dasselbe hingeschrieben):
a) Wieso rechnet er überhaupt damit, dass sich die Zahl der Leute, die auf dem gegenwärtigen Level (wo man nix genaues wissen kann, bevor nicht…) sich an zwangfrei-kommunalistischer Reproduktion beteiligen wollen, noch wesentlich vergrössern wird? Derart, dass die andern, also wir, die jetzt schoon wollen, am besten garnicht erst anfangen, weil da bald schon wieder alles über den Haufen geschmissen werden wird…
b) Wieso rechnet er, umgekehrt, dermassen wenig damit, dass GENAU DADURCH DASS Leute anfangen und etwas Vorzeigbares erarbeiten, sowohl in ihrer faktischen Reproduktion und den involvierten Technologien als auch in Gestalt der zwischen ihnen erreichten Verständigung, ursprünglich Fernerstehende und skeptische Sympathisanten dieser Bewegung aufmerksam werden und in genau das Gespräch gezoge werden könnten, das Mario doch offenbar führen möchte? (Gespräch, Wat… da wird niemand zu nichts gezwungen!)
c) Wieso sieht eigentlich Marrio nicht selbst, wie hohl (und genau das hab ich, und auch Kim in seinem Beitrag, ihm vorgehalten) die Erwartungen an ein dann, später usw sind, die er vorbringt? Es gibt da bei ihm überhaupt nichts ausser der leeren Formel, „dann“ sind soviel mehr Leute beteiligt, „dann“ wird alles anders. Und das wurde als quasi-religiös etikettiert. Während im Gegenteil ich sage: Nur wenn Leute sich bereits verständigt haben, können sie GEMEINSAM neue Einsichten verarbeiten und ihre fehlerhafte Praxis korrigieren; nur in sich verständigte und gemeinsam reaktionsbereite können auf die Ideen neu Hinzukommender ALS KOLLEKTIV reagieren und sie produktiv verarbeiten. Umgekehrt können die unter sich NICHT verständigten Einzelnen, die hinzukommen, nur bei einem solchen Kollektiv hoffen, dass ihre vereinzelten neuen Gesichtspunkte kollektiv verarbeitet und in eine kollektive Reproduktion mit aufgenommen werden können, an der sie ab da voll-verantwortlich mitbeteiligt und einbezogen sind.
d) Damit ist das ALLERwichtigste Argument bzw. die Anfrage von allen an Mario auf dem Tisch: Wie glaubt er denn, dass kollektive Verarbeitung von Informationen und Erkentnissen gehen soll? Das ist doch der limitierendste Faktor schlechthin, das Problem der Probleme, dessen Ungelöstheit letztlich hinter Herrschaft, Eigentum, Kapitalismus, autoritären Hierarchien und (Selbst)Entmündigungs-Strategien steckt.
e) Und da ist die Situation hier und auch in jedem andern Forum repräsentativ: Denn irgendwann muss man ja mal sich und andern auch Rechenschaft ablegen können darüber, warums mit der Verständigung hier und jetzt dermassen schlecht klappt und „dann“ aber soviel besser gelingen soll? Wie sollen sich radikale Linke, diese winzige Minderheit, die sich derzeit in hunderte Einzelströmungen und Meinungen zerlegt, je einigen – wie erst der Rest da draussen mit ihnen?
Darauf gibts kene Antwort, wenigstens was das Prinzip angeht – JETZT?
Und das soll das Prinzip der Emanzipation NICHT als ganzes infragestellen?
Wir gelten doch genau darum als Traumtänzer für die Leute da draussen, weil wir darauf keine gescheite Antwort haben ausser „jetzt nicht, aber dann…“!
f) Und nur um das noch in Erinnerung zu rufen, als wärs nicht schon genug, was da steht, sage jetzt speziell ICH, dass das ökologische Produzieren technologisch eine völlig neue Problemfront aufmacht; und ebenso und am grundlegendsten die Frage (die übrigens sogar Mario oben beinah als allererste mit aufgeworfen hat): Wie soll das alles bedürfnis-gerecht werden und bleiben, angesichts all der Herausforderungen?
Keine Antwort darauf, wenigstens im Prinzip?
g) Mir schwebt eine vor. Bloss.. das Interesse daran ist bei Mario (und derzeit auch den andern hier im Forum, vielleicht ausser Kim) derart gering, dass ich damit garnicht erst anfange das vorzustellen Dafür gilt oder würde gelten, dass man da, grad so wie Mario für den kommunalistischen Ansatz unter andern Linken, hier unter Kommunalisten erstmal Verständnis für die Problemstellung herstellen müsste.
Naja, das versuch ich ja grad…

20. Juli 2014+1
Eigenartig, Mario: Jetzt, wo wir uns immerhin zum Grund der ursprünglichen Differenzen vorgearbeitet haben, und du ihn sogar benennst („dass wir von unterschiedlichen Transformations-, Lern-, und Vermittlungstheorien ausgehen“) – genau jetzt soll der Dialog abbrechen, wo er eigentlich erst beginnt?
NATÜRLICH geht es um diese Theorien; sofern die Leute, durch deren Zitate du sprichst, welche haben.
Und… EIN Unterschied gleich vorweg: Transformationstheorie als eigne Abteilung entfällt bei mir; wo es um gesellschaftliche also menschliche (personale) Praxis geht, gibts nichts andres zu besprechen als Lernen und Vermitteln der Einzelnen (aller zusammen). Da ändert nichts SICH, ausser genau DADURCH.
So. Damit ist in aller Einfachheit schon die WESENTLICHSTE theoretische Differenz auf den Punkt gebracht: Was ich und wir hier für wesentlich halten, ebenso auch, was wir für ungeklärt und herauszufinden; was wir für dabei von allgemeinem Interesse, oder aber für „zu speziell“ und daher vorläufig uninteressant erklären – das kann JEDER einsehen, wenn es denn einsichtig ist. Ich sage: Er kann; und müsste hinzusetzen: Wenn er (zwangfrei) motiviert ist, darüber nachzudenken und sich ein Urteil zu bilden, nötige Kenntnisse zu erwerben usw.
Das Wesentliche ist – spätestens nach Absolvieren der nötigen Verständigungsprozesse (solcher, wie sie hier beginnen, sofern sie nicht vorzeitig wieder abbrechen) – in jedermanns Kopf.
So muss und soll das sein – sage ich. Es ist Teil der DEFINITION dessen, wo jedenfalls ich hin will. Ob es je dahin kommt, weiss ich nicht, höchstens vermag ich anzugeben, ob dem (und welche) Hindernisse entgegenstehen, die weggeräumt werden können (dh sie erscheinen nicht von vorneherein unüberwindlich); ich kann also sagen, dass es nach derzeitigem Wissen möglich ist.
Was ich soeben als Definition bezeichnet habe, nennst du „Grobbeschreibung und vage Vorausnahme, die viel mit Wunschdenken zu tun hat“. Mit Wunschdenken hat dies Definieren, was zu wollen ist, soviel zu tun: Dass klar gesagt wird, was man ablehnt, was NICHT zu wünschen ist, und das so vollständig, dass eben der Rahmen für das Erwünschte vollständig bestimmt ist, und alle weiteren Details und Konkretisierungen soweit charakterisiert sind, dass klar ist, wo sie in eine unerwünschte Entwicklung abgleiten würden.

ad 1: Dies ist ein spezifisch historisch-kultureller und praktischer Prozess. Man muss unter Menschen,, die sich über linke Theorien unterhalten, endlich einmal dahin kommen, die Besonderheiten dieser Art Prozess gemeinsam festzuhalten. Wieso „nichtlinear“ (eine äusserst abstrakte quantitative Bestimmung vermutlich hinsichtlich der „Ausbreitungsgeschwindigkeit“) nicht vereinbar sein soll mit den von mir genannten Bestimmungen, ist mir unklar. Der Hinweis auf diese Art der Ausbreitung kann nur dann etwas über seinen Inhalt aussagen, wenn dieser Inhalt sich demnach pro Zeiteinheit ebenso nicht-linear vermehrt: Die von allen Beteiligten zu bewältigende Stoffmenge und Komplexität stiege dann mit jedem neu Hinzukommenden weiter an (und, da der Prozess sich offenbar ausbreitet wie eine Epidemie, explodiert auch diei Zahl dieser „Hinzukommenden“). Tatsächlich bleibt aber die Stoffmenge und der wesentliche Inhalt sich gleich, wenn es sich bei allen um ein (bedürfnisgerecht verlaufendes) Begreifen und Verständigen handelt: Die Begriffssysteme aller haben sich hernach angeglichen – ihre Begriffe von dem, was ihnen allen wichtig ist und Aufmerksamkeit verdient, und was nicht, haben sich in gleicher Weise ausdifferenziert und sind dann bei allen dieselben. Neu hinzukommende Erfahrung, die im Sinne IRGENDEINES von diesen unter sich Verständigten von Belang ist, ist es dann für ALLE und wert, an alle zu gelangen. Ab da also ändert sich (differenziert sich) das Begriffssystem aller durch neu hinzukommende Erfahrung synchron – die (Welt)Gesellschaft lernt dann kollektiv – der Inhalt, den IRGENDEINER als wesentlich ansieht, ist derselbe wie bei allen andern. ((Diesen Synchronisierungs-Effekt erwarten sich Leute wie Mario von „Krisen“…))

Genau diesen Zustand herzustellen ist die anstehende Produktions-Aufgabe; ihre Lösung schliesst den Rückgang auf bedürfnis- und naturgerechte Formen der Lebensführung ein. Dass hier nicht drei verschiedene Zielsetzungen äusserlich zusammengefügt und zusammengefasst werden, sondern immerzu von ein und derselben gesprochen wird – das würde die genauere Betrachtung der Bestimmungen von Praxis, Kultur, Geschichte, Natur usw zeigen. Wenn man sich diesen Themen und Kategorien nur endlich einmal zuwenden würde.
Anm. Ich bin sehr damit einverstanden, wenn man das Sich-Verständigen als natürlichen Prozess auffasst (und nicht in einen unaufhebbaren Dualismus hineingerät, wo Kultur der Natur entgegengesetzt wird); wenn man nur endlich einmal sagen würde, was für ein Prozess das ist – welche Rolle etwa die Sprache darin spielt. Um mal eine Andeutung zu machen: In sich verständigte Gruppen von Individuen haben unter sich ein Lernniveau ausgebildet, und verhalten sich dadurch nach aussen, wie man es zuvor bloss an lern-fähigen Einzel-Organismen (Tieren) und noch früher bloss an der Evolution der Gesamtheit lebender Organismen angetroffen hat. Das ist doch mal eine „handfest“ materialistisch-biologische Bestimmung….)

ad 2: Wenn das Ziel so bestimmt wird wie von mir in den voraufgehenden Absätzen, dann sind Entwicklungsschritte Einzelner – das Wesentliche daran (das als solches zu erkennen ist) – REPRÄSENTATIV FÜR ALLE ANDERN. Hier wird mir in nichtöffentlichen Mitteilungen von Mitlesenden die Auffassung nahegelegt, die Massen da draussen müssten, ja sollten sogar garkeine „Emanzipationslinken wie wir“ werden. Dazu sage ich: Dass zwar das „Emanzipationslinke“ mancherlei Momente in sich befasst, die seinen Vertretern vielleicht nicht so ganz bewusst sind; aber wenn die bewusstgemacht sind, ist es eine Art der Einstellung, die SELBSTVERSTÄNDLICH ALLE andern zwanglos einnehmen müssen, wenn der oben genannte Zustand erreicht werden soll. Ich kann doch nicht die wichtigsten Konzepte vernünftiger Praxis, über die ich verfüge, leugnen und verleugnen, wenn ich mich mit andern zusammentue, und dies dann noch ein Zusammentun (und nicht eine Selbstaufgabe) nennen. Es sei denn, ich werde durch die andern von der Unvernunft und Unangebrachtheit meiner Emanzipations-linken Konzepte zwanglos überzeugt.

ad 3: Das Wesentliche am Ganzen ist also dasselbe in ALLEN seinen Teilen, wenn es ein vernünftiges ist, und SIE vernünftige. Wie sich die Inhalte dieses Ganzen bei Vernünftigen ändern (nämlich ausdifferenzieren!) „wenn sich Beteiligte und Umgebung verändern“ – genau darüber müssen sich die heutzutage (unfreiwillig; als Ergebnis ungeplanter historischer Lernprozesse) Fortgeschrittensten unter allen Rechenschaft ablegen. Denn nur dann begreifen sie den Lern-Weg und die Inhalte, die auf ihm (zwangfrei) zu vermitteln sind, den die andern von IHREN Startpunkten aus zurückzulegen haben (an denen die Fortgeschrittenen, in diversen unwesentlichen Varianten, selbst einmal gestanden haben).
Wenn Resultate historischen Lernens (davon sprechen wir) nicht irgendwann zuverlässig an jedem neu Hinzukommenden (das sind spätestens die Nachwachsenden, also Kinder und Jugendliche; ich komme immer wieder darauf zurück) zwanglos reproduzierbar gemacht (und das heisst im wesentlichen: begriffen) werden – dann gehen sie unweigerlich wieder verloren, oder sie fallen in ihnen unangemessene Rahmen-Standpunkte zurück, die durch die zurückfallenden Inhalte eigentlich schon überwunden waren.

(Das ist bis heute der Fall: Die Ergebnisse historisch absolvierter Lernprozesse wurden und werden in Formen angeeignet, die von diesen Inhalten eigentlich überwunden sind.)

Anm. Dieses Zurückfallenkönnen eines fortgeschrittenen Inhalts in einen ihm historisch vorausgehenden Rahmen ist Konsequenz der Tatsache, dass historisches Lernen im wesentlichen ein AUSDIFFERENZIEREN und Dazulernen ist: Differenzierter heisst, es werden MEHR Bedingungen beachtet, unter denen einzig Handeln rational durch Erfahrung bestimmt wird; eine so begründete Handlungsweise kann übernommen werden in einen Rahmen, wo die Bedingungen (Arten des Begründens aus der gegebnen Erfahrung), unter denen sie entworfen wurde, schon wieder nicht mehr beachtet werden – das Handeln selbst läuft zwar noch weiter, seine Gestaltung unterliegt aber ab dann vergleichsweise entdifferenzierten, primitiveren , weniger spezifischen Regelsystemen als dem fortgeschrittenen, unter dem es konzipiert wurde. Das gilt zB für alle Formen genuiner Religion, die (wie ich meine) grundsätzlich massenhaft auf „abergläubisch-primitiver Grundlage“ „angeeignet“ werden.
Anm. Diese Asymmetrie in der Art, wie „Entwerfer“ einer Praxis und diejemigen, die sie von diesen „übernehmen“, diese Praxis jeweils begründen, ist nicht nur grundlegend für das „kulturelle“ Ausbreiten und „Aneignen“ einer historisch fortgeschrittenen Praxis durch Eliten und Massen; sondern vor allem auch für das Funktionieren von „gesellschaftlichen“ Institutionen generell. Und genau deswegen muss das alles auch überwunden werden: Vergesellschafung durch Institutionen; Tradierung durch „Kulturbildung“.

ad 4: DENN, nochmal erläutert: Personales, „menschliches“, nämlich vernünftiges (kein quantiativer, sondern ein rein qualitativer Begriff) Lernen ist nicht ständiges UM-Lernen, wie Mario das zu unterstellen scheint; sondern DAZU-Lernen. Das heisst, gewichtige Einsichten, nämlich in das, was wichtig ist und Aufmerksamkeit verdient und was nicht, ändern sich historisch NICHT MEHR: Der historische Lernprozess ist ein DIFFERENZIERUNGSPROZESS.
Das gänzlich Neue (Emergente) eines Epochenschritts in der Bildungsgeschichte des Einzelnen wie „der Gattung“ (wo ihn irgendwann Einzelne als erste gemacht haben) besteht in fundamentalen EINSCHRÄNKUNGEN dessen, was bis dahin vernünftig erschien: Worin vernünftiges Handeln besteht, wird GENAUER als zuvor bestimmt, genauer gesagt: Es wird überhaupt endlich einmal bestimmt, und war zuvor noch in wesentlichen Hinsichten unbestimmt geblieben.

ad 5: An dieser meiner Art, Behauptungen zu vorzutragen, nämlich autoritär versichernd und unvermittelt Aufmerksamkeit dafür einfordernd, ist (als bedürfte es solcher Beispiele noch, jeder kennt sie ja leider zur Genüge aus seiner eigenen Biographie) einzig zu demonstrieren, wie Zwangfreiheit in der Verständigung und Vermittlung NICHT aussieht. Der Freiraum, von dem Mario in seinem 5.Punkt spricht, ist wesentlich einer der Musse und des zwanglosen Austauschs mit Andern. Dazu muss man ZEIT haben und sich nehmen (dürfen); man muss sie (spezifisch) haben WOLLEN für solch einen Zweck, und darf nicht ständig Besseres und Wichtigeres vorhaben. Das wars im wesentlichen, was ich das Motiv zum Ausbilden neuer (bis dahin fehlender) Begrffe genannt habe.
Anm. An dieser Stelle ahnt man vielleicht, warum das „Bedürfnis-gerechte“ Vorgehen einen derart zentralen Stellenwert hat: Es gibt ein sich mit individueller Erfahrung (die einem auch durch andre zwanglos vermittelt, zugänglich gemacht, berichtet werden kann) ausbildendes Bedürfnis, zu begreifen, nämlich Begriffe auf einem Praxisgebiet zu bilden, oder sich zu besinnen auf das, was einam da relevamt und „wesentlich“ erscheint, und wie das alles untereinander zusammenhängt. Es gibt ein Bedürfnis zu LERNEN bei solchen, wie wir es sind: Neugier und Begreifenwollen. Darauf kann man (muss man, darf man) sich stützen; darauf kann man sich verlassen.

6. Mein ironisch-verdrehendes Aufgreifen von Marios Punkten kann hier unmittelbar fortgesetzt werden: Denn in seinem Punkt 6 spricht Mario von „Krise“ als Anlass des „Umdenkens“ (qualitativer Sprung, neues Paradigma usw).
Was Mario hier zu sagen hat, offenbart vor allem eins: Er hat nicht die geringste Vorstellung davon, WAS eigentlich das Neue und die Mehrheit Verbindende sein soll – worin das neue Paradigma eigentlich bestehen soll.
Er müsste es dafür ja schon in sich selbst ausgebildet haben.

7. Dies Vorwegnehmen, was die Andern werden müssten, und was eine Errungenschaft wäre – das denkt sich Mario immer nur unter dem Titel „Vorausplanen“ – Entwerfen dessen, was (von wem denn?) GETAN werden soll. Aber darum geht es hier noch garnicht, sondern um das, was von den Andern irgendwann endlich GEDACHT werden muss, wenn sie sich weiter vernünftig betätigen, ihr Verhalten ein HANDELN bleiben soll. Die Punkte, an denen es in Gefahr gerät unvernünftig, im Kern: unverständlich zu werden, und den Bezug zur weiter anwachsenden Erfahrung zu verlieren – DAS sind (wie ich glaube) die Krisen, die zum, nein nicht UM-, sondern GENAUER Denken veranlassen. Welches sind überhaupt die hauptsächlichen Haltepunkte („Epochen“) auf dem so, „Krise“ für „Krise“ (in diesem Sinn) zu absolvierenden Bildungsweg (dem historischen wie dem individuell-nachholenden)? Wir reden zB über „religiöses Denken“. Ist es eine solche Epochen-Station? Eine nämlich, wo denen, die dort halten, ihr eigenes Denken VOLLSTÄNDIG RATIONAL BESTIMMT erscheint – und sie auf ihren Grundlagen keinerlei Anlass haben, davon abzugehen. Das „Krisenhafte“ schleicht sich von ganz wo anders her, völlig unerwartet und unbemerkt, in ihr Leben – am Ende haben sie aufgehört, religiös zu denken, und können nicht angeben warum.
(Und nur, wenn dieser Prozess seinerseits nicht nur absolviert, sondern rückblickend verstanden wird, begreift man, warum es genau so und nicht anders gehen konnte.)
Warum oder warum nicht etwas zurecht „religiös gedacht“ zu nennen ist, darüber müssten wir uns, Mario, also erstmal sehr viel genauer verständigen. Das Wort „religiös“ ist bis jetzt nur eine vage Anspielung und Andeutung, und kann, ohne solche Verständigung, garnicht mehr sein (ähnliches gilt für: idealistisch, oder (als Gegensatz dazu, wie bei mir oben in der Anm. zu Punkt 1) materialistisch ua).

8. Rein illustrativ gesprochen und der erforderlichen Verständigung über religiöses Denken nicht vorgreifend: ALLE Konzepte, die einem Gebilde (dem intelligenten Schwarm, „der Gesellschaft“, „der Klasse“ ua) mentale Prädikate (Absichten und das „Haben“ oder Ausbilden der dahinterstehenden Gründe) zuschreiben, das „grösser“ sein soll als das einzelne Individuum (dessen Denken sich doch in dem aller andern – nach absolvierter Verständigung – wiederholt!) – alle solche Konzepte sind aus meiner Sicht eine Form politisch- (also nicht auf Natur-, sondern historische, Kultur-, gesellschaftliche und individuelle Prozesse bezogen) religiösen Denkens.

((Die genaue Formel lautet: Gebilde, Zustände, Vorgänge, Dispositionen ua werden dabei bis auf weiteres einer hypothetisch anzunehmenden optimalen Beschaffenheit für fähig gehalten, die man nur unter Zuhilfenahme mentaler Prädikate (solcher, die man sinnvoll nur vernünftigen Organismen, also (Einzel-)Personen, zuschreiben kann) charakterisieren kann – freilich nur, indem diese Prädikate völlig UNBESTIMMT bleiben und dadurch aus ihrem Verwendungszusammenhang (im Rahmen praxis-bezogener Lern- und Entscheidungsprozesse) gerissen werden.

Anm. Religiös Denkende haben keinen Begriff von den Zusammenhängen zwischen Ebenen des Entscheidens (und keinen Anlass, ihn auszubilden), weil sie selbst – und zwar genau AUFGRUND ihres religiösen Verhältnisses zur Welt – in einer traditionalen Lebensform leben, worin sie zwar durchaus punktuelle Verbesserungen im Rahmen des Bestehenden anstreben (das Mittelalter ist voll von technischen Erfindungen und Verbesserungen), aber keine wirklichen Entscheidungen auf allen Ebenen treffen – wie genuin moderne Menschen (die ständig technische Möglichkeiten und Reproduktionsanforderungen angesichts ständig anwachsender Erfahrung wechselseitig in prekären (gesellschaftlich abgestimmten) Lebensentwürfen einander anpassen müssen – oder müssten; wenn es genuin modern Denkende in nennenswerter Anzahl gäbe; leider ist die Modernität der einschlägigen Pioniere „gesellschaftlich“ „kulturell“ bloss in vormodernen Rahmenkonzepten angeeignet worden… der noch relativ beste davon ist der religiös-optimalhypothetische (die Formel s.o.) (religiöse Formen eines modernen Weltverhältnisses ist bei praktisch allen derzeitigen radikal Linken anzutreffen) – der seinerseits in den normalen, bloss noch „gläubig“-erwartungsvollen und darum magisch-abergläubischen des Normalbürgers zurückgleitet.
DER reagiert freilich auf „Krisen“ der von Mario ins Auge gefassten Art – die ihn leider immer bloss zum Dazulernen in SEINEM Rahmen (geänderte Einstellungen, womit zu rechnen ist und was er „aus Erfahrung“ (wie er das nennt) erwarten DARF) bringen; sie machen ihn meist nichtmal religiös.

Anm. Wer nicht weiss, was vernünftigerweise draus zu folgern wäre, weiss auch nicht, wann eine Krise in welcher Hinsicht „produktiv“ sein könnte. Die Pest war es (vgl. dazu zB Frantisek Graus: Pest Geissler Judenmorde) nicht – sie „passte irgendwie ins Bild“, das sich währned der 1.Hälfte de 14.Jh. ohnehin verbreitet hat: Nichts stimmt mehr (Schisma, 100jähriger Krieg, Mongolen, neue Waffensysteme, Klimaverschlechterung usw). Und wie weiter? Daraus folgte erstmal garnichts… Petrarca, Boccaccio, Chaucer? Wiclif/Hus-Reformation, Konzil? Portugiesische Übersee-Ambitionen? „Verrechtlichung“,“Monetarisierung“, „Rationalisierung“ und (beginnende) Zentralisierung der Staats-Verwaltung? Und was nicht noch…? Alles das gab es NEBEN der Krise, nicht DURCH sie… und aus ganz anderen Entwicklungsantrieben. Wichtige Folge der Pest allenfalls: Es wurde sehr viel Land frei… Die Arbeitslöhne stiegen. (Und… das Zutrauen in die Wissenschaft sank…) – Wenn es irgendeinen verallgemeinerbaren Verlauf für Epochenübergänge gibt, der sich aus den letzten 6000 Jahren ableiten lässt… dann so, dass es diese unscheinbaren Neuentwicklungen „aus GANZ anderen Motiven“ NEBEN der immer grösseren Anfälligkeit der zuendegehenden (aber darum nie aufhörenden) Epoche gibt…
Epochen stossen eben nicht bündig aneinander – mit „Krisen“ als „Übergangszonen“…
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(Es lohnt sich, das weltgeschichtlich einzig verfügbare und weithin vollständige Double der europäischen Geschichte, die chinesische, einmal auf Parallelen (also das Gleichartige im vordergründig Unterschiedenen) hin anzusehen – vor allem mit Blick auf die Momente von Modernisierung, aber auch fundamentale Strukturmerkmale vormoderner Gesellschaftsepochen. Wenn man dann nicht dank starrsinniger Histomat-Vorgaben in die Sackgasse einer Needham-Fragestellung rennt, steht man, zumindest ich derzeit, das mag auch auf Mangel an Detailkenntnissen beruhen, verblüfft vor der Striktheit der Analogien (geschätzter Zeitabstand zuletzt etwa 200-250 Jahre). Die wesentlichen UNTERSCHIEDE bei grundsätzlicher Ähnlichkeit des Entwicklungsgangs könnte man einmal geographisch begründet sehen (die Binnen-Gliederung des politisch und kulturell erschlossenen Gesamtraums: in China gering; Art und Siedlungsstruktur an seinen Grenzen (Verhältnis besiedelte Landfläche zu Küstenlinie; offene Grenze zu Steppennomaden), zum andern in der Tatsache, dass das spezifisch Mittelalterliche, nämlich die EINE Hochreligion (durchgehend dieselbe für alle Regionen und Klassen) in China nie lang genug ausgebildet war, um früh eine dauerhafte Ausifferenzierung von Politik und Kult (als eigenständigen Entwicklungsdimensionen) in Gang zu setzen. Die Bedeutung dieer Unterschiede relativiert sich aber im Mass, wie eben die Gesamtentwicklung nicht mehr als von wenigen, etwa DIESEN genannten Elementen, abhängig gesehen wird, sondern viel mehr Entwicklungsdimensionen als massgeblich für die Resultierende „historischer (Epochen)Fortschritt“ begriffen werden (einen sehr bedenkenswerten Vorstoss in diese Richtung liest man im Anhang ausgerechnet des oben angeführten Spezialwerks von Frantisek Graus zum Spätmittelalter: Dort wird für eine historische Gesellschaftstheorie (oder soziologisch reflektierte Geschichtswissenschaft) vorgeschlagen, BÜNDEL einer Pluralität Entwicklungsdimensionen und deren Ver- und Entflechtung (in bestimmten Räumen) zu betrachten. Vergleicht damit das Marxsche Minimalbündel (aber immerhin!) der Ver- und Entflechtung von Produktivkraft- und Produktionsverhältnis-Entwicklung durch verschiedene Epochen und Räume. Es geht dabei um nicht weniger als um die Frage, was wie weit womit in der Geschichte ERKLÄRT werden kann. Und das… bis hin zur andauernden, zur gegenwärtigen „Geschichte“…))

PS: Auch die Osmanen hatten früh Kanonen, und keine schlechten; sogar die Chinesen hatten welche… Das Inka-Reich wiederum hatte die Pocken (mit ähnlichen Sterbeziffern wie die europäische Pest)…)

20. Juli 2014
Gut Kim, da kann natürlich ich wieder nur zustimmen ^^
Aber wenn Rückbesinnung auf gutes Leben von Einzelnen und DESSEN Vergesellschaftung ernsthaft das Ziel sein soll – dann beginnt man vielleicht, angesichts all der Kategorien, die wir hier quasi allesamt in die Hand nehmen und umdrehen und auf ihre Brauchbarkeit DAFÜR prüfen müssen (von denen, die uns noch fehlen und garnicht ausgebildet sind, garnicht zu reden) – man beginnt, sage ich, vielleicht zu ahnen, was für ein Umschwung, was für eine Revolution ALLER bestehenden Verhältnisse das wäre, und was für epochale Ausmasse die dafür nötigen Anstrengungen in der Neuerfindung in allen Lebensbereichen annehmen…
„Revolution ist kein Deckchensticken.“
Bloss… sie spielt sich auf GANZ anderen Gebieten ab als die vormalige… die, die den beschleunigten Übergang in „moderne“ und am Ende immer bürgerliche Verhältnisse anzeigte…

27. Juli 2014
(Ich möchte einer eventuellen Erwiderung Marios nicht vorgreifen – drum wiederhole ich ein paar Gedanken, um die Grundstruktur der Debatte nochmal hervortreten zu lassen.)
Erneut gibt Mario mir ein Stichwort – mit seinem Verweis auf „pattern-langage“. Dem Wikipedia-Artikel zufolge ist das eigentlich eine Strategie für komplexe Aufgabenlösungen – da, wo für Einzelproblemstellungen im Rahmen des Ganzen (von denen man somit ihren „Ort“ und „Art“ kennen muss) bereits vorbildhafte Musterlösungen existieren, die man für weitere Anwendungsfälle bloss angemessen abwandeln muss. Vorausgesetzt ist, dass sich die Lösungswege, die über Teillösungen im Rahmen eines „Ganzen“ verlaufen, grundsätzlich ähneln – dass überhaupt die übergreifende Problemstellung, eben die zu lösende Globalaufgabe, ebenso ihre Zerlegung in Teilaufgaben, die gleichen „Muster“ aufweist. Das Vorgehen stammt charakteristischerweise aus der modernen Städteplanung und vor allem der Software-Entwicklung mit Ablegern zur Organisations- und vermutlich Unterrichtsplanung (darum wird vermutlich „Pädagogik“ als Anwendungsfeld genannt).

Es wiederholt sich hier also das Thema „komplexes Ganzes und seine Teile“ (weiter oben noch als „Das Ganze ist MEHR als seine Teile“).

Das Ganze, von dem WIR hier reden, ist ein „gesellschaftlich-arbeitsteilig organisierter Reproduktionsprozess“, mit den Einschränkungen „Kommunalisierung, Modularisierung/Dezentralisierung der Produktion und Permakultur“.
Marios Idee scheint zu sein: Wenn man die derzeit globale, zumimndest kontinentale und nationale Riesenwirtschaft erst einmal emanzipatorisch auf kommunales Niveau heruntergebrochen hat, könnten uns solche Transfers von Muster-Problemlösungen von einer Kommune zu anderen (bei grundsätzlich vergleichbarem Aufbau der kommunalen Produktionsstruktur) erheblich einfachere und bewältigbarere Planungs-Aufgabenstellungen liefern.
Die Problemstellung selbst ist also QUANTITATIV reduziert und so entschärft und entlastet – es muss einfach nicht mehr so viel, so weiträumig mitbedacht werden – aber ZU klein geraten ist es auch nicht; der Gesamtwust an Produktionsaufgaben ist schon mal vorab geteilt in regional/dezentral und überregional – damit sind überschaubare Planungs-Departments entstaden, wo man sich der Stoff-Fülle vielleicht eher gewachsen zeigen wird. (Solche Teil/Ganzes- Beziehungen und Aufgabenzerlegungen tauchen ja bei vielfältigen Gross-Organisationen – Grosskonzernen, Militär, Verwaltungen usw – auf – darum erscheint ja auch das pattern-language-Verfahren anwendbar.)

Die Differenz zwischen Mario und mir – die Differenz zwischen dem gemässigt-kommunalistischen Konzept (das immerhin schon Zugeständnisse hinsichtlich der „Dezentralität“ macht) und meinem, maximal-radikalen ist, wieder einfach auf den Punkt gebracht:

Mario geht aus von einer PRIMÄREN Vergesellschaftung auf dem zu wählenden Niveau – eben einer unter modernen Vorgaben notwendigen Minimalgrösse des Gesellschafts-„Körpers“, der sich da halbwegs dezentral in seinem lokalen Rahmen reproduziert – etwa als Kommune Bochum. (Die alteuropäische Stadt, Kommune, als Vorbild: ernährt aus dem Land drum herum, sie als Markt und Zentrum; mit übergeordneten Zentren und ihren (dann nich tmehr rein landwirtschaftlich gedachten) Einzugs- und Zuliefergebieten in ihrer Peripherie).
Der Einzelmensch und Entscheider bekommt dann (aber von wem?) irgendwie in diesem Riesenorganismus seinen Platz zugewiesen – meist zweigespalten: an einer Stelle leistet er (als Produzent) seinen Beitrag zur Gesamtleistung, an einer andern nimmt er (als Konsument) seinen persönlichen Anteil am Ertrag entgegen. Zwischen beidem vermittelt eine unpersönliche Maschinerie, die – wenn überhaupt von jemand – jedenfalls von den meisten nicht gekannt und nicht durchschaut, geschweige denn beherrscht, geformt, gelenkt werden kann (die Frage nach VIELEN die da lenken, ist dann noch garnicht beantwortet).
An diesem Problem arbeiten sich dann die sämtlichen Versuche ab, kollektive Steuerung modern-arbeitsteiliger Produktion durch die Produzenten einmal konkret zu denken.

Die radikale Lösung hingegen stellt den Einzelnen und seine Lebensführung (mit andern) an den Anfang jeder „planmässigen“ Vergesellschaftung. Da geschieht jetzt und später nichts, was nicht FÜR JEDEN BETEILIGTEN JEDERZEIT nachvollziehbar und auch tatsächlicih nachvollzogen, beeinfluss- und gestaltbar und tatsächlich gestaltet wäre – das GEMEINSAM Gesellschaftliche ist Teil der Lebenseinrichtung der Vergesellschafteten.
Dieser Ansatz, der in ganz anderer Weise als die bisherigen „revolutionär“ werden könnte, antwortet auf ein Problem, das sich die wenigsten unter den radikalen Kritikern der kapitalistischer Industriegesellschaften überhaupt stellen, das ich aber seit Anfang meiner Mitarbeit hier im Forum in den Mittelunkt stelle: Wie soll die moderne Form der Wissenser- und verarbeitung überhaupt je von Einzelnen umgesetzt und getragen werden? Sie überfordert nach kürzester Zeit jeden, der sich ihre Leitziele zueigengemacht hat. Und NUR, wer an die Stelle der Einzelnen unbestimmte Gross-Subjekte – die Kommune, die Gesellschaft, die Forschergemeinschaft, die Arbeiterklasse, die Produzentenassoziation usw setzen kann – und die für in gleicher Weise – nur eben QUANTITATIV expandiert (erinnere oben das „QUANTITATIV reduziert“ im Zshg. mit Kommune) – verarbeitungsfähig hält wie Einzlne – nur der kann den jedes Einzelleben und sein Fassungsvermögen schnell um absurde Grössenordnungen überschreitenden Zuwachs an epistemischen, technologischen, Reproduktons- und Fortschrittsoptionen, die zur Entscheidung zwischen ihnen anstünden, und den Gedanken seiner Verarbeitung durch IRGENDEIN Subjekt oder Entscheider (auch einem gleichwie dazu BEFUGTEN, die Partei, die zentrale Planungskommission) überhaupt noch zusammenbringen.

Das eigentliche Epochenproblem ist nicht der Kommunismus, sondern die Werte und Zielsetzungen der MODERNE. (So steht es seit langem in meinem Profil.)

Nicht allein, ob man und wer moderne Arbeitsteilung kollektiv planen DARF, ist die Frage, sondern vor allem, wie und ob man oder irgendwer es (je) KANN.

Die Offensichtlichkeit dieser Problemstellung, mit der Mario übrigens den thread gestartet hat, ist eins der wichtigsten Hindernisse dafr, dass Leute sich ihr überhaupt zuwenden.

Denn… es gibt ja ein vergleichbares Gross-Subjekt (noch so eins!), das bereits installiert ist, und die Aufgabe vermeintlich schlecht und recht löst (das wird ihm mittlerweile längst als seine grösste Errungenschaft bescheinigt!): der MARKT.
An den muss man freilich glauben (ihm KREDIT in vielfältigster Form geben), um das, was sich IN seinen Formen abspielt, als daDURCH bewirkt, und dann auch noch OPTIMAL gestaltet (besser als es jeder Einzelne könnte) interpretieren zu können.
(Wie sollte das „optimal“ auch je zu widerlegen sein – wer kennt denn die unglaublichen Fehlentscheidungen, die womöglich stündlich, sekündlich, da draussen getroffen werden – und das unvermeidlich? Der müsste ja einen gott-ähnlichen Blick von draussen auf das Geschehen werfen – er müsste – zumindest im theoretischen Nachvollzug – leisten, was angeblich „der Markt“ im Vollzug seiner heilsamen Lenkungsfunktion an wenigstens kognitiven Leistungen vollbringt – der ALLwissende, ALLgütige…; von seinen korrigierenden Eingriffen noch ganz zu schweigen – der ALLmächtige (wo und solang man ihn nur gewähren lässt und seiner überlegenen Weisheit nicht ins Handwerk pfuscht…)
So denken bekanntlich die Anhänger des Marktglaubens. Aber die radikalen Linken sind von dieser sozialreligiösen Lenkungsillusion nicht weniger besessen…

(Für eine Kritik der Moderne, wie ich sie vorbringen würde, gibt es darum derzeit keinen Bedarf und kein Interesse. Aber nicht wegen der (alternativen, linken) Lenkungsillusion allein. Viel schlimmer: Ohne es zu merken, hat diese radikale Linke ein NICHTMAL GENUIN MODERNES Verhältnis zur Welt – sondern ein in einem vormodernen Rahmen angeeignetes modernes. Das macht sich für mich vor allem daran fest, dass die derzeitigen linken Planungsdebatten immerzu nur Formen der EINRICHTUNG einer kollektiven Produktion betrachten, und dabei die genuin modernen Themen: Wissenschaft, technologische Entwicklung, ständige Revolutionierung der Produktionsweise und Fortschrittsstrategie, nicht einmal ansatzweise erwähnen. Das gehört – vom „revolutionären“ linken Standpunkt aus betrachtet – der kapitalistischen Vergangenheit an. Der Standpunkt ahnt nichtmal, wie vergangen er selber ist…)

(Das war jetzt nichts Neues von meiner Seite. Solang wir aber mit dem alten Zeug nicht zuendegekommen sind, gibts keinen Grund, sich mit den weiter oben genannten Themen zu befassen: fehlender Begriff von Natur, Geschichte, Selbst – oder mit meinen dazu gehörenden Vorschlägen, sich (zunächst, vorrangig)) mit (ökologischer) Produktion, Begreifen (des Unterschieds zur Restbevölkerung)(zum Zweck seiner Aufhebung), und dem Aufbau (zunächst) robust-kleinteiliger aber lebensfähiger, weil lebbarer („bedürfnisgerecht“) elementarer Formen des Lebensführung zu beschäftigen.)

Wat:

4. Oktober 2014
„Alle planen alles – wie?“ – Ein Thema, welches sich immer wieder auch in anderen Threads/Themen ergibt und nicht jedesmal insgesamt hierher umziehen kann, um den Ausgangspunkt und Diskussionsfluß dort nicht zu durchbrechen, aber evtl. auch hier weitergeführt wird oder werden möchte.

Guckst Du bitte: „Arbeiterforderungen von 1848“ – Danke. http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/368-Arbeiterforderungen-von-1848/
Ende thread Alle planen alles – wie?
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thread:
Linke Solidarität und Repräsentation

6. August 2014
Hallo Wal, da scheinst du mir etwas äusserst Wichtiges anzusprechen, wobei ich – wie schon öfter – vorschlage, mit welchen Bezeichnungen auch immer den grundsätzlichen Unterschied zwischen Linksradikalen im engeren Sinn und „anderen“ Linken festzuhalten; Kriterium für den Untrschied ist die Befürwortung von gesellschaftsweit egentumsfreier Vergesellschaftung, wobei natürlich gewaltige Unterschiede in den Auffassungen bestehen, wie die, wenn überhaupt, zu erreichen ist.
Was ich dazu sagen möchte, erstreckt sich zunächst nur auf die Linksradikalen im engeren Sinne.
Deren politisches „Handeln“ enthält an prominenter Stelle solche Aktivitäten wie das KRITISIEREN FORDERN und VERURTEILEN.
All das ist aus meiner Warte Ausdruck dessen, dass diese Leute sich der objektiven Distanz zu dem, worüber sie sprechen, nicht genug bewusst sind – sie sind „zu nah dran“.
Ein anderer Ausdruck für diese Art der Distanzlosigkeit ist: UNVERMITTELTHEIT. Damit soll in etwa dasselbe gesagt sein, wie du, Wal, es auch benannt hast: Es werden Gemeinsamkeiten, gern mithilfe des Attributs „objektiv“, unterstellt, die garnicht bestehen und wenn überhaupt je, dann nur über viele („vermittelnde“) Zwischenstufen erreicht werden könnten.
Sofern für die Begründung der (oft verwirrend widersprüchlichen oder vielfältigen) Stellungnahmen der oben angeführten Art Analysen und Faktenrecherchen aufgeboten werden, sind sie hauptsächlich von moralischem Interesse, und laufen drauf hinaus, Täter und (möglichst irgendwie dann doch unschuldige) Opfer zu identifizieren. Wobei die Urteilsfindung meist einfach ausfällt – wer die (Über)Macht hat, hat auch die Vrantwortung, denn er könnte ja die Gemeinheit immer noch unterlassen, das Opfer hingegen mag sich denken, was es will, zunächst mal und vor allem hat es keine Wahl, und ist moralisch von daher „unschuldig“. Ein typisch moralischer Reflex auf diese Art von (beginnendem) Einwand lautet dann gern: Ja sollen denn dann auch noch die Opfer verantwortlicih sein? und wenn der Nichtmoralist antwortet: Nein, die Frage der (relativen) Schuld ist uninteressant, wird ihm empört erwidert: Also die Täter sollen entlastet werden.
Ich wäre selbst zu nah dran, wenn ich mit moralisch Urteilenden solche Dialoge führen wollte.
Zu einem auch nur virtuellen (vorstellbaren) Gespräch gehört soviel mehr an gemeinsamen Voraussetzungen.
Vorher kann man nur ÜBER die andern sprechen (fragt sich, mit wem…), aber nicht MIT ihnen.
Das ist (wie ich finde) eine Katastrophe, aber der (historische) Stand der Dinge.
Und die derzeitigem Linken ieS wie die iwS sind weit, weit von jeder auch nur virtuellen Gesprächsfähigkeit mit so gut wie allen ausserhalb ihrer eigenen Kreise entfernt. Sie BEGREIFEN ja noch nicht mal (wichtigster Grund der Nicht-Gesprächsfähigkeit aller mit allen) den Grund ihrer eigenen Andersartigkeit, und den für die Andersartigkeit der Andern (halten das nicht mal für besonders erwägenswert).
Wie kommen Leute zu ihren (begrenzten) Standpunkten, welche Typen (Stufen) (bei aller Vielfalt) solcher Standpunkte, welche Entwicklungsreihen gibt es? Was ist das vorwärtstreibende und was das entwicklungs-hemmende Element darin? Wie kommen sie über ihre zu begrenzten, zu primitiven Standpunkte hinaus, wie LERNEN sie und holen KULTURELL (man könnte auch sagen: autoritär) aber eben nicht massenhaft-individuell bereits angeeignete fortgeschrittene Positionen in ihrem persönlichen Bildungsgang nach?
(Wo, in dieser Entwicklungsreihe, ist beispielsweise das moralische Denken angesiedelt? oder das „ökonomische“? das religiöse? oder das (immerhin) moralfreie (aber immer noch unvermittelte) „Kritisieren“? Worin besteht jeweils der Mangel, wohin könnte man gelagen, wenn man darüber (wodurch motiviert?) hinausgelangt?)
Das sind Fragen der Art, wie ich sie mir stelle.
Und… um es offen zu sagen: dass die Antworten nicht gegeben werden können, schon gar massenhaft… das ist der Kern der oben angeführten Katastrophe. Das Nichtbegreifen, wo man eigentlich steht – worin historischer Fortschritt eigentlich besteht.
(Oh… und auf diese Fragen und Gesichtspunkte SOLL man also achten? Unvermittel-autoritär gefordert und hingeschrieben, so als müsste das jetzt unmittelbar, spätestens weil ich das jetzt geschrieben habe, als hochwichtig einleuchten im Gegensatz zu allem, was die Leser sich so alles denken mögen? Natürlich nicht…
Man kann sich fragen, wieviel Sinn es dann noch macht, solche Sätze wie ich eben hinzuschreiben. Es gibt Grenzen der Vermittelbarkeit des Eignen, aus dem Stand heraus…)

6. August 2014
schnelle Korrektur, Wal: In meinem Text war von Linken im weiteren Sinne, abgekürzt iwS (nicht mit Grossbuchstaben geschrieben) die Rede – Linke, die nicht linksradikal oder Linke ieS sind (das war weiter oben von mir auseinandergehalten worden, und ich wollte erstmal bloss von den Linken im engeren Sinne, den Linksradikalen, denen, die gesellschaftsweit eigentumsfreie Vergesellschaftung befürworten würden, sprechen.)
Auch hatte ich meine Frage nach dem Zustandekommen grundlegender Mentalitäten sehr allgemein verstanden wissen wollen; ich frage zwar hier immer wieder danach, wie man links(radikal) wird, aber meine persönlichen Fragen richten sich generell auf eine möglichst systematische Erklärung des Zustandekommens ALLER grundsätzlich vorkommenden Denkweisen überhaupt; deren Typologie ich nicht für unübersehbar vielfältig halte, sonst würde die Frage auch keinen Sinn machen.

7. August 2014+1
Aber Wat, ich widerspreche Wal ja garnicht. Und auch nicht dir: denn in der vollständigen Antwort auf die Frage, wie man links wird, ist auch enthalten, was dem entgegensteht und es verhindert. Oder… warum der Standpunkt bloss instabil eingenommen wird, und offenkundig nicht auf Einsicht beruht.
Das gilt ja so, als zu beantwortende Frage, auch für andre Standpunkte (die dem linken zB konträr sind, und deren Erörterung somit zur Bantwortung auch der „Links“-bezogenen Fragestellung herazuziehen ist…)
Zur GesprächsFÄHIGKEIT gehört selbstverständlich die Nichtaggressivität. Aber dann… muss man auch noch was zu sagen wissen. Die Linke war mal dadurch ausgezeichnet, dass sie was zu sagen wusste, und überhaupt etwas WUSSTE. Das ist ihr weitgehend verlorengegangen – zuviele Fragen sind (spätestens) mittlerweile offen. Darum steht, meine ich, Selbstbesinnung, dann auch interne Selbstverständigung an; und: das Gespräch nach „aussen“ kann man wieder suchen, wenn es intern gelingt.

9. August 2014
Ihr beiden, mir ging es nie und geht es nicht um Avantgarde (diese Assoziation kommt von Wal, nicht mir), nicht im Geist oder sonstwo. Ich rede überhaupt nicht von etwas, das ich – arrogant, autoritär, einschmeichelnd, wie immer – anderen predigen oder nahezubringen versuche. Sondern von etwas, das ich, wenn überhaupt, erstmal bei mir selbst enwickle: Verständnis, Orientierung, der Versuch, zu begreifen, was mir begegnet. Das mache ich nicht für oder gegen andre, sondern für mich selbst. Wenn jemand mit mir ins Gespräch kommt, und mich danach fragt, werde ich darüber reden – genauer, ich werde reden und es offenlegen MÜSSEN; denn ich hab dann nun mal (wie alle andern) bloss dieses mein momentanes Verständnis und diese Begriffe ausgebildet, und keine andern.

Ich weiss nicht, wie „die Vielen“ zu etwas Sinnvollem und Nachvollziehbarem kommen wollen, und das OHNE den Glaube an Repräsentation, nach wie vor ein wichtiger Punkt, den Wal da herausgearbeitet hat (ohne Aber!) – ich weiss nicht, sage ich, wie sie es machen, ohne dass – nach Austausch aller relevanten (schon darüber müssen sie einig sein) Informationen und Beratungen – die wesentlichen Begründungen für alle Einschätzungn und Entscheidungen gemeinsam, das heisst: IN JEDEM EINZELNEN, vollzogen und eingesehen sind.
Anm. Das ist nicht Einheitsbrei, sondern der Zustand kollektiver Verständigtheit und der Fähigkeit, ab dann alle weitere Erfahrung IRGENDEINES von diesen GEMEINSAM zu verarbeiten. Es findet da Lernen, Experimentieren und Verallgemeinerung (im Sinn von: Gemeinsam-Machen, Teilen) aller von allen für relevant befundenen neuen Erfahrungen statt. Alle werden gemeinsam reicher an Einsicht. „Die Vielen“ sind nicht weiser als JEDER von ihnen. Aber JEDER ist so weise wie ALLE ZUSAMMEN.

Das ist grundsätzlich immerzu das Szenario, von dem ich spreche. (Von daher ist wirklich schwer zu verstehen, wie ausgerechnet ich geistige Avantgarde im Sinn haben sollte. Nach allem, was ich hier vertreten habe. ;( …mal so zur Erinnerung: das Problem, Information gesellschaftlich zu verarbeiten, wälzt man mit der Penetranz, wie ich das tue, doch bloss, wenn man eine solche Verarbeitung (Möglichkeit dazu) DURCH JEDEN EINZELNEN auch wirklich wünscht.)

An der Intelligenz der Vielen zweifle ich nicht (nicht mal an der ALLER), und nicht daran, dass sie und wir alle einander darin nichts voraushaben.
Ich zweifle daran, dass ihre grundlegenden Zielsetzungen und Einstellungen zu Welt, Wissen, Erfahrung, Lebenseinrichtung zueinander passen und sie in absehbarer Zeit zu kollektiver Handlungsorientierung finden lassen. Es ist nicht das erste Mal, dass ich die Vermutung äussere: dass diese von mir so genannten „Weltverhältnisse“ bei jedem Einzelnen ausschlaggebend sind für seine Einstellung zu den Weltverhältnissen anderer in der engeren wie der weiteren Umgebung oder kurz: zu anderen (ihren Vorschlägen und Entscheidungen).
(Erst das, was sich aus der Konfrontation solcher Einstellungen (zu Welt und Andern) der Einzelnen bei Gelegenheit der vorfindlichen gemeinsamen Praxis wie möglicher Abänderungs-Vorschläge und -Absichten ergibt, macht dann „die gesellschaftlichen Verhältnisse“ oder „Gesellschaft“ aus..)

(In diesem Vorrang der „Weltverhältnisse“ vor den „Einstellungen zu (denjenigen der) andern um einen herum“ kann man, wenn man so will, einen fernen Widerhall bemerken der Marxschen Hypothese vom Vorrang und Vorgang des Produktivkraftfortschritts vor den Produktionsverhältnissen (die ihm folgen und sich im Zweifel neu anpassen, wenn sie spürbar hinderlich werden).)

Es gab und gibt Formulierungen von mir, wie zB „Kulturpioniere“, oder jetzt zuletzt die Andeutung der Möglichkeit, dass es „Entwicklungsreihen“ im Denken, das heisst aus meiner Warte vor allem: im Begriffebilden, gibt.
Wenn ich Hypothesen in diese Richtung aufstelle, dann nicht, weil mir die besonders gefallen, sondern weil Gründe, an denen ich nicht vorbeikann, das nahelegen. (im übrigen spreche ich über solche Gefälle ein klares Urteil aus: historische Katastrophe, etwas, worüber man dringend hinauskommen muss. In Wahrheit völlig im Sinne von Wal: Denken, Erfahren und alles, was daraus folgt, kann man nicht an Repräsentanten abgeben. Es ist nicht das erste Mal in der Geschichte… ähnliche Einsichten hatten Leute für: Frommsein (die Protestanten); Geniessen (die französischen Revolutionäre); gesellschaftlich-arbeitsteilige Produktion organisieren und über deren Ziele entscheiden (die radikale, nichtstaatssozialistische Linke).
NIE ist dabei die Rede von einer Überlegenheit der Personen, NIE gar davon, dass aus dem eigenen Besserwissen für die andern etwas folgen sollte: Wie sollten sie denn auch ein mögliches tatsächliches Besserwissen erkennen? Da müssten sie es ja nachvollzogen haben (anti-autoritäre oder, in Wals Ausdruck: anti-repräsentationales Argument schlechthin).
Warum solten sie das aber tun – ohne Grund?
Um diese Gründe, nämlich Motive, sich mit etwas zu beschäftign, seine Aufmerkamkeit drauf zu richten (sich darauf zu besinnen), mögliche Begriffe, Hypothesen, Verständnisse, Versuchsanordnungen ua. zu entwickeln, geht es.
Ich wiederhole: MOTIVE.
Diejenigen, die solche Motive haben (sich zusammenzutun), fangen schon mal an; sie (als Personen) sind niemandem überlegen, einzig vielleicht FRÜHER als andre dazu entschlossen. Das ist alles. Genau diese Vermutung und diese Perspektive kann man nun aber getrost hintanstellen oder vergessen. Denn… sie fangen eben einfach etwas an, wenn sie nicht gehindert werden. Wenn jemand sie über die Gründe befragt, werden sie wohl Auskunft geben – so wie ich, hier. Und wenn andre Einwände haben oder Unklarheiten, werden sie antworten, so wie ich, hier.
Es ist Lebensvollzug, und zwangfreie Verständigug zwischen Leuten.
Die Pointe ist dabei allenfalls (aber das muss man, wie gesagt, nicht unbedingt erwähnen), dass sie wahrscheinlich die einzigen sein werden, sie, die kleinen paar Hansel (Marios Ausdruck), die überhaupt je eine stabile und zugleich in ihrer Art ausbau- und anschlussfähige Kommune und repräsentationsfreie Vergesellschaftung hinbekommen. Dafür sprechen aus meiner Sicht*) gewichtige Gründe (Fragmente davon trage ich immer wieder, da und dort verstreut im Marx-Forum, vor.) – Grundlagen-Überlegungen (wie bestimmte Dinge ÜBERHAUPT sein müssen, um verstehbar*) zu sein); und empirische.Wer sie nicht kennen will, dem dränge ich sie nicht auf.

Anm.1 Für dieses (vermeintliche) Kleinklein und in jeder erdenklichen Hinsicht sorgfältig-repräsentationsfrei Aufgebaute wurde ich hier wie anderswo schon heftig kritisiert und sehr schnell abgefertigt.
Anm.2: Die riesige Mehrzahl der Bevölkerung hält es derzeit für sinnvoll, in ihrem Leben allen möglichen Repräsentanten und Autoritäten zu vertrauen und sie stellvertretend für sich Wissen erwerben, denken, entscheiden und auch (auf solchen Grundlagen) handeln zu lassen. Wer an der Repräsentation zweifelt, rüttelt an den Grundlagen der derzeitigen Form von Arbeitsteilung. Er stellt – aus meiner Sicht*) zurecht – die Frage, wie weit Arbeitsteilung gehen darf und kann, bevor sie in Lebens-Zerteilung und -Abspaltung übergeht – Vereinseitigung, Ausschluss von Lebensmöglichkeiten, die unmittelbar in der Lebensführung (darum oben mein Ausdruck: Lebensvollzug) SPÜRBAR werden… (davon handelte ein Begriff wie „Entfremdung“…)
Anm 3: Es gibt NOCH eine Pointe, eigentlich das Gegenstück zu der oben benannten, und diese zweite schliesst sich wieder sehr eng an an Wals Anti-Repräsentanz-Plädoyer: Nicht nur die sozialistische Einheits-Herrschaft, sondern auch der Kapitalismus und die bürgerliche Gesellschaft beruhen (so erscheint es mir; das wäre auszuführen) auf voraufgeklärten („vormodernen“) Einstellungen (und „verbraucht“ diese „Humanressource“ rasant, so wie alle andern..): Eben das Vertrauen in eine Herrschaft, überlegene Geister, die es besser machen als man selbst je könnte (man weiss nicht wie, aber glaubt es), das Schwergewicht der puren Masse an gleich Überzeugten, die allein schon rechtfertigen, dass man nicht widerspricht und dergleichen. Entwicklung in dieser Hinsicht heisst: Die vormoderne Glaubensfront bröckelt, und ZERbröckelt… es dersertieren Einzelne und Grüppchen.. die Gesellschaft zerlegt sich entlang hnderttausenden von Einstellungs- und Urteilsmöglichkeiten, sie fügen sich sich in jedem Einzelnen zu einmaligen Kombinationen. Nur zuammen… führt die Besonderten sobald nichts mehr. Das Gute daran ist: Gesellschaftsübergreifende Projekte und Programme finden keine Gefolgschaften mehr. Das Schlechte daran: dasselbe; Vergesellschaftung selbst schwindet, Konsens schwindet, gemeinsam Erlittenes („Krise“) und zum Handeln Herausforderndes aller Art kann nicht mehr (ausser in Gestalt privater Lösungen) angegangen werden. Der Verzicht auf Repräsentanz, Medien, Herrschaft, die Abschaffung von Markt und Kapital oder ihr Niedergang… erzeugen keineswegs „ihre“ Alternative. Die liegt nicht nahe… und die Debatten der Linken, um so mehr, je radikaler sie „links“ sind… zeigen das an. Wieviele Bochums hat man denn, damit alle Robert Schlossers „ihre“ Kommune kriegen?

*) MEINE Sicht, DERZEIT.
….

10. August 2014
So, Wal, das tat mal gut, danke… ich dachte schon, jetzt wollen michnmeine eigenen Leute nicht mehr kennen ^^

Und du, Wat…
… liest „primitiv“, es steht aber da: „ZU primitiv“, und soll bedeuten, dass die betreffenden Einstellungen Realitäts-Anforderungen nicht gerecht werden, die ICH sehe und von denen ICH glaube, dass ihre Missachtung und Nicht-Bewältigng zu grossen Schäden für uns alle führen. All meine zusätzlichen Erläuterungen und Ausführungen weisen darauf, dass ich hier MEINE Einschätzungen kundtue und zur Diskussion stelle, und es von daher bloss um MICH oder eben diese Einschätzungen geht.
Ist denn Einschätzen-wollen dessen, was da draussen vor sich geht, kein Gemeinsames im Marx-Forum? Rede ich nicht zum Thema, wie es da oben im Titel steht: Bedingungen unserer Emanzipation? Oder.. rede ich vielleicht an DEINEN Interessen vorbei? So liest es sich ja, was du schreibst, kann ich nicht wissen, will ich nicht wissen. Nicht wissen können wäre das Weitergehende… und da wäre der ein oder andere Wink hilfreich.
Es ist ja nun nicht so, dass du dich rein garnichts mehr zu sagen traust, im Gegenteil, das was du denkst, äusserst du äusserst sicher und selbstbewusst.
Das ist ja auch ok.
Aber die Selbstbewusstheit geht bei dir öfter in Richtung „da lass ich mit mir nicht reden“.
Und… naja, klar kannst du so auftreten.
Dann endet das Gespräch an der Stelle.
Dann endet es.
Mist!
<X !

Du hast was zu sagen, sagst du, aber ich solls offenbar nicht lesen?
Ich hätt vielleicht was zu berichtigen an deinen Unterstellungen… aber du willst dich garnicht drauf einlassen, die stimmen ja trotzdem, oder?
Ich hab zB nie zur Vorsprungs-Linken gehört. Dein Wir ist nicht meins.
Ich hab gesagt: Ich will SELBER erstmal begreifen… und nur, wenn man mich fragt, äussere ich mich (und schon garniemand ist gezwungen, meine schriftlichen Äusserungen zu lesen geschweige zu beantworten). Ich dachte halt bloss… sich da drüber austauschen, was man SELBER sich denkt (auch zu dem der andern hier), WÄR das Gemeinsame im Marxforum. Was missverstehe ich da? Wat?

12. August 2014
Hier geht es natürlich um mehr als bloss um ein Geplänkel unter Freund_innen ^^
Nämlich um die Frage: Wie eigentlich Leute zusammenkommen und Konsens finden, wenn sie NICHT auf die von Wal eingangs genannten Repräsentations-Verfahren und -illusionen zurückgreifen wollen – und, zugleich, einander dabei nicht Gewalt antun wollen – sei es die von Mehrheiten (Mehrheitsentscheidungen) gegen Minderheiten im abgekürzten Verfahren, sei es die von autoritär aufgezwungenen Debatten über (aus Sicht der einen) Kritikwürdiges (der andern), sei es durch endlose und zermürbende Mediations-Rituale… wozu sie dann alle zusammen einzig EINE Alternative kennen: Einander aus dem Weg zu gehen. Die Frage, die Wat leider nicht beantworten kann, ist: Was sie dann eigentlich noch „zusammen machen“ können? Die bittere Pointe dabei wird von Wat nicht ausgesprochen: Sie kommen ja nicht im leeren Raum nicht zusammen, oder als solche, die ansonsten allein schon auch recht und schlecht ihr Auskommen haben. Sondern… als Zwangs-Insassen eines – von ganz anderen Leuten in wahnwitziger Überschätzung von dessen Steuerungs- und Konsensstiftungs-Potential gestarteten – politisch-ökonomisch-kulturellen SYSTEMS, in dem ihre Erfahrungshorizonte und Freiräume durch die ihnen je zugewiesenen Positionen darin äusserst gering sind und entsprechend auch die ihnen zuzutrauende Bereitschaft, sich mit andern zusammenzufinden, „um was gemeinsam zu machen“. Nichts in dem, was ich oben ausgedrückt habe in dem Satz „Nur zusammen… führt die Besonderten sobald nichts mehr.“ deutet darauf, dass sie massenhaft aus ihrer Vereinzelung heraus zu mehr als EXTREM punktuellen Gemeinschafts-Initiativen finden werden – solchen, wo sie an der Peripherie ihrer mit knapper Not funktionierenden Alltage sich mit Gleichgesinnten eine prekäre Erleichterung verschaffen – unter Gesichtspunkten, die gerade eben mal mit diesen wenigen (ihnen) Gleichgesinnten verbinden. Das gilt dann speziell für Initiativen, die weiter führen als in eine Stütze für die allein kaum noch zu bewältigende Haushalts- und Lebensführung – allein die THEMEN, auf die man sich als gemeinsam zu besprechende einigen kann, breiten sich in jeden Einzelnen grotesk überfordernder Weise vor ihm aus – da darf er und sie sich dann aussuchen, in welchen Internetforen sie mitschreiben und welchen Youtube-Vorträgen sie noch folgen wollen – NEBEN ihrer alle Kraft aufzehrenden Berufs-, Haushalts- und Kinder- wie Angehörigenbetreuungstätigkeit. Man könnte das plakativ so ausdrücken: Die modern-bürgerliche Gesellschaft ist strukturell lern- und verständigungsunfähig. Sie setzt KOMPLETT auf die von Wal allgemein benannten Repräsentations-Verfahren – sowohl vonseiten der (derzeitigen) Repräsentanten als auch der Repräsentierten. Ein spezielles solches Verfahren neben den vielfältig im engeren Sinne politisch-ökonomischen „Medien“ und „Institutionen“ zur Bewältigung der Folgen von Arbeitsteilung (Geld, demokratische Entscheidungsfindung, Rechtssystem) ist die „Öffentlichkeit“ – wo „Komplexität“ dadurch „reduziert“ wird, dass eben die einen (wenigen) mehr reden und formulieren und darstellen, und die andern mehr zuhören; und allenfals noch ein paar Folge-Dialoge stattfinden, wie in den Youtube-Kommentarteilen oder (Online-)Leserbriefspalten, die dann schnell folgenlos verebben. Dass und wieviele überhaupt drauf geklickt oder gevotet haben, ist dann schon das Höchste an Vergesellschaftung, das dort denkbar ist.
Es ist an genau dieser Stelle, dass ein weiterer unter den vielen Abgründen sichtbar wird, die der ältere und neuere Traditionsmarxismus dachte theoretisch mit dem Überbau-Konzept im allgemeinen und dem Ideologie-Konzept im speziellen theoretisch, und mit mehr oder weniger offenen (leninistisch) oder verbrämten (alle andern) Avantgarde-Konzepten zu überbrücken…

Seit Tagen steht im „kommunistischen“ Blog von Neoprene unkommentiert folgender Text von Mattis, der hier vor ca. einem Jahr im Streit gegangen ist, nachdem ihm vom (kurz danach ebenfalls in Schweigen verfallenden) Mitschreiber Robert Schlosser Staatssozialismus vorgeworfen worden war: „…Denn dass man die Grenzen nicht einfach aufmacht, sondern die Kontrolle behält, dass man auch weiterhin wissen will, welche Leute wo zuhause sind (Bürger des Staates sind) und dass zentrale Entscheidungen verbindlich sind für ebendiese Bürger auf genau ebendiesem Territorium: das alles würden auch „richtige“ Kommunisten wohl nicht aufgeben können und wollen, oder?…Es kommt immer auf den programmatischen Inhalt dessen an, wie man von jetzt an Staat und Ökonomie zu organisieren gedenkt.“ – Da endet es und muss es enden, solang es noch Restbestände „staatstragender“ und in sich relativ homogener Gruppen und Überzeugungen gibt – deren Schwund sich anzeigt durch immer geringere Wahlbeteiligungswerte. Aber wie geht es weiter, wenn der Prozess weiterläuft, den ich oben in meinem Beitrag in Anm. 3 kurz skizziert habe als: das Sich-Zerlegen der Gesellschaft „entlang hunderttausender von Einstellungs- und Urteilsmöglichkeiten, sie fügen sich in jedem Einzelnen zu einmaligen Kombinationen“? Zu befürchten ist hier als Perspektive, dass nur immer verzweifeltere, verrücktere und reaktionärere Programme und Führer Gefolgschaften auf sich vereinigen können, während die riesige Bevölkerungsmehrheit in sich zerfallen abseits steht; die wenigen verbliebenen Gruppen mit überhaupt einem kollektiven politischen Willen treten dann womöglich in einen Bürgerkrieg ein oder, wenn der entschieden ist, üben eine despotische Elitenherrschaft aus, die entweder soweit funktional ist, dass die arbeitsteilige Reproduktion der Gesellschaft halbwegs weiterläuft und der herrschenden Clique die Machtmittel verschafft, sich nach innen und aussen zu behaupten; oder äussere Mächte schaffen ein Protektorat, oder selbst die Minderheitenherrschaft scheitert an der Schwäche und Kraftlosigkeit, die die in sich zerfallene Gesellschaft zerstört. – Das Szenario des failed state – könnte das nicht die Zukunft auch der derzeitiegen Industrienationen sein?

Denn… für die sich auflösenden Fundamente des vormodernen, vordemokratischen Konsens gibt es keinen Ersatz – spätestens angesichts von Herausforderungen, die entschlossenes und überzeugtes Handeln der geamten Gesellschaft erfordert – also mehr als den Unterhalt irgendwelcher aus dem Staatshaushalt zu finanzierenden Experten, und sei es auch zur Gewaltausübung. Kein Wunder, dass die politische Klasse immer eindringlicher die „Zivilgesellschaft“ beschwört und um Unterstützung für alles anruft, das sie selbst nicht mehr bewältigt. Bloss: Diese Gesellschaft ist eine Chimäre. Auch Linke, auch Wat wollen darauf zurückgreifen. Aber die zentrifugalen Kräfte in modern-arbeitsteiligen Gesellschaften sind viel zu mächtig, und DAS ist das materielle Fundament und die Herausforderung, an der bürgerliches und bürgerschaftliches nicht weniger als solidar- und konsenssozialistische kommunistische Vergesellschaftug (als je veraltetes, unzeitgemässes, den Anforderungen nicht mehr gewachsenes Produktionsverhältnis) scheitert: Die modernen Gesellschaften bewältigen die durch ihre Wissens- und technologischen Fortschritte entstehende Komplexität nicht mehr. Das ist der harte MATERIELLE Kern der oben fett gedruckten These: Es sind die Produktivkräfte und ihre Entwicklung selber, die hier an eine Grenze ihrer gesellschaftlichen Organisierbarkeit stossen.

Kleine, bittere Schlusspointe: Marx hatte also DOCH recht… (mehr als er und Engels sich träumen liessen…)

12. August 2014
Ich möchte noch etwas nachtragen: Die ökonomische Form (auf seiten des Produktionsverhältnisses), in der sich die Bewältigungsversuche bezüglich der modernen Innovationsoptionen kapitalistisch abspielen, ist wesentlich der KREDIT. Kredite sind gewissermassen die Institutionalisierung der Kontroll- und Konsensbildungs-Illusionen hinsichtlich einer modern-gesellschaftlich-arbeitsteiligen Reproduktion auf Basis von Privatbetrieben, die ihre Produktionsentscheidungen nicht mieinander abstimmen und auch kaum könnten, selbst wenn sie wollten (das Problem teilen sie mit jeder freien Produzentenassoziation, die gemeinschaftlich und im Konsens die Gesamtheit der Betriebe zu veralten versuchen würde).
Hier ist der Beginn einer Diskussion auch über theoretisch-politökonomische Fragen hinsichtlich der traditionellen Erklärung von Krisen und des relativen Stellenwerts von „Überakkumulation“? „tendenziellem Fall der Profitraten (des Gesamtkapitals)“? oder eben: „Aufstau von allfälligen, massenhaften Fehl-Investitionen (also auch: Fehl-Allokation von Ressourcen) und deren zyklische Bereinigung“?
Am Rand gehört dazu aus meiner Sicht auch die Klärung der Frage, inwiefern die behauptete Vervielfachung von Kreditsummen gegenüber einer als Sicherheit dienenden ursprünglichen Einlage (etwa: das Eigenkapital von Banken) und deren Aufsummierung zu „riesigen“, dann in der Krise auch „vernichteten“ „fiktiven Wertsummen“ oder auch die Betrachtung ähnlich zu „Sozialprodukten“ aufaddierter zu Marktpreisen bewerteter Warenlager als Grobindikator de „Erfolgs“ von Marktwirtschaften ihre theoretische Berechtigung hat… (Zu diesem Thema möchte ich mich demnächst in meinem Marxforumsblog äussern.)
Es versteht sich, dass durch diese meine beiden letzten Beiträge nur ganz oberflächlich ein Zusammenhang von Themen angedeutet ist, der VIEL mehr im Detail erörtert werden müsste, um ihm (wenn er denn besteht) auch nur annähernd gerecht zu werden

14. August 2014
Ja, das sehe ich auch so wie Mario: Die Diskussion ähnelt der andern im thread „Alle planen alles – wie?

Aber, Mario, nochmal: Ich plane nicht. Ich spreche über offene Fragen im Zusammenhang mit dem Marxforumsthema.

Ich habe nichtmal was dagegen, GANZ M GEGENTEIL, wenn Wat jedes daran sich anschliessende Gespräch gnadenlos auf eine rein persönliche Ebene herunterbringt – auf ihren Beitrag oben hatte ich, was das betrifft, noch garnicht geantwortet. Ich hatte ausdrücklich (aus meiner Sicht überflüssigerweise, aber um Wat zu zeigen, wie ich dazu stehe) mehrfach das ICH und MEINE grossgeschrieben; Wat hat dann in ihrer eifrigen Parteinahme für „die Leute“ mir in den Mund gelegt, ich bezeichnete deren Einstellungen „zum Leben“ als „zu primitiv“: Jeder habe da doch seine ganz persönliche Perspektive und Sicht der Dinge. – Das mag sein. Er und sie kriegt es bloss, und darum hab ich auch das mit dem „was zusammen machen“ anschliessend so reichlich penetrant wiederholt (was keinem aufgefallen zu sein scheint), mit der Sichtweise der andern, zum Beispiel MEINER, zu tun, wenn er sich auf auch nur punktuell Gemeinsames, geschweige denn ein dauerhaftes, geschweige denn (zwang)FREIES Vergesellschaftetsein und gemeinsames Reproduzieren mit Andern, beispielsweise mir, einlässt.

Die existenzielle historische Falle, in der ich uns alle hier aber auch die da draussen gefangen sehe, besteht darin, dass unsere gesamte Lebensführung ohne Rest von riesigen, grotesk-weit ausgreifenden Zusammenhängen abhängig gemacht ist, die allesamt nach dem von Wal „repräsentational“ genannten Muster gestaltet, beurteilt, bewertet, gesteuert werden.
((Eine etwas ältere Formulierung, die in die gleiche Richtung zielt, bringt es so auf den Punkt: Die Reprodukton der Weltgesellschaft, von der wir abhängen, ist organisiert als Zusammenhang (!) voneinander unabhängig (!) betriebener Privatarbeiten. Was für ein IRRSINN!))

„Bürgerlich“ könnte man die Überzeugung nennen, dass das ganz bestimmt nichts macht, sondern vielmehr sogar ganz ordentlich „funktioniert“.
Herkömmlich wird „kommunistisch“ oder „linksradikal“ die Meinung genannt, dass das zwar „funktioniert“, aber NOTWENDIG einhergeht mit Ausbeutung (das setz ich mal als bekannt voraus, erläutere es aber bei Bedarf) der grossen Mehrheit sowie, zusätzlich, und – wesentlich durch die kapitalistische Form der Reproduktion der Weltgesellschaft (Konkurrenz national, und zwischen „Nationen“) verursacht, mit immer massiveren Beschädigungen von Naturgrundlagen des Lebens und Überlebens für rapide wachsende Anteile der Weltbevölkerung; der Ausbeutung, Gewalt und Rücksichtslosigkeit zur Seite tritt als weitere Schadursache das massenhafte AUSSCHLIESSEN von Leuten von Produktions- und überhaupt Lebensmitteln weltweit.

Dies vorausgeschickt, sehe ich auf Marios Satz: „Des Weiteren… bedarf es einer Krise um das vorherrschende Bewusstsein zu erschüttern und die Notwendigkeit von Alternativen überhaupt ersichtlich zu machen.“
Das kapier ich nicht und habs noch nie kapiert.
Krise heisst ja wohl: „Es“ „funktioniert“ irgendwie nicht mehr – nicht mal mit all den aufgezählten Schadwirkungen.
Dann möchte man als bürgerlicher Mensch doch, dass „es“ so schnell wie möglich repariert wird, damit „es“ wieder funktioniert. Und sieht die Krise als grosses UNGLÜCK.
Wenn nun bürgerliche Menschen (Menschen mit im wesentlichen bürgerlichen Überzeugungen) dann auch noch die NOTWENDIGKEIT des Nichtfunktionierens, also der Krise, begreifen – was liegt für sie näher, als dies Notwendige aus der Welt zu schaffen?
Damit Ausbeutung und Beschädigung dann aber endgültig ungestört funktionieren…
(Sind sie so gemein und zynisch-böse, die bürgerlichen oder stark bürgerlich angehauchten Menschen, dass sie das so formulieren würden (naja einige vielleicht, aber die grosse Mehrheit)? Wie erklären SIE sich eigentlich die Verhältnisse, von denen kommunistische oder linksradikal angehauchte Menschen eine derart schlechte Meinung haben?)
Wie sehe ich „Krise“ im Sinne von „alles kommt NOCH schlimmer“, wenn ich „links angehaucht“ bin? Wahrscheinlich hängt das ab von den linken ökonomischen und sonstigen Lehrmeinungen, die ich mir da zueigen gemacht habe. Und dann hab ichs ja vorher schon gewusst, dass es so kommt.
((Nebenbei: Linke und bürgerliche Menschen diskutieren eigentlich so gut wie nie miteinander.))

Wen soll „Krise“ von seinem Standpunkt abbringen (zumal das ja SEINER ist um an Wat zu erinnern… den er nur ändert, wenn ER will…)?

Und WENN „Krise“ Leute erschüttern sollte – warum sollten sie ausgerechnet auf „Emanzipation“ verfallen, so wie Mario oder Wal oder Wat sie sich vorstellen (schon die unterscheiden sich, und sind doch definitiv dafür!)?
(Gibts da nicht hunderttausend weitere „Alternativen“? Die man erstmal auch „notwendig“ finden kann?)

Soll, wird man es…
…darum, weil der Betrieb weiterlaufen muss, wenn Vorgesetzte auf Geschäftsreise sind?
(oh – das hat nichts damit zu tun, dass der Lebenserfolg der Untergebenen nicht nur vom Chef, sondern auch vom Überleben der Abteilung oder des Betriebs abhängig gemacht ist – und zwar so, wie die eingerichtet sind? Weshalb sie am liebsten auch noch konstruktive Vorschläge machen würden)
… darum, weil es am Baggersee nicht ständig zu Schlägereien kommt?
(bloss, weil man auf Gewalt verzichtet, ist ein Konflikt ja noch nicht entschieden – bloss, weil man nicht gegeneinander vorgeht, ist die Art noch lang nicht festgelegt, wie man gemeinsam gedeihlich vorgeht; dazu gehört soviel mehr als, nicht ständig aufeinander losgehn; und wie ist das eigentlich mit der revolutionären Gewalt gegen Leute, die beim bestehenden Zustand bleiben wollen?)
…darum, weil Leute in nicht mehr ganz traditionellen Verhältnissen auf die Familienbande nicht unbedingt zählen, stattdessen eher auf Freunde – wenn sie denn noch welche haben – und Zeit für sie..?
(viele Leute haben nicht mal mehr Zeit für eine Familie; für Freunde immer weniger, geschweige denn für Politik…)
…darum, weil Menschen noch grad eben wenn auch unter Ächzen und Würgen, immer am Limit, den Anforderungen ihres Berufs (zB Notarzt) genügen?
(Meine Begegnungen und die aller Bekannter in meiner Umgebung mit dem Gesundheits- Rechts- Bank- und vielen andern Experten-SYSTEMEN und der unter extremem Druck aufrechterhaltenen Professionalität der Beteiligten sprechen eine ganz andere Sprache: Fehler werden systematisch einkalkuliert; Fehl-ENTWICKLUNGEN werden zynisch-resigniert akzeptiert; und versucht, an andre Professionelle anderer Branchen abzuschieben… Mein Eindruck ist: Die moderne Gesellschaft ist längst völlig überfordert… bloss… gibts DAZU halt keine Alternative…)

Nur noch die Polizei steht zwischen den Menschen und dem Kommunsmus?
Nur noch der selbsterklärte „Misserfolg“ eines Nicht-Emanzipationskommunismus (sein „Nichtfunktionieren“) hindert sie an der Emanzipation?
————————————— —
Ich möchte noch etwas nachtragen und nachfragen zur „nichtlinearen Transformation“:
Soll diese nichtlineare Schwarm-Intelligenz sich dann anschliessend auch noch in der EINRICHTUNG des neuen Vergesellschaftungsmodells betätigen – dh. rechnet man damit, dass diese Gesellschaft eben NICHT ihre Reproduktion plant und bewusst steuert, sondern sich einem sozialen Prozess anvertraut, den niemand durchschaut und der IMMER soviel grösser als der Einzelne ist?
Wenn nein… dann darum, weil diese Einrichtung eine statische ist? Oder eben doch auf gemeinsame (!) Verarbeitung neu hinzukommender Einsichten (hinsichtlich ihrer Reproduktion) hinausläuft?
Und wenn das letztere… warum kann die Transformation dann nicht eine unvollkommene und sich langsam immer mehr perfektionierende, „die objektiven“ Mängel (aus MEINER DERZEITIGEN SICHT) zunehmend abbauende Vorstufe davon sein? Warum muss man sie dann als Quasi-Naturprozess, der sich hinter den Rücken oder besser, über den Köpfen der Beteiligten abspielt, besprechen? Und wenn damit (dem Nicht-Linearen, Chaotischen, das genau darum soviel weiter führt…) IRGENDETWAS „Bewusstes“ und Rationales gemeint sein sollte… kann mir das mal jemand erklären von denen, die diese Beschreibung gut finden, Mario? Wat?
Müssen alle erstmal durchdrehen und verzweifeln, oder in Ausnahmezuständen sein, damit sie sich in den Kommunismus katapultieren und merken, wie unerwartet gemütlich der sich anfühlt?

Vor allem: Wenn solche, die das so oder ähnlich schon jetzt wollen, also etwa vier Leute im Marxforum, sich nicht verständigen können, ist das offenbar nicht anders zu erwarten. Erst wenn vier Milliarden sich verständigen, kann das gelingen… Hier geht es ja auch bloss um so etwas Nebensächliches wie die bessere Einsicht in die Bedingungen der Emanzipation (wessen? bloss unserer GANZ PERSÖNLICHEN?). Dort hingegen um… was?

Das was die Menschen am Kommunismus zweifeln lässt, ist: dass sie nicht glauben können, den derzeit zwischen ihnen zustandegekommenen Riesenprozess steuern zu können.
Und da haben sie, fürchte ich, recht. An DIESER Art Kommunismus würde ich auch (ver)zweifeln.

16. August 2014−1
Lasst mich kurz daran erinnern, wie dieser thread angefangen hat; da habe ich einen seinerseits sehr allgemeinen Gedanken von Wal (über die Vorstellung von „Repräsentanten“ und Vertretern des Eignen) nochmal verallgemeinert, und von einem mangelnden Distanzbewusstsein („zu nah dran“) gesprochen, das sich daran knüpft. Als weitere Verfahren dieser Art könnte man nennen: das autoritär-unvermittelte Anerkannt- und Beachtet-Habenwollen der eigenen Gesichtspunkte, was Aufmerksamkeit verdient, wichtig und und unwichtig ist, und der daraus sich ergebenden Einschätzungen und Begründungen („Kritisieren“); und: das unvermittelte Ausgeführt-Habenwollen „moralisch“ gebotener Handlungen (sie „sollen“ stattfinden, gemacht werden“), auch wenn der Handelnde die dazu gehörenden Begründungen (Legitimationen) keineswegs vollständig eingesehen hat („Fordern, Verurteilen“). Diese unvermittelten Operationen richten sich im allgemeinen an Fernstehende – aber eben solche, die als massgebliche Träger, eben Repräsentanten, eines eigentlich von einem selbst gehegten Anliegens identifiziert sind. Dazu müssen sie irgendwie bekannt und kenntlich sein – die Frage ist, was man wie von ihnen erfährt und weiss. Zum andern muss es immerhin die Vorstellung geben, dass die genannten Operationen soweit „wirken“, dass sie die so identifizierten irgendwie erreichen und mit den einschlägigen Inhalten konfrontieren.

All diese Kategorien gehören einer Handlungsebene an, bei der man sich immer fragen kann, wie REAL das eigentlich ist, was dort stattfindet: nämlich der Ebene des GESELLSCHAFTLICHEN, und dem Sich-Verhalten realer Leute zu ihr. (Man sollte nicht vergesen, dss auch die „realen“ Einzelnen, die von ebenso realen andern Einzelnen zu Repräsentanten erklärt und Objekt von Kritik, Fordern und Verurteilung werden, sich zu ihren Kritikern nur auf dieser seltsam irrealen, „virtuellen“ Handlungsebene ins Verhältnis setzen können, auf der „Kommunikation“ „gesellschaftlich“ stattfindet und dadurch überhaupt ein Zusammenhang zwischen den realen einen und andern hergestellt wird.)
Der Zusammenhang hat meist, genauer, die Form eines Verhältnisses von VIELEN zu EINZELNEN, bisweilen auch von Vielen zu andern Vielen, nicht selten aber auch von Vielen zu „sich selbst“ (sie fühlen sich zB „zusammengehörig“), schliesslich von Einzelnen (zB linken Flugblattschreibern), die sich an Viele (ihrer eigenen Gruppe oder einer andern; als tatsächlich von den Adressaten als Repräsentanten Anerkannte, oder bloss sich zu solchen Aufwerfenden, sich wie solche Benehmende) wenden – und das in Situationen, wo es unwahrscheinlich wird, dass sie von allen so Angesprochenen Antwort bekommen und mit ihnen ins Gespräch kommen können.
Es ist klar, dass hier Fragmente von etwas stattfinden, was im persönlichen Kontakt Gespräche wären; da aber jeder weiss, dass im eigentlichen Sinn solche auf dieser Ebene nicht stattfinden können, hat man das Kunstwort „Kommunikation“ erfunden (oder auch „Öffentlichkeit“), um derlei Schwundformen von Verständigung beim Namen zu nennen.
Alle glauben, viel näher an den andern dran zu sein, als sie tatsächlich sind; dies ist Teil der Ilusion (oder des starken Glaubens) an das Bestehen einer „Gesellschaft“. Das reale Handeln aller Einzelnen, die in dieser Überzeugung übereinstimmen, soweit sie übereinstimmen, ist ein Teil der REALITÄT von „Gesellschaft“. Es ist zu grossen Teilen ein „so Tun als ob“, oder ein „Sich-Verlassen-drauf dass (obwohl eigentlich… nicht…)“.
Von dieser Form „das Handeln aufgrund des Glaubens ist das einzig Reale dran“ wird man im Zusammenhang mit RELIGIÖSEM Denken auch sonst sprechen müssen; hier speziell geht es um quasi-religiöse Glaubensüberzeugungen, die sich nicht auf Welt und Natur im allgemeinen, sondern speziell auf Zusammenhänge Vieler mit Vielen beziehen – eben auf „Gesellschaftliches“; ein Wort, das ungefähr so wenig neutral den Themenbereich dieses Glaubens benennt, wie das Wort „Gott“ oder „Übersinnliches“ oder „Transzendentes“ usw das Thema von („handelt von…“) religiösen Glaubensvorstellungen (religiös im üblichen Sinn) im üblichen Sinne bezeichnet (neutral würde man das Thema dort so ausdrücken: sie handeln von Welt und Natur, oder überhaupt allem Vorhandenen; und besprechen es in einer bestimmten Form). (Die neutrale Form der Benennung mit Bezug auf „politisch“ und „gesellschaftlich“ hat noch keinen eingeführten Ausdruck; ich habe mich gerade eben mit der Formulierung „Zusammenhang vieler mit vielen“ beholfen. Also davon handelt der Gesellschafts(aber)glaube. Und ich… propagiere also gerade etwas wie „Sozialatheismus“…)

Das „öffentliche“ Pseudo-Gespräch namens Kommunkation ist nicht das einzige Handlungsmuster, in dem der Sozialkult sich äussert; es ist allerdings das Verbindende (wie ja auch sonst Gespräche alles Zusammen-Handeln Einzelner durchziehen) aller „praktischen“ Teile der geglaubten Vergesellschaftung: des „gemeinsamen“ Entscheidens im Sinne aller: etwa desjenigen im Staat, speziell der Gesetzgebung, Regierungsausübung und Rechtsprechung; und jenes andern, in „Unternehmen“ und „Haushalten“ (vermittelt und koordiniert über Geld), das sich auf andere Themen bezieht, nämlich „gesellschaftlich“-arbeitsteilige Reprodukton und Fortschritt, die Verteilung der vorhandenen möglichen Ressourcen auf Optionen ihrer Nutzung (zum angeblichen Nutzen vordergründig einzelner und auch vieler, aber nicht unmittelbar aller, letztlich aber doch); schliesslich desjenigen Entscheidens, wo über die Ausrichtung der „öffentlichen Aufmerksamkeit, das Wissens- und Verbreitungswürdige, sowie das Erforschens- und Erklärungsbedürftige“ im Namen aller oder doch vieler verfügt wird.
(Einige wichtige Bereiche, wo Repräsentanten für viele oder alle Entscheidungen treffen, sind da noch nicht erwähnt: das Gesundheitswesen etwa, wo massgebliche Behandlungsverfahren festgelegt werden, und so alle andern Spezial-Disziplinen, worin technische Praktiken als geltende und gültige normiert und ausgezeichnet werden, die sich auf alle Praktizierenden erstrecken und Konsequenzen für viele oder alle haben, auch wenn diese Vielen oder Alle-Andern die Begründungen dafür nicht kennen und sie ihnen auch nie geliefert werden; jedenfalls nicht so, dass die Umsetzung der betreffenden Normen oder gar ihre DURCHSETZUNG zur Not mit Gewalt (gegen Übertreter der Norm) davon abhängig gemacht würde im Sinn von: Man macht es nicht, bevor nicht alle Beteiligte es glaubwürdig eingesehen haben und mittragen bzw. zustimmen. („Wo kämen wir da auch hin!?“)

Ganz kurz und „gnadenlos“ gesagt: DAS ist es, wovon wir uns zu emanzipieren haben. Kurz und schnell gesagt; aber es dauert eine EPOCHE (an deren Beginn wir derzeit stehen), um es zustandezubringen..

Denn…
… wir sind auch in einem zweiten Sinn „zu nah dran“ – in dem nämlich, dass wir die Aufgabe nicht sehen. (Von welchen „wir“ ist hier eigentlich die Rede?)
Selbst an den uns vermeintlich Nahestehenden sind wir „zu nah dran“, selbst mit ihnen sind wir ja kaum verständigt – selbst in der Privatsphäre, im persönlichen Umgang und Gespräch kommt ununterbrochen „Unvermitteltheit“ zum Ausdruck – und Nichtverständigtheit – in Gestalt derselben Prozeduren, wie sie auch in der „öffentlichen Kommunikation“ verwendet werden: autoritäres Kritisieren und Fordern von Aufmerksamkeit und Anerkennung (für „begründete“ Einsichten, allerdings ohne die vollständig zu vermitteln); moralisches Fordern von Tun, auch wenn dem Adressaten dies nicht von sich aus „geboten“ erscheint und erscheinen KANN (er teilt die Begründung nicht, und soll es eben trotzdem tun – oder lassen, im Fall des Verurteilens). Und wenn das nichts nützt, dann geht man zum „Sanktionieren“ über, dem „Strafen mit Verachtung“ und überhaupt Bestrafen, oder dem Zwingen und Erzwingen, soweit man kann… (Oder leider dem Rückzug aus Kooperation… jeder macht sein Ding allein…)

Die „Gesellschaft“ ist eine so überaus gewalttätige Veranstaltung, weil sie ein Gebirge aus sich auftürmenden Unvermitteltheiten, aus unterlassener und nie zustandekommender Verständigung ist.
Verständigen können sich nur Einzelne mit Einzelnen, denn dasVerstehen ist angesiedelt im Kopf von Einzelpersonen: Darum ganz grosses JA! zu den „gnadenlosen“ Herunterbrech-Aktivitäten von Wat.
((Und alles andre ist ein „zu nah dran“ an den Andern – religiöses oder gläubiges Unterstellen „bis zum Beweis des Gegenteils“ von Nähe und Verständigtheit, wo in Wahrheit noch garnichts ist… oder eben bloss die Handlungsweisen der Glaubensgenossen… die darum und dadurch nicht besser aufeinander abgestimmt sind, weil diese vermeintliche Abgestimmtheit nie einer Prüfung unterzogen wird… Und es ist ein „zu nah dran“ an der Aufgabe der Verständigung – so nah, dass man sie garnicht sieht…))

Verständigtsein heisst: dasselbe (dieselbe Art zu begründen und neu hinzukommende ERfahrung zu verarbeiten) in zweien, dreien solcher Köpfe: Darum ganz grosses ABER gegen Wat! wenn sie das wegredet, gar ästhetisch als „langweilig“ wegwischt…

Die Epochenaufgabe lautet (ICH sehe sie so): Was bisher illusionär einfach vorausgesetzt wurde, mühsam-experimentell REAL herstellen.
(So wie technische Welt- und Naturbeherrschung in der Religion im üblichen Sinn längst vorausgesetzt waren, bevor man daran ging, sie endlich mühsam-experimentell REAL umzusetzen; so wie „durchgehend reproduktiver Zusammenhang von „bewohnten“ Räumen und ihren Bewohnern“ im antiken Grossreich längst vorausgesetzt schienen, bevor sie REAL mittelalterlich umgesetzt wurden…)

Die Kritik der Sozialreligion, des Glaubens (des So-Tuns-als-ob), dass „wir“ „Gesellschaft“ mit einer „Geschichte“ *) wären – in andern Worten: Die Einsicht in die völlige Nichtigkeit dieses Glaubensinhalts steht am Beginn jeder rationalen Bemühung um die REALISIERUNG dieses bislang völlig ignorierten Projekts.
*) auf der Stelle zerfällt diese Geschichte dann gleich wieder in eine, die viele als „unsre“ (nationale, auf die Geselschaft bezogene ansehen, der sie sich zugehörig „fühlen“), und eine andre, die sie deutlich weniger angeht…
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Anmerkung.
Einzelne urteilen, denken, entscheiden – sie sind die Begründer und Ausführenden aller kooperativen Unternehmunge.
Die Unvermitteltheit des Forderns, Kritisierens, Durchsetzens, Zwingens usw hat zum Ziel, Handlungsspielräume der Einzelnen für fremde Zwecke zu rekrutieren; eigentlich, den Handlungsspielraum des Fordernden usw um IHREN zu erweitern, ihn grösser zu machen, als er fürs erste ist – ohne die Anstrengung der Vermittlung und Verständigung.
Einzelne aber sind auch diejenigen, die Bedürfnisse haben. Im Handeln des Einzelnen ist der Zusammenhang von Einsatz des Handlungsspielraums und Bedürfnis-Befriedigung „unvermittelt“ gewahrt. Gelingende Kooperation ist, einfach gesagt, die (Epochen)Aufgabe, diesen Zusammenhang in JEDER Einrichtung „gesellschaftlicher Arbeitsteilung“ penibel zu beachten; ja ihn überhaupt zum Thema zu machen.
Allein das erfordert eine komplette Revolutionierung der gesamten modernen Produktionsweise. Nur GANZ schmale Pfade durch das, was technoligisch machbar wäre, genügen diesem Anspruch. Die wären zu suchen…
Und dann… so eine weitere, hier noch nichtmal ansatzweise erwogene These… dann und genau dann wird die Produktion ökologisch: Wer bei sich und andern Bedürfnisse achtet und beachtet, der achtet auf Natur: Auf die Natur ins uns (denn das sind die Bedürfnisse); und damit auf uns als Teil der Natur (denn das sind wir, nach wie vor).

PS: Ich bin noch nicht so weit, „politisch“ eine Vorgehensweise vorschlagen und begründen zu können – wäre ich es, wäre das unvermittelt; vorerst kann ich nur erst Einschätzungen vortragen, aus denen sich am Ende vielleicht etwas Praktisches ableiten lässt. Ich bezweifle aber, dass man dem vorstehenden Text so schnell zustimmen wird – insofern ist auch der EXTREM unvermittelt hingeschrieben. Obwohl darin vieles aufgegriffen ist, was etwa Wal und Wat ihrerseits, und ich ohnehin, anderswo und zT auch hier vorgetragen haben (weswegen wir auch von „weiter Entfernten“ angegriffen werden)… Ich arbeite nur eben die radikale Konsequenz, die darin enthalten ist, diesmal deutlicher als bisher heraus. (Nebenbei bemerkt: Es HAT eben Konsequenzen, wenn zB die Arbeitswerttheorie nicht stimmt. Wenn also nicht nur Ausbeutung herrscht… sondern auch noch Chaos.)
PPS: Das eigentlich Anstössige in dieser Darstellung ist doch der (vermeintliche) Pessimismus, den sie ausdrückt: SO schlecht steht es doch auch heute schon nicht um das IN-sich-Verständigtsein der Massen… das beginnt doch schon mit ihrer arbeitsteiligen Verflechtung (im Kapitalismus), ihr Vonenander-Abhängen.. und zeigen uns nicht Positiv-Erfahrungen und Fehlschläge im Nahbereich, unserer persönlichen Erfahrung dass da Ansätze sind, oder woran es derzeit noch scheitert? Das müsste sich doch bloss auf die „Fernbeziehungen“ aller mit allen ausdehnen…
Aber obwohl schon in der „Nähe“ eher Abgründe aufklaffen, wenn man genauer hinsieht (und sich relativ Nahestehende und Gleichgesinnte in Internet-Foren begegnen und entsetzt feststelle, wie weit selbst SIE voneinander entfernt sind…) – das Problem ist nicht irgendwie einfach DASSELBE für die Ferne; es POTENZIERT sich…

Ende thread Linke Solidarität und Repräentation
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thread:
Waffen für Kurdistan?

25. August 2014
Erste Anmerkung: Kim redet vom Können solcher Gruppen, das ihnen ermöglicht wird – Wal von den Zwecken.

Leider reichen gegenüber Unbewaffneten Gewaltbereitschaft und Knüppel, Messer, Macheten, um Massaker beinah beliebigen Ausmasses zu verüben (Ruanda).
Der Dorfhandwerker, der im hintersten Hindukusch aus 250 selbst zurechtgeformten Teilen Kalaschnikows baut (Metallschrott gibts genug), ist am Ende findig und kenntnisreich genug, auch noch Patronen dafür zu basteln. Das moderne Mittelalter wird dann doch immer wieder unterschätzt…

Was die Zwecke (oder Ideologien) angeht… so entstehen sie oft genug gerade NICHT an Ort und Stelle, sind oft gerade NICHT das Werk völlig verbohrter Hinterwäldler oder Steppennomaden (auch die sind heut mit Generator, Fernsehn im Zelt, Satelliten-Handy und flotten Geländewagen unterwegs.).
Was machen 2-3000 Deutsche, Franzosen, Briten, Belgier, Niederländer (muslimisch, oft konvertiert; mit und ohne Migrationshintergrund) beim IS? Für 300 Euro pro Monat und ein Haus am Wüstenrand?
Was ist für Saudis in Tschetschenien zu holen? Für Bosnier in Algerien?
Was für den „jüdischen“ New Yorker Broker, der seinen Job aufgibt und sich mit Weib und (möglichst viel) Kind und Seinesgleichen in einer Grenzfestung in „Galiläa und Samaria“ verschanzt?
Warum kämpfen in der Ostukraine Faschisten von überall – und das an ALLEN Fronten?
Das KANN man analysieren und zu verstehen versuchen, wie so vieles. Hier und anderswo…

Eins allenfalls dürfte feststehn: Es macht schon einen Unterschied, ob solches Volk mit Messern und Knüppeln ausgestattet ist – oder mit Sprengstoff für Auto- und Selbstmordbomben – oder mit Schnellschusswaffen, modernen Raketenwerfern und mobiler Luft- und Panzerabwehr. Es macht genau den Unterschied, den es braucht, um eine nicht eben optimal ausgerüstete „reguläre“ Armee in Schach zu halten und ein Regime (wie das syrische; oh – keine Räuberbande*)?) zu zermürben… Oder auch ALS Regime sich eine letzte Daseinsberechtigung zu verschaffen (wie in Algerien), wenn man alle andern verschlissen hat.

Und dann ist da ja noch die hohe Geopolitik. Bloss weil die die Mittel hat… bloss weil es dabei „wirklich“ um Reichtum (Ausgangsbedingungen seiner Produktion und erfolgreichen Verwertung) und seine zukünftige Verteilung geht… bloss weil da Nationen und wirklich noble Regierungen mit Diplomaten und Planungsstäben und Militär und Geheimdiensten und „think tanks“ und Sitzen im Sicherheitsrat am Werk sind – darum sind es keine Räuberbanden*)?

Natürlich kann man rhetorisch so fragen. Und merkt, wie absurd solches Etikettieren werden kann. Und vielleicht merkt man… dass das, wie Wal sehr richtig bemerkt, nicht unsere Welt ist. Oder, nicht unsere Epoche…

Und natürlich kann man da analysieren**), und sobald an kein Ende kommen. Schon die Nachrichten und Weltgegenden zu sortieren – schon die Wahrheitsgehalte zu ermitteln in all dem Gerüchte- und Propaganda-Wirrwarr… kostet Ressourcen (..vorneweg das eigne Leben… wenn man nicht mehr so schön „embedded“ mitfahren darf wie im Irak..)
Wer ist denn da überhaupt noch „sachkundig“?
Wer… ausser Verschwörungstheoretikern?

Und in all dem dann noch PARTEI ergreifen wollen?
Das kommt mir, Mario, so vor, als wolle man in einen Streit unter katholischen Theologen eingreifen und nach den Anteilen in den jeweiligen Positionen suchen, die einem noch am ehesten gefallen. Wir sind halt keine Katholiken…
((Da gehts bloss um ein paar Worte im Katechismus… und dort um zigtausende Tote? Aber (fragt Wal dich zurecht)… können wir die denn verhindern? Haben wir Einfluss? Welcher Art? Wollen wir den… könnten wir den wollen, wenn wir welchen hätten?)

Nachtrag 1: Und so für die internationalen Finanzmärkte und ihre staatliche Beaufsichtigung…
Nachtrag 2: All das sind Beispiele für meine Kategorie: „zu nahe dran…“

*) ist „Räuberbande“ soviel höflicher?
**) zB so http://nestormachno.blogsport.de/2014/08/25/das-vorruecken-des-islamischen-staates/

thread: Boko Haram:

27. August 2014
Gut, Wal, das ist nebenbei auch eine Klarstellung zum Thema „Räuberbande“ (oder mafiöse Struktur, räuberisch etc). Da gibt es eben mehr als bloss die Bestimmung „gewalttätig“ und „Zwang“ – nämlich das Willensverhältnis zwischen Gezwungenen (die ja in vielen Fällen keine homogene Gruppe bilden) und Zwangsausübenden.
Es gibt in der Tat das Rauben, und die fest installierte räuberisch-mafiöse Struktur (etwa als „Konfliktmineral“-Milizen im Kongo und Westafrika) – es gibt ale möglichen Übergänge zur stark minoritären Terrorgruppe, Sekte, „bewaffneter Arm“, Siedler- und Fundamentalisten-Miliz (auch christlich, jüdisch), und/oder (trotz starker Unterstützung) unterlegene, oder auch herunter- und in die Jahre gekommende Bürgerkriegspartei (etwa als PKK und seinerzeit Sendero Luminoso; FARC; Al-Kaida-Grupen von den Philippinen bis zum Maghreb und eben Nigeria), auch als solche, der man so grade eben noch die Verfolgung eines politischen Ziels zuschreiben kann (oder eben, in Gestalt des Vorwurfs „Vorwand“, absprechen); es gibt sie als „false flag“-Terrorismus, mit völlig irren Bündnis-Beziehungen (der Verdacht wurde zB immer wieder im Zusammenhang mit der GIA in Algerien geäussert). Es gibt warlord–Territorien, oder Besatzungsregimes, auch wieder in Kämpfen mit beweglichen oder erstarrenden Fronten, die von Bürgerkriegsparteien und/oder „regulären“ auswärtigen Staaten errichtet werden; die Gewaltanwendung kann Vertreibungs-, „Exklusions- (homelands) und mörderische Aspekte haben bis hin zum Genozid, und aus einer Besatzungssituation entstehen, oder innerhalb der Grenzen eines Staates, zB als Streit zwischen Bevölkerungsgruppen ohne Eingreifen der Staatsmacht (das wieder aus Schwäche, oder mit Kalkül). Es gab und gibt Protektorate, vorübergehende (zB UN-)Verwaltungen, und Kolonien; es gab Staaten mit „Nationalen Einheitsfronten“ und „-Regierungen“ im Kampf gegen Invasoren, es gab und gibt solche „Auslandsregierungen“ (mehr oder weniger „anerkant“ durch auswärtige Mächte) einer oder mehrerer Parteien in Bürgerkriegen… Es gibt die Diktaturen, die abgestufte, auch berechnende Unterstützung von Bevölkerungsgruppen ihres Territoriums bekommen, es gab und gibt aggressive Partei-Herrschaften in Staaten mit unfairen Wahlen, auch als Kleptokratie, es gibt „demokratisch legitimierte“ Minderheiten-Unterdrückung durch Mehrheitsparteien..
und mancherlei andres, das im politologischen Proseminar zerfieselt werden mag.
Wichtig ist neben Art und Zielsetzung der Gewaltdrohung und -ausübung das erwähnte Willensverhältnis, und der Aspekt der inhomogenen Zusammensetzung sowohl aufseiten der Gewalthaber bzw. -ausüber und ihrer Anhänger als auch derer, die von Gewalt bedroht sind.

Ganz kurz kommt das „Freiwillige“ der Lohnarbeit bei dir zur Sprache, Wal. Dazu wäre erheblich mehr zu sagen
(es ist, nebenbei, Gegenstand eines erbitterten und lang andauernden Streits um die Staatstheorie von MG/GSP (und es gilt in vielen Hinsichten umso mehr für eher ML-orientierte Gruppen), der vorgeworfen wird, diesen Aspekt der freiwilligen und mehr oder weniger bewussten Zustimmung eines (grossen) TEILS der Bevölkerung „bürgerlicher“ Staate als KONSTITUTIVES ELEMENT zu vernachlässigen bzw zu verschleiern.)
Ein weites Feld…
Und… immer wieder fällt mir auf seiten linksradikaler Theoretiker die Neigung auf, hier relativ einfache Aussagen zu machen, DEN Begriff DER Verhältnisse mit zwei drei Worten zu erledigen; wo aus meiner Sicht in sich sehr verzweigte und unüberschaubare Beziehungen zwischen sehr unterschiedlichen und höchst abgestuft zustimmenden und/oder ablehnenden Gruppen zu beobachten sind – Beziehungen, die dazu ja keineswegs auf unmittelbarer Verständigung beruhen, sondern auf den reduzierten Formen „gesellschaftlicher“ und kultureller Tradierung, Bildung, Kommunikaton, Entscheidungsfindung, Informationsverarbeitung…

PS: Die Mehrzahl DER (???) derzeitigen Menschen dürfte mit Marx übereinstimmen – immerhin mit Bezug auf diesen Satz??
((Was den Satz selbst betrifft, könnte man auch einige Fragen stellen, etwa, was das Wörtchen „erscheint“ speziell hier eigentlich sagen will…))
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thread: Was denken wir eigentlich?

30. August 2014+1
Danke, Wal, dass du dir die Mühe einer Erwiderung auf den Beitrag machst.
(Den ursprünglichen Beitrag hab ich noch um etliches Material ergänzt. Die Grenze zur Unlesbarkeit dürfte leider an vielen Stellen überschritten sein.)

Du sprichst zurecht von EINWÄNDEN, die du erhebst. Deine Gedanke widersprechen genau den Zuspitzungen, durch die die von mir vorgetragenen Auffassungen sich allenfalls von „normaleren“ abheben.

Meine Anspielungen auf die Kant’sche Formal, wonach Aufklärung der Ausgang aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit ist, verweisen auf das Hohle darin. Die Aufforderung „Wage es, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“ (das „hör auf mich!“ darin ist ähnlich performativ widersprüchlich wie in: Sei spontan!) führt nicht sehr weit, wo solche Verhältnisse herrschen, wie du sie beschreibst, Wal: „Immer haben wir nur Teilkenntnisse, Teilinformationen, die wir zu einem Gesamtbild ergänzen. So ist unser Hirn organisiert.“ Und welcher Verstand kommt schon (“ Dagegen können wir uns nicht wehren-„) gegen sein Hirn an…

Es ist damit aber das tatsächlich Individualisierende angesprochen, das auch in meinem Text ständig mitbetrachtet wird: Der individuelle Erfahrungsstand, auf den allenfalls die allen gemeinsame Vernünftigkeit angewendet werden kann. Nicht Vernünftigkeit wird dadurch individualisiert und als individuell besondere behauptet, sondern eben der Ausschluss vom gesellschaftlich Verfügbaren, der je besondere Stellungen und Stelungnahmen dazu erzeugt.
Selbst das Expertenwissen ist oft schon durch zig Köpfe und (schreibende) Hände gegangen, bevor es an andre Experten (desselben Fachs) gelangt…
Das autoritäre Dranglaubenmüssen beginnt ja hier: Wem von ihnen können wir vertrauen (und, schwieriger, wem warum womöglich nicht?)

Daran ist nicht die gestaltpsychologische Gesamtverfassung unseres Hirns schuld, die zeigt sich allenfalls in ein paar exotischen Details unseres flüchtigen Wahrnehmens.
Es ist nichtmal irgendein anderes Konstrukt von der Art eines „SowindwirMenschennunmalgestrickt“ verantwortlich.
Sondern erstmal und vor allem die gegenwärtige modern-hocharbeitsteilige Weise der (Re)Produktion der weltweiten Industriegesellschaft(en).
Wenn in diesen Gesellschaften das Wissen, nein nicht aus zweiter sondern aus (s.o.) zig-ster Hand nicht vertrauensvoll akzeptiert würde – wie könnte ihre Arbeitsteilung einen Moment länger dauern?

Was hilft es uns denn, wenn wir „kritische Verbraucher“ sind? Wo sollen wir kaufen, und was? Kritisch und misstrauisch mögen wir ja sein, und zB die einschlägigen Warnungen, die in ebenso kritischen Fernsehsendungen ausgebreitet werden, bereitwillig aufgreifen (ach – und warum soll man nun den Journalisten und „kritischen“ Experten, die aus solchem Warnen ein Geschäft machen, eher vertrauen?) Es ist ja garnicht so sehr die flagrante Lüge und der Betrug (das gibts dann noch als Sahnehäubchen)… es ist (schon eher) die allgemeine Überfordertheit durch schiere Masse an Gesichtspunkten, die auch Sachverständige nicht mehr so genau hinschauen lässt.. aber am Ende… ist es das Prinzip, das ganz einfache, nach dem auch die Experten entscheiden: Verwenden wir Chemikalien NUR WENN ihre Ungefährlichkeit FESTSTEHT (wie beweist man das?) – oder andersrum, wenn ihre Gefährlichkeit (wofür? im Verbund mit welchen andern?)

Das Vertrauen in Experten und ihre Wissenschaft ist konstitutiv für unsre Produktionsweise. Wir haben keine andre. Da gehts schon los.

Und es hört nicht auf bei dem, was Linke als „Herrschaft“ denunzieren: Für den Normalbürger ist das nur die Fortsetzung der gesamt-gesellschaftlichen Arbeitsteilung mit anderen Mitteln (etwa Wahlstimmen, Meinungsvoten usw).
Es muss ja nur mal ein geringfügig höheres Niveau der Konsensbildung ins Auge gefasst werden, sagen wir ein rätedemokratisch verwaltetes kommunistisches Gemeinwesen, um die Bodenlosigkeit der derzeitigen radikalen Kritik des Bestehenden zu ahnen.
Die Standard-Argumente hierzu, die erstmal entkräftet werden müssten, lauten (ich trag sie nicht zum ersten Mal vor): Das funktioniert garnicht – das funktioniert nicht besser – das funktioniert im besten Fall nicht soviel besser, dass der Änderungsaufwand lohnt – das löst die eigentlichen Probleme nicht.

Tja. Da kann noch viel Krise passieren, individuell wie „gesellschaftlich“, bis an diesen Argumenten sich was ändert.

„Wenn wir nicht in der Gesellschaft, wie sie ist, die materiellen Produktionsbedingungen und ihnen entsprechenden Verkehrsverhältnisse für eine klassenlose Gesellschaft verhüllt vorfinden, sind alle Sprengversuche lächerliche Donquichoterie.“ Genau.
Und wo sind diese Bedingungen und Verhältnisse?
Wer stellt sie her?
Sie.. sich?

„Es braucht Antworten und Erfahrungen, die über die Krise hinausführen.“ Genau.
Darüber reden wir hier.

2. September 2014
Ich hatte das eher als Zustimmung von Wal zu deinem Punkt verstanden – dies einander nichts Aufdrängenwollen ist doch zwischen uns nicht strittig.
Ich weiss auch nicht, wo jemand hier gerade dagegen verstösst.
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Liebe Wat – nein, ich suche nicht nach dem endgültig erfolgversprechenden Agitationsmaterial, mit dem man, nun aber endgültig, auf „die Menschen“ losgehen kann. Vielmehr versuche ich mir zu erklären, warum so etwas keinen Sinn hat. Dabei nehme ich alle Beteiligte absolut ernst, grade auch die, die mir fern bis sehr fern stehen und dadurch fremd sind.

Ich stelle mir zentrale Fragen ähnlich wie Marx (so wie es in den von Wal zitierten Sätzen nochmal deutlich zum Ausdruck kommt):
1. Gibt es da etwas, das den emanzipatorischen Aktivitäten entgegenkommen muss, damit sie gelingen können, und das sich von selbst, ohne dass jemand die Absicht dazu hat, „entwickelt“ haben muss? Dazu sage ich: Ja, eine ganze Menge. (Wenn ich auch noch anderes nennen würde als Marx und Wal.)
2. Eine andere Frage ist die: Ob dies Entgegenkommende eine gewisse „Dichte“ und „Gleichzeitigkeit“ erreicht haben muss – naja das muss es wohl in jedem Fall, die Frage ist eher, wieviel davon. Auch da gebe ich eine andere Antwort als andre Emanzipations-orientierte Leute: Ich vermute, dass es schon eine nicht ganz kleine Minderheit in der Bevölkerung der fortgeschrittenen modernen Industriestaaten ist, wo dies Entgegenkommende zeitgleich, genügend verdichtet auftritt; aber bei weitem nicht die ganze Gesellschaft; und nicht gebunden oder gar gefördert durch „Krise“ oder Zuspitzungen.
3. Als dritte Zentralfrage versuche ich auch noch die zu beantworten: Was wäre denn aus dem „Entgegenkommenden“ zu machen, was müssen die Emanzipationswilligen, die sich ihm gegenübersehen, dann tun? – Die Pointe MEINER Antwort dabei ist: Dass das „Entgegenkommende“, so wie ich es sehe, GERADE DARIN BESTEHT, dass bestimmte Leute sich zusammentun, auf sehr elementaren Ebenen der Lebens- und Alltagseinrichtung. So elementar, dass es ZUNÄCHST um Grössenordnungen von Unternehmungen wie „DER Übernahme DER Produktionsmittel“ entfernt ist. Obwohl da schon auch Produktionsmittel im Spiel sind: was zum Wohnen, und das auf Dauer (aus eigenen Mitteln), was zum Erzeugen der eigenen Nahrungs- und Arbeitsmittel (und das auf Dauer). Über die genaue Art der Aussagen, die man hier vorgreifend*) machen könnte, müsste sehr viel genauer geredet werden: Sie sind nämlich, wie ich glaube, WEDER von der Art: Diesunddies WIRD stattfinden (also Prognose), noch von der Art: Dies und dies SOLL stattfinden, weil es ratsam, effizient etc wäre.

*) (in meinem Blogbeitrag hab ich vor Vorgriffen im Punkt 4 ebenso wie Mario (aber aus andern Gründen; ich teile nicht seine überschwänglichen
Erwartungen an „nichtlineare Prozesse“) gewarnt)
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Ich möchte noch auf einen wichtigen Punkt hinweisen – darin ist auch das Hauptmotiv dafür enthalten, dieses „Fass aufzumachen“ und die Blogbeiträge über fundamentale Defizite („Denkblockaden“) der gegenwärtigen emanzipatorischen Theorien zu schreiben.
Obwohl „Materialisten“ vermutlich auf der Stelle zustimmen würden, wenn man ihnen sagt: Alle Aussagen über „Gesellschaft“ müssen in Aussagen über das Handeln einzelner Gesellschaftsmitglieder (und eben aller zusammen) übersetzbar sein, und sind ihrerseits nur abgekürzte Versionen über massenhaftes Einzelhandeln – obwohl also solche Nicht-Idealisten keineswegs „die Gesellschaft“ für ein Subjekt eigenen Rechts, eine unbestimte eigene Riesenperson halten, die über alle ihre Mitglieder hinaus ist, klüger, mächtiger, informierter als sie alle ist und daher bevormunden darf – obwohl das also so ist, sind die Begriffe, um diese eigentliche, die Real-Ebene des gesellschaftlichen Geschehens zu beleuchten und zu beschreiben, sehr wenig entwickelt.
Dies wiederholt sich in der ausser-marxistischen Gesellschaftstheorie: Dort gibt es eine Makro- und eine Mikrosoziologie. Aber die Modelle und Beschreibungen jedes der beiden „Ansätze“ schaffen nicht die Durchbindung zu den Kategorien des je andern. Die materialistische Erwartung, dass die Übersetzung hin und her prinzipiell gelingen müsse, die Begriffe beider Ebenen in feste Beziehung zueinander gebracht werden können müssten, bleibt uneingelöst.

Genau dazu ist das, was ich vorzutragen hätte (als das, wonach MEINE Erfahrungen mich dringend zu fragen genötigt haben), ein Versuch; dieser Versuch enthält an zentralen Stellen etwas KRITISCHES, er beschreibt ein MISSLINGEN: Die Einzelnen GLAUBEN vergesellschaftet zu sei, verlassen sich darauf, auch aufeinander, haben dementsprechend Erwartungen aneinander und HANDELN vo allem auch im Sinne dieser Erwartungen; dieses Handeln ist die Realität, die sie (alle zusamen) hervorbringen – das (gemeinsame) Handeln IM GLAUBEN vergesellschaftet zu sein, ist das, worin die Realität von „Gesellschaft“ einzig besteht. Es GIBT also sehr wohl reales Handeln, und das massenhaft – es ist sogar (wegen der relativen Konformität der Erwartungen) einigermassen abgestimmt, geordnet – aber wehe, wenn die Erwartungen diese Konformität verlieren, weil plötzlich Herausforderungen auftauchen, auf die niemand eingestellt war, oder sich konformitäts-begründende Generations-Erfahrungen in eine unübersichtliche Vielzahl von Einzel-Erfahrungen hinein fortsetzen, die ganz unterschiedliche Konsequenzen für Einzelne wie (aus ihrer Sicht) Viele, die Andern, nahelegen – das ist der Grund für die „Krisenanfälligkeit“ dieser höchst prekären Art der Koordination des Handelns so grosser Mengen von Leuten.

Sofern hier im Forum über „Gesellschaft“ diskutiert wird, möchte ich diese meine Auffassung gerne mit einbringen und zur Diskussion stellen: „Die Menschen“ da draussen gehen aus von einem VIEL höheren als dem tatsächlich zwischen ihnen bestehenden Niveau an Verständigtheit (und Koordiniertheit bzw. Koordinierbarkeit ihrer Einzelhandlungen). Sie tun es aufgrund der zwischen ihnen bestehenden „Verhältnisse“ und der von ihnen allen gemeinsam (mit viel zu hohen Erwartungen an deren Leistungsfähigkeit) benutzten „Koordinations- oder Vergesellschaftungs-MECHANISMEN“: staatlich beaufsichtigte Märkte, demokratische Prozeduren der Konsensfindung (incl. Rechtstaatlichkeit), Medien (Öffentlichkeit), vorbestehende und zuverlässig tradierbare bzw. vermittelbare Normensysteme (als Basis für Auseinandersetzungen in deren Rahmen und auf deren Grundlage).

Man könte kurz und bündig sagen: Die Leute da draussen tun massenhaft so, als lebten sie bereits in einer Art Kommunismus – nur ohne Absprache und Verständigung; sie glauben, etwas Vergleichbares mit ihren Mechanismen zustandezubringen, und sich die Mühen (und Kosten) ihrer Abstimmung und Koordination auf der Stufenleiter, auf der sie operieren, sparen zu können.
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Ich möchte noch darauf hinweisen, dass ich in diesem Zusammenhang die MATERIELLEN Herausforderungen, die diese illusorische Vergesellschaftsungsform (dh. eigentlich: die Menschen, die an sie glauben) durch ihre gegenwärtige modern-industrielle, hoch-arbeitsteilige, exzessiv-informations- und wissensbasierte Produktionsweise zu bewältigen hat, immer wieder ins Gedächtnis rufe und damit eigentlich starken Grund-Intuitionen des Marxschen Denkens entspreche (wohingegen die linksradikale Debatte der letzten Jahrzehnte eine geiwsse Politik- und Gesellschaftslastigkeit aufwies, und diesen Punkt als einen spezifisch mit zu berücksichtigenden doch stark in den Hintergrund geschoben hat).
In diesem Zusammenhang stehen auch meine Feststellungen über das Versagen der etablierten Koordinations-„Mechanismen“ angesichts der Anforderungen de materiellen Reproduktionsprozesses, für den sie eigentlich eingerichtet sind: Das Missverhältnis kann man so umschrieben, dass man sagt „diese Mechanismen sind dafür zu primitiv“, die Reproduktion wächst weit über jede Bewältigbarkeit mit SOLCHEN Mitteln hinaus. Und… das ist nun mal ein Mangel, der sich als Defizit, sowohl der Fähigkeiten, als der gezeitigten Resultate, im Leben „der Menschen“ massiv bemerkbar macht. Dies ist nichts weniger als eine Beleidigung und will auch keine sein. Es beschreibt nur (mit grosser Bestürzung und Besorgtheit; das ist, was Wal immer wieder meinen „Pessimismus“ nennt) eine aus meiner Warte bestehende katastrophale historische Ausgangslage für die epochal neuen emanzipatorischen Bemühungen. Diejenigen, die sich darauf konzentrieren, müssen mit der latenten Drohung leben, dass ihre Umgebung zu ständigen kleineren und grösseren, ja existenz-zerstörenden Zusammenbrüchen („Krisen“) neigt, und dagegen kaum etwas wirklich wirksames getan werden kann – ausser eben, mitten in und zwischen diesen prekären Verhältnissen robustere Formen der arbeitsteiligen Reproduktion und Wissensverarbeitung aufzubauen.
Vielleicht versteht man, warum ich „Krise“ zwar (eben wegen der historischen Zurückgebliebenheit der herrschenden Verhältnisse) als unvermeidlich und chronisch, aber eben leider (darum) auch als Hindernis und Dauerbelastung betrachte, jedenfalls nicht als „Chance“. Verbesserungsbedürftige Verhältnisse sind nun mal keine angenehme Randbedingung ihrer Verbesserung – wenn die, die sie bessern sollen, sich zugleich (noch) IN ihnen aufhalten müssen. Das war das Schicksal aller bisherigen historischen Fortschrittsbewegungen.

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thread: Das Tableau Èconomique von Karl Marx

11. September 2014
Ich hatte Kim so verstanden, dass er die Möglichkeiten graphischer Veranschaulichung für begrenzt hält, aber nicht grundsätzlich die theoretische Analyse des Kapitalismus. Ich möchte das so ergänzen: dass auch eine korrekte theoretische Analyse uU den Beweis führen bzw zum Resultat haben könnte, dass Kapitalismus stark irrationale und chaotische Züge hat – dass er das Versprechen, die moderne gesellschaftlich arbeitsteilige Produktion qua „Systemeigenschaften“ regulieren zu können, nicht einhalten kann. Das läge dann aber nicht an der Analyse, sondern an ihrem „aus Prinzip undurchschaubaren“ Gegenstand. (Auch in anderen Wissenschaften gibt es zuverlässige Aussagen über eine objektive Begrenztheit (und damit auch nur begrenzte Kontrollierbarkeit), die in ihrem Gegenstand selbst liegt – etwa die Unschärferelation.)
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Es gibt einen entscheidenden QUALITATIVEN Gesichtspunkt, die Grösse m als eigene Abteilung abzutrennen.
Die Art der Nachfrage ist nämlich eine ganz verschiedene in den NOTWENDIGEN einerseits, und den MEHR-Zonen der Verwendung des „Outputs“ der jeweiligen Grossbranchen v und c der Gesamtwirtschaft andererseits.

„Notwendig“ heisst: Hier muss etwas ständig nachfliessen, damit der Betrieb in seiner bisherigen Form aufrechterhalten, „reproduziert“ werden kann – wenn nicht, dann SCHRUMPFT er „proportional“ oder gar überproportional, wenn ein „strategisches“ Produkt ausfällt.

Hingegen die m-Produktion, die sich rein technisch ja durchaus aus den entsprechenden Abteilungen m(v) und m(c) der beiden Grossbranchen v und c speist, kann verschiedensten Zwecken dienen – ua. etwa der Rüstungsgüterproduktion, der staatlich eingerichteten Grundlagenforschung (aus beiden findet ein permanenter Zufluss („spin off“)bauch produktiver Innovationen in die „notwendigen“ Abteilungen hinein statt, wo sie dann „verwertet“ werden), oder den wechselnden Moden der Luxuskonsumtion (wo es ja oft garnicht Massengüterproduktion, sondern Restformen des Manufakturwesens anzutreffen sind, deren Produkte dann als besonders wertvoll, weil „in Handarbeit hergestellt, beworben werden).

„Mehrprodukt ist, was dauerhaft pro Zeit an v- und c-Gütern entnommen werden kann, ohne den zugrundeliegenden Prozess zu beschädigen (Mehrarbeit die entsprechende Menge der verausgabten Gesamtarbeit).“
Dies ist eine quasi technologische Definition. In kapitalistischen Verhältnissen wird Entstehung, Verteilung und Verwendung*) des GESAMTprodukts von Kapitalisten und Staat bestimmt – das gilt auch und speziell für das „Mehrprodukt“ im technischen Sinn.

*) die Verwendung von Löhnen ist im wesentlichen durch ReproduktionsNOTWENDIGKEITEN bestimmt. vgl. dazu auch die nachfolgende Anm.

Anm. Das kritische Bestehen (hier immer wieder etwa von Wat so vorgetragen) auf dem Gedanken, dass Mehrprodukt im technologischen (oder, wie man mit Marx sagen könnte: Produktivkraft-) Sinn mit seiner speziell kapitalistischen Bestimmung zusamenfällt, wäre, nach dem zuletzt Gesagten, auf die „notwendige“ Arbeit (bzw. Güterproduktion) auszudehnen: Speziell die Art, wie Lohnarbeiter ihr Leben einrichten müssen, ist ja ganz von den „Notwendigkeiten“ der Lohnarbeit geprägt. Der Kapitalismus und, soweit er Einfluss nimmt, der bürgerliche Staat bestimmen eben die GESAMTE Produktion. Die Kritik könnte sich also mit derselben Berechtigung gegen die kapitalistisch bestimmte „notwendige“ Abteilung richten, die eben auch nicht einfach durch technische oder physische „Notwendigkeiten“ bestimmt wird – die sie nichtsdestotrotz beachten muss. Diese „nichtsdestotrotz“ (nämlich auch innerhalb der kap.Formbestimmungen) zu beachtende technologische und physische Grenze dessen, was man kapitalistisch politökonomisch noch kann (zB was man als m behandeln (und „ständig entnehmen und anderweitig verwenden“) kann, ohne die Restproduktion zum Schrumpfen zu bringen), ist also im Ausdruck „Mehrprodukt“ ebenso angesprochen wie im (in dieser Bedeutung zurecht nicht kritisierten) Ausdruck „notwendig“ (zB wieviel kann man den Lohnarbeitern, den arbeitenden wie den lohnarbeitslosen, wegnehmen, ohne dass sie (zu früh) krankwerden, leistungsunfähig/unwillig usw)?
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Ich würde gern noch eine weitere Konsequenz dieses Gedankens (wenn er stimmt) ansprechen, wonach man es bei der m-Abteilung mit einer grundsätzlich qualitativ anderen Form von Nachfrage (Zahlungsfähigkeit vorausgesetzt) zu tun hat: Die Bestimmung von „Wert“ als etwas, das sich langfristig und in Durchschnitten darstellt, lässt sich nicht so einfach auf die entsprechenden Mehrprodukt- bzw. Mehrarbeits-Tranchen von Gütersorten der Abteilung v bzw. c anwenden. Es spielen in diesem Bereich viel stärker subjektive Geschmacks- und/oder politische, von zufälligen Verläufen und wieder deren subjektiver Bewertung abhängige Entscheidungen eine Rolle; das begründet, warum beinah jedes Gut der v- oder c-Branchen einen relativ zuverlässigen und hauptsächlich „wertbestimmenden“ reproduktiven (notwendigen) Anteil hat – und andererseits eine spätestens von der Absatzmenge, aber auch von den erzielbaren Preisen her variable Tranche – die ziemlich genau mit dem Mehr-Anteil der betreffenden Güterproduktion zusammenfällt.
Übrigens gilt das sogar für die akkumulierten Anteile des m – wegen der mit „Wachsen“ ständig verbundenen Verschiebungen in der Zusammensetzung der für die Zuwächse nötigen Zusatzinvestitionen: Skalenvorteile (cfix-Güter wachsen nicht im gleichen Ausmass mit); aber auch Skalennachteile (Sättigungseffekte). Das macht selbst unter Bedingungen einer nicht-innovativ, bloss auf gegebnem technologischen Stand akkumulierenden Produktion selbst das Akkumulations-Segment höchst variabel – „die (kap.) Wirtschaft“ (in meinen Worte: das (kap.) Reproduktionssystem) wächst nie unter Erhalt der Proportionen.
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Es sollte vielleicht, weil das (wenn ich mich recht entsinne) immer wieder mal von Forumsschreibern anders behandelt wurde, festgehalten werden: Spätestens die Güter der m-Abteilung werden ZWISCHEN Kapitalisten (und allenfalls ihnen und dem steuer-einnehmenden Staat) gehandelt; und sie fliessen ebenso beständig, wie die „notwednigen“ – es gibt da kein Zahlungsproblem (im Sinn von: wer kauft ihnen den Überschuss ab? Antwort: Sie einander.).
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Und noch etwas: Alles wird nochmal ganz anders und verworrener, wenn in diesem ohnehin schon sehr unbeständigen System INNOVATIONEN, womöglich in Permanenz, stattfinden. Dann kann man sich fragen, wo überhaupt noch „langfristige“ und „durchschnittliche“ Tauschwerte zu beobachten sind…

11. September 2014
Wal, mein Motiv ist doch nicht Kritikwütigkeit. Ganz bestimmt hab ich nichts dagegen, egal in welcher Form man das nun darstellt, wenn dieser sehr einfache Sachverhalt festgehalten wird:
Im Kapitalismus haben diejenigen, die über die modernen industriellen Produktionsmittel verfügen, dieselbe Macht über die Restgesellschaft, wie die Aristokraten des Ancien regime: Sie können die komplette Lebenstätigkeit der andern regulieren, und sie, einfach aufgrund eines Besitztitels, für sich arbeiten lassen, und dieses Für-sie-arbeiten-Müssen, nach ihren Zielsetzungen arbeiten Müssen, zur Bedingung dafür machen, dass man überhaupt leben darf (derart dass Hartz4 schon als Gnade und Almosen anzusehen ist). Richtig ist auch: Der Besitz an dem riesig angewachsenen Produktionsmittelbestand verbleibt bei dieser Klasse, weil sie sogar noch mehr Überschüsse erzielt, als sie für ihre Lebensführung braucht – weswegen sie als einzige dazu befähigt und berechtigt ist, diesen ihr gehörenden Bestand an Produktionsmitteln zu vermehren und noch produktiver zu machen, als er ist. Ihre Legitimation bezieht sie dann aus der Tatsache, dass sie TUT, wozu einzig sie befähigt und berechtigt ist. Andere würden es auch gern tun, und vielleicht auch ein bisschen mehr zu ihrer aller eigenen Gunsten – können und dürfen es aber nicht: Die Entscheidungen der Befugten, der Produktionsmitteleigentümer, schaffen eben Notwendigkeiten, Sachzwänge, an denen man nicht vorbeikommt.

Diese Sachzwänge wiederum sollen gerechtfertigt sein wegen ihres keineswegs ganz subjektiven Charakters: Ihre Konkurrenz nötigt die Produktionsmittel-Eigentümer (und dann auch, als deren erpressbare Ausführungsgehilfen, die Eigentümer von nicht mehr als ihrer Arbeitskraft), die Produktivität ihres Produktionsapparats als ganzem und im Detail ständig zu verbessern. Allerdings nicht unter der Vorgabe, die Arbeit und Lebensführung der Lohnarbeiter angenehm zu machen. Davon sieht das Wachstum vielmehr ab, es ist ABSTRAKT, Produktivität um der Produktivität willen wird da gesteigert (und, nebenbei, die Grösse des verwendbaren Mehrprodukts). Die ganze Gesellschaft wird diesem Zweck in einem Mass unterworfen, gedrillt und in ihrer gesamten Lebensführung daraufhin diszipliniert, wie man es früher allenfalls im Zusammenhang mit der Mobilisierung für einen modernen Massenkrieg kannte. Als Druckmittel haben die Herren über den Produktions- und somit auch Fortschrittsprozess dabei den Effekt, den ihre ständige, gegen alles rücksichtslose konkurrenz-getriebene abstrakte Produktivitätssteigerung speziell im Bezug auf die benötigte Lohnarbeit ausübt: Der Bedarf nach ihr sinkt. Dementsprechend steigt die Erpressbarkeit der Lohnarbeiterklasse.
Das ist unschön. Aber erneut ein Sachzwang. Denn… die dritte und letzte Stufe der Legitimatin, die bis heute durch keine Kritik entkräftet werden konnte, lautet: Moderne Industriegesellschaften sind – anders als durch Markt und Konkurrenz (und ihre politische Einrichtung durch die entsprechenden Formen von Herrschaft, den bürgerlichen Staat) – nicht zu steuern – der Fortschritt ist nur so, oder garnicht zu organisieren, ja nichtmal die Produktion auf gegebnem Niveau (wieviel weniger, wenn sie innovativ sein soll).
Die Debatte über die Alternative richtet sich unmittelbar gegen DIESE, wie ich behaupte: heute massgebliche, Weise der Legitimation.
(Soweit von Legitimation etwas abhängt, wäre diese ihr entgegen gerichtete Debatte also im Erfolgsfall (also wenn sie zu überzeugenden Resultaten kommt) politisch wirksam. Leider beruhen die Verhältnisse und ihre Stabilität keineswegs bloss auf der Einsehbarkeit oder Widerlegtheit von Legitimationen…)
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Die politökonomischen Detail-Erörterungen, die über den Nachweis der „Ausbeutung“ (s.o.), etwa in Gestalt eines möglichst einfachen „Tableaus“ hinausgehen, richten sich vor allem auf die genannte dritte Stufe der Legitimation. Sie sind so nötig oder unnötig, wie Leute von der Legitimität und „Nützlichkeit“ der herrschenden Produktionsweise ihre Zustimung dazu abhängig machen. Bei sehr vielen genügt leider die blosse Tatsache, dass da etwas herrscht und irgendwie, schlecht und recht, „funktioniert“. Dass sie so genügsam sind in der Begründung ihrer Zustimmung oder besser: ihrem Sich-Abfinden mit den Verhältnissen, hat sehr viel mit diesen Verhältnissen selbst zu tun – diese Verhältnisse reproduzieren in grossem Umfang SICH, indem sie massenhaft Leute produzieren, die kaum je die Chance und Mittel haben und zusätzlich das Motiv entwickeln, über ihre Lage oder „die Verhältnisse“ nachzudenken. Darum der quasi-naturhafte, „von selbst“ sich erhaltende Charakter dieser Verhältnisse – der eben auch katastrophale Zuspitzungen einschliessen kann – ohne Aussicht auf Besserung (dadurch).
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Es wäre deswegen ein vom ersten, oben genannten „delegitimierenden“ und kritisch-destruktiven (politökoonomischen bzw. kommunalistische Alternativen erörternden) Strang der Debatte unabhängiger zweiter solcher Strang sinnvoll, wenn nicht notwendig: einer nämlich, der sich mit der Frage beschäftigt, welche unbeabsichtigten, „von selbst“ stattfindenden Prozesse zu unterstellen oder erwarten sind, derart dass die Chancen, Mittel und Motive zur Ausbildung einer die herrschenden Verhältnisse überwindenden gesellschaftlichen Lebensform gefunden werden.

14. September 2014+1
Ein Nachweis der NOTWENDIGKEIT von Reproduktions-Gefährdung oder -Zerstörung wäre durchaus anspruchsvoll – er würde die letzte und innerste Verteidigungslinie der Kapital-Befürwortung durchbrechen also „delegitimieren“ – jene nämlich, die besagt: Ohne Markt sind modern-arbeitsteilige Gesellschaften nicht zu steuern, ohne ihn würde nichts funktionieren.
((Ursprünglich hiess es ja mal: „Kapitalismus ist FREIE Konkurrenz ohne Privilegien – JEDER kann es durch harte Arbeit, Orientierung am Markt und kreative Einfälle zu etwas bringen“. Die Ungleichheit der auf die Weise schnell entstandenen neuen Klassengesellschaft, die für beinah alle ihre Klassenlage ähnlich zementierte wie in einem feudalen Ständesystem, wurde dann so entschuldigt: „Noch der Schlechtest-Gestellte hat es hier besser – Kapitalismus ist Fortschritt für alle – lieber ungleich wohlhabend, aber wohlhabend, als gleicharm wie alle andern – so wie im Sozialismus!“))

Wenn hingegen jetzt nicht nur kein Fortschritt mehr stattfindet, sondern die „Besitzstände“ selbst, das „immerhin Funktionierende“ zunehmend angegriffen wird – was passiert dann? Die mörderisch realistische Antwort ist: Nichts.
Nichts, das weiterführt.

Kapitalismus hat Legitimation nicht nötig, weil er ALTERNATIVLOS ist. Und das ist nichts weniger als ein Kompliment – es ist das vernichtendste Urteil, das man über ihn fällen kann.
Den (Insassen der) modern-arbeitsteiligen bürgerlichen (Industrie)Gesellschaften, die durch Geld, Medien, formell demokratische und juristische Verfahren illusionär „vergesellschaftet“ sind, fehlt es für einen Übergang in einen rational verständigten Zustand AN ALLEM.
Diese „Gesellschaften“ bewältigen die sich häufenden Probleme nicht mal im Ansatz, die sich aus den von ihnen seit Jahrhunderten erzeugten weltweiten Verhältnissen ungleichzeitiger Entwicklung von Bevölkerungen einerseits, Natur- (und mittlerweile auch Kulturlandschafts-) Zerstörung andererseits ergeben. Sie sind definitiv an eine historische, eine Epochenschranke gelangt, die sie mit ihren Mitteln nicht überwinden. Darum beginnen sie zu stagnieren und in frühere Stadien ihrer eigenen Entwicklung zu regredieren, in denen sie sich dann im besseren Fall einrichten und erstarren, oder von denen aus sie weiter zerfallen, anfällig, wie sie sind.
Die Errungenschaften der Moderne, die mit dieser erbärmlich billigen und ihr in keiner Weise gerecht werdenden Organisationsform erreichbar zu sein schienen, sind dabei, auf das historisch haltbare Niveau ihrer Entwicklung zurückgestutzt zu werden. Da wird man am Ende sehen, WIE wenig man in bürgerlichen Verhältnissen über voraufgeklärte Barbarei hinausgekommen ist – die ist ja in Wahrheit nie wirklich überwunden worden, sondern hat sich die modernen Inhalte, die ihr zur Nutzung angeboten wurden, bereitwillig anverwandelt. Die Lüge, dass diese Inhalte gegen eine solche Indienstnahme immun, und vormodernes Denken dazu nicht in der Lage sei, ist vollendeter Ausdruck für das Gelingen dieses Prozesses. Es heisst, „wir“ hätten kein historisches Bewusstsein (auch so eine aufgeklärte Errungenschaft…): Das stimmt; denn wir sehen das härteste und unausrottbarste am Vergangenen, die vormodernen Denkformen, nicht, wie sie sich allgegenwärtig in den Köpfen der Zeitgenossen, soll man sagen: (wieder?) eingenistet haben? nein! – die sind da nie überwunden worden. Kein „modernes“ „Bildungssystem“ leistet das – es gibt da nichtmal den Begriff der Aufgabe, an der es scheitert.

Diese Leute… die zu beinah allem und jedem (sofern sie Kenntnis davon haben; wer hierzuland weiss denn von mehr als winzigen Ausschnitten der „gesellschaftlicihen“ Realität? Allenfalls DIESE Erkenntnis des gemeinsamen Ausgeschlossenseins davon eint alle…) sich ihre ganz EIGENEN aktuellen fragmentarischen Ideen, Bewertungen, Einschätzungen zusammenbasteln, „Meinungen“ eben, die sie um so hartnäckiger gegen ihresgleichen verteidigen müssen, je willkürlicher die Begründungen dafür sind… diese Leute können sich grade mal darauf einigen, dass sie sich in NICHTS einig sind. Wenn ihre Reproduktion zusammenbricht, gehen sie zugrunde – oder regredieren auf Zivilsationsniveaus und richten sich darin ein, wie man sie heute vielleicht in Gaza oder den Slums von Rio sieht.
Es ist das kein Untergang kämpfender Klassen, wie ihn die Staatssozialisten für möglich hielten; sondern das klägliche Scheitern an mit DIESEN primitiven Produktionsverhältnissen unlösbaren Aufgaben eines technologischen Fortschritts.

Sich auf diese frühe Marxsche Intuition zurückzubesinnen, würde für die Linke ieS, wenn sie denn dazu sich bereit zeigte, ein weites Feld theoretischer Fragestellungen eröffnen, die derzeit unearbeitet sind, vor allem diese:
Welche nicht beabsichtigten, nicht bewussten und bewusst kontrollierten Entwicklungen sind es, die Voraussetzungen für Ansätze/Motive zur Überwindung der Epochenschranke schaffen?
Wie sehen die Strukturen aus, die inmitteln des alten Zustands den Übergang machen und seine massenhafte Ausbreitung vorbereiten?
Welche Probleme der materellen (Re)Produktion muss das sich ausbildende historisch völlig neue Produktionsverhältnis bewältigen lernen?
Meine hypothetische Antwort lautet:
die ökologischen, also den Umgang mit NATUR;
die Aufgaben, die sich aus Ungleichzeitigkeit und der Notwendigkeit einer Reproduktion fortgeschrittener Standpunkte an später Gekommenen (Nachwachsenden) ergeben, also den Umgang mit (der gegenwärtigen) GESCHICHTE,
und… die Aufgaben, die sich daraus ergeben, dies alles mit einer bedürfnisgerechten Lebensführung aller Beteiligter vereinbar zu machen, also den Umgang mit sich SELBST.

Ich denke: Entweder wird DAS geleistet… oder der Kapitalismus (oder seine feudalen oder noch schlimmeren Regressionsformen) BLEIBT alternativlos.
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thread: Kennziffern der VWL und Marx

14. September 2014
Konkordanz hier sind erste Hinweise, die nach Bedarf auszuführen sind:

1. Der Mangel einer statistischen Korrelation ist: dass sie den ursächlichen Zusammenhang zweier zeitgleich in bestimmte Richtungen laufender Tendenzen nicht BEWEIST. Die Lohnanteile am Gesamtkapital könnten sinken, und auch die Profitrate… und doch könnte das je ganz andere Gründe haben.

2. Ich lasse mal alle Fragen beiseite, die die Erhebung der Daten für diese Statistik (nämlich im wesentlichen die der Besteuerung der Beteiligten zugrundeliegenden) in WESENTLICHEN (also die Tendenz betreffenden) Hinsichten infragestellen – etwa, ob und inwieweit das BIP überhaupt das Gesamtkapital erfasst.
Die Gewinne werden grundsätzlich vor der Öffentlichkeit versteckt. Das… lässt ja wohl mehr als alles andre ahnen, wie die Sache sich in Wirklichkeit verhält. Kapitalisten bzw. kap.Unternehmen sind schliesslich ständig am Jammern, zu verteilen gibts immerzu nichts…

3. Die Akkumulation im Inland, soweit sie statistisch erfasst wird, ist keineswegs ein zuverlässiges Mass für die Profitrate als ganzes – da sollte man vielleicht mal auf den Nettokapitalexport und die Besteuerung schauen….

4. Die Grundlagen der gesamten Profitmacherei sind durchaus nicht stabil. Es ist keineswegs ausgemacht, dass Gewinnraten ständig hoch bleiben. Zumal nach dem, was an Wachstum sich schon abgespielt hat,
a) die Zuwächse an Reichtum in absoluten Zahlen, verglichen mit denen – bei weit höheren ZuwachsRATEN – in der Vergangenheit, phantastische Grössenordnungen angenommen haben…
b) In Frühzeiten einer sich modernisierenden Volkswirtschaft zB wird erstmal extrem viel an Kosten externalisiert, was dann so langsam in Gestalt von Auflagen und Abgaben nachträglich zwangsweise von der „Bürokratie“, wie sowas im Unternehmerdeutsch heisst, in die Bilanzen eingebracht wird. Und…
c) die internationale Konkurrenz schläft nicht…
Ich finde es schon darum SEHR wahrscheinlich, dass „Profitraten“ oder ihnen irgend analoge Indikatoren in fortgeschrittenen Industriegesellschaften tendenziell sinken. Dafür gibt es alle möglichen denkbaren Ursachen.

5. Rein theoretisch vom Marxschen Kapital her ist der Zusammenhang von org.Zusammensetzung und Tendenz zum Fall der Profitrate unmittelbar durch die Qualität der Arbeit als einziger Quelle des Mehrwerts gegeben (wobei auch c und v Marxsche Arbeitswerte darstellen. Hier ist bereits, abgesehn von allen andern theoretischen Problemen mit dieser Werttheorie, anfänglichen und solchen in ihrer Anwendung, gerade aufgrund der Überlegungen von Marx zur Bildung von Porduktionspreisen höchst fraglich, ob die Summen aus Kosten in Produktionspreisen und die darauf bezogenen Profite angesichts der Abweichungen vom „gesellschaftlich Notwendigen“, die dabei vorausgesetzt sind, überhaupt noch irgendeine Aussage im Sinne der „Tendenz“ zulassen. Aber „Überproduktion“ kommt da in den Überlegungen von Marx allenfalls so vor, dass die (vorübergehend, nach ihm wg. hoher Lohnraten) hochprofitablen Anlagesphären Über- und die niedrigprofitablen Unterangebote relativ zur zahlungsfähigen Nachfrage mit sich führen (die nichtsdestotrotz durch die angesichts dessen ständig fluktuierenden Marktpreise ständig beeinflusst wird…). (Es gibt einen viel näherliegenden Grund für eine Bewegung wie die von Marx vermutete, nämlich der schnellere Umschlag von Kapitalen mit niedrigem Fix-Kapital-Anteil, und noch einen: die schiere Grösse nötiger Kapitalanlagen als relative Schranke des Marktzugangs (und damit relatives Monopol).)

6. Export findet statt, weil er ein lohnendes Geschäft ist. Wieso vermutest du da einen ZWANG…?
((Nachtrag 16.9. Wer dem Hinweis von Wal unten auf das Buchprojekt von Robert Schlosser folgt, wird dort äusserst sachdienliche Hinweise (va. S.14ff Punkt V.) finden, wie grosse Teile des nationalen „Aussenhandels“ in Wahrheit bloss formell aus Verkäufen und Käufen besteht – in Wahrheit aber die betriebswirtschaftlich optimierte Nutzung diverser Standortvorteile (Lohnniveau, Steuer, Marktnähe) verschiedener Länder (ua. eben der BRD) durch „globalisiert“ operierende Unternehmen widerspiegelt, also im VWL-Deutsch die „internationale Arbeitsteilung“. Sehr zurecht wirft Robert Schlosser die Grundsatzfrage auf, inwiefern nationale Statistiken mit Bezug auf ein nationales „Gesamtkapital“ die ökonomische Realität (zB die Profitrate) aus Sicht dieses Kapitals selbst noch adäquat erfasst – aus Sicht der nationalen Staatsbudgets hat die Sichtweise (die schliesslich wesentlich den gesamten BIP-Kategorienapparat hervorbringt) natürlich weiter ihre Berechtigung.))

7. …noch dazu im Zusammenhang mit der Überlegung, dass die Löhne die gesamte Produktpalette nicht kaufen? Sie werden doch darum runtergedrückt, dass das Geld schön bei den Kapitalisten bleibt, damit DIE IHRE Geschäfte miteinander machen, und ihr Kapital produktiver machen können – dafür kaufen sie mit all dem Geld, das die Bevölkerung nicht hat, einander allerhand innovative Porduktionsmittel ab, und rationalisieren noch mehr Arbeitsplätze weg. Was die Konkurrenz der Lohnarbeiter antreibt… ((Wie oft muss eigentlich dran erinnert werden: Kapitalismus ist Wachstum um seiner selbst willen – Arbeiterkonsum ist ein störendes Anhängsel und wie alle andern zu reduzierender Kostenfaktor der immer produktiveren Erzeugung immer produktiverer Produktionsmittel zum Zweck der immer produktiveren uswusw.))

8. Was abgesehen von früheren Erörterungen hier im Marxforum sonst noch zur Marxschen Hypothese vom „tendenziellen Fall der Profitrate“ zu sagen ist, geht eigentlich mehr auf die Grundlagen der Mehrwerttheorie.
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((Die nachfolgenden Überlegungen führen vom unmittelbaren Thema weg, sind aber dennoch einschlägig, weil ihre Einbeziehung die Plausibilität der Hypothesen relativiert, die hinter der Interpretation der Statistiken steht, die Konkordanz vorschlägt.))
Als Hinweis:
Dass gewissen Mindestanforderungen der Produktivität (sichtbar als Lohnstückkosten) genügt wurde, damit ein Warenanbieter überhaupt an einem Markt Nachfrage auf sein Produkt ziehen kann, ist nach Marx eine allenthalben zu bemerkende NOTWENDIGE Bedingung dafür, dass die die betreffenden Waren erzeugende Arbeit damit auch einen Wert bilden. Hinreichend dafür wäre erst, dass sie sich als Teil der ges.notwendigen Gesamtarbeit gezeigt hat. Das präzisiere ich mal so: …dass sie zum gesellschaftlichen Re-Produkt und/oder Mehr-Produkt beigetragen hat. Nur Arbeit, die sich in „notwendigen“ Produkten verkörpert war notwendige; nur Arbeit, die sich auch in verwenbaren Überschüssen verkörpert, hat zum gesellschaftlichen Mehrprodukt beigetragen und sich somit als Teil der ges. Gesamtmehrarbeit erwiesen. Und nur im Mass, wie das Produkt der betreffenden Branche zum ges.Mehrprodukt etwas beiträgt, kann man dann sagen: jede einzelne in ihr geleistete Arbeitsstunde zerfällt in notwendige und Mehrarbeit. (Der Exploitationsgrad wird demnach nicht nur durch das notwendige Quantum na an Arbeitskraft bestimmt, das verbraucht wird, um ein bestimmtes Quantum a an Arbeitskraft zu produzieren, also das, was von der pro Zeit verfügbaren und reproduzierten Arbeitskraft pro Zeit direkt oder indirekt für ihre eigene Reproduktion verbraucht wird (das kann man ihren Eigenanteil nennen: na/a<1). Sondern es können zur Berechnung dieses Grades nur diejenigen nicht-nötigen Quanten der Branchenarbeit für das betreffende Produkt herangezogen werden, die tatsächlich für Beiträge dieses Produkts zum ges.Mehrprodukt (und von dorther rührender zahlungsfähiger, also aus andern handelbaren Anteilen des Mehrprodukts stammender Nachfrage) verausgabt wurden. Die Werte für den individuellen Explooitatinsgrad, der sich daraus ergibt, für die Rate Mehrprodukt:Gesamtprodukt dieses Branchenprodukts, und den Eigenanteil der (abstrakt genommen) ges. Gesamtarbeitskraft sind normalerweise nie dieselben… (Hier liegt einer der Gründe, warum man vielleicht über die Art der Einwände von Marx gegen Senior, also eigentlich über relativen und absoluten Mehr“wert“, nochmal nachdenken muss…)
Diese eher akademisch (oder „kritikwütig“) klingenden Hinweise unter Marx-Lesern beziehen sich natürlich auf die wesentliche Voraussetzung des Profitratenfall-Gesetzes: Dass die Arbeit einzige Quelle von Wert und hier vor allem Mehrwert (Profit) sei. Was sich laut Marx darin zeigen müsste, dass lohnintensive Branchen die primär profitträchtigsten und sekundär ständig mit Überangeboten (oder Schweinezyklen) belasteten sein müssten. Und umgekehrt: kapitalintensive Branchen niedrige Profite haben, und in ihren Märkten tendenziell Unterangebot relativ zur zahlungsbereiten und -fähigen Nachfrage herrscht. Was ausser ihm („sie wissen es nicht, aber sie tun es“) bis heute noch niemand bemerkt haben sollte…? Abgesehen davon, verweisen die eben vorgetragenen Überlegungen auf Probleme, die sogar die uU historisch (in der vor-schwerindustriellen Phase der industreillen Revolution, also etwa der Phase intensiver Mechanisierung der Konsumgüterindustrie, als Maschinen in Handarbeit hergestellt wurden, und extraktive Industrien tatsächlich mit billiger, technisch schlecht ausgestatteter Handarbeit betrieben wurden) einmal tatsächlich korrekte Arbeitswerttheorie auf ihren eigenen Grundlagen hat. Wieviel mehr, wenn sich, nach Etablierung von Schwerindustrie und Produktionsmittel-Hersellung mittels Produktionsmitteln, der „innerste kap.Zirkel“ geschlossen hat, und kein einziges Gut mehr gehandelt wird, in dessen Produktion ausschliesslich (angefangen bei seinen Naturvoraussetzugen) Arbeit bzw Verbrauch von Arbeitskraft eingegangen ist. Ich bin der Meinung, dass diese Veränderung in den materiellen Grundlagen der modern-arbeitsteiligen Industrieproduktion die Grundlagen für eine Arbeitswerttheorie zur Erklärung von Tauschwerten und Preisen beseitigt hat, und sie durch eine andere solche (Wert)Theorie ersetzt werden muss. Die hässliche Tatsache der Ausbeutung (der Nichtbestimmung der Lohnarbeiter über Art, Ausmass und Verwendung weder der notwendigen noch der Mehranteile (physischen) ihrer eigenen Produkte) ist in einer solchen Theorie ebenso Gegenstand der Beurteilung wie Kritik wie in der Arbeitswerttheorie. Unter Umständen sogar noch einige hässliche Tatsachen mehr…

14. September 2014
Also einerseits bin ich ja auch nicht grad gegen Verständlichkeit… aber Konkordanz, das ist schon eine reichlich verzwickte ökonomische Fachfrage, die du da aufwirfst. Da sollte es vielleicht nicht ganz verwundern, wenn zur Beantwortung sowohl Fachjargon als auch Fachkentnisse – hier der Marxschen Theorie im Kapital Bd1-3, herangezogen werden.
Mal ganz direkt: Wieso leuchtet dir immer wieder der Verweis nicht ein auf die ständig sich weiterdrehende Spirale der Produktionsmittelproduktion mittels Produktionsmitteln, DIE IN SICH SELBER MÜNDET, und die Selbstzweck ist, eben die kapitalistische Version von „Fortschritt“? Das ist jetzt ich weiss nicht wie oft schon vorgetragen worden, im mesrine thread, dort auch zu hajosli, und auch zu einigen Postings in threads von dir. Natürlich beschwere ich mich nicht, dass ich mich wiederholen soll – bloss: zu dem Gedanken wird irgendwie nie was (nichtmal Ablehnendes oder Kritisches) geäussert – so als wäre er völlig abwegig. Während er für mich so ziemlich die Qintessenz meiner Marxlektüre ausgemacht hat. Da klafft irgendwas auseinander. Könntest du mir, Konkordanz, erklären, wieso Lohnarbeiterkonsum und, vom ökonomischen Standpunkt aus gesehen, auch Staatskonsum (soweit da nicht immerhin investiert wird) NICHT als Abzug von der selbstbezüglichen Produktivitätssteigerung für noch mehr Produktivitätssteigerung angesehen werden können?
(Das mit dem Export würd ich im übrigen mal nicht dramatisieren – über 200 Mrd Aussenbeitrag (Positiv-Saldo Import Export) ist zwar ein schönes Polster… aber auch nur etwa 1/6 bis 1/7 des Lohnabhängigen-Konsums (ich bezieh mich auf die Beispiele aus der Wikipedia zum Bruttoinlandsprodukt).
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thread: ​Das Wertparadoxon – Ausgangspunkt der bürgerlichen Ökonomie (Neoklassik)

3. Oktober 2014
Hallo Kim… ich weiss nicht, ob wir derzeit bereits soweit sind, den Mangel der offiziellen ökonomischen Theorien PRÄZISE benennen zu können. Dass es da was äusserst trüb und verworen Gedachtes geben muss, sehe ich auch. Aber so haltlos, wie es in deiner Wiedergabe erscheint, kann es, wie ich glaube, nichtmal dort zugehen. Denn.. das Wertparadoxon kann eigentlich nur dann als Ausgangspunkt dienen, wenn man eben ausser Nutzen und Nützlichkeit für irgendeinen Anwender oder Verbraucher noch ein zweites, davon unabhängiges Kriterium der „Werthaltigkeit“ hat – und das setzt, trivialerweise, aus Sicht bürgerlicher Menschen, den Ausschluss eines potentiellen „Kunden“ vom eignen Handelsgut voraus. Wenn Wasser verfügbar ist für alle, hat es keinen Preis. Wenn Diamanten begehrt sind… nun ja, sie sind auch nicht gerade der Paradefall von etwas „Nützlich-und-Gebrauchtem“ in Privatbesitz. An sich ist aber doch der „Ansatz“ der bürgerlichen Ökonomie kein anderer als der Marxsche in DER Hinsicht, dass sie Privateigentum an sehr vielem, wenn nicht allem Nützlich-und-Gebrauchten-für-Andre unterstellen, und das auch garnicht als peinlichen Mangel verschweigen, weil sie das schliesslich für die beste Voraussetzung einer für alle gedeihlichen modern-arbeitsteiligen Vergesellschaftung halten
Ihr theoretisches Problem beginnt, und, wie ich meine, sehr fundamental, anderswo: Dass sich die erhofften Preise von Anbietern („Produzenten“) einer Ware und die von Nachfragern („Konsumenten“) bei einem Marktpreis /oder in etwa einer Zone eines Preises, wo die Ware tatsächlich Besitzer wechselt) treffen, und dann einige Anbieter leider passen (undwomöglich aus diesem Markt ausscheiden) müssen (weil der Preis zu niedrig ist= ihre Kosten nicht deckt), andernfalls einige Nachfrager (denen die Preise zu hoch sind), und zu diesem Preis sogar die ausgetauschte Menge festgelegt ist – das ist soweit doch so richtg wie trivial. Die Kurven, die ausschliesslich Präferenzen thematisieren im Rahmen eines bestehenden Budgets (Kostendruck der Anbieter – speziell der von Arbeitskraft; Grenzen der Gesamt-Zahlungsfähigkeit der Nachfrager, speziell derer, die ihrerseits produzieren) helfen nicht die Frage zu beantworten, und wollen das auch garicht, woher die Restriktionen der Budgets, das (Nicht)Können, das dem „Begehren“ Schranken zieht, eigentlich herrühren
Ein bisschen erinnert ihre ausweichende Antwort darauf an Befürworter der Arbeitswerttheorie: Nach „rückwärts“ löst sich alles in Begehren auf… die Nachfrager haben eben was Begehrtes erfolgreich verkauft, die Anbieter haben sich was verkaufen lassen, darum können die einen zahlen und die andern müssen sicih zahlen lassen. Es gibt in diesem „Paradigma“ erstmal keine Restriktionen – etwa solche, die es begründen, dass das Geschäft wiederholbar („reproduzierbar“) ist.

Was nun die ideologische oder legitimatorische Funktion dieser Theorien angeht, so scheinen sie mir, wenn überhaupt, eher defensiv bis neutral zu sein.
Das heisst: Kapitalismus, die Klassengesellschaft, die Existenz von „Kapital“, Eigentum an Grund und Boden usw, die ja niemand leugnen kann und doch eigentlich auch nicht leugnen wollen kann, weil es ja gerade das zu Legitimierende darstellt – die werden von dieser Ökonomie doch einfach vorausgesetzt. Der Beitrag der Ökonomie, wenn sie versucht, notwendig sich einstellende Vorgänge an und in den Märkten abzuleiten oder zu prognostizieren (um damit, dem eignen Programm zufolge, sogar irgendwann mal zu „falsifizierbaren“ nämlich nicht-tautologischen Erkenntnissen zu gelangen; an ihrer Fähigkeit dazu kann man zweifeln), besteht doch eher darin, zu zeigen, dass was von seiner Legitimation als gut und für die grosse Mehrzahl wünschenswert erscheint, weil es ihrem Wunsch nach „Freiheit“ und einer Sphäre privater Verfügung gerecht wird, als Prinzip arbeitsteiliger Vergesellschaftung tatsächlich funktionieren KANN – ohne desaströse Folgen – und im Normalfall – ebenfalls ohne notwendige solche Folgen – funktionieren WIRD.
Und genau dieser Behauptung widersprechen die „heterodoxen“ Kritiker der etablierten ökonomischen Theorie.
..

3. Oktober 2014
Ich möchte noch etwas zum Zusammenhang von Legitimation und ökonomischer Theorie ergänzen.
Die Formeln der Legitimation kapitalistischer Vergesellschaftung stellen diese als Freiraum dar, in dem etwas (unterstellt: von Menschen so Gewünschtes, daher hier der Anschluss an ein „Menschenbild“, eine Anthropologie) MÖGLICH wird. Die Ökonomie liefert dazu tatsächlich insofern ideologische Unterstützung. als sie in ihrem Versuch, das was in diesem Freiraum (dem Markt; dem Unternehmen, dem Einzel-Haushalt; dem Staatshaushalt) faktisch geschieht, korrekt zu beschreiben, zugleich Angaben darüber macht, dass die unterstellten Chancen und „System-Angebote“ und -Freiheiten tatsächlich wahrgenommen und benutzt werden; und, dass dies die erwarteten Folgen auch tatsächlich HAT, und KEINE nicht-behebbaren oder nur systemwidrig zu behebende (etwa durch staatliche Aufsicht und Korrekturmassnahmen) unerwünschten Nebenwirkungen hat. – Die Ökonomien der Kritiker des Kapitalismus in seiner gegenwärtigen Gestalt oder generell greifen genau diese beiden Behauptungen der etablierten Ökonomie an.
Dabei haben sich – Kapitalismus ist ja keine historisch ganz neue Erscheinung – im Feld der Kapitalismus-Legitimationen angesichts einiger dann doch nicht abzuleugnender „Fehlentwicklungen“ (die auch kaum mehr – ausser eben „systemwidrig“ – zu beseitigen sind) einige bemerkenswerte Fortschritte ereignet: Ursprüngliche Versionen solcher Legitimation wurden zurückgenommen und eher in den Hintergrund geschoben, stattdessen durch zeitgemässere ersetzt. Ich habe hier im Forum mehrfach drei Hauptverteidigungslinien des Kapitalismus ausgemacht und sie in etwa so charakterisiert:
1. Kapitalismus bedeutet Wegfall von Privilegien, alle haben gleiche Chancen, durch harte Arbeit, kreative Einfälle und Orientierung am Markt sich zu bereichern.
2. Kapitalismus gibt Kapital-Verwaltern (ganz gleich, ob persönlich Eigentümer oder bloss Manager) die Chance, sich in der Konkurrenz, und das heisst wesentlich: bei der gesellschaftlich optimalen Nutzung von Fortschrittpotentialen, zu behaupten. Das ist zugleich ein Ausleseprozess, der die dafür Best-Geeigneten in die betreffenden Entscheidungspositionen gelangen lässt, wo sie das Produktionspotential der ganzen Gesellschaft zum Nutzen aller optimal wachsen lassen.
(Profit, Gewinne usw gilt hier fast nur noch als Mittel der Behauptung in der Konkurrenz, nicht als Selbstzweck und unmittelbarer Lohn des Tüchtigen in der „volkswirtschaftlichen“ Perspektive, die hiereingenommen wird, handelt es sich bei Gewinnen und wachsenden Privatvermögen vor allem um Investitions- und Fortschrittsoptionen und mögliche Arbeitsplätze; ebenso gilt Kapital als angehäufter, fast schon vergesellschafteter Gemeinschaftsbesitz, der bloss von Einzelnen zum Wohle aller (speziell dafür, dass sie ihre Einkommensquelle, den Arbeitsplatz, behalten) verwaltet wird.)
3. Konkurrenz bzw. Kapitalismus ist unschön, ruiniert Mensch und Natur, fördert Gier, ist voller Auswüchse, denen man staatlich-korrigierend entgegentreten muss – das ist aber inkaufzunehmen, weil Kapitalismus unvermeidlich und unersetzlich („alternativlos“) ist, wenn es gilt, die globalisierte Riesen-Wirtschaft überhaupt zu steuern.
Man sieht, dass die Frage, ob die Leute im Kapitalismus überhaupt KÖNNEN, was sie (angeblich) aus zutiefst menschlichen Antrieben WOLLEN, immer mehr in den Vordergrund gerückt ist.
Bei Punkt 2 zeichnet sich ziemlich überzeugend ab, dass nur mithilfe äusserst künstlicher „Anreize“ das System der Konkurrenz dazu gebracht werden kann, nicht gnadenlos alle gesellschaftlichen Kosten, die es verursacht, zu externalisieren, weil es sie eben nicht von sich aus in realistisch kalkulierte Preise übersetzt. Damit ist diese Legitimationsform gerade dabei, eher in den Hintergrund zu rücken.
Es verbleibt die dritte und letzte, durchaus defensiv zu nennende Verteidigungslinie. Die Kritiker habe sie bislang noch kaum beachtet; es wird Zeit, sich ihr zuzuwenden.
Wobei man sich bewusst sein muss, dass Delegitimierung des real existierenden Kapitalismus wenig nützt, solang er ganz banal „alternativlos“ bleibt in dem Sinn, dass jede andere Vergesellschaftungsform auf der Stelle mit noch härteren Problemen konfrontiert ist, die entweder im Kapitalismus (angeblich) nicht auftauchen, oder (angeblich) bewältigt sind, oder im Kapitalismus nicht schlechter bewältigt werden als dort (sodass man sich den Wechsel sparen kann).
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thread:
Arbeiterforderungen von 1848

3. Oktober 2014
Wat. schrieb:
Es nützt ja nix, eine herrschende Klasse (egal welche) abzulehnen, aber nicht auch die Bedingungen, daß es sie braucht(!), zu ändern.

Das ist eine ziemlich bedeutsame Einsicht, die Wat da ausspricht. Oder, sagen wir: der Startpunkt bedeutsamer Einsichten. Denn da schliessen sich doch unmitttelbar Fragen an:
Wer soll (kann, wird wahrscheinlich, weil (wodurch?) hinreichend motiviert) es ändern?
Was sind das für Bedingungen (Gründe)?
Ist „Krise“ (egal welche, hauptsächlich so richtig hart und grund-erschütternd) so eine Bedingung… oder Anlass… dass es eine herrschende Klasse nicht mehr braucht?
Wieso sind das nicht unsere ständigen Themen? Sind diese Fragen zweitrangig? Welche wären denn wichtiger?

4. Oktober 2014
Gut, Wat: Dann stell ich einfach DIR die Frage (oder Wal, oder jedem, der sie mir beantworten will): Welches sind deiner Meinungen nach die Bedingungen, dass es eine herrschende Klasse braucht, – oder umgekehrt, wie wär ein Zustand beschaffen, wo „es sie eben nicht mehr braucht“? („Es braucht sie (oder: sie wird gebraucht)“, nebenbei: wofür?)“
Eine Frage stellen, heisst nicht, eine Tagesordnung für andre bestimmen. Man muss sie ja nicht beantworten.
Und, btw… Ich sehe nur „Ja“. Wo steht „aber“?

4. Oktober 2014
Das Problem mit der Schwanz-beiss-Katze bekommt man, wenn man unter Revolution versteht: den SYNCHRONEN Übergang der ganzen Gesellschaft. Schon, dass die Einzelleute sich einigermassen gleichzeitig auf einen ungefähr gleichen Stand schaffen sollen, ist schwer vorstellbar, dann sollen sie aber auch noch im selben Moment sich über ihr Vorgehen verständigen. Und das soll so bleiben, für den Rest der Geschichte…
Soll es… sage auch ich: und sowas darf ma mit mit allem Recht der Welt AUCH Revolution nennen, und was für eine das wäre, die industrielle, die französische und Oktober- und neolithische, die sähen daneben ganz klein aus.
Nur GEHT es so synchron eben nicht.
Und nicht nur, dass man, wie eben kurz angedeutet, dabei vor einer absolut unlösbaren Aufgabe steht – es gibt NOCH ein Problem, von dem ich sage: Verglichen damit, ist das ganze Koordinations- und Verständigungsproblem auf Dauer relativ nachrangig.
Ich meine: den Aufbau einer technlogisch komplett neuen Produktionsweise.
Ohne die kriegen wir die ökologischen Probleme, allen voran die mit unserer eigenen Ökologie, unserer Lebensführung und erzwungenen Lebensweise, die durch das gegenwärtige Produzieren beschädigt ist ohne Ende, niemals in den Griff. Es gibt einfach keine grössere Lüge, auch Selbst-Täuschung, als zu glauben, was da draussen vorgehe, sei PRODUKTIV. Ein mit zur Neige gehenden fossilen Energieträgern betriebenes Strohfeuer ist das (die wasservorrat- und Böden-vernichtende Mineraldünger-Landwirtschaft (Stickstoffquelle: Erdgas, nebenbei; Phosphatlager sind am Sich-Erschöpfen) vorneweg).

Bei der Lösung der Sachprobleme aber wird denen, die sich daran machen, das angehäufte Durcheinander an ungleichzeitigen Bewusstseinsständen verschiedenster Bevölkerungsgruppen WELTWEIT, die noch dazu aus verschiedensten Gründen am Verzweifeln sind, schwer zu schaffen machen.
Es kann sein, dass die, die aufgrund ihres maximal entwickelten internen Verständigungsniveaus kollektiv lernfähig sind, die einzigen sein werden, die das alles überleben.
Kann sein, dass „Revolution“ eher SO aussieht…

PS: Und jetzt seh ich erst Wats Beitrag, der meinem vorausging… da kann ich jetzt einfach nur ganz ohne Aber Ja sagen. Aber 100%ig.

4. Oktober 2014
Also doch: die Art der Einrichtung der Produktivkräfte macht ein entsprechendes Produktionsverhältnis ERFORDERLICH… Ich glaube, dass da der junge Marx mit seiner Arbeitshypothese was richtiges geahnt hat.
Wir reden also über Produktivkräfte…
…reden wir auch über Notwendigkeiten? Wenn man Christian Siefkes, von Beruf Programmierer, das erklärt vielleicht einiges, folgt: keineswegs. Wir schalten vielmehr ins coole sei-entspannt-Parlando, und Probleme waren gestern…
Wer macht eigentlich wo und wann die gewaltige Masse an Maschinen, die da unterstellt ist (Hausroboter…)? Und dann… mit welchen Maschinen? Denselben, wie denen, die da gebaut werden sollen? Wer repariert sie, oder funktionieren die immer? Woher kommen die Rohstoffe… alle recycelt? Wie gewinnt man die Unmassen Energie, die diese „community“ selbst bei besten Einsparabsichten notwendig verbraucht? Wer baut und wartet die Anlagen? Na Freiwillige… teams.. ist doch spannend und man kann was lernen… ansonsten: kommts auf die weisse (to-do-)Liste. Die Gartenfarm… nun, jeder, der einen Wochenendkurs beim einschlägigen „Designer“ gemacht hat, weiss doch: Permakultur funktioniert. Mehr… braucht es nicht. Und bei jedem Wetter. Wenn wir was nicht haben, setzen wir das Wort Bio davor, so wie man verbal „gendert“, „ökert“ man so, und zeigt, wovon man denkt, dass es geht: BioPlastik. BioAlufolie. BioChemie.
Materialeigenschaften… interessieren nicht. Formbarkeit im 3D-Drucker ersetzt sie. Wir drucken uns zB ein Haus… eine Strasse.. die PKWs und LKWs…ein Flugzeug, ein Schiff, die Eisenbahn, ein Tunnel… nein wir beamen uns alles per real-thing-mail zu. (Falls nicht: Wer macht die Transportarbeit?)
Repariert werden muss nix an der kaputten Welt… Das machen Freiwillige. Wie, weiss der Lernknoten. (Irgendwer weiss, was zu wissen ist. Falls nicht… macht nichts. Geforscht wird, was gefällt…)
Die hässliche Welt der Andersdenkenden gehört der Vergangenheit an. Drucken wir uns dafür eine Zeitreisemaschine, oder was? Der Übergang in die Utopie… gehört jedenfalls der Vergangenheit an.
Aber noch immer werden fleissige Heinzelmännchen Zahnärzte und Notfallmediziner. Ist doch eine interessante Wissenschaft, die Medizin. (In der aktuellen Version verschlingt Gesundheitsarbeit mitsamt ihrer Infrastruktur 15% des heutigen Sozialprodukts…)
Stromnetze… die Infrastruktur des „Intermesh“… Satelliten? Transporte, interkontinental womöglich… Rohstofferschliessung (oder eben auch -recycling)?… Stahl? Metallbearbeitung? nee… BioMetall als langer Faden…
Wer erfindet das alles? Wann? Wo? Mit welcher Reproduktionsgrundlage, bis alles funktioniert?
Wie… fängt man an?

4. Oktober 2014
Christian Siefkes Text ist ein Musterbeispiel TECHNIZISTISCHEN Denkens: Wir verstehen, was wir selber (nach)bauen können. Bloss kommt bei Siefkes das utopische?, nein: modern-religiöse Moment hinzu: Im Prinzip HABEN wir alles verstanden dh. wir KÖNNTEN alles bauen; nicht verstehn, derzeit nicht bauen, setzt uns keiner Gefahr aus. Wir leben in einem Vakuum, vielleicht kann man es „die Zivilisation“ nennen, in dem es ausser uns und unsern Produkten (die wir komplett beherrschen) eigentlich nichts sonst gibt. Ich würde seine Utopie ein Hightech-Mittelalter nennen (wie auch sonst in SciFi Phantasien, wobei man „Sci“ in der Tat besser als Kürzel stehen lässt: Wissenschaft spielt dort die Rolle, die in verwandten Genres die Zauberei übernimmt).
Siefkes erwähnt Natur (die Gartenfarm) … als eine Art programmierbare Hardware. Stoff, Materie, Materialeigenschaften… kommen nicht einmal vor! Die Welt ist – FORM. Materie das Formbare, schieres Potential zur Umsetzung von Formideen. Wenn man Power (Kraft) dazu hat.. (kommt aus der Steckdose). So ungefähr besprach man in der Scholastik die Welt…
Die Bewohner von Siefkes Utopie… sind auf eigenartige Weise in ihren Interessen gedeckelt. Siefkes weiss, wie sie sich ihren Alltag wünschen: Vor allem abwechslungsreich und BUNT. In einem geschlossenen System, das kein Aussen, kein zu erforschendes Unbekanntes mehr kennt, zirkulieren kreative Einfälle und Entwürfe, die als Aufgaben angenommen werden können – bei Interesse. Aber auch liegenbleiben. Es wird nie wirklich schlimm. Die Welt meint es gut mit uns – sie ist unsre Spielwiese. ABER AUF KEINEN FALL MEHR! (Sonst folgt… ein Achselzucken… die Aufmerksamkeit wendet sich ab. Selber schuld, wenn dein Projekt nicht interessant genug ist…)

PS: Nicht nur das queere Neu(tral)sprech als antisexistische Exorzismus-Bannformel ist skurril – auch die dahinterstehende gender-Theorie: Männer sassen immerzu auf Sofas, oder flüchteten (!) in Fabriken und Büros, UM NICHT PUTZEN ZU MÜSSEN. Der eigenartigen Analyse korrespondiert, dass die gender-Thematik angesichts der sonstigen easy-going-Attitude zur überwertigen Idee wird. Wenn sich doch sonst alles erledigt – warum nicht auch das gender-Problem: Die nette Roboterei im Haus ersetzt die Partnerei… (äh – Partnir?)

Wat
4. Oktober 2014
Du redest schon wieder über andere, rede dort mit ihnen 😉

4. Oktober 2014
Ich rede HIER mit DIR und Mario und allen, die HIER reden.. mangels Anwesenheit der Abwesenden und vor allem von Mario Zitierten ÜBER diese. Alles zu seiner Zeit… ^^
Ich rede auch nicht über JEMAND, sondern über einen Text 8)

5. Oktober 2014
Mario:
Pfreundschuh..
(der von Technik (auch auf seiner Seite, soweit ich die kenne) wenig bis nichts zu sagen weiss, das einschlägige Vokabular erschöpft sich in Abstrakta, so wie hier: Produktion, Not, (miss)organisiert)
..redet in der von dir angeführten Textstelle an Siefkes‘ Utopie vorbei. Die hat nämlich keinen frühbürgerlichen Freimaurer-Idealismus nötig, weil man im Hightech-Schlaraffenland auf andre nicht wirklich angewiesen wäre: Maschinen sind schliesslich einfach DA; der Gartenbau FUNKTIONIERT, die anstehenden Aufgaben werden ÜBERNOMMEN. Das ist weder naiv noch sympathisch, es ist die Weigerung, sich mit Realitäten auseinanderzusetzen.
Übrigens: Die Antwort auf die Frage nach den Gebrauchseigenschaften der 3D-formbaren Materialien verweigerst du auch, Mario: Wieso ist das kein Einwand?
Ebenso die auf die Frage nach der schlichten Verwandlung jeder beliebigen Chemikalie oder Minerals unter Beibehaltung ihrer (Formbarkeits- und Gebrauchs-) Eigenschaften in ihr „Bio“ Pendant.
Schliesslich: die Antwort auf Frage nach der zentralen Fertigung (und Energiequelle) all der schönen dezentralen Apparate.

Und schon wieder der Einsatz bei Dimensionen, die schlicht phantastisch sind: „Kommunen auf nationaler Ebene“ (oh und das soll auch noch ein Zugeständnis sein: „zuerst“) sind da unterwegs.

Da ist mir Wats bodenständiger Ansatz erstmal näher:

Wat. schrieb:
Also würde ich zb. gern bei den existenziellen Dingen beginnen, da die bei den unterschiedlichsten Menschen so einigermaßen gleich wichtig sind (Strom, Wasser, Essen, Dach, medizinische Versorgung, Bildung, etc.).
Das sind alles Dinge, die in einer Kommune angegangen werden können, wo Abrede zwischen den Menschen auch persönliche Abrede sein kann…

Ich sag dann bloss dazu: Wasser Essen Dach – ohne katastrophen- und zusammenbruchs-trächtige weiträumig-industrielle Infrastruktur – ist technologisch ein Riesenprobem, wenns (Produzenten-)Bedürfnis- und somit auch Natur-gerecht (da gehts nämlich um UNSERE Natur) zugehn soll.
Noch vor der Medizin kommen dann erstmal noch die selbst hergestellten und/oder reparierten Produktionsmittel, Mittel der Haushalts- und Lebensführung.
Alles und jedes muss da neu erfunden/entdeckt/entwickelt werden. Und immer in Abstimmung mit allem anderem, das auch noch hergestellt werden soll..
Und produziert… wirds mit Sicherheit NICHT per urban farming. (Warum? Darüber müsste man genauer reden…) Da musst du schon in die Fläche (also aufs Land). Das wollen nun viele NICHT. Da gehts schon los… Und es endet noch lange nicht, wenn sie sich vorstellen sollen: Zusammen zu arbeiten UND zu wohnen, also zusammen zu leben. Man geht nicht „nachhause“ von der Arbeit, weil man da zuhause IST und auch sein muss, wo man arbeitet (und gemeinsam berät und entscheidet, WIE…)

Stichwort Medizin, und auch gleich die ganze Restwissenschaft, also Bildung: Da kannst du gleich mal anfangen zu prüfen, was daran überhaupt stimmt. Auf welchen Grundlagen das Wissen beruht. Ob es für deine Zwecke brauchbar ist, deine Fragestellungen beantwortet…
Und dann, in der Tat: das Verhältnis zum Rest der Welt. Die wird sich nicht schlagartig zum Kommunalismus bekehren. Es wäre angesichts von Art und Masse der Herausforderungen auch nicht zu bewältigen (s.o) – ob der langsame Aufbau und die unendlich sorgfältige Aufhebung der Differenz zur Restwelt zusätzlich zur sich langsam entfaltenden kommunalistischen Reproduktion bewältigbar ist, ist offen.

Den anfangenden Kommunen muss jedenfalls auf lange Zeit ständig Reichtum in allen erdenklichen Formen zufliessen und zugewendet werden, damit sie ihre Entwicklungs- und Aufbauarbeit nach innen, und ihre Verständigugsarbeit nach aussen leisten können. Das kann nur aus Mitteln bestritten werden, die im Rahmen der alten Verhältnisse gewonnen werden. Es ist im übrigen bereits jetzt schon so. Alle, die hier schreiben, können sich das leisten, weil sie irgendwann freigestellt waren oder auch derzeit sind, sodass sie Freiraum hatten, sich zu orienteren, Wissen zu sammeln, nachzudenken. Freiraum kommt nicht von nichts… (ein Glück, dass es welchen gibt).

5. Oktober 2014
Wat, ich hab jetzt nicht ganz verstanden, wo genau du mir widersprichst. Vielleicht ergibt es sich, wenn ich einiges präzisiere:

1. Die Sorgfalt, mit der je nächste Produktions-Abteilungen in den bestehenden Produktions-„Organismus“ eingebaut werden müssen, verbietet jede Form von „alles auf einmal“. Was noch nicht selbst gemacht werden kann, muss dann von aussen zugeführt, also etwa zugekauft werden.
2. „Aneignung“ muss nicht die Form des Enteignens annehmen (das doch eher, wenn eben doch synchron „alles“ oder das meiste übernommen werden muss), sondern kann auch als „Übereignung“ und Abtretung gedacht werden. Die Lotterie namens Eigentumsverteilung macht, dass es unter Vermögenden auch Freunde des Kommunalisms gibt. Und wir leben in einem relativ zur Restwelt, ja bereits Resteuropa (derzeit, noch) wohlhabenden Land – mit vielen Wohlhabenden.
(Ich hatte hier bereits öfter festgestellt, und wiederhole es: Es entspricht meiner Erfahrung, dass es viele Vermögensbesitzer gibt, die einer kommunalistischen Gemeinschaft Eigentum übertragen würden. Es gibt bloss für den kommunalistischen Aufbau keine überzeugenden Konzepte, keine Technologie, keine Gemeinschaften mit stabilen Lebensformen, die sich so organisieren, keine geeigneten Eigentumsformen (oder Formen des Eigentumsübertrags). DA sind derzeit die Schranken.)
3. Soweit ich die Diskussion hier verstehe, ist sie nicht und will derzeit nicht sein der Beginn von Verständigung darüber, wie WIR hier den kommunalistischen Aufbau fördern könnten. Insofern reden wir natürlich immerzu bloss ÜBER ihn, wie er gehen könnte, welchen Anforderungen er womöglich genügen muss (ganz gleich, was man sich wünscht oder nicht), welchen ganz allgemeinen Prinzipien er folgen sollte. Die einzelnen befürworten da aus unterschiedlichen Gründen ganz Unterschiedliches – können also schon von daher derzeit nicht an EINEM gemeinsamen Projekt sich beteiligen. Es ist aber nicht angebracht, bei jeder Erwägung von Einzelnen, welchen Zwängen, Risiken, Chancen und Optionen sich ein kommunalistischer Aufbau gegenüber sehen könnte, ständig einzuwenden, dass sich „dann“ ja noch andere Leute zu Wort melden könnten, mit anderen Erwägungen. Die Erwägenden fragen sich nämlich durchaus auch, welchem Projekt sie beitreten wollen, weil es realistisch geplant und aufgebaut wird, und von welcher Art anderer Vergesellschaftung sie sich vielleicht lieber fernhalten. Da gibt es selbst unter den Befürwortern der kommunalistischen Vorgehensweise starke Unterschiede – die einschlägign Forums-Threads sind voll davon.
4. Hinter diesen Bedenken steckt aber eine Erwartung, die ich nicht teile. Die nämlich, dass der kommunalistische Aufbau in den derzeitigen Bevölkerungszentren, von zumindest Teilen der dortigen Bevölkerung, getragen wird. Diese Erwartung teile ich aus weiter auszuführenden, für mich sehr gewichtigen Einwänden dagegen nicht. Wenn jemand sich um diese meine Einwände nicht kümmern will, kann ich ihn dazu nicht zwingen. Die Einwände gehn so allerdings nicht weg. Und wenn sie berechtigt sind, die Hindernisse, die in ihnen zur Sprache kommen, auch nicht.
5. Meine zentrale These im bezug auf Kommunalismus lautet: Wer über Kommunalismus reden will, muss über Produktion und das Produzieren reden. Ein extrem wichtiger Teil des Produzierens ist die Verständigung der Produzenten untereinander, und ihre gemeinsame Aneignung und Verarbeitung des für ihre Produktion auf gegebnem Niveau nötigen Wissens. Dazu kommt das gemeinsame Wissen und Begreifen ihrer Stellung zur nicht-kommunalistischen Umgebung, und ihre Arbeit an der Aufhebung der Differenz.
6. Allein dieses Aufgabenbündel ist – wenn es irgend „integriert“ angegangen werden soll, und nicht entweder gleich ganze Aufgabenbereiche ausgeschlossen werden sollen, oder doch wieder fatale Arbeitsteilungen der Art Kopf/Hand, Stadt/Land, Mann/Frau. zentral/peripher eingeführt werden sollen – nur in Stufen-Lösungen aufgelöst, zu bewältigen. Das heisst: Gemeinschaften können nur solche „integrierte“ Aufgabenlösungen anstreben, die sie auf dem von ihnen erreichten Niveau, mit ihren Mitteln, lösen können.
7. Die hier Diskutierenden würden ihre Themenstellung wahrscheinlich komplett verändern, wenn sie mit mir die Überzeugung teilen würden, dass das Marxzitat im Kopf des Forums sehr bald schon grausige Realität werden könnte: Es geht um die Existenz, konkret um die Nahrungsmittelproduktion. Die nur scheinbar produktive, in Wahrheit ihre Grundlagen aufzehrende und dramatisch zerstörende industrielle Landwirtschaft läuft in eine Katastrophe, und die von ihr existenziell abhängigen städtischen Gesellschaften mit ihnen. Die Antwort derer, die damit befasst sind und über die Mittel verfügen, Problemlösungen (aus ihrer Sicht) umzusetzen, ist so primitiv wie immer: Sie suchen neue Ressourcen, wo sie erstmal weitermachen können wie bisher. Der letzte verfügbare Grund und Boden wird in grossem Stil aufgekauft (noch immer unter Vertreibung der ursprünglich dort wohnenden kleinbäuerlichen Bevölkerung) und in industriell bewirtschaftetes Ackerland umgewandelt. Wer heute von Permakultur schwärmt, soll erstmal sagen, mit welchen Methoden er den ihm verfügbaren Boden soweit wieder herstellt, dass dann darauf… wieviel Personen dauerhaft ihre Nahrung gewinnen können? Die Methoden sollten allerdings verallgemeinerbar sein, und sich ausdehnen lassen. Und… er sollte nicht glauben, dass in Nahrungsmittelkrisen er auf seinem Stückchen Land ungeschoren bleibt. Die kommunalistische Bewegung würde und wird ihren ersten historischen Auftritt haben, wenn sie ihre allererste Aufgabe seriös und angemessen kenntnisreich gelöst hätte, nämlich eine robuste natur-analoge Nahrungsmittel-Produktion, die, einmal eingerichtet, zugleich für die Produzenten Freiräume für weitere Betätigung eröffnet.
8. Sie wird umso mehr beeindrucken, wenn sie diese Produktionsaufgabe so angeht, dass sie INTEGRIERT mit anderen Aufgabenstellungrn gelöst ist: Gemeinsame Wissensverarbeitung, komplett hierarchiefrei, Entscheidung immer im Konsens, kollektiver, bedürfnis-gerechter zwangfreier Lebensstil.
9. Genau dieser beeindruckende erste Auftritt wird das kommunalistische Kollektiv aus Basis-Kommunen (die mit den vorfindlichen Mitteln die Aufgaben Essen und Wohnen beherrschen) vor allergrösste Probleme stellen. Sie müssen sich dann spätestens über ihre Stellung in der sie umgebenden Restgesellschaft Klarheit verschafft haben und wissen, wie sie sich zu den Anfragen und Einladungen (aber, das wird nicht ausbleiben, auch Anfeindungen), die vonseiten der (zunehmend zerrütteten) Restgesellschaft ausgesprochen werden, verhalten sollen – wie sie sich vergrössern (wen sie aufnehmen; welche Gemeinschaftsgründungen sie wie fördern wollen), und wofür die Mittel verwenden sollen, die ihnen ab da vermehrt zufliessen.
10. Es illustriert mehr die Grössenordnung, als dass es als seriöse Einschätzung auftreten könnte, wenn ich sage:
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „Essen“ kann im Bereich von Gemeinschaften mit 10 Personen gelöst werden.
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „Wohnen“ mit 100.
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „einfache Geräte und (Ermöglichung von) Verfahren der Haushalts- und Lebenseinrichtung“ mit 1000.
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „einfache Produktionsmittel: ua. Metallbearbeitung; einfache Grund- und Baustoffe“ mit 10000.
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „komplexe Geräte und (Ermöglichung von) Verfahren der Haushalts- und Lebenseinrichtung ua. Bekleidung, Wohn- und Arbeitsmobiliar, Werkzeuge, Behälter/Gefässe aller Art; Grundstoffe dafür (Metall, Chemie, Keramik, Glas ua)“ 100T
Die (dezentral-autarke Lösung der) Aufgabe „Motoren, Maschinen, Ausrüstungen für dezentrale Energiegewinnung, Transportmittel“ 1 Million.
Sollten kommunalistische Kollektive diese Grössenordnung erreicht haben, dann besteht vermutlich die Weltgesellschaft aus ihnen.

5. Oktober 2014
Mario, ich weiss nicht, ob du meine letzte Äusserung vor deiner noch lesen konntest.
Bei mir ist sehr wohl die Rede von Auseinandersetzung mit der Umgebung, die wird einem ja auch ein Stück weit aufgezwungen, wenn man sich ihr nicht von sich aus schon stellen würde. Wohlgemerkt: Die besondere Schwierigkeit unter speziell kommunalistischen Vorgaben kommt doch herein, weil da alle mitziehen, miteingeweiht sein, mitberaten und mit entscheiden sollen. Sonst: Partei, Herrschende, Plankommission, Autoriäten, Experten wie gehabt.

Die entscheidende Differenz eurer Ansätze zu meinem ist: Ihr denkt euch dasselbe, aber gleich ins Grosse Ganze erweitert. Erstmal arbeitsteilig – die einen erobern die Wasserwerke, die andern machen irgendwie in Landwirtschaft. Und irgendwie… werden sies schon unter einen Hut bekommen. Dazu aber müsst ihr denken, dass die aktuellen Produktionsweisen schon auch funktionieren. Und ich sage: die Nahrungsmittelproduktion ist die Achillesferse der gegenwärtigen Produktionsweise – die Stelle, wo sie (abgesehn von militärischen Einwirkungen, Technik-Katastrophen (AKW), Ressourcenverknappung, politischem Chaos, „Finanzkrisen“; zu schweigen von den Folgen des privaten Elends, der massenhaften Verwahrlosung, Zerrüttung, vorzeitigem Krankwerden) als erstes irreparabel zusammenbrechen wird. Es betrifft vielleicht nichtmal die Grundnahrungsmittel (Getreide), die man mit veränderten Methoden immer noch agrarindustriell herstellen kann. Aber den Rest, der für halbswegs ausgewogene Ernährung nötig ist.
Und das ist bloss der Anfang.
Der Kapitalismus hat es dahin kommen lassen, dass… die verwendete Technologie unendlich anfällig für Produktionseinbrüche und -ausfälle geworden ist. Da ist zuviel von viel zuvielem viel zu prekär abhängig gemacht. Man kann sich darauf nicht zur Versorgung grosser Bevölkerungen verlassen – sondern allenfalls und gerade mal so, dass man in dem beginnenden Zusammenbruch genug Mittel abzweigt, um den robust-dezentralen Neuaufbau mittendrin bzw. etwas nebendran (auf dem Land) zu schaffen.
Und das… ist nicht zynisch gegenüber denen, die dann leider im zunehmenden Chaos sitzen: Die wollen sich nämlich jetzt und noch lange nicht den kommunalistischen Vorschlägen anschliessen. Die wollen die Analysen nicht hören, und.. das soll ihnen auch garnicht zur Last gelegt werden, wie überhaupt moralisches Urteilen und unvermitteltes Fordern sich zunehmend von selbst verbieten.
Der Fokus der Aufmerksamkeit könnte sich viel stärker darauf richten, warum wer schon heute kommunalistisch orientiert ist. Dann.. würde man vielleicht begreifen, warum es die andern (noch) nicht sind.

Bei dir, Mario, klafft eine Lücke, um es sehr abgekürzt zu sagen: Erst wird in grossem Stil auf die traditionellen („soziale“) Riesenperspektiven eingestiegen, Occupy und „Aneignung“ – als ob nicht gerade das die soziale Gegenbewegung auf den Plan rufen würde. Dann aber… kommt der kleinlaute Absturz, das Verzichten und Herunterschrauben. Rein negativ – man ist eben bloss „Wertkritiker“ und kein Kritiker der in der Eigentumsform notwendig degenerierten Technologie. Ich sag meinen Spruch nochmal: WER ÜBER KOMMUNALISMUS REDET, MUSS ÜBER TECHNIK UND PRODUKTION REDEN. Und, Mario: Bitte nicht ständig Permakultur im Mund führen und dann von „Schrebergarten“ anfangen. Wir reden über nicht weniger als alternative Landwirtschaft und KOMPLETTVERSORGUNG mit in der Tat hochwertigen Nahrungsmitteln – und zwar ALLEN, die zur guten und reichhaltigen Ernährung gebraucht werden. Und… wir reden über die dafür nötige Infrastruktur an Verfahren und Geräten, Produktionsmitteln. ((Bei euch sind die Probleme doch nicht bloss dadurch gelöst, dass ihr sie von Riesenbevlkerungen alle gleichzeitig angehen lassen wollt: Wo ist denn die industrielle Basis, die Produktionsmittel zur Herstellung all der angeblich möglichen Hightech-Dezentralität, wie zB Christian Siefkes sie ausmalt? Wer stellt das womit wo her, die Roboter und 3D-Drucker? Wieviel Energie verbraucht so eine Industrie? Ihr müsst doch dieselben Fragen beantworten…))

5. Oktober 2014
Ich zitiere mal die Fortsetzung meines Zentralspruches: „Wer über Kommunalismus redet, muss über Produktion und Produzieren reden…“
So gings nämlich weiter:
„Ein extrem wichtiger Teil des Produzierens ist die Verständigung der Produzenten untereinander, und ihre gemeinsame Aneignung und Verarbeitung des für ihre Produktion auf gegebnem Niveau nötigen Wissens. Dazu kommt das gemeinsame Wissen und Begreifen ihrer Stellung zur nicht-kommunalistischen Umgebung, und ihre Arbeit an der Aufhebung der Differenz.“
Und das folgt deswegen als Ergänzung auf den ersten Satz: Weil nämlich die kommunalistische Technologie ständig auf diese Randbedingung ihrer Umsetzung ausgerichtet werden muss. Technik ist hier nicht auf Sachprobleme allein gerichtet, sondern unterliegt in ihrer Gesamtanordnung (technologische Strategie, Produktionsarchitektur) weiteren und SEHR restriktiven also extrem anspruchsvollen Anforderungen. Der Umgang mit Natur als Quelle von Nahrungsmitteln (deren Art und Zusammensetzung wieder sehr viel mit UNSERER Natur zu tun hat) steht am Anfang
Es steht, ganz allgemein, der Aufbau einer Produktions-Hierarchie an, wo jede Stufe robust tragfähig sein muss, um die nächste Stufe zu ermöglichen (die die darunterliegenden Ebenen durchaus produktiver machen kann – wobei die Einrichtung dieser unteren Ebenen die Anforderungen liefert, denen die Verbesserungen von „oben“ zu genügen haben. Die untersten Ebenen ruhen dabei stabil und dauerhaft auf der umgebenden Natur auf – das ist das tragende Fundament schlechthin. Und SEINE Anforderungen (angefangen bei unserer eigenen Natur, in Gestalt vn Bedürfnissen) sind von „oben“ her als allererste und wichtigste zu beachten.

Eigenartiger Gedanke bei Mario: der Überwältigung der Einzelnen durch eine Sektierer*)-Gemeinschaft soll man entgehen durch Flucht ins Grosse.
Da ist immer die gleiche Gedankenbewegung am Werk: Was im kleinen Anforderugen stellt, die erstmal schwer anzugehen sind, wird bestimmt gelöst, wenn mans ins Unbestimt-Riesenhafte ausweicht – dort werden sich doch irgendwie Mittel und Wege finden, in den unbekannten Weiten der städtischen und nationalen Riesengesellschaft. (Was verhindert denn HEUTE das Sektenwesen in der Riesengesellschaft?)
Ja – arbeitsteilig… Expertenkultur-mässig, Autoritäten-beglaubigt, hierarchisch aufgebaut…
Nein Mario – egalitäre, nich-autoritäre Verständigung baut sich entweder von unten nach oben auf, und gelingt eben bereits flächendeckend „unten“ – oder sie gelingt nicht, und wird auch nicht angestrebt.
*) die Warnung vor Sekten und Sektierern wird ausgesprochen von denen, die gern selber alleinseligmachende Kirche sein wollen…

Und, noch eigenartiger: Dass du, Mario, mein ständiges und hoch-wachsames Problembewusstsein in dieser Hinsicht so garnicht bemerkst.
Die Gemeinschaftsbildung, hatte ich oben gesagt, ist derzeit neben der technologischen Ahnungslosigkeit (auch der Experten) der limitierendste aller Faktoren – da würde noch eher die „An“- (zumindest als „Über“-) Eignung klappen.
Wir reden halt hier im Forum nie über sowas.
Aber in meinen Überlegungen steht es im Fokus.
Das.. und die Frage, wie man sich den Abbau der Differenz zur Restgesellschaft vorstellen muss.

5. Oktober 2014
Hier stand ursprünglich ein Hinweis auf eine Theorieskizze in meinem Forumsblog, die als Antwort auf Marios Anfrage dienen sollte (ausserdem einige weitere Anmerkungen, die ich ebenfalls nicht stehenlassen mag.). Ich habe sowohl diesen Hinweis als auch den Blogbeitrag wieder gelöscht, weil ich Mario anders antworten möchte. Auf die gelöschten Texte wird nachfolgend von Mario Bezug genommen. Mir wäre es offen gestanden recht, wenn auch diese Bezugnahmen getilgt würden.
….

5. Oktober 2014
Die bisherigen sog alternativen Kommunen stellen sich zT den Aufgaben nicht, die für „kommunale“ Entwicklung gelöst werden müssen – zT betrachten sie sich selbst als mehr oder weniger gescheitert. Deshalb sind Erkentnisse über DEREN Mitglieder derzeit von beschränkter Aussagekraft.
Alles Vorbildliche hat mal angefangen ohne Vorbild. Für alles Existierende gibt es ein erstes und Frühstadium. Und… eine Erklärung, warum es früher kaum zustandekommen konnte. Genau das gilt auch für die funktionstüchtigen kommunalistischen Kommunen (also solche mit Erweiterungsperspektiven). Es gibt derzeit, behaupte ich, nicht eine einzige solche.

6. Oktober 2014
„Wo beginnen?“
Die Frage zerlegt sich in zwei Fragenkomplexe:
erstens: was geschieht, was wird/könnte soweit überhaupt absehbar geschehen*), speziell wenn nichts der Art X getan wird…?
und zweitens: was ist oder wäre (darum, oder ganz generell) für Akteure der Art Y ratsam zu tun?
*) das schliesst die Prognose von äusseren Handlungsanstössen und/oder Lern- und Entwicklungsprozessen ein, die die davon Betroffenen selbst so nicht vorhersehen, die aber nach Meinung des Prognostikers Voraussetzung dafür bilden, dass sie bestimmte Absichten erst ausbilden

Meine Antwort hier an dich, Mario, ist unbefriedigend, denn: Ich rede hier meist nicht direkt über das, was ich selbst derzeit an Analyse zu bieten hätte – und woraus velleicht sogar einiges Praktische folgt. Ich kann das machen, aber es ist dann schrecklich unvermittelt. (Die gelöschte Antwort gestern an dich, Mario, war ein Beispiel für solch eine unvermittelte Darstellung.) Stattdessen muss ich meist erstmal über Theorien anderer sprechen, mit meiner Mängel-Beschreibung dort anknüpfen, und versuchen, daurch bei IHNEN einen Bedarf nach dem zu wecken, das aus meiner Warte fehlt.

Jene radikalen Linken, die sehr viel auf das „Kritisieren“ der Überzeugungen anderer (Kritisieren wesentlich verstanden als gegen Theorien gerichtet, theoretische Kritik) geben, kennen davon nur eine einzige Form: die „immanente“ Kritik – zugespitzt auf das Aufzeigen von „Widersprüchen“. Es wird dabei völlig übersehen, dass es eine riesige und viel wesentlichere Gruppe von Defiziten in Überzeugungen gibt: nämlich dass in ihnen etwas Wesentliches (für das Verständnis des Gegenstands, über den gesprochen wird, Unerlässliches) FEHLT.

Das geht dann in Richtung der Frage: Was ist (zum Verständnis eines Gegenstands) wichtig, und was nicht?
Dabei geht es um das Bilden von Begriffen, und eine Vorstellung der Vollständigkeit und Abgeschlossenheit der Begriffsbildung im bezug auf bestimmte Themen – die man mit dem Ausdruck „(etwas) Verstehen(können)“ verbindet.

Nun kann man Leute schon nicht zum Zuhören und Aufmerksamsein zwingen, denen man einen „Fehler“ vom, sagen wir wohlwollend: Widerspruchstyp (da gibt es wahrscheinlich mehr als einen!) erklären möchte.
Wieviel weniger kann man sie zwingen, einen Begriff auszubilden, wenn sie dafür keine Notwendigkeit sehen (ihre Aufmerksamkeit nicht auf die Frage richten wollen, es nicht für nötig halten zu fragen: Was ist „daran“ wichtig, was nicht? Verstehe ich das jetzt, oder noch nicht?“)

Das Vorbild für theoretische „Analysen“, das den meisten Leuten vor Augen steht, ist die Naturwissenschaft und Mathematik, die sie vielleicht im Verlauf ihrer Schulkarriere kennengelernt haben.
Verglichen mit den Gebilden, die in der Gesellschaftstheorie untersucht werden, sind die der Physik und Chemie extrem einfach.
Darauf sind viele Leute nicht eingerichtet. Sie wollen ähnlich einfache und übersichtliche Antworten auf ihre Fragen wie dort.
Obwohl das Verlangen nach Übersicht das Kernanliegen jeder theoretischen Bemühung ausdrückt, ist die ART der zu erarbeitenden Theorie in der Gesellschaftstheorie eine andere. Die Gegenstände der Naturwissenschaft bilden zwar auch eine Komplexitätshierarchie; aber schon das Wort „Hierarchie“ deutet eine relativ einfache Art der Anordnung an, über die man sich im Grund fast schon im vorhinein klar ist.
Die Gegenstände, über die man sich dann Klarheit verschaffen musste und die man in theoretischen Begriffen und Gesetzes-Hypothesen fasste, betrafen dann verschiedene Gegenstände einer Ebene, ihre Interaktion, oder das Zusammenspiel von Gegenständen benachbarter Ebenen (Sich-Zusammensetzen-aus usw).
Während in der Gesellschaftstheorie, könnte man sagen, die Einsicht in die ART der Zusammengesetztheit aus bekannten Praxis-Anteilen (grob: Regelsystemen) gerade die wesentliche ist. („Hierarchischer“ Aufbau als die Weise der Zusammensetzung (etwa eines Komplexes aus Elementen) kommt dort eher selten vor…)

Wir kennen unendlich viele Elemente, die da zusammen“wirken“ – es sind ja alles Handlungen, Handlungsweisen, Praktiken, und ihre Gründe und Begründungen – wenn nicht unsre eigenen, dann sind es die von irgendjemand (der sagen kann, was er sich dabei denkt, warum er das macht usw – soweit er das kann; oft kann ers nicht vollständig sagen; oft erfahren wirs nicht) -und unendlich vielen solchen Einzelnen, Jemanden. – Aber wie ergibt sich daraus das Ganze des vergangenen, gegenwärtigen absehbar-zukünftigen Geschehens?

Eine Formel, die das Fehlende sehr bündig auf den Begriff bringt, lautet: Die Theorie bekommt den Zusammenhang von Makro- und Mikroebene nicht in den Griff. (Es ist eben kein einfach-hierarchischer…)

Wenn ich rechthabe… braucht man sich die Frage: Wie beginnen?, jedenfalls als AKTEUR, noch lange nicht zu stellen: Man kann sie nämlich mit derzeit verfügbaren Erkenntnissen – wenn sie denn von Erkenntnissen abhängt; was nicht unebedingt sein muss – nicht beantworten…

6. Oktober 2014
…zumal wir (um das hinzuzusetzen) noch mit einem weiteren Problem zu kämpfen haben, das sich vielleicht als das schwerwiegendere erweist:
Auch unsere „Natur“-Wissenschaft und daran anschliessende Praxis hat einen fürchterlichen Ausfall: Ihr fehlt ein forschungs-leitendendes Kategoriensystem für den Umgang mit der Biosphäre. Dieser Ausfall setzt sich fort bis hin zum Verständnis unserer selbst als Teil dieser Sphäre: Wir kennen unsern Ort dort nicht.
Die derzeitigen Theorien der Biosphäre arbeiten schlecht und recht mit von mir so genannten TECHNOMORPHEN Kategorien, im weitesten Sinn: Element und Komplex (nächste Komplexitätsstufe, zusammengesetzt aus Elementen auf der vorhergehenden). Diesen Mangel halte ich, nein: nicht für EINEN, sondern DEN Epochenmangel der Moderne. Und er betrifft unser (Nicht)Verstehen unserer selbst, vorneweg: Wir können nicht wirklich sagen, was es heisst, Person, rational, intelligent zu sein. Wir können die biologische Errungenschaft, die uns als Art auszeichnet, nicht benennen (sicher definieren, bestimmen). – Das scheint nun ein geradezu exemplarisch elfenbeinturm-mässig abgehobenes Thema zu sein. Ich dagegen sage: Es greift direkt in die fundamentalsten Formen unserer Lebenseinrichtung ein (der Mangel macht sich dort geltend, wird aber nicht bemerkt).
Die stereotype Formel, die man in meinen Texten bemerkt haben wird, wenn ich über „Öko“-Themen schreibe, und in dem Zusammenhang immer von „Natur (unsere eigene vorneweg)“ spreche, gibt da einen Hinweis.
Dabei ist mir bewusst, dass „menschliche Natur“ eine der verrufensten und ideologie-verseuchtesten Floskeln ist, die überhaupt gedacht werden können – Zentralbegriff jedes Rassismus und Biologismus. Aber… dass man hier so schrecklich auf der Hut sein soll, zeigt schon die ganze und noch viel erschreckendere Unsicherheit wenn nicht Bodenlosigkeit in eigener Sache. Die Warner vor Rassismus und Biologismus kennen nämlich selber das Argument, die ERKENTNIS nicht, die dagegen immun macht. Sie selbst sind es nicht… Und das… ist in vielen Hinsichten noch harmlos, verglichen mit der Unsicherheit und fast wörtlich zu nehmenden Boden-Losigkeit unseres Umgangs mit den natürlichen Grundlagen unserer Lebensführung (vorneweg den unmittelbarsten, leiblichen… – und dem, was daran hängt, oder eigentlich eher umgekehrt: dem, woran SIE hängen und wovon sie abhängen: Wasser Luft Licht Temperatur Nahrungspflanzen Wetter Klima usw).

Es ist hier ein bisschen wie Wandern im Hochgebirge… Solang du die Vorberge hinaussteigst, glaubst du wunders, wie hoch du schon bist…erst auf der Höhe siehst du die nächste, viel höhere Kette; bist du zu nah an der dran und nicht hoch genug gestiegen, merkst du nicht mal, dass auch sie nicht die Zentralkette ist.

6. Oktober 2014
Aus dem zuvor Gesagten folgt einiges für meine Stellungnahme zu „Keimformen“.
Dabei möchte ich vor allem zwei Punkte im Zusammenhang ansprechen:
1. Bevor wir nicht begriffen haben (oder uns einigwerden), worin „Fortschritt“ eigentlich derzeit bestehen würde, können wir auch nicht angeben, wer dabei eigentlich zum „Akteur“ taugt. Viele treffen da oft eine Vorentscheidung, bevor sie überhaupt weiter nachdenken: Die andern (DIE Lohnarbeiter, die Massen, die Leute…) sind die Akteure, aber SIE SELBST doch nicht! Oder umgekehrt sind sie sich sicher, dass von ihnen und ihrem Tun ungeheuer viel, jedenfalls mit- abhängt; dass jemand wie sie vielleicht die entscheidenden Schritte garnicht macht (machen kann, will), kommt ihnen nicht in den Sinn.
Es hängt dann natürlich auch viel davon ab, wieviele Akteure anfangs zur Entwicklung wenigstens der Keimform gebraucht werden.
Und… wie man sich die Ausbreitung eigentlich vorstellt. (Durch welche Vervielfältigungs- und Ausdifferenzierungs- oder was immer-„Mechanismen“, „Vorgänge“… etwa die 5 Meretz-Stufen der Keimform-Entwicklung zustandekommen.)

2. Für die Generalisierung, sei sie synchron, sei sie „evolvierend“, einer Keimform sind auch einmal die Widerstände dagegen in Betracht zu ziehen. Kann es sein, dass das Modell einer SCHNELLEN Ausbreitung autoritäre wenn nicht Zwangs-Mechanismen der Übernahme des Neuen unterstellt, die gerade zu denen gehören, die man überwinden will? Dass vielmehr genau die Art der Vermittlung einen TEIL zumindest der neuen Form darstellt, und deswegen gerade mit KEINEM historischen Vorläufer verglichen werden kann?

Ich finde, dass „Linksradikalität“ aufgehört hat, überhaupt noch etwas Grundlegendes und Einigendes zu sein. Dazu haben einfach zuviele Linksradikale in zuvielen Grundsatzfragen viel zu diametral entgegengesetzte Vorstellungen davon, worin der zu wünschende Fortschritt (der dann auch kollektiv angegangen wird; oder durch Kollektivität bewirkt wird; oder… IN Kollektivität besteht, egal was sonst noch passiert) eigentlich besteht. Und… wie der kleine Wirrwarr in der Klammer eben andeutet: Es ist unklar, was eigentlich Voraussetzung, und was Folge ist… Was von selbst passieren muss, oder gar – als geschehen – vorausgesetzt werden muss, damit jemand, auf den es ankäme, tätig wird oder werden kann – und was (aber von wem?) dann, oder jederzeit, oder allererst herbeigeführt werden kann oder sogar muss (weil sonst etwas entscheidendes nicht geschieht, es nie vorwärtsgeht).
Kurz: Stehen Taten am Beginn… oder „Entwicklungen“?

Der zweite Text von Siefkes drückt da eine rührende Zuversicht aus: sich durch genaue Kenntnis..
(naja… die Einwürfe des Kommentars von Uel über die Motive zur Entstehung des engl.Agrarkapitalismus werden etwas schnell abgebügelt, damit auch eine mögliche VIELFALT der Entwicklungsstränge, die sich langsam auf ein Ziel hin bündeln, zugunsten einer womöglich vorab schon gesuchten relativen EINFACHHEIT der Erklärung (die dann schon wieder die Behauptung der Einmaligkeit (und dann womöglich noch Zufälligkeit) des Vorgangs zur Folge hat; über den Produktionsverhältnis-Dynamiken wird dann die Produktivkraft-Entwicklung beinah ganz in den Hintergrund geschoben…: gab es etwa keinen BEDARF der niederländischen (später auch lokal-englischen) Textilmanufaktur-„Industrie“ nach Massen von Schafwolle? Eine andre Frage: Wieso sollte denn nicht die neu befestigte Staatsmacht (die den Grundbesitzern politische Zwangsmittel weggenommen hatte) den Grundbesitzern zu ihrem Recht auf Pacht verhelfen? Da fehlt ein Zwischenschritt: Weil die Feuddalherren vorher der Staat waren… und jetzt auf einmal zwei Parteien dawaren, die abkassieren wollten… Kann es sein, dass der frühneuzeitliche Staat selbst ein Interesse daran hatte, dass mit dem Export von Schafwolle aus enclosure-Gebieten Geld verdient wurde? Das Muster der Vertreibung der unmittelbaren Produzenten von Land auf dem (exportierbare) Agrarrohstoffe statt Nahrung gewonnen werden können, ist ja nun alles andre als selten…))
… der Kapitalismus-Entstehung jener Punkte zu versichern, die das ganze quasi rückabwickeln.. ohne freilich am Ausgangspunkt, dem Spät-Feudalismus, zu landen..

Die relativ komplexe englische frühe Neuzeit stellt an Analysen ja durchaus ähnliche Anforderungen wie die heutige Situation, grundlegendste Kategorien stehen da immer noch nicht sicher bereit, man versteht, so wie je Historiker, mit Alltagssoziologie, -psychologie, -politik-Beurteilung… ohne sich der Begriffssysteme, mit denen man arbeitet, je einmal vergewissert zu haben.

8. Oktober 2014
In der Normalverbraucher-Version von Kapitalismus-Legitimation kommt der Gedanke vor als Lob der für alle nützlichen Ungleichheit und dem kontraproduktiven Beharren auf „Gerechtigkeit“: Wenns dir besser geht, wenn jemand anderer NOCH mehr profitiert als du, aber dir schlechter geht, wenn ER zu schlecht weg kommt (also, etwa, immer mit dir gleich gestellt ist) – wie entscheidest du dann? Hintergrund ist in der Tat das elitäre Denken nicht nur Paretos: Die kapitalistischen Unternehmer und Wirtschaftsführer, die heroischen Manager und visionären Chefs – die würden sich doch nie so für alle, und vor allem doch ihre Arbeitnehmer! ins Zeug legen, wenn sie nicht entsprechend auch entlohnt würden. Dank ihrer Anstrengung (der maximalen Ausnutzung ihrer überlegenen Naturanlagen, als wärens Talente- und Begabungsminen*), zu denen leider nur sie durch entsprechende Motivation Zugang haben) aber gehts allen besser. Folglich…

Kim hat die von Anfang an mitgedachte Voraussetzung auf den Punkt gebracht. Ob damit ein Grundsatzproblem angesprochen ist, oder erledigt – das sollte man vielleicht nochmal als Frage an Mario zurückgeben, den die Pareto-Geschichte offenbar umtreibt. Warum tut sie das, Mario?

PS: Der Hinweis von Kim bezieht sich auf den Beitrag in „franziskas blog“: Thesen und Bemerkungen 5 – Denkblockaden III.
*) In diesem Beitrag gibts auch ein paar Argumente gegen (Begabungs)Rassismus (das lässt sich ausdehnen auf angeblich Persönlichkeits-formende, kontitutionelle und quasi-angeborene Spezial-Interessen und -Sparren – Computerfreak zB… die letztlich Arbeitsteilung sowohl ermöglichen, wenn nicht begründen, als auch unvermeidlich machen – da eben bedürfnis-geleitet…)

9. Oktober 2014
Wir sind mit dem Pareto-Thema ganz unvermerkt an einem (mir) wichtigen Punkt angelangt, der helfen könnte, in die Fragestellungen, die in diesem thread bislang bunt durcheinandergingen, etwas Ordnung zu bringen.

Es geht erstmal um die Frage, worauf eine Kapitalismus-Kritik heute eigentlich noch antworten muss – oder was sie, als halbwegs „delegitimiert“, bei den Leuten da draussen voraussetzen kann.
(Natürlich ist das nur eine Frage für Leute, die SELBST die betreffenden Kritik-Inhalte nachvollzogen haben – da muss auch unter Kritikern selbstverständlich Einigkeit herrschen.)

Ich meine: dass zumindest in westlichen EU-Ländern (anders als vielleicht in einigen ost-europäischen, oder den USA) die Auffassung, Kapitalismus sei eine einzige riesige Chance, die sich jedem öffnet, durch harte Arbeit kreative Einfälle und Marktorientierung reich zu werden, völlig verschwunden ist. Dass Kapital in den Händen Vermögender konzentriert ist, Ungleichheit sich erhält, Klassenschranken für viele kaum bis garnicht mehr zu überwinden sind, gehört da sicher zu Überzeugungen, die von weiten Kreisen der Bevölkerung geteilt, und öffentlich auch zunehmend weniger bestritten werden bzw wurden. Stattdessen begann/beginnt eine Reserve-Legitmation zu greifen, für die Theoretiker von der Art Paretos die ersten Blaupausen geliefert haben: Unternehmer und Manager stellen sicher, dass in der Konkurrenz Arbeitsplätze erhalten werden; Konkurrenz aber ist unerlässlich, um den alle zugutekommenden technischen Fortschritt zu ermöglichen, zu beschleunigen und zu optimieren. „Profit“ ist nicht mehr Einkommen, das der Tüchtige sich verdient hat, sondern vor allem Quelle der Investitionen in Forschung und Entwicklung. Der Staat sorgt durch Setzen zweckmässiger Rahmenbedingungen, Kontrolle und bei Bedarf auch mit Eingriffen ins Wirtschaftsleben, dass alle „Missbräuche“ und Fehlentwicklungen unterbleiben, die dieser allgemeinwohl-dienlichen Einrichtung des Wirtschaftens im Wege stehen. Dazu können schon auch mal Umverteilungen zur Nivellierung allzu grosser Einkommens- und Vermögensunterschiede gehören, vergleichsweise hohe Steuerlast, ebenso die Einrichtung einer Tarif-Autonomie mit „Waffengleichheit“ der Parteien und Schlichtung, Sozialstaat, kostenloser Zugang zu Bildung usw – das klassisch-sozialdemokratische (etwa „skandinavische“) Programm.

Aber auch diese Programm hat sich überholt. Der konkurrenz-getriebene globale kapitalistische Fortschritt ist so offenkundig ressourcen-schädigend (sowohl Natur- als auch Humanressurcn), dass sich da mittlerweile eine dritte und sehr defensive Sicht ausgebreitet hat: Kapitalismus ist demnach ein äusserst diffiziles, nur mit extrem viel Sachkenntnis handhabbares und bei mangelndem Sachverstand leicht unkontrollierbar entgleisendes System der Koordination unendlich vieler Einzel-Entscheidungen, die anders niemals zu einem auch nur halbwegs funktionstüchtigen Ganzen zusammengefügt werden könten. (Oder nur einem sichtlich NOCH schlechter funktionierenden, wie aus dieser Warte die Erfahrungen mit dem „gescheiterten“ Sozialismus lehren). In dieser höchst abgeklärten Sichtweise sind Ungleichheit und allgegenwärtige Beschädigungen, die das System an seinen eignen Voraussetzungen anrichtet, völlig normal und Gegenstand entsprechender staatlicher Beaufsichtigung und Regulierung. Man kann demnach froh sein, wenn den Regierungen und dem in ihnen verkörperten Experten-Sachverstand die Lösung der vielfältigen Sachprobleme gelingt. (Zu denen gehört dann auch zunehmend die Bewältigung allfälliger Fehlinformation von Staat und Öffentichkeit durch die gemassregelten und stur weiter (wie schon garnicht mehr anders von ihnen erwartet) ihr Eigeninteresse verfolgenden „Wirtschaftssubjekte“.)

Hinter dieser bereits sehr defensiven Verteidigungslinie taucht eine NOCH pessimistischere auf, die besagt: Das Wirtschaftssystem ist schon garnicht mehr Quelle der wichtigsten Probleme, es kann sie nur leider auch nicht lösen. Vielleicht ist es sogar SELBST eins der vielen ungelösten Probleme, inmitten all der andern, vor denen die fortgeschritten-modernen Gesellschaften (und ihre Politik) heute stehen: zerstörte Umwelt und Technologie-Risiken, Überalterung, Ressourcenverknappung, Bürgerkriege/“asymmetrische“ Konflikte/zunehmende Zahl von „failed states“, Einsatz nuklearer Waffen usw
Das grossmäulig hochgejubelte „System“ steht da auf einmal ziemlich rat- und hilflos da. Und genau das, was die ganze Zeit angeblich so grossartig bewältigt wurde: der Mangel an Konsens, das Nicht-Verhältnis der Gesellschaftsmitglieder zu ihrer eigenen arbeitsteiligen Riesen-Reproduktion – das wird auf einmal zum Schlüsselproblem. Das ist derzeit vielleicht noch eher im Hintergrund. Aber als Tendenz… macht es sich bereits bemerkbar.
(Gibts hier eigentlich jemand, der mit anderem rechnet als „sich zuspitzender Krise“? Wir unterscheiden uns doch höchstens in der Art der Erklärung – und das hat Konsequenzen für die Frage: Was nach „Abschaffung“ des Kapitalismus an Krisenelementen bleibt und der kollektiven Gesellschaft zur Problemlösung „vererbt“ wird…)
————————
Auf diesem Hintergrund müssen sich auch radikale Linke fragen lassen: auf welcher Ebene sie eigentlich ihre Kritik bzw. Antworten vortragen. Angesichts der heute etablierten oder sich etablierenden Legitimationsform sind Kritik von Ausbeutung und Profit oder der Konkurrenz als Treibmittel allgemein-nützlichen Fortschritts überholt: Diese Kritik ist im System (und das heisst: bei den westlichen Bevölkerungen, zumindest ausserhalb der USA) angekommen; sie wird gekontert mit dem alles erschlagenden Gegenvorwurf: Dass bei „Abschaffung“ der Privatwirtschaft (wer soll das denn auch vollziehen? Revolution von oben?) derzeit nur das Chaos ausbrechen könne; die Politik wünsche sich ja gerade den mit-denkenden, mit-problemlösenden Bürger, könne ihn aber im selben Masse immer weniger finden, wie sie ihn als Partner oder Unterstützer oder… echten „zivilgesellschaftlichen“ Mitstreiter benötigt und händeringend sucht.

Die Analysen der radikalen Linken sehen da (teilweise in gewissem Widerspruch zu den ausgearbeiteten Theorien, die vor allem ein sich selbst erhaltendes „System“ am Werk sehen) traditionell die „Herrschenden“ als verantwortlich zu machende – als Adressaten von „Forderungen“, und als letztlich zu beseitigendes Hindernis der Emanzipation.
In diesem thread ist sehr früh bereits die Frage aufgekommen, an wen sich „Forderungen“ heutzutage eigentlich richten? Wie, wenn Lenins Formulierung auf verrückte Weise sich umdreht: dass nämlich die oben vielleicht nicht mehr wollen, und die unten dann leider nicht können? Wie, wenn Wals letzte beiden „Forderungen“ tatsächlich wahrgemacht würden, die nach
– Belegschaftsübernahme von Unternehmen und Gründung von selbstverwalteten Genossenschaften;
– Kommunalisierung vor allem von lebenswichtigen Versorgungsleistungen (Wohnung, Wasser, Energie, Nahrungsmittel, Verkehr, Bildung, Informationssysteme),
und „die Massen“ von ihren „Eliten“ ins kalte Wasser der Selbstverwaltung und Zwangs-Emanzipation geworfen würden?

Was ist das eigentlich für ein Gedanke von Wat, wie ist das zu verstehen:
„Für mich war immer wichtig, weiterhin daran festzuhalten, daß es selbstverständlich einer Revolution bedarf, dieses System hier los zu werden. Daß es (für mich) aber nicht darum gehen kann, ’nur‘ die Kapitalisten als Herrscher und Herrschaftsform vom Hals zu kriegen. Daß ich diese loswerden kann, aber meinem eigentlichen Ziel – kein erniedrigtes, geknechtetes, unterdrücktes, etc. Wesen mehr zu sein – trotzdem nicht wirklich näher komme, wenn ich mich darauf allein konzentriere. Meine Lehre aus der bisherigen Geschichte ist es eben, daß die Lohnabhängigen und Besitzlosen mehr eine Partei sein als eine haben müssen, daß wir lernen müssen uns zu kooridinieren, damit wir gemeinsam planen und arbeiten können. Es nützt ja nix, eine herrschende Klasse (egal welche) abzulehnen, aber nicht auch die Bedingungen, daß es sie braucht(!), zu ändern.“

Tja: die Lohnabhängigen und Besitzlosen müssen…sein, müssen… lernen; und die Bedingungen (dass es Herrschende braucht) „müss(t)en“ geändert werden…

Beim „wie“ kamen wir auf die keimform-Strategie; und da waren die zentralen Fragen (soweit ich es verstanden habe):
Auf welchem Niveau macht ein „Beginnen“ zahlenmässig Sinn – wenn Produktion gekannt, beherrscht und im Konsens, hierarchiefrei, verwaltet werden soll?
Welches sind im einzelnen die Voraussetzungen, die dafür jeweils erfüllt sein müssten? (angesichts von Anforderungen wie: Bedürfnisgerecht… Ungleichzeitigkeit zum Rest der (Welt)Bevölkerung aufarbeitend…)
Welche Zusatzprobleme, die sich aus der Art der dann verwendeten „Produktivkräfte“ bzw. damit bestrittenen Reproduktion ergeben, müssen beachtet werden?
(die Frage der Agrarkrise… die Frage der Produktionsmittel-Hierarchie (zB dezentrales High-tech (3D Drucker; Frage der Materialeigenschaften bleibt offen) setzt eine gigantische zentrale Hightech-Produktion voraus, ebenso gigantischen Energie-Verbrauch; Frage der nicht „druckbaren“ Produkte und ihrer Produktion ebenso…)… kann es sein, dass eine kollektive Produktionsweise auf ganz viel Produkte garnicht mehr in dem Mass und der Leistungsfähigkeit wie heute angewiesen wäre, weil sie eine andere Strategie des Reproduktionsaufbaus und Fortschrittspfades wählt?)
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So: das ist nun ein durchgehender Gang von Argumenten, im Verbund. Mir würde es sehr helfen, wenn Leute mir sagen würden, wo in diesem Gang sie die Weichen anders stellen, und andere Fragen als die genannten für wichtig halten. Oder… bei welchem der genannten Schritte sie einsteigen wollen, weil sie ihn für noch ungeklärt und erörterungsbedürftig halten…

Das gilt zB für sturzbach: Das schreibt sich schnell, „ist zu exotisch“: Sowas hinschreiben wie: „Alles, was das Bewusstsein und die Selbstständigkeit der Menschen fördert, ist zu unterstützen.“ ist hingegen konkret und naheliegend? Was soll das denn sein, wer bringt es in die Welt, wer hat welche Mittel zur „Unterstützung“? Irgendwie verfolgt doch die keimform-Strategie auch dieses Ziel, oder? Du fragst, wohin das führt, sturzbach: Ganz einfach – zur Vergrösserung des keimform-mässig gestarteten Gesellschaftssektors durch sukzessive Übereignung von immer mehr Eigentum und Abbau der Distanz/Differenz zu den je Nächst-Stehenden unter denen, die noch nicht dazugehören. Es ist halt kein Übergang in eine kollektive Industriegesellschaft. Und das dürfte es sein, ws dir Probleme macht. Deswegen… diese Form reagiert nicht bloss auf das Thema „Kollektivierung“. Sondern eben auch auf das: Krise der modern-kapitalistischen Produktivkräfte incl. ihrer kollektiven „Verwaltbarkeit“. Dazu äusserst du dich aber nicht. Das sei also als Frage an dich zurückgegeben…

9. Oktober 2014
Mehr Bandsäge, Wal.. oder „steter Tropfen“… Ich wiederhol mich doch eher, als dass ich immer wieder Neues anbringe…

Es macht aus meiner Sicht Sinn, für die verschieden-lautenden „emanzipatorischen“ Strategien, die hier im Forum vorgetragen werden, deren Begründung im Zusammenhang zu überblicken, als auch die verschiedenen Voraussetzungen, sie sie machen und in denen sie sich jeweils widersprechen bz. eine die je andre kritisieren. Das Obenstehende ist bloss ein Versuch meinerseits, mich im Dschungel der Aspekte und Fragestellungen (nicht nur meiner) zurechtzufinden – und vielleicht den Anfang zu machen für eine gemeinsame „Landkarte“, wo man als Schreiber sagen kann, wo man sich grade aufhält bzw zu welchem Punkt sich äussert.
Nach wie vor ist es nicht der Versuch von meiner Seite, Leuten zu sagen, womit sie sich beschäftigen sollen. Aber ein Angebot an andre, im bezug auf DIESE Themen- und Argumentroute (es gibt sicher andere) die Anlaufstellen, die aus ihrer Sicht unerwähnt blieben oder in falscher Reihenfolge angeführt wurden, einzufügen, also die Route zu vervollständigen und/oder zu korrigieren. Und wenns allzu schräg steht zu dem, was andre für erörternswert und wichtig halten – dann ist es halt nicht in dem von mir gemeinten Sinn zu verwenden, und dient höchstens als Anregung, dass andre für IHR Material vielleicht einen ähnlichen Versuch starten. Vielleicht, dass man die Ergebnisse dann irgendwie miteinander verbinden kann. Vielleicht auch nicht.

10. Oktober 2014+1

franziska schrieb:
Welche Zusatzprobleme, die sich aus der Art der dann verwendeten „Produktivkräfte“ bzw. damit bestrittenen Reproduktion ergeben, müssen beachtet werden?

Das ist die entscheidende Zusatzfrage, die harte materielle Grundlage, die immer mitbedacht werden muss, wenn Antworten auf die andern beiden Fragen zum „Beginnen“ gegeben werden – die nach „erwünschter“ Start-Grösse und Art der Organisation.
Die harte materielle Grundlage der (angeblich) phantastischen Produktivität, von der man bei seinen Plänen für das Kommune-Kollektiv ausgehen darf – vorausgesetzt, es hat die Grössenordnung und Infrastruktur einer bundesdeutschen Grosstadt mitsamt Einzugsgebiet -das ist die Produktionsarchitektur des aktuellen globalen Kapitalismus
Diese Architektur hat zwei für Kommunalisten SEHR unschöne Seiten:
1. sie ist nichts weniger als dezentral;
2. sie kann nicht flexibel entlang von reduzierten Ansprüchen „heruntergefahren“ werden auf zb weniger energie-aufwendige, weniger automatisierte oder sonstwas Versionen ihrer selbst. Sie fällt, etwa ohne Ersatzteile und überhaupt ohne ständigen Nachschub, Ersatz des Verbrauchten, Verschlissenen, ohne Energie, ohne Kenntnis der Art, wie die „Systeme“ zu bedienen und warten sind, oder bei nicht zu findenden Fehlern in der Steuer-Software, einfach aus.
Diese beiden Punkte verbieten, so meine ich, aus Gründen der massiv veränderten Produktivkraft-Organisation, jede Anknüpfung an die französische Stadt der 1870er Jahre. Die konnte auf Handwerks-Arbeit zurückschalten, auch auf sich selbst ausrüstende Manufaktur-Arbeit; wie es dort mit oder ohne Eisenguss oder gar Stahl, Kohle als Energieträger weitergegangen wäre, weiss ich nicht. Überlebensfähig war diese Stadt auf gegebnem Wohlstands- und Produktivitätsniveau deshalb in hohem Masse, weil und soweit sie eben auf robuste, im Zweifel vor-industrielle Produktions-Kapazitäten und -Kompetenzen zurückgreifen konnte.
Eine Kommune Bochum und vergleichbare kann das nicht. Sie kann nichtmal auf das industrielle Niveau der 70er oder 40er Jahre zurückfahren. Sie findet alle möglichen Betriebe (deren Produktionsmittel, Kompetenzen von deren Belegschaften) in ihrem Bezirk vor – die allesamt auf alles mögliche ausgerichtet sind, bloss nicht darauf, Bochum und Umgebung auf hohem Produktivitätsniveau nachhaltig autark zu ernähren, kleiden, behausen, usw.
Eine Kommune Bochum ist gegenüber dem deutschen, EU- und Weltmarkt, mit dem sie im Austausch steht und in den sie selbstverständlich bislang eingegliedert war, so winzig klein und hilflos, wie das linke selbstverwaltete Umzugs- oder Fahrrad-Reparatur-Kollektiv in ihr verglichen mit ihr.
Ich sehe nicht, wie eine Kommune Bochum das mit ihren regionalen Mitteln ändern kann. Wenn sie Glück hat, findet sie auf ihrem Territorium (als ob davon was abhinge) ein Kraftwerk vor. Immerhin nicht nichts. Dann auch noch ein Bergwerk… Kohleproduktion?
Der Maschinenpark allein der Landwirtschaft, von der Bochum, wenn es Glück hat, grade mal seinen Grund-Nahrungsmittel-Bedarf decken kann – ist abhängig von allem möglichen. Selbst vom Funktionieren von GPS. Von Treibstoff. Von Elektronik. Von Ersatzteilen.
Und jenseits davon… ist NICHTS.
Bochum vom Weltmarkt abkoppeln wenn es denn unbedingt will und man es gewähren lässt – geht. Bochum reproduzieren – geht dann nicht mehr.
Meine Vorschläge setzen voraus, dass eine emanzipierte Gesellschaft eine komplett neue Produktionsarchitektur braucht.
Die braucht sie auch aus ökologischen Gründen.
Und… aus Gründen ihrer bedürfnis-gerechten Lebenseinrichtung.
Materialisten… schauen als erstes auf die PRODUKTION, wenn sie vom Produktionsverhältnis reden. Und zwar auf die GANZE, die RE-Produktion, die robust und nachhaltig funktionieren können soll.
Ich präzisiere also Wats Satz von den Bedingungen, die eine herrschende Klasse (und ökologische Schäden… und sinnentleertes Arbeiten, und sich dafür qualifizieren… und komplette Unüberschaubarkeit und Un-Steuerbarkeit.. und Absorption der Produzenten, derart dass für ihre politische Arbeit nach aussen und Verständigung nach innen keine Zeit mehr bleibt) nötig machen und die zu ändern wären: die Produktions-Architektur, der zweckmässige nachhaltig funktionsfähige Aufbau der GESAMTEN Produktion, das Zusammenwirken ihrer Produktionszweige und die Art der angewandten Technologien in ihnen, muss dann VON GRUND AUF geändert werden.
(Und „von Grund auf“ heisst eben NICHT: sich keimform-mässig durch die VORHANDENEN Branchen „durchrobben“ und sie nach und nach ins kollektive Wirtschaften einbauen und „aneignen“. Es heisst: komplett andere Technologie in komplett anderer Anordnung, und existierende bloss nach ungeheuer sorgfältiger Prüfung. Wahrscheinlich bleibt wenig übrig.
(@Mario: Gibts vonseiten der keimform-Leute irgendwas zum Thema Technologie-Aneignung und -Aufbau? Ist das für sie ein Problem?)

Ich sage: Zur kapitalistischen Weltwirtschaft gibts, bei beibehaltener Produktionsweise, nur Staatssozialismus als Alternative. (Da hatte der frühere Mit-Diskutant Mattis sehr recht (vgl. seine Beiträge etwa in diesem thread – damals waren wir hier Schreibende alle schon zusammen, auch Mario hat sich da schon geäussert… Es lohnt sich, da nochmal nachzulesen). Mattis hat seinerzeit den Staat dankend inkaufgenommen, als kleineres, ach was, als Nichtmal(so) Übel (wenn demokratisch kontrolliert usw…)

12. Oktober 2014
Der Wirt, Wal, mit dem du rechnest, ist heute um Grössenordnungen abhängiger vom Funktionieren dieses unsagbar anfälligen ökonomischen Systems als vor 100 oder gar 150 Jahren (als Marx über Alternativen und den Übergang dorthin nachdachte). Er ist auf Gedeih und Verderb abhängig gemacht davon – nicht nur von der Haltbarkeit und Durchhaltbarkeit der prekären und verrückten ökonomischen Formen dieses Systems – sondern auch von der nicht minder irrwitzigen Produktionsstruktur, die es auf globaler Stufenleiter mitterweile installiert hat, und die sich auf die Lebensführung sämtlicherBewohner fortgeschritten-industrualisierter Territorien der Welt ausgedehnt hat. Damit wird denen, die davon wegwollen, eine ebenso irrwitzige Leistung abverlangt: Das, wovon aus guten Gründen Kommunalisten sich wünschen, dass es „kommunal“ (wenn überhaupt) organisiert wird, müsste synchron in ALL diesen Territorien mit bezug auf die überregionalen Exportindustrien geschehen. Wenn es gelingen würde,wäre es so etwas wie „die Weltrevolution“; und die… endet entweder im Weltstaatssozialismus, ODER in einer neuen globalisierten Marktwirtschaft – mit womöglich weltweit vielen Betrieben in der Hand ihrer Belegschaften (beim Übergang; vielleicht wandeln sie ihr Eigentum in handelbare Aktien um – sozialistisches Aktienwesen, wie Pfeundschuh es im Sinn hat?), ODER aber… ihre Lieferzusammenhänge gehen aus vielfältigen Gründen, vorneweg Nicht-Konsens (aber eben auch fehlende „Bezahlung“ mit was auch immer, die Konsens überflüssig macht), verloren. Und dann.. setzen Elend und Zerfall ein im Mass, wie die „Wirte“ vom globalen Nachschub an Ersatzteilen, Ersatz-Produktionsmitteln, Vor- und Zwischenprodukten, Rohmaterialien, Energie, Lebensmitteln ausgeschlossen sind. Die beiden leider garnicht luftigen Hinweise oben dazu lauteten: Sie sind lokal in beinah allen Hinsichten ihrer Existenz vom globalen Weltmarkt abhängig gemacht, und: Sie können die Produktion nicht auf ein ihnen gemässes Niveau ZURÜCKfahren, weil solche Art Flexibilität in diese Produktionsweise technisch (!) nicht eingebaut wurde. Sie müssen also eine komplett neue Industrie-Struktur mit REGIONALEN Mitteln erfinden und auch bauen. Und das.. in einem Moment, wo sie – ach ja, natürlich, die Millionen! – nein: eine hoffentlich grössere und nicht gar zu kleine MInderheit unter ihnen den Mut hat, sich auf eine kollektive Organisation von Produktion einzulassen. Wies da zugehen wird… davon hat man hier eine kleine Vorahnung. Denn… auch DIESE Leute müssen ununterbrochen produktions-strategische Entscheidungen treffen. Wenn sie denn in Ruhe ihren Aufbau planen und sich drüber beraten können. und ihnen nicht Durchgeknallte aller Art (noch so ein paar Wirte, die keiner auf der Rechnung hatte, wie Faschisten, Islamisten, auch mal international auftretende Kopfabschneider, Rechtslibertäre, und, warum nicht: Staatssozialisten – von gewöhnlichen kriminellen Banden, Verrückten und Verzweifelten abgesehn…) ständig alles prekär genug Aufgebaute wieder kurz und klein hauen. Also – das aus meiner Sicht garnicht luftige Dilemma lautet: Entweder, sie können dezentral anfangen, dann macht sich ihre Abgeschnittenheit von Weltmarkt-Ressourcen allenthalben bemerkbar; oder, sie sind „überregional vernetzt“ – dann wird die Frage der Verhandelbarkeit überregionaler Entscheidungen und Prioritätensetzungen, also die der lokalen Autonomie, wie das oben genannt wurde, aufgeworfen.
Fazit: Krise ist nicht Chance. Krise ist Katastrophe. Der Neuaufbau, wenn er „kommunal“ erfolgreich werden will, muss wenigstens TECHNISCH möglichst VOR solchen Krisen möglichst weit gediehen sein. Jede Krise wird – selbst dann noch! – für den dann noch sehr kleinen Kollektiv-Sektor zu einer ungeheuerlichen Herausforderung und Bewährungsprobe.
Und siehst du, Wal… da sehe ich so ein paar Entwicklungsstufen „eurerseits“ (wusste nicht, dass man hier jetzt von sich in der Mehrzahl und für andre mit spricht?) übersprungen.
Und… was die Millionen denken, sollte man die Millionen sagen lassen, falls „sie“ sich (hm… wie und wo…? noch so ein Problem…) äussern wollen. Dann lass uns sehen, wie bescheiden, wie mit EINER Stimme sprechend, wie zugleich rational, argumentativ, lern- und konsensfähig (gemacht) sie dann sind… wie selbständig und nicht-autoritär.. aber, oh! das ist nicht luftig… bloss ein bisschen „optimistisch“…

Wenn ich denen solche Komplimente aus Marxian wonderland erzähle, dann lachen meine lohnabhängigen Freundinnen und Freunde… die trauen sich nämlich, was das angeht, selber nicht über den Weg. Drum sind sie ja auch eingefleischte Antikommunisten – und gegen traumtänzerische Kommunalist(inn)en wie die hier versammelten: erst recht.

13. Oktober 2014−1
@Wat Damit das mal klar ist: Von MIR aus darf das alles nur zu gerne sein, lieber gestern als heute, lieber heute als morgen. Was soll die Ausgrenzerei, wenn Leute sich ernsthaft Gedanken über die Anforderungen machen, mit denen eine Durchführung dieses Projekts Kommunalisierung konfrontiert sein könnte? Ich trage nicht mutwillig Bedenken, sondern bringe vor, wo ich Schwierigkeiten sehe. Sagt mir doch einfach, warum das nicht so schlimm sein muss, wie ich es sehe, und ich geb Ruhe. Aber auf das SACH-Argument der derzeitigen Eingebundenheit ALLER Reproduktion auf der kommunalen Ebene in globale Arbeitsteilungs-Zusammenhänge antwortet ihr nicht. Es wirft aber massiv die Frage auf, wie bei einem uU garnicht „revolutionären“, autonom beschlossenen, sondern durch krisenhafte Zusammenbrüche erzwungenen Kappen der Versorgungswege die ausgefallenen Nachlieferungen an Maschinen und Energieträgern lokal ersetzt werden. Der Vergleich mit der französischen Regionalmetropole inmitten eines sie beliefernden autarken dörflichen Umlandes, die wiederum dieses Umland aus weitgehend eigenen zT noch manufaktur-mässigen Ressourcen versorgen konnte, zeigt den Unterschied. Diese Frage ist aufgeworfen. Und… sie führt in ein Dilemma (mit dem dann auch Marios Strategie konfrontiert sein wird), wie es im Anschluss oben ausgeführt wurde (und nicht zum ersten Mal, sondern vor mehr als einem Jahr wurde das alles, damals noch unter Beteiligung von Robert Schlosser und Mattis, ohne abschliessende Klärung auch schon debattiert): Wenn die global-arbeitsteiligen Produktionszusammenhänge aufrechterhalten werden, wird die gesellschaftliche Kontrolle darüber erschwert; verschaffen, umgekehrt, lokale Gemeinschaften sich Kontrolle auch nur über Teile lokaler Produktionsmittel, sind sie brutal mit der überregionalen Abhängigkeit konfrontiert.
Darüber lacht niemand, wenn ich ihm das vortragen würde.
Was ich aber nicht tue.
Ich erzähle niemandem nichts, Wat, den Teil hättest du dir sparen können.
Diese Leute halten es ganz von sich aus für ausgemacht, dass sie sich mit ihresgleichen nicht einigen können – dass die „Komplimente“, die ihnen von Linken gemacht werden (nur DARAUF bezog sich das „Erzählen“, lies nochmal nach; „wenn ich erzähle“ meint: wenn ich erzählen WÜRDE)), auf sie, so wie sie sind, und sich und ihresgleichen wahrnehmen, nicht zutreffen. Darüber lachen sie, und machen ihre Witze über linke Traumtänzer (nicht meine Einschätzung – IHRE). Das Projekt Kommun(al)ismus kann nicht funktionieren, sagen sie (wenn mal die Rede drauf kommt – sie machen da nicht so feine Unterschiede, das kollektiv-zwangfreie reicht ihnen schon als Merkmal) – nicht mit ihnen, nicht so, wie sie derzeit sind. Ich muss da nichts hinzutun, und hab auch kein Motiv dazu. (Warum unterstellst du es mir? Ich bin nicht hier, um rumzustänkern, sondern ernsthaft über „Bedingungen der Emanzipation“ zu reden. Wenn da bestimmte Erwägungen von vornherein ausgeschlossen werden sollen, aus welchen Gründen auch immer, sollten die, die das so wollen, es vorneweg im Forums-Header präzisieren. „Respekt vor den Menschen“ könnte auch heissen, dass man mal zur Kenntnis nimmt, dass SIE, die Millionen, gegenüber solch luftigen Überlegungen (wie Kommun(al)ismus) eine gehörige Portion Skepsis haben. Diese Skepsis ist bei allen Gedankengängen angebracht, die Aussagen über eine unbekannte Zeit machen wollen. Man darf aber, wir alle hier, bei allem gehörigen Respekt, anderer Meinung sein als sie, vor allem, wnn mans sorgfältig begründen kann.)

13. Oktober 2014±0
@Mario: Schön, dass wenn schon nicht ich, wenigstens Werner Imhof dich überzeugen konnte, dass die BASIS-Produktionsmittel einen Schlüssel darstellen (und nicht die oben drauf gesetzten und sie längst voraussetzenden 3D Drucker eines Siefkes). Dann können wir ja mal schauen, ob nun auch der nächste Schritt gelingt. Die Argumentation von Imhof (der gegen die altbekannten easy-going-Attitüde aus der Ecke der Franze und Martins nur allzu recht hat) liest sich nämlich auf einen Schlag ganz anders, wenn man sein Szenario „Ich will mir auch gar nicht erst ausmalen, was passieren würde, wenn die “alten Produktionsmittel” mal für nur vier Wochen stillgelegt würden.“ sich nicht als mutwillige Tat irgendwelcher peereconomy-Wichte (als ob die das je könnten) vorstellt, sondern als Resultat der gepriesenen ach so produktiven Wirtschaftsweise SELBST. Die neigt nämlich systematisch zu einem, wie Robert Schlosser das Marx-zitierend auszudrücken pflegt, Mangel an Ein- und Vorsicht. Realistische Kalkulation sämtlicher Kosten, angefangen bei Produktionsmitteln, würde die sagenhafte Produktivität womöglich schneller entzaubern, als einem je lieb sein kann: DAS ist dann eine Krise, die den Namen mal verdient. Zur gnadenlos alle Risiken ignorierenden Kostenrechnung gehört die schwindel-erregend prekär „globalisierte“ dh zentralisierte Produktionsarchitektur hinzu: Kein Moment von Produktivität? Bestialische Ausbeutung in China, Bangladesh, Kambodscha (und, vielleicht, demnächst Nigeria?) – kein Moment von „Produktivität“? Die Transport-Infrastruktur nicht zu vergessen… Die weltweite Abhängigkeit von fossilen Energieträgern (derzeit: fracking-Boom beim Öl… Ende absehbar), speziell auch in der Landwirtschaft, dort noch von sich erschöpfenden und mittlerweile cadmiumverseuchten Phosphat-Lagerstätten – keine Grundlage der tollen Produktivität? Ständig fortschreitende Grundwasser-Absenkung in den Mediterran-Regionen, aus denen unser (wegen der kaputten Böden und daher immer grösseren Anfälligkeit der Pflanzen immer absurder herbi- und pestizidverseuchtes) Obst und Gemüse herkommt (mit sinkenden Nährwerten) – kein Thema?
„Der Kapitalismus hat es dahin gebracht, dass die Individuen sich die vorhandene Totalität von Produktivkräften aneignen müssen, nicht nur um zu ihrer Selbstbetätigung zu kommen, sondern schon überhaupt um ihre Existenz zu sichern.“ Davon rede ich.
Vielleicht merken sie dann, wieviel SCHROTT da rumsteht.
DIE Art Produktivität, die sich kurzfristig als Kostensenkung darstellen lässt – die ist keineswegs der einzige Parameter einer erfolgreichen modernen Produktions-Organisation. Es wird halt von den andern nicht geredet, weil da die Schwachpunkte der Konkurrenz liegen: Robustheit, Nachhaltigkeit, Bedürfnis-Gerechtheit, Freizeit-trächtig (um zB Bidung, Klärunug und Verständigung zu ermöglichen), leichte Steuerbarkeit und Übersichtlichkeit, leichte Bedien- und Erlernbarkeit, und, ja, auch Dezentralität, „Redundanz“, Modularität, überhaupt das durchdachte, Synergien-nutzende Aufbauen der Produktion, Sorgfalt in der Entwicklung und Verwendung nur von ausgereiften Produkten… Da könte man noch lang weiterreden – und die Reihe der Punkte endet nicht so schnell, die dem einen Punkt „Produktivität“ im Wege zu stehen scheinen.

Und vielleicht… merken sie, dass eine Landwirtschaft, die NICHT autark ist in dem Sinn, dass sie den vor Ort vorhandenen Boden kultiviert, aus AGRARTECHNISCHEN Gründen sich nicht halten lässt. Damit beschäftigen wir zurückgebliebenen Landpomeranzen uns nämlich, und es treibt uns um. Und es könnte sein… dass ihnen eine mit robuster lokaler Energie-Versorgung, und dann vermutlich sparsam, betriebene ebenso lokale bis gross-regionale aber dafür unabhängige und robuste Industrie paradiesisch erscheint im Vergleich zu dem, was sie in der „Krise“ haben durchmachen müssen. Ihr Glück, wenn in IHRER Umgebung kommunalistische Kommunen sich auf diesen Tag vorbereitet haben. Und eins darf man glauben: Über die… lacht dann niemand mehr.

13. Oktober 2014+1
Danke für die Antworten, ich komme gleich zur Sache. (Nachtrag: Bei Abfassung war Wats vorstehender Text noch nicht erschienen, ich kann erst später darauf reagieren…)

1. Der Punkt mit den Massen/Millionen erscheint mir von ausserordentlicher Wichtigkeit. Bitte lasst uns mal wegkommen von den Nickligkeiten wegen Respekt u/o wer denn nun die Massen mehr auf seiner Seite (oder sein Ohr an ihrem Mund) hat. „Ausserordentlich wichtig“ scheint mir zu sein, und da möchte ich anschliessen an Wals Punkt mit der Reproduktion: Sie vertrauen, wie mir scheint, natürlich schon drauf, dass es, möglichst ohne Einbusse an Lebensstandard, für sie (möglichst viele von ihnen) weiter, und nicht etwa für immer mehr immer mehr abwärts geht. Sie vertrauen, und da kommt jetzt MEIN Punkt!, dabei aber auch auf ein Versprechen das ihnen die „Eliten“ implizit immerzu geben, und das lautet: Ihr könnt das alles haben, ohne euch kümmern zu müssen – das machen wir schon (drum ja auch die etwas höhere Bezahlung). Und: wir können das auch, unser System kann das! – Und genau an diesen Punkt rührt JEDER nicht-staatssozialistische Vorschlag, den man ihnen macht*): Sie sollen die Elite-Aufgaben übernehmen – und womöglich die unsichtbare Markt-Dienstleistung gleich mit! Das ist, auf den ersten zweiten dritten Blick, so ziemlich das ungeheuerlichste, was man ihnen aus ihrer Sicht zumuten kann.
*) WENN man ihn ihnen macht; mir ist nicht entgangen, dass Wat und Wal hier Zwischenstufen vorsehen – bloss, die Leute riechen doch den Braten, es muss der Vorschlag ja auch garnicht von aussen kommen, es sind ja sie selbst, die das alles erwägen können

Aber – warum IST es so ungeheuerlich? Ich glaube noch nichtmal, dass sie da beschämt auf ihre Zugerichtetheit durch lebenslange Zwangs-Konkurrenz-Orientierung sehen, oder ihre wenig ausgebildeten Fähigkeiten (und, naja, auch Lust) zur Verständigung mit ihresgleichen. Ich glaube, dass sie erstmal schlichtweg dieselben Zweifel hätten wie wir hier, nämlich: Ob das IRGENDJEMAND planen und steuern kann?
Und das leitet über zum nächsten Punkt:

2. Dem wird nämlich, etwa von Wal, aber auch Mario („die Produzentinnen und Produzenten kommen nicht umhin die derzeit vorhandene Produktionsarchitektur anzueignen, mit all ihren Schwächen“) und nicht nur ihnen, begegnet mit dem naheliegenden Argument: Richten wir uns doch einfach mal auf dem vorhandenen Niveau ein – studieren es sorgfältig, machen uns vertraut damit – und sehen dann weiter, und bauen es um.
Diese Chance ist nur leider so gut wie sicher vertan. Das vorhandene Niveau ist dermassen prekär und ausgereizt, dass es höchstwahrscheinlich gerade sein ZUSAMMENBRUCH sein wird, der die aufgeworfenen Fragen für Massen von Angehörigen westlicher Industriegeellschaften auf die Tagesordnung setzt. Das heisst, wir sind dann nicht einfach mit einem Status quo befasst, bei dem wir die Wahl haben, wann und ob wir ihn ändern.
Übrigens: Genau darum ist die Debatte um die fragliche URSACHE der erwarteten Krise so ganz und garnicht bloss von akademischem Interesse. Denn wenn es bloss seine idiotische ökonomische FORM wäre, an der der Kaptalismus scheitert – etwa die entsprechend dem einschlägigen „Gesetz“ gegen Null gehende Profitrate – dann wäre das alles halb so schlimm. Die Form, nämlich Verwertungs-Krise wäre eben durch Übergang zum Kommun(al)ismus hoffentlich endgültig beseitigt, und die eingangs genannte Option stünde erstmal offen.
Darum muss oder zumindest sollte diese Auseinandersetzung geführt werden. Denn ICH sage, die Krise und zunehmende Krisenanfälligkeit ist erheblich gefährlicher und tiefer angesiedelt – es sind PRODUKTIONSKRISEN . Krisen, in denen sich die ungeheuerlichen Defizite der modern-kapitalistisch entwickelten „Produktionsarchitektur“ immer schlagender bemerkbar machen.
Oder mal in zumindest EINER der mehreren vorliegenden Versionen der einschlägigen historischen Gesetzmässigkeit ausgedrückt: Das Produktionsverhältnis bewältigt die Anforderungen, die ihm vonseiten der durch es hervorgebrachten Produktivkraftentwicklung (positiv wie negativ) gestellt werden, nicht mehr.

3. Und das… provoziert doch gleich eine weitere Assoziation aus dem Dunstkreis dieser Thesen aus Marx‘ und Engels‘ Anfängen: die nämlich von der für diesen Fall bereits im Schoss der alten Gesellschaft herangereiften ganz anderen Produktionsweise.
Hätten die beiden das nicht bereits so formuliert – man müsste es glatt neu denken und aussprechen.
Zentraler Bestandteil dieser Hypothese ist, wenn man sie mal etwas mehr ins Detail verfolgt: da entwickelt SICH was, und zwar relativ wahrscheinlich wenn nicht sicher – und die Betreffenden MERKEN garnicht, dass sie Träger des historischen Fortschritts sind. Sie legen es garnicht drauf an. Auch die Umgebung merkt es nicht. Es ist eigentlich erst in der chronischen und immer schriller sich zuspitzenden Krise der Vor-Epoche, dass sich die Fortgeschrittenheit der betreffenden Pioniere bemerkbar macht. Vorher… hat niemand ihre Überlegenheit geahnt – er hätte sogar, mit einer Vermutung in diese Richtung konfrontiert, das für völlig absurd erklärt.

4. Und… ja ich glaube, dass eine solche Bewegung völlig unbemerkt, unspektakulär, angelaufen ist. Um sie als solche auszumachen, muss nach meiner Einschätzung ein erheblicher theoretischer Aufwand getrieben werden. Vor allem müssten die leider fragmentarisch gebliebenen Hypothesen von Marx und Engels über fundamentale Regularitäten in der globalen historischen Entwicklung VIEL genauer formuliert werden.
Nach meiner Einschätzung heisst das: über zentrale Kategorien in der Gesellschaftstheorie erstmals genauer nachdenken, die bislang unerörtert geblieben sind. Damit meine ich vor allem eine viel detailliertere Betrachtung der, in marxistischen Termen gesprochen, Produktivkraftentwicklung und ihrer Beziehung zum Produktionsverhältnis. Meine Kritik der bisherigen Versuche in diese Richrung (soviel gibts ja nicht) liegt auf dem Tisch: Die bisherigen Theorien schaffen es nicht, die Wechselwirkung zwischen individuen-übergreifenden „Entwicklungen“ und den Angriffs- aber eben auch Ausgangspunkten dafür in der individuellen Lebensführung auf den Begriff zu bringen.
Das, was beiden „Ebenen“ tendenziell gemeinsam ist, ist der Begriff des LERNENS. (Wobei „Gesellschaften“ eben bloss im übertragenen Sinne „lernen“, in Gestalt der Lernprozesse ihrer Mitglieder, ABER AUCH der Aufwände für erfolgreiche Tradierung der von Einzelnen oder Gruppen erworbenen ud erarbeiteten Errungenschaften.)
Anm. Ich kann mich nur wundern, dass dieser von mir zur näheren Befassung vorgeschlagene Begriff des Wisenserwerbs, des Verhältnisses zu Wissen, zu Unwissen und Ungewissheit, und zu möglichem passiven wie aktivem Wissenserwerb (all das fass ich mit dem Begriff Lernen zusammen) nicht längst zum Zentralbegriff einer materialistischen Theorie von Praxis-Entwicklung und auf lange Dauer eben Geschichte gemacht wurde. Praxis erscheint immer als irgendwie statische, als Produktionsweise; aber wie, wann, warum findet Fortschritt statt? Das ist kaum verstanden. Ebenso: Mit welchen materiellen Mitteln wird Fortgeschrittenheit vermittelt? Gibt es Freiräume dafür? Wie wird individueller Fortschritt kulturell verankert?
Anm. In diesem Zusammenhang will ich noch anfügen, dass ich die KOGNITIVE Rolle von (Hoch)Religionen und ihre Bedeutung in der Organisation einer gegenüber primitiveren (etwa antiken) gesellschaftlichen Praxis-Formen überlegenen solchen für extrem unterschätzt halte.
All diese Unterlassungen haben ein solches Ausmass, dass sie für mich ihrerseits die Frage nach ihrer Erklärung aufwerfen (ist da ein blinder Fleck bei der bisherigen radikalen Lnken, der mit ihrer eigenen Zurückgebliebenheit etwas zu tun haben könnte?)

5. Ich habe das weiter oben in diesem thread schon mal angedeutet: Die Frage, ob man überhaupt VORSCHLÄGE machen kann, und wem, ist für mich durchaus offen. Die Leute, die sich da, wie ich glaube, in die richtige Richtung bewegen – die tun das völlig von sich aus und brauchen keinen Vorschlag. Vielleicht, dass sie später mal anregend und als Vorbild wirken für bestimmte ihnen Nächst-Stehende. Aber das, was da unternommen wird, scheint ja, sobald man davon (leider sind eben auch nur sehr unreife Früh- und Vorformen erkennbar) spricht, äusserst abstossend zu sein. Niemand möchte da mitmachen.
Obwohl vielleicht am Ende etwas höchst Nützliches und Neues herauskommt.
Darum bin ich vorsichtig mit Vorschlägen…
Eher schon… äussere ich Prognosen: Was bestimmte Leute vermutlich machen werden, wenn (Lebens)Zeit vergeht…
(In meinem gleich drauf wieder gelöschten Beitrag neulich habe ich mich weniger verrätselt ausgedrückt, aber das, was dort stand, bräuchte für seine Einordnung wieder viel mehr Erklärungen, es ist sonst absolut unvermittelt. Die Ähnlichkeiten, die etwa Mario zu bemerken glaubte mit den von ihm genannten beiden reichlich esoterisch angehauchten Autoren, waren für mich eher schockierende Alarm-Zeichen, dass da erstmal bloss Verwirrung und Missverständnisse zu erwarten sind. Darum hab ich den Text zurückgezogen. Wer ihn möchte und verspricht, sich bei Einwänden mir gegenüber anschliessend nicht zurückzuhalten und mich dann wenigstens in Andeutungen die Sache einordnen zu lassen, kann ihn bei mir per PN anfordern.)

6. Zuletzt noch etwas Praktisches. – Darauf, dass die konventionellen Landwirte mit ihrer Technologie an vor allem Kostengrezen stossen, wird vonseiten agrarwissenschaftlicher Entwickler reagiert. Es gibt neue Konzepte, die statt auf den Schutz hochanfäliger Pflanzungen auf eine Besserung der industriell schwer-beschädigten Böden, und damit der Wuchs-Bedingungen für die Nahrungspflanzen setzen. Die eine Strategie dabei ist eine um Grössenordnungen raffiniertere Agrochemie und Düngung, wo man statt 3-5 weit über 100 Parameter im Blick hat – und das natürlich bezogen auf die jeweiligen mineralischen Vorausetzungen vor Ort (und die vorausgegangenen Anbauformen). Die andre Strategie gilt der mechanischen Seite. Drei Prinzipien werden dabei befolgt: Pfluglose Bodenbearbeitung (nur oberflächliche Lockerung, Einführen von Stäben uä) – Dauer(!)-Vor- und Zwischenfrucht mit ausgeklügelten und je passenden Mischungen aus Gründüngungspflanzungen, maschinelle Einsaat (Einbringen des Saatgutes) direkt in den Boden und zwischen den vorhandenen Vorfrucht-Kulturen. (Das Feld bleibt IMMER bewachsen!) Dazu kommen Fahrgestelle, weite Ausleger (um die Zahl der Fahrspuren gering zu halten) und Reifen, die den Bodendruck und somit die Verdichtung auf ein Minimum (das immer noch sehr hoch ist) beschränken. Die dafür nötigen ausgeklügelten Maschinen-Systeme speziell der pfluglosen Bodenbearbeitung werden in Sdamerika bereits flachendeckend eingesetzt – mit Pflügen wäre der Boden dort vielerorts in kürzester Zeit durch Erosion weggeweht.
Ein Mitglied unserer Gruppe macht bei dem Protagonisten dieser Entwicklung in Deutschland eine Ausbildung.
Die Person ist die einzige „Alternative“ unter ca. 50 konventionellen Gross- und (eher wenigen) Biobauern.
Ihr wurde, zu ihrem eigenen Erstaunen gesagt: „IHRE Form der Landwirtschaft wird die der Zukunft sein.“
Warum? Weil es Grenzen für die mechanische Umsetzung desselben Konzepts im Obst- und Gemüseanbau gibt.
Genau da aber werden in naher Zukunft die Ernährungsengpässe liegen (vgl. Wasserproblem in den bisherigen mediterranen Anbaugebieten).
Getreide und Kartoffel (Wats Grundnahrungsmittel) – die kann man grade eben mal mit den genannten Methoden produzieren (wieviel Zusatzanforderungen die Ausrichtung auf anschliessende industrielle Verarbeitung stellt, kann hier nicht auch noch erörtert werden.)
Aber mit denen kann man allenfalls eine Fehl- und Mangelernährung zustandebringen.
Die Permakultur-Anbaustrategien haben das Bodenprobem bislang zu sehr vernachlässigt. „Essbare Landschaften“, die sich selbst erhalten, brauchen entsprechende Böden. Mit Humuswerten unter 3% braucht man an robuste Kulturen nicht denken. Und die wirklichen Könner unter den alternativen Gärtnern haben 30%. Wie man dahin kommt, und zwar regulär und mit vorhandenen Mitteln, ist ein derzeit noch nicht ganz gelöstes Problem. Mulchen spielt eine grosse Rolle – statt Vieh ernähren wir dann künftig die Kulturflächen. Das Konzept ist in der Erprobung…. (ebenso auch andere Getreideanbauformen, die sich für Garten-artige Kulturen eignen und dort integriert werden können. Wohlgemerkt: Wir sprechen von sich ausdehnenden FLÄCHEN… und einer neuen Art natur-ähnlicher Kulturlandschaft. Und… von Überfluss. Das Gegenteil von Schrebergarten also .
Das alles, um nach der Phase der Einrichtung solcher Flächen… viel freie Zeit zu haben, mit anderen Dingen beschäftigen zu können. Das… ist in der Tat das Ziel.
Also gehts da sehr dringlich um PRODUKTIVITÄT… bloss eben eine ganz anderer Art.

14. Oktober 2014
Erstmal meine Antwort an Wat:
Du betonst so sehr den Gegensatz – du scheinst ihn auf Anhieb zu verstehen – ich versteh ihn aber ganz und gar nicht: Deine Formel vom notwendigen „Partei-werden und Partei-werden-können und irgendwann Partei-sein“ der Lohnabhängigen ist doch die grundlegendste Gemeinsamkeit ALLER nicht-staatssozialistischen radikalen Linken – das könnten doch auch die „kommunistischen“ Kritiker von uns Kommunalisten etwa bei Neoprene unterschreiben. – Muss denn ein Gegensatz sein? Muss eine Entwicklung die andre ausschliessen, muss ein Thema die Behandlung eines andern, das AUCH im Zusammenhang damit steht, ausschliessen? „Nicht mein Thema“? DOCH mein Thema.. und die andern eben auch!

Aber (ha! schon wieder! also doch!) natürlich ist da ein gewisser, wenn auch nicht unbedingt sprengend wirkender Haken dran.
Wenn man sich vorstellt, dass Einzelpersonen tätig werden – auch wenn sie sich dabei mit andern zusamentun – dann stellt man sich auch vor, dass ihre Aufmerksamkeit begrenzt ist. Sie können nicht alles gleichzeitig, müssen also eine Reihenfolge ihrer Zwecke herstellen.
Das nimmst du vorweg, Wat, indem du dich fragst: Und was ist das Wichtigste überhaupt? Und dann machst du, auch im Sinne Marios, einen Vorschlag zur Prioritätensetzung. Wenn denn eine anstünde…
Wal hat da eine etwas gelassenere Eistellung: Er hat immer wieder vorgebracht, dass ja eins das andre nicht ausschliesse – dass viele Wege beschritten werden KÖNNEN. Und.. dass das auch von Nutzen, im Sinne des Experimentierens und Anreicherns der Zahl verfügbarer Optionen, sein könnte.
Ich higegen spitze das noch zu und sage: Die MÜSSEN sogar beschritten werden – es geht garnicht anders als so: Dass da etlihe wenn nicht viele Stränge längere Zeit nebeneinander her laufen, von denen man sagen muss: Am Ende darf nichts davon fehlen, jeder ist unentbehrlich und wäre ohne das Hinzutreten, die Zusammenarbeit mit den andern, auf Dauer für sich sinnlos, zum Scheitern verurteilt.

Ein Problem entsteht daraus, wenn man grundsätzlich und von Anfang an alle zweckmässigen Massnahmen als „von den (später) davon Betroffenen SELBST“ zu entwickelnde denkt: Es darf, es soll in allen wichtigen Hinsichten keine Arbeitsteilung mehr geben – jenen, wo es ums Planen und Entscheiden geht.
Von daher verstehe ich Wats (und später, wie ich gelesen habe, Wals) instinktive Ablehnung des Gedankens, dass da Minderheiten irgendwas entwickeln sollen, was Mehrheiten übernehmen oder „aneignen“ könnten.
Es kommt da aber immer die Vorstellung des Prozesses als eines von Anfang an geplanten, „beschlossenen“ und nach Zweckmässigkeits- und Ziel-Kriterien (wie: die Lohnabhängigen sollen Partei sein“) entworfenen und gestaltenden dazwischen (Wat würde hier vielleicht sagen: natürlich – sonst ists doch nicht IHRER!). Das läuft dann drauf hinaus, dass man sich genötigt fühlt zu „kritisieren“: DIESER Weg ist aber nicht der von mir befürwortete!
Aber erstens, ist das garnicht „der Weg“, sondern allenfalls ein Teil der Wegbau-Massnahmen..
Und zweitens… machen die Leute, die sich daran machen, das ganz unaufgefordert – und, ja, vielleicht auch erstmal ohne an die andern zu denken. Jene, die vielleicht später von sich aus dazustossen, wenn das Ding schon entwickelter ist. Oder noch später… wenn es anfängt, richtig gut auszusehen.
Und vielleicht… gibt es anderswo Entwicklungen, Nebenfolgen (erfreuliche, wie auch schlimme), die keiner so erwartet hat, die wiederum dieser Entwicklung Vorschub leisten, sodass ihr was entgegenkommt, Ressourcen freiwerden, Bereitschaften wachsen, etwas auszuprobieren.

Das heisst aber.. dass man diesen Gesamtprozess auf weite Strecken erstmal als einen ungeplant, nicht gemeinsam geplant (insofern: als NICHT „ihren“) verlaufenden unterstellen muss – zu Resultaten führend, die von Handelnden („ihnen) selbst, Urhebern des einen oder andern ebenso wie möglichen (bis dahin) Beobachtern, zwar vielleicht begrüsst und erfreut angenommen werden, auf die sie es aber im Ursprung nicht gezielt angelegt hatten.

Dieser Sichtweise widerspricht aber so ziemlich alles, was wir heute in der radikalen Linken uns an Theorie zurechtgelegt haben.
Es riecht nach geschichtsphilosophischem Hokuspokus.
Das verweist zurück auf theoretische Fragestellungen: Inwiefern kann man an das Lernen von Leuten überhaupt VERNÜNFTIGE Erwartungen haben? Wie kann man sich anmassen, prognostisch klingende Sätze aufstellen zu können der Form: „Wenn sie überhaupt vernünftig sind, werden Leute angesichts derundder Nebenfolgen ihres bewusst gemeinsam gewollten Tuns dieunddie Konsequenzen ziehen..“
Ich sage dazu mal als einen ersten Hinweis: Dies ist garkeine Prognose im engeren Sinne. Wir bestimmen in solchen Sätzen bloss genauer, was wir überhaupt verstehen würden, wann wir etwas verstehen würden – und wann nicht. Man sagt nicht, was geschehen WIRD: Denn… es könnten ja auch Entwicklungen stattfinden, die ich nicht mehr verstehen kann. Aber so oder so, verneinend, bejahend – wende ich den näher bestimmten Begriff des für mich Verstehbaren an.
Das mag, wenn man es drauf anlegt, hier wirklich systematische Übersicht zu bekommen, irgendwann ins Philosophische und Geschichtsphilosophische übergehen – nennt es, wie ihrs wollt; es hat mit Begriffen und ihren Zusammenhängen, der Übersicht darüber, mit Theorien zu tun; niemand ist gezwungen, das mitzuvollziehen, der keinen Bedarf danach hat – aber es müssen keine metaphysischen, religiösn Begriffs-Zusammenhangs-Gedanken sein.
Die materialistische Theorie der Person als auch der Vergesellschaftungs(konzepte, -projekte) als auch deren Entwicklung („Geschichte“) erscheint mir derzeit leider wenig weit gediehen. Es gibt da viel Nachholbedarf. Unter anderm, weil das, was wir vorliegen haben, nicht materialistisch, sondern in vielen Hinsichten politisch-religiös, metaphysisch gedacht ist.
Anm. Bei Neoprene (nur zum Reinlesen: spätestens ab hier http://neoprene.blogsport.de/2014/03/10/antifa-in-der-krise-kongress-in-berlin-11-13-04-2014/#comment-113119, aber auch schon vorher… wenn sich das jemand antun will) spielt sich seit einiger Zeit eine Debatte um Grundbegriffe der Psychologie ab, die aus meiner Sicht ziemlich schrille Belege für diese These liefert. Die Alternativen, die da für Erklärungen möglicher „psychologischer“ Anteile am Faschist-Werden erörtert werden, stammen aus dem deutschen Idealismus und seinen bewusstseinstheoretischen Grundbegriffen, speziell Hegel („subjektiver Geist“) – oder der Freudschen Psychoanalyse. Da streitet Pest mit Cholera. Nicht eine einzige Kategorie wird da erwogen die etwas mit PRAXIS zu tun hat – geschweige denn dass auf eine systematische Theorie solcher Kategorien zurückgegriffen würde. (Die „bürgerliche“ Philosophie hat da die jämmerlich überholten und tief im Morast metaphysischer Theoriebildung festsitzenden linksradikalen Lehrmeinungen weit links überholt. Dort gibt es einen Reichtum an – immerhin! – Handlungs- und Praxistheorien. Die freilich wieder an einem extremen Mangel an systematischer Zusammenführung leiden…)

Ich stoppe mich mal. Ich gebe mir hier selbst ein Stichwort nach dem andern – und natürlich taugt nicht ein einziges davon als Argument. Nicht dass man diese private Meinungsäusserung dsfür hält. Ich will nur sagen: Dass das alles so umwegig und umständlich sein soll… dafür gibt es eine Entschuldigung, und auf die möchte ich mich jetzt zurückziehen:
Auch wenn wir darauf abzielen, dass alles, was an Erkenntnissen für wichtig genug gehalten wird, im persönlichen Bildungsprozess eines und einer jeden mal ankommen soll – auch dann müssen und sollen wir uns gegenwärtig vor Augen haltn, dass ein EPOCHENÜBERGANG um Grössenordnung mehr Anstrengungen und sich anhäufender Vorleistungen erfordert, als die radikale Linke sich das bisher vorstellen konnte
Die Menschheit besitzt erst den Traum… sagt Marx mal an einer Stelle.
Was die radikale Linke derzeit besitzt, ist nicht viel mehr.
Das… sollte sich auf Dauer ändern. (Noch so ein Strang: „Theorie“, der für sich allein zu nichts führt und fruchtlos bleiben muss…)
….

14. Oktober 2014
zu Wal kurz nur dieses (um den thread nicht endgültig überbordend werden zu lassen):
1. „Schrott“ kann sich nicht auf Technologie beziehen. Technik wird beurteilt, ob sie einen Effekt erzielt, wie sehr, mit welchen Voraussetzungen, wann nicht, wie störungsanfällig, mit welchen Nebenfolgen usw. – also wie sie funktioniert und unter welchen Bedingungen. Ob man sie verwendet oder wofür, wird darin nicht gesagt (ausser, der Verwendungszweck hilft, die Funktionsweise zu beschreiben).
„Schrott“ kann sich vernünftigerweise bloss auf die Verendungsweisen, di Anordnung, also eben die gegenwärtige „Produktionsarchitektur“ beziehen.
An welchen Zielen die aus meiner Sicht scheitert (und unter kap.Vorgaben auch kaum anders kann als scheitern), habe ich oben versucht mit der unageschlossenen Reihe „Robustheit…“ anzudeuten. Ich muss mich hier mit dem Hinweis begnügen, dass da ein riesiges kaum beackertes Thema bereitliegt: Materielle Grundlagen des gegenwärtigen und künftigen Produktionsverhältnisses, und das Verhältnis, das die einen zu den andern haben… (Technik, unter eingeschränkten Blickwinkeln, kam bisher ausschliesslich in der Öko-Abteilung linken Argumentierens (und sonst da und dort, eher randständig) vor. Ich meine, die Blickwinkel sollten sich da mal weiten… und zwar so, dass das Thema routinemässig in den Fokus der Aufmerksamkeit rückt. Auch einer der vielen derzeit blinden Flecken…)

2. Die Landwirtschaft ist hier darum Thema geworden, weil Wat sie regelmässig als Teil der kommunal anzugehenden Reproduktionsaufgaben anspricht. Worauf ich antworte: NICHTMAL DA entgeht man derzeit der vernichtenden Abhängigkeit von globaler Arbeitsteilung (Maschinen Ersatzteile usw). Wieviel mehr bei den kommunalen Versorgungsbetrieben, deren Produktionsmittel (Müllwagen, Energieträger der Stromerzeugung, Technologie des Kraftwerks usw) so gut wie nie in der Kommune slebst erzeugt erden. Darum immer wieder der Vergleich mit den französischen Kommunen des 19.Jahrhunderts – und ihrer im Vergleich dazu zwar unproduktiveren aber eben dezentral-abtrennbaren und kommunal komplett aneigenaren „Produktionsarchitektur“. Wenn da nicht mehr bereitsteht… verhungert die Kommune im schlimmsten Fall, selbst bei bester politischer Harmonie. (Nicht vergessen, dass ihr dies nicht durch eigne Beschlüsse, sondern durch von aussen aufgezwungene Abkoppelungen zustossen kann… In Griechenland können die Städter zurück aufs Land flüchten. Wohin flüchtet man hier?)
..
ENDE THREAD Arbeiterforderungen von 1848
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Anschluss-thread: Know-How im Kapitalismus

17. Oktober 2014+1
Nein Wal, leider funktioniert Reproduktion heutzutage nichtmal mehr in der schon stark zurückgenommenen Grössenordnung einer Planung auf kommunaler Ebene. Unerbittlich bewegen sich alle Vorschläge einer Emanzipation im Rahmen der bestehenden Produktionsarchitektur zwischen dem Pol: mehr Verfügung, und dem andern: höhere Produktivität durch gesteigerte Arbeitsteilung und passend entwickelte Technologie.

Die Arbeiter mögen ihre eigenen Manager bezahlen… die Kommune-Versammlung Beschlüsse fassen – sie alle sind unmittelbar existenziell durch die heute ausgebildete Produktionsarchitektur abhängig gemacht von Wissen und Produktionsweisen, die sie NICHT beherrschen und NICHT steuern. Und selbst wenn dort überall Produzenten in Versammlungen in Einzelbetriebe und Kommunen zusammen entscheiden (und dabei zu Konsens finden; was ja keine Selbstverständlichkeit ist) – den weltweiten Zusammenhang, in den sie sich alle, durch die bisherige (unselige, Marx ist hier aus meiner Warte energisch zu widersprechen) Entwicklung eingebaut vorfinden, haben sie damit nicht im Griff. NIEMAND HAT IHN IM GRIFF UND KANN IHN IM GRIFF HABEN. Niemand kann irgendetwas von der Art eines „Entscheidens“, bewussten, kenntnisreichen Steuerns und Gestaltens, Absichten oder Hypothesen Entwickelns auch nur entfernt ins Auge fassen, der sich diesem Monstersystem gegenüersieht, das (aus Gründen eines primitiven Zutrauens in die Leistungsfähigkeit seiner Rechnngsweisen und Regulation durch Märkte, Preise, Geld) besessen war von nur einer einzigen Erfolgsgrösse: Produktivität – keineswegs bloss der der Arbeit. Die Kritik am Profit und der Konkurrenz speist sich wesentlich aus der Feststellung der Schäden, die ausschliessliche (!) Beachtung DIESES Gütekriteriums beim Aufbau einer rationalen Produktions-Architektur anrichtet. (Produktionsarchitektur heisst: ein Zusammenhang von Technologien und Produktionsstätten zum Zwecke der Reproduktion arbeitsteilig darin und damit Tätiger in grösserer Zahl (bis hin zur Weltbevölkerung).

Das Schlimme ist: Wer die Übersicht verliert, kann keine alternative Struktur bauen.
Übersichtlichkeit SELBST ist ein Gütekriterium, Gestaltbarkeit duch die Produzenten ist eins.
Wenn sie dem Wssen misstrauen, rational misstrauen MÜSSEN, dann ist diese Art Wissen kein wirklich beherrschtes, die Technik, die sich daraus entwickelt, ist keine wirklich beherrschte.

Es gibt weitere Güte-Kriterien, speziell unter heutigen Start-Voraussetzungen, die in einer neuen und endlich bewusst gestalteten arbeitsteiligen Produktions-Struktur (die eben darum die Vorbedingungen ihrer Plan- und Gestaltbarkeit erstmal erfüllen muss!) rationalerweise zu beachten sind:
1. der Umgang mit weltweiten Naturvoraussetzungen unserer Reproduktion;
2. der Umgang mit den unmittelbaren Naturvoraussetzungen unserer Reproduktion in Gestalt unserer eignen biologischen Konstitution,
3. der Umgang mit dem derzeit nichtmal im Ansatz angehbaren Problem(komplex), weltweit bestehende kulturelle Gefälle-Beziehungen stabil und irreversibel aufzulösen (und anschliessend dauerhaft dafür zu sorgen, dass Nachkommende, Nachwachsende nicht in historisch überwundene Standpunkte und Lernformen zurückfallen);
4. die Reparatur von Schäden, die die gegenwärtige primitive (Zu)Grosstechnologie und primitive Art ihrer Kombination nach dem einzigen Kriterium der steigerbaren Produktivität und des Ausbaus abstrakter Möglichkeiten (und kompletter Missachtung der genannten 4 Punkte) angerichtet hat.

Es ist absurd, jemandem, der ununterbrochen von Technik, Wissenschaft, Produktionsarchitektur usw spricht, und sich damit gegen die einseitige „Politisierung“ der radikal-linken Diskussion wendet, eine Befürwortung „individueller Handwerkertechnologie“ zuzuschreiben. Das ist weder ex- noch implizit von mir vertreten worden und wird auch nie vertreten werden. Mir gehts um FORTSCHRITT über derzeit mir als unendlich primitiv erscheinende Wissenschaft, Technologie und Produktionsstruktur hinaus. Die Produktionstechniken, an deren Entwicklung im Agrarbereich ich teilnehme, zeichnen sich durch jede Menge VERFEINERTE Wissenschaft und Komplexität der Betrachtungsweisen und anzuwendende Technolgien aus. Das Gegenteil von dem, was da behauptet wurde. Ich bitte (keineswegs zum ersten Mal, und keineswegs bloss Wal) solche Zuschreibungen künftig zu unterlassen, sie treffen den Sachverhalt nicht. Kritik einer unterkomplexen und zu primitiven Produktions-Architektur ist nicht mit Technikkritik zu verwechseln. Die Kritik einer industriellen technologischen (Entwicklungs- und Forschungs-)Strategie ist nicht mit Zivilisationskritik zu verwechseln. Eher geht es um Höher-Entwicklung und anspruchsvollere Reproduktionsweisen.

17. Oktober 2014
Sehr zurecht hast du nicht nur über das Know-how und seine „Besitzer“ gesprochen, sondern über deren Misstrauen in die grosstechnische Kombinierbarkeit der vielen, nur allzu beschränkten Einzel-Kompetenzen. Derzeit wird da ja weitestgehend dem Markt vertraut, und/oder eben doch genialen Planern, Kommissionen, Experten- und Berater-Stäben, die es hoffentlich richtig machen (und sich zutrauen, es zu können… wer überprüft es? wer kontrolliert sie?)

Genau darum, Wal, dachte ich auf DIE zentrale Frage deines Beitrags geantwortet zu haben:

Wie sind die Einzelarbeiten, Einzelbetriebe, Einzelkommunen und ihre Arbeit planmässig, von den Produzenten zu kennen, zu überblicken und zu einem planmässig gestalteten Geamt-Reproduktionsprozess zu kombinieren (und danach zu steuern, zu kontrollieren), wenn die Zusammenarbeit nicht mehr als Zusammenhang von Privatarbeiten, vermittelt durch Märkte, Kaufen und Verkaufen, Geld und Preise, organisiert werden soll?
Anders ausgedrückt:
Durch was oder wen soll die ILLUSIONÄRE Steuerung und Gestaltung durch diese ökonomischen „Mechanismen“ ersetzt werden?
Oder so:
Wie kann IRGENDJEMAND den mittlerweile, historisch entstandenen Riesenzusammenhang der Einzel-Produktionen, ihre extreme Abhängigkeit von weitesträumig (global) verteilten Produktionsstätten bereits auf kommunaler Ebene (Beispiel im zuletzt besprochenen Diskussionszusammenhang des threads „Arbeiterforderungen von 1848“ waren die heute üblichen Maschinenparks in der Landwirtschaft*), und den kommunalen Versorgungsbetrieben**), incl. kommunale Kraftwerke), und das darin verarbeitete, womöglich problematische Wissen überblicken?)

Genau das hattest du, dachte ich, thematisiert. Inwiefern habe ich deiner Meinung nach nicht GENAU DARAUF mit meiner Antwort gezielt? Habe ich ein von dir genanntes Moment übersehen, das dich optimistisch sein lässt, was lokale Kombinierbarkeit (Steuerbarkeit, Gestaltbarkeit) der Technologien allein auf dem gegenwärtigen Produktivitätsniveau anlangt (mit dadurch implizierter Abhängigkeit von weltweiten, heute durch (Kredit)Geld (und noch viel andres: Verträge, Staatsgewalten, Zentralbanken) prekär genug vermittelten Produktflüssen)?
Dann mache mich bitte darauf aufmerksam.
Ich kann dir versichern, Wal, dass ich nicht das allergeringste persönliche Interesse daran habe, die Perspektiven ungünstiger oder schwieriger auszumalen, als sie (ohnehin) sind.

*) dies darum, weil Wat immer wieder die Nahrungsmittelproduktion zu den in kommunale Verfügung (zurück) zu holenden Fundamentalaufgaben zählte
**) Beispiele für Abhängigkeit: Ersatzteile, Ersatz, Treibstoff und Hilfs-Stoffe, GPS (bei Ausfall sind die komplexen fahrenden Maschinen der Agrarindustrie schwer steuerbar)

17. Oktober 2014
Wenn es doch so wäre, wie du sagst, Wal: dass das Vereinzelte immerhin heute zusammengefasst ist nur bis hin zum Kommune-Niveau und auf die Weise gesellschaftlich und vergesellschaftet.
Wenn es doch so wäre, dass die Produktions-Wirklichkeit bloss franziska eine „globale Totalität“ ist.
Leider ist die lokalste Nahrungsmittelproduktion, und eben alle andern Produktionen auch, sofern konkurrenzfähig, also nennenswert, von globalen Lieferzusammenhängen abhängig.
Und sie sind das in beinah allen Hinsichten ERSATZLOS.
Im thread „Arbeiterforderungen von 1848“ habe ich das als den Mangel ausgedrückt: Sie können nicht einfach auf etwas niedrigere, mit lokalen Mitteln bestreitbare Produktivitätsniveaus zurückgefahren werden. Dieses Alles-oder-Nichts, dieser ungeheure Mangel an Flexibilität als Preis der ungeheuren Produktivität ist ein Merkmal der derzeit durch die marktwirtschaftliche ökonomische Form kaum vermeidbaren Gesamt-Produktions-Struktur, die die mittlerweile weltweit vernetzte Reproduktion in ihrem fortgeschrittenen derzeitigen Zustand annimmt.

Das ist das Problem, von dem ich nicht weiss, wie (selbst) eine in sich einige Produzentenschaft, lokal, national oder international, es lösen soll, wenn sie die gegenwärtige Produktionsstruktur, ihrer Produktivität wegen, beibehalten will UND sich zugleich Verfügung darüber verschaffen will (ohne ihre Verständigungszusammenhänge aufzubrechen.)

Marx lobt den Kapitalismus, weil er die Produktivität entwickelt. DARIN ist ihm (mal abgesehn von all den externalisierten Kosten, die eigentlich mit in die Bilanz eingehen müssten) nicht zu widersprechen, und ich korrigiere meine dahingehende Klammer-Bemerkung oben.
Ich widerspreche aber, wenn jemand (das muss garnicht Marx oder Marxisten sein) behauptet: Dass die ausschliessliche Beachtung von Produktivität, im kapitalistischen Sinn, für die Produzenten wirklich brauchbare Produktivkräfte hervorgebracht hat. Die Produktivkraft-Dimension „Produktionsarchitektur“ (Kombination von Technologien zu einem sinnvoll reproduktiven und erweiterbaren Gesamtprozess) auf die ich seit neuestem immer wieder verweise (ebenso wie die Strategie ihrer und ihrer Elemente Entwicklung: von mir so genannte technologische Strategie; man könnte auch sagen: „Fortschrittsentwurf“), ist, durch Verwendung marktwirtschaftlicher ökonomischer Formen unter modernen Vorgaben, in eine Sackgasse gelaufen: Das Produktionsverhältnis behindert und beschädigt die Produktivkraftentwicklung, existenziell und massiv.
(Und zwar darum, weil auch die Kapitalisten, wie du, Wal, selbst ausführst, so tun, als beherrschten sie die Märkte und damit auch ihre Produktionszusamenhänge, die tollen Planer und genialen Wirtschaftslenker, zusammen mit nicht weniger lenk-fähigen Staatsmenschen. Nichts können sie, auch andre können es nicht – bloss verschwindet das Problem nicht, wenn die aufgeblasene Selbsteinschätzung dieser Herrschaften kläglich in sich zusammensinkt, und die Massen ihnen endgültig das Vertrauen entziehen.)

Marx will ich nicht mutwillig entstellen, drum bin ich dankbar für Korrekturen.
Ich hatte Marx so verstanden, dass er Markt als Vermittlung einer gesamtgesellschaftlich-arbeitsteiligen Reproduktion ansieht – die Einzel- und Privatarbeiten (der Betriebe) werden dabei zu einer GESAMTarbeit auf gesellschaftlicher Stufenleiter verbunden – also nicht nur Einzelarbeiten kooperativ im Rahmen des Einzelbetriebs – sodass sogar die Stellung einer solchen Waren-produzierenden Privat(betriebsgesamt)arbeit im Rahmen der gesellschaftlichen, ob sie sich nämlich als Teil der Gesamtarbeit der Gesellschaft (der notwendigen wie der letztlich realisierten Mehrarbeit) erweist, als Kriterium des Ausmasses der Werthaltigkeit von Waren dient.
Also bei Marx: Verbund von Einzelarbeiten nicht nur auf Betriebsniveau, als innerbetriebliche Kooperation – sondern auf gesellschaftlicher Stufenleiter. Das dann als Zusammenhang unabhängig voneinander, ja sogar GEGENeinander produzierender Privat(arbeiten, betriebe) betrieben, ist doch eine der zentralen kritischen „Widerspruchs“-Formeln, die Marx gegen die Marktwirtschaft wendet. Unterstellt (bei Marx) ist aber: dass es einen wie schädlich und widersprüchlich immer organisierten gesamt-gesellschaftlich-arbeitsteiligen Zusammenhang auf nationalem wie sogar internationalem, also Weltmarkt-Niveau gibt (schon damals; heute erst recht). Nur diese Meinung hatte ich ihm zugeschrieben.
Wo ist hier das Missverständnis (Lüge, Mythos) meinerseits?
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Wal Buchenberg schrieb:
Alle Möglichkeiten, die sich im Kapitalismus und über den Kapitalismus hinaus bieten, gelingen nur über die Beteiligung Vieler oder gar Aller. Mit individuellem Wissen und dem Wissen von notwendigermaßen elitären Minderheiten lässt sich ebenso wenig erreichen wie mit individueller Praxis oder der Praxis von notwendigermaßen elitären Minderheiten.
Das ist die Kernthese meines obigen Textes.

Dieser These stimme ich SELBSTVERSTÄNDLICH zu. Ihre Richtigkeit ist bereits vorausgesetzt, wenn man sich die Frage stellt: Wie angesichts der derzeitigen Produktivkraft-Organisation die Möglichkeiten zr Beteiligung Vieler oder gar Aller, sobald sie es wollen, von ihnen selbst oder wem immer technisch AUFZUBAUEN ist.
Über welche Zwischenschritte.
Unter Berücksichtigung welcher Zielsetzungen und (hinderlicher, zu überwindender) Randbedingungen.
Die Unbeantwortbarkeit der Frage würde die These abschwächen zum frommen Wunsch, und zur bitteren Einsicht, dass eben weiter nicht zu kommen ist. Das kann doch nicht unsere Lösung sein. Also lasst uns ruhig und unaufgeregt konstruktiv über die gangbaren Wege nachdenken.

17. Oktober 2014−1
Völlig richtig, Wal – der Markt nutzt keine solche Arbeit. Wir reden nur leider über eine Situation, wo die (dann hoffentlich halbwegs an einem Strang ziehenden) ehemaligen Lohnabhängigen mit den desaströsen Folgen von 2 Jahrhunderten (Welt)Markt(wirtschafts)-Entwicklung – desaströs für die Produktivkraft-Dimension „(technischer, planerischer usw) Gesamtzusamenhang der Einzelproduktionen“ – zurechtkommen müssen. Und diese Folgen sind für bewusste Planung, ohne vorangehenden sorgfältigen Neuaufbau einer in dieser Hinsicht erstmals beherrschbar gemachten Produktionsweise, auch von perfekt im Konsens operierenden Kommunarden schwer zu bewältigen.
Sage ich und bitte um Korrektur, falls möglich.
Die Stichworte zur Begründung nochmals:
1.Lokale regionale nationale Produktivkräfte sind auf jedem Verarbeitungsniveau (Roh- bis Fertigprodukte) abhängig von international erzeugten Produktionsmitteln und Hilfsstoffen.
2. Abrüstung auf vertretbare niedrigere Prodktivitätsniveaus („Substitution“), um der Abhängigkeit zu entgehen, ist meist kaum oder garnicht möglich.

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Der von mir herangezogene Beleg bezog sich auf das allgemein bekannte Faktum, dass es im Kapitalismus national wie international eine gesellschaftlich-arbeitsteilige „Gesamtarbeit“ gibt. Diese Kategorie geht in die Bestimmung des „Werts“ bei Marx ein. Richtig ist natürlich, dass DIESE Gesamtarbeit marktvermittelt, also nicht „bewusst geplant“ ist. Richtig ist auch, dass bewusstes Planen und geplantes Kooperieren, über Einzel-Handwerke hinaus, im kap.Betrieb stattfindet, teilweise auch in der lokalen Versorgungsstruktur der (politischen) Kommunen, oder sogar noch höherer „Gebietskörperschaften“ (wie die Verkehrswege, Kommunikations- Strom- und Eisenbahnnetze).
Gerne anerkenne ich das als Marxsche Einsicht, und werde trotzdem mein Problem – im Moment jedenfalls – nicht los: Dass bis auf die Ebene dieser heute bereits bewusst-kooperativ organisierten „gesellschaftlichen“ Produktionseinheiten die fatalen, nicht einfach „substitutionsmässig“ korrigierbaren Abhängigkeiten elementarster Produktionsschritte hinunterreichen – Abhängigkeiten von weit darüber liegenden (und eben bislang nicht geplanten, und in ihrer heutigen Gestalt auch nicht wirklich bewusst plan- und steuerbaren) Produktionsebenen.
Die Produktivitätsentwicklung durch immer weiträumigere Arbeitsteilung FESSELT in der Folge die lokalen Produzenten in fataler Weise an die irrationale Organisationsform, in der diese Entwicklung überhaupt nur so sorglos, so fahrlässig, so undurchdacht (von den einschlägigen Akteuren) in Gang gesetzt und so weit vorangetrieben werden konnte.

Dieser Beitrag wurde bereits 2 mal editiert, zuletzt von „franziska“ (17. Oktober 2014)

18. Oktober 2014
1. Ein Problem in unseren Diskussionen ist, dass wir sehr oft über Themen reden, bei denen jede eingenommene Position bloss Sinn macht auf dem Hintergrund von Voraussetzungen auf andern Themengebieten.
Am leichtesten fällt es uns noch zu sagen, was wir uns am Ende WÜNSCHEN – worauf das alles hinauslaufen SOLL, das Ziel.
Aber dann… gibt es die riesigen unerledigten Differenzen im bezug auf das was IST, die Analyse des Bestehenden – auch, was einem daran (wie leicht) vermeidbar schlecht erscheint, die Kritik. Dazu kommt: was mit welcher Wahrscheinlichkeit sich wie entwickeln WIRD – worauf man vorbereitet sein SOLLTE, muss, darf; die Prognose.
Dies letztere ist dann schon kaum noch abzutrennen von dem, worüber wir uns meist am heftigsten streiten: was für wen zu tun ratsam ist, was getan werden KANN oder KÖNNEN WIRD und herbeigeführt werden SOLLTE, eine Strategie.

Viele Diskussionen über den einzuschlagenden Weg hier sind verkappte (und wie mir scheint, darum auch so verbissen geführte) Debatten darüber, was dafür vorausgesetzt werden darf oder muss.
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2. Um die Lage zu charakterisieren, in der wir (alle heute lebenden Zeitgenossen) uns aus meiner Sicht befinden, möchte ich kurz einen Blick auf frühere fundamentale*) Epochenübergänge werfen. (Dabei ziele ich auf die Aussagen von Wat oben: Wir haben gelernt, wir können…)

Es gibt da vor allem zwei, die man grob als Übergang ins Mittelalter („den Feudalismus“), und den in die Moderne bezeichnen kann.
Grob gesagt, könnte man die objektive Aufgabe, vor die sich die vergesellschafteten Menschen im Mittelalter gestellt sahen, so beschreiben: Die bekannten zivilisatorischen Errungenschaften eines antiken Grossreichs mit den regional vorhandenen Produktivkräften wieder herzustellen, ohne auf die privilegierten Reichtumsquellen des Grossreichs und die Logistik der Verteilung dorther stammender Überschüsse (agrarische Mehrprodukte) in seine Fläche zurückgreifen zu können.
Sie konnten die Aufgabe nicht lösen, indem sie das Grossreich wieder herstellten. Dazu fehlten ihnen ja genau dessen Mittel. (Das Grossreich selbst war nicht haltbar gewesen. Das war der wichtigste Grund.)
Sie konnten nicht mehr zurück.
Grob gesagt, könnte man die vergleichbare Aufgabe beim Übergang in die Moderne so ausdrücken: Man war konfrontiert mit einer Unzahl an äusserst ideenreichen Produktionsverfahren und attraktiven Lebensgestaltug-Möglichkeiten, die durch Fernhandel miteinander in Beziehung kamen und sich wechselseitig kennenlernten. Alle waren regional, traditional, geordnet vor allem dies geordnet-traditionale war allen TrägerGesellschaften der verfeinerten spätmittelalterlichen Lokalkulturen gemeinsam. Wenn man nun anfing, all die technischen Optionen und Ansätze aus neuem Wissen, all die attraktiven Lebensformen und -möglichkeiten zusammenzustellen, um daraus eine neue Lebensform zu machen, in der sie alle irgendwie (erst einmal arbeitsteilig) unterzuringen und und kreativ weiteruverarbeiten waren, war EINES klar: das würde NIE MEHR WIEDER zurückmünden in eine traditionale Ordnung. Jeder Gedanke an so etwas „Geschlossenes“, Tradierbares, Geordnet-Überschaubares verbot sich von selbst.
Sie konnten nicht mehr zurück.

*) es gibt innerhalb von Epochen äusserst wichtige und durchaus „epochale“ Übergänge, wie die Entstehung des Christentums; die Renaissance/Reformation; die aber nicht mit neuen Aufgabenstellungen verbunden sind (charakteristisch das lange Nebeneinanderlaufen dieser „Epochen“ mit dem von ihnen Überwundenen, Überholten)
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3. Worin besteht die Errungenschaft der Moderne (speziell der kaitalistisch verfassten; es gab auch eine staatssozialistische), auf die wir zurückblicken?
Die eine: Der gigantische Werkzeugkasten mit seinen Techniken und Prognostiken, den die technologisch orientierte Naturwissenschaft vor us hingestellt hat.
Die andre: Dass die Menschheit als ganze, global, planetar, in Beziehung getreten ist.
Was steht aber nun auch fest?
Um das zu beantworten, habe ich – um einige neue Aspekte daran zu betonen – ein neues Wort vorgeschlagen: Produktionsarchitektur, und bin in penetranter Weise immer wieder darauf zurückgekommen. Wie Wat schon sagte: Eine Produktionsweise erschöpft sich nicht, ihre Produktivkräfte erschöpfen sich nicht in den Werkzeugen ihres Technologien-Systems. Sie müssen unter bestimmten Zielen zu dauerhaft robust-stabilen Reproduktions- und Fortschrittsformen kombiniert werden. Etwas derartiges legt der gegenwärtige Zustand nahe – aber AUSSCHLIESSLICH in Gestalt von Defiziten, die zu beklagen sind. Die betreffen im wesentlichen drei eng verknüpfte Themen: Unsere gegenwärtige Weise der Reproduktion und des Fortschritts beachtet keine Naturanforderungen Bedürfnisanforderungen Verständigungs- und Konsensbildungsanforderungen – ja sie kennt und erforscht sie nicht einmal, man könnte zugespitzt aber nicht verkehrt sagen: Sie hat nichtmal einen Begriff davon – keinen Begriff, wie das zu erforschen wäre.
Wer sich das klarmacht, der kann nicht zurück.
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4. Diese Aufgabe kann nur durch eine Vergesellschaftungsform angegangen werden, die komplett-zwangfreies gemeinsames Lernen aller Mitglieder unterstellt: Jeder in den wesentlichen Hinsichten auf dem Stand aller (Erwachsenen); jeder imstand wie alle andern, zu beurteilen, was wesentlich und unwesentlich ist, und darin mit allen (nicht mit jedem andern persönlich, versteht sich; versteht sich? aber wie geht das?) verständigt.

5. Die Frage ist, wie man das, mit welchen Zwischenschritten aus dem gegebnen Stand heraus aufbaut – wer das will? wer das (von sich aus) macht? wer es kann? was sie brauchen?

6. Die Überlegung Wats im Beitrag vor diesem finde ich vielversprechend und aus meiner Sicht wert, weiter verfolgt zu werden. (Ich hatte sie vor meinem Posting nicht gesehen.)
…..

18. Oktober 2014
Zwei Fragen an Wal wegen der letzten Antwort an mich:
1. Gut – alle vor Ort Tätigen machen ordentlich ihre Berichte. Wem schicken sie sie? Alle allen?
(Robert Kurz im von Mario zitierten Text hält da immerhiin einen ganzen Forschungsprozess für nötig; wer, der arbeitet, hat nebenbei dafür Zeit???)
2. Die Importe ohne den gegenwärtigen Aussenbeitrag betrugen in der BRD 2013 lt. Stat.Bundesamt 1117 Mrd.Euro, bezogen auf das komplette BIP von 2809 Mrd. sind das knapp 40%. Dabei ist noch nichtmal die Frage, wie man das verdient. Es ist die Frage, in welchem Ausmass man lokal ABHÄNGIG ist und entweder schmerzlich in den Weltmarkt eingegliedert oder schmerzlich davon ausgeschlossen (zB durch Sanktionen gegen die kommunalistische Wirtschaftsform, die da äusserst verletzlich ist)
PS: Es ist am Ende dann auch noch ein bisschen die Frage, wovon die Kommunarden da profitieren, solange es das noch gibt, was sie ansonsten bereits heftigst kritisieren: grade die Hightech-Industrie? Koltan? Wie gut dass WIR Hightech-Standort sind und nicht Nigeria.. her also mit euerm Öl (egal wies gewonnen wird), dann kriegt ihr (per Barter-Tausch) auch die Laptops, die euch derzeit noch fehlen.. (ein Glück, dass sie euch fehlen… komparative Vorteile nannte man das früher, und die schreibt man möglichst fest, damit man noch lang davon profitieren kann.)
Falls aber die Kommunarden bloss noch Fairtrade Produkte kaufen… kriegen sie teils garnichts, weils nicht fair getradet wird… oder aber… die Rechnung wird schnell sehr teuer… Solidarische Hilfe und Entwicklung ist derzeit kein Posten im Kommune-BIP?

19. Oktober 2014
Wal: Der Hinweis auf den Anteil der Gesamtimporte am BIP zielte darauf, dass die aktuelle Abhängigkeit von Importen bzw. die Verflechtung mit „auswärtigen“ Volkswirtschaften, steht hier für: Produktionsstätten in entfernteren Regionen, weit über die von dir genannte Zahl hinausgeht. Diese Abhängigkeit bezieht sich eben nicht bloss auf Rohmaterialien und Hilfsstoffe, die lokal nicht substituierbar sind, sondern auch auf zB Produktionsmittel (Ersatzbeschaffung und Ersatzteile).
Insgesamt wird damit die Befürchtung („Schreckensszenario“) erhärtet, dass die regional hierzuland vorfindliche Produktionsstruktur für eine Umrüstung auf Bedarfsdeckung für die lokale Bevölkerung extrem schlecht vorereitet ist. Sie eignet sich extrem schlecht – sowohl für unmittelbare „Übernahme“ des vorhandenen Produktionsmittelapparats zu Zwecken der Bedürfnisbefriedigung (etwa regionale Nahrungsmittel-Herstellung in der gewohnten Weise: hierauf vor allem bezog sich der Hinweis auf die Abhängigkeit von Gütern aus der globalen Produktion), als auch für eine Umrüstung. Dass man alles Gewünschte hochproduktiv-industriell in beinah beliebigen Mengen herstellen kann, gilt für den globalen derzeitigen Produktionsapparat, und setzt ua den gigantischen Aufwand für die dazu benötigte Transportinfrastruktur voraus. Nicht hingegen gilt dies für jede seiner Parzellen, die durch wachsende Produktivität und Spezialisierung nur immer abhängiger vom Weltmarkt wird. Und die ist nur auf sehr fatale Weise zu durchbrechen – sowohl bei Teilnahme, als auch bei Abkoppelung.

Die Frage „wer verschickt das an wen?“ war nicht inquisitorisch, sondern eine Frage.
Sie bezog sich nichtmal auf „Bedarfsanmeldungen“, sondern die Rede war in deiner Antwort an mich, auf die ich erwidert habe, erstmal von allen möglichen „Bestandsaufnahmen“:
„Zustand der Böden, der Gewässer, der Pflanzen- und Tierwelt etc., aber auch Zustand der Verkehrssysteme, der Schul- und Wohngebäude, Zustand der Maschinerie, Verfügbarkeit oder Fehlen einzelner Technologien“,
Daraus folgt ja an sich noch kein Bedarf, schon garnicht ein „individueller“.
Die Frage betrifft aber den Einwand, dass arbeitende Kommunarden in der Tat grosse Probleme haben, Bestandsaufnahmen dieser Art und überhaupt das „ihre gemeinsame“ Produktion betreffende und FÜR ENTSCHEIDUNGEN BENÖTIGTE Wissen, das bei Beibehaltung dieser Art Produktionsstruktur anfällt, auch nur jeder für sich zu verarbeiten; geschweige denn, dass sie sich darüber verständigen.
Es ist im übrigen sehr die Frage, ob derzeit, sei es im Management, sei es in der Staatsverwaltung solche (ja durchaus, wie ich schon sagte, oft genug akribisch, wissenschaftlich erhobenen) Datenmassen und „Bestandsaufnahmen“ von IRGENDWEM verarbeitet und in rationale, allgemein mitgetragene Entscheidungen, deren Gründe dann auch noch (für wen?) kommunizierbar sind, umgesetzt werden können. In der derzeitigen Situation führt dieser durchaus bemerkte Mangel an Ein- und Vorsicht leider nicht zu Konsequenzen: Die so überaus produktive Produktionsstruktur ist alternativlos. Wollte man sie bezogen auf jene Werte, die für alle offensichtlich in ihr missachtet werden, abändern, könnte dies nur durch geplante und weitreichende Eingriffe stattfinden. Dafür fehlt jede Bereitschaft.
Die Struktur selbst widersetzt sich ihrem Umbau.
Das war die grundlegende These, die dadurch erhärtet werden sollte.
Und sie stellt einen Widerspruch dar zur bisherigen Auffassung der meisten radikalen Linken, dass die Produktivkräfte im Kapitalismus gerade durch ihre spezifische Hoch-Entwickeltheit (nämlich Produktivität) eine besonders günstige und entgegenkommende Vorbedingung für ihre Aneignung durch die grosse Bevölkerungsmehrheit darstellten – und für Weiterverwendung im Sinne von deren Bedürfnissen.

19. Oktober 2014
Es könnte sein, dass in meinem sehr akademisch klingenden Statement oben ein erster Ansatz zu finden ist zur Erklärung für Ausmass und Härte des Konflikts selbst unter „Kommunalisten“, der sich an der Frage des „Übergangs“ entzündet.
Der Ansatz knüpft an an das in der Anmerkung scheinbar beiläufig Gesagte, und er lautet:
Obwohl die „epochal neue“ Aufgabenstellung sich für uns, vage genug, am „historischen Horizont“ abzuzeichnen beginnt, steht der wirklich „fundamentale“ Übergang derzeit garnicht an.
Sondern eben eher das historisch langwierige Vorbereiten und Entstehen von Strukturen im Schoss der bestehenden (in ihnen, neben ihnen). Und das allenfalls – angesichts der uns soviel reichlicher als Früheren zur Verfügung stehenden geschichtlichen Erfahrung – mit ein bisschen mehr Bewusstsein von dem, was da geschieht.
Die bisherige linksradikale „Nah-Erwartung“ ging davon aus, dass sich das alles in EINEM Anlauf, und womöglich gleich im Anschluss an den letzten Epochen-Schritt, erledigen lässt.
Und jetzt rückt das alles so weit weg, womöglich weit jenseits unserer Lebensspanne, in die Zukunft.
Und… es kommt noch etwas hinzu.
Die linksradikale Grundüberzeugug war: dass sich mit einer einmaligen, punktuellen eben revolutionären „Abschaffung“ des Kapitalismus, einem politischen „System“-Wechsel, auch in Gestalt einer „Aneignungsbewegng“, alle wesentlichen Hindernisse für das, was man sich wünscht, beseitigen lassen: durch die genau damit schon bewerkstelligte Kollektivierung, Vergesellschaftung.
Meine Debatten-Beiträge in diesem Forum bisher deuten mein Vermutung an, dass es eher umgekehrt verläuft:
Die Bewältigung der Anforderungen einer rationellen Vergesellschaftung verdrängt primitivere solche Formen (Kapitalismus, bürgerlicher Staat), sie muss aber auch erstmal geleistet sein.
Und… primitive Kollektivität ist kein blosses „Überbau“-Merkmal.
(Das war die sehr richtige Bemerkung Wats im thread „Arbeiterforderungen von 1848“: „Es nützt ja nix, eine herrschende Klasse (egal welche) abzulehnen, aber nicht auch die Bedingungen, daß es sie braucht(!), zu ändern.“ Davon, wie ich diesen Satz aufgeriffen habe, nahm ja die nachfolgende Debatte dort und dann hier ihren Ausgang.)
Die Anforderungen, die eine rationale und auf rationale Zielsetzungen bezogene Vergesellschaftung stellt, erstrecken sich vielmehr wesentlich auf die Art der genutzten Produktivkräfte: Die müssen auf eine solche Verwendung hin erstmal neu entworfen und (erstmals) bewusst aufgebaut werden.
Die Anschlussfrage, die sich da stellt, wenn es sich so verhält, lautet: Wer wird das machen? Wer hat das Motiv, sich an einen solchen Neuaufbau „im Schosse des Alten“ zu machen?
Ich glaube, dass das Forum zur Beantwortung dieser Frage, die derzeit ja auch bloss ich aufwerfe, mit all den (umstrittenen) Voraussetzungen (die derzeit auch bloss ich sehe), nicht auch noch bereit sein wird.
Vielleicht muss man sich damit zufriedengeben, dass der eingangs erwähnte „Ansatz“, als Möglichkeit, über die weiter nachzudenken wäre, zur Sprache gekommen ist. Mehr kann nicht erwartet werden.

9. November 2014
Welche Art „Qualifikationen“ (aber, hm… warum soll das eigentlich in Anführungszeichen stehen?) diese Höhergestellten benötigen, davon vermittelt der nachfolgende Beitrag im Handelsblatt eine Ahnung:
handelsblatt.com/unternehmen/b…nisiert-ist/10951272.html http://www.handelsblatt.com/unternehmen/buero-special/interview-zum-thema-effizienz-niemand-steigt-auf-weil-er-gut-organisiert-ist/10951272.html
Das ist darum nicht ganz unerheblich, weil wir hier mal erfahren, nach welchen Grundsätzen sich die massgeblichen Akteure im Kapialismus SELBST sich das Wesen ihrer „gesellschaftlichen Funktion“ der „Steuerung und Leitung“ vorstellen. Die „Persönlichkeit“ zählt, die „Reputation“ und offenkundig das Bilden von Seilschaften. Insgesamt: Subjektive Meinungen, auf die sich jemand mit seiner ganzen Existenz versteift, und die ihm andre, als einer Autorität, abnehmen (ah, nein, es muss ja heissen: abkaufen).
Tja… wo Entscheidungen über die Lenkung gesellschaftlicher Ressourcen SO getroffen werden (man erinnert sich dann kurz auch mal an den ganzen Coaching-Zirkus, wo diese Artisten des Führens und des unternehmerschen Enthusiasmus ihre Ausbildung bekommen), da wundert es einen nicht, dass diesen Herrschaften (und, nebenbei all denen, die noch an sie und ihre wunderbare Effizienz glauben) der Betrieb, oder besser die Umtriebe, denen sie vorstehen, steuerbar erscheinen.
Ich frag mich sowieso seit langem: Wie ahnungslos, wie zurückgeblieben, wie provinziell, oder von mir aus auch, wie komplett-hermetisch aus seiner eigenen komplett bornierten „Elite“ rekrutiert muss man eigentlich sein, um sich heute noch zur „Führung(s’kraft‘)“ berufen zu fühlen?
ENDE thread Know-how im Kapitalismus
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Anschluss-thread; „Produktions-Architektur“ und sachliche Voraussetzungen für einen Übergang

19. Oktober 2014
Dieser thread beginnt mit dem Ende eines anderen threads, nämlich „Know-How im Kapitalismus“ http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/372-Know-How-im-Kapitalismus/?action=firstNew, der seinerseits in engem Zusammenhang stand mit dem zuvor eröffneten thread „Arbeiterforderungen von 1848“ http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/368-Arbeiterforderungen-von-1848/. Es gab noch vor diesem eine Diskussion über Planung, personelle und sachliche Voraussetzungen, Übergangs-Formen und Ziele, nämlich im thread „Alle planen alles – wie?“ http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/341-Alle-planen-alles-wie/. Die genannten threads handelten vor allem vom Thema der PERSONELLEN Voraussetzungen einer emanzipierten Gesellschaft – also Fragen wie: WER kann, will, wird sie herbeiführen? Es gibt nun aber auch noch eine weitere Fragerichtung, nämlich: Welche materiellen, oder SACHLICHEN Voraussetzungen brauchen diese Leute? Es versteht sich, dass beide Themen im Zusammenhang stehen. Die Schwerpunktsetzung ist nur verschieden. Darum soll die zweite Fragerichtung hier unter dem Titel „Produktionsarchitektur“ Thema sein, und speziell unter diesem Gesichtspunkt (weiter) über Voraussetzungen für Übergang, Aufbau, Endzustand einer emanzipierten Gesellschaft nachgedacht werden.
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Gegen Ende des „Know-How-threads“ wurde von seiten Wals deutliche Unzufriedenheit mit dem Verlauf des threads, und eben der Überbetonung des „sachlichen“ Elements in Einwänden gegen das von ihm Geschriebene geäussert. Dazu gab es am Ende des threads eine Antwort von mir, franziska, die nachfolgend wiedergegeben ist. (Danach standen dort noch die drei Beiträge, die dann von der Moderation hierher verschoben wurden, und sich an diesen Beitrag hier unten anschliessen.)
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Der thread „Arbeiterforderungen von 1848“ war geschlossen worden mit der Ankündigung, Wal werde einen für die dortige Debatte wesentlichen Gesichtspunkt in einem neuen thread bringen, er wollte dafür noch einige Recherchen unternehmen. Darum habe ich diesen (Know-How-) thread hier nicht als völlig neu eröffneten verstanden, sondern auch auf dem Hintergrund dieser Ankündigung.

Wal wirft mir einen Themenwechsel vor. Dazu ist zu sagen: Jeder Einwand ist ein Themenwechsel, sofern er dahin lautet, dass in einem kritisierten Gedanken etwas nicht berücksichtigt wurde, was aber, zumindest aus Sicht des Einwenders, massgeblich für Richtigkeit oder Relevanz des Gedankens ist.
Wal hat in seinem Eingangsstatement darauf hingewiesen, dass heute, bereits im Kapitalismus, auf betrieblicher Ebene ein hohes Mass an Kooperation verschieden qualifizierter Menschen Standard ist, und man hoffen könne, dass sich dieses Niveau ausdehnen lasse auf die Grössenordnung einer Stadtgemeinde=Kommune (wo es ja zT bereits auch in Gestalt der Kooperation der Behörden-Angestellten anzutreffen ist).
Angesichts dessen habe ich meinen Einwand aus dem „1848“-thread wiederholt, dass es diesen hochkooperativen und in der Summe breit qualifizierten Leuten (also alles zugestanden, was Wal zu Beginn des Know-How-threads ausgeführt hatte) wegen Weltmarkt-Abhängigkeit möglicherweise an den benötigten (Produktions)MITTELN mangeln wird, eine kommunale Produktion zu ihrer aller Existenzsicherung aufzuziehen, erstmal in zentralen Bereichen der Lebensführung, dazu sollte zB Energieversorgung und regionale Nahrungsmittelproduktion gehören.
Dass es ihnen auch an Mitteln (und da zusätzlich auch Kenntnissen) mangeln wird, ihre Produktion unter Bedingungen der Abschottung vom derzeitigen Weltmarkt auf lokale Versorgung umzurüsten.usw. („Produktionsarchitektur“ diente bloss noch zur Erläuterung des Gedankens, war im 1848-thread bereits ausführlicher Thema gewesen.)
Aus meiner Sicht WAR es exakt das, was mir als aus meiner Sicht wichtige Anfrage/Einwand zu Wals Thema einfiel.
Es lief natürlich, zu meinem Bedauern, darauf hinaus, dass Wals ausführliche Darstellung aus meiner Sicht KEINE Hinweise für die Auflösung der Probleme aus dem 1848-thread lieferte. Meine Sicht; vielleicht falsch; aber wie ich finde nicht an Wals Thema vorbei.

Wals Argumentation in dem den Know-How-thread-eröffnenden Beitrag betrifft im übrigen immer die Fähigkeit der unterschiedlich Qualifizierten, unter einem Kommando, also bei feststehender Aufgabenverteilung, reibungslos tätig zu werden.
Ob ihr arbeitsteiliges Zusammenwirken dann ausreicht, um anfallende Entscheidungen zu ihrer aller kommunaler Reproduktion zu treffen, und das dafür je nötige Wissen individuell zu verarbeiten, ist durch Nachweis ihrer Fähigkeit zur Übernahme von Teilaufgaben im Betrieb nicht beantwortet. Sofern die Absicht war, aus dieser letzteren Fähigkeit die zur Entscheidung und dafür benötigten Wissensverarbeitung abzuleiten, könnte man fast da eher von einem (vielleicht unabsichtlichen) Themenwechsel sprechen.

zu Mario Ahners Satz gegen mich: Egal welches Argument man vorbringt, es wird stets die Unmachbarkeit entgegen gehalten.:
Ich habe die Welt da draussen nicht gemacht. Falls da allseits von uns Gewünschtes nicht, oder nicht so einfach wie gedacht geht, liegt es nicht in meiner Hand. Wenn immerzu „Argumente“ vorgebracht werden, die „Unmachbares“ empfehlen, ist das ebenfalls nicht meine Schuld. Falls hingegen Machbarkeit nicht sinnvoll bestritten werden kann, liegt es an dir, das zu zeigen.

Was die Meinung von Lohnabhängigen zu linksradikalen Projekten im allgemeinen und dem (falls sie sich sowas durch den Kopf gehen lassen) kommunalistischen im besondern angeht, denke ich, dass sie es derzeit so sehen: Entweder, es gibt weiter welche, die das Sagen haben – warum dann der Aufwand für Änderung; oder sie selbst müssen das übernehmen. Und das… ist ihnen zuviel. Da sind sie also mitten in unsrer Debatte.

Wieso wird eigentlich so getan, als wäre diese Debatte brandneu? Sie dreht sich wesentlich um Kritikpunkte, die von nicht-staatssozialistischen (von den andern sowieso) Kommunisten gegen die kommunalistische Variante des Aufbaus einer eigentumsfrei modern-arbeitsteilig organisierten Gesellschaft vorgebracht werden. Ich für mich lege Wert drauf, darauf angemessen antworten zu können.

20. Oktober 2014+1
Vielleicht sollte Wals Bitte dann doch berücksichtigt werden, und die beiden letzten Texte in einen neuen thread überführt werden. Das wäre mein Vorschlag. Nur unter dieser Voraussetzung antworte ich hier nochmal auf Mario.

Die Produktivkräfte und die materielle Basis der Reproduktion sind der Schlüssel.

Man sollte meinen dass das unter Materialisten eine Selbstverständlichkeit ist.
Man sollte meinen, dass sie auf der Stelle DORTHIN schauen, wenn es mit ihren Vorschlägen nicht weitergeht.
So wie Wat es am Beginn dieses Debattenstrangs getan hat, und das absolut zurecht:
„Es nützt ja nix, eine herrschende Klasse (egal welche) abzulehnen, aber nicht auch die Bedingungen, daß es sie braucht(!), zu ändern.“
Und… man kann sich nur wundern, wie gerade die grundlegendsten Einsichten von Marx in all den unendlichen Debatten auf Foren und Kongressen offenkundig KOMPLETT ignoriert werden.
Marx hat nicht geringe Anteile seines Werks (ich hoffe, ich verbreite jetzt nicht wieder Lügen und Mythen) darauf verwandt, die zu seiner Zeit fortgeschrittensten Formen der „grossen Industrie“ zu analysieren. In den 1860er und 1870er Jahren zeichneten sich da Tendenzen ab, die Prognosen für, im Nachhinein betrachtet, mindestens 100 Jahre erlaubten.
Dass Marx nicht auch noch bis 2020 durch- und vorausblickte, wird man ihm kaum zum Vorwurf machen.
Vorwürfe kann man machen – denen, die die Analyse bislang nicht sachgemäss weitergetrieben haben. Stattdessen bringen Sätze wie die folgenden die Meinung des radikallinken Mainstreams, wie Mario („soweit dürfte sich das Gros der libertären Kommunisten/Kommunalisten, mit einigen Abstrichen, einig sein“) richtig bemerkt, auf den Punkt: „Industrie ist die bisher wirtschaftlichste Produktionsweise, also die Produktion, welche mit geringstem Aufwand effektivste Resultate durch umfangreiches technisches Zusammenwirken zeitigt.“
Tja, da stehen wir und können nicht anders, Marx helfe uns.

(Der von Mario mit Vorliebe zitierte Pfreundschuh liefert ein weiteres Beispiel für das geradezu an magisches Denken gemahnende Zutrauen in die Kraft der Worte: So wie andere gendern und öko/bio-en, so „sozialisiert“ er eine bürgerliche Kategorie nach der andern bis hin zum Kredit. Im Rahmen eines Kurzauftritts bei Neoprene  http://neoprene.blogsport.de/2013/06/21/neugruendung-des-karl-marx-forums/#comment-85770wurde er dort kurz und knackig in dieser Richtung entzaubert. Die von Mario oben zitierten Ausführungen zu Selbstbestimmung und „Lebenszusammenhang“ (kein Schwurbel?) deuten an, dass er sich für eine Auflösung des Widerspruchs von privat und vergesellschaftet (umschrieben in Worten, die jedem Erzliberalen gut zu Gesicht stünden) keinerlei Rat weiss. Na dann… kann die Linke einpacken.)

Das Thema „Produktionsarchitektur“ ist deshalb von Belang, weil das, was es meint, den Schlüssel liefert zum Versagen des Kapitalismus und ebenso Staatssozialismus auf der Ebene der Produktivkräfte. Nicht: sie wollten und wollen keinen reproduktiv robusten (nachhaltigen) bedürfnisgerechten und unter diesen Vorgaben dann auch (mit Blick auf Zeit und Ressourcen) produktiven Aufbau der Produktion, verfolgten und verfolgen stattdessen andere Zwecke. Das ja auch. Aber vor allem: Sie können es nicht.

Diese Produktionsverhältnisse sind an diesen Aufgaben heillos gescheitert, scheitern, werden und würden immer weiter scheitern, soweit und solang sie fortbestehen, und dieses ihr Scheitern macht sich in PRODUKTIONSKRISEN bemerkbar. Und die… sind von etwas härterem Kaliber als dass man endlich angesichts weit genug gediehener Technik, dadurch überflüssig (naja, im Weltmasstab gilt das noch nicht) gemachter Arbeit und hinlänglich gesunkener Profitrate die ökonomische Form wechselt und gut ists. DAS ist doch das Szenario, das hier auch im Marxforum den sog. „optimistischen“ Ausblicken zugrundeliegt.
Einmal abgesehen davon, dass die ökonomische Analyse (Arbeitswerttheorie), die dem zugrundeliegt, zu bestreiten ist…
…unterstellt es, ohne auch nur einen Augenblick nachzudenken, als vorhanden, was den grössten Mangel aller bisherigen industriellen Produktionsverhältnisse ausmacht: eine taugliche Produktionsarchitektur.
Diese Verhältnisse bringen eine solche aber nicht hervor, sondern, um mich so auszudrücken: produktions-architektonisches Chaos. Anders gesagt: überhaupt keine Architektur. Nichts was den Namen verdient.
Genauer: Sie erklären eine völlig richtungslose Entfesselung von Produktivität von allem und jeder Art von Produktion zum besten Mittel, um AUCH irgendwie solche „architektonischen“, also auf Zwecke wie Natur- und Bedürfnisgerechtheit, Lebensführung ausgerichtete Produktionseinrichtungen in Gang zu bringen. Die kommen nur nie zustande. Weil das DAFÜR nötige Produktionsverhältnis, das immerhin einen Konsens der Produzenten über ihre Zwecke voraussetzt, nicht existiert.

Wie wird es denn aber hervorgebracht?
Um das zu begreifen, muss man vielleicht ein bisschen mehr Analyse aufbringen, als in zwei Sätze passt. So wie das hier bisweilen erwartet zu werden scheint.
Und… man sollte vielleicht mal das Windig-Idealistische in den bisherigen linksradikalen Vorstellungen vom Übergang sich bewusst machen, das, wie immer, von einer äusserst fadenscheinigen Analyse der materiellen Basis, der „grossen Industrie“ und den Prinzipien, nach denen sie funktioniert, ihren Ausgang nehmen. Es gibt da keinen BRUCH, kein qualitativ Neues – bloss, an allen zentralen Stellen, ein „oh wie ist alles so weit gediehen, oh wie kann man da doch anknüpfen“. Wenns dann konkret wird (und auch konkret werden muss; soviel Realismus ist man den anzusprechenden Lohnabhängigen schon schuldig), kommt leider immer wieder heraus: „umso tiefer der Ideen-Austausch wird, desto unbefriedigender wird der bloße Verweis auf linke Schlagwörter.“
Warum ist das so?
Weil diese materielle Basis nicht nur keine haltbare für ein eigentumsfreies Produktionsverhältnis ist – sie ist es nichtmal für das faktisch vorhandene. Sie ist schlichtweg unhaltbar.
Nur darum aber, weil das so ist, gibt es aber leider noch lang keine neue.
Und darum auch kein neues Produktionsverhältnis, so die allerbanalste Einsicht von Materialisten.
Und die Frage, wer die neue Basis aufbaut, ist nichts weniger als trivial. Gewiss nicht die Leute, die immerzu Gewehr bei Fuss stehen (müssen), dass ihnen jemand ein KOMMANDO gibt. (Ist nicht ihre Schuld, und auch von ihnen nicht einfach zu ändern. Darum gehts hier nicht.)

Eher schon die, die ihre Unzufriedenheit auf jenem Level formulieren, für den Wat oben die „wahllos herausgegriffenen“ Beispiele geliefert hat…
Bloss, dass es eben in dieser Wahllosigkeit zu nichts führt.
Das Weiterführende geschieht aber schon, die Bewegung EXISTIERT, womöglich vor aller Augen, wird aber nicht wahrgenommen und in ihrer Bedeutung völlig verkannt.

Gut… das behaupte nun ich.
Ich muss ja nicht rechthaben.
Was dazu auszuführen wäre, lässt sich bloss leider auch nicht in zwei Sätzen sagen.
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Ein letztes Wort zu Mario. Es mag ja von dir provokativ gemeint sein, wenn du Wörter wie „Klitsche“ und „Peer-Ökonomie“ benutzt, um mich herauszufordern. Du möchtest es halt gerne wissen. Der Punkt ist, dass wir dann auch mal anfangen müssen, über das zu sprechen, was da oben aus meiner Sicht zurecht GANZ fett gedruckt steht: Produktion, Technologie, Wissenschaft. Die Betriebe, von denen ICH spreche, sind keine Aussteigerklitschen. Es sind materiell gut ausgestattete hoch-forschungsintensive Experimentalunternehmungen. Nahrungsmittelproduktion und ressourcenschonende, lokale, naturverträgliche Produktion natürlicher Bau- und Grundstoffe für weitere Produktion – das ist dabei ein Schlüsselthema. Wenn du glaubst, Mario, die Permakultur-Leute hätten die Nahrungsmittel-Produktion im Griff, dann irrst du dich. Da sind noch viele Zwischenschritte zu absolvieren. Wer macht sie? Nicht die Leute, die nun endlich ein Hügelbeet anlegen können – nicht die, die ihren Lebensunterhalt damit verdienen, es ihnen in endlos wieerholten Wochenendkursen beizubringen. Nicht die Leute, die es als Erfolg feiern, wenn sie rausfinden, dass auf ihrem Balkon in aufeinandergestapelten Autoreifen mit Erde ausm Park drin Kartoffeln wachsen (wieviele?). Die Agrarindustriellen und einzig übrigen Gross- und Nebenerwerbsbauern? Leider nein. Sie KÖNNEN es nicht, sie wissen nicht wie, und sie können es sich auch nicht leisten. Die Agrarwissenschaft? Gewiss… da gibt es Leute, die sich für 30 Jahre in einen unterirdischen Tank setzen und von da aus Bodenproben ziehen und dann quer durchs System vom Bakteriophagen bis zum Kleinnager alles bestimmen, was nicht niet- und nagelfest ist. Sich selbst verorten sie sich – nein, nicht an der Grenze der Forschung , sondern bereits an der Grenze der ERFORSCHBARKEIT dessen, was sie sich da mit IHREN Mitteln und Fragestellungen zu untersuchen vorgenommen haben. Tja. Und in der Medizin sieht das so aus: Weise mal positiv die Giftigkeit auch nur EINER Industriechemikalie nach. Was genau macht sie, wo wird sie gespeichert, wie abgebaut oder in was überführt, was bewirkt das alles in welchen Konzentrationen an welchen Zelltypen und ihren Enzymen? (Das sind dann erst UNSRE Zellen und Enzyme.. wie erst in „der Natur“?) Und.. wir haben hunderttausende davon. Enzyme.. und Chemikalien… (und dann kommt noch deren Zusammenwirken..)

Ich hatte mich bereits früher http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/368-Arbeiterforderungen-von-1848/?postID=2290#post2290 zu Details geäussert, das scheint bereits wieder vergessen.
Ich hatte ausserdem einen Beitrag*) gepostet und nicht zuletzt an der Reaktion von Mario gemerkt, dass ohne weiterreichende Erklärungen die dort beschriebenen und auch hinsichtlich ihrer Zweckmässigkeit begründeten Vorgehensweisen nicht richtig eingeordnet werden können. Darum habe ich das wieder zurückgezogen.
Die Bewegung, die ich da beschrieben habe, ist allerdings eine, die stattfindet, egal ob sie beschrieben wird oder nicht.
Sie beruht nicht auf Vorschlägen und Erwägungen, sondern, so könnte man es durchaus ausdrücken: auf mächtigen materiellen Antrieben, die sich auch ohne dass sie begriffen sind, fühlbar machen und praktische Schritte in einer Weise zwingend motivieren, die für die Lösung der oben genannten Entwicklungsaufgaben ausreicht. Schon die nehmt ihr nicht ernst. Wieviel weniger diese Antriebe, selbst wenn man sie euch zeigen würde. Ihr schaut permanent in die falsche (historisch erledigte) Richtung – die Sackgasse.

*) das war es wohl, worauf sich Mario in seinem nachfolgenden Statement mit dem Ausdruck „Strategie-Skizze“ bezieht

Ende thread
„Produktions-Architektur“ und sachliche Voraussetzungen für einen Übergang
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thread:
Inwiefern unterscheidet sich Lohnarbeit von Sklavenarbeit?

22. Oktober 2014
Vielleicht macht es Sinn, die Verwendung des Wortes „Wert“ hier zu problematisieren.
Und zwar sowohl bei der Frage, ob der Sklave Wert hat, als auch, ob er Wert produziert.
Dass beim Kauf von Sklaven ebenso wie ihren Produkten mit Geld bezahlt wird, das im wesentlichen aus einer realen, nicht auf Sklaverei beruhenden Werteproduktion stammt, ist dadurch nicht ausgeschlossen.
Bei „Wert“ spielt „Konkurrenz“ und auch die Um-Orientierung von Nachfragern wie Anbeitern angesichts von Marktungleichgewichten eine Rolle. Ausserdem (nicht unwichtig bei der Bestimmung des Werts der Arbeitskraft) die ständige Erhöhung der Produktivität bei der Erzegung von Produktionsfaktoren – damit Senkung der objektiv nötigen (Reproduktions)Kosten – etwa der WARE Arbeitskraft.
All diese Bestimmungsgründe sind beim Zustandekommen des Preises von Sklaven und der Produkte von Sklavenarbeit relativ zweitrangig – in Branchen, wo Sklavenarbeit (in einem ansonsten kapitalistischen Umfeld) die konkurrenzlos einzige Form der Produktion darstellte. Also im wesentlichen bei der Ernte agrarischer Rohstoffe, vorzugsweise Baumwolle, in den US-Südstaaten.
Das physische Reproduktionselement der Klasse ist auch im Lohn enthalten (oder auch nicht; umgekehrt können Sklaven im schlimmsten Fall auch einfach „vorzeitig“ verbraucht werden, wenn der Nachschub reichlich ist.) – Da ist also kein Unterschied. Ebensowenig in der Tatsache, dass ausgebeutet wird und Mehrarbeit erzwungen wird.
(Beim Grad der Ausbeutung hat glaube ich Marx höchst sarkastische Feststellungen gemacht über das Ausmass an Vergleichbarkeit… wir müssen ja nur in die zeitgenössischen Billiglohn-Länder bzw -Regionen schauen, um die heutigen Anwendungsbeispiele finden. Billigproduktion erwa von Textilien und Lebensmitteln insgesamt aber ist ein Element der Ermöglichung von Lohnsenkungen (Niedriglohnsektor, Einfrieren von Lohnniveaus über viele Jahre usw) HIER..)

Hingegen…
Sklavenarbeit ist vorindustriell, und absolut unfähig zur Konkurrenz mit modern-produktiver Lohnarbeit.
Und… ja dabei spielen auch Bereitschaften u kooperieren, sich zu konzentriere (damit der Ausschuss nicht zu gross wird usw) des Lohnarbeiters eine Rolle, die man mit ständiger Angst, Gewaltandrohng und Depravierung auf Dauer nicht aufrechterhalten kann.
Im weiteren Sinn kann man Sklavenausbeutung fassen als Teil der gesamten kolonialen Ausbeutung. Es fragt sich… ob man da nicht auch Parallelen zu den enclosures ziehen kann… das war dann gewissermassen die Kolonialisierung der Mutterland-Peripherien.
Und nochmal ein weiterer Parallelfall ist die von Wal angeführte forcierte Modernisierung (die zu zeitlicher „Verdichtung“ von Ausbeutung führt) und militärisch begründete Zwangsarbeit.
Alles Ausnahme-Situationen, die mit Industrialisierung, Modernisierung usw auf Dauer nicht gut vereinbar sind.
Lohnarbeit muss sich – wenigstens in der Perspektive – auch lohnen. Darum ja auch der ständige Versuch, den Leuten zu sagen, es gehe immer weiter aufwärts für sie…
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lapiz_lazuli: In deinem letzten Statement kommt die Theorie vor, dass sich Kapitalisten selbst im Weg stehen, wenn zu wenig konsumiert wird. Kapitalismus ist aber Produktivitäts-Steigerung – zumindest in der Version, die eben „lohnend“ erscheint – als Selbstzweck. Konsum STÖRT da, oder besser: der wichtigste „Konsum“, der da zählt, ist da derjenige zur Produktion NOCH produktiverer, noch innovativerer „Investitionsgüter“. Einiges dazu wurde in diesem thread diskutiert.
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Vielleicht wurde deine Frage angestossen durch die gegenwärtige arte-Reihe (bereits Gesendetes bei youtube: gib dort ein „arte“ und „kapitalismus“ – es stehen noch 2 von 6 Folgen aus). Dort wurde herausgearbeitet, inwiefern für einen Grossteil der Start-Bedingungen für Kapitalismus und Industralisierung die Ausplünderung der Kolonien – hier speziell durch Sklavenhandel – die Startbedingungen lieferte. Auf dem Hintergrund ist vielleicht auch meine Bemerkung zur „inneren Kolonialisierng“ (als Teil der ursprünglichen Akkumulation) zu sehen

22. Oktober 2014
Oje… jetzt hab ich mich wahrscheinlich doch allzu kurz gefasst. Sonst hätte Wat sich wahrscheinlich nicht mehr bemüssigt gefühlt…

Also, ich sage: da wo es um Wert und Ver-Wertung geht, ist ZENTRAL die Konkurrenz der Anbieter darum, produktiv zu sein – und das heisst immer: produktiver als die andern am selben Markt. Und… alle Nachfrager sind normalerweise auch Anbieter von was (müssen also mit ihrer Zahlungsbereitschaft haushalten, und die Konkurrenz der Anbieter nutzen). Und es ist wesentlich über Konkurrenz-Mechanismen, dass sich auch die Produktivität der Lohnarbeiter-Reproduktion (damit die Mehrarbeitsrate) erhöht – aber auch die Erpressbarkeit der Lohnarbeiter.

Sklaven(re)produktion kann nicht produktiver gemacht werden ohne produktivere Lebensmittel – und das heisst: produktiv hergestellte.
Und… ich hatte versucht zu zeigen: technologisch fundierte Produktivitätssteigerung erfordert Arbeitsbereitschaften, die nicht mehr auf schiere Anstrengung (die man mit „Antrieb“ mobilisieren, oder zur zweiten Natur und Gewohnheit werden lassen kann, als erzwungene Lebensform) hinauslaufen, sondern in gewissem Umfang Freiwilligkeit (wg Konzentration, Wachheit Aufmerksamkeit, Selbstdisziplnierng, Sorgfalt im Umgang mit den Produktionsmitteln usw) erfordern.
Zum Verhältnis der Südstaaten-Sklaven zur Maschine folgendes Zitat: „Während Aufstände selten waren, kam Sabotage öfter vor. Gerade die handwerklich ausgebildeten Sklaven hatten sowohl das technische Verständnis als auch die Möglichkeiten, an den Maschinen ihrer Besitzer großen Schaden anzurichten, ohne dass ihre eigene Tat dabei offensichtlich wurde.“

Ich weiss (leider, immer noch) nicht, was Wal über die Sklaverei bei den Griechen herausgefunden hat (möchte das Buch sehr gern mal lesen) – ich weiss bloss, dass man für Rom sagen kann, dass es sich dem realen Verlauf (sehr oft Freilassung (nach 15-20 Jahren oder Tod des Erwerbers) nach um eine Form der Umsiedlung, Assimilation, und letztlich Einbürgerung (Zivilstand „Freigelassener“) handelte.
Nicht zuletzt ja auch eine Form, mit nicht flächendeckend in Geldwirtschaft eingebundenen Bevölkerungen Formen der Kriegsentschädigung zu finden.
Ich glaube nicht, dass man Sklaverei als DAS massgebliche Produktionsverhältnis der antiken Grossreiche betrachten kann. Und dass sie – selbst wenn, wo, solang sie chronisch war – letztlich Ausnahmecharakter hatte – ua wegen der engen Verbindung mit dem Unterhalt der Kriegs-Maschinerie. Aber ich möchte Wal rechtgeben, es ist ein zu weites Feld imd führt, für sich betrachtet, uns zu weit weg. Drum hab ich die Frage von lapiz_lazuli auch eher verstanden als eine, von deren Beantwortung er/sie sich einen Beitrag zum besseren Begreifen der Lohnarbeit verspricht… Und so… wollte ich sie auch beantwortet haben.
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Nachtrag (sehe jetzt erst Kims Beitrag):
1. Es gibt meines Wissens, ohne dass ich das jetzt gugle, eine intensive Kontroverse, ob „Wert“ im eigentlichen Sinn vorkapitalistisch existiert und zwar genau aus den von mir eben genannten Gründen: weil es da keinerlei vergleichbare Dynamik der ständigen Neubestimmung von Wert gibt – die „Konkurrenz“ hatte schlichtweg keine produktiven Spielräume (ausser Natur- und Standortvorteile), um dauerhaft (also nicht nur durch „dumping“) die Mit-Wettbewerber aus dem Feld schlagen zu können. Natur-bedingte Angebots- und (meist durch Konflikte begründete, punktuelle) Nachfrage-Schwankungen überlagern da die langfristig festliegenden Relationen der Preise verschiedener Güter. Ob das immer Arbeitswerte waren, kann man in Zweifel stellen – die meisten Markt-Situationen – zumindest im Fernhandel – waren dazu vielleicht zu intransparent, und es gab vermutlich häufiger Monopole.
2. Zu Details der Sklaverei in den Südstaaten http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%BCdstaaten#Sklaverei bzw. USA  http://de.wikipedia.org/wiki/Sklaverei_in_den_Vereinigten_Staaten lohnt sich Wikipedia, ausserdem dort der Artikel über das Nachfolgesystem: Convict leasing http://de.wikipedia.org/wiki/Convict_Leasing
….

27. Oktober 2014
Kim, ich hatte LL so verstanden, dass er/sie sich durch Vergleich mit Sklaven-Ausbeutung vor allem über die spezifische ökonomische Form der Lohnarbeit Klarheit verschaffen wollte. Wir sollten imstande sein, dies ordentlich zu beantworten.

„Wert“ hatte in meinem Beitrag – darin vielleicht nicht ganz abweichend von Marx – zwei Bedeutungen:
erstens, „mittel/langfristig stabile (nichtsdestotrotz veränderliche) Relationen zwischen Güterpreisen (Tauschwerte)“, um die kurz- und maximal mittelfristig die Marktpreise – ausgelöst durch Nachfrage- und Angebotsschwankungen – „gravitieren“ oder „oszillieren“;
zweitens, dasselbe, aber als notwendig erwiesen durch Angabe des oder der dafür ausschlaggebenden Gründe.
(Die beiden Begriffe verhalten sich, diesem Sprachgebrauch zufolge, ungefähr wie die Begriffe „Syndrom“ und „Krankheit“ in der Medizin; Krankheit ist ein Syndrom mit bekannter Ursache.)

Entscheidend für die ganze Terminologie bzw den Bedarf nach einer Kategorie wie „Wert“ ist der Grundgedanke jeder „objektiven“ Werttheorie, dass „Angebot“ und „Nachfrage“ (die (Zahlungs- bzw. Preissenkungs-)Bereitschaften in Kombination mit (ebensolchen) Fähigkeiten (meist im Rahmen von limitierenden Gesamt-Budgets)) in Kernbereichen der Marktpreisbildung objektive Schranken für ihre Schwankungsbreiten haben, die nur entweder kurzfristig und/oder von Einzel-Marktteilnehmern, aufgrund von Ausnahmesituationen, überschritten werden (können).

Ich habe dann gesagt: Werte im ersten Sinn kann es vormodern, vor-industriell, vor-kapitalistisch geben. Dabei sind auch „objektive“ Schranken im Spiel – bloss gelten sie nicht für die Masse der Markt-Teilnehmer, weil sie resultieren aus zufälligen Natur- und Standort-Vorteilen. Solche Vorteile werden in modern-kapitalistischen, also Industrie-Gesellschaften durch technologische Errungenschaften tendenziell aufgelöst (politisch tritt daneben die Beseitigung von Privilegien, Monopolen/Kartellen, Zollschranken, „Handelshemmnissen aller Art“, Marktzugangshindernissen). Die nach wie vor bestehende Konkurrenz der Anbieter und Nachfrager an einem Teilmarkt wird dann bei marktgängigen, also bereits am Markt eingeführten Gütern (genau das heisst ja, dass es „für sie einen Markt gibt“) wesentlich bestimmt durch das Mass an überhaupt erreich- und dem Einzelanbieter verfügbarer Produktivität bei der Herstellung dieser Ware. Lohnarbeit zeichnet aus, dass ihre „Anbieter“ so behandelt werden und sich so verhalten, als wäre die zeitweise Vermietung ihrer Arbeitskraft ebenfalls eine Ware dieser Art. Das heisst: Dass die Konkurrenz der Anbieter den Preis der Ware in Richtung ihrer Reproduktionskosten senkt; und die der Nachfrager ihn steigert in Richtung der Schwelle zur lohnenden Ersetzung der „lebendigen“ Arbeit durch tote, das heisst durch eine kostengünstigere, arbeitssparende technologische Lösung gegebner Produktionsaufgaben. Sobald die Schere zwischen den beiden Schwellenpunkten zugeht, und technische Lösungen in jedem Falle die aktuellen Reproduktionskosten arbeitswilliger Lohnarbeiter unterschreiten, bricht der Markt für Lohnarbeiter an dieser Stelle zusammen. Im Mass, wie dies auf vielen Teil-Lohnarbeitsmärkten geschieht, wird durch zunehmende Konkurrenz der Lohnarbeiter ihr Marktpreis tendenziell auf allen Märkten (sofern nicht Zugangsschranken verbleiben, vor allem in Gestalt von Qualifikationen) in Richtung der Reproduktionskosten gesenkt. Dazu zählt die Reproduktion der Lohnarbeiterklasse; anders als im bekannten „Schweinezyklus“ ist die Reproduktionszeit für Wiederherstellung von Ausfällen im Fall überdurchschnittlichen Verschleisses und/oder Verarmung sehr lang; von daher gibt es ein rationales Interesse am langfristigen Erhalt der Lohnarbeiter (auch als Bestandteil ihrer Reproduktionskosten). Die paradoxe Wirkung einer generellen Senkung der Produktionskosten in allen Industriezweigen, die zur Arbeitseinsparung und verschärften Lohnarbeitslosigket und generalisierten Absenkung der Löhne in Richtung reine Reproduktionskost und darunter führt, ist dann diese: Sie senkt auch die Reproduktionskost selbst – die niedrigeren Lohneinkommen ernähren dann dennoch ihre Bezieher, und Lohnarbeit kann generalisiert wieder mit arbeitssparenden technologischen Alternativen zu ihr konkurrieren.
Der Mechanismus muss sich nicht durchsetzen über sichtbare Lohnsenkungen, im Normalfall genügt in modernen kapitalistischen Gesellschaften das Einfrieren der Lohnniveaus zusammen mit einer Verschiebung in der Verteilung der Lohnarbeiter auf die Lohnhierarchie. (Also Senkung des Durchschnittslohns bzw. des Gesamteinkommens der Lohnabhängigen-Klasse.)

Damit sind, meine ich, sämtliche Glieder für die Angabe der Unterschiede zur Sklavenarbeit und -ausbeutung gegeben.

Die Formel von den doppelt-freien Arbeitern benennt die beiden entscheidenden Rand-Voraussetzungen für ihre Optionen in der Konkurrenz am Lohnarbeitsmarkt:
erstens, sie können die Arbeitsstelle wechseln und Preis- also Lohnerhöhungsspielräume ausnützen, also die Konkurrenz, falls es eine gibt, der Lohnarbeitsnachfrager;
zweitens, sie haben im Gegensatz zu den Nachfragern ihrerseits keine Alternative zur Teilnahme am Lohnarbeitsmarkt, können also nicht aus ihm ausscheiden und auf eine für sie (bei zu niedrigen Löhne) lohnendere Reproduktionsform zurückgreifen. Daher die Lohnsenkungs-Spielräume nach unten bis hin zum Ausschluss von Teilen der Lohnarbeiter von Reproduktion überhaupt, falls die Nachfrager entsprechende technologische Lösungen finden.
Die durch Konkurrenz (und durch „Profit“ wesentlich mit ermöglichte) ständig vorangetriebene generalisierte (abstrakte) „Produktivitätserhöhung“ liefert, wie dargestellt, das ebenso „doppelte“ Gegenstück zur Lohnarbeiter-Freiheit:
erstens, die technologische Möglichkeit zur Arbeitseinsparung, die der Durchsetzung von Lohnerhöhungen Schranken zieht, und sie ins Gegenteil verkehrt bis hin zur Lohnarbeitslosigkeit;
zweitens, die Senkung der Reproduktionskosten der Lohnarbeiter, die Existenz (und womöglich sogar subjektive Existenz-Verbesserungen) bei niedrigeren Löhnen ermöglicht, damit auch Lohnarbeitslosigkeit wieder reduzieren kann.

Der Unterschied zur Sklavenarbeit besteht also NICHT darin, dass letztere nicht zur Warenproduktion für einen Markt genutzt werden könnte (stattdessen „bloss“ für Gebrauchswertproduktion, spätestens in letzter Instanz), oder dass die erzielten Profite nicht zu einer Ausdehnung der Stufenleiter des Geschäfts genutzt werden könnten, oder dass keine Ausbeutung stattfände, oder dass die physische Produktion (bzw. Herbeischaffung) und/oder Ersatz der Sklaven bzw Lohnarbeiter nicht mit bezahlt würde.
SONDERN darin, dass die Konkurrenz der Sklavenhalter (eine der Sklaven gibt es ja nicht, höchstens eine der Sklaven-Lieferanten), sofern sie Warenanbieter sind (nur dann sind sie ja mit Lohnarbeits-Käufern vergleichbar), kein ökonomisches Motiv und eben auch meist keine technologischen Optionen einschliesst, Sklavenarbeit „einzusparen“ und/oder deren Reproduktionskosten stabil zu verbilligen. Es gibt da meist nur die (mörderische) Alternative eines erhöhten „Durchsatzes“, und die ist meist wenig Produktivitäts-steigernd, bzw. verbraucht die irgendwoher stammende „Natur“-Ressource der Sklavenbevölkerung in nicht nachhaltiger Weise. Umgekehrt gelten die Gründe GEGEN den Betrieb technologisch (!) anspruchsvoller Warenproduktion mit Sklavenarbeit, die von mir oben angegeben wurden, weiterhin: Bedienung komplexer Maschinen setzt Kooperation voraus. Umgekehrt: Wenn Klassenkämpfe und die Verzweiflung der Lohnarbeiter als KLASSE soweit gediehen sind, dass die Beschäftigten flächendeckend zu Betriebssabotage neigen, ist dort und dann wahrscheinlich erstmal die Fortsetzung der kapitalistischen Produktionsweise infragegestellt. Die beruht eben nicht bloss auf Zwang, und kann nicht darauf beruhen; die Lohnarbeit muss für hinreichend viele Lohnabängige grundsätzlich als ihre Erwerbs- und Lebensunterhaltsquelle angesehen werden können.

Ich hoffe, „das“ Argument im Sinne der Anfrage von Lapiz_Lazuli ist damit geliefert.

27. Oktober 2014
Achtung – es gibt zwei Nachträge/Edits nach dem Erst-Posting (am Ende des Beitrags)
Hallo AgneS, schön dich wieder zu lesen – und die Sache mit dem (Arbeits)Wert vielleicht näher an eine Klärung heranzubringen.
Bei Wal hast du dich, meine ich, ein bisschen verlesen:

AgneS schrieb:
Ich bin etwas verwirrt: Weil ja Sklaven offensichtlich ausgebeutet werden, müssen sie also auch Wert schaffen?

Wal hat bloss behauptet, dass es unter marxistischen Vorannahme widersinnig sei, Sklaven als konstantes Kapital aufzufassen – weil sie als solches keinen Mehrwert produzieren würden, was marxistisch Ausgebeutetwerden impliziert – da sie aber offensichtlich ausgebeutet werden und Mehrarbeit leisten, können sie schon darum nicht sowas wie konstantes Kapital sein. Soweit so logisch. DU hattest gelesen und widerlegt, dass sie keinen Wert produzierten, und die behauptete Tatsache ihres Ausgebeutetseins DEM widerspräche. Aber Wal sprach vom Widerspruch der Ausbeutung gegen die Behauptung der Mehrwert-, nicht gegen die Wertproduktion.
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Was nun dein Zitat aus meinem Text anbelangt, so war es zugegebenermassen etwas kurz gehalten, aber im Kontext der Ausführung davor so gemeint: Es gibt kein ökonomisches Motiv (keinen Zwang) zur Anwendung technologischer MIttel zur Einsparung von Sklavenarbeit bei gleichzeitiger Fortsetzung dieser Arbeit. Es gibt keinen Zwang, heisst normalerweise: Die Mit-Anbieter auf dem Markt, auf dem der Sklavenhalter Waren aus Sklavenarbeit anbietet, wenden keine solchen arbeitsproduktivitäts-steigernden Produktionsmittel und Technologien an. Sonst müsste der Sklavenhalter das relativ bald auch tun – spätestens wenn die Reproduktionskost-Stückkosten der Lohnarbeit in Kombination mit der Wertübertragung pro Stück der eingesetzten Produktionsmittel dank ihrer Produktivität unter selbst „günstigsten“ Umständen für die Anwendung von Sklavenarbeit unter den Stückkosten der Sklavenarbeit liegen. Spätestens dann aber bekommt der Sklavenhalter Probleme mit Sabotage usw.
—————————-
Wir finden uns beim nächsten Punkt an genau der Stelle, wo im Arbeitswerttheorie-thread die Debatte mit dir aufhörte. (Wobei ich, wie du weisst, selbst diese Theorie kritisiere, allerdings mit zwei Pointen: Erstens, sie traf zu Marx Zeiten zu; zweitens, mit den, den mittlerweile eingetretenen Fortschritten angemessenen (welche das aus meiner Sicht sind, steht in meinem Blog) Abänderungen kann diese Theorie ZUNÄCHST durchaus „rehabilitiert“ werden und verliert dann den stark kontra-intuitiven Charakter für zumindest Nichtmarxisten, den sie zwischenzeitlich angenommen hatte. Endgültig problematisch wird sie (wie auch die neoklassische Preiserklärung, auf die allem Anschein nach auch deine, ansonsten Kapitalismus- und Eigentums-kritische Preiserklärung hinausläuft) meines Erachtens, wenn Innovation und Kredit mit einbezogen werden. Was freilich erst noch zu beweisen wäre. – Soviel zur Einordnung in den grösseren Zusammenhang wenigstens MEINER Sellungnahme zu diesen Themen.
Das Problem, das ich mit deiner, naja, irgendwie subjektiv-werttheoretischen Ableitung einer Erklärung von Preisen habe, ist: Dass sie lauter NOTWENDIGE Voraussetzungen für Warenproduktion und -handel benennt, aber keine für Erklärung von Preisen hinreichenden. Das ist erstmal noch keine unmittelbare Kritik; denn die von dir genannten Voraussetzungen treffen eben AUCH zu (Arbeitsteilung, Ausschluss vom Eigentum anderer, Wertvernichtung durch Tausch (sofern die Ware nicht weiterverkauft und/oder für Verkaufszwecke weiterverarbeitet wird)). Man muss die weiteren Voraussetzungen (die auch durchaus „subjektiv“ vollzogen werden müssen!) ja nicht nennen – jene, die erfüllt sein müssen, damit, etwa, ein Warenproduzent dauerhaft einer bleiben und immer wieder (nach Weggabe des Produkts) erneut was zum Anbieten hat (maW damit er sein Produkt REPRODUZIEREN kann – seine Ware). Natürlich kann er durch Zustimmung zu ruinösen dumping-Preisen sein Geschäft mutwillig oder fahrlässig ruinieren. Dann hat er zwar immer subjektiv freiwillig was weggegeben, nur leider kann er das nicht allzulang treiben Wenn alle das machen, und Kosten keine Rolle spielen sollen, sind bald alle pleite. Kapitalismus ist aber kein Kinder-Kaufladen, wo man hernach das Spielgeld und die Waren-Tütchen immer wieder neu unter die Mitspieler verteilt. Es gibt da noch ein paar Notwendigkeiten zu beachten, und die WERDEN auch beachtet. Du willst den Kapitalismus verstehen? Dann… lass uns mal über (Reproduktions)Kosten reden. Dann kommt auch das Mehrprodukt (beachte: PRODUKT! nicht bloss Nominal-Mehr-Geld/Preissumme oder dergleichen) herein. Über speziell das „Mehr“ der dabei beteiligten (Lohn)Arbeit, die Mehrarbeit, und den Mehrwert, kann man sich dann immer noch unterhalten. – Das war jetzt erstmal der Vorspann.

Ebenfalls im Vorfeld der eigentlich zu führenden Auseinandersetzung möchte ich zwei Marx betreffende Aussagen von dir richtigstellen:
Erstens

AgneS schrieb:
Und auch sind in Betrachtung von Karl Marx m.E. Boden und Maschine und Pferd und Sklave bezüglich der Wertschöpfung jeweils gleichgestellt und alle somit unbedeutend.

„Somit“ ist falsch. Sie sind nach Marx höchst bedeutsam, nämlich als Momente der „Durchschnittsbedingungen der Produktivität“, unter denen die für das erzeugte Wertquantum verausgabte Güter-Art oder Güter-Kombination einzig Wert erzeugt. Sind sie nicht vorhanden, wird kein oder wenn überhaupt, dann deutlich weniger Wert erzeugt.
Zweitens:

AgneS schrieb:
Jetzt der Trick:
Diese Arbeitskraft selbst aber schaffe als einzige hier neuen Gebrauchswert (Ja aber eben nicht ohne Nutzung der Produktionsmittel ;)- sei es drum) und dem neuen Gebrauchswert käme ja auch ein neuer Tauschwert zu. Hier müsse nach Marx der Mehrwert her stammen.

Also dass du da den Gebrauchswert und dazu noch den mit „ja auch“ an diesen dran-geklebten (als wär der Gebrauchswert bei Marx der GRUND des Tauschwerts, und nicht bloss Voraussetzung???) Tauschwert anführst, ist schon eine gewisse Verballhornung der Marxschen Theorie. Die fängt ja nicht erst im Zusammenhang mit Gewinn, Profit, Mehrwert an von Arbeit (und, naja, durchschnittlich-produktiv eine gewisse Frist lang benutzter Arbeitskraft) zu sprechen – sondern tut dies bereits beim Wert selbst; darauf solltest du bei deiner Paraphrase schon zurückgehen. Denn der Mehrwert ist Teil des Werts der Ware – und damit die Wert incl Mehrwert zugesprochen bekommt, müssen allerhand weitere Voraussetzungen laut Marx erfüllt sein: Teil der ges.Gesamtarbeit muss die Arbeit gewesen sein (das war elegant formuliert von Marx aber… sollte eventuell ein wenig genauer ausgeführt werden); unter Durchschnittsbedinguungen der Produktivität verausgabt; Teil eines Warenquantums, dessen Herstellung mehr Arbeit kostet, als zur Reproduktion des Arbeiters nötig.
Na gut, für dich ist das eh ohne besonderes Interesse, weil dich ja die QUANTITATIVE Seite des ganzen nicht so interessiert.
Warum – das wird klar, wenn man deine Ausführungen zum Zusammenhang von Ausbeutung und Eigentum liest

AgneS schrieb:
Wenn das verwerfliche hier die Ausbeutung sein soll, was wäre denn geholfen, wenn diese schlicht entfallen würde bei sonst gleichbleibenden Eigentumsverhältnissen. Das Problemist doch gar nicht die Ausbeutung selbst, sondern der Zwang durch die Eigentumsverhältbnisse und der sie stützenden Gewalt.

Man könnte denselben Gedanken gegen dich wenden, unter Vertauschung von „Ausbeutung“ und „Eigentumsverhältnissen“ – da käme ungefähr die selbe Seltsamkeit heraus: Der Zwangs-Charakter der Ausbeutung kommt doch durch Ausschluss der Masse der Bevölkerung von der Verfügung über die produktiven industriellen Produktionsmittel sowie Grund und Boden zustande. Das kritisierst du deinerseits ja auch. Die Differenz… ist an sich keine; höchstens, dass halt Marx, und „wir“ hier in seinem Gefolge, speziell ich mit meinen theoretischen Extratouren (s. mein Forums-Blog) noch einiges mehr verstehen wollen – durchaus auch zu Kritik-Zwecken; etwa indem Kapitalismus-Legitimationen widerlegt werden. Und… indem eventuell entschieden werden kann über Prognosen der Art: Kapitalismus führt notwendig oder mit grosser Wahrscheinlichkeit in Zustände, in denen dieses „System“ seine Spielregeln bloss noch aufrechterhalten kann, indem es die Reproduktion der Masse der Bevölkerung untergräbt. Oder… in denen seine groteske Ineffizienz in der Steuerung globaler Arbeitsteilungs-Zusammenhänge (und sein Mangel an Ein- und Vorsicht in der Gestaltung des Produktionsaufbaus sowieso) offensichtlich wird.

Nachtrag/Edit 1:
So ganz kann ich dir leider beim Beharren auf der Tatsache des Eigentums an allem (reproduktiv) Nützlichen als hinreichender Grundlage einer Kapitalismus-Kritik nicht rechtgeben. Das theoretische Problem dabei ist, dass man dann ziemlich viel ökonomische Kategorien aus dieser Voraussetzung ALLEIN ableiten muss. Ich glaube nicht, dass das für „Geld“ ohne weiteres gelingt. Und wenn Geld/Preise und geldvermittelte Eigentumsübergänge mit dem ganzen Vertragsrecht, das da dran hängt, vorausgesetzt ist – bin ich mir nicht sicher, ob ohne weitere Voraussetzung (die werden bei so hyper-eleganten Ableitungen gern mal stillschweigend-implizit gemacht) schon auf die Notwendigkeit von Konkurrenz zu schliessen ist. Und ich bezweifle sogar, ob DAS dann hinreicht (zur Ableitung des Rests). Aber das… greift möglichen Debatten weit vor…

Nachtrag/Edit 2:
In einer andern Hinsicht hingegen stimme ich dir modifiziert zu: Alles, was zur Erzeugung bestimmter Güter MIT SICH SELBST REPRODUZIERT werden muss, geht in die Wert-Bestimmung ein Zu Marx Zeiten traf diese Bedingung einzig u auf die allgemein (ohne besondere Qualifikation) verwendbare Handarbeit (und zugehörige Bereitschaften in Gestalt von Lohnabhängigen-Sekundärtugenden wie Disziplin, Pünktlichkeit, Sorgfalt, Konzentration, Ausdauer, Beachten und Einhalten von Reproduktionsnotwendigkeiten in der Freizeit, sparsame Haushaltsführung etc). Heute auf einen ausgedehnten ern des gesamten Industriesystems (mitsamt der darin angewandten qualifizierten wie unqualifierten Arbeit, ohne die es sich nicht erhalten würde, so wie sie nicht ohne es) Damit hast du auch schon meine Antwort auf die Frage: Was denn an die Stelle der abstrakten Arbeit(szeit) als wert-bestimmende Grösse treten oder längst getreten sein soll? Diese Antwort wurde bereits im AWT-thread angedeutet; dort znächst unter Verweis af die Reproduktions-Anforderunge der Einzel-Warenproduktion (damit sie wiederholt werden kann, muss das Produkt die für seine Produktion nötigen Produktionsfaktoren mindestens (geldvermittelt) „einzutauschen“ gestatten. Für die Gesamtheit aller Waren, die in die Basis-Reroduktion involviert sind, gilt, dass jede direkt oder indirekt in jede andere solche Ware eingeht, und dass für jedes Paar derartiger aren gilt, dass ihre Tauschwerte unabdingbar festliegen (dh es gibt ein und nur ein System von reisen, durch die das Syste „reproduktiv ist). ABER… es lagert sich der reproduktiven Basis ein Handel mit Überschüssen, zunächst des Basis-Systems, dann auch von asu der Weiterverarbeitung dieser Überschüsse entstehenden „Luxuswaren“ (auch für staatliche Zwecke: zB Rüstungsgüter ua) auf. Die Preisbildung dort richtet sich wesentlich nach Zahlungsbereitschaften und zugleich Zahlungsfähigkeiten im Rahmen begrenzter Gesamt-Budgets der Nachfrager. Diese Preisbildung bzw Nachfrage verzerrt Preise und Absatzmengen-Relationen, wie sie im Basissystem angemessen sind
Ich sehe dies in etwa als Verallgemeinerung der Marxschen Arbeitswerttheorie AWT bzw. ihre heutigen Verhältnissen angemessene Abwandlung an. Mehr dazu im AWT-thread sowie in meinem Forums-Blog.

28. Oktober 2014

AgneS schrieb:
Ok, dann hatte ich deinen springenden Punkt wohl nicht getroffen – aber auch da sehe ich den Unterschied zwischen Lohnarbeiter- und Sklavenbeschäftigung nicht.
Das Motiv des Unternehmers nach Gewinnmaximierung ist doch hier wie dort gegeben.
Wenn du aber nur daraufhinaus willst, dass Lohnarbeitsbeschäftigung im Kapitalismus z.Z. lukrativer ist als Sklaven zu halten, dann kann man ja nur zustimmen.
Aber was hat das damit zu tun, ob bei dennoch stattfindender Sklavenarbeit im Kapitalismus die Sklavenarbeit den Mehrwert (im Marxschen Sinne) generiert,

Mein „springender Punkt“ war: Kapitalismus ist konkurrenz-getriebene Gewinnmaximierung durch ständige PRODUKTIVITÄTSSTEIGERUNG (ua Steigerung der LohnarbeitsProduktivität) – genauer: Steigerung der Produktivität der sich mit sich selbst reproduzierenden (industriellen) Basisgüter(potentiale), zu denen, als wäre sie eine be- und vernutzbare Sache wie andre, die Arbeitskraft (also auch ein Potential) von Lohnabhängigen gehört. „Werte“ sind die in diesem Dauer-Wettlauf aktuell „gültigen“ möglichen (geld-vermittelten) Tauschverhältnisse zwischen solchen Basisgütern, Mehrwert die entlang solchen Werten sich aus Zahlungsfähigkeiten und -bereitschaften bildenden Preise derselben Gütersorten, sofern sie zur Reproduktion-der-Basisgüter-mit-sich (oder kurz: ur Reproduktion) nicht benötigt, sondern „überschüssig“ sind und in nicht-reproduktiv benötigten Produkten weiterverarbeitet, mit andern solchen weiterverarbeiteten Produkten (geldvermittelt) gehandelt bzw getauscht werden. Die Mechanismen der Konkurrenz, denen die Anbieter des Basisgutes „Lohnabhängigen“-Arbeitskraft unterliegen, hatte ich im vorletzten Beitrag versucht darzustellen. Kapitalismus herrscht bloss dort, und kann nur in jene Produktionssphären (und aus ihnen belieferte Marktsegmente) vordringen, wo die technologischen Voraussetzungen für den Ersatz lebendiger Arbeit durch tote (und somit speziell STeigerung der Lohnarbeits-Produktivität) vorliegen. Ich spitze da dann auch das Marxsche Kriterium für Wert-haltigkeit einer Ware zu: Sie muss unter den AKTUELL GÜLTIGEN (und durch weitere Produktivitätssteigerungen jederzeit verschiebbaren) Produktivitätsbedingungen hergestellt sein.
Sklavenarbeits-Produkte mögen in den Handel mit kapitalistischen Industrie-Produkten eintreten und „dagegen“ getauscht werden. Die Sklaven haben aber normalerweise nicht sich-mit-sich reproduziert oder waren Teil eines solchen selbst-reproduktiven Systems (vielmehr bedurfte es ständigen Nachschubs, weil Sklavenfamilien nicht stabil und dauerhaft funktionierten). Es wurden mit den Produkten ihrer Arbeit keine Produktionsmittel beschafft, die ihre Arbeit produktiver gemacht hätten (was auch an de Grenze der Kooperationbereitschaft von Sklaven gestossen wäre). Die Sklavenarbeit wurde nicht als Tel eines Produktionssystems eingesetzt, in dem ihre Reproduktionskosten durch Anwendung fortschrittlicher Technologie ständig gesenkt werden konnten. Aus ökonomischen Gründen wurde Sklavenarbeit spätestens in dem Moment obsolet, wo die jeweils mit ihr betriebene Produktion Anschluss an ein technologisch daur-innovative industrielles kapitalistisches Reproduktionssystem fand. Die Sklavenhalter waren nicht produktive Anwender der Sklaven in der Art, wie lohnabhängige Arbeiter und/oder selbständige Handwerker mit Maschinen produzieren. Sie erwarben durch Verkauf der Produkte der Sklavenarbeit vielmehr (sofern sie die Sklaven diese nicht selbst herstelen liessen) die Lebensmittel der Sklaven, und Mitel einer luxuriösen Lebensführung für sich. Das hatte Kim oben immer beschrieben als: Gebrauchswerterwerb sei der Zweck dieser Produktionsweise. Die Sklaverei und der Besitz von Sklaven fungiert hier zusammen mit dem Besitz der Plantage als monopolisierte „knappe“ und nicht mit sich oder sonstwie industriell vermehrbare Naturressource. Deren Nutzung bzw. Produkte aus ihrer Nutzung wird normalerweise mit Anteilen des Mehrprodukts (die „Mehrwert“ realisieren) kapitalistischer Industriegesellschaften bezahlt.
Tja – so umständlich kann ich leider meinen springenden Punkt bloss mschreiben. Vielleicht können auch die andern Leser des threads sich an der Wiederholung nochmal (und vielleicht besser als uvor) klarmachen, worin nach meiner Einschätzung der UNterschied zwischen (wert-erzeugender) Lohn- und (nicht solcher) Sklavenarbeit besteht.

29. Oktober 2014
AgneS, hier ist bereits die Ur-Kontroverse mit dir betroffen – nämlich, inwiefern bei der Preisbildung über die von dir (mutmasslich) genannten Einflüsse/Vorausetzungen/Bedingungen – die bei dir im wesentlichen auf eine „subjektive“, man könnte ebensogut sagen: eine Nicht-Werttheorie, hnauslaufen – weitere solche, die bereits von dir angeführten weiter einschränkenden, massgeblich sind. Der NAME für Gemeinsamkeiten der Produkte aus Sklavenarbeit und Lohnarbeit mag „Wert“ sein; hier ging es aber um einen wesentlichen, in marxistischer Theorie gesprochen, FORM-Unterschied der Sklaven- zur Lohnarbeit. Die Sklavenarbeit war nicht und konnte nicht sein (aus den dargelegten Gründen) die allgemeine Form der Arbeit einer sich ständig modernisierenden privatwirtschaftlich organisierten beginnenden Industriegesellschaft. Bedeutsam war sie – wie auch andere Formen der kolonialen Ausbeutung, etwa bei der Zufuhr von Rohstoffen – in ganz bestimmten Marktsegmenten. Grundsätzlich sind alle „kolonialen“ und „emerging markets“ oder arme Länder nutzende Formen der Preisgestaltung (notwendig beinah immer nur für Naturressourcen und vor- und/oder früh-industrielle Humanressourcen) Anomalien und vorübergehend; bei nehmender „Globalisierung“, Modernisierung, Industrialisierung und darum „Kapitalisierung“ der betreffenden Regionen, Nationen, Produktionsweisen verschwinden sie – spätestens aus ökonomischen, also Konkurrenz-Gründen (gegen deren Wirkung allenfalls politische Schutzmassnahmen („protektionistische“) helfen).
Die AWTler können aus meiner Sicht mit der Sklavenarbeit kein theoretisches Problem kriegen. Insofern… mache ich mich in der Hinsicht hier für die mit stark. 8)

ENDE thread Benutzer-Avatarbild
Inwiefern unterscheidet sich Lohnarbeit von Sklavenarbeit?
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thread: Wer braucht eine Partei?

28. Oktober 2014−2
Ergänzung zu dem von Wat Gesagten.
In der Rechnung von Matou_San bleibt etwas wesentliches offen: WER erzieht, WER führt? Worauf soll sich denn das Vertrauen der zu Erziehenden und zu Führenden begründen? Vor allem, wenn sie noch nicht erzogen sind, und nicht von sich aus schon einsehen, was die Führer als richtig erkannt haben.. Dem muss also eine Vor-Erziehung und Vor-Anleitung (ohne Einsicht) vorausgehen. Nun… in eine solche Rolle würden sich die vielen „soz. Kleingruppen“ schon sehr gerne begeben (natürlich nicht mit den andern ihresgleichen – sondern als EINZIGE, die die Massen führen darf).
Tja. Viele fühlen sich berufen.. aber nur wenige sind auserwählt.
Und.. hier gehört auch mein früher schon geäusserter Spruch hin: Auf Sekten und Sektierer schimpft, wer alleinseligmachende Kirche sein will.

Der Verzicht auf Erziehung und Führung könnte sogar als Kern des Übergangs weg von der Klassengesellschaft geehen werden.
Was gern vergessen wird: Dies ist keine Änderung im „Überbau“. Es ist eine extrem weit reichende Anforderung an die Arbeitsorganisation der (klassenlosen) Gesellschaft und ihre Art, Einzel-Schritte ihrer Reproduktion technisch miteinander zu verknüpfen (das ist, was ich „Produktions-Architektur“ nenne; vgl. dazu den demnächst fortzuführenden kürzlich neueröffneten thread unter diesem Titel).

Manche kennen ausschliesslich Produktivität und technischen Fortschritt als Ziel. Um das zu ermöglichen, nehmen sie dann gern ein wenig, oder auch ein wenig mehr Erziehung, Führung, Herrschaft inkauf.
Es stimmt schon: Andere Ziele, andere Wege… und umgekehrt..

28. Oktober 2014
War: Autsch. Jetzt hast du definitiv die falsche gebissen. :rolleyes:
Macht nix. Allem, was du im Beitrag davor oder danach sagst, stimm ich zu. (Eine objektiv beschreibbare ANFORDERUNG ist kein Zwang. Wenn man sich entschliesst, ihr nicht zu genügen – bittesehr!) Mir ist das so wichtig wie dir. So sehr, dass ih mich sogar grundlos beissen lass. Lieber einmal zuviel gebissen als einmal zuwenig.
Ich hoffe, dass mein Beitrag von vorn bis hinten zu lesen ist als Argumentation GEGEN das autoritäre Denken, das in Matou_Sans Vorschlag in Erscheinung trat.

30. Oktober 2014
OK Matou_San, der stellenweise etwas flapsige Ton in meinem Beitrag (Entschuldigung dafür) hat dich erfreulicherweise nicht abgehalten zu antworten.

Das simple Gegenkonzept gegen die Erziehung und Führung, oder auch Empfehlung und Beratung durch eine Partei ist: Alle fühlen sich dafür selbst verantwortlich. Alle müssen dann die Mühe auf sich nehmen, ihre Differenzen mit andern (soweit die echt hinderlich für gemeinsame Aktion sind) durchzusprechen
Solang dann da „jeder sein eigenes Süppchen kocht“ (und dann wohl auch auslöffelt), ists mit der Verständigung offenbar nicht sehr weit gediehen.
Was bittesehr soll denn die FORM „Partei“ daran ändern? Was macht denn jetzt eine in Räte sich gliedernde Gruppe von Empfehlern und Beratern anders, als sie alle zusammen als Einzelpersonen schon können und wissen und sagen? Wenns DARAUF hinausläuft. und nicht auf ein: Basta jetzt! Schluss mit Debatte und Süppchenkochen!

Die Frage ist darum äusserst grundlegend, weil sie halt auch abzielt auf die: Wie man eigentlich das eigentumsfreie Produzieren in der Produzenten-Assoziation organisiert. Das hat sich ja zu einem Schwerpunkt-Thema hier im Forum entwickelt, beginnend mit dem thread „Alle planen alles – wie?“ über „Arbeiterforderungen von 1848“ bis u „Know-How usw“. Dabei wird ua als Thema behandelt, inweifern für den „Übergang“ sowas wie Führung und Arbeitsteilung (beim Entscheiden, Wissen usw) inkaufgenommen erden soll – oder ob das, wozu man auf DIE Weise übergeht (Wat wiederholt den Punkt zurecht immer wieder), notwendig so bleibt bzw noch schlimmer werden wird.

Bei den soz.Kleingruppen kann man schon fragen: Einmal, ob „Taktiken“ und „Methoden“ für das, worum es geht, nötig oder überhaupt geeignet sind; und… wieso bei gleichem ZIEL dann die so unüberwindliche Verschiedenheit (das Süppchenkochen) zustandekommt?
Das „Leninistische“ scheint mir nicht nur im autoritären „demokratische Zentralismus“ zu bestehen; sondern im weiteren Sinn vor allem in einer Analyse und Praxis, die in der „Abschaffung“ des Kapitalismus die Hauptaufgabe sieht (danach ist alles ganz anders, Staat und Partei sterben ab, aber ja sicher doch…). Während ich, tendenziell mit dem hier neu eingeführten Wort „kommunalistisch“ eher den AUFBAU der eigentumsfreie Strukturen für die Aufgabe, aber eben auch die Hauptschwierigkeit halte Und in die mengt sich leider ein die Frage nach der Art: WIE man produzieren will; ob weiter hocharbeitsteilig und am besten „global“? Oder… ob da wichtige Modifikationen im Bereich der Technik, der materiellen Basis der ganzen Produktion, anstehen. Und nicht: (jetzt wieder „leninistisch“) die politische, (klassen)kämpfende Übernahme der (nützlichen, hochentwickelten) Produktionsmittel durch die daran längst „vergesellschaftet“ arbeitende „Lohnabhängigenklasse“ (die es nach dem Übergang ja nicht mehr ist). Allerdings war sie vergesellschaftet und so überaus produktiv unter einem irren, politisch-religiös-irrationalen, ausbeuterischen, hoch-destruktiven, in Wahrheit komplett unkotrolliert herum-wabernden und ziemlich steuerlos, beinah ohne jede soziale Ein- und Vorsicht weltweit wuchernden Riesenunternehmen namens weltweiter Marktwirtschaft, Weltmarkt, Weltkonkurrenz. DAS übernehmen wollen… halt ich für ein äusserst fragwürdiges Unterfangen.
Was kann man da übernehmen und von anderm abtrennen – was einfach weglassen?
DAS ist der sehr ernste und fundamentale Hintergrund für alle Debatten darüber, inwiefern Partei und Methode und Taktik für das angeblich gemeinsame Ziel (wirklich?) gebraucht werden. Wenn da meine und Wats anti-autoritären oder „libertären“ Reflexe betätigt worden sind, sind es DIESE Themen, auf die man zu sprechen kommen müsste. Und… wie gesagt, es geschieht ja auch im Forum.
Oder meinst du, das mit der Partei ist ein eigenes Thema, getrennt von den genannten Fragestellungen?
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PS: Das mit der Kirche und den Sektierern ging weder gegen dich, noch gegen die Gruppen, sonder gegen Leute, die die Sektierer-Kategorie überhaupt in den Mund nehmen. Das hat indirekt dann aber schon was mit „Partei“ zu tun.. denn dort sitzen ja die klugen, wissenden, fortgeschrittenen und überlegenen Theologen… oder Ideologen.. oder nein, bloss Berater und Empfehler. Die den Leuten sagen, was sie lesen KÖNNTEN (und was dann eher NICHT: Index). Und… die möglichst dafür sorgen, dass nicht die falschen Ratschläge gegeben werden, von dissidenten Partei-Grüppchen, die den Beratenen mit ihren Ratschlägen SCHADEN würden… bis hin dazu, dass am Ende womöglich alles bloss noch strittig und umstritten ist, also vor allem das von ihnen doch (gegen alle Einwände) als richtig Erkannte.. und dann alle nur noch ihr eigenes Süppchen kochen – statt das der klugen, wissenden usw
Einigkeit kriegt man aber nicht zum Nulltarif.
Ausser… in der katholischen Kirche, und dann direkt vom lieben Gott geschenkt.
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thread: Benutzer-Avatarbild
Fragen zur Arbeitswertlehre

29. Oktober 2014+1
Hallo Cengiz, hallo Mitleser und -schreiber…
um die Kontroverse um die AWT kurz mal einzuordnen: Es geht dabei um eine ÖKONOMISCHE Theorie (von Marx), mit der zunächst Sach-Zusammenhänge in Gesellschaften mit „kapitalistischer“ Wirtschaft ERKLÄRT werden sollen. Die Erklärung dessen, was dort tatsächlich aufgrund der Spielregeln dieser Wirtschaft (Konkurrenz, Privateigentum (weniger) an den Produktionsmitteln, Märkte ua) NOTWENDIG (und nicht etwa erst zufällig durch weitere Randbedingungen, zB „Gier“ einiger Akteure und dergleichen) stattfindet, führt dann auf die KRITIK, sie „de-legitimiert“ die kapitalistische Wirtschaftsweise, indem sie Behauptungen von deren Befürwortern über die Vorteile, die sich damit verbinden, widerlegt. Diese Kapitalismus-legitimierenden Behauptungen über „Vorteile“ sind von ursprünglich 3 auf heute bloss noch 1 geschrumpft:
1. Kapitalismus bietet die gleichen Chancen für jeden, sich durch harte Arbeit, Kreativität und Kunden- bzw. Markt-Orientierung zu bereichern. (Stimmt nicht: Es sind uneinholbare Vermögensunterschiede entstanden, „Klassen“ – die Zugehörigkeit zu ihnen vererbt sich, nicht anders als im angeblich überwundenen Ancien Regime, durch Vererbung des Vermögens).
2. Kapitalismus motiviert und belohnt Fortschritt, vor allem in Gestalt von Produktivitätsfortschritt; die zementierte Klassen-Ungleichheit ist dabei ein Mittel, von dem aber ALLE profitieren (und mehr profitieren als bei Gleichheit) (Stimmt nicht: Das kapitalistische Fortschrittsmass zieht extrem destruktive Fehl-Nutzungen von Natur- und Humanressourcen nach sich; auf mittlere und lange Fristen profitieren von dem, was da an Fortschritt und Reichtumszuwachs allenfalls übrig bleibt, im wesentlichen nur Kapitalbesitzer, während bei den andern ihre Lage stagniert oder sich verschlechtert (Langzeit-Lohnarbeitslosigkeit; Niedriglohnsektor; von den „Fortschritten“ bei der Ausbeutung in „armen“ Regionen ganz zu schweigen.)
3. Kapitalismus leistet, wenn schon keine Fortschritts-, doch wenigstens eine – politisch allerdings ständig zu beaufsichtigende – Organisation, Steuerung und Kontrolle der anders nicht organisierbaren hoch-arbeitsteiligen modernen gesellschaftlichen und mittlerweile sogar globalen Produktion.
Dieser Punkt ist der letzte der drei, der noch nicht völlig bestritten wird.

Welche Rolle spielt nun die Marxsche Theorie, und speziell ihre wesentliche Grundage, die AWT?
A. Die Marxsche Theorie verkörpert eine (spezielle, eben die AWT-Variante, einer allgemeinen) Art der ökonomisch-theoretischen Erklärung, die gegenüber den etablierten „bürgerlichen“ Theorien DIFFERENZIERTER ist, weil sie tendenziell zwei unterschiedliche Arten von Anbieter/Nachfrager-Verhältnissen berücksichtigt: Solche, wo zwischen Anbietern und Nachfragern von Waren ein dauerhafter („sich reprodzierender“) Güter-Kreislauf stattfindet; und solche, für die das nicht gilt. Die meisten am Markt regelmässig angebotenen Güter (wegen der Regelmässigkeit kann man von einem „Güter-(Zu)Fluss“ sprechen) teilen sich in eine Portion, die am „Kreislauf“ teilhat – sie ist Teil des „Re-Produkts“; und eine, die in den anderen Markt-Verhältnissen zu ihren Nachfragern steht – sie ist Teil des „Mehrprodukts“. Diese Unterscheidung kann nur in Theorien des Typs gemacht werden, von denen die Marxsche (bzw. ihre Vorläufer in Gestalt der „klassischen“ Theorien von Smith und Ricardo) bisher die einzige Variante darstellt.
Man könnte sie „Reproduktions-Theorien“ nennen, im Gegensatz zu den etablierten „einfachen Angebots-Nachfrage-Theorien“.
B. Ich behaupte nun: Vor der endgültigen Ausbreitung von Schwerindustrie, präzise: der Ausbreitung von Technologien, wo „Reproduktions“-entscheidende Produktionsmittel nur noch mit ebensolchen Produktionsmitteln REPRODUZIERT werden konnten, traf die Marxsche AWT zu, und war eine (soweit das überhaupt möglich ist) korrekte Darstellung bzw Erklärung der wesentlichen Vorgänge zeitgenössischer kapitalistischer Wirtschaften (damals vor allem England, eventell auch die USA und Frankreich), also noch der 1860er Jahre*). Die von AgneS behaupteten Schwierigkeiten dieser Theorie lassen sich mE auflösen. Das ist aber ein ziemlicher Fach-Diskurs, den ich hier erstmal noch nicht anfange. Für den technologischen Umbruch, den die Mechanisierng der Handarbeit (ihre Hochrüstung mit Maschinen) speziell in den Anfangsschritten der „reproduktiven“ Industrien (Landwirtschaft, Rohstoff-Erschliessung, Produktionsmittel-Herstellung) bedeutete, muss die AWT angemessen neu formuliert werden. Das erscheint mir möglich. Auch dann treten die von AgneS behaupteten Schwierigkeiten der Theorie, wie ich glaube, NICHT auf.
C. Diese den neuen Verhltnissen angepasste Theorie ist leider, wie ich glaube, NICHT imstande, vollständig zu erklären und beschreiben, wie Innovation und Kredit die Verhältnisse in dem (korrekt beschriebenen) „Reproduktionssystem“ verändern. Erst die Einbeziehung dieser Kategorien leistet die endgültige „Delegitimierung“ aller drei Kapitalismus-Rechtfertigungen.

Leider hängt der Fortbestand des Kapitalismus von der Tatsache seiner (Nicht)Legitimierbarkeit nicht ab.
Das darzustellen, ist Sache einer anderen Theorie.

Soweit MEINE Sicht der Dinge. Tut mir leid, dass sie so kompliziert ausfällt. Dafür, dass die Welt verworren und kompliziert ist, sollte man nicht die TheoretikerInnen verantwortlich machen, die versuchen sie zu beschreiben.

*) Es gibt einen ganz zentralen Bestandteil in der Marxschen Theorie, der einen starken Hinweis auf diese Tatsache liefert: Die Ableitung der (Absoluten) Grundrente aus der Tatsache, dass die „extraktiven“ Branchen (Landwirtschaft, Rohstoff-Förderung) besonders arbeits-intensiv und unterdurchschnittlich kapitalisiert seien (der nicht vermehrbare Boden als Zutrittschranke verhindert dann das Auftreten weiterer Konkurrenten und die Möglichkeit, durch Angebotserhöhung die wg. niedriger org. Zusammensetzung (c-Anteile) überdurchschnittliche Profitrate in Richtung der durchschnittlichen abzusenken; die Differenz zum bei Verkauf der Rohstoffe zu ihrem Produktionspreis erzielbaren Profit sei die Grundrente). 1860 traf das weitestgehend zu! Hingegen wenige Jahre, längstens Jahrzehnte, nachdem das Manuskript zum Kapital Bd 3 geschrieben wurde, haben sich die Verhältnisse stark geändert: Minen und auch die Landwirtschaft wurden mechanisiert und industrialisiert. Diese Art der Ableitung der Grundrente kann also nicht stimmen – denn es gibt sie immer noch.

30. Oktober 2014
Zur Frage der „Beweisbarkeit“.
Eine ökonomische Theorie, wie jede andere Theorie, die versucht „objektive Gesetzmässigkeiten“ zu beschreiben und möglichst alles, was daraus folgt („sich damit erklären lässt“) „abzuleiten“ – die muss eine umschriebene Menge an regel- oder eben „gesetzes“-artigen Voraussetzungen enthalten, vielleicht auch noch eine oder mehrere (hypothetische) Aussagen, die einen zu unterstellendne Ausgangszustand beschreiben, auf den dann die Regeln angewandt werden bzw. in dem die Gesetze wirken können (sodass man „ableiten“ kann, was passiert). Heutzutage nennt man sowas ein Modell, in älterer philosophischer Ausdrucksweise zB „DEN BEGRIFF der Sache“.
Vorausgesetzte Gesetze wie Ausgangszustände bilden hier den Gegenstand von HYPOTHESEN – wobei es natürlich auf die Einzelhypothese und ihren Inhalt ankommt – aber vor allem eben darauf (und das ist der Hauptwitz bei einer Theorie!), dass mit diesen Hypothesen bzw hypothetisch unterstellten, vorausgesetzten Inhalten, ALLES WESENTLICHE eines Gegenstandsbereichs erfasst ist – erfasst im Sinn von: aus diesen Voraussetzungen erschliessbar, notwendig ableitbar, mit ihnen erklärbar und zB, falls noch nicht eingetreten, als mit grösster Wahrscheinlichkeit (dh wenn nicht sehr Unwahrscheinliches dazwischenkommt) prognostizierbar, erwartbar.

Dabei muss natürlich formal korrekt geschlossen werden. Und… es dürfen nicht nachträglich irgendwelche Einzelannahmen (ad-hoc-Annahmen/Hypothesen) zusätzlich eingeschmuggelt werden, die die ansonsten misslingende Ableitung/Erklärung wichtiger Phänomene doch noch ermöglichen, aber bei Anwendung in andern Fällen andere Resultate als die der Theorie liefern würden – weshalb sie dort tunlichst weggelassen werden (dh würden sie, wie es eigentlich nötig wäre, in den Grundbestand an Hypothesen der Theorie aufgenommen, würden andere Erklräungen, die bis dahin korrekt waren, unzutreffend, würden falsche Prognosen ergeben, die Sachverhalte, die man kennt, sind dann mit ihnen und den sonstigen Grundannahmen der Theorie nicht mehr erschliessbar usw; dh adhoc-Hypotheen werden beliebig angenommen oder weggelassen, wie es passt).

Aber der Anspruch auf Vollständigkeit, „alles Wesentliche ist berücksichtigt“, muss ebenfalls erfüllt sein. Was natürlich Einigkeit darüber unterstellt, was in einer Theorie erklärt werden sollte, weil es zu einem Gegenstandsbereich oder Thema dazugehört. Darüber gehen aber die Meinungen auseinander. Typische Kontroversen etwa in der Ökonomie drehen sich darum, ob bestimmte Phänomene „inner-ökonomisch“ erklärt werde können oder müssen (als Resultat der vorauszusetzenden Gesetze und/oder Regeln, nach denen Konkurrenz verluft; oder aus psychologischen „Determinanten“, Motiven, die unabhängig von den Regeln in den Akteuren, zumindest einigen von ihnen, wirksam sind, wie zB Gier).

Zentral aber ist: dass die Voraussetzungen, die das System in Gestalt von Gesetzen und Ausgangszuständen behauptet, aus denen alles andre mit Notwendigkeit (oder grosser Wahrscheinlichkeit) abzuleiten bzw mit denen es zu erklären sein soll, auch tatsächlich in der Wirklichkeit vorliegt. Denn selbst wenn dann aus einem SYSTEM lauter Dinge folgen, die auch real stattfinden – aber seine Voraussetzungen dort nicht zutreffen – dann weiss man allenfalls, dass aus einer solchen Realität, wie sie das theoretische System sie unterstellt, die betreffenden Resultate AUCH gefolgt wären; bloss in der vorliegenden Realität weiss man, dass die behaupteten Sachverhalte nicht bestanden, und das mit ihnen Erklärte tatsächlich SO nicht zu erklären ist. Es beibt dann offen, ob es zwischen der Fülle alternativ infragekommender und tatsählich feststellbarer Regeln/Regularitäten, und (relevanten) Ausgangszuständen einerseits, und den zu erklärenden Phänomenen andererseits, ÜBERHAUPT irgendeine letztere erklärende notwendige Beziehung gibt. Die gescheiterte Theorie hat sie jedenfalls dann nicht gefunden.
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Die Frage nach der Beweisbarkeit sollte man lieber allgemeiner stellen: Ob über die theoretische Berechtigung der AWT in allen genannten Hinsichten (Vollständigkeit, Korrektheit der Ableitungen und Geschlossenheit (alle Erklärungen NUR mit dem anfangs Vorausgesetzten; keine adhoc-Annahmen, deren Geltung andre Erklärungen wiederum verfälschen würden s.o.), sowie Zutreffen der Ausgangs-Voraussetzungen ENTSCHIEDEN werden kann.
Das ist keine Selbstverständlichkeit.
Theorien, über deren Geltung grundsätzlich nicht entschieden werden kann, die also nicht widerlegbar sind oder sich gegen Widerlegung IMMUNISIEREN, sind meist nur äusserlich Theorie-ähnlich; in Wahrheit lässt sich meist zeigen, dass sie unsinnige und/oder tautologische Sätze enthalten, also in der Realität garkeinen Unterschied machen oder benennen.
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Ökonomische Theorien stehen wegen ihres notwendig meist hohen Abstraktionsgrades („Modell-Platonismus“) unter starkem Immunisierungs- und Tautologie-Verdacht (sie scheinen IMMER zuzutreffen). Tatsächlich ist der Anspruch, etwa den Markt theoretisch überschaubar zu machen, irgendwie paradox, wenn man sich zumindest bestimmte Legitimationsfiguren für den Markt, die zugleich behauptet werden, ansieht: Dass er allen Akteuren in ihm vorausgreift, ihnen Information liefert, die sie sonst nie bekommen würden usw. Wenn der Markt soviel klüger als all seine Akteure ist – wie können dann die Ökonomen ihm gewachsen sein? Es ist da ein bisschen wie auch sonst bei theologischen Formeln (ich denke, Kapitalismus-Befürwortung IST eine Form religiösen Denkens, allerdings auf dem Gebiet der Vergesellschaftung, nicht dem des allgemeinen Verhältnises zu Welt und Wissen): „Gottes Wege sind nun mal verworren und diskret“ (G.Kreisler), aber der Theologe will sie doch rekonstruieren und vor allem, uns von deren optimaler Beschaffenheit überzeugen. Aber wie soll das gelingen – wenn diese Beschaffenheit sich ihrem Durchschautwerden hartnäckig widersetzt?
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Ich glaube, dass über die AWT in EINER Hinsicht entschieden werden kann: Sie trifft NICHT MEHR zu. (Lohn)Arbeit ist und war NOTWENDIG zur Reproduktion aller Güter spätetsens für den Bedarf städtischer Bevölkerungen und der Industrie; aber nur in einer Frühphase der Industrialisierung (eben der, in der Marx nachdachte) war sie auch HINREICHEND – nur da liess sich „rückwärts“ alles in Arbeit „auflösen“ – in zugesetzte lebendige, und in tote, „vergegenständlichte“. Es ist aus meiner Sicht bis heute nicht gelungen, das Richtige und Allgemeine, das in der AWT als einem Spezialfall steckt, korrekt auszudrücken (ich habe es in meinem Forumsblog versucht).
Dafür gibt es ein sehr starkes Motiv.
Die AWT liefert einen Ansatz für einen bequemen und allseits transparenten Rechenmodus für die Planung in einer „freien Produzenten-Assoziation“. Alle Beziehungen sollen dort angeblich auf einmal einfach und überschaubar ausrechenbar sein. Die korrekte Neufassung der AWT (die das Richtige und in der späteren Phase weiter Zutreffende daran übernimmt: nämlich die Kategorie der sich mit sich reproduzierenden Basis-Güter) würde diesem Optimismus ein schweres Hindernis in den Weg legen.
Das ist mE der Grund für das geradezu verzweifelte Festhalten an dieser, heute in vielen Hinsichten stark kontra-intuitiven Theorie.

Ein schwächeres, aber nicht zu vernachlässigendes zweites Motiv ist dieses: Dass die AWT klar und deutlich ausspricht: dass das Eigentum an Produktionsmitteln ähnlich fungiert wie dasjenige der Grossgrundbesitzer in vormodernen Zeiten. Es schliesst die Masse der Leute einfach von ihrem wichtigsten Produktionsmitteln, oder eben von DEN Produktionsmitteln aus, und ermöglicht die ausbeuterische Erpressung von Mehrarbeit. Für dieses Monopol gibt es, je nachdem, welche der oben von mir angeführten Kapitalismus-Legitimationen jemand anerkannt, unterschiedliche Rechtfertigungen, etwa: Du würdest doch auch dein mühsam erworbenes Eigentum behalten wollen; oder: die Kapitalisten, die Unternehmer verwalten doch bloss noch die Produktionsmittel für uns alle, und kriegen sie im Fall schlechter Verwaltung durch den Markt weggenommen (ihr Profit kommt ja meist dem Unternehmen zugute, um die Produktion produktiver zu machen – also letztlich alles billiger für uns alle) – der Rest ist eben Lohn für ihren Einsatz (ohne den sie sich nicht so im Dienst der Allgemeinheit anstrengen würden); schliesslich: Es ist egal, wer Kapitalist ist… Kapital ist das wichtige, letztlich egal, wie es verteilt ist (da könnte man sogar mit sich reden lassen).
Die Tatsache, dass diejenigen, die mehr arbeiten als zu ihrer Reproduktion nötig, über Art Ausmass Verwendung ihrer Mehrarbeit nicht entscheiden dürfen, bleibt aber von all diesen Legitimationen unberührt. Allein das ist Skandal genug, und völlig hinreichend zur Kapitalismuskritik. Aber. dieselbe Tatsache, die ja nicht aus der Welt verschwunden ist, wird selbstverständlich in der etwas komplizierteren Nachfolge-Version, die ich seit der angesprochenen Veränderung für angemessen halte, herausgearbeitet und kritisiert. In DER Hinsicht verliert man also nichts.
….

31. Oktober 2014
Edit s.u.
Hallo Cengiz,
es gab zur AWT hier im Forum bereits dieses Jahr eine sehr lange Auseinandersetzung, die leider teilweise auch auf andere Gebiete abschweifte.

Zu deiner eigentlichen Frage dieser Hinweis:
Bei gleichlanger Arbeitszeit (incl Wertübertrag), die auf die Herstellung zweier (Einzelexemplare der) Warensorten A und B zu einem Zeitpunkt verwendet wird, gibt es folgende Gründe für verschiedene Preise:
1. A und B können trotz unterschiedlicher Arbeitszeit unterschiedlichen WERT haben. Denn: Über den entscheiden nicht die faktischen Arbeitszeiten (incl), sondern:
(a) ob die betreffende Arbeit unter den zum betreffenden Zeitpunkt üblichen durchschnittlichen Bedingungen der Prodktivität verausgabt wurde. Und:
(b) Ob sie sich (als Menge pro Zeit) in die Abfolge überhaupt möglicher Tausch-Prozesse einfügen, durch die hindurch sich der gesamtgesellschaftliche arbeitsteilige Produktionsprozess überhaupt realisiert, in Marxscher Ausdrucksweise: Ob sie sich als Teil der gesellschaftlichen Gesamtarbeit betätigt haben. Man kann höchst produktiv zuviel vom Falschen produziert haben, und findet keine (zugleich zahlungsfähigen UND zahlungsbereiten) Nachfrager=Käufer, die das zuviel Produzierte auch noch kaufen wollen-können. (Warum können sie? Weil sie ihrerseits… usw im Kreis herum. Warum wollen sie? Teils… weil sie müssen: Sie müssen die Produktionsmittel und Arbeitskraft für die nächste Runde ihrer Produktion einkaufen, um den Vorgang wieerholen zu können. Teils… weil sie freie (Geld)Mittel („Mehrwert“) in Händen haben, und im Rahmen ihrer Budgets Prioritäten setzen.
(c) Es gibt eine weitere, von Marx nicht sehr im einzelnen untersuchte Differenzierung von Arbeiten nach dem Grad, in dem sie pro Zeit Wert erzeugen – sog. „komplizierte“ Arbeit erzeugt in gleicher Zeit ein Vielfaches des Werts, den „einfache“ Arbeit in derselben Zeit erzeugt. Es ist wichtig, dass dies nichts mit „Durchschnittsbedingungen der Produktivität“ zu tun hat (die sind für alle Arbeitsformen vorausgesetzt), sondern hier geht es um eine Eigenschaft der Arbeit selbst; die dürfte mit längerer Qualifikation, Übung, Ausbildung zu tun haben – fällt also nicht mit etwas wie „Einarbeiten“ eines Ungelernten, Routine und „Durchschnitts-Geschicklichkeit“ zusammen. Grundsätzlich sind diese Qualifikationen aber bloss Beschleunigung von etwas, das auch durch „einfache“ Arbeit gelingt – es ist nicht unterstellt, dass NUR Qualifizierte das Produkt überhapt erzeugen können. Wenn letzteres der Fall ist, liegt wohl eher ein Fall von „Humankapital“ vor – Durchschnittskosten einer regulären Ausbildung werden in einer Durchschnitts-Lebensarbeitszeit auf das Produkt übertragen, der lohnabhängige Eigentümer dieses „Kapitals“ (diese Art Eigentum schafft allerdings kein reales „Mehr“, sondern überträgt bloss almählich den in ihr „aufgehäuften“ Wert) erhält den entsprechenden Wert-Übertrag als Lohnaufschlag.
2. Die Markt-Verhältnisse für A und B ändern sich – mehr oder weniger Anbieter und/oder Nachfrager als zuvor sind am Markt, die Kosten der Vorprodukte steige oder fallen, die Zahlungsfähigkeit der (typischen) Nachfrager steigt uvam

Das klingt nun so, als könne man am Ende garnichts Genaues sagen.
Aber so ist es eben auch nicht
Die Hauptstossrichtung jeder WERT-Theorie (und eben auch der Arbeit-Werttheorie) ist es, gegen die Erklärung von Preisen (oder Preisrelationen: Tauschwerten) verschiedener Warensorten ALLEIN durch „Angebot und Nachfrage“ festzuhalten: Dass diese Angebots/Nachfrage-Theorie eigentlich bloss die Sonderfälle, das Ungleichgewicht, die Wieder-Anpassung von Angebot (Kosten und Profiten) und Nachfrage (zahlungsfähiger Zahlungsbereitschaft) erklärt – aber eben nicht, warum sich das Resultat dann in einer gewissen Höhe einstellt. Warum es das Schwanken und die Schwankungsbreite, auch die mittel- und langfristige Tendenz eines Preises in einer bestimmten Höhe überhaupt gibt – und die Relation dieser Höhe bzw Schwankungsbreiten zu denjenigen anderer Preise. Man könnte auch sagen: Eine Werttheorie fragt nach den Gründen für die Preiskalkulation einerseits (Kosten und Profit), nach denen der Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft andererseits; und zwar fragt sie nach den Gründen, die die Akteure selbst zu beachten haben, weil diese Gründe ihrem Entscheiden und Wählen Schranken auferlegen – sofern diese Akteure länger am Markt teilnehmen wollen und weiter Waren zum Anbieten und Geld zum Kaufen in der Hand haben wollen.
Kurz: Sie sagt, was für Spielräume das Wollen und die Interessen der am Kaufen und Verkaufen Beteiligten überhaupt haben. (Damit ist zugleich zugestanden, dass es das Wollen und Entscheiden der Akteure auch gibt – aber eben bloss innerhalb dieser Spielräume.)

Nachtrag/Edit:
Damit ist auch das grösste Problem benannt, mit dem eine „Wert-Theorie“ zu kämpfen hat: Wenn die Dynamik der Angebots- und Nachfrage-Entwicklung, man könnte auch sagen das Chaos an den Märkten, durch permanente Innovation, Wachstum mit Skalenvor- und nachteilen, Rohstoffverknappung, Anhäufung externer Kosten usw das Übergewicht bekommt, also sich garkeine langfristigen Trends mehr ausbilden können – dann existiert das, was die Werttheorie erklären wollte, eigentlich garnicht mehr
In solchen Verhältnissen muss man womgöich eher die Frage aufwerfen, ob sich in ihnen überhaupt irgendwas vorhersehen, berechnen, und/oder erklären und verstehen lässt Und das gilt dann auch für die Marktbeteiligten selber.
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thread:
Doku: Aufbruch der Interventionistischen Linken

9. November 2014+1
Die Interventionistische Linke ist eine,

Interventionistische Linke schrieb:
die lieber Fehler macht und aus ihnen lernt, anstatt sich im Zynismus der reinen Kritik zu verlieren

Die IL-Leute haben natürlich wichtigeres zu tun, als ausgerechnet hier, im entlegenen Marxforum zu lesen und uns in unseren Grübeldschungel zu folgen.
Täten sie es… würden sie, wie wir hier wenigstens, ab und an, einen Blick in die ABGRÜNDE werfen, die sich beim Gedanken an das radikallinke (um kein andres geht es) Projekt öffnen – Abgründe an theoretischen Defiziten, Unmassen unverstandenen unbeherrschten Stoffs, schriller. ungelöster Problemfragen, die eben leider nicht „dann“ erst gestellt werden, wenn der Bruch da ist, sondern schon heute von jedem halbwegs erwachsenen Zeitgenossen, der auf dem Weg dorthin irgendwann mal gewonnen und mitgenommen werden soll.

Es ist das uraltvertraute Traditionsszenario, vermehrt um die grossartige Neuigkeit namens VIELFALT (gegen Dogma und Einheits/Partei-Wahn gerichtet, naja, jetzt soll man wohl sagen: Für unsre Verhältnisse… also die linksradikalen… ist das doch schon was?!): Der Kapitalismus sorgt ganz von selbst für seine „Zuspitzung“, und die Leidtragenden können dann doch irgendwann nicht mehr anders als aufhören ihn zu mögen. Die, die ihn schon heute nicht mögen, brauchen die Zuspitzungen freilich nicht. Ihre Ablehnung speist und speiste sich nie aus gesichertem Wissen der Art: das KANN ja nicht gutgehn, das MUSS sich ja zuspitzen, Kapitalismus – ahja, eine ganz nette Idee, aber die Ausführung muss scheitern. Die theoretische Evidenz, die sie für diesen Satz vorlegen, ist auch eher dünn „(unübersehbar, beweist von Tag zu Tag“.. tolle Erklärung der NOTWENDIGKEIT!). Sie geht im übrigen auch an zentralen legitimiatorischen Ideologien glatt vorbei (die würden nämlich drauf verweisen, wie schlimm erst das Scheitern sich auswirken würde dieses „sich zuspitzenden“, unzulänglichen „Instruments“, das sie „trotz allem“ (so defensiv kommen die Verteidiger der herrschenden Verhältnisse schliesslich heute daher!) befürworten – als leider UNENTBEHRLICHES!).

Das alles macht aber nichts; denn die Linksradikalen waren schliesslich immer schon welche, und brauchten dafür keine 3 blauen Bände. Die hätten sie, ohne ihren Radikalismus, ja auch nie gelesen. Von den andern unterscheidet sie eins: Sie, die Linksradikalen WOLLEN was, ganz heftig sogar; die andern hingegen… die werden es MÜSSEN, ob sie wollen oder nicht. So das Traditionsszenario und seine Erwartungen von der Unumgänglichkeit des „Bruchs“.
Sie müssen nichts zeigen, sie haben auch so recht, genauer: Sie bekommen recht. Da werden sich die Leute, die

Interventionistische Linke schrieb:
hoffen, an der Seite der Mächtigen besser durch die Krise und die gegenwärtigen und zukünftigen Unsicherheiten zu kommen, als mit Widerstand und Solidarität (Dieser Umstand gehört zu den Folgen und Bedingungen für die relative Schwäche der gesamten Linken hierzulande.)

schon eines besseren besinnen müssen, die Solidarität wird sich ihnen als das überlegene, neue System aufdrängen, so wie einstmals der Kapitalismus, denn endlich!, kommt doch auchmal wieder das alte Wunschziel, Inhalt des EIGENTLICHEN Wollens der radikalen Linken, in den Blick:

Interventionistische Linke schrieb:
Wir wollen eine neue, radikale gesellschaftliche Linke, die um politische Hegemonie ringt

Hegemonie?
HEGEMONIE????

Aber ja doch; denn… wie soll denn die oben besprochene Anfangsdifferenz, das Anfangs-schon-immer-Wollen der radikalen Linken einerseits, und ihrer später, durch Krisenerfahrung, dazugezwungenen Gefolgschaft je enden? Sie ist ja nichtmal theoretisch besprochen geschweige verstanden: Warum die einen schon jetzt und seit langem so, die andern jetzt nicht aber dann so? Wurscht! Kritik*), Zynismus, Zeitverschwendung! Wir werden auch so hegemonial.
Man muss sich das obenstehende soziologische Wortgewirr um Mehrheiten und Minderheiten als Struktur, die bleiben wird, nochmal zu Gemüte führen, um zu ahnen, welche theoretischen Riesenbrachen, welches Ausmass an Frage- und Reflexionsverweigerung diesem Aufbruch, mal wieder, möchte man als schon etwas ältere Beobachter_in anmerken, vorausliegen.

Radikale Linke sind eine winzige Minderheit. Sie waren es immer. Vielleicht sollten sie das mal akzeptieren, als Ausgangspunkt, und sich anfangen mit der Frage zu beschäftigen: warum.

*) der ganze olle Ökonomie- und Imperialismuskram wird pflichtschuldigst heruntergeschrieben, Rohstoffe Absatzmärkte enttäuschte Renditeerwartung jagt das Kapital um den Globus, Rüstungsindustrie als Ausweg, die Finanzmärkte… „unübersehbar“ das alles, „beweist sich Tag für Tag“, dass „Inhumanität“ im Kapitalismus „angelegt“ ist… Wieso sehn die andern es nicht – das Unübersehbare, Bewiesene? Warum treibt es sie nicht auf die Barrikade, wo „die Entscheidungen gesucht werden“ – so wie in Libyen, in Ägypten, in Syrien, im Donbass…

10. November 2014
Es mag sein, dass angesichts des Gewichts unserer andern „Fragen und Probleme“ die („kritische“) Einordnung der IL- imd Bewegungslinken-Mentalität schon fast nachrangig erscheint.
Aber wenn nun schon der ganze grosse Text da oben steht und man sich der Mühe einer Lektüre unterzogen hat, und wenn sogar die Intervent.Linke ins Marxforum ausdrücklich eingeladen wird – dann sollte vielleicht noch eine etwas ausführlichere Stellungnahme nachgereicht werden. (Und das keineswegs zur Abschreckung – im Gegenteil; es ist, was jedenfalls mir zum Text einfällt, und es wäre das, worüber jedenfalls ich mit einem IL-Sympathisierenden hier, falls je einer auftauchen würde, gern anfangen würde zu reden.

Der IL-Standpunkt ist der altbekannte (kein Vorwurf, sie wollen ja bloss Aufbruch und Zusammenschluss, und garnicht originell sein, wozu auch) der Bewegungslinken, der darum nicht notwendig schon verstanden sein muss, weil es ihn schon so lang gibt.
Von diesem Standpunkt aus ist Kritik zynisch, weil sie vorgibt, angesichts der Verhältnisse noch irgendwas weiteres zu deren Verurteilung Nötiges ssgen, erklären, ergänzen zu müssen. Wo doch angesichts der Tatsachen jedes Wort zuviel ist: alltägliche Inhumanität.
Das ist Moral. Und die ist: „LEGITIM“. Was sie braucht, ist die MACHT, und die holt man sich durch Selbst-ERMÄCHTIGUNG. Denn „die andern“, also „die Herrschenden“, in all ihren vielfältig ineinander gewobenen Erscheinungsformen, „werden sie nicht hergeben“.
Nagut, noch nicht gleich die ganze Macht (die erst im „Bruch“ mit seinen Vor- und Nachbeben) holt man sich. Aber GEGENmacht, „Präsenz“ – die ist wichtig.

Angesichts des Textes oben wäre es nun geradezu albern, der IL allein nur wegen des Wortgebrauchs „Hegemonie“ einen Generalverdacht anzuhängen, die verdächtigt sich da schon selbst genug und dürfte in der Richtung mindestens so achtsam sein wie jeder hier:
„Gleichzeitig sind wir als organisierte Linksradikale nicht identisch mit den Bewegungen. Diese sind Orte des spontanen, dynamischen Zusammenkommens von Aktivist_innen unterschiedlicher politischer Strömungen und Hintergründe. Die spezifische Dynamik und Lebendigkeit von Bewegungen ist für ihre gesellschaftsverändernde Kraft unverzichtbar und kann nicht durch Organisationen ersetzt werden. Wenn linke Organisationen versuchen, Bewegungen zu vereinnahmen oder für das eigene Organisationsinteresse zu instrumentalisieren, um auf Kosten der Bewegungen stärker zu werden, schwächt das die Kraft für emanzipatorische Veränderungen insgesamt.“

„Wir bewegen uns dabei in dem Widerspruch, dass unsere Politik einerseits darauf gerichtet ist, die Gewalt und die gewalttätigen gesellschaftlichen Verhältnisse zu überwinden, und wir andererseits um den Charakter und die Schärfe des weltweiten Kampfes gegen die herrschende Ordnung wissen.Unsere Mittel und Aktionsformen, defensive wie offensive, bestimmen wir also strategisch und taktisch in den jeweiligen Situationen, so wie wir sie verantworten können, und entlang unserer grundsätzlichen Ziele und der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse, die wir vorfinden und verändern. Es geht uns darum, die kollektive Fähigkeit herzustellen, die Wahl der Mittel nach unseren Zielen selbst zu bestimmen.“
..-
“ Wir wollen eine Interventionistische Linke, in der offene und kontroverse Debatten geführt werden, in der wir gemeinsam über unsere Politik und unser Verständnis der Welt streiten, in der wir Widersprüche klären, aber auch aushalten können und Gemeinsamkeiten festhalten. Dafür arbeiten wir an einer Organisationskultur, die auf Vertrauen und Respekt basiert und in der die notwendigen Arbeitsteilungen von aktivem Mitdenken und solidarischer Kritik begleitet werden. Wichtiger Teil dieser Kultur ist auch, Aufgabenverteilung und Redeanteile zu reflektieren und zu verändern.“

DAS also kann nicht Anlass für einen fettgedruckten Vier-Fragezeichen-Aufschrei wegen „Hegemonie“ sein.
Aber vielleicht das:

All ihre Andeutungen zur Erklärung dessen, was sie abschaffen wollen, laufen darauf hinaus, dass sie den Punkt nicht sehen, den Wat hier vor einiger Zeit hingeschrieben hat und bei dem ich immer wieder versucht bin vorzuschlagen, ihn wegen seiner zentralen Bedeutung zusätzlich in den Header des Marx-Forums aufzunehmen:
Es nützt ja nix, eine herrschende Klasse (egal welche) abzulehnen, aber nicht auch die Bedingungen, daß es sie braucht(!), zu ändern.
Die IL-Leute verfügen über ein hochentwickeltes Gespür und auch dazu passendes Klassifikationssystem für ungleiche, für Machtgefälle-Verhältnisse.
Wovon sie nichtmal im Ansatz eine Ahnung haben, ist: Warum es sie gibt (oder, zumindest vermeintlich, „BRAUCHT“)?

Selbst noch mit dem Zusatz in der Klammer „vermeintlich“ würden sie vermutlich jeden Versuch einer Antwort „zynisch“ finden – weil noch die Rekonstruktion, der Nachvollzug der FEHL-Einschätzung in der Rechtfertigung der Macht ihr zuviel zugesteht: Dass sie nicht einfach als die Gemeinheit pur gilt, die sie ist.
Dass angesichts dessen alles „Vermeintliche“ daran doch bloss geheuchelt, Ausrede, Lüge, Schönfärberei dessen sein kann, der eben, auf die ein oder andre Weise, davon PROFITIERT
Aber damit ist schon das erste wichtige Zu- oder soll man sagen: EINgeständnis von IHRER Seite ausgesprochen: Machthabenwollen KANN garkein Fehler sein – es IST ein Vorteil in sich; drum kann es auch nie mal als Mittel für was andres dienen, jedenfalls nie so, dass man da was höchst Unliebsames für Wichtiges, Lebensnotwendiges inkaufznehmen bereit wäre. Weil es das nicht sein kann – darum kann jeder behauptete Mittelcharakternur Lüge sein: Macht ist Selbstzweck.
Die IL-Leute müssen bis ins Markt davon überzeugt sein, dass zum Machthabenwollen ein permanenter Anreiz besteht – und dass davon unwiderstehliche Verführungskraft ausgeht.
Vor allem offenbar auf sie selbst. (Darum „Eingeständnis“…. womöglich sogar: Selbstbezichtigung? Generalverdacht gegen sich selbst?)

Dagegen hilft… zweites Zugeständnis… leider nur EINS: Gegenmacht. Macht muss Macht vertreiben, aber nein das kann sie nicht, also allenfalls: sie in Schach halten.
((Dabei stehen die Unterprivilegierten und Ohnmächtigen durch die Art ihrer von, na wem schon, den Mächtigen ihnen aufgezwungenen Lebensstil dem solidarischen Zustand erheblich näher als, na wer schon, zB weisse akademische Mittelklasseheteromenschen. (Von daher verständlich, was für einen Skandal das zugeschriebene „Misstrauen“ ausgerechnet der Letzteren gegen ausgerechnet erstere darstellt. Sich selbst misstrauen müssten sie! In jeder Beziehung!) ))

Der Gedanke ist: Macht macht abhängig, Machtausüben wird zur Gewohnheit. Darum bedarf es der dauernden Einübung in den Machtausgleich, den permanenten Kampf um die Gleichverteilung der Macht .
Wenn diese Leute zB über Haupt- und Nebenwidersprüche reden, dann einzig als einer Weise, Machtverhältnisse gegeneinander auszuspielen, also die einen zugunsten der andern abzuleugnen, zu bagatellisieren..
Das Wort „Arbeitsteilung“ (mit dem Zusatz: fatale…) würde ihnen in dem Zusammenhang im Traum nicht einfallen. (ausser vermutlich als… Ideologie.)
Ebensowenig oder erst recht das Wort „notwendig“, wenigstens in der Bedeutung von: unvermeidlich…

Den Ursachen, die sie nicht kennen und darum nicht beseitigen, sind sie darum rat- und hilflos ausgeliefert, die Macht sucht sie heim, befällt sie, der Kampf gegen sie (dh die Ungleichheit der Machtverteilung, Asymmetrie, Herrschaft) endet nie.
Die Gleichverteilung der Macht, der Kampf um sie, und der gegen die Ungleichheit – er bedarf der Macht – und am besten der nicht mehr punktuell ausgeübten, sondern der systematischen, System gewordenen, nein sogar der KULTUR, Gewohnheit gewordenen Gegen-Macht. Eben der Hegemonie der Solidarität.

Sie sind Avantgarde, nicht weil sie sich für klüger und politisch urteilsfähiger halten, sondern weil sie gleichheitsorientierter, subtil-„macht-bewusster“, macht-sensibler sind als alle (ein Gefälle, das sie natürlich zum Verschwinden bringen wollen, letztlich) – und kämpferisch (vor allem auch gegen sich selbst) in diesem Sinne.
Es hilft ihnen bloss nichts….
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thread:
Wer ist heute die „herrschende Klasse“?

11. November 2014
(Dieser Beitrag stand ursprünglich als kurze Notiz am Ende des Know-how-threads, und war als schlicher Beitrag zum DORT angesprochnen Thema gedacht. Er wurde dann hierher verschoben, und der thread mit einem Titel versehen, den ich aber für meinem Beitrag nicht passend fand, sodass ich ihn in „Wer bildet eigentlich heute die „herrschende Klasse“?“ abgeändert habe.)
Wir sollten nicht vergessen: Die Ablösung der Verfügung über Kapital vom Eigentumstitel http://marx-forum.de/Forum/index.php/Thread/372-Know-How-im-Kapitalismus/ betrifft keineswegs oder nur zu geringeren Teilen die Ebene der Unternehmensleitung. Darüber hat sich längst eine viel bestimmendere Sphäre etabliert, in der die gesamtwirtschaftlich bedeutsamen, die strategischen Entscheidungen getroffen werden: jene, in der der Kredit und das angelegte Vermögen der Gesamtgesellschaft (auch hier: weitgehend abgelöst vom Eigentumstitel oder Anlagemotiv) verwaltet wird – und die zukunftsträchtigen ebenso wie die abzuschreibenden Projekte beurteilt werden. Die „bezahlten Angestellten“ dieser Sphäre (ebenso wie die der grossen Unternemen*)) sind nicht nur am Erfolg der von ihnen gestalteten Geschäfte beteiligt (und das unterscheidet sie eben von Lohnabhängigen, abgesehn von den Grössenordnungen ihrer (oftmals schon längst für lebenslanges Auskommen sorgenden früheren) Einkünfte, weshalb sie sich schon auch mal bloss mit symbolischen Gehältern zufriedengeben); sie entscheiden, darüberhinaus, über das Schicksal von Nationen, Regionen, Belegschaften grosser Unternehmen. Die Einkünfte der Kapitalgeber sind bei dem allen nur noch störende Kost – die Geschäftstäigkeit gibt sich explizit selbst den Zweck vor als: aus Geld mehr Geld machen – und nichts andres. SIE sind es, die die Zukunft der globalisierten Welt in Händen halten, und diesem ihrem Zweck unterordnen; sie – und die Regierungen der wenigen massgeblichen Staaten, in deren Territorium die Reichtumsproduktion und Verfügung darüber sich konzentriert.
DAS ist die herrschende Klasse. Und DAS sind keine bezahlten Lohnabhängigen.
Und DAS sind die Leute, die sich selbst zutrauen, den globalisierten Produktionsprozess mithilfe ihrer Konkurrenz um zukünftige Profitabilität und „Standorte“ auf einem optimalen Fortschrittspfad halten zu können.
Es ist unsere Aufgabe (eine unserer vielen Aufgaben), zu zeigen, dass ihnen das, mit ihren Mitteln, nicht gelingen KANN. – Und das vielleicht darum: weil dieser (Fortschritts)Prozess nicht steuerbar ist. Von niemand.

*) die grossen internationalen Unternehmen bringen aus eigener Kraft solche Massen verfügbaren Kapitals hervor, dass ihre Investitionstätigkeit (die ja durchaus nicht an der ursprünglichen Branche des Unternehmens und seinem „Kerngeschäft“ klebenbleiben muss, sondern Diversifizierung und Konzern-Umbau einschliessen kann) mit derjenigen der Investoren verfügbarer Anlagevermögen (Versicherungen, Banken, Vermögensverwaltungen/Finanzdienstleister, Pensionskassen ua) vergleichbar ist.

11. November 2014
Wal – der Titel, den ich dem von dir hierher verschobenen Beitrag bzw. damit eröffneten thread nachträglich geben wollte, lautet NICHT: ob BANKER die herrschende Klasse sind; die Frage wird vielmehr von mir weiter gestellt. Vor allem die Antwort, die ich gebe, zielt nicht auf „Banker“, schon garnicht in dem Sinn, in dem du deren Tätigkeit auf „Bankkredite“ als wesentliche Beteiligungsform einschränkst.
Da es nicht deutlich wurde, habe ich oben in einem Edit bzw. Anm. die grossen Unternehmen als Quelle riesiger Massen an „Liquidität“ und somit sie als Investoren (aus DIESEM Grund) bzw. deren Leitungen in die Kandidatenliste mit aufgenommen. Übrigens ebenso wie die Angehörigen der Regierungen (der massgeblichen Staaten), von denen offenbar garnicht mehr die Rede sein soll, wenn das alles bloss noch auf „Banker“ reduziert sein soll.
Die Frage, die dann doch sehr eng an die des Know-how-threads anschliesst, lautet eben nicht in erster Linie, WER heute herrschende Klasse ist, sondern: durch WAS sich die betreffende Gruppe auszeichnet.
Und da kommen die Eigentümer*) des Kapitals, diese heutzutage oft durchaus anonyme Masse, über die bezahlten (und zwar so, dass sie am Erfolg interessiert sind) Sachwalter ihres Interesses eben doch ins Spiel – und zwar womöglich als Gegenspieler, wenn nicht eben doch Kontrolleure der Unternehmensleitungen:
*) denk mal an solche unpersönlichen Eigentumsformen wie die Aktiengesellschaft – denk an solche nicht seltenen Fälle, wo die Unternehmensleitungen anfangen, die Aktien ihres Unternehmens mit den erzielten Gewinnen zurückzukaufen – das Unternehmen gehört sich dann gewissermassen selbst. Jedenfalls nicht den Managern (auch wenn die mit mehr oder weniger grossen Aktien-Paketen am Erfolg der eigenen Firma beteiligt sind.)
Die stehen nämlich dauernd unter dem Druck, ihre Erfolge unmittelbar mit denen aller andern Unternehmen aller Branchen vergleichen zu müssen. Es sei denn – und das wirst du dann doch kaum je heutzutage irgendwo, und wenn, bloss als „startup“ Übergangszustand (bis zum Börsengang) finden – , ein Unternehmen wäre derart ertragsstark, dass es seine eigene Erweiterung mit eigenen Gewinnen bestreiten kann.
((Trotz aller „Tendenz“ variieren die Betriebsgrössen nach wie vor; und die Frage, welche die dem jeweiligen Unternehmenszweck möglichst angemessene Grösse und Rechtsform ist, ist eine der vielen delikaten und keineswegs wie aus der Pistole geschossen zu beantwortenden Problemstellungen der „Wissenschaft“ der Betriebsführung….))

Umgekehrt… worüber wird denn im Börsenhandel, oder auch in den Verhandlungen von Risikofonds, Unternehmensbeteiligungs-Projekten, auch mal joiint ventures usw (und, ja, dann auch bei der Kreditvergabe oder Begebung ener Anleihe, einem Börsengang usw) gesprochen?
Über Produktion, Kosten, Märkte, Randbedingungen, Chancen…. also genau das, worüber die involvierten Konzernherren eben auch brüten.
Da hat sich rein garnichts „emanzipiert“ und verselbständigt – natürlich ist es die Entwicklung des realen Geschäfts, die gegenwärtige und in die Zukunft womöglich fortschreibbare, die hier einzig zählt. (Im Falle von Staaten und ihren Schulden um drei Ecken rum ebenfalls … Da kommt, wie am Fall Ukraine zu besichtigen, dann auch der Gewaltapparat (und seine Finanzierbarkeit) ins Spiel, mit dem gedroht werden kann.. die EU hat da derzeit schlechte Karten.)

Nochmal: Die Frage ist hier zunächst noch nicht, WER bestimmt – sondern welche Tätigkeit die eigentlich bestimmende ist; und.. worüber da, entlang welcher Kriterien, bestimmt wird.
Materiell, vorgeblich, ist es „der technische Fortschritt“ der Weltgesellschaft – die ständige Optimierung ihrer Reproduktion, keineswegs bloss durch quantitatives (das im Falle der „emerging markets“ immer noch), sondern heute vor allem qualitatives Wachstum, speziell unterm Gesichtspunkt knapper werdender Ressourcen**) aller Art (ua billige Lohnarbeit) und riskanter werdender Standort-Wahlen.
**) hierzu aktuell: de.nachrichten.yahoo.com/staat…lvorkommen-072931672.html

Was du mit deinem Know-how-thread beabsichtigt hattest, Wal, nämlich gewissermassen eine Art Eliten-Tausch nachzuweisen – das ist, wegen der heute üblichen Beteiligung der tatsächlichen Eigentumstitel-Besitzer und ihrer Vereinigungen bzw. Beauftragten als harten und sachkundigen Kontrolleuren der Geschäftsleitungen, sachlich nicht (mehr) ganz angemessen. Aber vor allem ist die Frage zu stellen: Über welche Art „Mechanismus“ wollen die massgeblichen Entscheider den globalen Fortschrittsprozess kontrollieren, steuern, gestalten, beherrschen – an welchem Erfolgskriterium orientieren sie sich da – hat sich da IRGENDETWAS wesentliches geändert?
Ist es nicht dieselbe Grösse wie seit eh und je – Markterfolg, gleich wie erzielt, in Gestalt von Gewinnen – die, nach Steuern und unvermeidlichen Dividenden- und Zinszahlungen – möglichst wieder mit demselben Ziel angelegt werden sollen – und so überhaupt jede noch so kleine Geldsumme, die irgendwo für kürzere oder längere Zeit brachliegt?
Das ist das Ziel.
Dass man ihm nicht genügen kann, weil es eben soviel produktive Anlagemöglichkeiten in so kurzer Zeit nicht gibt, ist doch ins System eingepreist. Darum gibts ja auch einen Kapitalmarkt – nicht nur Angebot, sondern auch Nachfrage… und „Preise“..

Aber für UNS ist doch, falls wir Einigkeit über die Beschreibung dieser Verhältnisse erzielen, die Frage: Inwieweit bringt dieses Fortschrittsmittel Fortschritt? Inwieweit wird die behauptete Steuerung und Lenkung des von genau diesen „Lenkern“ installierten weltweiten Produktionsprozesses und seiner Optimierung zum grössten Nutzen der grössten Zahl (denn so lautet die Legitimation!) überhaupt von ihnen leistbar? Sind ihre „Krisen“ womöglich Ausdruck gigantisch sich anhäufender Fehl-Entscheidungen – die sie selbstverständlich unterlassen hätten… wenn das vorher absehbar gewesen wäre… Warum ist es das immer erst hinterher?

12. November 2014±0
Der Beitrag wurde an verschiedenen Stellen bearbeitet und erweitert. (13.11. 11:21)

Ich glaube, dass mit den beiden Marx-Zitaten von Wal erneut ein ganz entscheidender Punkt angesprochen wird – ein Punkt, den wir in einem sich über mehrere threads erstreckenden Dialog immer wieder berühren oder umkreisen. Denn:

Bei allen Änderungen, die sich aus der Ablösung der Eigentumstitel (etwa als Aktie, Unternehmensanleihe) von der tatsächlichen Verfügung über die direkt oder indirekt damit verbundenen Produktionsmittel ergeben – es BLEIBT etwas, und keine der damit einhergehenden „Vergesellschaftungs“- und Funktionalisierungs-Entwicklungen kann DARAN etwas ändern:
Die Gesamt-Reproduktion der (Welt)Gesellschaft und ihr Fortschritt, obwohl ein beständiger Güterfluss, in dem jede einzelne (Re)Produktionsstation existenziell von allen andern abhängt (und das heute in ganz anderen Grössenordnungen als zu Marx‘ Zeiten!), soll angeblich erfolgreich geplant werden können durch Entscheidungen über Produktionsparameter der Einzelstationen, OHNE Wissen über das, was die andern Entscheider an den andern Stationen tun, aber in der sicheren Erwartung, dass deren Entscheidungen Auswirkungen auf die eigene Produktionsstätte haben werden. – Die Summe all dieser unverbundenen unkoordinierten Entscheidungen macht sich dann als ein SACHZWANG geltend, auf den sich ALLE Beteiligte einstellen sollen – als der Zwang, durch beständige „Produktivitätssteigerung“ aus Geld mehr Geld zu machen, und jedes solche „Mehr“ möglichst wieder auf die gleiche Weise zu verwenden. Falls einem das nicht schnell genug, und in angemesenen Grössenordnungen (verglichen mit dem Durchschnitt der andern „Entscheider“) gelingt, droht einem solchen Entscheider, von der Beteiligung am Mit-Entscheiden über die (Re)Produktion immer mehr ausgeschlossen zu werden – im Mass, wie er diesem Sachzwang (der Konkurrenz) dann eben nicht gerecht geworden ist. (Insofern kann man sehr wohl sagen Die Angehörigen der herrschenden Klasse konkurrieren darum, in welchem Ausmass jeder von ihnen bestimmen also herrschen darf über den gesellschaftlichen Reproduktionsprozess. Nicht mehr die Privilegien der Eigentums-Rechtsausübung sind entscheidend, sondern die Verfügung über Optionen zur Produktions-Umgestaltung und Innovation. Wobei sich die „Funktionäre“ des Kapitals nebenbei für ihre Tätigkeit nicht zu knapp bedienen (darüber entscheiden ja auch sie und ihresgleichen, niemand sonst), was „Eigentum“ im ursprünglichen Sinn anlangt…)

Das Fundament für diese verrückte Art der Einrichtung und Steuerung der (Welt)Reproduktion und vor allem ihres Fortschritts ist das Versprechen, dass sie sich anders nicht, so aber eben geradezu OPTIMAL zumindest besser als auf jede andere Weise steuern lässt. Soviel von diesem Versprechen bis heute auch schon zurückgenommen wurde – es bleibt die Behauptung: diese Art der Steuerung des weltweit installierten modern-arbeitsteiligen Riesenprozesses (seiner technologisch hochgerüsteten Produktivkräfte) sei die für IHN einzig mögliche; er ist entweder SO zu steuern und zu koordinieren, oder garnicht.
(Darin ist eingeschlossen, dass den Marktkräften längst immer aufwendigere staatliche Aufsichts-, Rahmungs- und Korrektur-Massnahmen stützend zu Hilfe kommen müssen, um das sichtliche „Marktversagen“ an immer mehr Stellen schlecht und recht zu kompensieren – übrigens auch eine Tendenz (Verrechtlichung, Bürokratisierung, Politisierung), die man der „Funktionalisierung“ und „Sozialisierung“ des Eigentums als weitere, in die gleiche, verkorkste und eben misslingende „Vergesellschaftungs“-Richtung weisende an die Seite stellen könnte.)
Aber die Frage ist nicht bloss, ob anstelle von Einzelnen über Einzelbetriebe „die Gesellschaft“ das Entscheiden übernehmen könnte – sondern vielmehr, ob das Entscheiden über Einzelbetriebe auf den so überaus produktiven Reproduktionsprozess der Gesellschaft ausgedehnt werden kann. Nicht nur das Subjekt, das OBJEKT dieses Entscheidens bildet hier das vorrangige Problem.
Und… dies Problem ist Resultat eines viel fundamentaleren Sachzwangs, der sich im Verbund mit der Frage des Produktionsverhältnisses auftut: Sind die Produktivkräfte, die so verwaltet und organisiert werden sollen, überhaupt PRODUKTIV? Ist der Produktivitäts- und der an ihn sich anschliesende Fortschrittsbegriff hier womöglich DURCH die Anbindung, Fesselung an eine bestimmte Art der Koordination (durch Konkurrenz von Einzelbetrieben; durch „Schätzung“ oder Messung der „Reproduktivität“ durch EINE kardinale Geldgrösse) extrem eingeschränkt auf EINE seiner Dimensionen, unter Ausschluss aller andern? Und ist es auf DIESE Art und Weise, wie die Marxsche Formel von der Fesselung der Produktivkraft-Entwicklung durch das Produktionsverhältnis (als allgemeines Muster für Epochenübergänge) hier ihre Anwendung findet?
Man kann ja noch zustimmen, wenn der kapitalistischen Produktionsweise zugestanden wird, dass sie, nun ja, gerade eben und mit unsäglicher Ressourcenvergeudung, aber immerhin, imstande war, die aus der kulturell weltweit durchgesetzten MODERNITÄT folgenden Optionen für eine systematische Exploration der möglichen technologischen Optionen und und Aufgabenstellungen umzusetzen. Da stehen wir also nun da mit einem (an all seinen derzeitigen Grenzen durch weitere Forschung erweiterbaren) Riesen-Werkzeugkasten.
Der Einsatz dieser Werkzeuge in der realen Re-Produktion aber ist in einer Weise (als Konkurrenz um erfolgreiches Mehr-Geld-Machen) geplant und ausgeführt, die nur als irrwitzig bezeichnet werden kann.
Die Kritik der kapitalistischen Produktionsweise greift demzufolge zu kurz, wenn sie daran nur das (freilich unbestreitbare, und schon für sich absolut skandalöse) Moment der Ausbeutung (der Nicht-Verfügung der lohnabhängigen Masse der Gesellschaft über ihre eigene Reproduktion sowie Grösse, Art und Verwendung möglicher Mehrprodukte) angreift, und immer noch ist nicht alles gesagt, wenn man die Rücksichtslosigkeit dieser Produktionsweise gegen Naturressourcen aller Art, angefangen bei unseren eignen, ebenso wie gegenüber historischen Fortschritts-Potentialen (eine kulturelle „Human“-Ressource, die nicht niger verschleudert und ohne jede Ein- und Vorsicht behandelt wird) beklagt und anklagt. Ja sogar das wäre noch nicht ausreichend, wenn dieser Produktionsweise ihre Unfähigkeit nachgewiesen würde zur Steuerung der von und in ihr in Gang gesetzten Riesenprozesse, die allesamt mit unheimlicher Geschwindigkeit jeder Kontrolle entgleiten.

Es ist nämlich womöglich nicht so, dass man daraufhin nur einfach das Produktionsverhältnis, das hier zur Fessel wurde, auswechseln müsste.

Man MUSS es auswechseln, von Anfang an – denn mit DIESER Organisatioon durch Markt und Konkurrenz geht garnichts weiter.

Aber man muss nicht glauben, mit dem Neustart auch schon die zugehörigen und völlig unentwickelten Produktions- oder Produktivkraft-Dimensionen in der Tasche zu haben: nämlich ihre Angemessenheit an die fundamentalen ZWECKE einer rationalen Reproduktion: Naturgemässheit, Bedürfnisgemässheit, und, so könnte man das ausdrücken, Kulturgemässheit – nämlich dem historisch erreichten Fortschritt im Verhältnis zu Welt und Selbst zuverlässig und reproduzierbar gerecht werdend.
Diese Zweckmässigkeiten und die ihnen gerecht werdende materielle (Re)Produktion müssen vielmehr, wie noch in jedem solchen Epochenübergang bisher, mühsam, sorgfältig, langsam im Rahmen des neuen Produktionsverhältnisses von Null (also dem heutigen Zustand) ausgehend erarbeitet und aufgebaut werden.
DAS ist die bittere und ernüchternde Botschaft, die, im Fall, dass das so zutrifft, die radikale Linke der zeitgenösischen Gesellschaft (zuallererst sich selbst, sofern sie sie noch nicht begriffen hat) mitzuteilen hätte. Aber… vielleicht weiss, oder zumindest AHNT die Gesellschaft den Sachverhalt längst selbst?

PS: Es gibt hier gewissermassen zwei sehr fundamental unterschiedene Weisen, wie man die „historisch-materialistische Arbeitshypothese“ konkretisieren sollte (sie lautet grob: immer wieder in der Geschichte stösst die Entwicklung der Produktivkräfte an die Grenze des sie znächst erfolgreich entfaltenden Produktionsverhältnisses und macht ein neues erforderlich):
Die eine Interpreration (die bisher unter Marxisten übliche) besagt: Die Produktivkraft-Entwicklung ist eine quantitative, es ist einfach technisch immer mehr möglich, und das seit Beginn der Zivilisation; bloss, dass bestimmten dabei erreichten Niveaus der Entwicklung dann die zugehörigen Prodktionsverhältnisse, die bei primitiveren technologischen Niveaus die einzig angemessenen waren, auf einmal immer mehr versagen und zum Hemmschuh für sich abzeichende Fortschritts-Optionen werden.
Die andere Interpretation (die auch mit der allgemeinen Formel vereinbar ist) lautet hingegen: Produktivkraft-Entwicklug und materieller Fortschritt ist keine quantitative Sache – es so anzusehen, ist eigentlich die Fortschreibung der Fortschrittsart einer ganz bestimmten Epoche (der modernen: Anwachsen des Systems an Variantenreichtum und Komplexität technologischer Optionen); was sich an einer Epochen- und somit Fortschrittsgrenze bemerkbar macht, ist vielmehr jedesmal eine neue Fortschritts-Dimension, oder produktive AUFGABENSTELLUNG, in die hinein selbst die bisherige Fortschrittsrichtung aufzulösen und hineinzunehmen ist. Dh Fortschritt wurde bis dahin zu einfach definiert. Und nicht nur, dass genau darum die Frage, wie man diese völlig neue Aufgabenstellung geselslchaftlich-arbeitsteilig organisiert, sich in dramatisch neuer Form stellt – die Aufgabe SELBST ist ja eine völlig neue; und selbst von der vergangenen Epoche einiges Nützliche zu erben und mitzunehmen ist, muss beinah alles sonst neu aus dem Boden gestampft werden. Und anders… ist die Stagnation und chronische Krisenhaftigkeit, in die der alte Epochenzustand geraten ist, nicht zu beheben. – Die These lautet: An solch einer Epochengrenze stehen wir. (Das freilich ist die Grobversion; womöglich gibt es eine differenziertere Form der These, die den Übergang in eine neue Produktionsweise als notwendig in zwei MATERIELL unterschiedene Phasen zerfallend beschreibt – und, nein, hier ist NICHT an das Zwei-Phasen-Modell Sozialismus/Kommunismus zu denken, sondern an ganz andere…)

13. November 2014

Wat. schrieb:
Diese Zweckmäßigkeit ist an keiner Stelle vom Schreibtisch oder vorher, also vor einem beginnenden Prozeß der Aneignung, zu klären.
Du kannst mE für objektive Anforderung (sorry) halten, was Du willst – was davon subjektive Anforderung, also subjektiv zu halten ist, entscheiden nicht und hoffentlich niemals einzelne.

Nun, da könnte ich entgegnen: Leute können natürlich „subjektiv“ denken, was sie wollen, und sich mit andern darin einigen; bloss ist nicht immer gesagt, dass sie so können, wie sie denken. Ob man da auf mich hört, oder nicht; ob man es womöglich selber einmal erwägt, wenn ich es an- und ausspreche, oder versucht es schnellstens zu vergessen und nicht dran zu denken, ändert am OBJEKTIVEN Sachverhalt leider nichts.
(Das haben objektiv bestehende Sachverhalte so an sich..)

Der Sachverhalt, um den es (thread-übergreifend, immer wieder) geht, stellt sich bedauerlicherweise unabhängig von kommunal vorhandenen Kompetenzen und auch Produktions-Optionen dar als existenzielle technologische Abhängigkeit der gesamten regionalen Reproduktion (angefangen bei so elementaren Dingen wie Nahrungsmittel- und Energieproduktion) vom Nachschub aus der globalisierten Weltwirtschaft. Regionalisierug und Kommunalisierung sind, anders als im halb noch vorindustriellen Frankreich der 1870er Jahre, wo dieses Modell durchaus vielversprechend gewesen wäre, heutzutage mit unglaublichen technologischen Umrüstungen (Substitution) verbunden. Es ist technisch undenkbar, dies nachhaltig oder, mit unserm Wort hier, REPRODUKTIV regional zu machen (ein anderer Ausdruck dafür wäre: regional autark), ohne lange Zeiträume der Entwicklung (dazu gehören derzeit auch Erfindung, Entwicklung, Erprobung von Verfahren, die es noch garnicht gibt) und des Aufbaus (sinnvolles Zusammenarbeiten der verwendeten Technologien) der neuen regionalen/kommunalen Reproduktion einzuplanen – Zeiträume, in denen dennoch die Versorgung der dort Wohnenden gesichert sein müsste. Was ohne entwicklungs-lähmende Rücksichtnahme auf die Weltmarkt-Einbettung der Kommune nicht möglich ist.
Weder von einer Analyse der Mentalitäten und Verteilung der Motive und Bereitschaften zu einem solchen Übergang in der Bevölkerung (je differenziert nach Zeiten akuter Krise, oder chronischer Krise, oder Nichtkrise) ist ein synchroner solcher Übergang zu erwarten, noch ist er machbar (dies aus dem genannten Grund), noch ist er überhaupt wünschenswert. Weil in solch einem MOMENT synchronen Übergangs einfach ZUVIELE PROBELME ZUGLEICH zu lösen sind.

Das sage ICH. Und ich… gehöre auch dazu.
Wohin kommen wir, Wat, wenn du jedem, der mit dir oder unseresgleichen anfängt über die Probleme des Übergangs zu reden, die ER/SIE sieht, über den Mund fährst mit: das wird nicht JETZT entschieden, drum darf da JETZT nicht drüber geredet werden, sondern da müssen SIE, die DANN „sich in Bewegung setzen“, sich erst beraten, und erst DANN. Und selbst wenn du dazu gehörst – du darfst dir keine Gedanken machen. Weil… jetzt ist ja noch nicht DANN. Und DANN… wird alles ganz anders (niemand weiss, wie; bloss DASS..)

Es ist der klassische altlinke Gedanke: ERST der Übergang, ERST die Aneignung, ERST der „Bruch“ – DANN (dann ist nämlich erst „dann“!)… sehn wir weiter.
Irrtum.
Ich kenn nicht EINEN Lohnabhängigen, mit dem ich geredet hab, der nicht GENAU DAS als allererstes (und schnell auch -letztes) fragt: Und wie soll das, bitteschön, gehn? Für den bist du eine gläubige Traumtänzerin. Jehovas Zeugin auf links. Sorry – genau so reden die über uns, genau so denken die über uns. „Die“. Genau die, von denen du immer zu sagen pflegst, dass „sie“ „dann“ die Entscheidungen treffen sollen. „Sie“ setzen sich aus genau dem Grund garnicht erst in Bewegung.
Und, sorry, bitte lies es nochmal genau: AUS GENAU DIESEM GRUND. Sag mal so einem deine beiden Sätzchen oben, die du MIR immer vorhältst:

Wat. schrieb:
Diese Zweckmäßigkeit ist an keiner Stelle vom Schreibtisch oder vorher, also vor einem beginnenden Prozeß der Aneignung, zu klären.
Du kannst mE für objektive Anforderung (sorry) halten, was Du willst – was davon subjektive Anforderung, also subjektiv zu halten ist, entscheiden nicht und hoffentlich niemals einzelne.

Da verabschiedet der sich freundlich, und sagt seinerseits: sorry.

13. November 2014
Vorbemerkung nach Abfassung des Beitrags: Die Diskussion ist schneller, als ich antworten kann. Die nachfolgende Antwort hat leider den voranstehenden Beitrag von Wal nicht berücksichtigt, und bezieht sich auf den davor. Allerdings sind erste Elemente einer Antwort auch enthalten: denn in dem Beitrag hier wird explizit die Verbindung von Analyse des gegenwärtigen Entwicklungsstandes der kap.Prduktionsweise und den Problemen einer nachkapitalistischen, kommunalistischen Alternative hergestellt.
Es geht leider nicht mehr bloss um die Analyse der Lohnarbeit und ihrer Ausbeutung. Es geht längst auch um die Frage der (möglicherweise ständig misslingenden) Verwaltung von technologischem Fortschritt und seiner Konsequenzen durch die kap. Planungs- und Steuerungsinstrumente, die einzig auf „abstrakte Produktivitätsteigerung“ orientieren; und es geht um die Steuerung dieser Fortschrittsbewegung in Gestalt des KREDITS und von INVESTITIONEN (weshalb die Herren über beides, und bittesehr nicht den popligen Bankkredit an den Kleinunternehmer, sondern das akkumulierbare Investitionskapital der Weltgesellschaft, zusammen mit den Regierenden der massgeblichen Staaten heute eben die herrschende Klasse sind; so wurde behauptet). Genau das hat die weiter unten in diesem Beitrag behaupteten Konsequenzen. Wenn aber sachliche Erörterungen von Sachverhalten euch regelmässig ärgern, sobald sie von EUERN Voraussetzungen weggehen und dagegen argumentieren, und man jedesmal erstmal gegen emotionale Ausbrüche anschreiben muss… warum soll man sowas tun? Warum soll man euch ärgern? Damit ist niemand gedient.
(Meine Antwort im letzten Beitrag galt Wat und nicht dir, Wal. Auch dein Beitrag argumentiert eher gegen Wat. Mein Hauptargument gegen Wats Entgegnung lautet, ähnlich wie er dann auch von AgneS kam: Es wird kein „dann“ geben, und kein „danach“, wenn nicht ZUVOR die Beteiligten sich eine für sie (von mir aus „subjektiv“) hinreichende Vorstellung von dem gemacht haben, was für Chancen sie haben und was sie tun wollen und müssen. Die Tour: erstmal Umsturz, dann sieht man weiter, und vorher darf man nicht drüber reden (auch keinen Entwurf „Kommune Bochum“ und dergleichen) – das ist zB reinste MG/GSP-Tour. Zumindest ICH mach die nicht mit. (Wenn man schon nur noch von sich selbst reden soll, was mir SEHR recht ist, ich brauch mich nicht verstecken hinter andern. (Wenn die konkreten Einwände dann aber bitte nicht wieder abgetan werden (das gabs hier verschiedentlich, zB auch von Mario Ahner) in der Art von „Wer bist du kleiner Hansel/Gretel denn schon, verglichen mit der grossen Lohnabhängigen-Klasse da draussen, die schon wissen wird, was sie tut, wenn sie nur erstmal loslegt, wo sie doch alle Kompetenzen in ihr versammelt hat!“)
Das behauptete Mantra ist hier von mir nicht aufgestellt worden. Ich sehe, und ich denke, alle andern, die hier mitdiskutieren sehen genauso die Anforderung nicht als eine „an die Linke“, sondern vorrangig an sich selbst gestellt. Die Alternativen speziell meinerseits wurden mehrfach in meinen früheren Forumsbeiträgen angesprochen, und können jederzeit konkretisiert werden. Schliesslich bin ich praktisch in dieser Richtung tätig. Vor allem auch der Zusammenhang zur Kapitalismus-Analyse könte und sollte weiter konkretisiert werden – das wird, sehr zurecht, hier immer wieder parallel und im Zusammenhang diskutiert.)

Jetzt der ursprüngliche Beitrag:

Wal.. die „Problemstellung“ wird „von Franziska angeschoben“, weil sie eben keineswegs bloss die Bedarfsermittlung oder -planung betrifft, sondern die elementare Frage, wie die als Resultat der Entwicklung der kap. Produktionsweise uns verfügbaren (speziell regional verfügbaren) Produktionsmittel in gesellschaftliche Kontrolle übernommen werden können – OB sie das können, ob sie es auf regionaler Basis können usw.
Es geht um Reproduktion und Produktion, und Restriktionen, denen sie – darum geht die Debatte – unterliegen.

(Es geht, nebenbei, und als nicht ganz unwichtiger Unterpunkt, auch um die Frage, ob man sich kollektiv des ZUSAMMENHANGS von (erfüllbarem) Bedürfnis und (abzuleistender) Arbeit (und der Art ihrer Verausgabung) kollektiv bemächtigen und ihn kontrollieren kann: überhaupt erst einmal so, dass die Koordination gelingt – vor allem die denkbaren Umgestaltungen, angesichts von Lernfortschritten im Umgang mit den Produktivkräften, und zwar ALLEN); aber eben auch so, dass der Konsens darüber gestiftet und die Entscheidungsfähigkeit aller gesichert bleibt – indem sie überhaupt WISSEN, was zur Entscheidung ansteht, und nicht anonymen Experten-Kulturen ausgeliefert sind. Echt, Wal – das sollte dir die ganze Zeit entgangen sein? Dass es DARUM und solche, die Produktion und Reproduktion und ihre kollektive Planung betreffende Fragen in „Franziskas“ Problemstellung“ geht und ging? Ist es dir entgangen? Oder hältst du es für unerheblich? Und was ist unkonkret, wenn ich von globaler Abhängigkeit (nur schon, und exemplarisch) der regionalen Produktion von Nahrungsmitteln und Energie von Ersatzteil- und Energielieferungen rede? Erinnerst du dich noch: 40% des BIP dienen der Bezahlung von Importen – das ist allein erst der internationalen Verflechtung (auch der nationalen Konzern mit ihren Auslandstöchtern, vgl. dazu Robert Schlossers Manuskript) geschuldet; wie mag die Zahl aussehen, wenn wir zB Bochums Importe aus der nationalen Wirtschaft betrachten – und die Notwendigkeiten der Import-Substitution, um sie allein auf die von dir angesetzten 15% für lokal nicht vorhandene Energieträger und Rohstoffe zu senken? Von Sanktionen, Boykott und schlimmerem gegen die abrtünnigen Kommunen (vgl. Donbass) noch ganz zu schweigen… Das ist „unkonkret“??? Und.. das hätte nichts zu tun mit dem Begriff von „Produktivität“, den die heutige herrschende Klasse bzw. Produktionsweise mit ihren hochriskanten weltweiten Abhängigkeiten der Weltgesellschaft aufgenötigt hat? – Nein! – es ergibt sich vielmehr, so die zu diskutierende These, DIREKT aus der ANALYSE der derzeitigen entwickelten kapitalistischen Produktionsweise. Das ist „zu grundsätzlich“? Nun… was darüber hinausginge, würde ja auch sofort auf Wats Einwand treffen, dass es „dann“ erst entschieden werden soll… Wie nun? )

Es sollte niemand glauben, dass wir mit diesen Erörterungen uns allzuweit entfernt hätten vom Thema des threads (oder der Reihe aus threads, an die er anschliesst: schliesslich war der TE Beitrag einer am Ende des Know-how-threads, der die Antwort auf das immer gleiche Problem liefern sollte, das zuvor schon im 1848 (und noch davor im Alle planen alles) thread diskutiert wurde; keineswegs bloss von mir).
Wir analysieren hier das Resultat der Produktionsweise, die überwunden werden soll. Und die Frage, ob und wie weit es Chancen oder Hindernisse für die Produktionsweise, speziell in technologischer HInsicht, liefert, die die zu überwindende ersetzen soll.
Und… speziell geht es drum, inwieweit das spezifische Produktionsverhältnis, speziell mit seiner herrschenden Klasse und den Ansprüchen, denen sie behauptet gerecht werden zu können, für technologische und generell materielle (Stichwort: Produktionsarchitektur; einseitige Entwicklung von „abstrakter Produktivität“ auf Kosten ALLER andern Entwicklungsdimensionen) Verhältnisse gesorgt hat, die eine für die Versorgung der Weltbevölkerung MÖRDERISCHE SACKGASSE darstellen. Und das sehr präzise und konkret aufgrund ihres Planungs- und Steuerungsmodus namens „aus Geld mehr Geld machen“, auf einzelbetrieblicher Basis.

Wal hat, in seiner Reaktion auf den Arbeitswerttheorie-thread im Frühjahr, nämlich in dem extra zu dem Zweck eröffneten thread „Warum Marx?“, die im Kapitalismus, durch die damit verbundene Produktionsweise, erzeugte ARBEITS-Produktivität und die damit verbundenen Optionen, herausgearbeitet. Die Antwort darauf ist, dass diese Arbeitserleichterung (die bei kollektiver Aneignung der Prod.mittel allen zugute käme) mit ungeheuren Opfern auf andern Gebieten der materiellen Produktion erkauft ist, die eine nachkapitalistische freie Produzenten-Assoziation massiv zu spüren bekommen würde. Um diesen Zusammenhang zwischen der spezifischen Zurichtung der Produktivkräfte und ihrer technolgischen Ausrüstung durch die Restriktionen kapitalistischer Produktions-Organisation, und den Chancen und Hindernissen, die sie der Aneignung dieser Ausrüstung und dieses weltweit installierten Produktions-Apparats durch mehr oder weniger grosse Teile der Welt- oder auch regionaler Gesellschaften entgegensetzen, geht es.

Ich bitte darum, dies als eine sachliche Erörterung aufzufassen von Einwänden gegen bestimmte Vorgehensweisen beim „Übergang“ in eine emanzipierte Gesellschaft, die einige von uns sehen. Diese Einwände sollten sich auflösen lassen mit Argumenten. Anders gehen Einwände nicht weg.

Wat macht gerne ihre spezielle biographische Erfahrung geltend.
MEINE Erfahrung beruht auf einer zeitlich wahrscheinlich deutlich noch ausgedehnteren (als bei Wat) Tätigkeit, mit der ich Jahre meines Lebens zugebracht habe, nämlich Versuchen (und deren sorgfältiger Planung), Lohnabhängige für das Projekt ihrer Emanzipation zu gewinnen. Aufgrund dieser Erfahrungen kann ich mir nicht vorstellen, warum ihre Reaktion im Rahmen einer KRISE (akut, oder chronisch) wesentlich anders ausfallen sollte; also wenn ihre Reproduktion beschädigt wird. Darüber, ob DAS einen Unterschied machen wird (und man das vernünftigerweise so erwarten kann und darf oder muss), wurde hier bislang noch nicht genügend gesprochen; es scheint aber eine wichtige Voraussetzung im „Übergangs“-Szenario wenigstens von Wal, vielleicht auch Wat zu sein.

Wal:
13. November 2014
Hallo Franziska,
wenn du der Meinung bist, der Kapitalismus sei ohne Ausweg, „eine mörderische Sackgasse“, wie du dich ausdrückst, dann kann ich diese Meinung nur zur Kenntnis nehmen. Kommentieren und diskutieren kann ich das nicht.

Jeder einzelne Satz über den Kapitalismus, den ich je geschrieben habe, sagt etwas anderes.

Möglicherweise ist an diesem Punkt für mich nicht nur die Diskussion in diesem Thread, sondern sogar JEDE Diskussion mit dir an ein totes Ende gelangt.
Sorry und Gruß!
Wal
….
13. November 2014
Wal, bitte lies nochmal nach: es geht um die materielle Struktur von Reproduktion und Versorgung der Weltbevölkerung, und die Behauptung, dass sie so, wie sie ist, ihrer kollektiven Aneignung massive Probleme bereitet. Dass DER KAPITALISMUS nicht überwindbar sein soll, ist absurd. Genau zu dem Zweck schreiben wir hier doch, wozu mache ich mir die Mühe, dies, nämlich genau was im Forumstitel steht: DIE BEDINGUNGEN unserer (! auch meiner!) Emanzipation zu diskutieren.
Ich muss nicht rechthaben, und wenn das alles leichter geht, FREUE ich mich.
Ich schreibe hier nicht zu meinem Vergnügen, sondern um Einsichten auszutauschen und zu Erkenntnissen zu gelangen.
Ich schreibe hier nicht, um Leute zu ärgern oder das grundsätzliche Ziel, den Kapitalismus zu überwinden infragezustellen.

Meine Analysen der derzeitigen Verhältnisse stelle ich in Auseinandersetzung mit den deinigen, Wal, zur Disposition; ich beharre nicht grundlos darauf, und bin auch nicht irgendwie emotional darauf fixiert.
Meine Konsequenzen, die allerdings erst sinnvoll in Betracht gezogen werden können, wenn die Analysen nicht mehr bestritten werden (was umgekehrt genauso gilt!), wurden bereits angedeutet: Die radikale Linke soll ihre Wartehaltung aufgeben, und sich an den Aufbau einer robusten, nachhaltigen und tragfähigen dezentral zur Not überlebensfähigen kollektiv-eigentumsfrei organisierte Reproduktionsstrukur machen (ermöglicht durch Vermögens-Überlassung an die Kollektive), deren Errungenschaften, im Falle plötzlichen Bedarfs, auf andere Bevölkerungsteile ausgeweitet werden können. Wobei diese Rücksicht auf Notfälle einen enormen Zusatzanspruch darstellt, der die „Aufbau“-Probleme technologisch und materiell unter extreme Zusatzanforderungen setzt. Dieser Strategie-Vorschlag schliesst andere und weitere Initiativen nicht aus, die mit ihm zusammenwachsen können – ganz im Gegenteil. Ich denke tendenziell aber, dass eine solche (und so organisierte) technisch-reproduktive Komponente, angefangen bei der Nahrungsmittelversorgung (man kann froh sein, wenn allein die schon regional gelingen würde; bitte immer denken an den hoch-technologischen Maschinenpark, der da heute eingesetzt wird), und fortgesetzt über Häuser- und Wohnungsbau-/-renovierung (schon wieder: zur Not unabhängig von überregionalen Industrie-Baumaterialien) mitsamt deren Infrastruktur, sowie lokale Produktionsmittel-Erzeugung (schon sehr anspruchsvoll), für das Gelingen JEDER Emanzipation auf „kommunaler“ Stufenleiter unerlässlich ist. Darüber würde ich gerne weiter diskutieren und die Gründe für und gegen weiter erörtern. Gern auch alle anderslautenden und den meinigen widersprechenden Analysen der Resultate der kapitalistischen Produktionsweise, wie sie sich aktuell entwickelt haben, und als Produktivkräfte im Rahmen einer Aneignungsbewegung auf kommunaler oder auch weiträumigerer Stufenleiter für Zwecke einer emanzipierten Gesellschaft nutzbar gemacht werden sollen.
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thread: Kapitalstock und Kapitalakkumulation in Deutschland

22. November 2014
Vorneweg eine Frage: Die absoluten Zahlen für die Fix-Kapitalausstattung pro Arbeitsplatz scheinen stark überhöht. Meines Wissens liegen sie irgendwo bei 300T oder niedriger. Die anderen Zahlen habe ich nicht überprüft…

Das Kapital hat bekanntlich kein Vaterland, bloss Standorte. Unternehmen haben darüberhinaus einen Sitz in einem Staat, unterliegen dessen Recht (oder nutzen es, im Fall von Auseinandersetzungen mit Kunden und Konkurrenten), speziell auch der Besteuerung, und unterhalten gute Beziehungen zur Regierung (wo es um Aufträge, Abbau-Lizenzen, Abbau von Handelshindernisen im Ausland und von „Bürokratie“ und Investitionshindernissen aller Art im Inland geht).

Die Repräsentanten der Kaptalinteressen klagen immer, auch noch auf höchstem Niveau. Es kann ihnen alles garnicht entgegenkommend genug eingerichtet sein, überall sehen sie das „Wachstum“ behindert, und irgendein Indikator liegt immer grad im argen.
Lohnabhängige, vor allem wenns um den Lohn geht, haben da wohl immer Grund zum Misstrauen…

Was nun die ökonomische Seite angeht, möchte ich an folgende Gesichtspunkte erinnern:

1. Selbstverständlich wird das abgeschriebene Kapital so gut wie nie in exakt dieselben Anlagen als Ersatz investiert, sondern meist in neuentwickelte teurere, aber kostengünstigere; genau die ständig vorhandene Differenz zwischen abgeschriebenem Altwert der „moralisch verschlissenen“ Altanlage und höherem Wert der neuen könnte sich ua. in den „Nettoinvestitionen“ widerspiegeln. Dabei sollte nicht vergessen werden: Auch Produktionsmittel werden immer produktiver hergestellt – auch auf diesem Markt gibt es Konkurrenz!

2. Warum IST eine Maschine trotz höherem Preis vergleichsweise kostengünstiger? Weil sie Stückkosten, und keinesfalls nur die Lohnstückkosten, senken hilft. Das heisst einmal: Gleichbleibende oder gar sinkende Arbeitsvolumina (im BIP (Verteilungsrechnung) sichtbar als „Arbeitsentgelte“) stellen sich in grösseren und/oder qualitativ hochwertigeren Waren, speziell eben leistunugsfähigeren, produktiveren und vergleichsweise dennoch nicht soviel teureren Produktionsmitteln dar.
Vor allem aber tritt diese vermehrte „Ökonomie“ beim zirkulierenden konstanten (dem Umlauf-)Kapital ein. Und wo finden wir das im BIP? Meine Vermutung dazu habe ich in meinem Forums-Blog geäussert: Der Posten „Unternehmenskonsum“ (in der „Verwendungs(be)rechnung“ des BIP) enthält das zirkulierende Kapital. Wenn dieser Posten nicht ständig sinkt, wie er tendenziell müsste, wegen der genannten Einsparungen (wozu sonst wird das Fixkapital denn ständig erneuert und moralisch verschlissen?) – dann darum, weil die Differenz durch AKKUMULATION auf diesem Gebiet gedeckt wird – und, nicht zu vergessen, denn auch dadurch steigt dieser Posten, durch immer noch vermehrte „Kapazitätsauslastung“, also Steigerung der Umlaufsgeschwindigkeit.
Misserfolg und „Wachstumsschwäche“ sieht anders aus – das Ausmass der tatsächlichen Akkumulation wird, wie ich glaube, durch die fatal irreführenden Darstellungsweisen des BIP verschleiert. ((Genau darum muss man sich das BIP und seine Berechnung bzw. die Frage seiner Abbildbarkeit auf Marxsche Kategorien auch so genau ansehen.))

3- Man könnte sich zusätzlich fragen, wofür eigentlich ein Aussenbeitrag oder Exportüberschuss verwendet wird – natürlich nicht er selbst, sondern das Geld (und zwar in Währungen, in denen lohnende Anlagen getätigt werden können), das damit verdient wurde. Das Stichwort heisst: Kapitalexport. Wie gesagt: „Deutsch“ mag der Firmensitz sein; die Produktion findet wer weiss wo statt; die Besteuerung wieder woanders, und nicht unbedingt hierzuland (vgl. den neuesten Luxemburg-Skandal).

4. Grundsätzlich ist daran zu erinnern: Falls sich in der gleichen Preissumme, wegen der produktiveren Produktionsoptionen, deutlich mehr und (sofern Produktionsmittel) leistungsfähigere und/oder sonst qualitativ hochwertigere Waren darstellen, ist das am BIP nicht ablesbar. Diese „Erfolgsdimension“ der Konkurrenz bleibt stumm.

5. Dass der Verlauf der Wachstumskurve QUALITATIV den Konjunkturverlauf abbildet, muss auch angesichts der Punkte 1-4 nicht bestritten werden. Tendenziell falsch wird die Sache im Licht dieser Einwände, wenn BIP-Zuwächse als reales (Miss)Erfolgs-MASS genommen werden. Dann wird das BIP endgültig zur ideologischen Grösse: Der Gedanke, es müsse doch alles irgendwie mehr geworden sein, damit auch mehr zu verteilen ist – ist auf den ersten Blick einleuchtend, zumal bei Lohnverhandlungen; er wird von Gewerkschaften gegen die eigenen Mitglieder ins Feld geführt. „Wachstum“ soll die Form von BIP-Zuwächsen in Prozent annehmen und sich darin einzig ausdrücken. Und wenn die „zu gering ausfallen“, wird die „Wachstumsschwäche“ ja gern zum Anlass staatlicher Massnahmen genommen, mit deren Hilfe ab sofort „die Gürtel allenthalben enger geschnallt werden“, weil man „über seine Verhältnisse“ gelebt hat.

6. Selbst wenn das Faktum regionaler „Wachstumsschwächen“ (qualitativ oder allenfalls grob-quantitativ im Sinne von „stark“ oder „leicht“ verstanden) und deren Ablesbarkeit am BIP-Verlauf nicht bestritten werden braucht, erklärt sich dies Faktum nicht von selbst. Die elementarste Gesetzmässigkeit der Konkurrenz ist da zur Erklärung meist völlig ausreichend: Wo vorher nur wenige Anbieter an einem Markt waren, wird der Wettbewerb härter, sobald neue Anbieter hinzukommen; und speziell solche mit Kostenvorteilen, etwa in Gestalt eines „konkurrenzlos“ niedrigen Lohnniveaus, oder Nähe zu und Vertrautheit mit einem nationalen Absatz-Markt (ein Vorteil, der gern durch die zugehörige Regierung in Form von „Handelshindernissen“ gegen die ausländische Konkurrenz ausgebaut wird – was so zuvor vielleicht bloss in der umgekehrten Richtung vorkam, als Protektionismus gegen Importe aus „Schwellenländern“). Ein weiterer Faktor: Der Mangel an sozialer Ein- und Vorsicht wird bisweilen so drastisch, dass auf Dauer (politisch erzwungene) Korrekturen anfallen. Auch das begründet bisweilen den Verlust von „Wachstums“-Prozenten… (umgekehrt: Rücksichtslosigkeit in diesen Hinsichten wird von „schwächeren“ Konkurrenten am Weltmarkt gern mal als Kostenfaktor eingesetzt.)

7. Der Zustand eines „Standorts“ von global operierendem Kapitals, das dort seinen Firmensitz und auch Teile seiner Gesamt-Geschäftstätigkeit betreibt, die dann auch in der nationalen Statistik und im BIP erfasst werden, ist EINE Sache. Dass die Lohnabhängigen des „Inlands“, wo dieses ihr Bruttoprodukt gemessen wird, an den weltweiten Erfolgen ihrer Arbeitgeber nicht automatisch teilhaben, ist vielleicht auch keine ganz neue Erkenntnis. Schliesslich gibt es da doch einen gewissen Zusammenhang: Die Erfolge der einen sind meist, im grossen ganzen und auf Dauer, die Misserfolge der andern. Wärs anders…. müssten sich Linke das mit dem „Klassenkampf“ fast nochmal überlegen.

22. November 2014
“ Im Jahr 2013 waren je Erwerbstätigen im Durchschnitt der Volkswirtschaft Anlage­güter mit einem Neuwert, das heißt brutto zu Wieder­beschaffungs­preisen, von rund 382 600 Euro vorhanden.“ destatis.de/DE/ZahlenFakten/Ge…egenKapitalstock2014.html
Ok – meine Zahlen bzw. Erinnerung daran stammten aus der ersten Hälfte der Nullerjahre…
Grob geht die Rechnung so: 16 Billionen Euro Anlagevermögen=16×10004 verteilen sich auf 40 Millionen=40×10002 Erwerbstätige ==> 16Bill_40Millionen=
((16:4)x(1000:10)x1000x{(1000×1000):(1000×1000)}=400×1000 Euro pro Erwerbstätigen.

23. November 2014
Wal, meine wiederholten Erwiderungen auf deine ebenso wiederholten Darstellungen sind keine korinthenkackerisch-akademischen Nebensachen, sondern betreffen zentral die Frage, ob das, was du als empirischen Beleg heranziehst, aus relativ einfachen Überlegungen heraus nicht vielmehr entweder nichts taugt oder womöglich sogar das Gegenteil zeigt. Es muss dafür das platte Faktum nicht geleugnet werden, dass in den letzten Jahrzehnten massenhaft Arbeitsplätze aus „klassischen“ Industrieregionen in Billiglohn-Zonen (die ihrerseits immer weiter wandern) verlagert wurden – und somit die weltweite Konkurrenz von Lohnabhängigen ausgenutzt wird. Das pfeift doch auch hier noch jeder Stammtisch-Spatz von seinem Dach, das liest man in der BILD-Zeitung und hörts in Politiker- und Wirtschaftsverbands-Äusserungen… Die Frage ist doch, inwiefern das im inner-kapitalistischen Wettbewerb die entscheidende Erfolgsgrösse darstellt – Ausweis der vielbeschworenen „Wettbewerbsfähigkeit“ – UND, vor allem: Ob eine verglichen mit früheren niedrige Zuwachsrate des BIP („Wachstum“) ein Indikator für einen Mangel daran ist.
Genau diese Benutzung des BIP als ein MASS, das mehr als zeitlich nah beieinanderliegende „Wachstums-„-Schwankungen QUALITATIV darstellt, wurde mit keineswegs bloss akademisch-ausgefuchsten Argumenten oben infragegestellt. Die Messgrössen, so sagst du, seien „allgemein anerkannt“ – von wem? Von Ökonomen, die DEINE ökonomische Theorie für den letzten Quatsch halten, und ihre ganz anderslautende dem entgegenhalten, und zur Grundlage der „Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung VGR“ machen. SIE müssten ja die ersten sein, die aus dem anhaltenden Niedergang ihrer vorrangigen Erfolgs-Messgrösse besorgte Rückschlüsse ziehen. Als WÄREN sie nicht wegen allem möglichen besorgt…. Aber, Wal… schau dir mal die weltweiten Rankings der „wettbewerbsfähigsten“ Volkswirtschaften an – wird DORT die numerische Abnahme der BIP-Zuwächse so bewertet, wie du das hier tust? Dieselben Ökonomen (Gegner aller marxistischen Theorie), die diese Messzahl „allgemein anerkennen“, finden den Rückgang auf zB die 2% Wachstum, die man beim G20-Gipfel in Brisbane sich unter den FÜHRENDEN WRTSCHAFTSNATIONEN zum Ziel gesetzt hat, „ehrgezig“. Warum wohl? Sehen SIE, was du doch ständig aufgrund dieser „allgemein anerkanten“ Enwicklung nahelegst, eine langfristige Gefahr für den weltweiten Kapitalismus heraufdämmern, die nur dadurch noch aufgehalten wird, dass es in den Schwellenländern (keineswegs die offiziell wettbewerbsfähigsten unter allen… schau dir die Listen mal an!) eben noch ein halbwegs erträgliches Wachstum gibt? Haben diese Leute KEINE Erklärungen für die Daten ihrer eigenen Statistik – stehen sie ihnen ratlos und entmutigt gegenüber? Was glaubst du denn, was sich für ein Geschrei aufseiten dieser Wachstumsfreunde erheben würde, wenn ihnen diese 2% gefährlich erscheinen würden? Aber DAS, Wal, sind die Leute, deren „allgemeine Anerkenung“ du selbst anerkennst, wenn du IHRE Erfolgsparameter 1:1 übernimmst.
Mit den empirischen Belegen, wie verrückt und irreführend die bereits aus marxistsicher Sicht womöglich konstruiert sind, übernimmt man natürlich nicht die ERKLÄRUNGEN der Daten. Die Daten tragen jedenfalls nicht ohne weiteres den Hinweis auf die relevanten Ursachen der Entwicklungstendenzen schon in sich.
Und damit auch nicht die Grundlage für eine Entscheidung, wie oder wovon abhängig sie prognostisch fortzuschreiben sind.
Das ist eine eigene Debatte.

Und WENN man anfängt, Interpretationen dieser „Oberflächen“-Daten mithilfe von Erkenntnissen speziell des Marxschen Kapitals anzufertigen, muss man natürlich auch eine haltbare „Übersetzung“ oder Deutung der Rechnungsposten des BIP – soweit davon wenigstens tendenziell etwas abhängig gemacht werden soll (um mehr gehts ja niemandem hier) – vorlegen. Im alten Marxform ist darüber – soweit ich sehe, ohne abschliessenden Ergebnis – wenigstens in diesem thread intensiv nachgedacht und diskutiert worden. Aus meiner Sicht sind dort ganz erhebliche Fehlbeurteilungen des Anteils des zirkulierenden Kapitals am „Volkseinkommen“ vorgekommen (all diese Benennungen sind tief irreführend, aber es gelten ja im Zweifel die Definitionen).
ALLE Produktionsmittel mit Lebensdauern unter einem Jahr werden aus dem Posten Unternehmens- und Vermögenseinkommen der Verteilungsberechnung des BIP bestritten. Dieser Sachverhalt wurde, soweit ich sehe, dort von allen Mit-Diskutierenden komplett übersehen, selbst von ma, der/die immerhin darauf drang, die Kategorie des czirk in die Betrachtung einzubeziehen, sich aber dann in (nicht völlig unerheblichen, wie man gleich anmerken muss) Erwägungen bzgl. Vorleistungen und Vorratshaltung verlor, und (wie ale andern) den Posten Unternehmens- und Vermögenseinkommen mehr oder weniger mit Gewinn gleichsetzte.
Durch die grotesken Konfusionen (aus generell linksradikaler und speziell marxistisch-ökonomischer Sicht) der BIP-Berechnung, die komplett aus den zugrundegelegte typisch „vulgär-ökonomischen“ Begriflichkeiten abzuleiten sind (worin die wiederum bestehen, und was ihr Mangel ist, müsste eigens besprochen werden), können die aus Sicht der Lohnabhängigen nachteiligen und Ausbeutungs-Verhältnisse nur sehr indirekt nd durch Heranziehung weiterer Detail-Informationen erschlossen werden. Das liegt daran – und man darf dem Erfinder der ganzen Rechnungsweise Keynes, der die Inflation schonmal zur Täuschung einsetzen wollte der dummen Lohnabhängigen, die auf Nominal- und nicht Reallohn-Entwicklung starrten, solche Motive ohne weiteres unterstellen – , dass die groben Posten der Verteilungsrechnung – wos um die Bezieher der Einkommen geht (grob: Unternehmen, Staat, Lohnabhängige) – und diejenigen der Verwendung (Konsum und Investition dieser drei Einkommensarten) GETRENNT ausgewiesen werden, und man mühsam und indirekt herumrechnen muss, um die Grösse der im Sinne etwa der Marxschen Reproduktionsschemata sinnvollen Unterkategorien (von denen die bürgerliche Theorie natürlich nichts wissen will, die kennt keinen Wert oder Mehrwert, kein Mehrprodukt) anhand der offiziellen Daten abschätzn zu können.
Über Detailprobleme dieser prekären „Übersetzung“ zweier an sich inkompatibler Konzepte, die behapten, vom selben Gegenstand zu handeln, ist an dieser Stelle nicht zu reden, ich möchte das demnächst in meinem Blog nachholen. (Ua. gibt es ein Missverständnis hinsichtlich des „Aufgehens“ des czirk in dem als v+m gedeuteten „Volkseinkommen“, dem der Gedanke aus der Bildung des Werts der Einzelware zugrundeliegt, dass das übertragene c ja nicht „neu“ produziert werden muss; bei der individuellen Ware ist es ja auch schon da und im Betrieb vorhanden – für die Erstellung des Gesamtjahresprodukts der Geselschaft ist zwar auch etwas da, nämlich die gesamten Anlagekapital-Güter (incl. selbstbewohnte Häuser der „Konsumenten“) sowie der Anfangsvorrat an Produktions- und Lebensmitteln zu Beginn der Rechnungsperiode) und auch die Anfangs-ARbeitskraft der Lohnabhängigen, bloss muss ausgehend davon bzw. DAMIT das gesamte Jahresprodukt erst erstellt werden – und das unter permanenter REPRODUKTION sowohl von Lohnabhängigen-Arbeitskraft als auch Umlaufkapitalgütern – unter Zuhilfenahme der je zuletzt reproduzierten Arbeitskraft und Umlaufkapitalgüter. Die werden aber bei jedem Durchlauf als „zusätzlich produziert“ und aus Arbeitsentgelt- bzw. Unternehmenseinkommen bezahlt gezählt. Und gewiss geht ein Teil der Umlaufkapitalgüter in die produzierten Bruttoinvestitionsgüter sowie die Konsumgüter ein, die mit Arbeitsentgelten bezahlt werden (dieses Eingehen sollte man hier nicht verwechseln mit dem Abzug von „Vorleistungen“ zur Vermeidung von Doppelzählungen bei der Berechnung der Beiträge einzelner Wirtschaftssektoren zur „Wertschöpfung“); sie gehen aber auch in ihre eigene Reproduktion ein – man muss bedenken, dass hier ALLES mitgezählt wird, was in weniger als einem Jahr verschlissen/verbraucht wird – und dieser Anteil der in die (Umlauf)Produktionsmittel-(Re)Produktion eingehenden Umlaufkapitalgüter wird aus dem Posten Unternehmenseinkommen bezahlt. Dies dient weniger der erbsenzählerischen Korrektur der Werte des „Nationaleinkommens“, als vielmehr zur Illustration, in elchem Ausmass in dieser „volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungs“-Weise Äpfel und Birnen und sonst noch alles mögliche zusammengezählt werden. Der schlimmste und wirklich massgeblich irreführende Effekt dieses Zusammenzählens von allem und jedem, nämlich über seinen PREIS, wird nirgendwo deutlich: dass nämlich sowohl die durch Preissenkungen erzielten Verbilligngen als auch die qualitativ neuen und im bisherigen Budget auf einmal erschwinglichen innovativen Güter in den reinen Wachstumszahlen nicht erfasst sind. Das also, was man sonst qualitatives Wachstum ennt. Und darin steckt ja gerade das massgbeliche des Produktivitätsfortschritts. In dieser Hinsicht ist also das BIP-Wachstum eben gerade KEIN Erfolgsmass. Und dasselbe gilt auch für MIsserfolge: Was als Schaden nicht „bepreist“, behoben und bezahlt wurde – sei es, weil es rechtlich nicht geltend gemacht werden kann als zB Berufskrankheit; sei es, weil es keine Beschädigung eines Einzeleigentümers durch einen anderen ist (wie ganz generell die Umweltzerstörung und Ressourcenverknappung) – das wird im BIP nicht gemassen. Ebenso (Standard-Kritik am BIP) werden Schadensreparaturen, die eigentlich volkswirtschaftliche Verluste darstellen, als positiver Einkomensbeitrag gezählt.
Weitere GEWICHTIGE (und nicht-marginale) Argumente zur entstellenden und verfälschenden Tendenz von BIP-Posten habe ihc in meinem vorausgehenden Beitrag versucht vorzubringen. Es sind keineswegs akademische Einwände, sondern in ihrer Gesamtheit wecken sie massive Zweifel an der These, dass der BIP-„Niedergang“ in den klassischen Industrienationen Ausweis ihrer relativen Stagnation, und die hohen Wachstumszahlen der Schwellenländer Ausweis von deren „robusten“ Kapitalakkumulations-Fähigkeiten darstellen. (Rücksichtslosigkeit gegen die eigenen Umweltbedingungen macht sich irgendwan auch als Kosten- zumindest Standortfaktor bemerkbar; ebenso aufgeschobene Infrastruktur-Investitionen; vom „Humanverschleiss“ ganz zu schweigen…) Genau aus diesen Gründen werden die BIP-Wachstumsraten immer nur zur Abschätzung des konjunkturelen Verlaufs entweder derselen Volkswirtschaft, oder allenfalls zum Verleich gleichartiger herangezogen. Keine Rolle spielen sie hingegen in der Abschätzng der „Wettbewerbsfähigkeit“, also genau der Grösse, die du, Wal, eigentlich hier ständig beurteiltund gemessen haben möchtest. Die wird vielmehr anhand von mindestens 10 oder 20 Parametern bewertet, und zwar ANDEREN… (und auch das ist, da darfst du sicher sein, im Rahmen der nötigen Problematisierbarkeit, „offiziell anerkannt“ – wobei die „offizielle“ Tendenz die ist, dass solche Erfolgsschätzungen hinsichtlich ganzer Volkswirtschaften etwas dem kapitalistischen Erfolgsmasstab relativ fremdes, damit icht vereinbares und schon darum auch problematisches ist… die „gesamtgesellschaftliche“ Betrachtungsweise von „Erfolg“ ist halt nicht unbedingt die von bürgerlichen Ökonomen…. eher schon die von Regierungen… aber auch deren Vorstellung von „Erfolg“ ist vielleicht nicht die von Lohnabhängigen… Soviel zum Masstab des „offiziell Anerkanntseins“ eines Erfolgsmasstabs.)

24. November 2014
Wal – ich muss dir rechtgeben: Es gibt keinen sicheren Anhaltspunkt, dass es dir ums BIP oder um die Wettbewerbsfähigkeit in den alten Industriezonen geht (ich beziehe mich jetzt auch auf die oben angegebenen links, die ich mir nochmal angeschaut habe). Meine Antwort oben zielte insofern aus Verlegenheit auf ein Detail – das Stichwort „Kapitalakkumulation“. Soweit du dafür die (auch vom DIW) angeführten offiziellen Indikatoren zustimmend heranziehst, waren meine Anmerkungen passend, falls zutrifft, was ich behaupte: Dass die gesamte offizielle Statistik und Begrifflichkeiten hinter dem BIP und daraus abgeleiteten oder dazu in Beziehung gesetzten Daten auf einem – aus meiner Sicht zumindest – sehr irreführenden und wichtige Tatsachen womöglich bewusst verschleiernden theoretischen Konzept beruhen.
Dennoch hast du recht, Wal: Ich weiss immer noch nicht, worauf genau du eigentlich hinauswillst. Deine generelle These ist:

Wal Buchenberg schrieb:
…nicht…, dass es mir nur oder vor allem um die Darstellung der Wettbewerbsfähigkeit der kapitalistischen Kernzonen ginge. Die (noch) bestehende Wettbewerbsfähigkeit will ich gar nicht in Zweifel ziehen, aber die kümmert mich wenig.
Mir geht es vielmehr darum, aufzuzeigen, wo und wie sich die kapitalistische Profitproduktion verschiebt und verlagert. Diese weltweite Verschiebung und Verlagerung der kapitalistischen Profitproduktion ist keineswegs nur und nicht einmal vorzugsweise an den Daten des BIP ablesbar.

Nun könnte man fragen, ob „kapitalistischen Profitproduktion“ nicht doppelt-gemoppelt ist – insofern in kapitalistischen Verhältnissen (wenn sie nicht grad staatlichen oder, eher selten, „ideellen“ Zwecken dient) alle Produktion überhaupt nur begonnen wird, weil ein Profit (noch dazu ein möglichst hoher) erhofft wird.
Findet die wie erhofft profitable Produktion dann irgendwo an einem „Standort“ flächendeckend statt, ist der im Sinne der offiziellen rankings „wettbewerbsfähig“ – und die Erfolge schlagen sich in angemessenen BIP-Zuwächsen nieder. (Wie ich oben schon sagte, werden in den „industriellen Kernzonen“ von den ansonsten ständig klagenden Freunden der Wirtschaft 2%-Zuwächse als durchaus zufriedenstellend angesehen.)
Ich habe oben Vermutungen geäussert über die notwendige Ungenauigkeit und rein relative Geltung (aus meiner Sicht) dieses Erfolgsmasses – es zeigt Erfolge nur relativ zur jüngeren Vergangenheit, und innerhalb der jeweiligen „peer-group“ der vergleichbar „entwickelten“ Nationen an. Wenn das stimmt, sind Wachstumsraten-Vergleiche zwischen Ländergruppen mit verschiedenen „Entwicklungsniveaus“ oder über lange Zeiräume nicht sehr aussagekräftig.
In diesem Zusammenhang fand ich die dritte Grafik (von oben) im letzten oben verlinkten thread (Die Weltwirtschaft 2014) mit dem Titel „Jährliches Wirtschaftswachstum 1990-2012“ (soll das heissen: durchschnittliches?) aufschlussreich; dort ging es um die Gegenüberstellung der Wachstumsbeiträge von Produktivitätssteigerungen, im Vergleich zu solchen durch Produktions- (also Kapazitäts)erweiterungen. An der Unterstellung, die dieser Grafik zugrundeliegt, könnte man sehr gut die Folgen möglicherweise verkehrter Fragestellungen deutlich machen: Gefragt wird nach dem Beitrag von Produktivitätserhöhungen zum WACHSTUM – also den BIP-ZUWÄCHSEN. Wenn meine Überlegungen oben stimmen, KÖNNEN diese Zuwächse in entwickelteren Ländern zunehemnd überhaupt nur noch aus Erweiterungen stammen – weil sich dort die Produktivitätszwächse eben über das gesamte BIP erstrecken – ALLES wird immerzu immer billiger produziert – und natürlich „wächst“ das BIP dann immer langsamer, weshalb es ja auch als Indikator für diese in der globalen Konkurrenz massgebliche Erfolgsdimension sich nur sehr bedingt eignet (das könnte, wie oben angeführt, Absicht sein).
Ähnlich und nur zur Erinnerung angedeutet: Deutsche Lohnabhängige konkurrieren mit solchen in Brasilien oder China. Wessen oder welche Schwäche zeigt das an?
Wolltest du darauf hinaus, dass die „Profitproduktion“ sich überall hin ausgeweitet hat – willst du illustrieren, dass die „Kernzonen“ als Standorte Konkurrenz bekommen haben – was die Freunde der Konkurrenz seit Jahrzehnten durch „Abbau von Handelshindernissen“, Entwicklungshilfe, Niederringung eines fendlichen Systems und Kapitalexport kräftig (keineswegs uneigennützig) befördert haben? Willst du uns das Geläufigste des Geläufigen mitteilen – willst du sagen, dass es „Globalisierung“, mit allen naheliegenden Folgen (gesteigerte „internationale Arbeitsteilung“ und Konkurrenz auf allen Märkten, auch dem der Standorte, der Lohnarbeiterklassen usw) gibt?
Ich vermute: nein. Deine These zielt nicht auf das Offensichtliche.
Die Frage ist: Worauf zielt sie dann?
Und was meinst du mit „Profitproduktion“, wenn damit NICHT Wettbewerbsfähigkeit und auch sonst nichts gemeint ist, was die üblichen Gefälle in den „rankings“ der Standorte begründet?
Im jetzt nochmals verlinkten thread „… und tschüss Imperialismus!“ schreibst du:
„Was ist aus dieser globalen Überlegenheit im Schiffsbau geworden? Sie ist dahin. Im Jahr 2013 produzierten die alten imperialistischen Mächte kaum zwei Prozent der Welttonnage. Wer das für eine wirtschaftliche Randnotiz hält, der hat von Wirtschaftsmacht wenig verstanden.“
Das habe ich in der Tat schon damals nicht verstanden. Worum geht es da – Produktivkraft für hochentwickelte Rüstungsgüter, die man zur Not auf dem eigenen Territorium herstellen – UND durch die Ertragsstärke der nationalen Wirtschaft auch FINANZIEREN kann?
Dass „Wirtschaftsmacht“ eine Kernkomponente von MACHT enthält, kann ich sehen – so gibt es ja auch das Bestreben, bei aller höchst willkommenen „internationalen“ Verflechtung nicht zu denen zu gehören, die durch plötzliche ENT-Flechtungen dh „Sanktionen“ zu treffen sind, stattdessen im Zweifel alle profitablen Abhängigkeiten sofort rückgängig machen und/oder Lieferengpässe aller Art mithilfe nationaler Reserven bis hin zur Wiederaufnahme von vorläufig stillgelegten Betrieben (Steinkohlebergbau) aussitzen können. Und… ja klar, Fluggeräteträger, Raketen jeder Reichweite, star-wars-gadgets, waffenfähiges Nuklearmaterial oder EMP-sichere Kommunikationsnetze sollte man schon irgendwo innerhalb der eigenen Grenzen, spätestens des eigenen politischen Verbands (EU), haben – sonst kriegt man sie spätetens dann nicht mehr geliefert, wenn man sie braucht (vgl. Russland und die französischen Mistral-Hubschrauberträger).
Soweit ist derzeit also auch kein Abschied vom Imperialismus erkennbar.
Diese (äusserst wichtige) Einschränkung vorausgesetzt – was bedeuten „Wirtschaftsmacht“ und „Profitproduktion“, wenn nicht Wettbewerbsfähigkeit und (angemessen interpretierte) Wachstumsstärke?

24. November 2014
Es war, wie immer, Wal eine FRAGE – nichts Inquisitorisches. Mein Motiv ist nicht, hier irgendetwas durchzusetzen, mit irgendetwas vorab Feststehendem rechtzubehalten oder zu -bekommen. Ich versuche, gemeinsam mit allen, die dasselbe tun, zu verstehen was da draussen los ist. Das ist mühsam genug. Wohin kommen wir, wenn wir dabei auch noch aufeinander losgehen. Das wollten wir hier doch unter uns ausschliessen. Bitte ärgere dich nicht, Wal, und lass uns einfach gemeinsam klären, was wir derzeit offenkundig (noch) nicht so begriffen haben, dass wir es uns zwanglos gegenseitig erklären können – „die Bedingungen unserer Emanzipation“.

27. November 2014
Leider hast du, Kim, mir keinen Hinweis gegeben, der mich von meiner Vermutung abbringt, die ich in meinem ersten Beitrag oben im Punkt 2 geäussert habe: Dass im Posten „Unternehmens/Vermögenseinkommen“ der Verteilungsrechnung zwei Grössen enthalten sind, die eben NICHT als Vorleistungen (czirk und cfix mit Lebensdauer<1Jahr) im Wert der Güter verschwinden, die aus „Abschreibungen“ (Ersatz von cfix mit Lebensdauer>1Jahr) und „Arbeitsentgelten“ bezahlt werden. Natürlich gibt es diese in Lohnabhängigen-Lebens- und langfristigen Produktionsmitteln eingehenden kurz- und mittelfristigen Produktionsmittel. Es gibt aber auch noch die, die in der ständigen (Re)Produktion dieser Güter selbst verbraucht werden. Meine Behauptung war, dass – zumindest in der Verteilungsrechnung – sowohl die Akkumulation in diesem Bereich (immerhin gehört auch ein Teil des im Marxschen Sinne cfix dazu) verdeckt bleibt, als auch das Ausmass von Gewinnen durch die Abnahme infolge ständig verbesserter „Ökonomie“ dieses Postens verschleiert wird – indem der Anteil der Unternehmens- und Verögenseinkommen am BIP auf die Weise scheinbar gleichbleibt. Das Argument fügte sich ein in die Reihe von Vermutungen darüber, inwiefern Anteile der tatsächlich stattfindenden Akkumulation (vorneweg der „moralische“ Verschleiss durch andauernde Produktivitätserhöhung) im BIP keine Darstellung finden, und die niedrigen Wachstumszahlen gerade an entwickelten „Standorten“ die „Stärke“ oder Schwäche der dortigen Profitproduktion, Wirtschaftsmacht, und daneben auch Macht nicht in jeder Hinsicht angemessen widerspiegeln. Speziell hier im thread ging es ja um die Frage einer „schwachen“ Kapitalakkumulation.

Irreführend an zB. der Vermögensrechnung ist, dass das Gesamtvermögen auch solche Riesen- und Langfristposten wie die selbstgenutzen, aber auch die vermieteten Gebäude, als solche in „Privathand“ klassifiziert (und „Investitionen“ in diese Gebäude sich auf beide „Eigentumsarten“ beziehen). Das Industrie-Anlagekapital, das nicht in Gebäuden besteht, ist deutlich geringer, und müsste für die tatsächliche Akkumulations-Dynamik entsprechend eingegrenzt werden. (Solch eine Tabelle hat zb Robert Schlosser im 6.Kapitel seines online-Manuskripts angeführt, vgl. dort http://www.robert-schlosser.de/Web_Buchprojekt/Start.htm S.12. Ich vermute, dass die von Wal angeführten Werte für Kapitalintensität sich auf einen anderen Begriff von Kapitalstock beziehen. Die „offiziellen“ Werte aufgeschlüsselt nach Sektoren, stehen in der verlinkten Tabelle, in der 3. Spalte „Kapitalintensität“ (fälschlich ist dort statt „T Euro“ als Mass „%“ angegeben). Bezeichnend: Die „Wasserversorgung“ (mit ihrem hohen „Tiefbau“-Anteil) hat vor der Energieversorgung die mit Abstand höchste Kapitalintensität. Die Autoindustrie (Position 34) bloss 175T Euro…)

Ich hoffe, dass mein Motiv deutlich ist: Es geht nicht drum, Wal kleinlich mit streberhafter Pedanterie am Zeug zu flicken, sondern eher auf die Möglichkeit zu verweisen, dass die offiziellen Statistiken TATSÄCHLICH irreführende Angaben enthalten könnten – ob bewusst oder fahrlässig oder ungewollt, bleibt erstmal dahingestellt.

Wal:

27. November 2014
Hallo Franziska,
ich hatte dich intern in unserem „Moderatorenfunk“ gebeten, deine Grundsatzkritik über das BIP mir (und anderen) nicht länger in diesem Thread aufzudrängen. Da ich diesen Thread gestartet hatte, fühle ich mich notwendigerweise durch Beiträge in diesem Thread angesprochen.
Dich beschäftigt das Thema BIP – mich aber nicht!, dann mach doch bitte einen eigenen Thread daraus!
Von mir nur noch soviel, und dann hoffe ich, dass ich nicht länger mit der Sache gequält werde:

franziska schrieb:

Meine Behauptung war, dass – zumindest in der Verteilungsrechnung – sowohl die Akkumulation in diesem Bereich (immerhin gehört auch ein Teil des im Marxschen Sinne cfix dazu) verdeckt bleibt, als auch das Ausmass von Gewinnen durch die Abnahme infolge ständig verbesserter „Ökonomie“ dieses Postens verschleiert wird – indem der Anteil der Unternehmens- und Verögenseinkommen am BIP auf die Weise scheinbar gleichbleibt.

Liebe Franziska,
was du hier ansprichst, ist der verbesserte Gebrauchswert von Produktionsmitteln, die durch Anwendung von Wissenschaft – sobald sie Standard werden – gleichsam kostenlos die Arbeitsproduktivität dauerhaft heben. Ja, der Gebrauchswert einer Ware (einschließlich der Warensorte „Arbeitsmittel“) kann sich ändern, ohne dass sich ihr Preis ändert.

Vor dir hat ein gewisser Karl Marx darauf hingewiesen, dass die Naturkräfte unter Umständen kostenlos den Kapitalisten als „zusätzliche“ Produktionsmittel zur Verfügung stehen.
„Der Fabrikant, der mit der Dampfmaschine arbeitet, wendet auch Naturkräfte an, die ihm nichts kosten, die aber die Arbeit produktiver machen … Der Fabrikant zahlt die Kohlen, aber nicht die Fähigkeit des Wassers, seinen Aggregatzustand zu ändern, in Dampf überzugehen, nicht die Elastizität des Dampfs usw. Diese Monopolisierung der Naturkräfte, d. h. der durch sie bewirkten Steigerung der Arbeitskraft, ist allem Kapital gemeinsam, das mit Dampfmaschinen arbeitet. … die gesteigerte Produktivkraft der Arbeit ist hier der Anwendung einer Naturkraft geschuldet …“ K. Marx, Kapital III, MEW 25, 656.
„Von dem Naturstoff abgesehen, können Naturkräfte, die nichts kosten, als Agenten dem Produktionsprozess mit stärkerer oder schwächerer Wirksamkeit einverleibt werden. Der Grad ihrer Wirksamkeit hängt von Methoden und wissenschaftlichen Fortschritten ab, die dem Kapitalisten nichts kosten.“ K. Marx, Kapital II, MEW 24, 356.

Dieser Gesichtspunkt, dass sich der Gebrauchswert einer Sache ändern kann, ohne dass sich ihr Preis ändert, ist also richtig und nicht neu. Es ist nur völlig verfehlt, das der bürgerlichen Statistik vorzuwerfen, dass sie das nicht oder nicht genügend misst.

Egal, auf welchen Posten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung du blickst: Es steht am Ende einer jeden statistischen Zahl immer eine Währungseinheit: Euro oder Dollar. Die VGR rechnet in Geld und addiert auch nur Geldbeträge. Es macht keinen Sinn, in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung nach veränderten Gebrauchswerten zu suchen. Es mag ja sein, dass selbst bei einer stagnierenden oder gar rückläufigen Volkswirtschaft die Gebrauchswerte in Händen der Kapitalisten noch gleich bleiben, aber das will die VGR gar nicht messen. Die VGR misst nur Geldwerten, aber Geldwerte sind im Kapitalismus das einzige, was zählt.
Statt die bürgerliche Statistik als das zu nehmen, wofür sie sich ausgibt, wirfst du ihr vor, dass sie nicht das misst, was dir, Franziska, wichtig ist.

Kommen wir zu deinem nächsten Kritikpunkt:

franziska schrieb:

Das Argument fügte sich ein in die Reihe von Vermutungen darüber, inwiefern Anteile der tatsächlich stattfindenden Akkumulation (vorneweg der „moralische“ Verschleiss durch andauernde Produktivitätserhöhung) im BIP keine Darstellung finden, und die niedrigen Wachstumszahlen gerade an entwickelten „Standorten“ die „Stärke“ oder Schwäche der dortigen Profitproduktion, Wirtschaftsmacht, und daneben auch Macht nicht in jeder Hinsicht angemessen widerspiegeln. Speziell hier im thread ging es ja um die Frage einer „schwachen“ Kapitalakkumulation.

Soweit alle volkswirtschaftlichen Statistiken weitgehend nach gleichen Maßstäben rechnen, sind sie voll vergleichbar. Sie mögen alle dieselben Schwachpunkte haben, das spielt aber weder im historischen Vergleich noch im synchronen Vergleich eine Rolle. Die absoluten Werte mögen in allen Länderrechnungen nach oben oder nach unten „verfälscht“ sein, im Vergleich wird ein Trend trotzdem korrekt angezeigt.

Das heißt für mein Thema hier: In Euro oder Dollar gerechnet (und anders rechnen Kapitalisten nicht), ist eine Wachstumsschwäche in Europa, Deutschland und in der gesamten kapitalistischen Kernzone im historischen Vergleich zu früher (der Periode zwischen 1950 und 1975) und im synchronen Vergleich zu den Wachstumsraten der heutigen Weltwirtschaft feststellbar.
Dieser Wachstumsschwäche liegt besonders in Deutschland eine Investitionsschwäche zu Grunde, weil neue Investitionen laut Marx und auch aller heutigen Ökonomen die Vorbedingungen und Voraussetzung von neuer und zusätzlicher Profitproduktion (=Wachstum) ist.
Das heißt nicht, dass das Kapital in Deutschland notwendig brach läge. Es wird anderswo angelegt, wo höhere Profite winken als in Deutschland und Europa. Andererseits wird auch weltweit viel Kapital in Geld, das heißt in „Finanzwerten“ „geparkt“.
Die weltweite „Aufblähung“ des Finanzsenktors vor der Krise von 2008 und auch jetzt wieder ist eine direkte und notwendige Folge der Investitions- und Wachstumsschwäche in der kapitalistischen Kernzone. Die aufgeblähten Geld- und Finanzwerte zeigen an, dass diese Geldkapitalien nicht genug reale Anlage findet, wo sie menschliche Arbeitskraft ausbeuten und sich darüber vermehren kann.

Nächster Punkt:

franziska schrieb:

Irreführend an zB. der Vermögensrechnung ist, dass das Gesamtvermögen auch solche Riesen- und Langfristposten wie die selbstgenutzen, aber auch die vermieteten Gebäude, als solche in „Privathand“ klassifiziert (und „Investitionen“ in diese Gebäude sich auf beide „Eigentumsarten“ beziehen).

Diese Kritik ist wieder nach dem Muster: Warum rechnen die Statistiker nicht so, wie ich, Franziska, es möchte?
Andererseits steckt darin sogar eine Weisheit und Wahrheit der Statistiker, weil in dem gesamten Immobilienvermögen das Einkommen der Grundbesitzerklasse steckt und verborgen ist.
Dieses Einkommen der Grundbesitzerklasse ist da, und wird deshalb auch in der VGR aufgeführt, aber dieses Einkommen ist nicht wirklich „kapitalistisch“ und läuft eigentlich der Profitproduktion entgegen, weil die Grundrente ein Abzug vom Profit ist, der nicht kapitalistisch durch Kapitalvorschuss erwirtschaftet wird, wie auch der Zins, sondern es ist ein Abzug vom Profit, der allein durch das Monopol am Boden erzwungen wird. Es ist ein (großes!) Stück Feudalismus innerhalb des Kapitalismus.

Wer ist nun „wahrhaftiger“? Die bürgerliche Statistik, die den Immobilienbesitz aufführt oder du, Franziska, der du ihn aus deiner VGR ausklammern möchtest??

Es lohnt sich nicht, der bürgerlichen Statistik vorzuwerfen, dass sie nicht die Fragen löst, die du, Franziska, gerne gelöst sehen wolltest!

Entschuldige, wenn das jetzt ein bisschen polemisch geworden ist, aber ich bin dieses Thema wirklich leid, und hatte inständig gehofft (und dich intern gebeten), dass es mit dem guten „Schlusswort“ von Kim hier getan sei! :cursing:

Nichts für ungut!
Wal
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thread:
Was hältst du von der Demokratie?

27. November 2014
Ich meine, es gibt eine nicht unerhebliche Gruppe unter sowohl Wählern als auch Nichtwählern, die bislang im politischen Diskurs der BRD nichtmal einen richtigen Namen hat, deren Mitglieder aber prädestiniert sind, allen vier Sätzen mindestens „eher zuzustimmen“ – und die nichts weniger als links sind. Bloss… das was man ihnen (und etwa der AfD, die wenigstens einen Teil dieses Spektrums, paradox genug, politisch repräsentiert; weniger bekannt ist die „Partei der Vernunft“) versucht anzuhängen, dass sie nämlich faschismus-affin seien, zeigt mehr die Begriffslosigkeit der Analyse: Es handelt sich um LIBERTÄRE, man könnte zur Abgrenzung gegen die anarchistische und „linkslibertäre“ Variante von Rechtslibertären sprechen.

Die Studie selbst konstruiert eine Kategorie, den sog. Markt-förmigen Extremismus – den sie dann in Fragen verpackt, denen kein Mensch aus dem genannten Spektrum zustimmen wird, weshalb der wirkliche Anteil der Rechtslibertären am Staats- und Demokratie-kritischen Teil der Bevölkerung nicht erfasst wird.
((Es gab kurze und heftige Schlagabtäusche mit Vertretern dieser Position (va. rider650) auch hier im Marxforum, ansonsten haben sie ihre eigenen Foren, zB das Gelbe Forum, wo man massenhaft Vertreter dieses Vergesellschaftungskonzepts finden wird.))

Es ist bemerkenswert, dass diese Strömung des politischen Denkens in europäischen Kontexten immer schon teils geleugnet, teils abgewertet, bagatellisiert, marginalisiert (als „kleinbürgerlich“, zum Verschwinden bestimmt), teils vereinnahmt wurde.

Das führt zu einem Wahrnehmungs- und Begriffsausfall, der Analytiker sprachlos macht angesichts zB von Phänomenen wie Tea Party und überhaupt dem „rechten“ US-Wählerspektrum (aus linker Sicht sind das eigentlich fast alle, die dort noch wählen) und seinen politischen (erst recht seinen weltanschaulichen (fundamentalistisch-religiös/esoterischen); als wären die eben bloss Anhängsel, statt umgekehrt) Kategorien. Aus linker Sicht gibt es „anti-emanzipatorische“ Überschneidungen mit genuin rechtem Denken, etwa Reduktion von Kapitalismus- auf Zinskritik (gg. Geldschöpfung und Zentralbank), Antifeminismus („Zerstörung der Familie“), Esoterik-Affinität, EU-, UN- und Internationalismus-Ablehnung (wobei allerdings von Libertären auch die „Nation“ als Zwangsverband abgelehnt wird), Sozialstaatskritik (die aber immer anti-elitär bleibt; die sozialdarwinistischen Positionen etwa in der Liste der FES-Statements gehen am libertären Denken komplett vorbei), Islamophobie, Verschwörungstheorie, Notwendigkeit der Selbstverteidigung (USA: Waffenlobby) und „Prepper“-artigen Selbstversorgung, „Querfront“-Strategien (zB Jürgen Elsässers Compact-Magazin).
Im deutschsprachigen Raum hat sich diese politische Szene hauptsächlich im Internet etabliert, ansonsten gibt es etwa das Magazin „eigentümlich frei“ und den Kopp-Verlag.
Zur Einordnung des Libertarianismus wurde eine die rechts/links-Skala „zweidimensional“ auffaltende Darstellung erfunden (unser Teilnehmer Seldon-X hat sie hier einmal erwähnt).
Die Gründe für die spezifischen und auf den ersten Blick verblüffenden „Quer-Verbindungen“ von Positionen, die auf der klassichen Skala zwischen „rechts+reaktionär“ und „fortschrittlich-linksradikal“ weit auseinanderzuliegen scheinen, sind nicht auf den ersten Blik auszumachen. Angesichts der Tatsache, dass die Linke als jüngere politische Bewegung die libertäre, als die ältere, bereits vorfand, kam es zwangsläufig zu Einordnungsversuchen (zB Marx zu Stirner, Proudhon ua).
Es würde zu weit führen, wenn ich mich hier über diese als auch die libertäre Strömung selbst ausführlicher äussern wollte.
Angesichts des gegebnen Alasses belasse ich es daher bei diesen Hinweisen.
….

27. November 2014
Selbstveständlich, Wal, geht es um Begreifen und Auseinandersetzung, nicht um blosse Etikettierung oder Ausgrenzung.
Und… ja, ich würde deinen Satz unterschreiben:

Wal Buchenberg schrieb:
solche Auffassungen gehören zur „Tiefenstruktur“ unserer Klassengesellschaft und sind Teil des unterdrückten, widerständigen Denkens.

Die Differenz zur Linken wird von den Libertären selbst SEHR stark herausgarbeitet – die Ab- und Ausgrenzung findet eher von DEREN Seite statt. Es geht da um die Ablehnung aller positiv-kollektiven Aktion, erst recht dauerhafter Vergesellschaftng. Die „negative“ Kritik an Staat und Macht überhaupt ist hingegen eine Gemeinsamkeit mit der gesamten nicht-staatssozialistischen Linken. Aber.. wie gesagt, führt das über den hier gegebnen Anlass weit hinaus und sollte anderswo eingehender (durchaus unter den von dir genannten Gesichtspunkten) diskutiert werden.
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thread: Reichtum in Deutschland

Gestern, 15:21
Aber wo soll nun der Unterschied zur „Fahrplanauskunft“ (ein sehr guter Vergleich!) oben sein? Die Empfänger-Gruppen werden doch in der differenzierten Darstellung bloss nach ihren ideologisch längst abgehakten Berechtigungs-Titeln sortiert:
– Bedürftige; ja wer will da denn meckern – und der Staat bzw ganz- und halbstaatliche Agenturen nehmen den Lohnabhängigen auch noch die Mühe der Verwaltung ab (nur Linksradikale melden da allenfalls Kritik an, abe die wollen ja eh ales ganz anders…);
– öffentlicher Dienst; oh ja – dass der schlank bleibt, darum sorgen sich Rechnungshöfe, Liberale, Wirtschaftsverbände – im Namen der Lohnabhängigen in ihrer Eigenschaft als Steuerzahler; worüber gibts da sonst noch zu meckern, ausser über faule Beamte, denen mal der harte Wind der Konkurrenz um die Nase wehen sollte…? was gern mit dem Heer an Alten- und Krankenpfleger(inne)n, Erzieher(inne)n, Müllmännern usw gekontert wird, die sich für weniger Geld als „in der Privatwirtschaft“ für unser aller Wohl opfern; von wegen: Bibliothek… BaföG? wird doch ununterbrochen drauf begutachtet, ob auch ja kein Cent überflüssig ausgegeben wird…)
– Zins-, Gewinn- und Renditeempfänger? Das sind, nicht zuletzt, schliesslich die bekannten „wir alle“, die von kapitalrendite-abhängigen Versicherungen, Riesterrenten und nichtmal inflations-sicheren Sparrücklagen abhängen; dann… die Unternehmen, von deren Wohlergehen alle andern abhängen (ohne Investitionen in „unsere“ Zukunft – wo bleiben „wir“ da?); und dann halt noch die Marco Reuse und Konsorten, die paar Hansel… lasst sie doch… oder steuert ihnen das unproduktive Privat- und Erbvermögen ab bestimmten Grössenordnungen weg, kann man machen, wenn „wir“ das wollen… wollen wir?
Nehmt den Gierigen ihre Belohnung (heisst es nicht so?) – wer würde den Job dann noch machen wollen?

Die Verteilung gilt als legitim, weil Mittel für etwas ganz anderes – nämlich das System, das als einziges weltweite Arbeitsteiung und Fortschritt, wenn überhaupt eins, zu organisieren gestattet. DAS ist, wie ich glaube, die aktuelle Legitimation für Verteilung und System.
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