1.Ausnahmslos jede Äusserung eines Sprechers hat, neben allen andern Funktionen kommunikativer (mitteilender, widersprechender usw.) Art vor allem mindestens diese: künftige Handlungen des Sprechers anzukündigen. Dies macht sie zu einer Bekundung – wir dürfen ohne weiteres sagen: Sprechen heisst (mindestens, und in jedem Fall) Absichten Bekunden, – auch dadurch ankündigen, dass man bestimmte Handlung(styp)en ausschliesst – solange die Äusserung nicht explizit zurückgenommen wird. (Das Vorbild für diese Funktion des Redens ist die einfachste Form der Handlungsankündigung überhaupt – die Bekundung einer Absicht.)
Zusatz. Eine Handlungsankündigung bzw. Bekundung ist, genau genommen, immer nur die Ankündigung des Versuchs , ein Verhalten, so wie beschrieben, zu zeigen. Die Bekundung steht also immer unter dem (Minmal)Vorbehalt: …wenn ich kann (wenn, zum Zeitpunkt der Ausführung, für den ich den Versuch ankündige, dies zu tun in meinem Handlungsspielraum liegt.)
2.In der Rede selbst taucht dieser Bezug auch auf als Begründung von Handlungen (bzw. vor deren Stattfinden, Begründung von Absichten). Wir dürfen also ebenfalls sagen: Sprechen, sich äussern, heisst: Handlungen begründen – sich auf Handlungen (immer mehr) festlegen nicht nur (wie unter 1.), sondern auch die Regel der Festlegung nennen, die speziellen einzelnen Handlungen und Handlungsweisen aus den längerfristig bekundeten Regeln ableiten, sie damit begründen, bzw. als dazu passend (und durch sie nicht ausgeschlossen) erweisen.
Noch anders ausgedrückt: Jede sinnvolle Äusserung (gleich welcher Art) kann als Handlungsbegründung aufgefasst, und als solche fortgesetzt werden: „(jetzt) p – das heisst: unter Bedingung b werde ich (versuchen) Handlung h (zu) machen (bzw. wird (Versuchs)handlung h stattfinden, wenn ich kann), unter Bedingung b‘ h‘ usw. (statt: unter Bedingung b auch: in der Situation b, angesichts der Vorgeschichte b).
((Damals)p impliziert dann etwas wie: unter Bedingung b hätte (Versuchs)handlung h stattgefunden, unter b‘ h‘ usw., und angesichts der Erfüllung von Bedingung bi fand (Versuchs)handlung hi statt.)“
Zusatz. Die einfachste Form der Begründung eines Vorgangs, der eine Handlung sein soll bzw. die einfachste Form der Begründung bzw. der Charakterisierung eines Vorgangs als Handlung ist, zu sagen, er habe stattgefunden (man habe die ihn ausmachende Bewegung gemacht), weil man diesunddies habe zu tun versuchen wollen (u.U. ohne es zu können).
3.Die Bekundungs- d.h. Handlungsankündigungs- und gleichzeitig -begründungsfunktion des Sprechens ist eine obligate Eigenschaft allen sprachlichen Sich-Äusserns; es treten fakultativ (und sukzessiv, wenn die Sprechakte mit steigender Komplexität in einer Reihe angeordnet werden) hinzu: die Funktion des Berichtens (einschliesslich dessen, was gerade, im Moment des Redens, der Fall ist, was man sieht, hört usw.) – gewissermassen ein bekunden für die Vergangenheit – , weiter auch die Wiedergabe glaubwürdiger Berichte anderer; dann das Beurteilen und Behaupten (das Berichten, zusammen mit der Subsumtion des Berichteten unter eine Regel, dh. einen Begriff; angefangen von rein morphologischen Klassifikationen, über Klassifikationen von Verläufen, bis hin zur Feststellung des Bestehens von Ursache-Wirkungs-Beziehungen, Dispositionen usw. und dem Grad ihrer Wahrscheinlichkeit); das sich zu Zielen (obersten Regeln der Erstellung von Handlungsplänen für jeweils gegebne Erfahrungen, also letzten Gründen und Prioritäten, einschliesslich Gründen des Anerkennens der Handlungen anderer) Bekennen, und das Beschreiben möglicher Sachlagen, zusammen mit ihrer Beurteilung im Lichte der zuvor als obersten bekannten Regeln, die zugleich für die jeweils gegebne und als solche zu berichtende Erfahrung (als speziellen Teil des zugehörigen Handlungsplans!) festlegen, woran, als Gegenstand der eben angeführten Beschreibung, zu denken ist.
4.Solche Äusserungen, die keine weiteren Eigenschaften als die Bekundungsfunktion aufweisen, wollen wir reine Bekundungen nennen. Zu ihnen zählen die unbedingten und bedingten (von Fällen, Situationen abhängig gemachten) Absichtsbekundungen (bzw. Handlungsankündigungen) sowie die Empfindungen, die, wie sich zeigen lässt, als spezielles bedingtes Absichtsbekunden aufzufassen sind (nämlich als allgemeine Bedingtheit der Aufrechterhaltung bestimmter Absichten durch Zeitdauern ihrer Realisierung; eine Empfindung ist eine Dimension der Beschränkung des Handlungsspielraums einer Person, und charaktersierbar einzig durch ihren Bezug zum Punkt des Zusammenbruchs des Handlungsspielraums).
#. (deute hier an, inwiefern empfindungen tatsächlich als reine bekundungen, d.h. (bedingte) handlungsankündigungen, aufgefasst werden müssen.
-(empfundene) handlungs(un)fähigkeit („zwang“ zu ausfällen und scheinhandlungen)
-aufmerksamkeit beim handeln und wahrnehmen
5.Die reinen Bekundungen zeichnen sich vor andern Äusserungen dadurch aus, dass sie sowohl simulierbar als auch dissimulierbar sind (ich kann mir eine Absicht oder Empfindung absprechen, die ich habe (hatte), und eine zusprechen, die ich nicht habe (hatte) (statt simulieren: vortäuschen).) Das unterscheidet sie einerseits von denjenigen Äusserungen, die wahr oder falsch (berichtet) sein können: Beschreibungen (ohne oder mit Kontrolle des Hörers) („Wahrnehmungsbekundungen“) und Berichte („Erinnerungsbekundungen“).
Diese können nämlich zwar dissimuliert werden (z.b. als Versuch, sich einer Befragung als Zeuge eines Vorgangs zu entziehen), aber nicht simuliert: die Wahrheit seiner Berichte unterliegt nicht der Verfügungsgewalt des Berichterstatters; ist eben nicht Gegenstand einer Bekundung, die einzig an seinen späteren Handlungen bestätigt würde.
6. In ähnlicher Weise sind reine Bekundungen auch von solchen Äusserungen unterschieden, die richtig oder fehlerhaft (geurteilt) sein bzw. anzuerkennen oder abzulehnen sein können: Beurteilungen und Begründungen (Bekenntnisse zu begründenden Normen und Regeln, zusammen mit einer Beurteilung – die dadurch nicht mehr bloss hypothetisch bleibt im Sinne von: „Diesunddies wäre ein Fall von Soundsohandeln = soundso begründetem Handeln; ich lasse aber offen, ob ich, wenn dies meine Handlung sein sollte, mich auch auf die Begründung berufe – ob ich die Handlung mache, weil ich die Regel befolgen, die Norm einhalten will.). Auch sie können dissimuliert werden, wenn auch nur beschränkt, und bei Nichtbesitz garnicht, oder nur beschränkt simuliert.
In allen der vier durch dies Kriterium verbundenen Fälle geht die Bekundung (oder Selbstzuschreibung) der betreffenden Kategorie einher mit etwas wie einem, unabhängig von den Auswirkungen der (aufrichtigen) Bekundung auf das weitere Handeln des Bekundenden, unmittelbar einzulösendem Anspruch, etwas (nicht anders) zu können, bzw. nicht (anders) gekonnt zu haben .
# Von reinen Bekundungen (von Absichten und Empfindungen) unterscheiden sich die zuletzt genannten vier durch einen Anteil, der sie zu Leistungsvollzügen macht, die an einer Norm von aussen gemessen werden können – es handelt sich also nicht mehr darum, ob überhaupt, und was bei jemandem vorliegt, sondern, ob der Anspruch des Bekundenden eingelöst werden kann, der mit einem inneren Zustand einer dieser Qualitäten verbunden ist.
Die Wahrheit von Beschreibungen und Berichten, die Richtigkeit von Beurteilungen und die Anerkennenswürdigkeit von (letzten) Gründen (und der mit ihnen zusammen erbrachten Begründungen) kann nicht an den Handlungen dessen, der sie sich als seine zuschreibt, ermittelt werden. Sonst würde, wonach sich Handlungen zu richten haben, nämlich gegenwärtige und vergangene, handlungsrelevante Sachverhalte, die Art sie aufzufassen, sowie das, worauf Handlungen abzielen müssen, um als vernünftig und nachvollziehbar gelten zu können, von der Willkür des Handelnden abhängen – so wie es für das (wahrhaftige oder gelogene) Aussprechen seiner Absichten und Empfindungen gilt.
# Es zählen allerdings zu den reinen Bekundungen die defizitären Formen des Wahrnehmens (die Halluzinationen), Erinnerns (Erinnerungsillusionen und -täuschungen), Urteilens bzw. Behauptens (Irrtümer) und Begründens (Verrücktheit); und mit ihnen auch die Dissimulationsversuche in jeder der vier genannten Kategorien, soweit sie ernsthaft unternommen werden können (solche Dissimulationsversuche müssen aufgefasst werden als Versuch der Vortäuschung einer ernsthaften Bekundung, mit einem Defekt in einer der genannten Hinsichten).
Doch auch auf diese, im Unterschied zu den oben genannten reinen Bekundungen, trifft zu, dass ihr defizitärer Charakter nicht zum Inhalt der Bekundung gemacht werden kann (das ist nur eine andre Ausdrucksweise für die oben gewählte: dass sie nicht von der Willkür des Bekundenden abhängen, also willkürlich, beliebig, zum Inhalt einer Bekundung gemacht werden können, ohne dass auf der Stelle für den Hörer klar oder aber wenigstens klarzumachen wäre, dass und in welchen Hinsichten diese Bekundung nicht ernstzunehmen ist.
# Inwiefern aber gilt nicht auch für Absichten, dass sie eine Norm des schliesslich gezeigten Handelns darstellen – und also an ihm überprüfbar sein müssten? Ist nicht die Ausführung einer Absicht der Masstab, mit dem beurteilt werden kann, dass diese Absicht vorlag?
Genau das ist nicht der Fall. Es ist nämlich jede Kombination aus Absicht und empfundener (Teil)Handlungsunfähigkeit in einer bestimmten Hinsicht mit jeder Art Verhalten vereinbar. Tatsächlich ist nie am Verhalten selber abzulesen, welche Absicht und welches Ausmass an (empfundener) Handlungsfähigkeit dahinterstanden.
Der kategorielle Unterschied zwischen reiner Absicht und Handlungs(un)fähigkeitsempfindung liegt darin, dass letztere ein Erleben darstellt, das abgewartet werden muss, bis zum Zeitpunkt, an dem es stattfindet, erstere aber schon im vorhinein gefasst und bekundet werden kann. Doch ist das nicht der einzige Unterschied.
Die Tatsache, dass, aus Unfähigkeit, eine Absicht nicht, wie (u.u. bereits zuvor) beschrieben, ausgeführt wurde, hat Folgen für die künftige Absichtsbildung, zumindest dann, wenn diese vernünftig sein soll.
# Vernünftigkeit aber, oder, wie man auch sagen könnte: Begründbarkeit, Rechtfertigbarkeit des Handelns oder wenigstens der Absichtsbildung, kann überhaupt nicht vorgetäuscht, und allenfalls dissimuliert werden (als Verrücktheit – freilich nur innerhalb der Grenzen, die eine vernünftige und nachvollziehbare Dissimulationsabsicht zulässt – jenseits davon kann man die Vortäuschung von Verrücktheit nicht mehr von Verrücktheit unterscheiden.)
Vernünftige Absichten können also nicht vorgetäuscht, und dauernd ausgeführt werden, ohne dass man vernünftig ist und zurecht so genannt wird; und ebensowenig Handlungs(un)fähigkeit, mit der vernünftig umgegangen wird.
Ganz ähnliches trifft aber auch für die anderen der genannten „Unfähigkeiten“ zu: Vernünftige lassen ihre Wahrnehmung und Erinnerung von andern (unter festliegenden Bedingungen) korrigieren und vervollständigen, bzw. ihre Fehlsubsumtionen, Rechenfehler usw. von andern kritisieren und sich darauf aufmerksam machen – bis hin zur Bereitschaft, die Vernünftigkeit oder Unvernünftigkeit der eignen Pläne, angesichts der Einwände von andern (soweit sie die von einem selber befolgten Prinzipien darstellen), zu überdenken und im Lichte der als gemeinsam unterstellten Vernunftsregeln zu verteidigen.
# Wir können also festhalten: der (Dis)Simulations(frei)raum reicht gerade so weit, wie Handeln durch Begründungen nicht festgelegt ist. Dafür aber gibt es nur zwei Möglichkeiten: entweder, die dem Begründen zugrundeliegenden Regeln sind noch nicht ausgesprochen – oder es fehlen Erfahrungen, die bestimmte Entscheidungen festlegen könnten, nach vernünftigen Regeln: etwa die Erfahrung der Bedingungen des Erhalts der Handlungsfähigkeit, die (korrigierende und vervollständigende) Erfahrung anderer, die Erfahrung, dass andre einen auf Fehler aufmerksam machen und nach den befolgten Regeln befragen; schliesslich auch solche Erfahrungen, eigne oer fremde, die einen motivieren, an bestimmte Fälle, als Möglichkeiten, allererst zu denken – sie ins Kalkül zu ziehen, mit ihnen (im Rahmen dessen, was man herbeizuführen versucht) zu rechnen, auch wenn man sich zuvor geweigert hat.
So können wir unsre Unterteilung von oben folgendermassen präzisieren: Simulierbar und dissimulierbar (zum Zeitpunkt des Sprechens) sind die reinen Bekundungen der Absicht und der Handlungs(un)fähigkeit, soweit sie durch Erfahrung noch nicht vollständig begründet bzw. ausgeschlossen sind – das gleiche gilt für die Dissimulation von „Fähigkeiten“ wie Wahrnehmung, Erinnerung, Urteilsfähigkeit und Verständigkeit.
# Wir könnten also unterscheiden: die reine, unbegründete Bekundung, deren sprachlicher, d.h. Bekundungscharakter allerdings steht und fällt mit der Reeglmässigkeit, mit der sie durch Handlungen (bzw. das Verhalten des Bekundenden) eingelöst wird; dann die teilbegründeten Bekundungen, die nicht nur durch die nachfolgenden Handlungen (und Unterlassungen), sondern auch durch die folgenden Bekundungen bestätigt werden (die nämlich von der Nichthaltbarkeit gewisser früherer Bekundungen beeinflusst sind, und durch sie begründet): dazu zählen vergangene (Un)fähigkeiten, und solche gegenwärtigen, aus denen noch keine Konsequenzen gezogen werden konnten; und schliesslich haben wir diejenigen Bekundungen mit Fähigkeitscharakter (oder mit dem Charakter, aus der Betätigung einer „Fähigkeit“ zu entspringen, sie vorauszusetzen), deren Haltbarkeit unmittelbar geprüft werden kann, weil damit zwangsläufig bestimmte Konsequenzen verbunden sind.
# Bekundungen in diesem einfachen, und auch solche im erweiterten Sinn, unterscheiden sich nun von Äusserungen folgender Art, bei denen der Bezug zum Handeln wiederum schwer zu entdecken ist (was unsern Satz, dass Sprechen Bekunden, Handlungsankündigen, -festlegen und -begründen sei, infragestellen würde.), Äusserungen nämlich vom Typ der Definition – Äusserungen, in denen jemand explizit einen neuen Begriff einführt, sei es durch Angabe von Beispielen (dann handelt es sich um ein neues Merkmal, oder einen neuen Oberbegriff – eine Hinsicht, in der mehreres gleich sein kann), sei es durch eine Merkmalskombination (dann handelt es sich um einen neuen Spezialfall, wenn man so will: ein Beispiel, zu gegebnen Oberbegriffen, oder Merkmalen – eins, das ausdrücklich hervorzuheben angebracht erscheint). Das sprachliche Ausgangsmaterial für Definitionen – Merkmale, Beispiele (bzw. ihre Beschreibungen) – scheint also nicht auszureichen; für künftige Sprechakte scheint Bedarf nach zusammenfassenden und differenzierenden, speziellen Ausdrucksweisen zu bestehen.
# Für künftige Sprechakte: Das aber bedeutet, indirekt, für künftige Handlungen. Die neu definierten Hinsichten sind solche, die für das weitere Handeln von Bedeutung sind – an denen, als Fällen und Merkmalen, die besondre Aufmerksamkeit verdienen, es sich orientiert. Es ist also implizit im definitorischen Sprechakt die Ankündigung mitenthalten, nicht nur, dass man die definierte Hinsicht (den Aspekt, das Merkmal, den genannten Spezialfall) künftig nur noch unter der neu eingeführten Bezeichnung anführen wird, sondern, dass man, wo immer notwendig, auf den so bezeichneten Unterschied, die so bezeichnete Hinsicht achten, und sie in seinem Handeln berücksichtigen werde. Das aber heisst, weiter: dass jeder neue Begriff, jedes neue Prädikat, so wie die bereits vorhandenen, ein Handlungsschema darstellt – prädizieren, beurteilen, selbst beschreiben schon hiesse dann: etwas einzelnes, nicht wiederholbares: dies/jetzt/hier, gesehen aus dieser , nämlich meiner Perspektive, wird unter ein Handlungsschema subsumiert – als dem dazu passenden. Dies Schema kann noch zahlreiche Möglichkeiten offenlassen – unzählige weitere Bedingungen müssen hinzukommen, damit eine besondere der das Schema realisierenden Handlungen ausgewählt und festgelegt wird; aber einige mögliche Handlungen müssen aus dem Schema, der Menge der (angesichts des durch und mit dem Schema beurteilten Sachverhalts) noch möglichen Handlungen ausgeschlossen sein: sonst würde der Begriff keinen Unterschied machen – nämlich im Handeln.
# Fassen wir nun zusammen, was gegenwärtig (d.h. mit Blick auf ab sofort, dem Sprechzeitpunkt, und künftig zu erwartende Handlungen) oder für die Vergangenheit (d.h. mit Blick auf vergangene, und, sofern die Bekundung nicht hinsichtlich ihres Einflusses auf Handlungen, d.h. als Restriktion und Begründungsinstanz möglicher Handlungen, widerrufen ist, auch mit Blick auf das weitere Handeln) bekundet werden kann:
1. das (Nicht)Bestehen von (bedingten) Absichten, einschliesslich derer, aufmerksam zu beschreiben (und sich zu merken), was um einen herum (oder an einer bestimmten Stelle) sich abspielt, oder sich zu erinnern, etwas sorgfältig zu beurteilen, oder (unter dem definierten Ausdruck) zum gegebnen Zeitpunkt an etwas zu denken;
2. (empfundene) Handlungs(un)fähigkeit, durch Kritik (auch nachträglich noch) korrigierbare Fehlwahrnehmungs-, -erinnerungs-, -urteilsinhalte; durch Kritik (auch nachträglich noch) ergänzbare unvollständige bzw. unvollständig begründete Pläne;
3. oberste Ziele, Prioritäten, Interessen usw. – oder, wie man auch sagen könnte: was man bei sich und andern als vernünftig und deshalb anerkennenswürdig anerkennen würde;
4. korrekte Beurteilungen;
5. (im Lichte einer gegebnen Erfahrung) vollständige (d.h. alle im Lichte der gegebnen Erfahrung zu berücksichtigenden Fälle anführende) Begründungen;
6. wahre Erinnerungen (Berichte) und Wahrnehmungen (Beschreibungen) – „was da ist und und war“ (von einem bestimmten Ort aus bebobachtet).
Zugleich sind dies die Inhalte möglicher Selbstzuschreibungen – denn, falls dies noch nicht deutlich geworden sein sollte: Bekunden ist nichts als das, was man (wenn auch irreführend) im philosophischen Sprachgebrauch die Selbstzuschreibung mentaler Prädikate nennt.
# Und wenn es sich um Inhalte von Selbstzuschreibung handelt, dann (soweit der Bekundungs-, also Selbstzuschreibungsanteil betroffen ist) auch um solche von Fremdzuschreibungen.
Überlegen wir, wie für jeden der sechs in der Liste genannten Typen von Selbstzuschreibung der entsprechende Typ einer Fremdzuschreibung aussehen müsste.
Eine erste Schwierigkeit ergibt sich dadurch, dass wir in unsrer Liste in drei Fällen dieselbe Kategorie in zwei verschiednen Abteilungen anführen: Wahrnehmung/Erinnerung, Beurteilung, Begründung bzw. begründeter Plan; in 4.-6. wird dabei jeweils die korrekte Version der Kategorie, in 2. die (korrigierbare, bzw. korrigierte) Mangelversion genannt. Schon im Rahmen einer Erörterung des Selbstzuschreibens wären wir genötigt gewesen, unsre Typologie zu rechtfertigen; jetzt muss zusätzlich die Frage beantwortet werden, welcher Unterschied in der Fremdzuschreibungsperspektive eine solche Aufteilung begründet.
# Der unkorrigierte Selbstzuschreiber, d.h. der spontan Bekundende, oder (nach unserer grundlegenden Gleichung einfach:) der Sprechende, der Sprecher äussert: eine Beschreibung dessen, was er wahrnimmt, wenn er sich in einer bestimmten Richtung orientiert bzw. in eine bestimmte Lage gebracht hat; was – nach bestem Wissen und Gewissen – zu einem Zeitpunkt stattgefunden hat – er gibt wieder, woran er sich (nicht) erinnert bzw. was ihm (glaubhaft) mitgeteilt wurde; er beurteilt etwas nach Mustern, die er kennt – vielleicht einfach, indem er eine Frage bejaht oder verneint; und er gibt einen, nein: den Grund an, mit dem er glaubt, eine Handlungsweise rechtfertigen zu können. Er kann, zusätzlich, Zweifel bekunden: daran, ob das von ihm Geäusserte wahr, richtig, vollständig und hinreichend war. Doch heisst dies, streng genommen, einen andern Sprechakt machen – oder einen alternativen Zug im Sprachspiel, der den ersten ausschliesst und zurücknimmt. Wobei insofern beide auf einer Ebene liegen, als auch ein ernstzunehmender, artikulierter Zweifel gerechtfertigt sein muss – korrigierbar sein muss; ein allgemeines Zweifels gefühl , eine allgemeine Verstörung und Verunsicherung, als Befindlichkeit, lässt sich allenfalls denken als Abbruch des artikulierten Redens überhaupt.
# Widerruf und Zweifel, zusätzlich zu einem „normalen“ Äusserungsakt mit berichtendem, urteilenden, und begründendem Charakter, als dessen vorgebliche Ergänzung geäussert, machen bekanntlich keinen Sinn – es handelt
sich um Abwandlungen des „Mooreschen Paradoxes“, oder performative Widersprüche . Hingegen höchst sinnvoll und notwendig sind diese Äusserungsformen, wenn man sie in die Fremdperspektive übersetzt . Allerdings ist diese Übersetzung notwendig mit einer entscheidenden Modifikation verknüpft: der Äusserungsakt des Selbstzuschreibers, oder Bekundenden, oder ursprünglichen Sprechers, darf nicht vom Fremdzuschreiber und Kritiker selbst vollzogen werden – übrigens auch nicht in negierter Form! Er muss freilich angeführt werden, ob nun in direkter oder indirekter Rede: er muss – zitiert werden; und dies Zitat einer Äusserung, die tatsächlich (und datierbar, lokalisierbar) stattgefunden hat, muss obendrein einem Sprecher zugeschrieben werden, als dem Autor, dem Urheber der betreffenden Äusserung.
# Zitat kann nun freilich mehreres sein. Wir können beschreiben, was der Sprecher rein physisch gemacht hat – und in diesem Sinn also, als Verhalten, geäussert hat („deskriptives Zitat“); wir können mit eignen Worten (oder seinen, wenn wir sie verstehen – wenn wir die Sprache, den Idiolekt verstehen und übersetzen können, dem sie entstammen) sagen, was er (wohl) sagen wollte – was er meinte – im Fall, dass wir begründeten Zweifel daran haben, dass er sich (im Rahmen seines Idiolekts) korrekt ausgedrückt hat („interpretierendes Zitat“); und schliesslich können wir, falls solch eine Diskrepanz nicht besteht, mit eignen oder seinen Worten sagen, was er gesagt und also auch gemeint hat („Zitat i.e.S.“).
Im strengen Sinn können freilich die ersten beiden Fälle nicht als Zitate, als Wiedergabe einer sinnvollen Äusserung – oder des Sinns einer sinnvollen Äusserung (wenn sie sinnvoll ist, muss dies zusammenfallen können) – aufgefasst werden. In beiden Fällen ist nämlich fraglich, ob überhaupt eine Äusserung vorlag, die wiedergegeben werden könnte. Und bevor das nicht geklärt ist, steht jedes Zitat unter diesem Vorbehalt.
# Zum verständigen Übersetzen und Zitieren von Äusserungen gehört nun freilich das Verstehen der Äusserung unabänderlich hinzu. Zu sagen, im strengen Sinn, was ein Sprecher gesagt hat, heisst, wissen, welche Bekundung er gemacht hat. Es heisst also mindestens, nach unserer Deutung dieses Ausdrucks, wissen, auf welche Handlungen er sich festgelegt bzw. welche er angekündigt hat bzw. zu welchen Handlungen diese Bekundung, als (zumindest Teil-) Begründung passen würde.
Darüberhinaus aber, im Falle der „normabhängigen“ Bekundungen (ein Pleonasmus, nach dem, was wir oben über den Spielraum des vernünftigen Handelns andeuteten), heisst, wissen, welche Bekundung der andre gemacht hat, wissen, auf welche Handlungen man sich selber festlegt (bzw. welche man ankündigt, bzw. usw., wie oben), wenn man sie als gültig anerkennt, und auf welche, wenn nicht.
Und somit kommt also zum verständigen Zitat (gewissermassen der Bekundung, als welche Bekundung man die physische Äusserung des andern definitiv verstanden hat) hinzu die Bekundung der eignen Stellungnahme – worin die Regel- bzw. Norm-Gemässheit der Bekundung beurteilt wird.
# Wer eine Bekundung nicht anerkennt, legt sich (unter anderm) darauf fest/ kündigt an/ begründet damit, dass er (falls nichts dagegen spricht) einen Korrekturversuch machen wird.
Er wird einer für ihn nicht nachvollziehbaren Beschreibung und einem nicht mit seinen Erlebnissen sich deckenden Bericht widersprechen, bzw. indirekt durch glaubwürdige Zeugen, Indizien usw. sie widerlegen; er wird ein Fehlurteil explizit berichtigen, und das nennen, woran in einer Begründung nicht gedacht wurde.
Vielleicht auch wird er Gründe für Handlungs(un)fähigkeit, (Un)Glaubwürdigkeit (ein Motiv, zu lügen) und mangelnde Kompetenz (Beschränkung der Wahrnehmungs- und Erinnerungsfähigkeit), schliesslich auch Gründe für schlechte Konzentration, Nachlässigkeit oder das Vorliegen pathologischer Zustände (als Ursache einer Einschränkung der Urteilsfähigkeit) oder mangelnder Motive, an etwas zu denken (begründet durch einen Erfahrungsmangel) beim Bekundenden nennen, und dabei auf dessen früheres Verhalten verweisen.
Und er wird den Korrekturversuchen, die andere (den Bekundenden selbst eingeschlossen) diesen seinen Reden (die ihrerseits bekundend und „normbezogen“ sind, ebenso wie die zu korrigierende Äusserung) entgegenhalten, zu antworten haben.
# Wie lange es auch dauern, und wieviel Prüfschritte nachträglich zu unternehmen sein mögen – in folgenden Arten einer Beurteilung der ursprünglichen Äusserung müsste das Gespräch enden, und, umgekehrt, folgende Möglichkeiten sind es, die im Fall der Nichtbeendigung, vielleicht auch Nichtbeendbarkeit, offenbleiben:
– der Widerruf des Korrekturversuchs (als seinerseits auf einem Irrtum usw. beruhend),
– die punktuellen Bestreitung des
— Bekundungscharakters der Äusserung (sie war eine blosse Vortäuschung , vielleicht ein Scherz, oder eine Lüge aus nachvollziehbaren (und vielleicht entschuldbaren) Motiven – nicht ernstzunehmen und nicht ernst gemeint) oder
— ihrer Normgemässheit (sie beruhte auf einer Wahrnehmungs- oder Erinnerungsillusion, Unaufmerksamkeit beim Beobachten, Urteilen und Überlegen, punktuellen und eingegrenzten Störungen, deren Bedingungen ermittelt werden können) – oder, im schlimmsten Fall,
– die definitive Aufgabe des Glaubens an das Bestehen der zugehörigen Dimension von Personalität überhaupt beim andern: nämlich
— Glaubwürdigkeit (Wahrhaftigkeit, Aufrichtigkeit, Ernsthaftigkeit) seiner (Absichts)Bekundungen, innerhalb des ihm zugestandenen Handlungsspielraums (er hält sich in seinen Handlungen daran – Sprechen, also Bekunden, und Handeln passen zusammen);
— Korrigierbarkeit seiner Fehlbekundungen (dies fällt zusammen mit der verbindlichen Zuschreibung der Grenzen von Handlungsfähigkeiten, einschliesslich der Fähigkeit zu „mentalen Handlungen“ wie Beobachten, Sicherinnern, Urteilen und Vorstellen, und ihrer allgemeinen Randbedingung: willentlich steuerbare Aufmerksamkeit, Konzentrationsfähigkeit und (vernünftig, aus den Erfahrungen des Betreffenden heraus begründbare) -bereitschaft),
— Vernünftigkeit (Anerkennenswürdigkeit seiner obersten Regeln, Ziele und Prioritäten, einschliesslich dessen, was er hinsichtlich der Anerkennenswürdigkeit anderer äussert, im Lichte seines Erfahrungswissens) — Richtigkeit seiner Urteile, ausserhalb des ihm zuzugestehenden Irrtumsspielraums,
— Vollständigkeit seiner Begründungen, im Lichte seines Erfahrungswissens, ausserhalb des ihm zuzugestehenden Unbesonnenheitsspielraums (er denkt nicht an etwas , woran er – im Zusammenhang der zu begründenden Handlung – denken müsste);
— Wahrheit seiner Beschreibungen und Berichte, einschliesslich der von ihm wiedergegebenen Berichte anderer, ausserhalb des ihm zuzugestehenden Unaufmerksamkeits- und Täuschungsspielraums.
# Die Beurteilungen, die hier angesprochen werden, sind Subsumtionen unter Begriffe (wie alle Beurteilungen). Und wie bei allen Beurteilungen bzw. Klassifikationen ist mit ihnen eine sehr allgemeine Bekundung verbunden: die Subsumtion unter, Klassifikation durch einen Begriff ist (wie wir oben sagten) zugleich die Subsumtion unter ein Handlungsschema. Wir können (vgl. oben) geradezu sagen: Ausnahmslos jede Beurteilung, jede Prädikation, ist eine bedingte Handlungsankündigung. Sie besagt: immer, wenn eine Situation von der Art des Refrenten der Prädikation auftritt, werde ich, der Sprecher, nach Art des prädizierten Handlungsschemas (dem Begriff) handeln. Kurz: Begriffe sind Handlungsregeln, und Urteile begründen Handlungen darum, weil sie nichts andres zum Ausdruck bringen als die Überzeugung des Sprechers, dass eine besondre Situation (das „Subjekt“ des Urteils, der Referent) ein besondrer Anwendungsfall einer Regel (des Prädikats) ist – einer Regel, wohlgemerkt, die künftig beim Handeln berücksichtigen, befolgen und beachten zu wollen (als etwas, das einen Unterschied in seinen Handlungen machen soll) er in der Definition bereits angekündigt hat (vgl. oben).
# Entsprechend können wir also für die von uns ins Auge gefassten Beurteilungen (bzw. Begriffe, Prädikate) angeben, auf welche möglichen Referenten sie bezogen sind, und welche Handlungsschemata mit ihnen angekündigt werden. Beginnen wir mit dem ersten.
Wir hatten oben als Gegenstand (Referenten) (zitierte) Äusserungen genannt. Das ist jetzt zu präzisieren. Gewiss ist jede Äusserung ein Ereignis nach einem Muster, das wir (im Prozess des Spracherwerbs – jener Interaktion, in der wir Verhaltensweisen andrer als Bekundungen deuten lernten, und sie dasselbe bei uns) als Bekundungsausdruck verstehen können. Dies freilich ist das rein Äusserliche an einer Äusserung – jede korrekte Äusserung muss schon rein äusserlich ihren Vorgängern gleichen, spätestens jenen, an denen wir (oder andre, für uns) früher einmal überprüften, ob das betreffende Wesen, oder seinesgleichen – die Sprecher seiner Sprache, die dieses sein System von Bekundungen mit ihm teilen – Wesen dieses Typs – überhaupt sprechen, also bekunden, und Verhaltensweisen ankündigen können. Im äusserlichen Sinn, morphologisch, einem Ereignis zu gleichen, das Realisierung (token) eines in einem solchen System von Bekundungen, einer Sprache, sinnvollen Ausdrucks (type) ist, und also prinzipiell verständlich und verstehbar zu sein, nämlich als eine Bekundung desunddes Typs in derundder Sprache, und also übersetzbar oder zitierbar (was, wie wir oben sahen, auf das gleiche hinausläuft) – das ist wohl notwendige Bedingung, um auch Äusserung sein zu können, aber nicht hinreichend.
# Zur Eigenschaft, Realisierung eines Ausdrucks(verhaltens) einer Sprache zu sein (ob flüchtig, oder dauerhafte Spur eines solchen, ist hier gleichgültig), muss als zweites hinzukommen die Eigenschaft, von einem Wesen von der Art derjenigen, an denen die Sprachlichkeit (Bekundungsfunktion, Bedeutsamkeit, Übersetzbarkeit) all jener Verhaltensweisen, die sinnvolle Ausdrücke dieser Sprache sein könnten, mitsamt der zugehörigen Bedeutung (Übersetzung) geprüft und also zugleich erlernt wurde, auch verursacht zu sein; und also, drittens, die Eigenschaft der Äusserung, auf die Verhaltensweisen eines solchen Wesens, eben als Bekundung, sich beziehen zu können.
Sich beziehen zu können, heisst aber nicht: sich auch tatsächlich zu beziehen. Ob etwas, das Bekundung, ernsthafte, ernstgemeinte und ernstzunehmende, Äusserung sein konnte , es auch war, kann, in bestimmten Hinsichten, wie wir oben sahen, sich erst im nachhinein herausstellen: Bekundungen, Handlungsankündigungen müssen wahrgemacht werden .
# Und ob wir also einer Bekundung trauen, und sie als Bekundung ernstnehmen, hängt davon ab, als wie verlässlich sich der Bekundende (der Sprecher, das in einer Sprache sich ausdrückende Wesen – das mit, als sprachlichen ausgemachten, Verhaltensweisen künftige Verhaltensweisen verlässlich signalisierende Wesen) in der Vergangenheit erwiesen hat.
Nicht, dass Nichteinhaltung einer Ankündigung nicht vorkommen dürfte – genau für diesen Fall wurde ja die Kategorie der Spielräume oben eingeführt. Sie modifiziert aber nur den Zusammenhang von Ankündigung und Ausführung bzw. Handlung und Handlungsbegründung – und hebt ihn nicht auf. Sie modifiziert ihn gerade angesichts eines Falls (oder auch mehrerer) von nicht haltbarer Bekundung – eine Erfahrung, die Bedingungen der (künftigen) Gültigkeit der Bekundungen eines bestimmten Typs bei einem bestimmten Sprecher festlegt, die dieser künftig zu berücksichtigen sich verpflichtet, wenn er bekundet. Andernfalls ginge der Eindruck eines Zusammenhangs zwischen dem, was er äussert, und dem, was er tut, verloren – und damit genau die Eigenschaft, die bestimmte seiner Verhaltensweisen zu sprachlichen, nämlich Äusserungen, Bekundungen eines bestimmten Typs macht – und damit sogar der Eindruck von diesem Wesen als einer Person.
# Dass für die aktuellen Bekundungen die nötige Aufmerksamkeit und Besonnenheit aufgewandt wird; dass sie, als Randbedingungen, den Erhalt oder gar die Ausweitung der (beschränkten und ständig bedrohten) Handlungsfähigkeit (und dazu zählt auch die Wahrnehmungsfähigkeit) des Bekundenden mitberücksichtigen; dass unsre Korrekturversuche und Versuche einer Erweiterung seines Wissens durch unsre Erfahrung, auch unsre Versuche, ihn auf etwas aufmerksam zu machen, nicht ohne Grund nicht angehört, geprüft und, falls nicht ihrerseits mit einem für uns einsichtigen Grund verworfen, auch übernommen, und wie eignes Material dem begründeten Handeln zugrundegelegt werden – das also sind, viertens, notwendige (und die andern drei voraussetzende) Bedingungen dafür, dass wir eine, zum Zeitpunkt ihres Stattfindens noch nicht wahrgemachte, Bekundung ernstnehmen .
(Als Ergänzung hätten wir oben übrigens einen „Unwissenheitsspielraum“ des Vernünftigseins hinzufügen können – und damit, in unsre Liste der Randbedingungen des Ernstnehmens von Bekundungen, auch die eine und sehr wichtige mitaufzunehmen: dass die Bekundung zur Erfahrung, einschliesslich der ihm berichteten (und nicht ohne Grund nicht geglaubten), des Bekundenden, passt – dass sie, durch seine Erfahrung, begründet ist – vernünftig begründet (ein Pleonasmus).
# Als allgemeine Bedingungen des Ernstnehmens sind dann aber gleich zwei weitere zu nennen – so wie wir wiederum umgekehrt jedem Redenden einen mehr oder weniger grossen, einschlägigen, auf sie bezüglichen Spielraum zugestehen, worin wir ihm vorläufig die Nichtbeachtung dieser Bedingungen einräumen. Nämlich: das Lügen, Vortäuschen, und unernsthaft Reden einerseits, das Nichtreden , nicht Auskunft über sich Geben, Nichtbegründen, andererseits.
Zum Lügen und Vortäuschen, und überhaupt zur ganzen unernsthaften, d.h. nicht unmittelbar bekundenden Rede (Scherz, Spiel, Fiktion), gehört ein Motiv . (Für die Lüge bzw. Vortäuschung darf man durchaus soweit gehen, zu sagen: ihr eigentlicher Urheber sei der Belogene selbst – als Urheber des Motivs, ihn zu belügen.)
Ein gleiches gilt, weniger offensichtlich, allerdings auch für das zweite: auch dafür, warum einer uns bestimmtes von sich nicht erzählen mag, oder seine Absichten nicht offenlegt, müssen wir Verständnis aufbringen können. Und dazu muss er uns immerhin schon etwas gesagt haben.
Wir können also, fünftens, als Bedingung für den (vorläufigen) Bekundungscharakter einer Äusserung (und damit als Grund, sie ernstzunehmen), festhalten: dass wir kein vernünftiges Motiv, uns anzulügen (im weiteren Sinne: unernsthaft zu sprechen) sehen; und dass wir keinen Anlass haben, an ihrem Bekundungscharakter zweifeln, weil uns eine Auskunft fehlt, die der Sprecher uns – aus für uns nachvollziehbaren Gründen – bislang noch nicht gegeben hat (aber geben können müsste).
# Wir sehen: von unsren fünf notwendigen Bedingungen setzt die jeweils neu hinzukommende die früheren voraus. Fragen wir uns jetzt: ob sie vollständig sind – ob die genannten notwendigen Bedingungen zusammen hinreichen, also die notwendig-hinreichende Bedingung für die Anerkennenswürdigkeit einer Äusserung als Bekundung ist. Und zwar: Anerkennenswüdigkeit für uns und jeden überhaupt; das heisst: eine so, bei Erfüllung dieser Bedingungen gemachte Bekundung muss ernstgenommen werden können. Und umgekehrt: das Nicht-Ernstnehmen einer Bekundung könnte dann, wenn wir rechthaben, dadurch und nur dadurch begründet werden, dass eine der Bedingungen nicht erfüllt ist.
# Wir sprachen oben bereits von Dimensionen der Personalität – der Eigenschaft, Person zu sein, und als Person ernstgenommen werden zu müssen. Wir können nun nachträglich besser verstehen, warum das so ist: dass ein sich verhaltender und in bekannten wie unbekannten Umgebungen durch sein Verhalten sich erfolgreich behauptender, zumindest zur allmählichen Erlernung der Bedingungen seiner erfolgreichen Behauptung, d.h. seines Weiterlebens, zusammen mit den dazu notwendigen Mitteln, befähigter Organismus Person ist – das setzt notwendig voraus, dass er dieses sein reproduktives (instrumentelles) Verhalten und auch das indirekt darauf bezogene, nämlich das versuchsweise reproduktive, aus dessen Misserfolg zu lernen ist, ankündigt , und durch seine bisherige Erfahrung (auch die ihm mitgeteilte) begründet . (Es ist die Aufgabe einer eignen Untersuchung, zu zeigen, dass diese Voraussetzung auch hinreichend ist – ja, dass die Fähigkeit zum, durch berichtbare Erfahrung begründbaren, und durch die gesamte verfügbare Erfahrung begründeten, Ankündigen des reproduktiven und Versuchs- oder Explorations- und Lernverhaltens zusammenfällt mit Vernünftigkeit selbst.)
# hier u.U. Exkurs über Behaviorismus/Verhaltensbegriff.
# Aus diesem Grund also sind die möglichen Defekte des Bekundens Defekte des Personseins selbst, weil eben die Bedingungen des einen mit denen des andern zusammenfallen. Wir können sagen: Jenseits der angegebenen Spielräume für punktuelle Abweichung, nämlich Abweichung des Handelns von Ankündigung und Begründung (Begründbarem), ist kein Spielraum mehr für „abweichende Personalität“, die dennoch Personalität sein soll: Die Einhaltung der Grenzen des Angekündigten und Begründbaren ist das Personalitätskriterium (und Ankündigen- und Begründenkönnen, und es, jenseits eines bestimmten Spielraums für zulässige, d.h. verständliche Abweichung, auch tun, also Sprechen, maximal ausführlich Bekunden und Begründen, ist die Vorraussetzung dafür). Man darf diesen Satz nicht im Sinne des „Substanzbegriffs“ Person verstehen – Person ist nur die Summe der mentalen Zustände mit dispositionellem Charakter; so verstanden, besagt der Satz: jenseits der Spielräume für punktuelle Abweichung gibt es nicht einmal mehr mentale Zustände – nichts Mentales, von dem man sagen könnte, es existiere, man wisse aber noch nicht, worin es bestehe (welche Qualitäten es aufweise).
# Gleiches gilt übrigens (unabhängig vom Satz über Mentales) für Bedeutungen: nicht nur, dass (wie bei Personalität) „Bedeutungshaftigkeit“ eines Verhaltens bzw. seiner dauerhaften Resultate nichts andres sein kann als die Eigenschaft, eine der in einer (vollständigen) Sprache vorgesehenen Bedeutungen aufzuweisen – d.h. ein Ausdruck zu sein, mit dem normalerweise unter abgegrenzten Anwendungsbedingungen eine bestimmte der möglichen Bekundungen gemacht wird; sondern darüberhinaus gibt es keine Bedeutung ohne Deutung – nichts Sprachliches, von dem man sagen könnte, es existiere, man wisse aber noch nicht, um welchen Ausdruck welcher Sprache es sich handle.
((Vergleichbar, ohne dass wir es weiter ausführen, auch die Redeweise: Jemand meine etwas – wolle etwas sagen, einen Ausdruck benutzen, der uns das sagt, was er Betreffende uns sagen will – doch den Ausdruck selbst kennt man noch nicht. Man kann keine Redeabsicht bekunden, ohne sie auszuführen – anders ist das Vorhandensein einer solchen Absicht nicht mehr gesichert. Hat sie keine mitteilbare Qualität, existiert sie auch nicht – nicht als das, was zu sein mit Bezug auf sie vorgegeben wird. So gibt es also kein Meinen ohne Sagen, Aussprechen des Gemeinten – kein Meinen, von dem man sagen könnte, es existiere, aber man werde nie erfahren (oder sagen können), was sein Inhalt ist – worin das Gemeinte besteht.))
# Das aber, was wir oben an „Spielräumen“ aufgeführt haben, ist nichts andres als der Rahmen (mit zugehörigen Sprachhandlungen, den Korrektursprachspielen, wie man sie nennen könnte), innerhalb dessen die einmal gedeuteten Äusserungen des andern noch Bedeutung haben – jenseits davon jedoch bricht die Interpretation, die Deutung und damit Bedeutsamkeit des Sprachverhaltens zusammen, und das (im Spracherwerb, bzw. der Ausbildungsphase eines gemeinsamen Sprechens, der Herstellung einer festen Übersetzungsbeziehung zwischen bestimmten seiner Verhaltensweisen, und unsern Prognosen, Berichten, Beschreibungen, Bekundungen und Begriffserläuterungen, und damit der Deutung dieser Verhaltensweisen als sprachliche Äusserungen, Realisierungen von Mustern, die zusammen die Struktur einer vollständigen Sprache aufweisen) mühsam erworbene Verständnis, die Grundlage für Verständigung, geht wieder verloren.
# Es bildet den Kern dessen, was nun zu zeigen bleibt: dass alles, was wir bisher unter Vernünftigkeit überhaupt verstanden haben – und was, wenn wir uns besinnen, wir darunter verstehen wollen, soweit wir’s nicht schon getan haben – Vernünftigkeit provisorisch verstanden als die Eigenschaft von Absichten und Gründen, einer (oder mehreren; dass es nur eine sein kann, wird sich zeigen!) obersten Regel gemäss zu sein: dass also all dies zusammenfällt mit Verständlichkeit: Bedeutsamkeit, Sprachlichkeit eines Verhaltensanteils (des Sprachverhaltens nämlich), vollständige Ankündbarkeit und Begründbarkeit durch Erfahrung des reproduktiven Verhaltens und der Verlässlichkeit dieses Verständlichseins auf Dauer, über alle Wechselfälle der erfahrenen Geschichte weg (solche also, die zunächst wie eine Beschränkung, oder gar Aufhebung dieser Verlässlichkeit wirken). Das Innerste aber dieses Kerns, wenn wir so sagen dürfen, bildet die Einsicht, dass diese Verständlichkeit, die zugleich zusammenfällt mit Personalität, „Bewusstheit“ auf Dauer, nichts andres ist als Kollektivität des Bekundens für alle möglichen Fälle – oder, wie man auch sagen könnte: universelle Übersetzbarkeit alles Sagbaren.
Und dieses letzte wiederum fällt zusammen mit der Gemeinsamkeit (oder Gleichheit bei allen) der Grundsätze des Planens für alle angesichts einer gegebnen Erfahrung sinnvollerweise denkbaren Fälle, ohne Zwang..
Dies alles bleibt allerdings noch zu zeigen, und soll später auch gezeigt werden.
# Im Rahmen dieser einleitenden Bemerkungen hatten wir uns (vgl. oben…) vorgenommen, jene Beurteilungen von Bekundungen (Äusserungen) zu betrachten, die offensichtlich in jeder Fremdzuschreibung, als Reaktion auf die Bekundung (oder hypothetische Antizipation einer solchen), enthalten sind. Wir hatten gefragt, wovon diese Beurteilungen handeln – und unsre Antwort lautete: Äusserungen; also aufgrund eines vorgängigen Sprachdeutungsprozesses deutbares Sprachverhalten eines „Sprechers“ (Organismus, Wesen, von dem Typ, für den die „Sprache“, das System der Bekundungen, das sie ist, einzig Bedeutung hat); etwas also, das Kandidat ist für eine Übersetzung – in eine Prognose (soweit es sich um eine Bekundung handelt), eine Mitteilung (soweit um einen Bericht), oder in eine Behauptung (soweit die Äusserung selbst Behauptung ist).
Die andere Frage oben, die jetzt noch offen ist, lautete (entsprechend dem, was wir über Beurteilungen, Prädikationen im allgemeinen gesagt hatten): die Anwendung welcher gleichbleibender (und im besondern Fall noch zu präzisierender) Handlungsschemata kündigen wir durch solche Prädikationen an?
# Entweder: wir geben die Übersetzung für eine gültige aus. Das aber heisst, dass wir die Rede des andern in unsre eigne verwandelt haben. Er hat bekundet – dann heisst, die Bekundung anerkennen: nichts andres prognostizieren, nämlich: nichts andres an Verhalten von ihm erwarten, als was zu seiner Bekundung passt. Gegenüber einem Dritten heisst das
soviel wie: die Bekundung mittragen, ja: selbst bekunden, mit Blick auf denselben Organismus, für den die ursprüngliche Bekundung galt. Derselbe Spielraum wie für den Bekundenden gilt nun auch für mich; die Nichteinhaltung seiner Bekudnung desavouiert mich, der sie anerkennt, in gleicher Weise; dies, ohne weitere Erklärung, zu ignorieren, würde mich in gleicher Weise unvernünftig und unzuverlässig erscheinen lassen wie den ursprünglich Bekundenden. Und seine Erklärungen, seine Modifikationen künftiger Bekudnungen angesichts der Nichthaltbarkeit der vorangegangenen muss ich übernehmen, so wie überhaupt jeder, der ist wie wir – jeder Dritte, Vierte, und überhaupt jeder, den wir ernstnehmen sollen.
# Die Übernahme ernstzunehmender Bekundungen durch jeden, der nichts gegen die Glaubwürdigkeit des Sprechers einzuwenden hat, ist also eine Bedingung dafür, dass er selber ernstgenommen werden kann – ein Bestandteil dessen, was seine Vernünftigkeit ausmacht. Indem jeder die Bekundungen es andern übernimmt (soweit er sie kennt), kommen wir aber schliesslich dahin, dass jeder die gültigen Bekundungen aller mitbekundet.
# ((Dies ist zwar richtig, sagt aber noch nicht das Entscheidende. Das Glaubwürdigfinden, Ernstnehmen einer Bekundung, und zwar auch in dem Sinn, dass das Bekundete im Rahmen des derzeit, im Lichte der Erfahrung des Andern, noch möglichen Versuchshandelns liegt (also nicht, aufgrund vergangener Erahrungen des Nichtkönnens, unsinnig und vernünftigerweise zu unterlassen wäre), reicht zwar zur begründeten Erwartung (Prognose) seiner Versuchshandlung, unter der Voraussetzung, dass, nach unserm Wissen, die allgemeinen Bedingungen für seine Vernünftigkeit zum betreffenden Zeitpunkt (für den die Bekundung gilt) erfüllt sind, nach unserer Einschätzung; hingegen nicht für die Umwandlung der Prognose in eine Bekundung. Die Gültigkeit der Bekundung ist nämlich nicht nur an ihre subjektive Glaubwürdigkeit gebunden, vielmehr an ihre objektive
Begründbarkeit aus der allgemeinen (uns allen zugänglichen) Erfahrung; und diese muss, nach von uns anerkannten Grundsätzen, zum bekundeten Plan führen.
# Dieser Plan sieht bestimmte (Versuchs)Handlungen des Bekundenden für bestimmte, noch nicht vorhersehbare Situationen („Bedingungen des Handelns“) vor. Genau dann, wenn in der Formulierung dieser Bedingungen, unter der Voraussetzung der Vernünftigkeit des Andern (die wir nicht extra erwähnen müssen, denn sonst wäre ihm kein Plan zuzuschreiben, er kein „er“, keine Person mehr), keine Redehandlungen von unserer Seite erwähnt werden können, die noch einen Unterschied in den so bedingt angekündigten Handlungen des Bekundenden machen – darum, weil alles, was wir sagen könnten, berücksichtigt ist – dann, und nur dann, geht unsre, durch die Bekundung des Andern begründete Erwartung (Prognose) dessen, was er tun wird, die wir als eine (vorläufige) Übersetzung der Bekundung, sofern sie als subjektiv ernstgemeint aufgefasste werden darf, über in etwas, das wir in gleicher Weise bekunden wie der andre – mit ihm zusammen, und gegenüber Dritten.
# Der Andre – die Andern, verfahren genauso mit unsern Bekundungen; so wird verständlich, wie aus gültigen, d.h. nicht mehr umstrittenen (oder bestrittenen), oder besser: vernünftigerweise nicht mehr bestreit- und korrigierbaren, Bekundungen ein kollektiver Plan wird. Erst recht aber wird klar, wie die glaubhafte Bekundung, eine Regel des vernünftigen, d.h. für alle in gleicher Weise anerkennenswürdigen Umgangs mit kollektiver Erfahrung (d.h. des Ableitens von kollektiven Plänen, Plänen für das kollektive, von allen in gleicher Weise gültig bekundbare, aus der ausgetauschten, also kollektiven, Erfahrung – oder auch: des Begründens der so gefundenen Pläne durch die kollektive Erfahrung) zur Grundlage für zwanglose Kooperation, Arbeitsteilung, werden kann, ohne dass kontrollierende Abstimmung jeden einzelnen Planungsschritt begleiten müsste. Wer – subjektiv glaubwürdig, bis zum Verlust des Vertrauens in ihn und die Verlässlichkeit seines Bekundens, was, nach dem oben Gesagten, mit dem Verlust der Anerkennung als Person verbunden wäre (zumindest zeitweise, bis zur Aufdeckung der Ursachen dieses Verlustets, die wiederum neue Spielräume für Korrekturen, auf der Grundlage des dann auch neu wiederhergestellten begründeten Zutrauens in die (an diese Randbedingungen gebundene) Personalität des Andern, eröffnen würden) – sich zu dieser Regel bekennt, und überhaupt sie gedacht hat (die wesentlichste Voraussetzung dafür, sie auch befolgen zu wollen; man kann sagen: wer vernünftig ist, wird diese Regel als seine betrachten, sobald er nur motiviert worden ist, sich auf sie zu besinnen und sie also zu denken und zu formulieren), den kann man neue Erfahrungen machen lassen, da, wo er an der Realisierung des kollektiven (Versuchs)Plans arbeitet, und ohne Kontrolle und ohne Zwang weiss man: Er wird tun, was wir (an seiner Stelle) tun würden – was wir, durch ihn, getan sehen wollen.
# Was für Bekundungen allgemein gilt, dürfen wir speziell von Berichten sagen: soweit sie schon bekannt sind, und nicht zu bezweifeln oder zu widerlegen, sind die Erlebnisse jedes einzelnen virtuell die aller andern – virtuell ist die Erfahrung, die alle ihren Plänen zugrundelegen, dieselbe, dadurch, dass die glaubwürdig berichteten Erlebnisse der Einzelnen in das kollektive Erfahrungswissen übernommen werden können.
Man fragt sich vielleicht, ob nicht auch Beurteilungen, Vernünftigkeit, Vollständigkeit der Begründungen, und das heisst ja wohl auch: des Begriffssystems, sowie eingestandene und unumstrittene Defekte des (vergangenen) Bekundens nicht in die Liste des zu Übersetzenden gehören. Der Grund ist, dass sie nicht zum eigentlich Individuellen zählen, das (durch Übersetzung) generalisiert werden müsste. Das, was der Einzelne als Einzelner beizutragen hat: seine genuin persönliche Erfahrung, seine Erlebnisse, ist, wenn ausgesprochen und mitgeteilt, verstanden, übersetzt und für glaubwürdig befunden, nicht mehr sein. Was, jenseits der generalisierten (und generalisierbaren) individuellen Erfahrung das Indiviuum ausmacht, sind nichts als Defekte: dass es, im Vergleich zur kollektiven Erfahrung (der generalisierbaren Erfahrung der Andern, sie sei nun ausgetauscht mit andern, oder nicht) zurückgeblieben ist, und etwas davon noch nicht weiss; dass es, im Vergleich mit dem kollektiven Urteil, falsch gerechnet, und falsch subsumiert hat, und sich irrt ; dass es, begründet durch seine geringe Erfahrung, nicht motiviert war, sich bestimmte Möglichkeiten vorzustellen und bestimmte Begriffe auszubilden, und also an vieles noch nicht gedacht hat ; vor allem nicht, was es – für alle Möglichkeiten – hiesse, vernünftig, und seinesgleichen zu sein – mit Erahrung umzugehen so, wie es selbst, unter denselben Voraussetzungen, damit umgehen würde (das hiesse: sich einfühlen) – und also versteht es vieles nicht, was eigentlich verständlich ist…
# Aus diesem, und nur aus diesem Grund, gibt es auch das, was man die Asymmetrie von Selbst- und Fremdzuschreibung genannt hat – darum nämlich, weil der Einzelne, sei es als „Selbst-„, sei es als „Fremdzuschreiber“, sich weigert, die Verständigung mit dem Andern soweit zu treiben, bis über die Gültigkeit der Bekundungen beider Einverständnis erzielt ist, und er, nach dem oben Gesagten, die Bekundung als Bekundung, mitübernehmen und vertreten könnte.
Voraussetzung dafür wäre freilich, dass jeder Bekundende und mit Bekundungen anderer Umgehende sich auf die Regeln der Gültigkeit selbst besinnt – darauf, was er, in welchem Fall, bei welchem Erfahrungsstand, selbst für vernünftig und anerkennenswürdig, richtig, und unumgänglich halten würde. Das Ausmass, in dem er sich darauf besonnen hat – vor allem aber das Ausmass, in dem er sich noch nicht darauf besonnen hat, ist es, was heutzutage die Besonderheit von Individuen ausmacht – ihre Eigenart , die sie zugleich einander so fremd erscheinen lässt – die sie ihren Bekundungen wechselseitig misstrauen lässt, bis hin zum Zweifel an Existenz und Zugänglichkeit des Fremdpsychischen überhaupt (als übersteigertem, philosophischen Ausdrucks des alltäglichen Zweifels vereinzelter, bürgerlicher Individuen an der Verlässlichkeit und Gültigkeit der Bekundungen anderer), ja bis zum Zweifel an der „Gewissheit seiner selbst“ – der Haltbarkeit der eignen Bekundungen.
# Wer keinen Begriff von dem hat, was vernünftig, anerkennenswert und nachvollziehbar ist oder wäre, bei sich oder andern, versteht weder ganz, noch ist er ganz verständlich. Wenn wir nun an der Vernünftigkeit der sich (und uns) fremd erscheinenden, unverständigen Andern nicht verzweifeln wollen, bleibt uns nichts andres übrig, als das zu tun, was sie – bis auf weiteres – zu tun noch nicht sich veranlasst sehen: sie zu verstehen, und ihr Tun (vor allem ihr Unterlassen des Denkens, vor allem andern des Denkens des Begriffs des Vernünfigseins selbst) als – auf Grundlage ihres Erfahrungsstandes – verständlich, wohlbegründet und nachvollziehbar, also vernünftig zu begreifen. Das aber heisst: wir müssen selbst die Gründe denken, entsprechend der allgemeinen Vernunftsregel, die wir, mit reichem oder geringem Erfahrungsstand, und darum mit viel oder wenig Gedanken, allesamt ohne Unterschied befolgen, sofern wir überhaupt Person sind – jene Gründe, die sie uns nicht sagen wollen, und die doch für ihr Handeln ausschlaggebend sind – sofern es überhaupt ein Handeln ist.
# Und diese Gründe – wenn es stimmt, was wir die ganze Zeit behaupten (ohne es doch schon gezeigt zu haben): dass Vernunft die allgemeine Regel des aus Erfahrung begründeten Planens ist (ein Pleonasmus; „des begründeten Planens“ würde ausreichen) – ja, dass Vernünftigkeit nichts andres ist als die Eigenschaft universeller Lernfähigkeit, universeller Begründungsfähigkeit des Versuchshandelns (also Handelns – denn alles Handeln ist ein Versuchen) – diese Gründe also werden Erfahrungsgründe sein; Erfahrungen, besser: zusammenhängende Erfahrungen, Geschichten, im weiteren Sinne dann: Lebensgeschichten sein – Typen von Lebensgeschichten, Biographien, die vernünftigerweise, verständlicherweise und für uns (auf Grundlage der dem Andern zugestandenen Vernünftigkeit) nachvollziehbar ihn daran hindern, verständig, d.h. verständlich (in seinen Bekundungen) und verstehend (was die Bekundunge der Andern betrifft) zu sein.
# Vernünftig sind wir alle – verständig (im oben angegebnen Sinne: verstehen und verständlich sein) nicht.
Was immer wir tun, wer immer wir sind, was immer wir erfahren haben: wir werden es, abgesehen von den besondern (Erfahrungs)Gründen, damit begründen, dass dies so vernünftig ist, wie wir es tun , dass dies , angesichts dessen, was wir an (Erfahrungs)Gründen anzuführen haben – angesichts der Geschichte, die wir (zur Begründung) erzählen, vernünftig ist . Ganz streng genommen, ist dies garkein Grund mehr – eher schon ein Appell, ein Hinweis auch, dass die Begründung fertig ist, dass der Begründende das Unzureichende seiner Begründung nicht erkennen kann und den Andern auffordert, es ihm zu zeigen. Wer das Vernünftige einer Begründung nicht erkennt, dem kann mans auch nicht zeigen. Nicht verum, aber ratio index sui – für den Vernünftigen zeigt sich das Vernünftige von selbst – und daran seine Vernunft (oder Personalität, nach unsrem Jargon). Und nur in diesem Sinne also kann man, allenfalls, sagen, dass jemand sich, auf die Vernunftsregel, als seine Regel, als die von ihm befolgte, das heisst: als Grund, und zwar als letzten Grund , beruft. (Statt Regel, oder Grund, darf man übrigens auch sagen: Begriff; mit dem Begriff des Vernünftigen charakterisiert oder bewertet man die Zuordnung bestimmter Handlungen zu bestimmten Erfahrungen – man könnte auch sagen: bestimmte Handlungen als Fortsetzungen bestimmter Geschichten. Ganz grob deutet sich hier vielleicht schon die Einsicht an: dass der Begriff des Vernünftigen, d.h. der Unterschied des Vernünftigen und Unvernünftigen, so, wie den letzten Grund, auch den obersten und allgemeinsten Begriff, d.h. Unterschied, ausmacht – den allgemeinsten Unterschied, den wir an dem, woran überhaupt Unterschiede gemacht werden können machen können: dem Möglichen, d.h. Denk-, also Sag- und Beschreibbaren, möglichen Geschichten überhaupt. Der Begriff einer (durch Handeln) vernünftig fortgesetzten Geschichte, als Teil der Menge vernünftiger Geschichten überhaupt, impliziert, als Grenzbegriff, den der Menge aller vollständigen, d.h. vernünftigerweise nicht mehr fortsetzbaren Geschichten, und jenseits davon die nur noch unvernünftig zu nennenden Fortsetzungen. Vernunft ist nicht einfach nur die Fähigkeit zu lernen, sondern der Antrieb dazu – zu lernen ist das Interessse vernünftiger Wesen überhaupt – ein Pleonasmus, denn wenn etwas den Namen Interesse überhaupt verdient, dann dies. Die Grenze, die am sich schier unendlich verzweigenden Baum möglicher Geschichten den Bereich des vernünftigerweise Fortsetzbaren vom nicht mehr vernünftig Fortsetzbaren trennt, ist die Grenze, wo (für eine gegebne Geschichte) die Fotzsetzung durch weitere (Versuchs)Handlungen, Experimente, uninteressant ist – weil nichts mehr zu lernen ist; darum, weil alle überhaupt möglichen Hypothesen bestätigt oder verworfen sind – und jenseits davon keine Hypothesen, Regelmässigkeiten im Ablauf von Ereignissen, festzustellen sind: weil also das Erkennbare erkannt, und der Rest unerkennbar (chaotisch) ist. Es steckt im Begriff der „möglichen Hypothese, die verworfen oder bestätigt ist“, ein anderer: der eines möglichen Typs von Möglichkeit – oder des möglichen Typs, Begriffs . wenn alle denkbaren Hypothesen (Möglichkeiten) gedacht wurden, dann alle Möglichkeiten – entlang einer wirklichen (erlebten, erfahrenen) Geschichte den Inbegriff der möglichen Geschichten, auch Typen möglicher Gechichten, oder den Inbegriff der möglichen Begriffe zu denken – das ist die eigentlich vernünftige Tätigkeit, das Interesse . Und dieses ist, am angegebenen Ende der Geschichte, zugleich am Ziel – es ist befriedigt .
# Auf diese Regel also beruft sich, wer (übrigens, gleich unter welchem Titel) die Anerkennung seiner (Erfahrungs)Gründe einklagt – auf sie auch, wer Andern die Anerkennenswürdigkeit ihrer Gründe für gleich welchen Plan abspricht, und sie (im Rahmen des Spielraums, den er ihnen, für Korrekturen, als Vernünftigen, und Korrigierbaren, zugesteht) zu anderem, von ihm Anerkannten und für ihn Verstehbarem (im Lichte der Erfahrung der Andern, vor allem aber auch des ihnen mitgeteilten eignen Erfahrungswissens usw.) bewegen will. Bloss: diese Berufung auf eine Regel, und sei sie auch die grundlegendste, dies Geltendmachen eines (begrifflichen) Grundes, und sei er auch der letzte, bzw. dies Subsumieren der aktuellen (geplanten, möglichen) Fortsetzungen der Geschichte (soweit sie einem bekannt ist) (und das heisst nänmlich Begründung des aktuellen kollektiven Plans, d.h. dessen, was man im gegebnen Augenblick, bei gegebnem Wissen, für sich und Andre zu tun für angebracht und – vernünftig hielte) unter einen Begriff , und sei es auch der allgemeinste, mit dem sich noch ein Unterschied (im Handeln) machen und begründen lässt (nämlich der, dass man, jenseits der Grenze zur Unvernunft, d.h. am Ende der Geschichte, das Handeln willentlich einstellt): dieser Begriff, dieser (begriffliche) Grund, diese Regel also müssen, bloss darum, weil man sich auf sie beruft, bloss darum, weil man, durch die (in zahllosen Beispielen eingeführte) Verwendung ein und desselben Worts („vernünftig“ oder „in meinem/deinem Interesse liegend“) wie in andern Fällen, den Anspruch auf Regelhaftigkeit erhoben hat, noch lange nicht Regel, Grund, und Begriff sein .
# Es ist die Crux von, über Beispielsreihen eingeführten, Ausdrücken: dass die zugrundeliegende Regel ihrer Verwendung unter Umständen nicht eindeutig bestimmt ist; einmal, weil der gemeinte Begriff (die zu erläuternde Regel) nur an speziellen Beispielen demonstriert wurde, und also mit einem der unter ihn fallenden Spezialbegriffe verwechselt wird: Die Beispielsreihe war nicht umfangreich genug, um den ganzen Umfang der Begriffsverwendung, so wie sie gemeint ist, zu erfassen.
Und andererseits kann die Beispielsreihe inkonsequent, und in diesem Sinn, wenn man so will, zu umfangreich, sein: man entdeckt in den angeführten Beispielen die Regel (die Gemeinsamkeit) nicht, oder mehrere, einander widersprechende. Das, was wir die zugrundeliegenden „Regeln“ (nicht vorhandene, widersprechende) oder auch „Begriffe“ nannten, wird im allgemeinen durch andre Ausdrücke, in Kombination, beschrieben: wir geben dann vom, durch die Beispielsreihe eingeführten Begriff, eine Merkmalsdefinition – oder kurz: wir definieren ihn, stellen seinen Zusammenhang zu andern Begriffen explizit her. Und diese Merkmalsdefinition, jenseits der Beispielsreihe, und auf ihrer Grundlage erstellt, ist es, worauf wir uns berufen, wenn wir – „explizit“ , ausdrücklich, nämlich so, dass wir es ausdrücken können, sagen, warum etwas unter diesen Begriff fällt – eine Befolgung dieser Regel darstellt – zu dieser Art (begrifflichen) Grund passt – oder eben auch nicht.
# Und wer in seiner Verwendung des Begriffs „vernünftig“ auf eine Beispielsreihe verweist – nämlich eine Reihe jener Situationen, wo er eine Verwendung des Begriffs für angebracht (oder nicht angebracht) hält – der hat zwar schon den Anspruch , über einen Begriff, eine Regel, einen (begrifflichen) Grund zu verfügen – er muss ihn aber, wie bei jedem andern so eingeführten Begriff, darum noch lange nicht einlösen können – in Form einer expliziten Definition. Und an den beiden möglichen Mängeln aller Beispiels-Definitionen könnte auch seine leiden: die Beispiele könnten zu speziell sein – er hat an viele Fälle, wo er den Begriff verwenden würde, so, wie er ihn meint, (noch) nicht gedacht: sein Begriff von Vernünftigkeit, soweit er ihn erklären und sich auf die Erklärung (Definition) berufen kann, ist zu eng; und andererseits könnte es sein, dass er keine auf alle Fälle zutreffende Definition findet – darum, weil bestimmte Gemeinsamkeiten einer Untergruppe von Fällen bei andern nicht anzutreffen sind. Der Begriff scheint dann nicht einheitlich – er scheint ein blosses Aggregat von Alternativen, bei denen man nicht weiss, warum gerade diese zusammengefasst wurden, und welche weiteren vielleicht noch dazugehören könnten; vielleicht aber erscheint er sogar widersprüchlich, und Fälle der gleichen Art einmal dazu zu passen, und einmal nicht.
# Vergegenwärtigen wir uns, wie letzteres überhaupt möglich sein kann: einzig dadurch offenbar, dass eine Randbedingung für das Zutreffen des Begriffs auf eine Gruppe von Fällen (einen Typ) seiner Realisierung nicht beachtet wurde in der Definition. Die Alternation mehrerer, untereinander durch kein gemeinsames Merkmal verbundener Falltypen der Realisierung des Begriffs wäre dann zurückzuführen auf die, in die Regelformulierung (Begriffsdefinition; Definition der Regel der Begriffsverwendung) aufzunehmende, Alternation von zugrundezulegenden Randbedingungen; und speziell würde das für solche Fälle gelten, wo ein und dasselbe Muster (und und derselbe Ereignis- oder Dingtyp), einmal den Begriff (zb. des vernünftigen Handelns) zu realisieren scheint, und einmal nicht – die Merkmalsdefinition also widersprüchlich erschiene.